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624 reportpsychologie ‹27› 10/2002 In diesem Artikel berichte ich über ausgewählte Befunde und Fakten zum Thema „Hochbega- bung“ und „Hochbegabte“, ergänzt um einige Anmerkungen und notwendige Klarstellungen. Auf dem Hintergrund der Erkenntnisse, die wir im seit 1987 lau- fenden Marburger Hochbegabtenprojekt gewonnen ha- ben und aufgrund der Beratungserfahrungen im Rahmen der (hoch-)begabungsdiagnostischen Beratungsstelle BRAIN, die seit Herbst 1999 am Fachbereich Psychologie der Universität Marburg besteht und inzwischen mehr als 500 umfassende Einzeldiagnosen mit anschließender um- fangreicher Beratung durchgeführt hat, spreche ich auch manche Ungereimtheiten an, die sich nicht nur in der ein- schlägigen populärwissenschaftlichen Literatur – dort aber besonders zahlreich – finden. In der psychologischen Wissenschaft ist es (leider) etwas unüblich geworden, bei divergierenden Meinungen, Ansätzen, Paradigmen, The- orien, Methoden und Befunden ausdrücklich und poin- tiert zu argumentieren, Spreu vom Weizen zu scheiden, nachdrücklich Sinn als Sinn anzuerkennen und ebenso nachdrücklich Unsinn als Unsinn zu entlarven. Die manchmal bei der Diskussion divergierender Ansätze, Pa- radigmen, Theorien und Befunde zu hörende Meinung, man solle solche Unterschiede nicht noch hervorheben, sondern man sollte sie lieber nebeneinander stehen lassen („Leben und leben lassen“), hat mit Wissenschaft recht wenig zu tun. Wissenschaft kann und darf in diesem Sin- ne nicht tolerant sein, genau so wenig, wie Wissenschaft demokratisch-kompromissorientiert sein darf. Einige mei- ner Formulierungen habe ich deshalb bewusst deutlich und provokant gewählt, um im Themenbereich „Hochbe- gabung“ und „Hochbegabte“ die Diskussion zu beleben. Begriffsvielfalt Es gibt viele Versuche, „Hochbega- bung“ verbal zu umschreiben – wie alle „Omnibus“-Definitionen kom- plexer psychologischer Funktionen sind sie wenig überzeugend. Die Un- schärfe des „Hochbegabungs“-Be- griffs gründet in der Unschärfe des Begriffs „Begabung“, der „in der Per- sönlichkeitspsychologie erheblich an Bedeutung verloren“ hat (Süß, 2001, S.148) und in der empirischen Psychologie kaum noch verwendet wird, wohl aber in der Pädagogik: Im An- schluss an Roth (1961) stellen viele Pädagogen 1 (und ei- nige Psychologen) gern einem „alten statischen” (damit soll die stärker genetisch verankerte, „nativistische“ Posi- tion abqualifiziert werden; „endogener“ Ansatz) einen „modernen dynamischen” Begabungsbegriff (pädagogi- sches „Begaben“, damit soll die „empiristische“ Position aufgewertet werden; nicht selten mit einer uferlosen Aus- weitung des Begabungskonzepts verbunden; „exoge- ner“ Ansatz) gegenüber. Diese Polarisierung ist in der Psychologie spätestens seit Anastasi (1958) als unfrucht- bar ad acta gelegt worden, da vor allem interessiert, wie Erbe und Umwelt bei der Ausbildung der individuellen Begabung zusammenwirken (Genotyp-Umwelt-Kovaria- tion, Plomin, De Fries, McClearn & Rutter, 1999; vgl. auch Klauer, 2001). Andere Autoren trennen intellektuelle von nicht-intellek- tueller Begabung. Innerhalb des intellektuellen Bereichs wird die allgemeine Begabung im Sinne der inhaltsüber- greifenden generellen Intelligenz „g“ (Spearman, 1927) von Gruppenfaktoren (z.B. „primary mental abilities“ sensu Thurstone, 1938) unterschieden. Gardner (1991; 2000) ist mit dem Postulat, der achteinhalb „multiplen Intelligenzen“, die voneinander völlig unabhängig vor- kommen sollen, in der Öffentlichkeit populär geworden. Für die eigenständige Existenz der Hälfte dieser „Intelli- genzen“ und für das Unabhängigkeitspostulat gibt es aber bislang keine ernstzunehmenden empirischen Bele- ge. Die auf Guilford (1964) zurückgehende Gegenüber- stellung „konvergentes vs. divergentes Denken“ hat sich als Sackgasse erwiesen. Guilfords Structure-of-Intellect- Modell mit seinen 120 (in der letzten Fassung gar 150) orthogonalen Faktoren ist mittlerweile empirisch wider- legt und nur noch historisch von Interesse. Es ist längst von hierarchischen Intelligenzmodellen, die weltweit state- of-the-art darstellen, abgelöst worden (vgl. z.B. Carroll, 1993; Jäger, Süß & Beauducel, 1997). Schließlich sollte man Performanz (verstanden als mani- festierte Leistungsexzellenz) von Kompetenz (damit ist In der psychologischen Wissenschaft ist es (leider) etwas unüblich geworden, ... Unsinn als Unsinn zu entlarven NOTWENDIGE KLARSTELLUNGEN Zur Diskussion um Hochbegabung und Hochbegabte Detlef H. Rost 1 Aus Gründen der Lesbarkeit verwende ich im allgemeinen Fall (also wenn Jungen und Mädchen bzw. Frauen und Männer ge- meint sind) die männliche Form, wie es die Regeln unserer Sprache vorsehen:“verbum hoc ,si quis’ tam masculos quam feminas com- plecitu“ (Corpus Iuris Civilis Dig. L., 16, 1)

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In diesem Artikel berichte ich über ausgewählteBefunde und Fakten zum Thema „Hochbega-bung“ und „Hochbegabte“, ergänzt um einige

Anmerkungen und notwendige Klarstellungen. Auf demHintergrund der Erkenntnis se, die wir im seit 1987 lau-fenden Marburger Hochbegabtenprojekt gewonnen ha-ben und aufgrund der Beratungserfahrungen im Rahmender (hoch-)begabungsdiagnostischen BeratungsstelleBRAIN, die seit Herbst 1999 am Fachbereich Psychologieder Universität Marburg besteht und inzwischen mehr als500 umfassende Einzeldiagnosen mit anschließender um-fangreicher Beratung durch geführt hat, spreche ich auchmanche Ungereimtheiten an, die sich nicht nur in der ein-schlägigen populärwissenschaftlichen Literatur – dortaber besonders zahlreich – finden. In der psychologischenWissenschaft ist es (leider) etwas unüblich geworden, beidivergierenden Meinungen, Ansätzen, Paradigmen, The-orien, Methoden und Befunden ausdrücklich und poin-tiert zu argumentieren, Spreu vom Weizen zu scheiden,nachdrücklich Sinn als Sinn anzuerkennen und ebensonachdrücklich Unsinn als Unsinn zu entlarven. Diemanchmal bei der Diskussion divergierender Ansätze, Pa-radigmen, Theorien und Befunde zu hörende Meinung,man solle solche Unterschiede nicht noch hervorheben,sondern man sollte sie lieber nebeneinander stehen lassen(„Leben und leben lassen“), hat mit Wissenschaft rechtwenig zu tun. Wissenschaft kann und darf in diesem Sin-ne nicht tolerant sein, genau so wenig, wie Wissenschaftdemokratisch-kompromissorientiert sein darf. Einige mei-ner Formulierungen habe ich deshalb bewusst deutlichund provokant gewählt, um im Themenbereich „Hochbe-gabung“ und „Hochbegabte“ die Diskussion zu beleben.

BegriffsvielfaltEs gibt viele Versuche, „Hochbega-bung“ verbal zu umschreiben – wiealle „Omnibus“-Definitionen kom-plexer psychologischer Funktionensind sie wenig überzeugend. Die Un-schärfe des „Hochbegabungs“-Be-griffs gründet in der Unschärfe desBegriffs „Begabung“, der „in der Per-sönlichkeitspsychologie erheblich anBedeutung verloren“ hat (Süß, 2001,

S.148) und in der empirischen Psychologie kaum nochverwendet wird, wohl aber in der Pädagogik: Im An-schluss an Roth (1961) stellen viele Pädagogen1 (und ei-nige Psychologen) gern einem „alten statischen” (damitsoll die stärker genetisch verankerte, „nativistische“ Posi-tion abqualifiziert werden; „endogener“ Ansatz) einen„modernen dynamischen” Begabungsbegriff (pädagogi-sches „Begaben“, damit soll die „empiristische“ Positionaufgewertet werden; nicht selten mit einer uferlosen Aus-weitung des Begabungskonzepts verbunden; „exoge-ner“ Ansatz) gegenüber. Diese Polarisierung ist in derPsychologie spätestens seit Anastasi (1958) als unfrucht-bar ad acta gelegt worden, da vor allem interessiert, wieErbe und Umwelt bei der Ausbildung der individuellenBegabung zusammenwirken (Genotyp-Umwelt-Kovaria-tion, Plomin, De Fries, McClearn & Rutter, 1999; vgl.auch Klauer, 2001).Andere Autoren trennen intellektuelle von nicht-intellek-tueller Begabung. Innerhalb des intellektuellen Bereichswird die allgemeine Begabung im Sinne der inhaltsüber-greifenden generellen Intelligenz „g“ (Spearman, 1927)von Gruppenfaktoren (z.B. „primary mental abilities“sensu Thurstone, 1938) unterschieden. Gardner (1991;2000) ist mit dem Postulat, der achteinhalb „multiplenIntelligenzen“, die voneinander völlig unabhängig vor-kommen sollen, in der Öffentlichkeit populär geworden.Für die eigenständige Existenz der Hälfte dieser „Intelli-genzen“ und für das Unabhängigkeitspostulat gibt esaber bislang keine ernstzunehmenden empirischen Bele-ge. Die auf Guilford (1964) zurückgehende Gegenüber-stellung „konvergentes vs. divergentes Denken“ hat sichals Sackgasse erwiesen. Guilfords Structure-of-Intellect-Modell mit seinen 120 (in der letzten Fassung gar 150)orthogonalen Faktoren ist mittlerweile empirisch wider-legt und nur noch historisch von Interesse. Es ist längstvon hierarchischen Intelligenzmodellen, die weltweit state-of-the-art darstellen, abgelöst worden (vgl. z.B. Carroll,1993; Jäger, Süß & Beauducel, 1997).Schließlich sollte man Performanz (verstanden als mani-festierte Leistungsexzellenz) von Kompetenz (damit ist

In der psychologischenWissenschaft ist es(leider) etwas unüblich geworden, ... Unsinn als Unsinn zu entlarven

NOTWENDIGEKLARSTELLUNGEN

Zur Diskussion um Hochbegabung und HochbegabteDetlef H. Rost

1 Aus Gründen der Lesbarkeit verwende ich im allgemeinen Fall(also wenn Jungen und Mädchen bzw. Frauen und Männer ge-meint sind) die männliche Form, wie es die Regeln unserer Sprachevorsehen:“verbum hoc ,si quis’ tam masculos quam feminas com-plecitu“ (Corpus Iuris Civilis Dig. L., 16, 1)

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Alle drei Originalia indieser Ausgabe vonreport psychologiebeschäftigen sich mitdem Thema Hochbega-bung, an dem in derÖffentlichkeit ein wachsendes Interessebesteht. Sie geben Einblick in unterschiedliche Sichtweisen undArbeitsbereiche.

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ein latentes Leistungsvermögen gemeint) unterscheiden:Begabung ist nicht gleich Leistung, da die Umsetzung ei-nes Potenzials in Leistungen von zahlreichen Drittvariab -len (z.B. Leistungswille, Interesse, Selbstkonzept etc.) ab-hängt. Dies wird durch die in der Hochbegabungsliteraturbesonders intensiv diskutierte Underachievementproble-matik (z .B. Butler-Por, 1993; Rost & Hanses, 1997; Han-ses & Rost, 1998; Peters, Grager-Loidl & Supplee, 2000)eindrucksvoll dokumentiert.Bislang ist es noch nicht gelungen, qualitative Unter-schiede in der kognitiven Leistungsfähigkeit zwischenHochbegabten und durchschnittlich Begabten ausfindigzu machen. Deshalb wird weltweit eine quantitativeHochbegabungsdefinition verwendet: Konventionellspricht man in diesem Zusammenhang dann von intellek-tueller Hochbegabung, wenn der individuelle Bega-bungsmesswert (zumeist durch Tests der allgemeinen In-telligenz „g“ operationalisiert) mindestens zwei Stan-dardabweichungen über dem Populationsmittelwert liegt(in der Wechsler-Skalierung entspräche das ungefähr ei-nem IQ ≥ 130 bei einem Populationsmittelwert von M =100 und einer Populationsstreuung von S = 15). Insofernist das „hoch“ im ansonsten unpräzisen Begriff „Hochbe-gabung“ treffend, weil es den Quantitätsaspekt betontund damit den Sachverhalt besser als die „politisch kor-rekte“ Formel „besondere Begabung“, die einen bislangnicht belegten Qualitätsunterschied suggeriert, kenn-zeichnet. Bekanntlich ist jede Grenzsetzung bei einerquantitativen Variablen eine Konventionssache – und„Hochbegabung“ macht hier in der Tat keine Ausnahme.Extrem hohe Intelligenzquotienten, wie man sie in popu-lärwissenschaftlichen Büchern findet (z.B. IQ >180, Win-ner, 1998), sind schlichtweg unsinnig: Legt man die gän-gige Wechsler-Skalierung (Abweichungs-IQ) zugrunde,gibt es keinen Test, der in diesem Bereich noch differen-ziert und Normen bereitstellt, und es wird auch in abseh-barer Zukunft keinen geben: Bei rund 20 Millionen Perso-nen ist nämlich mit nur einem Hochbegabten dieser Po-tenz (IQ ≥ 180) zu rechnen.

Aktuelle deutschsprachige Forschung

Auf die anglo-amerikanische und frühe deutschsprachigeHochbegabungsforschung kann ich aus Platzgründen lei-der nicht eingehen (vgl. Feger, 1986; 1988) und erwähnedeshalb nur die beiden größeren deutschen Studien.Unterschiedliche Hochbegabungstypen zu definieren,stand im Zentrum der von 1985 bis 1989 gelaufenenMünchner Hochbegabtenstudie (Heller, 1992a). Obwohlursprünglich eine bundesweite Stichprobenziehung „re-lativ repräsentativ für die Bundesrepublik“ (Heller & Ha-ny, 1986, S.79) intendiert war, haben an der MünchnerStudie letztendlich nur Schulen aus drei Bundesländern(nämlich aus Baden-Württemberg, Bayern und Berlin)teilgenommen. In diesen drei Ländern wurden insgesamt1020 Schulen um Mitarbeit gebeten, aber lediglich 210erklärten sich zur Mitarbeit bereit (die Ausfallquote be-trug in Berlin: 95.9% und in den beiden süddeutschenLändern: 76.1%). Trotz dieses enormen Schwundes, derwahrscheinlich eine systematische Stichprobenverzerrungmit sich gebracht hat, wird in den Abbildungen einschlä-giger Projektpublikationen wiederholt die Bezeichnung

„Zufallsauswahl“ (z. B. Heller, 1992b) bzw. „Randomisie-rung“ (z. B. Heller & Hany, 1986, S.74; Hany, 1987,S.187) verwendet. Letztendlich wurden nur in 152 Schu-len, das sind magere 15% der Ausgangsstichprobe, Da-ten erhoben (vgl. Perleth, 1992). Ein zusätzlicher und un-kontrollierter Stichprobenbias ist wohl auch dadurch ein-getreten, dass nur diejenigen Kinder getestet wordensind, bei denen die Lehrkräfte vorab das Vorliegen einer„Hochbegabung“ vermuteten. Noch nicht einmal dieAnteiligkeiten von Jungen und Mädchen in den teilneh-menden Schulklassen sind erhoben worden. Außerdemwurde keine Kontrollgruppe vorgesehen. Dies ist deshalbproblematisch, weil für viele Fragestellungen „selbstge-strickte“ Erhebungsinstrumente, für die keine Normenvorlagen, eingesetzt worden sind. Folglich weiß man beivielen Befunden der Münchner Studie nicht, inwieweit siehochbegabungstypisch sind oder nicht. Die ursprünglichgeplante Suche nach spezifischen „Hochbegabungsty-pen“ erwies sich zudem empirisch als wenig fruchtbarund wurde deshalb nicht weiter verfolgt. Ein Typenansatzist beim Fehlen einer Kontrollgruppe wegen Varianzein-schränkungen auch theoretisch problembehaftet. (Durchdie Lehrervorauswahl – nur „Hochbegabungsverdächti-ge“ wurden getestet – ist es wahrscheinlich zu einer ge-wissen Varianzeinschränkung in den diversen erhobenenBegabungsfacetten gekommen [Grundschullehrkräfte nei - gen zudem zu einer Homogenisierung, sollen sie ver-schiedene Begabungsfacetten ihrer Schüler einschätzen;vgl. Wild, 1991]). Dies kann zu einer stichprobenspezifi-schen Reduzierung der Interkorrelationen verschiedenerBegabungsfacetten führen, was wiederum zu einer artifi-ziellen Typendifferenzierung führen kann. Nur durch ei-nen Vergleich mit einer ähnlich varianzeingeschränktenStichprobe aus dem „Normalbereich“ der Begabungkönnte geklärt werden, welcher Anteil bei eventuellen zubeobachtenden „Typen“ zu Lasten von Streuungsminde-rungen geht und welcher Anteil davon ein „echtes“Hochbegabungsphänomen darstellt. Übrigens zeigteauch die Münchner Untersuchung, dass es sich bei Hoch-begabten um eine in vielerlei Hinsicht positiv ausgeleseneGruppe handelt.An der Universität Marburg wurde 1987 eine Lebensum-weltanalyse Hochbegabter (und später auch Hochleis-tender) gestartet (vgl. Wild, 1991; Rost, 1993a, 2000a;Tettenborn, 1996; Freund-Braier, 2001; Schilling, 2002).Aus einer nicht vorselegierten Stichprobe von über 7000Grundschülern der dritten Jahrgangsstufe aus neun derelf „alten“ Bundesländer wurden die hinsichtlich ihrer all-gemeinen Intelligenz „g“ besten zwei Prozent ausge-wählt (mittlerer „g“-IQ = 137; Kombinationswert ausmehreren Tests zur Erfassung kognitiver Leistungsfähig-keit, hinsichtlich ihrer empirisch ermittelten Indikator-funktion für „g“ gewichtet) und mit einer sorgfältig zu-sammengestellten Vergleichsgruppe durchschnittlich in-telligenter Kinder (mittlerer „g“-IQ = 101; gleiches Ge-wichtungsverfahren) verglichen. Als Datenquellen dien-ten die Schüler, ihre Väter, ihre Mütter und ihre Klassen-lehrkräfte. Versuchs- und Kontrollgruppenkinder sowieihre Eltern und Lehrkräfte wurden 1994 erneut befragt(Ausfallquote lediglich 2 %), und 1995 wurde eine zu-sätzliche ähnlich umfangreiche Kohorte hochleistender

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griffsverständnis geführt und sich in der Praxis der Hoch-begabtenidentifikation hervorragend bewährt, zumalüberzeugend gezeigt werden konnte, dass „kognitions-psychologische“ Indikatoren eng mit der allgemeinen In-telligenz „g“ zusammenhängen (vgl. z.B. Kyllonen &Christal, 1990; Stauffer, Ree & Caretta, 1996). IQ-Tests,die hoch „g“ geladen sind, korrelieren in unserer Gesell-schaft eng mit einer Vielzahl externer Kriterien (Erfolg inSchule, Universität, Industrie und Training; Berufserfolg;Monatseinkommen; sozial bedeutsamen schöpferischenLeistungen usw., vgl. z.B. Brand, 1996; Jensen 1998;Weiss, 2000; Sternberg, Grigorenko & Bundy, 2001) undgestatten allein eine gute, zusammen mit der Erfassungbereichsspezifischen Wissens eine sehr gute Prognose inunterschiedlichsten Bereichen: Die Kriteriumsvaliditätenpsychologischer Intelligenztests gehören „nach wie vorzu den höchsten, die in der psychologischen Forschungbislang aufgezeigt werden konnten“ (Süß, 2001, 160;siehe Rost, 2000b, S.15–22). Hinzu kommt, dass Talen-tierte (d.h. in einem spezifischen Bereich wie z.B. MusikHerausragende, vgl. Bastian, 1991, 2000) auch in ihrerIntelligenz deutlich über dem Durchschnitt liegen.Bei mehrdimensionalen Hochbegabungskonstrukten sinddie auf den kognitiven Leistungsbereich i. w. S. zentriertenModelle von bereichsübergreifenden zu trennen, die zu-sätzlich nicht-intellektuelle Faktoren einbeziehen. Eine dieanglo-amerikanische Diskussion stark beeinflussende Defi-

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und durchschnittlich leistender Jugendlicher dem glei-chen Untersuchungsprogramm unterzogen.Die wichtigsten methodischen Leitlinien der MarburgerStudie, die auch als Checkliste zur Evaluation einschlägi-ger Forschungsvorhaben dienen können, sind in der Tafel1 aufgeführt.

Allgemeine Intelligenz vs. alternative Konzeptionen

Seit dem Aufkommen psychometrischer Tests zu Beginndes 20. Jahrhunderts dominiert im Anschluss an Terman(1916; Terman et al., 1925) ein unidimensionaler Hoch-begabungsbegriff, verstanden als hohe Ausprägung derallgemeinen Intelligenz „g“, wofür es gute praktische,psychologische und methodische Gründe gibt (zur Be-deutung der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit„g“ vgl. Brand, 1996; Gustafsson & Undheim, 1996; Jen-sen, 1998). In diesem Sinne ist „intellektuell hochbe-gabt“, wer in der Lage ist, sich schnell und effektiv dekla-ratives und prozedurales Wissen anzueignen, dies in vari-ierenden Situationen zur Lösung individuell neuer Proble-me adäquat einzusetzen, rasch aus den dabei gemachtenErfahrungen zu lernen und zu erkennen, auf welche neueSituationen bzw. Problemstellungen die gewonnenen Er-kenntnisse transferierbar sind (Generalisierung) und aufwelche nicht (Differenzierung). Dieser intelligenzbasierteAnsatz hat zu einem vergleichsweise homogenen Be-

Tafel 1: Wichtige Leitlinien desMarburger Projekts (Rost, 1993c, 2000b)

1 Rückgriff auf eine unausgeleseneGrundgesamtheitNur in der Grundschule gibt es (abgesehen von Sitzenbleibern undSonderschülern bzw. nicht Beschul-baren) eine Grundgesamtheit, in derkeine Vorauswahl stattgefunden hat.Deshalb erfolgt hier die Identifika-tion der Hochbegabten.2 Keine Vorauswahl durch Elternund LehrerEine unkontrollierte Vorauswahl(Screening) führt oft zu einer Stichprobenverzerrung: z. B. werdenunangepasste Hochbegabte undUnderachiever bei Vorauswahlenhäufig übersehen.3 Begrenzung der AltersvarianzGrößere Altersheterogenität er-schwert die Interpretation. Deshalbwird der Altersbereich auf eine Jahr-gangsstufe eingeschränkt (1. Welle,3. Klasse: Identifikation; 2. Welle, 4.Klasse: Erhebungen in den Familienund bei den Lehrkräften; 3. Welle, 9.Klasse: Erhebungen in den Familienund bei den Lehrkräften).4 Definition der Hochbegabung

als breite intellektuelle LeistungsfähigkeitDie Praxis der Hochbegabtenidentifi-kation orientiert sich – weltweit –überwiegend an der allgemeinen In-telligenz „g“. So können die Ergeb-nisse mit den Resultaten andererStudien – auch aus anderen Ländern– verglichen werden. Zudem gibt eshervorragend bewährte und gültigeTestverfahren zur Erfassung von „g“.5 Definition von „Hochleistung“durch ein alltagsrelevantes KriteriumSchulische Leistungen, wie sie sich inden Zeugniszensuren widerspiegeln,bestimmen die Entwicklung und denLebensweg von Schülern („ökologi-sche Validität“).6 Einbeziehung adäquater Ver-gleichsgruppen Ohne Kontrollgruppen (durch-schnittlich Begabte; durchschnittlichLeistende) kann nicht entschiedenwerden, wie „typisch“ die Ergeb-nisse für Hochbegabte bzw. Hoch-leistende sind.7 Hochbegabungsidentifikationaufgrund aktueller – zeitgleich ge-wonnener – NormenWegen des weltweit zu beobachten-den Anstiegs der Intelligenztestleis-tungen („Flynn-Effekt“) werden

häufig „nur“ überdurchschnittlichleistungsfähige Schüler fälschlicher-weise als „hochbegabt“ identifiziert.8 Nutzung mehrerer Informations-quellen und multipler IndikatorenZur Absicherung und besseren Interpretierbarkeit werden vergleich-bare Informationen bei Schülern, Eltern und Lehrkräften mit unterschiedlichen Methoden undVerfahren erhoben.9 Datenerhebung nur durch FachkräfteEigens für das Projekt geschultepsychodiagnostisch erfahrene Ver-suchsleiter (Dipl.-Psych., eine Dipl.-Päd.) sichern eine hohe Datenqua-lität.10 Minimierung postalischer BefragungenIn den Hauptuntersuchungsphasenwerden alle Daten in den Familienselbst bzw. bei den Lehrkräften zuHause erhoben. Damit ist die Qualität der Daten bekannt. 11 Intensive DatenkontrollenAlle eingegebenen Daten werdennicht nur automatisiert auf Plausibi-lität geprüft, sondern zweimal unab-hängig voneinander durch Drittekontrolliert, so dass ein praktischfehlerfreier Datensatz vorliegt.

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nition wurde im Auftrag des US-Kongresses vorgeschlagen:Sie umfasst neben Intelligenz und Schulleistungen auchKreativität und produktives Denkvermögen, soziale Füh-rungsfähigkeiten, künstlerische Leistungen und psychomo-torische Fähigkeiten (Marland, 1971). Später wurde derpsychomotorische Aspekt wieder fallen gelassen. Als ledig-lich administrative Festlegung kann sie natürlich nicht he -rangezogen werden, um die voneinander unabhängigeExistenz der dort genannten Begabungsfacetten zu belegen. Renzulli (1978) sieht in seinem populären „Drei-Ringe-‚Modell’“ neben hoher Intelligenz auch hohe Kreativitätund eine ausgeprägte leistungsorientierte Arbeitshaltungals notwendige Bestandteile von Hochbegabung vor. DieSchnittmenge dieser drei Konzepte soll die „eigentlicheHochbegabung“ ausmachen. Allerdings wird über dieBeziehung dieser drei Konzepte zueinander wenig ge-sagt; die graphische Darstellung als drei sich nur wenigüberschneidende Kreise lässt eine Kon zeptualisierung mitnur geringen Interkorrelationen vermuten. Dies ist aberzumindest für „Kreativität“ und „kognitive Leistungsfä-higkeit“ fraglich. Renzullis „Modell“ stellt mit der Einbe-ziehung von „task commitment“ damit kein (auf das Po-tenzial rekurrierendes) „Hochbegabungsmodell“ dar, son-dern allenfalls, will man es überhaupt als „Modell“ be-zeichnen, ein „Hochleistungsmodell“: Hochbegabte Un-derachiever – das sind Schüler mit herausragender intel-lektueller Potenz und schlechten Schulleistungen –, dieProblemgruppe in Begabungsberatungsstellen, gibt esnach Renzullis Modell nicht. Um es deutlich zu hinterfra-gen: Ist ein kognitiv extrem gut befähigter und besonderseinfalls- und phantasiereicher Schüler, der alles schnellund richtig „mit links“ schafft und nicht für die Schule ar-beitet, weil ihm alles zufliegt, nicht hochbegabt? Ist derhochintelligente und hochkreative Schüler, dem wegeneines drögen, undifferenzierten und wenig forderndenUnterrichts sämtliche Lust an Schule und Unterricht ver-gangen ist und der deshalb zeitweise (oder auch auf Dau-er) der Schule eine „innere Kündigung“ ausgesprochenhat, schlagartig nicht mehr hochbegabt? Ist der Schüler,der ausgezeichnet denken kann, sehr schnell begreift,sehr lernfähig ist und hochmotiviert arbeitet deshalb nichthochbegabt, weil er nicht einsieht, warum er sich mit sol-chen – für ihn dummen – Aufgaben wie „Was kann manalles mit einem Ziegelstein anstellen“ (eine typische Auf-gabe aus einem Kreativitätstest) beschäftigen soll unddeshalb in einem „Kreativitätstest“ nur durchschnittlichabschneidet?Weiterhin wird kritisiert, dass mit Kreativität ein butter-weiches, im Verlauf der Entwicklung notorisch instabilesKonzept einbezogen wird, das bislang weder klar um-schrieben und vernünftig operationalisiert worden istnoch seine konvergente und divergente Validität über-zeugend belegt hat: Die prädiktiven Validitäten sog. Kre-ativitätstests brechen bekanntlich zusammen, partialisiertman die allgemeine Intelligenz aus. Was bleibt als kogni-tivesMerkmal von Kreativität übrig, zieht man die zur In-telligenz gehörenden kognitiven Funktionen aus demKonzept heraus?Außerdem ist prinzipiell zu hinterfragen, wie sinnvoll esüberhaupt sein kann, Kreativität als eigenständiges kog-nitives Persönlichkeitsmerkmal („trait“) mit praktischer

Relevanz – jenseits der Intelligenz – zu verstehen. (vgl.Weisberg, 1993). Westmeier drückt dies in seiner relatio-nalen Sichtweise so aus: „Kreativität ist keine Fähigkeitvon Personen. Dem dominierenden Trait-Ansatz in derKreativitätsforschung ist ...der Boden entzogen. ... EineErfassung von Kreativität mithilfe so genannter Kreativi-tätstests ist nicht möglich“ (Westmeyer, 2001, 240–241).Angemerkt werden soll noch, dass das „Modell“ vonRenzulli auch empirisch auf nur schwachen Füßen steht(vgl. z. B. Jarell & Borland, 1990). Postuliert man (wieRenzulli es tut) unscharfe und bislang kaum valide zu er-fassende Variablen als begriffskonstituierende Defini-tionsmerkmale von Hochbegabung, erschwert oder ver-hindert man ihre psychologisch vernünftige Konzeptuali-sierung und – für den praktizierenden Psychologen be-sonders bedeutsam – ihre Diagnostik.Dies lässt sich besonders gut an der von Mönks (z. B.1990) vorgeschlagenen Ersetzung von „task commitment“durch das nebulöse Breitbandkonzept „Motivation“ zei-gen. (Mönks zeichnet um die drei Ringe ein gleichseitigesDreieck und schreibt in die drei Ecken die Begriffe „Fami-lie“, „Peergruppe“ und „Schule“. Damit will er ein neuesModell vorgelegt haben, das er wohlklingend als „Triadi-sches Interdependenzmodell“ bezeichnet). Unabhängigvon der allseits bekannten begrifflichen Unschärfe desMotivationskonzepts scheint der Vorhersagewert vonMotivation für schulische Leistungen häufig überschätztzu werden. Gagné und St Père (2002, S.71) resümieren,dass das Resultat ihrer Studie zur Vorhersage von Leistun-gen durch Motivation, wenn die Intelligenz kontrolliertwird, „den Glauben der meisten Pädagogen an die ent-scheidende Rolle der Motivation als Determinante schuli-scher Leistungen in Frage stellt“. Ähnliches gilt für das mit„Motivation“ verwandte Interessenkonzept, das bei Kon-trolle von Vorwissen in unserem Schulsystem keinen signi-fikanten Einfluß auf spätere Schulleistungen zu habenscheint (Köller, Baumert & Schnabel, 2000), besondersauch, wenn man die Intelligenz statistisch konstant hält.Durch die von Mönks vorgenommene Erweiterung des„Modells“ von Renzulli um drei „primäre Sozialberei-che“, nämlich „Peergruppe“, „Schule“ und „Familie“entsteht ein weiteres Problem. Hochbegabung entstehtnach Mönks nur bei weit überdurchschnittlicher Ausprä-gung aller sechs Komponenten. Aber: Die drei „primärenSozialbereiche“ liegen auf unterschiedlichen Ebenen undsind äußerst komplex (was ist eine weit überdurchschnitt-lich „gute“ Schule? Was macht eine „sehr gute“ Familieaus? Was sind „sehr gute“ Peergruppen?). Wie die „pri-mären Sozialbereiche“ inhaltlich konkret zu fassen, ge-schweige denn einer Messbarkeit zuzuführen sind undwas in Abhebung davon unter „sekundären“ oder„tertiä ren“ Sozialbereichen zu verstehen ist, wird vonMönks an keiner Stelle näher erläutert, Richtung undAuswirkungen der vielfältigen Interaktionen dieser dreiSozialbereiche untereinander sowie mit den Variablenvon Renzulli werden nicht präzisiert, geschweige dennquantifiziert. Mönks selbst hat m. W. bislang noch keinevernünftige empirische Evaluation seines „Modells“, dasimmerhin inzwischen mehr als 15 Jahre lang „auf demMarkt“ ist, vorgelegt, und auch von anderen Autoren istmir nichts diesbezügliches bekannt.

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Setzt man in die Mitte des Dreiecks, das Mönks um diedrei Ringe von Renzulli gezeichnet hat, anstelle von Ren-zullis „Hochbegabungskonzept“ eine beliebige anderePersonenvariable (z.B. Aggressivität, Angst, Selbstkon-zept), dann „stimmt“ die von Mönks vorgeschlagene Er-weiterung immer noch: Gibt es in der Entwicklung vonKindern zu Jugendlichen und Erwachsenen Personenvari-ablen, für die „Schule“, „Familie“, „Peers“ nicht wichtigsind? Natürlich nicht. Das „Modell“ von Mönks ist alsoim hohen Maße hochbegabungsunspezifisch, der Infor-mationsgehalt der Erweiterung ist gering. Solche Konzep-te, die für alles und nichts taugen, bezeichnet man übli-cherweise als „Leerformel“. Eine weitere Schwachstelle: Da davon ausgegangen wird,jedes dieser sechs voneinander relativ unabhängigen Fak-torenbündel (drei Personenvariablen, drei Sozialbereiche)sollten für das Zustandekommen von Hochbegabungdeutlich überdurchschnittlich ausgeprägt sein, wird mitdiesem „Modell“ das Phänomen „Hochbegabung“ weg-definiert: Bei nur leicht überdurchschnittlicher Ausprä-gung (d. h. PR > 75 in jedem der sechs Bereiche) wirdman, ein Zusammenwirken dieser (für das Rechenbeispielals unabhängig angenommenen) Faktoren vorausge-setzt, nur einen einzigen Hochbegabten unter rund 5000Personen finden. Bei strengeren Kriterien (z. B. in jederder sechs Facetten zu den 10% Besten gehörend), istpraktisch kein Hochbegabter mehr zu finden, auch nicht,wenn man eine nennenswerte Interkorrelation der Berei-che zulässt (Hanses & Rost, 1996). Das „Triadische (6-Faktoren-)Interdependenzmodell“ von Mönks hätte indiesem Fall also die Hochbegabungsfrage elegant ent-sorgt, wäre also, um ein Wortspiel zu gebrauchen, zu ei-nem für Hochbegabung „Tragischen Interdependenzmo-dell“ mutiert.Die theoretische Basis der „Modelle“ von Renzulli undMönks (und vieler auf dem Markt konkurrierender mehr-dimensionaler Hochbegabungsmodelle) ist schwach, dieempirische Bewährungskontrolle erschöpft sich in Einzel-fallbelletristik. In der Terminologie von Sternberg und Da-vidson (1986) handelt es sich allenfalls um „implizite“Theorien, d.h. um persönliche Sichtweisen und Anschau-ungen, aber keinesfalls um wissenschaftliche (empirischfalsifizierbare) Theorien. Solchen „Modellen“, so auchdem Münchner Hochbegabungsmodell (Heller, 1992)und der Komplexierung durch Perleth (2002), ist gemein-sam, dass durch die fast beliebige Öffnung des Hochbe-gabungsbegriffs für fast jedes Konzept, das die (Pädago-gische) Psychologie zu bieten hat, Hochbegabung, wieschon gesagt, zur allumfassenden Leerformel entartetund dann weder für Theorie noch Praxis sonderlichbrauchbar ist.Um es an einem Beispiel zu zeigen: Das Münchner Hoch-begabungsmodell (Heller, 2000) enthält sieben „Bega-bungsfaktoren“ (Intellektuelle Fähigkeiten, Kreative Fä-higkeiten, Soziale Kompetenz, Musikalität, Psychomoto-rik, Künstlerische Fähigkeiten, Praktische Fähigkeiten),fünf „Nichtkognitive Persönlichkeitsmerkmale“ (Stress-bewältigung; Leistungsmotivation; Arbeits-/Lernstrate-gien; [Prüfungs-]Angst; Kontrollüberzeugungen), acht„Leistungsbereiche“ (Mathematik; Naturwissenschaften;Technik; Informatik, Schach; Kunst [Musik, Malen]; Spra-

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chen; Sport; Soziale Beziehungen)und fünf „Umweltmerkmale“ (Fami-liäre Lernumwelt; Familienklima; In-struktionsqualität; Klassenklima; Kri-tische Lebensereignisse). In der Ab-bildungslegende finden sich bei den„Begabungsfaktoren“, „nichtkogniti-ven Persönlichkeitsmerkmalen“,„Umweltmerkmalen“ und „Leis-tungsbereichen“ mehr oder wenigersystematische weitere Aufgliederun-gen, die hier aus Platzgründen nichtalle eigens aufgeführt werden kön-nen. Hier ist so ziemlich alles aufgelistet, was die (päda-gogische) Psychologie an Variablen zu bieten hat. Exem-plarisch seien nur die Umweltmerkmale genannt, von de-nen Heller (2000, S.42) als Beispiele „Anregungsgehaltder häuslichen Lernumwelt, Bildungsniveau der Eltern,Erziehungsstil, Häusliche Leistungsforderungen, SozialeReaktion auf Erfolgs-/Misserfolgserlebnisse, Geschwis-terzahl und -position, Familienklima, Unterrichtsqualität,Lerndifferenzierung, Schulklima/Klassenklima, KritischeLebensereignisse“ anführt. Was Süß (2001, S.149) zumMünchner Hochbegabungsmodell anmerkt, nämlich dasses offen lässt, „wie die verschiedenen Faktoren zu-sammenwirken und welche Faktoren für welche Hoch-leistungen erforderlich sind“, das gilt gleichermaßen füralle Multi-Multi-Hochbegabungsmodelle und Multi-Mul-ti-Hochleistungsmodelle. Welchen konkreten Nutzen ha-ben sie? Diese Frage zu stellen heißt einzugestehen, dasssie bis heute nicht überzeugend beantwortet werdenkann: Eine Erklärung des Phänomens „Hochbegabung“leisten solche „Modelle“, die kaum mehr sind als einemehr oder weniger vollständige Auflistung diverser päda-gogisch-psychologischer Variablen(-Gruppen), hübsch inKreisen, Ellipsen oder kleinen Kästchen verpackt, mehroder weniger beliebig mit Strichen verbunden, nicht, undfür die Identifikation und Förderung Hochbegabter lie-fern sie kaum praktikable Anregungen (es sei denn, mangibt sich mit Allgemeinplätzen wie „alle aufgeführten Va-riablen können für Hochbegabung bedeutsam sein oderauch nicht“ zufrieden). Spötter bezeichnen sie denn auchals „boxologische“ Modelle.Die modernistische Inflation von Begabungsfacetten ver-leitet viele in der Praxis tätige Psychologen zu quasi-diag -nostischen Aussagen („Daumensprungdiagnostik“) undzunehmend mehr auch zur unkritischen Interpretationvon Testprofilen; (messfehlerbedingte) Abweichungender Subtests vom normativen oder ipsativen Mittel wer-den wortreich zu „klinisch relevanten“ Phänomenenhochgeredet, Retests zur Kontrolle sind die Ausnahme.„Viele Praktiker interpretieren immer noch Subtestprofile,auch angesichts der überwältigenden empirischen For-schungsergebnisse, die vor solch einer Praxis warnen“(McCoach, Kehle, Bray & Siegle, 2001). Dass die für einesolide Profilinterpretation erforderlichen Voraussetzun-gen (z. B. hohe Zuverlässigkeiten der Subtests; geringeInterkorrelationen der Einzeltests; hohe Profilreliabilität;vor allem: empirisch belegte differenzielle Profilvaliditä-ten) bei einschlägigen Tests in der Regel nicht hinreichenderfüllt sind (vgl. z.B. Glutting. McDermott & Konold,

Die meistenHochbegabungs -modelle sind einemehr oder weniger vollständigeAuflistung diverserpädagogisch- psychologischer Variablen

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Grundannahme der Unkorreliertheit dieser vier „Intelli-genzen“ ist erwiesenermaßen falsch, die positive Man-nigfaltigkeit aller Facetten kognitiver Leistungsfähigkeitist eines der am besten gesicherten Ergebnisse hundert-jähriger Intelligenzforschung (Coleman, 1990, S.338–339). Zu den „körperlich-kinästhetischen“, „interperso-nalen“, „intrapersonalen“, „naturalistischen“ und „spiri-tuellen“ „Intelligenzen“ sind kaum Stellungnahmenmöglich, da es sich dabei schlichtweg um Spekulationenhandelt, nicht um Ergebnisse empirischer Forschung. Ver-nünftige – d. h. reliable und konvergent/divergent valide –Instrumente zu ihrer Messung gibt es (bislang) nicht.(Ähnliche Bedenken bestehen bezüglich der unter Laienso populären „sozialen“ bzw. „emotionalen“ bzw.„praktischen“ „Intelligenzen“, vgl. Keating, 1978; Ey-senck, 2000, S.107–113; Weber & Westmeyer, 1997,2001.) Die bislang von Gardner selbst zu seinen „multip -len Intelligenzen“ vorgelegten „empirischen“ Studiensind von so bescheidener Qualität, dass sie, wie Lubinskiund Benbow es 1995 angemerkt haben, vermutlich nichtals psychologische Diplomarbeit akzeptiert würden.Ernstzunehmende empirische Studien sind bis heute nichthinzugekommen.Letztendlich handelt es sich bei der Inflation von Bega-bungen oder Intelligenzen um einen Rückfall in unpsy-chologisches Laiendenken: Für jede Leistungsspitze wirdeine eigene „Hochbegabung“ oder „Intelligenz“ postu-liert (zur Kritik vgl. Heilmann, 1999). Wohin das führt,wird an der Vielzahl von „Intelligenzen“, die auf demPsychomarkt verhökert werden, deutlich. Das reicht von„Beziehungsintelligenz“, „Karriereintelligenz“ und „mo-ralischer Intelligenz“ bis hin zu „astrologischer Intelli-genz“ und Gardners „spiritueller Intelligenz“. Als Krö-nung der Intelligenzinflation hat kürzlich das Magazin„Focus“ mit dem Titel „Sexuelle Intelligenz“ aufgemacht(Nr. 7 vom 9.2.2002). Weitere „Intelligenzen“ werdenfolgen, und auch weiterhin werden Pseudo-Psychologendies als „Wissenschaft“ verkaufen. Der 2001 verstorbeneDirektor des Max-Planck-Instituts für PsychologischeForschung, Franz E. Weinert, hat diese ungute Tendenzzur „Inflation der Intelligenzen“ (Weber & Westmeyer,2001) kabarettreif persifliert („Party-Intelligenz“, anhandder Verweildauer der Partygäste zu erfassen; zit. n. Stern& Guthke, 2001, S.10).

Eigenschaften „Hochbegabter“

Hartnäckige Mythen über absonderliches Verhalten undEigenschaften „Hochbegabter“ (verschrobene Persön-lichkeiten; dick und unsportlich mit Brille; geringes Schlaf-bedürfnis; häufig Ohrentzündungen; schlechter allgemei-ner Gesundheitszustand; Eigenbrötler; sozial isoliert etc.)sind – vor allem unter Laien und in der Ratgeberliteraturzur Hochbegabung – weit, zu weit verbreitet: Die Öffent-lichkeit stürzt sich mit Vorliebe auf spektakuläre Einzelfäl-le, die in Talkshows wie bei Meiser, Biolek und Fliege zurUnterhaltung wie Zirkustiere vorgeführt werden. FürHochbegabte, die unauffällig und hervorragend ange-passt ihre Kindheit und Jugend durchlaufen, interessierensich Massenmedien verständlicherweise kaum. Nebendem enormen kognitiven Entwicklungsvorsprung, wastautologisch ist, da er das Definitionskriterium für Hoch-

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1997; Glutting, McDermott, Konold, Snelbaker& Watkins, 1998), stört dann auch weiter nicht.Vergessen wird auch, dass bei Hochbegabtenweitaus größere Subtestunterschiede vorliegenmüssen als im mittleren und unteren Intelligenz-bereich, um als „abnormal“, d.h. klinisch-inter-pretierwürdig zu gelten. Eine Differenz von 15IQ-Punkten zwischen Verbal- und Handlungsteilin Wechsler-Tests, die, vielfach als diagnostisch

bedeutsame Abweichung interpretiert wird, kann zwarbei Minderbegabten (IQ ≤ 70) auf ein „abnormal“ un-ausgeglichenes Profil hindeuten, nicht aber bei Hochbe-gabten (IQ ≥ 130), bei denen eine Differenz von einerStreuungseinheit deutlich unterhalb der „Abnormalitäts-schwelle“ liegt. Ein solcher Unterschied ist für Hochbe-gabte nämlich eher „typisch“ als „untypisch“, währender für Minderbegabte eher „untypisch“ als „typisch“ ist(Hsu, Hayman, Koch & Mandell, 2000). In den meistenFällen stehen deshalb wortreiche Interpretationen von In-telligenztestprofilen der Kaffeesatzleserei näher als wis-senschaftlich begründeter (Hoch-)Begabungsdiagnostik(zu den Möglichkeiten und Grenzen der Interpretationvon Intelligenz-(Sub-)Testscores vgl. Daniel, 2000). Undnoch schlimmer: In vielen diagnostischen Gutachten vonPsychologen, die sich als „Experten“ für Hochbega-bungsdiagnostik bezeichnen, findet man Aussagen wie„eine Hochbegabung liegt nicht vor, da nicht in jedemder drei eingesetzten kognitiven Leistungstests, die admi-nistriert wurden, um unterschiedliche Aspekte des intel-lektuellen Leistungsvermögens zu messen, das Mindest-kriterium von PR ≥ 98 erreicht worden ist“. Vergessenwird dabei, dass die Wahrscheinlichkeit, bei nur mittelmä-ßig korrelierenden Variablen in drei Tests einen IQ ≥ 130zu erzielen, außerordentlich gering ist. Eine einfacheUnd-Verknüpfung oder arithmetische Mittelung dieserdrei Ergebnisse ist ein Fehler. Wenn man in jedem vondrei Verfahren bei einer angenommenen Testinterkorrela-tion von r = 0.45 (bzw. r = 0.60) einen IQ = 125 erzielt,entspricht das bei richtiger Datenintegration einer gene-rellen kognitiven Leistungsfähigkeit von IQ = 140 (bzw.IQ = 137), und erreicht man in jedem der drei Tests einenIQ = 130, entspricht dies Q = 146 (bzw. IQ = 142).

Problem „multiple Intelligenzen“

Zu Beginn der 80er Jahre (deutsch 1991) postulierteGardner sieben angeblich voneinander unabhängige In-telligenzen, nämlich „sprachliche“, „logisch-mathemati-sche“, „räumliche“, „musikalische“, „körperlich-kinäs-thetische“, „interpersonale“ und „intrapersonale“ Intelli-genz. Inzwischen sind die „naturalistische“ als achte unddie „existenzielle“ als achteinhalbte Intelligenz hinzuge-kommen. Ein Ende der „Entdeckung“ neuer „Intelligen-zen“ (Gardners nächster Kandidat: „spirituelle Intelli-genz“) ist nicht abzusehen.Die ersten drei „Intelligenzen“ sind unschwer als die aufThurstone (1938) zurückgehenden bekannten Gruppen-faktoren „verbal comprehension“, „reasoning“ und„space“ der schon erwähnten „primary mental abilities“,die alle nennenswert mit „g“ korrelieren, zu identifizie-ren, und auch die Musikalität als vierte „Intelligenz“ ko-variiert linear mit „g“ (vgl. z.B. Bastian, 1991, 2000). Die

Hochbegabtewerden in denMedienzum Teil wie Zirkustiere vorgeführt

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begabung ist, werden übereinstimmend für Hochbegabtein vielen Bereichen positivere Merkmale als für durch-schnittlich Begabte berichtet. Hochbegabte Kinder gehenbeispielsweise stärker aus sich heraus, sind warmherziger,emotional stabiler, ruhiger, fröhlicher, enthusiastischer,natürlicher als Schüler mittlerer und unterer Intelligenz.Andere Untersuchungen berichten Unterschiede imSelbstkonzept und im Selbstvertrauen, in generalisiertenKontrollüberzeugungen und in Ängstlichkeit, und zwar inder Regel zugunsten der Hochbegabten (vgl. Rost,1993a,b; 2000a; Freund-Braier, 2001). Den BefundenTermans zufolge erfreuen sie sich einer guten Gesund-heit. Auch im Marburger Hochbegabtenprojekt konntebelegt werden, dass sich Persönlichkeitsmerkmale undTemperamentsfaktoren hochbegabter Grundschulkindervon denen durchschnittlich Begabter nur wenig unter-scheiden, und wenn einmal ein nennenswerter Unter-schied zu beobachten ist, dann fällt er zumeist zugunstender Hochbegabten aus. Analysiert man leistungsbezoge-ne Attributionen und Kontrollüberzeugungen, Spielzeug-besitz und Spielzeugnutzung, Interessen, familiäre Struk-turen und Erziehungsziele ihrer Eltern, finden sich eben-falls kaum Unterschiede. All diese Befunde gelten nichtnur für das Grundschulalter (Rost, 1993a), sondern auchfür Jugendliche. Das belegen die Nachfolgeuntersuchun-gen des Marburger Hochbegabtenprojekts (Rost,2000a).Tafel 2 stellt einige einschlägige Befunde desMarburger Hochbegabtenprojekts zusammenfassend dar(aus Platzgründen wird über die Leistungsstichprobenicht berichtet).Erwähnt werden soll noch, dass in der Marburger Studieein ähnlich positives Bild für die hochleistenden Jugend-lichen (definiert als die Schulleistungsbesten der 9. Jahr-gangsstufe eines Gymnasiums), die überwiegend nichthochbegabt (IQ ≥ 130), aber deutlich überdurchschnitt-lich intelligent sind (Mittelwert: IQ = 116), gezeichnetwerden konnte. Das Bild vom fiesen, unkameradschaft-lichen und gestörten Hochleistenden im Sinne des „Stre-bers“ bewahrheitete sich in dieser Altersstufe nicht. DieBefunde des Marburger Hochbegabtenprojekts sind anSchülern aus Weissrussland inhaltlich repliziert worden(Kovaltchouk, 1998, S.149: „... lässt sich ein überwie-gend positives Bild der Persönlichkeit der Hochbegabtenzeichnen“), was für ihre Gültigkeit und Generalisierbar-keit spricht. Die Resultate der schon erwähnten Münch-ner Hochbegabungsstudie von Heller (1992a) weisendiesbezüglich in die gleiche Richtung.Wenn das so ist – und das ist so –, warum finden sich inArtikeln, Elternratgebern und auch in „wissenschaft-lichen“ Büchern immer wieder Schilderungen, die die„Andersartigkeit“ hochbegabter Kinder und Jugendlicherdemonstrativ betonen? Mehrere Gründe können dafürangeführt werden:1 In Medien werden, wie eben besprochen, mit Vorliebeproblematische Einzelfälle – stark überzeichnet – vorge-führt. Wer interessiert sich schon für normale und unauf-fällige Kinder?2 Krasse Einzelfälle verallgemeinert man unzulässig aufdie Hochbegabten. Hier ist es wie mit allen Vorurteilen.3 Nicht selten handelt es sich um aus dem Zusammenhanggerissene Teilresultate wissenschaftlicher Untersuchungen.

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Ergänzende Befunde, die diese Probleme relativieren odergar positive Ergebnisse, werden gern unterschlagen, weilnicht ins eigene gefestigte Weltbild, wie Hochbegabte zusein hätten, passend. Den lieb gewordenen Vorurteilenwidersprechende Forschungsresultate nimmt man nur un-gern oder nicht zur Kenntnis, verschweigt sie bewusst oderverfälscht sie sogar. Einsichtsresistenz ist noch eine mildeBezeichnung für dieses Verhalten.4 Nicht wenige dieser Aussagen beruhen auf Studien mitkleinen, viel zu kleinen Stichproben, die alles andere alsgeneralisierbare Resultate erbringen. Größere Stichpro-ben sind die Ausnahme.

Tafel 2 Mittelwertsunterschiede in ausgewählten Persönlichkeitsmerkmalen bei hoch-begabten vs. durchschnittlich begabten Grundschulkindern (4. Schuljahr) bzw. beihochbegabten vs. durchschnittlich begabten Jugendlichen (9. Schuljahr; MarburgerHochbegabtenprojekt, vgl. Rost, 1993b; Freund-Braier, 2001; KL = Klassenlehrer; DL =Deutschlehrer; ML = Mathematiklehrer)

Datenquelle und Skalenkurzbezeichnung 3. Schuljahr 9. SchuljahrDatenquelle „Kind“ bzw. „Jugendlicher“

Fehlende Willenskontrolle n.s. n.s.Soziale Bewertung - Ängstlichkeit p <.05 n.s.Irritierbarkeit — n.s.Prüfungsangst — p <.05Aktiv-extravertiert n.s. —Ernst-introvertiert n.s. —Geringere Kontaktbereitschaft — p <.01+Aggressive Ich-Durchsetzung n.s. n.s.Schulischer Ehrgeiz p <.001+ p <.05+Maskulinität der Einstellung n.s. p <.05Bedürfnis nach Alleinsein n.s. n.s.Gehorsam gegenüber Erwachsenen p <.05 p <.01Bereitschaft zu sozialem Engagement n.s. n.s.Selbsterleben von Unterlegenheit p <.001 n.s.Angst / Unsicherheit p <.05 n.s.Selbstbewusstsein n.s. —Selbstaufwertung n.s. —

Datenquelle: „Vater“Sozial-emotionale Unreife n.s. n.s.Kognitive Leistungsfähigkeit p <.001+ p <.01+Soziale Kompetenz n.s. n.s.Angst und Unsicherheit — p <.05

Datenquelle: „Mutter“Sozial-emotionale Unreife n.s. n.s.Kognitive Leistungsfähigkeit p <.001+ p <.01+Soziale Kompetenz n.s. n.s.Angst und Unsicherheit — n.s.Autonomie und Ich-Stärke n.s. —

Datenquelle: „Lehrer“ KL DL MLSozial-emotionale Unreife p <.001 p <.01 p <.01Kognitive Leistungsfähigkeit p <.001+ p <.01+ p <.01+Soziale Kompetenz — p <.01+ p <.01+Angst und Unsicherheit p <.001 p <.01 p <.01

+ : höheren Mittelwert im Sinne der Skalenbezeichnung in der Hochbegabtengruppe— : nicht untersucht bzw. empirisch nicht als eigenständiger Bereich aufgetreten

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sche Stabilität. Ihre Eltern betonen die negative Entwick-lung des Sozialverhaltens und bezeichnen ihre hochbe-gabten Underachiever als „besonders schwierig“, undGrundschullehrer erkennen nicht das hohe (verschüttete)intellektuelle Potenzial (Rost & Hanses, 1997). Diesesproblembehaftete Bild kann nicht als realistische Reaktionauf die schwächeren Schulleistungen der Underachieverinterpretiert werden. Rost und Hanses haben nämlichdiese Underachiever mit anderen – ähnlich leistungs-schwachen – Kindern, die aber nicht hochbegabt waren,verglichen. Auch von dieser Gruppe heben sich die hoch-begabten Grundschüler mit höchstens durchschnittlichenSchulleistungen negativ ab (zum Selbstkonzept hochbe-gabter jugendlicher Achiever, das überwiegend positivgetönt ist, siehe Rost & Hanses, 2000).Die immer wieder in Medien, Ratgebern und von Elterngeäußerte Vermutung, „Underachievement“ käme beibesonders Begabten stark gehäuft vor, konnte in dieserStudie nicht gestützt werden. Hanses und Rost berichtenvon rund 12% hochbegabten Underachievern im 3.Schuljahr, was ziemlich genau dem aufgrund der statisti-schen Gegebenheiten zu erwartenden Prozentsatz ent-spricht. In Abhängigkeit vom Alter kann sich ein etwashöherer Anteil ergeben; er dürfte aber unter 20% liegen.Angaben wie 50%, die von Elternvereinen propagiertwerden, sind abstrus: Bislang liegt m. W. nicht eine einzi-ge – methodischen Standards genügende – empirischeUntersuchung vor, die auch nur annähernd solch hohePrävalenzraten stützt.

Förderung

An der Förderfrage scheiden sich die Geister. Wie in vie-len Gebieten der Hochbegabungsfrage, so fehlt es auchhier an vernünftiger empirischer Forschung, Mutmaßun-gen, Einstellungen, Vorurteile und Werthaltungen be-stimmen die Förderdiskussion. USA-Erfahrungen sindwegen des völlig anderen Schul- und Gesellschaftssys-tems kaum auf Deutschland zu übertragen. Tafel 3 führtaus der Vielzahl möglicher Fördermaßnahmen einige inder Literatur häufiger thematisierte auf.Aufgrund fehlender vergleichender Evaluationen kannman bislang noch kein begründetes Urteil über Vorzügeund Schwächen der in Tafel 3 aufgeführten Maßnahmenfällen (Ausnahmen: Überspringen; Arbeitsgemeinschaf-ten; Wettbewerbe). Bislang ist die Akzeptanz diverserFördermaßnahmen bei den Betroffenen selbst kaum er-fragt worden. Allein das „Institut für Demoskopie Allens-bach“ bzw. das „Institut für Schulentwicklungsfor-schung“ (nach Rolff, 1988, S.45) haben 1982 bzw. 1985im Rahmen von Repräsentativbefragungen auch Mei-nungen zur „Begabtenförderung“ erhoben. Bei besonde-ren Klassen/Schulen für Hochbegabte hielten sich Zu-stimmungen (34% bzw. 41%) und Ablehnungen (35%bzw. 41%) die Waage. Für eine finanzielle UnterstützungHochbegabter waren 56% (23% dagegen).In der Marburger Hochbegabtenstudie wurden Elternund Lehrkräfte gefragt, für wie wünschenswert sie be-stimmte Fördermaßnahmen halten (Rost, 1991). Es erga-ben sich übereinstimmende Akzeptanzunterschiede: Aufaußerschulische Anreicherung und innere Differenzierungzielende Maßnahmen wurden sehr gewünscht. Segrega-

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5 Viele Hochbegabungsstudien genügen auch nicht an-satzweise den selbstverständlichen Standards psychologi-scher Forschung. In manchen einschlägigen Zeitschriftenwerden „Studien“ gedruckt, die in anerkannten pädago-gisch-psychologischen Journalen keinerlei Publikations-chancen hätten. 6 Es handelt sich bei sehr vielen Untersuchungen um(teilweise sehr stark) vorausgelesene Stichproben, z.B.um Inanspruchnahmepopulationen psychiatrischer Insti-tutionen oder um Kinder von Eltern, die sich in einer El-terninitiative für hochbegabte Kinder organisiert haben.Klar, dass sich dort die Probleme häufen: PflegeleichteKinder werden nicht in Praxen vorgestellt, und spezielleBeratungsstellen und Elterninitiativen für gut funktionie-rende Sonnenscheinkinder sind noch nicht ins Leben ge-rufen worden. Die Befunde von Freeman (1978), die nurbei den organisierten Hochbegabten (und deren Müt-tern) Probleme beobachteten, nicht jedoch bei denjeni-gen Hochbegabten, die keiner Elternvereinigung fürhochbegabte Kinder angehörten, sprechen eine deutlicheSprache.Es bleibt festzuhalten: Hochbegabte Kinder und Jugendli-che sind vor allem erst einmal Kinder und Jugendliche wiealle anderen Kinder und Jugendliche auch, mit ähnlichenVorzügen und Bedürfnissen, aber auch mit ähnlichen Prob -lemen und Schwierigkeiten. Zusätzlich sind sie intellek-tuell besonders leistungsfähig. Hochbegabung ist keinherausgehobener Risikofaktor für die psycho-soziale Ent-wicklung, und bei einer vernünftigen Erziehung und ver-nünftigen Unterrichtung eine Chance und keine „Behin-derung“ (dies ist kein Schreibfehler: Die Vorsitzende einerElterninitiativgruppe für Hochbegabte in Trier hat in einerPresseerklärung expressis verbis Hochbegabung als ernst-zunehmende Behinderung vorgestellt).Nicht wenige Probleme Hochbegabter wurzeln in Proble-men im Elternhaus und in unflexiblem Unterricht: Lange-weile im Unterricht ist kein primärer Indikator für Hoch-begabung, sondern fast immer ein Kennzeichen für ei nenschlechten und undifferenzierten Unterricht, und es be-darf keiner besonderen Begabung, um bei erziehungshilf-losen Eltern Verhaltensstörungen zu entwickeln. Damitkein Missverständnis auftaucht: Ich sage nicht, es gäbebei den Hochbegabten keine Probleme. Ich stelle nur fest,dass diese bei den Hochbegabten im Vergleich zu dendurchschnittlich Begabten nicht sonderlich gehäuft auf-treten. Alle Kinder und Jugendliche benötigen, wenn siebesondere Probleme haben, ein besonderes Verständnisund ggf. auch eine besondere Hilfe, nicht nur – aber auch –besonders begabte Kinder.Etwas anders liegt der Fall bei hochbegabten Underachie-vern. Die Literatur (z.B. Butler-Por, 1987) berichtet bei ih-nen von größeren Schwierigkeiten und Problemen. Han-ses und Rost (1998) sind dieser Frage bei Viertklässlerngenauer nachgegangen. Die Befunde veranlassten sie,vom „Drama der hochbegabten Underachiever“ zu spre-chen. Die Selbsteinschätzung der Persönlichkeit wie auchdie Persönlichkeitseinschätzung der Underachiever durchihre Mütter, Väter und Klassenlehrer zeichnen überwie-gend ein ausgesprochen negatives Bild. Das Selbstkon-zept der Underachiever ist beschädigt, auffällig sind hoheEmotionalität, soziale Unzufriedenheit und geringe seeli-

AnschriftProf. Dr. Detlef H.Rost, FachbereichPsychologiePhilipps-Universität MarburgGutenbergstr. 18D-35032 Marburg

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tion, Sonderklassen und besondere Schulen für Hochbe-gabte sah man skeptischer. Dies gilt, wie die Erhebungenim Marburger Projekt zeigen, sinngemäß auch für Ju-gendliche, wobei in den „neuen“ Bundesländern (ver-mutlich wegen der bedeutsamen Spezialschulentradition)eine relativ höhere Zustimmung zu segregierenden För-dermaßnahmen als in den „alten“ Bundesländern zu be-obachten ist. Inzwischen ist aber allgemein und be-sonders in Westdeutschland die Akzeptanz von Förder-maßnahmen für Hoch begabte gestiegen, die Zustim-mungsrangfolge dürfte sich aber nicht deutlich veränderthaben. Eigenartigerweise wird eine besondere Talentförderung(wie im Sport und in der Musik) von der Öffentlichkeitund vom Staat nicht nur akzeptiert und befürwortet, son-dern auch kräftig ideell und finanziell unterstützt. Olym -pia ge winn er werden enthusiastisch mit großem Bahnhofempfangen, Politiker lassen sich mit ihnen ablichten, undauch die unsportlichsten Deutschen sonnen sich in densportlichen Erfolgen „ihrer“ Athleten. Für kognitiv Hoch-begabte, also für intellektuelle „Athleten“, scheint diesnicht oder nur in bescheidenem Ausmaß zu gelten. Esscheint so, als wäre es irgendwie unanständig, sich für diebesondere Förderung dieser Kinder und Jugendlicheneinzusetzen. Zum Schluss möchte ich noch einen nicht unwichtigenHinweis geben: In der Förderdiskussion sollte die nachwie vor gültige Erkenntnis der Pädagogischen Psycholo-gie, dass von einer guten Kooperation von Schule und El-ternhaus in Verbindung mit einem begabungsförderndenUnterricht (vielfältige Lernanregungen und lernerischeAktivitäten, Einfallsreichtum und Engagement des Leh-rers, differenzierender Unterricht) alle Kinder profitieren,auch und besonders die Hochbegabten, stärker gewür-digt werden.

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Tafel 3: Ausgewählte Fördermaßnahmen für hochbegabte Schüler

1 Schulische Maßnahmen mit ei-nem Schwerpunkt auf innerer Diffe-renzierungAufgaben, die dem Stoff vorausei-len; Aufgaben, die den Stoff vertiefen; Arbeitsteilige Kleingruppenarbeit; Projektarbeit;Tutorfunktionen für schwächereKlassen kameraden; anspruchsvolle-re Hausaufgaben; mehr Freiheitenim Unterricht lassen, solange die anderen nicht gestört werden.2 Schulische Maßnahmen mit einem Schwerpunkt auf äußerer DifferenzierungVorzeitige Einschulung; fachbezo-gener Unterricht in höheren Klas-sen; Überspringen; Leistungskurseund spezielle Arbeitsgemeinschaf-ten; Auslandsaufenthalte an Part-

nerschulen; Sonderklassen für nurein Fach oder nur für zwei Fächer;Hochbegabungsklassen an norma-len Schulen (z.B. D-Zug-Klassen);Spezialschulen und Internate fürHochbegabte (z.B. TALENTA); Schu-len mit fremd- und zweisprachigenZügen; Gasthörerschaft an Hoch-schulen; vorzeitige Zulassung zumStudium; Steilkurse im Studium.3 Außerschulische MaßnahmenAnspruchsvolle Freizeitgestaltungmit Eltern oder Freunden; Ferienkur-se und Sommerakademien; Fern-unterricht, Internetkurse und Privat-unterricht zu Hause; Nutzung vonSpezialräumen der Schulen (Fotola-bor, Werkraum) außerhalb derSchulzeit; Nutzung kommunalerkultureller Ressourcen (Planetarium,Museum etc.); Mitgliedschaft inVereinen und Verbänden (Schach-club, Jugendorchester, „Greenpea-ce“, etc.); Hospitation und Mitarbeit

in Betrieben, Verlagen, Zeitungenusw.; supervidierte begleitete Schü-ler- und Studentenfirmen; Teilnah-me an Wettbewerben („Jugendforscht“, „Jugend musiziert“ etc.);finanzielle und ideelle Unterstüt-zung durch Stipendien („DeutscheSporthilfe“, etc.); Aufnahme in Be-gabtenförderwerke („Studienstif-tung des Deutschen Volkes“, etc.).4 Optimierung der Betreuung undBeratungLehrerausbildung; Lehrerfortbildungund Lehrerweiterbildung; auf Bega-bungsförderung spezialisierte Bera-tungslehrer; schulische Klimaverbes-serung (Akzeptanzerhöhung fürHochbegabungsfragen); Mentoren-programme; Fort- und Weiterbil-dung von Psychologen, Lehrern,Ärzten und Kindergärtnerinnen; Ein-richtung begabungspsychologischerBeratungsstellen (z.B. BRAIN).

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Hochbegabung und die Psycho-logie der Lebensspanne

1. Einleitung

Der vor kurzem erschienene Artikel „Die Überflieger derNation“ beginnt mit den Worten „Die Hochbegabten ha-ben derzeit Hochkonjunktur. Sie werden begutachtet undbefragt, gefördert und gefordert...“ (Paulus 2002, S. 56).

In der Tat, Hochbegabung ist „in“ – auch in Bereichen,mit denen Psychologen vor allem befasst sind, nämlichDiagnose und Beratung. Es ist kaum noch vorstellbar,dass erst achtzehn Jahre vergangen sind, seit die erste(bundes)deutsche Beratungsstelle für Hochbegabtenfra-gen durch Professor Wieczerkowski von der UniversitätHamburg und die Autorin dieses Beitrags eröffnet wurde.Damals war die Beratungsstelle eine wirkliche Novität, diePresseberichte über die Tätigkeit des ersten Jahres dieserBeratungsstelle füllen mehrere Ordner, wobei die Presse-meinungen von radikaler Ablehnung bis zu begeisterterZustimmung reichten.

Heute dagegen verfügt allein die Stadt Hamburg übermehrere Beratungseinrichtungen für Hochbegabte und– wie es auch heißt – besonders Begabte, d.h. es handeltsich nicht um Einrichtungen ausschließlich für Hochbe-gabte, sondern für überdurchschnittlich Begabte. AmPsychologischen Institut der Universität führt ProfessorWieczerkowski auch nach seiner Emeritierung weiterhinBeratungen durch. Mit der Beratungsstelle besondereBegabungen (BbB) unter der Leitung von Dr. Quitmannwurde vor gut fünf Jahren die bundesweit erste öffentli-che Beratungsstelle speziell für Begabtenfragen einge-richtet. Das Institut für angewandte Lern– und Bega-bungsforschung Dr. Feger bietet außer den Beratungenmit Kindern und Jugendlichen als besonderen Schwer-punkt die Arbeit mit (hoch)begabten Erwachsenen.Schließlich gibt es in Hamburg mehrere Psychologinnen,die sich auf Begabungsdiagnostik spezialisiert haben; diedurchweg langen Wartezeiten sprechen für sich. Im Zeit -raum von weniger als einer Generation ist eine grundle-gende Veränderung erfolgt. Übrigens hat ja auch ReportPsychologie im Jahr 2001 dieses Thema aufgegriffen(Malsch 2001).

UNERFORSCHTESCHÄTZEBarbara Feger

Foto: W

OGE

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2. Hochbegabte Kinder und hochbegabte Erwachsene

Hochbegabung und Hochbegabtenförderung werdenfast ausschließlich mit dem Kindes– und Jugendalter inVerbindung gebracht. Dies wird deutlich in Broschüren(BMBF: Begabte Kinder finden und fördern, 2001; Minis-terium für Bildung, Forschung und Kultur des LandesSchleswig–Holstein: Kinder mit besonderen Begabungen.Erkennen – Beraten – Fördern, 2000) oder auch im Na-men der größten Selbsthilfeeinrichtung im Begabungsbe-reich in Deutschland („Deutsche Gesellschaft für dashochbegabte Kind“). Zu Recht stehen die Kinder imVordergrund, denn sie brauchen für ihre Entwicklung denSchutz und die Unterstützung durch Erwachsene unddurch Einrichtungen wie die Schule.

Andererseits besteht schon lange eine Förderung beson-derer Begabungen im Erwachsenenalter. Es gibt die Be-gabtenförderung im Handwerk, es gibt die Hochbegab-tenförderungswerke, allen voran die Studienstiftung, diegelegentlich mit der Förderung nach dem ersten berufs-qualifizierenden Abschluss beginnt, etwa in Form vonDoktorandenstipendien. Aber im Prinzip geht es doch umNachwuchsförderung – um die Förderung bis zu einembestimmten Alter oder Abschluss.

So sehr inzwischen die Beschäftigung mit hochbegabtenKindern und Jugendlichen im Großen und Ganzen akzep-tiert ist, so sehr halten viele Menschen die Beschäftigungmit hochbegabten Erwachsenen für ungewöhnlich bisüberflüssig. Die Argumente, die gegen eine Beschäfti-gung mit hochbegabten Erwachsenen vorgebracht wer-den, zeigen eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Argu-menten, die vor rund fünfzehn Jahren gegen die Beschäf-tigung mit hochbegabten Kindern vorgetragen wurden.Danach braucht man sich mit Hochbegabten nicht zu be-schäftigen, denn die setzen sich schon von alleine durch.Erfolg ist definierender Bestandteil der Hochbegabung,außerdem stellt Hochbegabtenförderung Eliteförderungdar. Bei Erwachsenen wird dann noch ergänzt, dass jederseines Glückes Schmied ist, und vor allem, dass jederMensch von einem bestimmten Alter an für sich selbstverantwortlich ist. Macht man sich solche Aussagen zu Ei-gen, dann ist es weitgehend überflüssig, etwas für Hoch-begabte zu tun.

Tatsächlich findet man bei Menschen im Alter von mehrals 30 Jahren selten das Attribut „hochbegabt“. Literaturüber hochbegabte Erwachsene gibt es kaum. Dass der„Arbeitskreis Hochbegabung / Potenziale“ im BDP bei derArbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie angesie-delt ist, ist deshalb besonders hervorzuheben. Anderer-seits war der Workshop zum Thema „Hochbegabte Men-schen: Geistige Rohstoffe“ auf dem Psychologentag 2001im Kongressband unter „Schulpsychologie“ aufgeführt.

Das Ergebnis einer Internetsuche soll das Bild ergänzen. DieSuche über Google ergab im Juni 2002 folgendes Ergebnis:Das Stichwort „hochbegabte Erwachsene“ führte zu 716Nennungen, „hochbegabte Männer“ zu 938, „hochbe-gabte Frauen“ zu 1660. Die Eingabe von „gifted adults“

erbrachte hingegen 145.000 Nennun-gen, „gifted women“ 294.000 Nen-nungen und „gifted men“ 275.000.Zu hochbegabten Erwachsenen gibt esin englischer Sprache eine gewaltigeMenge an Informationen.

Hochbegabung endet nicht einfachmit dem Abschluss des Studiums. Esstellen sich viele Fragen. Was wirdaus dem hochbegabten Kind? Ein erfolgreicher Erwachse-ner oder ein verrücktes Genie? Gibt es Hochbegabte, de-ren Begabung in der Kindheit nicht erkannt worden ist?Welche Art von Hilfen brauchen hochbegabte Erwachse-ne? Wegen dieser vielen offenen Fragen soll hier für eineBeschäftigung mit der Hochbegabung während der ge -samten Lebensspanne auch in Deutschland plädiert wer-den, wobei im Folgenden Informationen über Erwachse-ne im Mittelpunkt stehen sollen.

3. Die Psychologie der Lebensspanne

Aber auch eine Reihe von in der Psychologie liegendenGründen spricht dafür, Hochbegabung nicht nur im Kin-desalter, sondern über die gesamte Lebensspanne hin-weg zu betrachten, beispielsweise entwicklungspsycholo-gische Gründe.

Baltes, Staudinger & Lindenberger (1999) nennen JohannNikolaus Tetens (1777) als Begründer der Entwicklungs-psychologie in Deutschland; dessen Ansatz umfasst dasgesamte menschliche Leben. In Nordamerika und Eng-land entstand die Entwicklungspsychologie an der Wen-de zum 20. Jahrhundert. Dort standen damals die Ent-wicklung und die Psychologie des Kindes im Vorder-grund. Diese Beschränkung auf das Kindesalter wurdeauch in Deutschland übernommen. Sowohl in angelsäch-sischen Ländern als auch in Deutschland umfasst jedochinzwischen die Entwicklungspsychologie die gesamte Le-bensspanne des Menschen – von dem Bonner Psycholo-gieprofessor Hans Thomae bereits seit mehr als 40 Jahrenin der Literatur vertreten und in seinen Längsschnittun-tersuchungen praktiziert.

In den einzelnen Bereichen von Kunst und Wissenschaftliegen die fruchtbarsten Schaffensperioden zu unter-schiedlichen Zeiten des Lebensalters, aber Révész (1952)führt viele Beispiele dafür an, dass die reifsten und bestenWerke im Alter von mehr als 60 Jahren geschaffen wur-den. Ähnliches belegt das Buch über Spätwerke großerMeister (Brinckmann, 1925). An dieser Stelle sollten auchdie Spätentwickler nicht vergessen werden (Feger & Pra-do, 1998, S. 168).

4. Längsschnittstudien

Für die Entwicklungspsychologie sind Längsschnittstu-dien besonders interessant. Eine der umfassendstenLängsschnittstudien der Psychologie ist die Terman–Stu-die. Der amerikanische Psychologe L. M. Terman hat abdem Jahr 1921 in Kalifornien 1528 hochbegabte Kinderim Alter von 7 bis 15 Jahren ermittelt und eine Vielzahlvon Daten erhoben. Rund 70 Jahre lang fanden Folgeer-

Viele Menschen halten die Beschäftigung mithochbegabten Erwachsenen für ungewöhnlich bis überflüssig

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hebungen statt. Die Ergeb-nisse sind nicht nur in den ver-schiedenen Bänden von Ge-netic Studies of Genius, son-dern auch in einer großenZahl von Zeitschriftenpublika-tionen bis in die jüngste Zeithinein veröffentlicht worden.

Terman fand, dass seine Probanden im späteren Lebenüberdurchschnittlich viele positive Merkmale aufwiesen,sie waren gesünder, hatten höhere Bildungsabschlüsse,ein höheres Einkommen und eine höhere Lebenszufrie-denheit als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dochschon früh stellte Terman fest, dass es innerhalb seinerGruppe erhebliche Unterschiede zwischen den Proban-den gab. Er verglich deshalb die 150 erfolgreichstenMänner (A-Gruppe) mit den am wenigsten erfolgreichen(C-Gruppe). Hinsichtlich des Intelligenzquotienten unter-schieden sie sich kaum (IQ 155 vs. IQ 150), ebenso we-nig hinsichtlich der Gesundheit und des Alters. In Bezugauf die Studien– und Berufswahl bzw. den beruflichenErfolg gab es jedoch gravierende Unterschiede zwischenden beiden Gruppen. Die A-Gruppe verfügte im Ver-gleich zur C-Gruppe über Umsicht, Vorausplanung,Selbstvertrauen, Willensstärke und Ausdauer (vgl. dieKurzdarstellung bei Goodenough, 1956).

Eine Übersicht über aktuelle Längsschnittstudien mitHochbegabten bringen Subotnik & Arnold (1994); ausDeutschland ist die Studie von Heller enthalten.

5. Probleme und Fragestellungen aus der Praxis

Der Begriff „Probleme“ sollte nicht so gedeutet werden,als hätten hochbegabte Erwachsene überdurchschnittlichviele Probleme. Es hat sich nur inzwischen gezeigt, dasssie auch Probleme haben können, die bislang z. T. nichteinmal vermutet wurden. So werden im Folgenden imWesentlichen Erfahrungen aus der (eigenen) Praxis be-richtet.

5.1 Berufswahl, Berufsentscheidung

Eine der ersten Fragen, denen sich alle junge Menschenan der Schwelle zum Erwachsenenalter stellen müssen, istdie der Berufswahl. Hochbegabte Jugendliche sind in derRegel vielseitig begabt und vielseitig interessiert. Genaudas macht ihre Berufswahl nicht einfacher. Ihre Berufsent-scheidung treffen sie unter verschiedenen Aspekten – Be-gabung, Interesse, Neigung, durch ein Vorbild angeregt(Eltern, Lehrer), aufgrund von besonderen Erfolgen (Ge-winn in einem Wettbewerb), aber auch beeinflusst durchdie Wahl, die ihre Freunde treffen. Dass diese Wahl nichtimmer optimal erfolgt, zeigen die Beratungen mit Er-wachsenen. Eine erhebliche Zahl von hochbegabtenSchülern bereut später die in der Abiturzeit getroffeneWahl. Es kommt zu Studienabbrüchen, zu mehrfachemStudienfachwechsel, zum Umsatteln in einen Hand-werksberuf, dann wieder zum Wechsel in ein Studium.So trifft man dann auf orientierungslose und oft verzwei-felte Dreißigjährige, die unter hämischen Kommentarenihrer ehemaligen Mitschüler und Kommilitonen ebensoleiden wie unter ihrem eigenen „Versagen“.

Hier wird deutlich, wie wichtig für junge Leute, Jungenwie Mädchen – und auch für Hochbegabte, die sich ihrerEntscheidung oft so sicher zu sein scheinen – Hilfen beider Berufswahl sind. Dabei geht es darum, Stärken undSchwächen des Einzelnen herauszuarbeiten, Interessenzu ermitteln, mehrere Berufe zu finden, die zum Bega-bungs- und Interessenprofil passen, dann den Ausbil-dungs- und Berufsalltag aufzuzeigen und schließlich dieBerufschancen vorherzusagen, so weit das eben möglichist. Besonders empfehlenswert sind Praktika, auch in denBereichen, in denen üblicherweise keine Praktika angebo-ten werden. Dies alles kann zwar nicht garantieren, dassdie gefällte Entscheidung die beste ist oder dass sich einberuflicher Erfolg einstellt; aber die Entscheidungsgrund-lage wird deutlich verbessert.

5.2 Typische Probleme im ausgeübten Beruf: Berufsausstieg, Berufswechsel

Bei dieser Fragestellung sind Frauen weit in der Überzahl;außerdem ist das Problem im Durchschnitt bei den Frau-en schwerwiegender als bei Männern. Männer erkundi-gen sich nach „besseren beruflichen Möglichkeiten“,können sich aber auch vorstellen, in ihrer Arbeit weitertätig zu sein. Frauen haben ihren Beruf meistens schonaufgegeben, wenn sie sich zur Beratung anmelden.

Aus den Mädchen, die ihre Berufsentscheidung selbstver-ständlich und – nach ihrem damaligen Empfinden – gutgetroffen haben, können Frauen werden, die in ihrem Be-ruf sehr unglücklich sind. Bei unseren Klientinnen findetsich häufig die Variante, dass ein Studium zwar im erstenAnlauf und ohne Wechsel sehr erfolgreich durchgeführtworden ist, dass sich aber später eine tiefe Unzufrieden-heit mit der erfolgten Wahl einstellt.

Berufsausstieg bzw. Berufswechsel stellen bei hochbegab-ten Frauen über 30 den häufigsten Beratungsanlass in un-serem Institut dar. Etwa die Hälfte der Anfragen kommtvon Medizinerinnen, deren Problematik deshalb auch bei-spielhaft etwas ausführlicher dargestellt werden soll.

Die Ärztinnen sind in der Regel 35 bis 40 Jahre alt, und al-le sind im Angestelltenverhältnis tätig, fast immer inKrankenhäusern. Alle berichten darüber, dass ihnen dasVerhältnis zu den Patienten besonders wichtig gewesenist. Praktisch alle berichten auch, dass sie schon sehr früh– oft im Grundschulalter – den Wunsch gehabt haben,Ärztin zu werden. Durchweg sind sie von den Eltern indiesem Wunsch bestärkt worden, – oft bis zu dem Punkt,dass alle Überlegungen der Tochter, ein anderes Fach alsMedizin zu studieren, radikal abgeblockt wurden. So rea-gierten die Eltern auf die Bemerkung ihrer Tochter kurzvor dem Abitur, Maschinenbau lieber als Medizin studie-ren zu wollen, mit dem Hinweis, ein solches Studiumwürden sie keinesfalls finanzieren. Keine dieser Frauenhat vor dem Studium eine Berufsberatung mitgemachtoder auch nur eine Potenzialermittlung.

Alle diese Frauen sind bei der Aufgabe ihres Berufes aufdas absolute Unverständnis ihrer Umgebung gestoßen –Ärztin ist schließlich ein Traumberuf, und wer einen

Hochbegabung macht

Berufsentscheidungeneher schwieriger

als leichter

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Traumberuf aufgibt, bei dem stimmt etwas nicht. Fast dieHälfte der Ärztinnen hat deswegen sogar einen Psychia-ter aufgesucht. Durchweg zerbrechen diese Frauen übri-gens an der Hierarchie im Krankenhaus, an Mobbing, anUnverständnis für ihre Gefühle gegenüber den Patienten,um die sie sich in außergewöhnlicher Weise gekümmerthaben. Alle Medizinerinnen, die bei uns zur Beratung wa-ren, verfügten über ein außergewöhnliches soziales En-gagement. Dies macht deutlich, dass eine Berufsbera-tung, die nur die Eignung ermittelt, nicht ausreicht; eben-so wichtig ist die Information über den Berufsalltag unddie Berufsaussichten. Das zeigt sich im Übrigen auch beiMusikerinnen, die sich nicht hinreichend klar gemachthaben, dass die Hauptarbeitszeit sowohl der meisten So-listinnen als auch der Orchestermusikerinnen durchwegin die späten Abendstunden fällt und dass der Beruf derMusikerin auch zu langer Abwesenheit vom Wohnortführen kann.

Wenn die Ärztinnen erst einmal zur Beratung kommen,hat ihr Selbstkonzept erheblich gelitten. Die Hauptaufga-be der Beratung besteht darin, eine neue Tätigkeit zu fin-den, die den betreffenden Frauen angemessen ist. UnterUmständen führt eine Beratung zu dem Ergebnis, dassein weiteres Studium die angemessenste Lösung ist. Hierzeigt sich, dass Frauenbeauftragte oder Studienbera-tungsstellen oft einfach uninformiert, vor allem aber auchnicht sensibilisiert sind. Dass Frauenbeauftragte auf dieBitte einer nicht mehr praktizierenden Ärztin, sie überHilfsangebote bei beruflicher Umorientierung in ihremstädtischen Wohnbereich zu informieren, unwirsch rea-gieren, ist eigentlich schon die Regel. Der Tenor ist oftder, dass man für die Frauen da sei, die nicht qualifiziertseien, die sich nicht selber helfen können. Bei der Stu-dienberatung ernteten mehrere Frauen hämische Kom-mentare, bekamen aber selbst auf konkrete Fragen zuStudienmöglichkeiten an der betreffenden Universitätnicht die gewünschte Information.

5.3 Entdeckung und Aufarbeitung der eigenenHochbegabung im Erwachsenenalter

Auch in dieser Kategorie überwiegen die Frauen. Siekönnten zum Teil mit den „Spätentwicklern“ zusammen-gefasst werden; jedoch geht es hier häufig um Frauen,die vorher nichts von ihrer eigenen Hochbegabung ge-wusst haben. Sie entdecken sie vielfach über die eigenenKinder. Vor allem die Töchter bilden einen Spiegel, indem sich die Mütter erkennen; auch wenn heute immernoch einiges im Argen liegt bei den hochbegabten Mäd-chen (vgl. Wagner, 2002), so gilt für die Generation derMütter, dass ihre Chancen noch sehr viel schlechter wa-ren. Diesen Frauen ist oft die Potenzialermittlung daswichtigste. Sie möchten mehr über sich selber erfahren.

In diese Kategorie gehören auch die Frauen, die sich alsMädchen wegen ihrer Hochbegabung immer zurückge-nommen haben. Sie fragen sich, wie ihre Entwicklungausgesehen hätte, wenn sie sich zu ihrer Hochbegabungbekannt hätten. Diese Frauen suchen vor allem den Kon-takt zu anderen Frauen, die ähnliche Erfahrungen ge-macht haben.

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Zur AutorinDr. Barbara Feger,Studium in Bonnund Aachen, Pro-motion 1981; 17Jahre Tätigkeit inForschung undLehre an derRWTH Aachen(Institut für Erzie-hungswissen-schaft, Institut fürPsychologie);heute selbststän-dig in Hamburg.

AnschriftDr. Barbara FegerInstitut für angewandte Lern-und Begabungs-forschungBallindamm 720095 HamburgTelefon040/30380737

reportpsychologie‹27› 10/2002

5.4 Spätentwickler

Das Phänomen der „late bloomer“ finden wir sowohl beiMännern als auch bei Frauen. Spätentwickler entdeckenihre besonderen Fähigkeiten fast immer ohne Hilfe vonaußen. Zu ihnen zählen Menschen wie die Malerin„Grandma Moses“, wie Gerhart Hauptmann oder Wil-helm Busch (vgl. Feger, 1988), aber auch die Frauen, diebei Sally Reis (1995) erwähnt werden. Bei unseren Klien-ten liegt der Hauptunterschied zwischen Männern undFrauen in der Reaktion der Umwelt. Männer erfahren beider Realisierung ihres Potenzials mehr Unterstützungdurch die Familie, den Partner/die Partnerin bzw. auch imberuflichen Umfeld als die Frauen; Männer trauen sichauch viel mehr zu als die Frauen – das zieht sich übrigensdurch die ganze Lebensspanne. Senioren möchten sichbestätigen lassen, dass sie es schaffen, im Ruhestand zupromovieren; Seniorinnen fragen, ob für sie ein Senioren-studium mit Gasthörerstatus sinnvoll sein könnte, sie zö-gern schon eher, sich überhaupt für ein reguläres Studiumeinschreiben zu lassen. Für Frauen in dieser Kategoriesind positive Vorbilder sehr wichtig; beispielhaft sind auchhier die Frauen zu nennen, die Sally Reis (1995) in ihremBeitrag beschreibt, die alle älter als 50 Jahre alt waren, alssie bei ihrer jeweiligen Arbeit besondere Leistungen voll-brachten.

5.5 Partnerprobleme bei intellektueller Überlegenheit der Frau

Nicht sehr häufig, aber in der Regel besonders belastendsind die Partnerprobleme bei einer deutlichen intellek-tuellen Überlegenheit der Frau. Das Problem der deut-lichen intellektuellen Überlegenheit des Mannes ist alsBeratungsanlass während unserer nunmehr 20 Jahre dau-ernden Beratungstätigkeit noch nie vorgekommen. BeidePartner finden es hingegen oft schwer zu ertragen, wenndie Frau mit neuen Aufgaben sehr viel schneller fertigwird als der Mann, wenn sie praktisch immer bessereIdeen hat, wenn sie Komplexität besser bewältigt. Meis-tens fallen die Frauen in die Verhaltensweisen der Mäd-chen zurück – sie nehmen sich zurück, verleugnen das,was sie können, statt stolz darauf zu sein.

Eine Patentlösung für dieses Problem gibt es nicht. Zuden praktizierten Lösungsansätzen gehört beispielsweiseeine Familientherapie. Wichtig ist es, den Partner dazu zubringen, dass er die Partnerin so akzeptiert, wie sie ist,und dass er ebenfalls stolz ist auf seine Partnerin, statt sieum ihre Fähigkeiten zu beneiden.

5.6 Lern– und Arbeitstechniken

Viele Hochbegabte haben das Lernen nicht gelernt odersie haben es verlernt, wenn sie nie gefordert wurden.Manche Kinder, die in der Schule underachiever sind, fan-gen sich als Erwachsene, andere bleiben auch im Berufunderachiever, wenn sie nicht Hilfe bekommen. Wir ha-ben in unserem Institut Klienten gehabt, die trotz Hoch-begabung nur den Hauptschulabschluss haben und überkeine qualifizierte Berufsausbildung verfügen, allerdingsauch Führungskräfte, die zwar hochbegabt waren, aberihr Potenzial wegen fehlender Lern- und Arbeitstechni-ken nicht annähernd nutzen konnten. Zu Lern- und Ar-

beitstechniken haben wir spezielle Lehrgänge und Coa-ching-Verfahren entwickelt.

6. Abschließende Bemerkungen

Außer auf hochbegabte Schüler und Studenten sollte dieAufmerksamkeit auf Kindergarten- und Vorschulkindergerichtet werden, ebenso auf die Erwachsenen währendder gesamten Lebensspanne. Bisher gibt es dazu einigewenige Ansätze. Manchmal hört man in diesem Zu-sammenhang dann den Vorwurf der weiteren Privilegie-rung der ohnehin Privilegierten. Wir möchten hier Willi-am Stern zitieren: „Wir kennen recht genau das Vorkommen aller mög-lichen Rohstoffe … aber von der Größe und Art unseresSchatzes an geistigen Rohstoffen – das sind die Begabun-gen – wissen wir noch beschämend wenig; und doch istdiese Kenntnis nicht minder wichtig als die materiellenHilfsmittel“ (Hervorhebung im Original). Sterns Schluss-folgerung lautet: „... die moderne Psychologie muss Be-gabungsforschung und Begabungsdiagnose betreiben“(1967, S. 3 ). Dieses Zitat stammt im Original aus demJahr 1916 und hat nichts von seiner Aktualität verloren.Hier bietet sich der Gesellschaft die Chance, dem Einzel-nen bei der Entfaltung seiner Potenziale zu helfen, unddem Einzelnen bietet sich die Chance, seine Potenziale in denDienst der Allgemeinheit zu stellen.

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L I T E R A T U R

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ologie‹27› 10/2002Erfahrungen aus der begabungsdiagnostischen Beratungsstelle BRAIN

Einleitung

Im Folgenden wird das Konzept der seit Oktober 1999bestehenden begabungsdiagnostischen BeratungsstelleBRAIN vorgestellt. Die Klientenpopulation wird in we-sentlichen Zügen beschrieben, und erste Evaluationser-gebnisse (Klientenzufriedenheit) werden berichtet.

Konzept der Beratungsstelle

Geschichte von BRAIN. „Hochbegabung“ ist seit Mitteder 80er Jahre ein Forschungsschwerpunkt am Lehrstuhlfür „Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsycho-logie“ (Prof. Dr. Rost) des Fachbereichs Psychologie derPhilipps-Universität Marburg. Die Ergebnisse des „Mar-burger Hochbegabtenprojekts“ – einer umfangreichen

Längsschnittstudie zur Lebensumwelt Hochbegabter undHochleistender (Rost, 1993, 2000) – erfuhren aufgrundzahlreicher Beiträge in den Medien großes öffentlichesInteresse. Im Zuge dessen gingen vermehrt Anfragen vonEltern ein, die dringend nach Möglichkeiten der Diagnos-tik und Beratung bei Fragen der „Hochbegabung“ such-ten. Aus diesem Bedarf entstand die Idee, am Fachbe-reich Psychologie der Philipps-Universität eine einschlägi-ge Beratungsstelle – BRAIN (BeRAtung und INformationüber besondere Begabung) – einzurichten. Mit finanziel-ler Unterstützung des Hessischen Kultusministeriumskonnte BRAIN am 1. Oktober 1999 die Arbeit aufneh-men. Mittlerweile arbeiten bei BRAIN drei halbtags be-schäftigte Diplompsychologinnen sowie eine Schulpsy-chologin mit 2/3 ihrer Arbeitszeit. Die wissenschaftlichenMitarbeiter/innen des Lehrstuhls sind ebenfalls in die Be-ratungsarbeit involviert; studentische Hilfskräfte leistenUnterstützung bei der Organisation der Beratungsstelle.Die Leitung liegt bei Prof. Dr. Rost, dem wissenschaft-lichen Beirat gehören Prof. Dr. B. Rollett (Universität

KLARE INFORMATION FÜR BETROFFENESusanne R. Schilling, Siglinde Graf, Petra Hanses, Christiane Pruisken, Detlef H. Rost, Jörn R. Sparfeldt & Petra Steinheider

Foto: W

OGE

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ologie‹27› 10/2002

r e p o r t fachwissenschaftlicher teil

Wien), Prof. Dr. K. J. Klauer (TH Aachen) und Prof. Dr. J.Freeman (Middlesex University, London) an. Angebote von BRAIN. Ausführliche Einzelfallarbeit (Diag -nostik und Beratung) bei Fragen intellektueller „Hochbe-gabung“ steht im Mittelpunkt der Tätigkeit von BRAIN.Darüber hinaus stellt BRAIN hochbegabungsrelevante In-formationen (z.B. Literaturempfehlungen) zur Verfü-gung. Die Mitarbeiter/innen engagieren sich zusätzlichintensiv in der Lehrerfortbildung und Elternbildung (z.B.durch Vorträge). Das Angebot von BRAIN ist prinzipiellkostenfrei. Kommt es zu einer ausführlichen Einzelfallbe-ratung, werden die Eltern um eine (geringe) Spende zur(teilweisen) Deckung der Unkosten gebeten. Kontaktaufnahme und Beratungsanlässe. Die Anmel-dung zur ausführlichen Diagnostik und Beratung erfolgtausschließlich nach vorheriger telefonischer Kontaktauf-nahme. Dafür stehen viermal wöchentlich telefonischeSprechstunden zur Verfügung. Mittlerweile haben sichauf diesem Weg über 1000 Ratsuchende an uns ge-wandt, die folgenden Prozentzahlen beziehen sich auf948 Fälle (Zeitraum: Oktober 1999 – November 2001). Im ersten ausführlichen Telefonat wird gemeinsam mitden Eltern eruiert, ob eine (erneute) Diagnostik und Bera-tung bei BRAIN sinnvoll erscheint oder ob es – für die ge-schilderte Problematik – alternative (vielleicht geeignete-re oder wohnortnähere) Anlaufstellen gibt. In knapp derHälfte der Fälle (47%) melden sich Klienten zu einer aus-führlichen Diagnostik und Beratung bei BRAIN an. Diemeisten Anrufer (83% ) kommen aus Hessen. Im Allge-meinen wird nach Hilfe im Einzelfall gesucht (89%), da-bei führen Langeweile/vermutete Unterforderung in derSchule und der Wunsch nach Schullaufbahnberatung mitjeweils knapp einem Drittel der Anrufe die Liste der Bera-tungsanlässe an – wobei diese selbstverständlich auch inKombination auftreten können. Viele Eltern wünschensich auch allgemeine Hinweise zur Förderung (22%), beietwa 15% der Fälle liegt (noch) keine akute Problematikvor: Hier soll die Vorstellung bei BRAIN eher präventivwirken, da die Eltern Probleme – z.B. beim Schuleintritt –antizipieren. Häufiger vermuten Eltern auch eine „Under -achievement“-Problematik (20%), da das Kind schlechteSchulleistungen aufweist. Selbstverständlich werden auchandere Beratungsanlässe genannt, wie z.B. Verhaltens-probleme des Kindes (14%) oder Schwierigkeiten mitGleichaltrigen (14%). Diagnostik und Beratung. Die eingehenden Anmeldun-gen werden in der wöchentlichen Teamsitzung bespro-chen und intern an eine/n Berater/in vergeben. Diese/rvereinbart mit den Eltern drei Termine:Im Erstgespräch (1. Sitzung) werden – in Ergänzung zu ei-nem vorab verschickten ausführlichen Fragebogen – anam -nestische Daten erhoben und der Beratungsauftrag mitden Klienten geklärt. Die anschließende differenzierte psychodiagnostischeUntersuchung (2. Sitzung) umfasst in der Regel mehrereTests zur Abklärung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Infast allen Fällen werden – je nach Problematik – zusätzlichestandardisierte Erhebungsinstrumente (z.B. Persönlich-keitstests, Verfahren zur Ermittlung der Konzentrationsfä-higkeit und Aufmerksamkeit) eingesetzt. In jedem Fall er-gänzen eine ausführliche Exploration des Kindes und die

Ergebnisse der Verhaltensbeobach-tung die diagnostische Datenerhe-bung. Die Einzelfallarbeit der Be ra -ter/innen wird durch das Team konti-nuierlich begleitet, die wöchentlichenSitzungen dienen auch der Fallvorstel-lung und -diskussion. Im abschließenden Beratungsgespräch (3. Sitzung) wirdden Klienten ausführlich und verständlich das Ergebnisder Psychodiagnostik – im Hinblick auf die individuelleFragestellung – erläutert. Aufgrund der Integration derBefunde werden Empfehlungen formuliert und gemein-sam mit den Eltern weitere Handlungsmöglichkeiten (z.B.Vorbereiten eines Überspringens) besprochen. Die Klien-ten erhalten die Ergebnisse und Empfehlungen auchschriftlich als ausführliches psychologisches Gutachten,das im Beratungsgespräch ausgehändigt wird. AufWunsch der Eltern kann es nach diesem Abschlussterminnoch zu weiteren (auch telefonischen) Gesprächen (z.B.mit der Schule) kommen, in wenigen Fällen wenden sichdie Klienten auch nach längerer Zeit erneut an BRAIN(weil z.B. eine erneute Schullaufbahnentscheidung an-steht). Da BRAIN aber aus Kapazitätsgründen keine län-gerfristigen kontinuierlichen Beratungen oder Trainingsanbieten kann, ist die Beratung in der Regel nach drei Ter-minen abgeschlossen. Statistik und Evaluation. Sowohl die telefonischen Bera-tungen als auch die ausführliche Einzelfallarbeit werden imHinblick auf wichtige Variablen (z.B. Geschlechts- und Al-tersverteilung, Zeitaufwand pro Fall, Ergebnisse der Leis-tungsdiagnostik, Anlass des Anrufs etc.) dokumentiert. ZurQualitätssicherung der Beratungsarbeit werden die Klien-ten zu zwei Zeitpunkten gebeten, die Arbeit von BRAIN zuevaluieren. Die Befragung erfolgt anonymisiert. Rund vierWochen nach Abschluss der Beratung (Evaluation I) erhal-ten die Eltern einen kürzeren Fragebogen, der weiter untennoch ausführlicher vorgestellt wird. Etwa ein halbes Jahrnach Beratungsende werden die Eltern gebeten, Auskunftüber ihre Zufriedenheit mit der Beratung im Rückblick zugeben und Veränderungen bei ihrem Kind einzuschätzen(Evaluation II). In beiden Fragebogen haben die Eltern –neben den standardisiert erhobenen Urteilen – die Mög-lichkeit, frei Lob und/oder Kritik zu äußern.

Klienten

Innerhalb der ersten beiden Jahre konnten 325 Einzelfall-beratungen abgeschlossen werden. Trotz der langenWartezeit – bis zu sechs Monaten – ist die Absagequotevor dem ersten Termin relativ gering (12%). Eine laufen-de Beratung haben lediglich vier Eltern abgebrochen. DieMehrzahl der vorgestellten Kinder befindet sich imGrundschulalter, 64% der Kinder sind zwischen sechsund zehn Jahre alt, bei einer Spannweite von 3;6 bis 17Jahren. Kinder unter fünf Jahren werden von BRAIN nurin sorgfältig begründeten Ausnahmefällen zur Diagnostikangenommen, da unterhalb dieser Altersgrenze in derRegel keine ausreichend stabile Schätzung der intellek-tuellen Leistungsfähigkeit vorgenommen werden kann.Wenig verwunderlich ist, dass bei BRAIN hauptsächlichJungen (74%) vorgestellt werden, dies entspricht – beiBerücksichtigung des Alters – in etwa dem Anteil in anderen

Die Umsetzung der Empfehlungengestaltet sich oft schwierig.

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reportpsych

ologie‹27› 10/2002

(Erziehungs-)Beratungs-stellen. So berichtet z.B.Menne (1996) über einenAnteil von 65% Jungen inder Altersgruppe zwi-schen sechs und neunJahren in deutschen Erzie-hungsberatungsstellen, inder Hochbegabtenbera-tungsstelle der UniversitätMünchen dominieren mit72% ebenfalls die Jungen(Elbing & Heller, 1996),ebenso beim Hochbe-gabtenklientel des Schul - psy cho lo gisch en Diens -tes Ulm (Keller, 1992).Obwohl die Diagnostikbei BRAIN in keinem Falldarauf abzielt, die vorge-stellten Kinder und Ju-gendlichen als „hochbe-gabt“ oder „nicht hoch-begabt“ zu klassifizie-ren, ist der Anteil anidentifizierten Hochbe-gabten gleichwohl vonInteresse. Legt man –unter Berücksichtigungdes Vertrauensbereichs –als Kriterium einen IQvon mindestens 130 inmindestens einem vali-den und zeitnah nor-mierten Verfahren zurIntelligenzmessung zu-grunde und fordertgleichzeitig, dass in kei-nem Testverfahren le-diglich ein durchschnitt-licher Wert von IQ ≤ 110erzielt wurde, sind 29%der 325 untersuchtenKinder und Jugendlichen„hoch begabt“. 29% derProbanden liegen mit ih-rer intellektuellen Leis-tungsfähigkeit „nur“ imDurchschnitt. Diese Zah-len wei sen auf die Rele-vanz einer fundierten

psychologischen Fachdiagnostik hin, da „falsch positive“Entscheidungen – aufgrund überhöhter und/ oder fal scherErwartungen – gravierende negative Konsequenzen für diepsychosoziale Entwicklung der Kinder nach sich ziehen kön-nen. Tatsächlich haben manche der vorgestellten Kinderaufgrund (unsachgemäßer) Vordiagnosen schon eine ent-sprechende – teilweise dramatische – Leidensgeschichtehinter sich.

Evaluation der Beratungsarbeit durch die KlientenEvaluation I. Der von uns entwickelte Evaluationsfrage-bogen I besteht aus vier Bereichen:

(a) Globalurteil über Beratung, (b) Urteil über die Qualität der Beratung

(vier Kategorien),(c) Urteil über den/die Berater/in

(sieben Kategorien),(d) freie Formulierung von positiver/negativer

Kritik.Die Einschätzungen der Kategorien (a) bis (c) erfolgen aufeiner siebenstufigen Skala (-3 bis +3), wobei die Pole je-weils verbal umschrieben sind. Der Rücklauf der Evalua-tion ist mit 90% sehr gut. Die folgenden Daten beziehensich auf diejenigen 291 Fälle, die bis Ende November2001 definitiv abgeschlossen waren und zu denen bereitsEvaluationen der Eltern vorlagen. Aufgrund fehlenderEinschätzungen bei einzelnen Kategorien verringert sichdie zugrundeliegende Fallzahl je nach Kategorie geringfü-gig, liegt aber immer bei mindestens 281 Beratungsfällen.In der Hauptsache werden die Fragebogen von der Mut-ter (53%) oder von beiden Elternteilen gemeinsam(38%) ausgefüllt. Wie Abbildung 1 zeigt, dokumentiert sich im Globalurteilder Evaluation I eine außerordentlich positive Bewertungder Beratung durch die Klienten. Lediglich 5% der Ratsu-chenden sind mit unserer Beratung leicht bis sehr unzu-frieden (Bewertungen im negativen Skalenbereich). Auch in der Bewertung der Beratungsqualität liegen alleMittelwerte im positiven Bereich (vgl. Abb. 2). In jederFacette beträgt der Anteil negativer Urteile weniger als5%. Relativer „Spitzenreiter“ der positiven Bewertungenist die Verständlichkeit. Hier dokumentiert sich das – of-fensichtlich erfolgreiche – Bemühen, die Eltern – in für„Laien“ adäquater Form – über die psychodiagnostischenErgebnisse im Leistungs- und Persönlichkeitsbereich zuinformieren. Ein ähnliches Bild ergibt sich hinsichtlich der Bewertungder Beraterin bzw. des Beraters (vgl. Abb. 3). Nahezu alleEltern (94%) erleben die Atmosphäre und den Kontaktzur Beraterin bzw. zum Berater als freundlich bis sehrfreundlich. Sie fühlen sich ernst genommen (89%) undsind der Auffassung, dass auf ihre Probleme und Fragengut bis sehr gut eingegangen wird (89%). Spezifische(auf „Hochbegabung“ bezogene) und allgemeine Kom-petenz der beratenden Person werden jeweils ebenfallsvon über 85% als gut bis sehr gut eingeschätzt. (Relativ)schlechter (65% positiv bis sehr positiv) wird die Katego-rie praktische Erziehungshilfen/Fördermaßnahmen be-wertet. Hier dokumentiert sich sicherlich die leichte Ent-täuschung mancher Eltern, dass BRAIN nicht in der Lageist, wohnortnahe Schulempfehlungen abzugeben (z.B.„z-Gymnasium in xy“) oder in jedem Fall spezifische För-dermaßnahmen vor Ort nennen zu können. Freie Kritik. In den (wenigen) Fragebogen, die Mängelthematisieren, werden vor allem die schlechte telefoni-sche Erreichbarkeit, lange Wartezeiten und die räumlicheSituation (aufgrund der beengten Raumverhältnisse müs-sen Beratungen z. T. in provisorischen, hellhörigen Bürosstattfinden) angesprochen. Auch Probleme bei der Um-

150 N

50

100

1.4% 1.4%2.8%

1.7%0

sehr zufrieden

sehr unzufrieden

11.4%

46.4%

34.9%

-3 -2 -1 0 1 2 3

1.8 (1.2)hilfreich

verständlich

informativ

zielführend

-3 -2 -1 0 1 2 3

1.8 (1.2)

2.0 (1.1)

2.4 (0.8)

gar nicht sehr

Abb.2 Evaluation I: Urteil über die Qualität der Bera -tung („Wie beurteilen Sie die Beratung?“, NMIN=284),Mittelwerte und (in Klammern) Standardabweichungen

Die Beratung war

Abb.1 Evaluation I: Globalurteil „Wie zufriedenwaren sie mit der Beratung insgesamt?“ (N=289)

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setzung von – BRAIN-unabhängigen – Empfehlungen(Fehlen konkreter Angebote insbesondere im ländlichenRaum, mangelnde Kooperation seitens der Schule) wer-den genannt. In seltenen Fällen wird das diagnostische Ergebnis inZweifel gezogen (z.B. werden die Testverfahren als „zustandardisiert“ kritisiert). In diesem Zusammenhang istinteressant, dass tendenziell eine Beziehung zwischen derdiagnostizierten Intelligenz und der Bewertung der Bera-tung besteht: Je höher die Begabung, desto positiver dieBewertung. Möglicherweise dokumentiert sich hier dieEnttäuschung, eine – häufig über lange Zeit aufrechter-haltene – Überzeugung, das Kind sei „besonders be-gabt“, aufgeben zu müssen. Allerdings ist der Zu-sammenhang gering und auch für eindeutig durch-schnittlich Begabte liegen die Kategorienmittelwertenoch bei mindestens 1.5, so dass dies sicherlich nicht fürdie Mehrzahl der betroffenen Eltern gilt.Bei geäußertem „Lob“ wird insbesondere die Ausführ-lichkeit und Individualität der Beratung sowie die „ganz-heitliche“ Sichtweise (keine „reine IQ-Testung“, sondernebenfalls Berücksichtigung anderer Aspekte wie Persön-lichkeit, soziale Situation etc.) als auch die freundlicheund kindgerechte Atmosphäre hervorgehoben. Positivwird auch das detaillierte schriftliche Gutachten bewertet. Evaluation II. Aus den Angaben der Evaluation II erhof-fen wir uns in erster Linie Hinweise auf mögliche Proble-

me bei der Umsetzung derEmpfehlungen. Dieses Feed-back können wir sowohl in un-sere Arbeit einfließen lassen alsauch – in Form unseres Jahres-berichts – an das HessischeKultusministerium rückmelden.Der von uns entwickelte Bo-gen besteht aus fünf Berei-chen, in denen standardisierteund offene Einschätzungenabgefragt werden und in de-nen die Möglichkeit besteht,Lob und/oder Kritik frei zu äu-

ßern. Im Folgenden wird nur auf die zwei Globalurteile(standardisierte Einschätzung von –3 bis +3) über die Zu-friedenheit mit der Beratung und Veränderungen im Ge-samtbefinden des Kindes sowie auf freie Äußerungen vonLob und Kritik eingegangen. Die restlichen Bereiche desFragebogens (differenzierte Veränderungen bezogen aufvielfältige Beratungsthemen, Umsetzung von Maßnah-men, Urteile über Literaturempfehlungen) variieren na-turgemäß stark in der Zahl der betroffenen Fälle, weshalbbei der – insgesamt noch relativ niedrigen Fallzahl derEvaluation II – detailliertere Auswertungen zu einem spä-teren Zeitpunkt erfolgen sollen. Bis Ende November 2001 wurden 224 Klienten um eineEvaluation II gebeten. Die Rücklaufquote ist mit 71% zu-friedenstellend, wobei wir bemüht sind, diesen Rücklaufzu verbessern. Die folgenden Angaben beruhen auf 165Fällen. Auch hier geben in der Regel die Mütter (58%;beide Elternteile: 26%) die Einschätzung ab. Wie Abb. 4 zu entnehmen ist, dokumentiert sich auchnach sechs Monaten noch eine deutlich positive Bewer-tung der Beratung und Betreuung durch BRAIN. Lediglich6% der Ratsuchenden sind nach (mindestens) einem hal-ben Jahr im Rückblick leicht bis sehr unzufrieden (Bewer-tungen im negativen Bereich). Es wäre in vielen Fällen schon ein Erfolg einer – zeitlichauf drei Sitzungen beschränkten – Beratungstätigkeit, ei-ne Abwärtsspirale problematischen Befindens/Verhaltens

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r e p o r t fachwissenschaftlicher teil

50

100 N

0%

-3 -2 -1 0 1 2 3

4.4%

7.6%

1.9%0

sehr zufriedensehr unzufrieden

17.7%

46.2%

22.2%

Abb.3 Evaluation I: Urteil über den/die Berater/in („Wie haben Sie die Beraterin/den Berater erlebt?“, NMIN=281), Mittelwerte und (in Klammern) Standardabweichungen

Abb.4 Evaluation II: „Im Rückblick: Wie zufrieden sind Sie zum jetzigen Zeitpunkt mit unserer Beratung insgesamt?“ (N=158)

1.7 (1.4)

konnte praktischeErziehungshilfen/Fördermaßnahmen

nennen

kannte sich mit„Hochbegabung“aus

ging auf unsereProbleme/Fragen ein

hat mich/unsernst genommen

war freundlich

Die Beraterin

wirkte kompetent

konnte sich in unsereSituation einfühlen

-3 -2 -1 0 1 2 3

2.1 (1.2)

2.3 (1.0)

2.7 (0.7)

2.4 (1.1)

2.4 (1.0)

2.3 (1.0)

trifft gar nicht zu

trifft vollkommen zu

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gestoppt zu haben. Er-freulich ist, dass nur8% der Eltern berich-ten, es ginge ihremKind schlechter, wäh-rend immerhin 65%der Eltern eine Verbes-serung berichten. Bei28% erscheint den El-tern die Problemlageunverändert (vgl. Abb.5). Es wäre vermessenanzunehmen, dass injedem Fall die Verbes-serung/Verschlechte-rung unmittelbar odermittelbar mit der –

kurzen – Beratung bei BRAIN zusammenhängt, zumin-dest in den freien Antworten stellen aber viele Eltern ei-nen entsprechenden Bezug her (z.B. beim erfolgreichenÜberspringen einer Klasse oder wenn Beratungsthemenbei Erziehungsschwierigkeiten mit Erfolg umgesetzt wer-den konnten). Freie Kritik. Die (selten) genannten Mängel ähneln denender Evaluation I: Wartezeit, Sprechzeiten, räumliche Aus-stattung, konkretere Hinweise in Bezug auf Förde rung/ein zelne Schulen. Gelegentlich wird auch der Wunschnach kontinuierlicher Betreuung durch BRAIN geäußert,was deutlich macht, wie wichtig die Kooperation mit ent-sprechenden Stellen „vor Ort“ ist, die eine solche Betreu-ung leisten können. Einen relativ breiten Raum nehmenSchwierigkeiten bei der Umsetzung von Fördermaßnah-men in der Schule ein. Eltern beklagen hier häufiger dasmangelnde Engagement von Lehrkräften, fehlende Infor-mation in Schulen zum Thema „Hochbegabung“ etc. Ins-besondere im ländlichen Raum wird auch der Mangel angeeigneten außerschulischen Fördermöglichkeiten be-klagt. Was das „Lob“ anbetrifft, so wiederholen sich imwesentlichen die Aspekte, die bereits in der Evaluation Igenannt wurden: angenehme und freundliche sowiekindgerechte Atmosphäre, Individualität, Ausführlichkeitund Kompetenz der Beratung.

Diskussion

Welche Kriterien als Erfolgsmaße für Beratungen heran-zuziehen sind, wird seit langem kontrovers diskutiert:„Die klassische Frage nach Erfolg oder Nicht-Erfolg vonBeratung suggeriert etwas, was man in dieser Form garnicht feststellen kann“ (Höfer & Straus, 1991, S. 163).Obwohl häufig Urteile von Klienten über die Beratung alsKriterium der Erfolgsmessung herangezogen werden,wird die Validität solcher Urteile kritisch betrachtet. Sobelegen zahlreiche Studien aus therapeutischen und Be-ratungskontexten (vgl. zusammenfassend Larsen, Attkis-son, Hargreaves & Nguyen, 1979), dass insgesamt einehohe Klientenzufriedenheit berichtet wird und dass diesein nicht wenigen Fällen unabhängig vom beobachtetenTherapie-/Beratungserfolg zu sein scheint. Positive Be-wertungen der Beratung sollten daher nicht vorschnell als(alleiniger) Effektivitätsnachweis bewertet werden. Häu-fig wird in einschlägigen Untersuchungen versäumt,

wahrgenommene Verände-rung unabhängig von derBewertung der Beratung zuerheben, was – wie der mä-ßige Zusammenhang zwi-schen Zufriedenheit undwahrgenommener Veränderung von r = 0.20 bei Evalua-tion II belegt – durchaus sinnvoll erscheint. Erschwertwird die Interpretation entsprechender Daten durch denMangel an standardisierten Erhebungsinstrumenten, de-ren Einsatz eine Gegenüberstellung ähnlicher Institutio-nen – wobei die Heterogenität der Beratungsinstitutionenselbst ein ungelöstes Problem darstellt – erlauben würde.Zur Erfassung der Klientenzufriedenheit wurden bislangnur wenige Fragebogen publiziert (z.B. Client Satisfac-tion Questionnaire, Larsen et al., 1979; Häring & Hüsing,1992; Fragebogen zur Erziehungs- und Familien be ra-tung, Vossler, 2001). Vergleiche mit anderen Beratungsin-stitutionen sind zur Zeit fast unmöglich, insbesondere daspezifische Hochbegabungsberatungsstellen in Deutsch-land nur in kleiner Zahl existieren und sich zudem kon-zeptuell und in der praktischen Arbeit mehr oder minderdeutlich unterscheiden. Elbing (2000) berichtet für dieMünchner Beratungsstelle ebenfalls hohe Zufriedenheits-werte der Klienten, diese Einschätzungen werden dortallerdings direkt im Anschluss an die Beratung erhoben.Dies erscheint nicht unproblematisch, da Eltern zu diesemZeitpunkt z.B. noch keine Erfahrung bezüglich der Um-setzung von Empfehlungen haben, sondern nur die ver-mutete Umsetzbarkeit einschätzen können (Graf & Pruis-ken, 2001). Larsen et al. (1979) schlagen zur verbesserten Nutzungvon Zufriedenheitsratings vor, zufriedene und (relativ)unzufriedene Klienten innerhalb einer Beratungsinstitu-tion zu vergleichen, um Aufschluss über Verbesserungs-möglichkeiten und Schwachpunkte zu erhalten. Dieseund weitere genauere Analysen der Daten der Evaluation I(wie etwa Überprüfung der Fragebogenstruktur, weiter-führende qualitative und quantitative Analysen der freienÄußerungen) werden zur Zeit im Rahmen einer Diplom-arbeit bearbeitet. Nichtsdestotrotz können auch aus denbereits vorliegenden Ergebnissen erste vorsichtige Schlüs-se gezogen werden:• Hilfreich erscheinen insbesondere die freien Kommen-tare der Eltern, da diese sowohl im Einzelfall Rückschlüsseüber gelungene oder fehlgeschlagene Beratungsprozesseerlauben als auch allgemeine Hinweise auf Mängel (beiHäufungen) liefern. Leider entziehen sich einige der häu-figeren Kritikpunkte (z.B. Raumsituation, Wartezeit, tele-fonische Sprechzeiten) der unmittelbaren Einflussnahme,da räumliche und personelle Ressourcen begrenzt sind.Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir, hier ei-ne Verbesserung zu erreichen. Die Umsetzung von Emp-fehlungen scheitert in den Augen der Eltern häufiger ander mangelnden Kooperationsbereitschaft der Lehrkräf-te/Schule. Hier bemühen wir uns verstärkt um Zu-sammenarbeit mit dem schulpsychologischen Dienst, derden Eltern und Schulen in vielen Fällen vor Ort Unterstüt-zung und Begleitung, z.B. bei der Realisierung schulischerFördermaßnahmen anbieten kann. Einige Verbesserun-gen können hier sicherlich noch erzielt werden. Jedoch

AnschriftBRAINFachbereichPsychologiePhilipps-Universität MarburgGutenbergstr. 18D-35032 Marburge-mail:[email protected]

Viele Eltern verfügen über unklareVordiagnosen

0.7%

-3 -2 -1 0 1 2 3

4.6%2.6%

0

viel besserviel schlechter

28.9% 30.3%

5.3%

27.6%

50 N

Abb.5 Evaluation II: „Wie geht es Ihrem Kind/Jugendlichen?“(N=152)

Page 24: 3001481 PR 1US - Report Psychologie · gabung“ treffend, weil es den Quantitätsaspekt betont und damit den Sachverhalt besser als die „politisch kor- rekte“ Formel „besondere

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reportpsych

ologie‹27› 10/2002

r e p o r t fachwissenschaftlicher teil

stößt die „Nachsorge“-Möglichkeit bei einer kurzfristigorientierten Beratung (mit diagnostischem Schwerpunkt)zwangsläufig an ihre Grenzen. Obwohl wir diese Proble-matik bereits in der ersten telefonischen Beratung bei denEltern ansprechen, bleiben bei einigen offensichtlichüberhöhte Erwartungen bestehen, die zwangsläufig ent-täuscht werden. • Der schwache Zusammenhang (r = 0.20) zwischen derZufriedenheit der Eltern und der ermittelten Intelligenzder Kinder macht sich insbesondere in der Gruppe der(relativ) unzufriedenen Klienten bemerkbar: Von 20Klienten, die maximal eine neutrale Zufriedenheit äußern,sind neun Eltern – also knapp die Hälfte (46%) – von ma-ximal durchschnittlich begabten Kindern, während in derGruppe der Hochzufriedenen entsprechende Eltern nurzu 25% vertreten sind. Beim momentanen Kenntnisstandfällt es schwer, einzuschätzen, ob sich in den Bewertun-gen mehr eine Unzufriedenheit mit der Diagnose oder ei-ne Unzufriedenheit mit der Beratung äußert. Gerade El-tern, bei denen sich – sei es durch fehlerhafte Vordiagno-sen oder falsche Information über angeblich „sichere“Anzeichen von „Hochbegabung“ – ein bestimmtes Bildihres Kindes als „hochbegabt“ bereits vor dem Besuch beiBRAIN gefestigt hat, sind in der Beratung nur schwer zuerreichen. In diesen Fällen wäre die Möglichkeit eines län-geren Klientenkontakts, bei dem die Chance zum Aufbaueiner stabilen Beziehung zwischen Berater(in) und Klientgrößer ist, eventuell von Vorteil: Im Rahmen einer sol-chen Beziehung sind Enttäuschungen sicherlich besser zuverarbeiten. • Eine zentrale Aufgabe von BRAIN – die Versorgung miteiner soliden Diagnostik in Hochbegabungsfragen –scheint in den Augen fast aller Eltern gelungen zu sein.Dafür spricht auch ein Ergebnis der Evaluation II: Bei denthemenbezogenen Veränderungen ergeben sich bei der„Sicherheit im Umgang mit der Begabung des Kindes“und der „Sicherheit im Umgang mit dem Thema ,Bega-bung‘“ mit M = 1.41 (SD = 1.19) und M = 1.38 (SD =1.21) die höchsten Mittelwerte in Richtung einer Verbes-serung. Ein nicht unerheblicher Anteil der angemeldetenEltern verfügt bereits über eine Vordiagnose des Kindes(26%), die oft über die Mitteilung diffuser Information –wie „in Teilbereichen hochbegabt“ – nicht hinausgeht.Insbesondere diese Eltern sind dankbar für die transpa-rente und ausführliche Information über die durchgeführ-te Testung, die zu einer realistischeren Sichtweise ihresKindes verhilft. Gerade beim sensiblen Thema „Hochbe-gabung“ – mit allen damit verbundenen Ängsten, Erwar-tungen und Hoffungen – ist es wichtig, die Eltern mit soli-den, fundierten und ausführlichen Informationen zu ver-sorgen. Hierfür bietet BRAIN – nicht zuletzt durch diewissenschaftliche Einbindung in den Fachbereich Psycho-logie der Philipps-Universität – einen adäquaten Rahmen.

GRAF, S. & PRUISKEN, C. (2001). [Besprechung des Buches von E. Elbing.Hochbegabte Kinder – Strategien für die Elternberatung]. Zeitschrift für Pädago-gische Psychologie/German Journal of Educational Psychology, 15, 239-241. ELBING, E. (2000). Hochbegabte Kinder – Strategien für die Elternberatung.München: Reinhardt.ELBING, E. & HELLER, K.A. (1996). Beratungsanlässe in der Hochbegabtenbera-tung. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 43, 57-69.HÄRING, H.-G. & HÜSING, A. (1992). Sind Eltern mit der SchulpsychologischenBeratung zufrieden? – Erprobung eines Elternfragebogens. Praxis der Kinderpsy-chologie und Kinderpsychiatrie, 41, 52-57.HÖFER, R. & STRAUS, F. (1991). Familienberatung – aus der Sicht ihrer Klien-ten. Zur Perspektive der Erfolgsmessung. In G. Presting (Hrsg.), Erziehungs- undFamilienberatung. Untersuchungen zur Entwicklung, Inanspruchnahme undPerspektiven (S. 157-198). Weinheim: Juventa.KELLER, G. (1992). Schulpsychologische Hochbegabtenberatung: Ergebnisseeiner Beratungsstudie. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 39, 125-139.LARSEN, D.L., ATTKISSON, C.C., HARGREAVES, W. & NGUYEN, T.D. (1979).Assessment of client/patient satisfaction: development of a general scale. Evalu-ation and Program Planning, 2, 197-207.MENNE, K. (1996). Erziehungsberatung 1993. In K. Menne, H. Cremer & A.Hundsalz (Hrsg.), Jahrbuch für Erziehungsberatung (Bd. 2, S. 223-239). Wein-heim: Juventa.ROST, D.H. (HRSG.) (1993). Lebensumweltanalyse hochbegabter Kinder. DasMarburger Hochbegabtenprojekt. Göttingen: Hogrefe.ROST, D.H. (HRSG.). (2000). Hochbegabte und hochleistende Jugendliche.Neue Ergebnisse aus dem Marburger Hochbegabtenprojekt.Münster: Wax-mann.VOSSLER, A. (2001). Der Fragebogen zur Erziehungs- und Familienberatung(FEF): Entwicklung eines Evaluationsverfahrens. Diagnostica, 47, 122-131.

L I T E R A T U R

Z U S A M M E N F A S S U N G

Die begabungsdiagnostische Beratungsstelle BRAIN bietet Information sowie ausführliche Einzelfalldiagnostikund -beratung bei Fragen der „Hochbegabung“. BeiBRAIN werden hauptsächlich Eltern von Grundschulkin-dern vorstellig, wobei Jungen dominieren. In den meisten Fällen stehen schulische Fragen/Problematikenim Vordergrund. Insgesamt berichten die Klienten vierWochen nach Beratungsende über eine hohe Zufrieden-heit bezogen auf verschiedene Beratungsfacetten. Insbe-sondere Ausführlichkeit, Transparenz und kindgerechteAtmosphäre werden positiv hervorgehoben. Es bestehtein kleiner Zusammenhang zwischen der diagnostizier-ten Intelligenz und der Klientenzufriedenheit. Eltern,deren Kinder sich als durchschnittlich begabt erweisen,sind tendenziell unzufriedener. Auch nach einem halbenJahr ist die Mehrzahl der Eltern mit der erfolgten Beratung zufrieden und berichtet positive Veränderungen der Situation des Kindes. Die Ergebnissewerden in Bezug auf ihre Relevanz für die Beratungsarbeit diskutiert.

Zu den AutorenDr. S. R. SchillingwissenschaftlicheAssistentin, FB Psychologie,Phi lipps-Universität Mar-burg

Dipl.-Psych.Siglinde GrafDipl.-Psych. Petra HansesDipl.-Psych.Christiane PruiskenMitarbeiterinnenbei BRAIN, FB Psychologie,Phi lipps-Universität Mar-burg

Prof. Dr. Detlef H.RostLeiter von BRAIN,Professor fürPädagogischePsychologie undEntwicklungspsy-chologie, FB Psychologie,Phi lipps-Universität Mar-burg

Dipl.-Psych. JörnSparfeldtwissenschaftlicherMitarbeiter, FB Psychologie,Phi lipps-Universität Mar-burg

Dipl.-Psych. PetraSteinheiderSchulpsychologin,zur Zeit mit 2/3ihrer Arbeitszeitbei BRAIN, FB Psychologie,Philipps-Univer-sität Marburg,