98
30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt Workshops Workshop 1: Berechungsmethoden, Lebensstandard Elisabeth Schönbucher Adjani, Rechtanwältin/Mediatorin SAV, Zürich Ausgangslage Markus Bär, 1952, Naturwissenschafter, selbständig, Büro für Raumplanung B+ AG Françoise Wolf, 1958, Künstlerin, selbständig Heirat 1990, Gütertrennung 2 Töchter: Aline, 1992, und Barbara, 1993, während Zusammenleben von Mutter betreut Getrennt seit Sommer 2004 (Eheschutz), Scheidungsverfahren 2008, Scheidung (Status) 2011 rechtskräftig, unterhaltsrechtliche Scheidungsfolgen pendent Finanzielle Verhältnisse während Zusammenleben Steuererklärungen: siehe Folgeseite Den Familienunterhalt finanzierte vorwiegend Frau Wolf aus Bilderverkäufen, Malatelier und Nettoerträgen einer Liegenschaft. Dazu regelmässige Unterstützung von ihren Eltern. Ihr Einkommen erhöhte sich 2003 nach der Erbschaft einer Geschäftsliegenschaft und deren Umbau mit grossen Investitionen. Herr Bär verwendete sein Einkünfte vor allem für den Ausbau der B+ AG und die Neugründung der Schlaf AG (1995; Hotelbetrieb). Die Schlaf AG fiel 2000 in Konkurs. Herr Bär erkrankte an einer Depression, von welcher er sich Ende 2002 erholte. Nach der Genesung nahm er seine frühere Tätigkeit (B+ AG) nicht mehr auf, weil seiner Ansicht nach das Vermögen von Frau Wolf für den Familienunterhalt ausreichte und auch eine Anhebung der eher bescheidenen Lebensverhältnisse erlaubte. Frau Wolf war damit nicht einverstanden. Ausser Privatschulen für die Kinder, ihre grosszügige musische Förderung und einem Umzug der Familie in eine geräumigere Mietwohnung 2003 änderte sich der Lebensstil des Ehepaars nicht. Das fordernde Verhalten von Herrn Bär bewegte Frau Wolf aber u.a. zur Trennung. Eheschutz Regelung 2004: Kinder bei Mutter, Mutter verzichtete einstweilen auf Unterhaltsbeiträge für Kinder, keine Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär. Abänderung 2007: Kinder bei Vater, Unterhaltsbeiträge für Kinder (je 1'000) und Direktzahlung der erheblichen Kinderkosten (72'000/Jahr) durch Mutter, monatlicher Unterhaltsbeitrag für inzwischen neu erkrankten Ehemann: 6'000.--. Finanzierung erforderte zeitweiligen Vermögensverzehr durch Frau Wolf. Aufnahme der Erwerbstätigkeit von Herrn Bär in scheidungsrichterliche Kompetenz verwiesen. Abänderung vsM 2009: Erhöhung der Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär auf 7'000.(RA-Kosten). Scheidungsfolgen: nachehelicher Unterhalt Herr Bär ist bis heute nicht erwerbstätig. Medizinisches Gutachten attestiert seine volle Arbeitsfähigkeit. Er verlangt deutlich höhere nacheheliche Unterhaltsbeiträge. Diskussionsschwerpunkte: Verhältnis nachehelicher Unterhalt zu eheschutzrichterlicher Regelung Welche Berechnungsmethode? Freibetragsaufteilung? Vermögensverzehr? Lebensstandard? Familienrechtlicher Bedarf?

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30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops

Workshop 1:

Berechungsmethoden, Lebensstandard Elisabeth Schönbucher Adjani,

Rechtanwältin/Mediatorin SAV, Zürich

Ausgangslage

Markus Bär, 1952, Naturwissenschafter, selbständig, Büro für Raumplanung B+ AG

Françoise Wolf, 1958, Künstlerin, selbständig

Heirat 1990, Gütertrennung

2 Töchter: Aline, 1992, und Barbara, 1993, während Zusammenleben von Mutter betreut

Getrennt seit Sommer 2004 (Eheschutz), Scheidungsverfahren 2008, Scheidung (Status) 2011

rechtskräftig, unterhaltsrechtliche Scheidungsfolgen pendent

Finanzielle Verhältnisse während Zusammenleben

Steuererklärungen: siehe Folgeseite

Den Familienunterhalt finanzierte vorwiegend Frau Wolf aus Bilderverkäufen, Malatelier und

Nettoerträgen einer Liegenschaft. Dazu regelmässige Unterstützung von ihren Eltern. Ihr

Einkommen erhöhte sich 2003 nach der Erbschaft einer Geschäftsliegenschaft und deren Umbau

mit grossen Investitionen.

Herr Bär verwendete sein Einkünfte vor allem für den Ausbau der B+ AG und die Neugründung der

Schlaf AG (1995; Hotelbetrieb). Die Schlaf AG fiel 2000 in Konkurs. Herr Bär erkrankte an einer

Depression, von welcher er sich Ende 2002 erholte. Nach der Genesung nahm er seine frühere

Tätigkeit (B+ AG) nicht mehr auf, weil seiner Ansicht nach das Vermögen von Frau Wolf für den

Familienunterhalt ausreichte und auch eine Anhebung der eher bescheidenen Lebensverhältnisse

erlaubte. Frau Wolf war damit nicht einverstanden. Ausser Privatschulen für die Kinder, ihre

grosszügige musische Förderung und einem Umzug der Familie in eine geräumigere Mietwohnung

2003 änderte sich der Lebensstil des Ehepaars nicht. Das fordernde Verhalten von Herrn Bär

bewegte Frau Wolf aber u.a. zur Trennung.

Eheschutz

Regelung 2004: Kinder bei Mutter, Mutter verzichtete einstweilen auf Unterhaltsbeiträge für

Kinder, keine Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär.

Abänderung 2007: Kinder bei Vater, Unterhaltsbeiträge für Kinder (je 1'000) und Direktzahlung

der erheblichen Kinderkosten (72'000/Jahr) durch Mutter, monatlicher Unterhaltsbeitrag für

inzwischen neu erkrankten Ehemann: 6'000.--. Finanzierung erforderte zeitweiligen

Vermögensverzehr durch Frau Wolf. Aufnahme der Erwerbstätigkeit von Herrn Bär in

scheidungsrichterliche Kompetenz verwiesen.

Abänderung vsM 2009: Erhöhung der Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär auf 7'000.— (RA-Kosten).

Scheidungsfolgen: nachehelicher Unterhalt

Herr Bär ist bis heute nicht erwerbstätig. Medizinisches Gutachten attestiert seine volle

Arbeitsfähigkeit. Er verlangt deutlich höhere nacheheliche Unterhaltsbeiträge.

Diskussionsschwerpunkte:

Verhältnis nachehelicher Unterhalt zu eheschutzrichterlicher Regelung

Welche Berechnungsmethode? Freibetragsaufteilung? Vermögensverzehr?

Lebensstandard? Familienrechtlicher Bedarf?

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3

3. Gehören die Auslagen, die während des Zusammenlebens durch die Unterstützung

der Eltern von Frau Wolf finanziert wurden – Flugbillette für und Benützung des

Ferienhauses der Eltern Wolf in Südfrankreich durch Frau Wolf mit den Kindern,

Herr Bär blieb jeweils zuhause – zum massgeblichen Lebensstandard der

Eheleute?

Falls die Zuschüsse der Eltern Wolf zu einem gehobenem Lebensstandard geführt

haben, ist dieser gehobene Lebensstandard massgebend. Soweit er bei der

Scheidung aus dem Einkommen der Eheleute finanzierbar ist, bildet er die

Obergrenze für den gebührenden Unterhalt (OG Kanton Zürich, I. ZK, LC090071-O,

Urteil vom 15. September 2011, E. IV. 2a), S. 28f.).5

4. Auch Auslagen, die während des Zusammenlebens zeitweise aus Vermögen

finanziert wurden (hier konkret die Jahre 2000-2002 betreffend), sind bei der

Feststellung des Lebensstandards zu berücksichtigen.

Ob dieser bei der Scheidung finanziert werden kann, ist eine Frage der

Leistungsfähigkeit. Grundsätzlich ist der gebührende Unterhalt aus Einkommen zu

finanzieren. Vermögensverzehr ist nur unter speziellen Aspekten zu prüfen (z.B. bei

im Hinblick auf das Alter angesparte Vermögen bei fehlender 2. Säule).

BGer 5A-561/2011 vom 19. März 2012 bezieht sich explizit auf das

Abänderungsverfahren und betrifft den Vermögensverzehr, soweit das Einkommen,

resp. der Vermögensertrag, nicht ausreicht, um den Lebensstandard zu finanzieren,

der dem Unterhaltsgläubiger gemäss Scheidungsurteil zusteht.

5. Das Bundesrecht schreibt keine bestimmte Methode vor, wie der nacheheliche

Unterhalt festzulegen ist. Es kann nicht unbekümmert um den Einzelfall ein

bestimmtes Berechnungsschema angewendet werden.6

Die kantonalen Gerichte verfügen über weites Ermessen; das Bundesgericht

überprüft Ermessensentscheide mit einer gewissen Zurückhaltung7.

5 Die Zuschüsse der Eltern Wolf sind jedoch beim Einkommen von Frau Wolf nicht zu berücksichtigen; s. auch BGer 5C.27/2005 E. 3.4.

6 BGE 128 III 411 E. 3.2.2, BGer 5A_384/2008 vom 21.10.2008 E. 4.2.3, BGer 5A_862/2011 vom 16.2.2012, E. 3.3. BGer 5A_434/2008 vom 5.9.2008

7 d.h. falscher Gebrauch des der kantonalen Instanz zustehenden Ermessens (grundloses Abweichen von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen, Berücksichtigung von Gesichtspunkten, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder ausser Acht lassen von rechtserheblichen Umständen.) Zu korrigieren sind zudem Ermessensentscheide, die sich als im Ergebnis offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 127 III 136 E 3a); BGE 5A_862/2011 vom 16.2.2012 E. 3.3.

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Steuererklärungen:

Jahr: Gesamteinkommen: Gesamtvermögen:

1991: CHF 56’000 k.A.

1992: CHF 49’000 CHF 2,0 Mio.

1993: CHF 76’000 k.A

1994: CHF 56’000 CHF 2,0 Mio.

1995: CHF 63’000 k.A

1996: CHF 69’000 CHF 2,0 Mio.

1997: CHF 144'000 k.A.

1998: CHF 81'000 k.A.

1999: CHF 120'000 CHF 2,4 Mio.

2000: CHF 8'000 CHF 2,1 Mio.

2001: CHF 0 CHF 2,7 Mio.

2002: CHF 19'000 CHF 7,0 Mio.

2003: CHF 510'000 CHF 5,4 Mio.

2004: CHF 290'000 CHF 5,7 Mio.

(2005 CHF 161'000 CHF 5,5 Mio.)

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Lösungsansätze

A. Eckpunkte zum Fall Ehescheidung Bär Wolf

- Lebensprägende Ehe: 14jährige Ehedauer (Heirat bis Trennung), 2 mündige Kinder

- Während der Ehe bis 2002 eher bescheidenes Gesamteinkommen

- Familienunterhalt v.a. durch Einkünfte von Frau Wolf finanziert.

- regelmässige Unterstützung durch Eltern von Frau Wolf

- Vermögenszuwachs durch Erbschaft von Frau Wolf (2002) bei Gütertrennung

- Ein Jahr vor der Trennung deshalb sprunghafter Einkommensanstieg (2003), womit Mehrausgaben für Kinder (Privatschule, musische Förderung) und höhere Wohnkosten finanziert wurden. Ansonsten bisheriger Lebensstandard unverändert.

- Nach der Trennung Einkommen von Frau Wolf wieder sinkend, aber bleibend hohes Vermögen

- Herr Bär trug während des Zusammenlebens nicht wesentlich zum Familienunterhalt bei; er verwendete sein Einkommen v.a. für berufliche Projekte. 1. Erkrankung 2000-2002, anschliessend gegen den Willen von Frau Wolf nicht erwerbstätig. 2. Erkrankung während Trennung (2007). Heute ist Herr Bär arbeitsfähig, jedoch nicht erwerbstätig.

B. Vorgehen zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts bei lebensprägenden

Ehe gemäss Schema (Beilage)

C. Schwerpunktthema: Berechnungsmethoden, Lebensstandard

1. Bei lebensprägenden Ehen wird der gebührende Unterhalt eines jeden Ehegatten

aufgrund der zuletzt erreichten und gepflegten gemeinsamen Lebenshaltung

bestimmt. Bei genügenden Mitteln haben beide Eheleute Anspruch auf die

Fortführung des zuletzt gemeinsam gelebten Standards, der gleichzeitig auch die

Obergrenze des gebührenden Unterhalts darstellt. Bei ungenügender

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2

Leistungsfähigkeit haben beide Eheleute Anspruch auf gleichwertige

Lebensführung.1

Konkret: Der Lebensstandard der Eheleute Bär/Wolf während des

Zusammenlebens war moderat und änderte sich vor der Trennung abgesehen von

den Wohnkosten nicht wesentlich, trotz höherem Einkommen. Davon ist hinsichtlich

des gebührenden Unterhalts von Herrn Bär auszugehen, mit adäquaten

Wohnkosten. Die erst kurz vor der Trennung entstandenen Mehrauslagen für

Privatschulen der Kinder erhöhen nicht in genereller Weise den Lebensstandard der

Eheleute persönlich, auch nicht nach deren Wegfall2.

2. Die im Rahmen von Eheschutzmassnahmen oder von vorsorglichen Massnahmen

während des Scheidungsverfahrens geleisteten Unterhaltsbeiträge können nicht

einfach dem gebührenden Unterhalt nach Art. 125 ZGB gleich gesetzt werden.

Der eheliche Unterhalt beruht auf der gegenseitigen Beistands- und

Familienunterhaltspflicht und der vereinbarten Aufgabenteilung (Art. 163 ZGB), der

nacheheliche Unterhalt auf den Grundsätzen und Kriterien von Art. 125 ZGB. Das

Scheidungsgericht muss deshalb die massgeblichen Faktoren, die den

nachehelichen Unterhalt bestimmen, neu prüfen und feststellen.3

Konkret: Im 1. Eheschutzentscheid 2004 erhielt Herr Bär keine Unterhaltsbeiträge,

im 2. Eheschutzentscheid (Abänderung) 2007 aufgrund der Erkrankung monatlich

Fr. 6‘000.--. Zur Leistung dieses (ehelichen) Unterhalts wurde Frau Wolf

Vermögensverzehr zugemutet. Das deutet darauf hin, dass der Unterhaltsbeitrag

vermutlich den gebührenden Unterhalt mit Ausnahme eines allfälligen Betrags für

den Aufbau der angemessenen Altersvorsorge deckt, welcher beim ehelichen

Unterhalt nicht relevant ist. Herr Bär kann aber nicht auf die eheschutzrichterliche

Regelung zurückgreifen, sondern muss - insbesondere, als er deutlich höhere

Unterhaltsbeiträge beantragt - seinen eigenen Bedarf im Einzelnen nachweisen.4

1 siehe dazu u.a.: BGer 5A_154/2008 vom 23.6.2008, BGE 134 III 145 E. 4, BGE 137 III 102

E. 4.2.1.1, BGE 129 III 7 E. 3.1.1 2 Zur Thematik freiwerdende Mittel durch wirtschaftliche Selbständigkeit der Kinder siehe BGE 134 III 577. Im diskutierten Fall nicht anwendbar.

3 siehe dazu u.a.: BGer 5A_384/2008 vom 21.10.2008 E. 4.1, BGer 5A_434/2008 vom 5.9.2008 E. 3

4 Hausheer/Spycher, Nachehelicher Unterhalt II oder die Nachlese zu BGE 134 III 145ff. und BGer 5A_434/2008 (inzwischen teilweise in BGE 134 III 577 ff.) bzw. BGer 5A_288/2008 betreffend das Vorgehen zur Bemessung des nachehelichen Unterhalts, ZBJV 145/2009, S. 59 ff.

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4

Die Methodenwahl wirkt sich auf die Beweisthematik aus.8

6. einstufige Berechnungsmethode

Bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen wird meist die einstufige Berechnungsweise

angewendet und der gebührende Unterhalt konkret im Rahmen des

Lebensstandards berechnet (Addition der einzelnen Ausgabepositionen ergibt

tatsächlichen Bedarf). Gewisse Pauschalisierungen sind zulässig.

Es gibt keine bestimmte monatliche Einkommenshöhe - z.B. CHF 10‘000/13‘000 - ,

ab welcher zwingend die einstufige Berechnungsweise anzuwenden wäre.

7. Zweistufige Berechnungsmethode (familienrechtlicher Grundbedarf mit

Überschussverteilung), wenn

keine Sparquote,

eine so geringe Sparquote, dass diese durch Mehrkosten zweier Haushalte

konsumiert wird,

offensichtlich zu wenig Mittel vorhanden sind zur Beibehaltung der bisherigen

Lebensführung bei zwei Haushalten und Anspruch auf gleichwertige

Lebensführung besteht.

Anwendung bei tiefen bis mittleren Einkommen, ausgehend vom erweiterten Exi-

stenzminimum bzw. familienrechtlichen Grundbedarf9.

Es sind aber in jedem Fall die relevanten Lebensverhältnisse festzustellen; die

erforderlichen tatsächlichen Feststellungen können nicht unabhängig vom konkreten

Einzelfall durch die Methode der hälftigen Überschussverteilung ersetzt werden

(BGer 5A_434/2008 vom 05.09.2008).

Noch nicht entschieden ist die Frage, weshalb bei sehr guten wirtschaftlichen

Verhältnissen ohne Sparquote nicht auch die zweistufige Berechnungsweise zur

Anwendung kommen kann (siehe Hausheer/Spycher, Fn 4)

Berechnungsprogramme:

http://www.dateien.bodmerstrasse.ch/UHB.XLT

http://www.farnerlaw.ch/UHBer/UnterhBer.html

8 siehe Fn 4: eigener Bedarf ist vom Ansprecher, die Sparquote bzw. der Nichtverbrauch des gesamten Einkommens für die Lebenshaltung von der Verpflichteten nachzuweisen

9 BGer 5A_288/2008 vom 27.8.2008, BGer 5A_352/2010 vom 29.10.2010 E. 6.2.1; BGE 137 III 59 E. 4.2

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8. Konkret: Beim Ehepaar Wolf Bär liegen zweifellos sehr gute wirtschaftliche

Verhältnisse vor. Massgebend sind die Verhältnisse bei der Trennung im

Sommer 2004.

Angesichts des nur ein Jahr vor der Trennung sprunghaft angestiegenen, nachher

wieder gesunkenen, jedoch hohen Einkommens von Frau Wolf kann der

gebührende Unterhalt nicht mit der zweistufigen Berechnungsmethode mit

Aufteilung des Freibetrags bestimmt werden. Der Lebensstil der Eheleute

veränderte sich gegenüber den Vorjahren mit deutlich bescheidenerem Einkommen

nur durch höhere Wohnkosten vor der Trennung. Das höhere Einkommen

2003/2004 wurde wesentlich für erhebliche neue Kinderkosten und massiv höhere

Steuern verwendet; der Vermögenszuwachs (Steuererklärungen 2003/2004) deutet

auf eine hohe Sparquote hin. Schliesslich kann bei stark schwankenden Einkommen

der Lebenshaltung während der Ehe nicht das zuletzt erzielte Einkommen zugrunde

gelegt werden, das kurz vor der Trennung zufällig und auch nur vorübergehend

einen Höchstwert erreicht hat. Es wäre von einem Durchschnittswert auszugehen

(BGer 5A_384/2008 vom 21.10.2008, E. 4.2.2).

Diese Überlegungen führen zur Anwendung der einstufigen Berechnungsmethode.

Es ist die tatsächliche Lebenshaltung, die sich die Eheleute zuletzt gemeinsam

geleistet haben, zu ermitteln (BGer 5A_384/2008 vom 21. Oktober 2008, E. 4.2.1).

Herr Bär hat folglich seinen eigenen Bedarf im Rahmen des ehelichen

Lebensstandards substantiiert zu behaupten und zu beweisen. Beispiel für

Berechnung: Beilage

Anders sähe es aus, wenn sich die Eheleute z.B. im Jahre 2000 getrennt hätten.

Dann hätte auf die zweistufige Berechnungsmethode (erweiterte Existenzminima mit

Aufteilung des Überschusses) zurückgegriffen werden können, wobei zur Ermittlung

der Lebenshaltung wegen der Schwankungen wiederum auf ein gemitteltes

Einkommen (Durchschnitt der letzten 3 Jahre vor der Trennung) abzustellen (CHF

115‘000/Jahr bzw. CHF 9‘580/Mt.) und die Kinderkosten vorab auszuscheiden

gewesen wären. Ob die Vermögenszunahme zwischen Heirat und Trennung von

CHF 100‘000 auf eine effektive Sparquote oder auf blosse Bewertungsdifferenzen

von Wertschriften/Liegenschaft zurückzuführen ist, lässt sich dem Sachverhalt nicht

entnehmen, wäre aber im Detail zu prüfen.

Annehmend, die Eheleute hätten während der Dauer des Zusammenlebens keine

Ersparnisse gebildet, wäre für die Berechnung das damalige gemittelte Einkommen

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zum Trennungszeitpunkt massgebend. Kann Frau Wolf während der

Trennungszeit ihr Einkommen um ein Vielfaches erhöhen, ist dies in der Folge nicht

zu berücksichtigen (BGE 137 III 107f.).

Herr Bär hätte in diesem Fall unter Berücksichtigung einer gleichwertigen

Lebenshaltung seinen erweiterten Bedarf darzulegen und einen Anteil am

Überschuss, so vorhanden, zu beantragen.

9. Weitere Anmerkungen und Hinweise

Zum nachehelichen Unterhalt gehört bei vorhandenen Mitteln der

Vorsorgeaufbau. Je nach konkreter Situation kann der gebührende Unterhalt im

Sinn von Art. 125 Abs. 1 ZGB für denjenigen Ehegatten, dem keine

Erwerbsarbeit zumutbar ist, grösser sein als derjenige des arbeitstätigen

Ehepartners (BGer 5A_434/2008 vom 5. September 2008).

Bei lebensprägender Ehe wird der Gesundheitszustand ungeachtet der

Ehebedingtheit seiner Beeinträchtigung berücksichtigt (BGer 5C.169/2006

vom 13. September 2006 E. 2.6). Keine Rolle spielt, in welchem Zeitpunkt

während der lebensprägenden Ehe die Beeinträchtigung in der Gesundheit

eintritt, solange dies vor dem Urteil über die Scheidung geschieht (BGer

5A_384/2008 vom 21. Oktober 2008, E. 5.2.1, 5.2.2).

Damit ein Einkommen oder ein höheres als das tatsächlich erzielte Einkommen

angerechnet werden kann, genügt es nicht, dass der betroffenen Partei weitere

Anstrengungen zugemutet werden können. Vielmehr muss es auch möglich

sein, aufgrund dieser Anstrengungen ein (höheres) Einkommen tatsächlich zu

erzielen. BGer 5A_751/2011 vom 22. Dezember 2011 E. 4.3.1

Frage der rückwirkenden Anrechnung eines hypothetischen Einkommens

(Entscheid bezieht sich auf Art. 137 ZGB/vorsorgliche Massnahmen): Bei der

Beurteilung, ob die Ehegatten ihre Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen oder

auszudehnen haben, sind die für den nachehelichen Unterhalt geltenden

Kriterien von Art. 125 ZGB miteinzubeziehen, falls mit der Wiederaufnahme des

gemeinsamen Haushalts nicht mehr ernsthaft gerechnet werden kann. Dies gilt

insbesondere auch im Verfahren um vorsorgliche Massnahmen während des

Scheidungsverfahrens. Unterlässt die unterhaltsberechtigte Partei zumutbare

Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit, darf ihr bei der Berechnung des

Unterhalts dasjenige Einkommen angerechnet werden, das zu erzielen sie in

der Lage gewesen wäre, aber zu erzielen unterlassen hat. Eine rückwirkende

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7

Anrechnung eines tatsächlich nicht erzielten Einkommens ist unter diesen

Umständen zulässig. BGer 5A_848/2010 vom 4. April 2011.

Ein Manko ist nach wie vor vom Unterhaltsberechtigten zu tragen: 135 III 66

Nur bei einer langen Trennungszeit von 10 Jahren und mehr ist die

Lebenshaltung während der Trennungszeit für den gebührenden Unterhalt

massgebend (BGer 5A_249/2007 vom 12. März 2008 E. 7.1, BGE 137 III 102

E. 4.2.1.1, BGE 132 598 E. 9.3)

Entscheide zu diversen Bedarfspositionen: Beilage

D. Literaturhinweise

Daniel Bähler, Scheidungsunterhalt – Methoden der Berechnung, Höhe, Dauer und

Schranken, FamPra.ch 3/2007, S. 461-496

Freivogel/Gloor/Stieger-Gmür, Nachehelicher Unterhalt bei komfortablen bis sehr guten

finanziellen Verhältnissen, FamPra.ch 4/2004, S. 811-827

Thomas Geiser, Neuere Rechtsprechung zum Eherecht, AJP 1/2009, S. 57-69, (insbes.

Berechnungsmethoden für den Unterhalt, S. 60ff.)

Heinz Hausheer, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2010 –

Familienrecht, veröffentlicht in Band 136, ergänzt durch Internetveröffentlichungen

Scheidungsrecht, ZBJV 147/2010, S. 676-703

Heinz Hausheer, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2009 –

Familienrecht, veröffentlicht in Band 135, ergänzt durch Internetveröffentlichungen

Scheidungsrecht, ZBJV 146/2010, S. 881-909

Heinz Hausheer, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2008 –

Familienrecht, veröffentlicht in Band 134, ergänzt durch Internetveröffentlichungen

Scheidungsrecht, ZBJV 145/2009, S. 653-685

Heinz Hausheer / Annette Spycher, Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Auflage, Bern 2010

Heinz Hausheer / Annette Spycher, Nachehelicher Unterhalt II oder die Nachlese zu BGE 134

III 145ff. und BGer 5A_434/2008 (inzwischen teilweise in BGE 134 III 577 ff.) bzw. BGer

5A_288/2008 betreffend das Vorgehen zur Bemessung des nachehelichen Unterhalts, ZBJV

145/2009, S. 59 ff.

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8

Philipp Maier, Aspekte bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen im Familienrecht, Zur

Praxis der erst- und zweitinstanzlichen Gerichte des Kantons Zürich, AJP 10/2007, S. 1223-

1240

Bruno Roelli, Praxis des Unterhaltsrechts bei Eheschutz, vorsorglichen Massnahmen und

Ehescheidung, Vortrag vom 25.11.2008, aktualisiert (Stand Rechtsprechung 21.3.2011)

ESA/18. Mai 2012

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Nachehelicher Unterhalt: Schema 1. Bestimmung des gebührenden

Unterhalts

• bei lebensprägender Ehe: letzter gemeinsamer

Lebensstandard zuzüglich scheidungsbedingter

Mehrkosten

• bei nicht lebensprägender Ehe: voreheliche

Lebenshaltung

• Einschluss der angemessenen Altersvorsorge

2. Mögliche und zumutbare Eigen-

versorgung

• Tatsächliches Einkommen

• Wiederaufnahme/Aufstockung Erwerbstätigkeit

• Kinderbetreuung

• Alter und Gesundheit

• Ausbildung

• Vermögen

3. Leistungsfähigkeit der pflichtigen

Person

• Existenzminimum

• Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter

• Unterdeckung

4. Keine Ausschlussgründe

5. Festsetzung des angemessenen

Unterhaltsbeitrages

• Berechnungsmethoden

• Höhe

• Dauer

Elisabeth Schönbucher Adjani

Futterlieb & Schönbucher, Zürich

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SJWZ, nachehelicher Unterhalt, Workshop 1, 30. Mai 2012

Elisabeth Schönbucher AdjaniBerechnung Lebenshaltungskosten/Beispiel

Einstufige Berechnungsmethode: Berechnung Lebenshaltungskosten

(Beispiel; detailliert an Einzelfall anpassen)

Ehescheidung ……..

Lebenshaltungskosten Ehefrau mit Kindern

Beilage

1. Haushalt

Lebensmittel (inkl. Einladungen, Getränke) Fr. 1'000.00

Drogerieartikel Fr. 50.00

Haushalt/Reinigung Fr. 50.00

Diverse Kleinauslagen (Unterhalt Haushalt) Fr. 50.00

Total Fr. 1'150.00 1'150.00

2. Bekleidung Ehefrau und Kinder

Kleidung / Schuhe / Sportausrüstungen Fr. 500.00

Accessoires Fr. 45.00

Total Fr. 545.00 545.00

3. Haustiere

Nahrung Fr. 50.00

Tierarzt Fr. 30.00

Ferienheim Fr. 100.00

Total Fr. 180.00 180.00

4. Wohnkosten

Hypothekarzins Fr. 1'917.00

Wasser/Abwasser, Kehrichtgebühr Fr. 50.00

Grüncontainer Fr. 10.00

Wartung Heizung/Kaminfeger Fr. 50.00

Gebäudeversicherung GVZ Fr. 19.00

Gebäudeversicherung (private) Fr. 32.00

Gärtner, Unterhalt Teich Fr. 60.00

Fernseh-Anschlussgebühr Fr. 20.00

Kleine Reparaturen Fr. 50.00

Strom Fr. 200.00

Heizung (Erdgas) Fr. 200.00

Amortisationen (vertraglich geschuldete) Fr. ?

Total Fr. 2'608.00 2'608.00

5. Kommunikation

Telefon Festnetz Fr. 100.00

Mobiltelefon Ehefrau Fr. 90.00

Radio-/TV-Gebühren Fr. 39.00

Total Fr. 229.00 229.00

Schönbucher_3_Bsp_Lebenshaltungskosten.xls 1

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Elisabeth Schönbucher AdjaniBerechnung Lebenshaltungskosten/Beispiel

Beilage

6. Gesundheit

Krankenkassenprämien Fr. 620.00

Franchisen/Selbstbehalte ärztliche Behandlung Fr. 60.00

Zahnarzt, Dentalhygiene Fr. 40.00

Linsen/Brillen/Optiker Fr. 54.00

Nicht pflichtige Medikamente Fr. 40.00

Total Fr. 814.00 814.00

7. Versicherungen

Haftpflicht- / Hausratversicherung Fr. 78.00

Lebensversicherung Fr. 15.00

Säule 3a Fr. 548.00

Total Fr. 641.00 641.00

8. Mobilität

GA/Abonnemente/Billette öV Fr. 35.00

Fahrzeug Opel …….., Jg. 2000 (pauschal) Fr. 700.00

Versicherung Fr.

Strassenverkehrsamt Fr.

Werkstattrechnungen Fr.

TCS/ACS/VCS Fr.

Benzin Fr.

Parkkarten/-gebühren Fr.

Total Fr. 735.00 735.00

9. Persönliches / Freizeit / Soziales

Coiffeur / Kosmetik Fr. 135.00

Auswärts Essen / Restaurantbesuche Fr. 150.00

Geschenke Fr. 200.00

Zeitungen / Zeitschriften Fr. 48.00

Sport (Volleyball) Fr. 20.00

Kurse / Weiterbildung Fr. 50.00

Kultur (Theater-Abo, Kunstverein) Fr. 100.00

Total Fr. 703.00 703.00

10. Ferien

Sport-, Sommerferien (inkl. Skiabos usw.) Fr.

Verlängerte Wochenenden Fr.

Total Fr. 1'250.00 1'250.00

11. Unterhalt Ferienhaus

Total Fr. 200.00 200.00

Schönbucher_3_Bsp_Lebenshaltungskosten.xls 2

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Elisabeth Schönbucher AdjaniBerechnung Lebenshaltungskosten/Beispiel

Beilage

12. Zusatzkosten Kinder

Haushaltsanteil Fr. 500.00

Anteil Bekleidung, inkl. Sportausrüstungen Fr. 380.00

Krankenkassenprämien Fr. 261.00

Selbstbehalte ärztliche Behandlungen Fr. 27.00

Zahnarzt (ohne Kieferorthopädie) Fr. 60.00

Kieferorthopädische Behandlung (4 Jahre) Fr. 80.00

Optiker Fr. 20.00

Linsen für Tochter Fr. 70.00

Fahrkosten Fr. 94.00

Schulmaterial Fr. 50.00

Auswärtige Verpflegung (Mittagstisch/Mensa 2 Tage/Woche) Fr. 115.00

Musikunterricht Fr. 175.00

Sportkurse Fr. 100.00

Mobiltelefone Fr. 45.00

Taschengeld Fr. 170.00

Schullager Fr. 80.00

Total Fr. 2'227.00 2'227.00

13. Steuern

Steuerberatung Fr. 40.00

Steuern Kanton (geschätzt) Fr. 1'400.00

Steuern Bund (geschätzt) Fr. 390.00

Total Fr. 1'830.00 1'830.00

Lebenshaltungskosten insgesamt Fr. 13'112.00

ohne Kinder Fr. 10'885.00

zuzüglich Altersvorsorge (Art. 125 ZGB) Fr.

Schönbucher_3_Bsp_Lebenshaltungskosten.xls 3

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Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission

Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich an die Bezirksgerichte und die Betreibungsämter

Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (vom 16. September 2009) I. Einleitung

Im Kreisschreiben des Obergerichts vom 23. Mai 2001 wurden letztmals die Ansätze für die Be-rechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums den damaligen Verhältnissen ange-passt. Darin wurde u.a. eine angemessene Vorgabe auf die damals zu erwartende Teuerung eingebaut. Durch die Teuerung ist der Lebenskostenindex (ohne Miete und Heizung) seither nun so gestiegen, dass sich eine entsprechende Erhöhung der Ansätze für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums aufdrängt.

Diese neuen Richtlinien beruhen auf dem Landesindex (Totalindex) der Konsumentenpreise (Basis Dezember 2005 = 100 Punkte) von Ende Dezember 2008 mit einem Indexstand von 103.4 Punkten. Sie gleichen vorgabeweise die Teuerung bis zum Indexstand von 110 Punkten aus. Eine Änderung ist erst bei Überschreiten eines Indexstandes von 115 Punkten, oder Un-terschreiten eines Indexstandes von 95 Punkten vorgesehen.

Die Ansätze in diesen Richtlinien sind für das ganze Kantonsgebiet gleich hoch bemessen, eine regionale Abstufung findet nicht statt. Abweichungen von den Ansätzen gem. den nachfolgen-den Ziffern II bis V und VII können soweit getroffen werden, als das Betreibungsamt sie auf-grund der ihm im Einzelfall obliegenden Prüfung aller Umstände für angemessen hält.

II. Monatlicher Grundbetrag

Für Nahrung Kleidung und Wäsche, einschliesslich deren Instandhaltung, Körper- und Gesund-heitspflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Kulturelles sowie sämtliche Energiekosten (ohne Heizung) ist in der Regel vom monatlichen Einkommen des Schuldners folgender Grund-betrag als unumgänglich notwendig im Sinne von Art. 93 SchKG von der Pfändung ausge-schlossen:

1. für einen alleinstehenden Schuldner

1.1 in Haushaltgemeinschaft mit erwachsenen Personen ......................................................................................... Fr. 1100.00

1.2 ohne solche Haushaltgemeinschaft ..................................... Fr. 1200.00

2. für einen alleinerziehenden Schuldner

2.1 in Haushaltgemeinschaft mit erwachsenen Personen ......................................................................................... Fr. 1250.00

2.2 ohne solche Haushaltgemeinschaft ..................................... Fr. 1350.00

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Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009

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3. für ein Ehepaar, zwei in einer eingetragenen Partner- schaft lebende Personen oder ein Paar mit Kindern, die in Haushaltgemeinschaft leben ....................................... Fr. 1700.00

4. Unterhalt der Kinder, die im gemeinsamen Haushalt des Schuldners leben

für jedes Kind:

im Alter bis zu 10 Jahren .................................................... Fr. 400.00

im Alter über 10 bis zu 18 Jahren ................................... Fr. 600.00 (bzw. bis zum Abschluss der Erstausbildung im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB).

Bei kostensenkender Wohn-/Lebensgemeinschaft

Verfügen Partner des in einer kinderlosen, kostensenkenden Wohn-/Lebensgemeinschaft le-benden Schuldners ebenfalls über Einkommen, so ist der Ehegatten-Grundbetrag einzusetzen und dieser in der Regel (aber maximal) auf die Hälfte herabzusetzen (BGE 130 III 765 E. 2).

III. Zuschläge zum monatlichen Grundbetrag

Für die verschiedenen Auslagen und Beiträge gem. Ziffern 1, 2, 3.2, 3.4, 4 und 5 sind dem Be-treibungsamt die entsprechenden Unterlagen, wie z.B. Quittungen, Verträge, Urteile und der-gleichen vorzulegen. 1. Wohnungskosten

1.1 Der effektive monatliche Mietzins für Wohnung oder Zimmer inkl. Nebenkosten (ausge-nommen der Energiekosten, da im Grundbetrag inbegriffen), unter Berücksichtigung von Ziffer IV/2.

Benützt der Schuldner lediglich zu seiner grösseren Bequemlichkeit eine teure Wohnung oder ein teures Zimmer, so kann der Mietzinszuschlag spätestens nach Ablauf des nächs-ten gesetzlichen Kündigungstermins auf ein Normalmass herabgesetzt werden (BGE 109 III 52 f.; 119 III 73 E. 3 lit. c und d), ungeachtet, ob es sich dabei um einen Mietvertrag mit langfristiger Dauer handelt.

1.2 Die durchschnittlichen, auf zwölf Monate verteilten, monatlichen Aufwendungen für Hei-zungsenergie von Wohnräumen.

1.3 Wohnt der Schuldner in der eigenen Liegenschaft, so ist anstelle des Mietzinses der Lie-genschaftenaufwand zum Grundbetrag hinzuzurechnen. Dieser besteht aus dem Hypo-thekarzins (ohne Amortisation), den öffentlichrechtlichen Abgaben und den durchschnittli-chen notwendigen Unterhaltskosten.

Der Liegenschaftenaufwand hat dem ortsüblichen Mietzins zu entsprechen. Sind die Hypo-thekarzinsbelastungen dagegen unangemessen hoch, so sind diese wie beim Mietzins im Sinne von Ziffer III/1.1 Abs. 2 im Existenzminimum herabzusetzen, gleichgültig, ob die Lie-genschaft dem Schuldner, seinem Ehegatten oder dem eingetragenen Partner des Schuldners gehört (BGE 114 III 12 E. 2 und 4 mit Hinweisen; 116 III 15 E. 2 lit. d; 129 III 526 E. 2).

2. Sozialbeiträge (soweit nicht bereits vom Lohn abgezogen), wie Prämien für

AHV, IV, EO und ALV Pensions- und Fürsorgekassen Krankenkassen (unter Berücksichtigung einer allfälligen Prämienverbilligung) Unfallversicherungen Hausrat- und Haftpflichtversicherungen Berufsverbände

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Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009

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Der Prämienaufwand über die obligatorische Versicherung hinaus darf nicht berücksichtigt werden (BGE 134 III 323 E. 3).

3. Unumgängliche Berufsauslagen (soweit der Arbeitgeber dafür nicht aufkommt).

3.1 Erhöhter Nahrungsbedarf bei Schwerarbeit (Erd-, Bau- und Giessereiarbeiter und ähnli-che Berufe), bei Schicht- und Nachtarbeit, ferner für den Schuldner, der einen sehr weiten Arbeitsweg zurücklegen muss: Fr. 5.00 bis Fr. 10.00 pro Arbeitstag.

3.2 Auslagen für auswärtige Verpflegung bei Nachweis von Mehrauslagen: Fr. 5.00 bis Fr. 15.00 für jede Hauptmahlzeit (ZR 84 [1985] Nr. 68).

3.3 Überdurchschnittlicher Kleider- und Wäscheverbrauch: Fr. 20.00 bis Fr. 60.00 pro Monat.

3.4 Fahrten zum Arbeitsplatz

a) Öffentliche Verkehrsmittel: Effektive Auslagen.

b) Fahrrad: Fr. 10.00 bis Fr. 40.00 pro Monat für Abnützung usw.

c) Moped und Roller: Fr. 20.00 bis Fr. 60.00 pro Monat für Abnützung, Betriebsstoff usw.

d) Motorräder: Fr. 50.00 bis Fr. 100.00 pro Monat für Abnützung, Betriebsstoff usw.

e) Automobil Sofern einem Automobil Kompetenzqualität zukommt (zur Ausübung des Berufes oder für die Fahrten zum Arbeitsplatz), sind dafür - je nach Grösse des Fahrzeuges und der Entfernung vom Arbeitsort - die festen und veränderlichen Kosten (ohne Amortisation: BGE 104 III 73 E. 2; 108 III 65 E. 3) von Fr. 100.00 bis Fr. 600.00 pro Monat zu be-rechnen. Wird zum Arbeitsort trotzdem ein Fahrzeug benützt, dem keine Kompetenz-qualität zukommt, kann hierfür dennoch nur der Auslagenersatz wie bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel eingesetzt werden.

4. Unterstützungs- und Unterhaltsbeiträge

Rechtlich oder moralisch geschuldete Unterstützungs- und/oder Unterhaltsbeiträge, welche der Schuldner an nicht in seinem Haushalt wohnende Personen in der letzten Zeit vor der Pfändung nachweisbar geleistet hat und voraussichtlich während der Dauer der Pfändung leisten wird (BGE 121 III 20 E. 3).

5. Verschiedenes

5.1 Schulung der Kinder

Besondere Auslagen für die Schulung der Kinder (Schulgeld, Schulmaterial, Verpflegungs- und Fahrtauslagen). Über eine durchschnittliche Ausbildung hinausgehende Aufwendun-gen (über die Volljährigkeit hinaus) können berücksichtigt werden, wenn sie den Verhält-nissen des Schuldners im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB entsprechen (BGE 98 III 34 E. 3). Allfällige Stipendien und andere Einkünfte der Kinder sind dabei angemessen zu be-rücksichtigen.

5.2 Abzahlung oder Miete/Leasing von Kompetenzstücken

Gemäss Kaufvertrag, jedoch nur solange zu berücksichtigen, als der Schuldner bei richti-ger Vertragserfüllung zur Abzahlung verpflichtet ist und sich über die Zahlungen aus-weist. Voraussetzung ist zudem, dass sich der Verkäufer das Eigentum vorbehalten hat. Die gleiche Regelung gilt für gemietete/geleaste Kompetenzstücke (BGE 82 III 26 E. 1). Verpflichtungen aus Vorauszahlungsverträgen sind allerdings nicht zu berücksichtigen.

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Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009

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5.3 Weitere notwendige Auslagen

Stehen dem Schuldner zur Zeit der Pfändung unmittelbar grössere notwendige Auslagen bevor, wie z.B.:

- für Arzt, Zahnarzt, Arzneien, Geburt

- Betreuung und Pflege von Familienangehörigen

- Wohnungswechsel usw.

so ist diesem Umstand in billiger Weise durch eine entsprechende zeitweise Erhöhung des Existenzminimums Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen sind ferner die Selbstbe-haltskosten nach KVG (BGE 129 III 242 E. 4).

Gleiches gilt, wenn diese Auslagen dem Schuldner während der Dauer der Einkommens-pfändung erwachsen. Eine Änderung der Einkommenspfändung erfolgt hier in der Regel jedoch nur auf Antrag des Schuldners.

IV. Abzüge vom monatlichen Existenzminimum

1. Naturalbezüge wie freie Kost, Dienstkleidung usw. sind entsprechend ihrem Geldwert in Abzug zu bringen:

Freie Kost mit 50% des Grundbetrages Dienstkleidung mit Fr. 20.00 bis Fr. 60.00 pro Monat.

2. Angemessener Anteil an die Haushaltkosten (Mietzins, Heizung, Wäsche usw.) der in ge-meinsamen Haushalt mit dem Schuldner lebenden volljährigen Kinder mit eigenem Er-werbseinkommen.

3. Spesenvergütungen (Reisespesen usw.), welche der Schuldner von seinem Arbeitgeber erhält, soweit er damit im Grundbetrag eingerechnete Nahrungsauslagen in nennenswer-tem Betrag einsparen kann.

V. Barnotbedarf

Hat der Schuldner für seine Nahrungskosten nicht aufzukommen, so beträgt sein Notbedarf für: Bekleidung, Reinigung und Instandhaltung von Kleidern und Wäsche, Gesundheitspflege und Kulturausgaben 50% der Grundbeträge gem. Ziffer II.

VI. Steuern

Die Steuern sind bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht zu berücksichtigen (BGE 95 III 42 E. 3; 126 III 89 E. 3 lit. b; BGE vom 17. November 2003 7B.221/ 2003).

Bei ausländischen Arbeitnehmern, die der Quellensteuer unterliegen, ist bei der Berechnung der pfändbaren Quote von dem Lohn auszugehen, welcher diesen tatsächlich ausbezahlt wird (BGE 90 III 33 E. 1).

VII. Sonderbestimmungen über das dem Schuldner anrechenbare Einkommen

1. Beiträge gem. Art. 163 ZGB oder Art. 13 PartG

Verfügt der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Schuldners über ein eigenes Ein-kommen, so ist das gemeinsame Existenzminimum von beiden Ehegatten oder eingetra-genen Partnern (ohne Beiträge gem. Art. 164 ZGB) im Verhältnis ihrer Nettoeinkommen zu tragen. Entsprechend verringert sich das dem Schuldner anrechenbare Existenzminimum (BGE 114 III 12 E. 3).

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Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009

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2. Beiträge gem. Art. 164 ZGB oder Art. 13 PartG

Stehen dem Schuldner Ansprüche aus Art. 164 ZGB zu, können diese separat wie eine gewöhnliche Forderung gepfändet werden.

3. Beiträge gem. Art. 323 Abs. 2 ZGB

Die Beiträge aus dem Erwerbseinkommen minderjähriger Kinder, die in Haushaltgemein-schaft mit dem Schuldner leben, sind vorab vom gemeinsamen Existenzminimum abzuzie-hen. Dieser Abzug ist in der Regel auf einen Drittel des Nettoeinkommens der Kinder, höchstens jedoch auf den für sie geltenden Grundbetrag zu bemessen (Ziffer II/4; BGE 104 III 77).

VIII. Geltungsbereich

Dieses Kreisschreiben tritt am 1. Oktober 2009 in Kraft und ersetzt dasjenige vom 23. Mai 2001 “Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums“.

Die neuen Ansätze in diesem Kreisschreiben gelten für alle ab 1. Oktober 2009 zu vollziehen-den Einkommenspfändungen.

Bestehende Einkommenspfändungen werden nur auf Verlangen des Schuldners den neuen Ansätzen angepasst.

Das vorliegende Kreisschreiben gilt als kantonale Wegleitung für die Betreibungsämter. Diese haben hievon im Missivenverzeichnis Vormerk zu nehmen. Zürich, den 16. September 2009 Im Namen des Obergerichts des Kantons Zürich

Der Präsident: Der Generalsekretär: Müller Zimmermann

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Nachehelicher Unterhalt

Elisabeth Schönbucher Adjani, Rechtsanwältin und Mediatorin SAV, ZürichSJWZ-Workshops 30.5.2012

Workshop 1

Berechnungsmethoden, Lebensstandard

Bundesgerichtsentscheide mit Erwägungen zu Bedarfspositionen, die oft zu Diskussionen Anlass geben

Entscheid Erwägung Gegenstand

5C.233/2006 (vom 21.12.2006) 5.5.3 Kein pauschaler Prozentzuschlag von 20% auf erweitertes Existenzminimum bei knappen Mitteln

[auch 5C. 238/2000 vom 8.12.2008, E.3. b) aa)]

5A_272/2011 (vom 7.9.2011) 3.4 Schulden gegenüber Dritten nur dann zu berücksichtigen, sofern der entsprechende Kredit für den

gemeinsamen Lebensunterhalt aufgenommen und eingesetzt wurde und nicht nur einen der

Ehegatten persönlich betrifft.

(auch 5A_131/2007 vom 8.6.2007, E. 2.2 und 5A_474/2011 vom 19.8.2011, E. 2.1)

5A_435/2011 (vom 14.11.2011) 9.3.3 Berücksichtigung steigender Gesundheitskosten mit zunehmendem Alter, wie sie der

Zusammenstellung "Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens" des Bundesamtes für

Statistik (Statistisches Lexikon der Schweiz; abrufbar unter:

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/14/05/blank/key/05.html;

Stand: 9. September 2011) zu entnehmen sind.

5C.20/2001 (vom 25.5.2001) 2. a) bb) Bei knappen Mitteln des Beitragsschuldners hat Gemeinwesen zurückzutreten, Steuerlast darf

unter solchen Umständen nicht im Grundbedarf des Rentenschuldners berücksichtigt werden.

5C.20/2001 (vom 25.5.2001) 2. a) bb) Amortisationsrate der zur Bezahlung der güterrechtlichen Ausgleichszahlung erhöhten Hypothekar-

schuld ist nicht im Grundbedarf des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen.

5C. 27/2005 (vom 23.11.2005) 3.5 Gerichtsnotorietät der kantonalen Letztinstanz ist nicht zwingend mit allgemeiner Lebens-

erfahrung gleichzusetzen, die im Verfahren der Berufung vom BuGer überprüft werden könnte.

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Stiftung für juristische Weiterbildung, 30. Mai 2012

Nachehelicher Unterhalt – Workshops

Workshop 1: Berechnungsmethoden, Lebensstandard

MERKSÄTZE

1. Bundesrecht schreibt keine Berechnungsmethode vor.

2. Einzelfallgerechte Methode, kein stur gewähltes Berechnungsschema, anwenden.

Die anzuwendende Methode kann nicht schematisch von einer bestimmten

Einkommenshöhe abgeleitet werden.

3. Bei lebensprägenden Ehen kann zweistufige Methode (Berechnung der

familienrechtlichen Existenzminima mit Überschussaufteilung) angewendet werden,

- wenn während des Zusammenlebens keine Sparquote resultierte;

- wenn die Sparquote während des Zusammenlebens nicht grösser ist als die

scheidungsbedingten Mehrkosten zweier Haushalte;

- wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um den zuletzt gelebten

Lebensstandard zu finanzieren und sich beide Eheleute entsprechend

einschränken müssen, jedoch Anspruch auf gleichwertige Lebensführung haben.

4. Die Anwendung der zweistufigen Berechnungsmethode entbindet nicht von der

Feststellung der relevanten Lebensverhältnisse.

5. Obergrenze des Unterhaltsbeitrags liegt stets bei tatsächlich zuletzt gemeinsam

gelebtem Lebensstandard. Scheidungsbedingte Mehrkosten beachten.

6. Bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen ist meist einstufige Berechnungsweise

angezeigt. Sparquote beachten.

7. Gewisse betragsmässige Pauschalisierungen sind nicht ausgeschlossen.

8. Die Ansprecherin/der Ansprecher hat den eigenen Bedarf, der/die Verpflichtete die

Sparquote bzw. die Lebenshaltung zu beweisen.

9. Ein Manko verbleibt zur Zeit weiterhin bei der anspruchsberechtigten Person.

10. Zur Bemessung des nachehelichen Unterhalts kann nicht einfach auf

eheschutzrichterliche Unterhaltsregelung abgestellt werden.

11. Kantonale Gerichte haben weites Ermessen. Ermessensentscheide erfordern eine

erhöhte Begründungsdichte.

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12. Zu einzelnen Positionen in Bedarfsrechnungen (siehe auch ergänzende Beilage):

- Steuern. Nicht bei Manko, nicht bei Kinderunterhalt in engen Verhältnissen.

- Schuldenrückzahlungen: Schulden als Drittverpflichtungen gehen grundsätzlich der

familiären Unterhaltsverpflichtung nach. Ausnahme: Schuldverpflichtungen, die für

den gemeinsamen Haushalt eingegangen worden sind.

- Krankenkassenprämien: VVG, wenn Lebensstandard. Nicht bei Manko oder sehr

knappen Verhältnissen.

- Selbstkosten ärztlicher Behandlungen: soweit tatsächlich anfallend.

- Beiträge in 3. Säule wirken vermögensbildend. Bei Fehlen einer 2. Säule bei

Selbständigerwerbenden zu berücksichtigen. Zudem in sehr guten Verhältnissen

bei Lebensstandard, mit Berücksichtigung bei Prüfung der Altersvorsorge.

13. Positionen, die beim Lebensstandard zu berücksichtigen sind: alles, was

nachweisbar als eheliche Lebenshaltung finanziert wurde. Das Gericht hat keine

Korrektur des einvernehmlich gewählten/gelebten Standards vorzunehmen.

20. Mai 2012/RAin Elisabeth Schönbucher Adjani

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30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops

Workshop 1:

Lebensstandard und konkreter Bedarf Kai Burkart, Rechtsanwalt, Erlenbach

Sachverhalt Eheleute Peter

Ausgangslage:

Die Ehegatten haben im Jahre 1992 geheiratet. Sie leben seit Mai 2010 getrennt.

Die Tochter Pia, geb. am 23. Januar 1994 (18jährig), wohnt beim Vater in Urdorf.

Der Sohn Thomas, geb. am 1. Juli 1996 (16jährig), wohnt bei der Mutter in Uster.

Der Ehemann ist reformiert, die Ehefrau konfessionslos.

Der Ehemann (geb. 1961) arbeitet als Strassenmeister und verdient pro Jahr Fr.

101‘353.-- inkl. beider Kinderzulagen von total Fr. 6‘000.-- pro Jahr. Durch seine

Einsätze bei der Feuerwehr erhält er pro Jahr durchschnittlich Fr. 2‘800.--. Dieses

Einkommen hat sich in den vergangenen sechs Jahren kaum verändert

(Teuerungsanpassung). Aufgrund seines Alters wird die Feuerwehrzulage ab 2013

wegfallen.

Die Ehefrau (geb. 1966) stammt aus einer vermögenden Familie in Venezuela und hat

vor der Heirat in ihrem Heimatland als Anwältin gearbeitet. In der Schweiz war sie nie

erwerbstätig.

Die Tochter macht im Sommer 2012 die Matura und möchte anschliessend in Zürich

Informatik studieren. Der Sohn wird im Sommer 2012 eine Berufslehre als (Hochbau-)

Zeichner in Winterthur beginnen, die voraussichtlich im Sommer 2016 abgeschlossen

sein wird.

Die Ehefrau wohnt zusammen mit dem Sohn in der früheren ehelichen Liegenschaft.

Der Ehemann zusammen mit der Tochter in einer Eigentumswohnung.

Diskussionsschwerpunkte:

Wie und aus welchen Positionen berechnet sich der Bedarf der Ehefrau für einen

nachehelichen Unterhalt?

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Burkart und Pfammatter, Rechtsanwälte

30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops Workshop 1: Lebensstandard und konkreter Bedarf Kai Burkart, Rechtsanwalt, Erlenbach

Bedarfsberechnung bei den Eheleuten Peter A. Welche Berechnungsmethode wählen Sie?

Liegt eine Mangellage vor oder sind ausreichende Mittel vorhanden?

Es liegen sicherlich keine sehr guten Verhältnisse vor, sodass die einstufige

Berechnungsmethode sofort ausgeschlossen werden kann. Damit erfolgt zunächst

eine Orientierung am betreibungsrechtlichen Existenzminimum anhand des

Kreisschreibens des Obergerichts des Kantons Zürich („Richtlinien für die

Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September

2009).

B. Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (vgl. Unterhaltsberechnung der Eheleute Peter)

1. Zu den Grundbeträgen:

- Ehemann mit erwachsener Tochter: Es liegt keine Haushaltsgemeinschaft

mit einer erwachsener Person im Sinne

des Kreisschreibens vor, da sich Pia

noch in Ausbildung befindet.

- Grundbetrag für die erwachsene Tochter: Dieser ist bis zum Abschluss der

Erstausbildung zu berücksichtigen.

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- Grundbetrag für den Sohn Im Falle eines Erwerbseinkommens des

Sohnes ist in der Regel ein Drittel seines

Erwerbseinkommens (max. sein Grund-

betrag) in Abzug zu bringen

2. Zu den Wohnkosten

- Hypothekarzins

- öffentlich rechtliche Abgaben Wasser, Kehricht, Gebäudeversicherung

- Unterhalt Häufig wird 1 % des Verkehrswertes als

Anhaltspunkt für den laufenden

grösseren Unterhalt beigezogen (als

Faustregel der Banken). Diese

Faustregel wird von den Gerichten nicht

verwendet. Es sind daher die

entsprechenden Kosten anhand Belegen

für die Vergangenheit einzureichen. Die

Beiträge an die Stockwerkeigen-

tümergemeinschaft sind anrechenbar

- Amortisationen Sind vermögensbildend, auch wenn sie

nicht freiwillig erfolgen - allenfalls können

diese Kosten dann Berücksichtigung

finden, wenn ein gleicher Betrag auch

der anderen Partei zugestanden wird

(sicherlich nicht im vorliegenden Fall).

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3. Zu den Sozialbeiträgen

Krankenkassenprämien abzüglich Prä-

mienverbilligungen

Beiträge an Pensions- und Fürsorgekas-

sen, Unfallversicherungen und Berufs-

verbände

4. Zu den unumgänglichen Berufsauslagen

- Autokosten Sofern Kompetenzqualität zur Ausübung

des Berufes oder für die Fahrten des

Arbeitsplatzes gehören die festen und

veränderlichen Kosten (ohne

Amortisation) von Fr. 100 bis Fr. 600.--

pro Monat zum Notbedarf. Ansonsten

Auslagenersatz wie bei der Benützung

des öffentlichen Verkehrs

- Radio- u. TV-Gebühren, Telefon Sind nicht im Kreisschreiben erwähnt,

werden aber gemäss Praxis der Gerichte

in der Regel im Umfang zwischen Fr.

100.-- bis Fr. 150.-- pro Monat

eingerechnet .

- Steuern Sind grundsätzlich nicht bei der

Berechnung des betreibungsrechtlichen

Existenzminimums zu berücksichtigen -

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jedoch häufig bei der Berechnung des

nachehelichen Unterhalts im Sinne einer

„Gerichtsüblichkeit“ doch eingerechnet.

5. „Verschiedenes“

- Schulung der Kinder Besondere Auslagen für die Schulung

der Kinder (Schuldgeld, Schulmaterial,

Verpflegungs- und Fahrtauslagen) sind

zu berücksichtigen.

C. Fazit:

Es ist - ohne zukünftiges Einkommen der Ehefrau - eine Mangellage, womit in der

vorliegenden Bedarfsberechnung Positionen zu streichen sind. Ein Betrag für die

angemessene Altersvorsorge entfällt (vgl. aber Art. 129 Abs. 3 ZGB).

Die Position VVG fällt zunächst weg. Hernach kann das Gericht von seinem

Ermessen Gebrauch nehmen und bei den Positionen der Berufsauslagen Kürzungen

vornehmen (Autokosten und auswärtige Verpflegung).

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D. Neuberechnung des Unterhaltes /

Berücksichtigung veränderter Verhältnisse

Neuberechnung des Unterhaltes bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des Sohnes bzw. abgeschlossener Erst- ausbildung Die Beiträge aus dem

Erwerbseinkommen minderjähriger Kinder, die in Haushaltsgemeinschaft mit dem Schuldner leben, sind vorab vom gemeinsamen Existenzminimum abzuziehen. Dieser Abzug ist in der Regel auf einen Drittel des Nettoeinkommens der Kinder, höchstens jedoch auf den für sie geltenden Grundbetrag zu bemessen.

E Unterhaltsbeiträge im Eheschutzverfahren

Im Eheschutzverfahren wurde bei einem Nettoeinkommen des Ehemannes von Fr

7‘890.-- (exkl. Kinderzulagen, inkl. Feuerwehr und Anteil 13. Monatslohn) ein

Unterhaltsbeitrag für die Ehefrau mit dem Sohn in Höhe von Fr. 3‘400.-- zuzüglich

Kinderzulagen vereinbart bei einem

Notbedarf des Ehemann mit Tochter von Fr. 4‘243.--

Notbedarf der Ehefrau mit Sohn von Fr. 3‘891.--

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Unterhaltsberechnung der Eheleute Peter

Bedarf Ehemann Bedarf Ehefrau Bemerkungen

Grundbetrag Eltern 1350 1350 Kreisschreiben Obergericht / II Ziff. 2.2

Grundbetrag Kinder 600 600 Kreisschreiben Obergericht / II Ziff. 4

Wohnkosten / Liegenschaftenaufwand Kreisschreiben Obergericht / III Ziff 1.3

Hypothekarzins 500 724

öffentlichrechtliche Abgaben 150 180notwendige durchschnittl. Unterhaltskosten 250 330

Amortisation VermögensbildendHeizungsenergie 100 100 Kreisschreiben Obergericht / III Ziff 1.2

Sozialbeiträge Kreisschreiben Obergericht / III Ziff 2Krankenkasse KVG 252 351

Krankenkasse VVG 50 30 erweiterter Notbedarf / BGE 134 III 323 E.3

Hausrat- und Haftpflichtversicherung 35 48

Unumgängliche Berufsauslagen Kreisschreiben Obergericht / III Ziff 3

Erhöhter Narungsbedarf Schwer-, Schicht-, Nachtarbeit

Auslagen für auswärtige Verpflegung 300 Fr. 5.-- bis 15.-- pro Hauptmahlzeit

Überdurchchnittlicher Kleiderverbrauch Fr. 20.-- bis 60.-- pro Monat

Fahrten zum Arbeitsplatz 500 127 Autokosten / öffentlicher Verkehr

Unterstützungs- und Unterhaltsbeiträge Kreisschreiben Obergericht / III Ziff 4Schulung der Kinder Kreisschreiben Obergericht / III Ziff 5

Öffentlicher Verkehr 127

Auslagen für auswärtige Verpflegung 240Krankenkasse Pia und Thomas 180 89

Radio- u. Fernsehgebühren / Telefonkosten 150 150 gerichtsüblichSteuern 220 100 erweiterter Bedarf

Total Bedarf 5004 4179

Gesamtbedarf 9183

Gesamteinkommen 7946 ohne Feuerwehr und Kinderzulagen

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30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops

Workshop 2:

Eigenversorgungskapazität / Vorsorgeunterhalt Jeanne DuBois, Rechtsanwältin, Zürich

Prof. Dr. iur. Thomas Geiser, St. Gallen

Ausgangslage

Anna Maier Tobler, geb. 1976, Handelsdiplom, arbeitet 40% im Bioladen, Lohn Fr. 800.00

netto (kein 13. Ml) und Hausfrau

Peter Tobler, geb. 1976, Berufsschullehrer (80% seit 2 Jahren, Lohn 9‘800.00 netto inkl. 13.

Ml und 2 Kinderzulagen) und Hausmann

Heirat 1998, 2 Kinder, Thomas, geb. 1999 (13 Jahre alt, ist im 1. Jahr Langzeitgymnasium),

Mathilde, geb. 2003 (9 Jahre alt, 3. Primarschulklasse)

Getrenntleben seit April 2010. Scheidungsverfahren im April 2012 eingeleitet.

Gesuch um den Erlass vorsorglicher Massnahmen hängig, noch keine Trennungsregelung

Diskussionsschwerpunkte Eigenversorgungskapazität

1. Eigenversorgungskapazität von Anna Maier und von Peter Tobler im Vorsorglichen

Massnahmen Verfahren 2012

Eigenversorgungskapazität von Anna Maier und von Peter Tobler in Bezug auf die

Nebenfolgen der Scheidung 2013

2. Was ändert sich in Bezug auf die Eigenversorgungskapazität der Eheleute, wenn die

Scheidung erst 2022 erfolgt. Deren Lebenssituation sieht so aus:

Anna Maier arbeitet 40% als dipl. Berufsmasseurin in einer Praxisgemeinschaft, um 2023

die Voraussetzungen für die EMR Anerkennung zu erlangen. Sie steht noch in der

Ausbildung für die Lymphdrainagemassage mit Abschluss inkl. EMR Anerkennung 2024.

Sie verdient 1‘800.00 netto. Peter Tobler hat 2015 eine eigene Firma gegründet (GmbH),

er ist einziger Angestellter der Firma. Er programmiert und vertreibt Schulungsunterlagen

für Internetunterstütztes Lernen. Er hat Erfolg damit. Er zahlt sich einen Lohn aus von

Fr. 5‘500.00 und bezog jährlich bis 2021 Dividende in unterschiedlicher Höhe. Sie können

sich einen höheren Lebensstandard leisten. Ab 2021 kommt zur Krise in der Ehe laut

Meinung von Peter Tobler die Krise in der Firma. Seit 2021 wird keine Dividende

ausbezahlt. Thomas ist im letzten Studienjahr, lebt in einer WG. Mathilde ist in einer

Sprachschule in Australien. 2023 beginnt sie die berufsbegleitende Ausbildung in der

Journalistenschule in Luzern.

Diskussionsschwerpunkte Vorsorgeunterhalt

3. Wie sieht es bezüglich des Vorsorgeunterhalts aus, je nachdem, ob die Scheidung 2013

oder 2022 erfolgt?

4. Wie lange muss gegebenenfalls Peter Tobler Anna Maier Tobler Unterhalt bezahlen?

Ändert sich daran etwas, je nachdem, ob die Scheidung 2013 oder 2022 erfolgt?

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012

Eigenversorgungskapazität Jeanne DuBois, Rechtsanwältin, Zürich

Vorsorgeunterhalt Prof. Thomas Geiser, St.Gallen

Eigenversorgungskapazität - Vorsorgeunterhalt

Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2013

Annemarie Maier Tobler, 36 Jahre alt 40 % im Verkauf, Lohn 800/Monat

(kein 13. Monatslohn)

Peter Tobler, 36 Jahre alt 80 % als BS-Lehrer, Lohn 9'800/Monat

(inkl. 13. Monatslohn und KZ)

Kinder

Thomas, 13 Jahre alt leben bei der Mutter seit der Trennung

Mathilde, 9 Jahre alt 2010

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Inhaltsverzeichnis Eigenversorgungskapazität 2013

Eigenversorgungskapazität Ehefrau Art. 125 Abs. 2 ZGB

Alter

Lebensprägende Ehe

Aufgabenteilung während der Ehe

Muss sie erwerbstätig sein:

falls nein: vom aktuellem Lohn auszugehen

vom hypothetischem Einkommen auszugehen

Ausbildung

falls ja: Hat sie die Erwerbstätigkeit auszudehnen

Alterslimitepraxis (bei Alter der Kinder: 10/16 Jahre)

Übergangszeit

Ausdehnung auf wie viel Stellenprozente/ Einkommen

Arbeitsmarkt

Leistungsfähigkeit Ehemann Art. 125 Abs. 2 ZGB

Aufgabenverteilung während der Ehe

Muss er die Erwerbstätigkeit auf 100% ausdehnen

falls ja: Übergangszeit

Vorsorgliche Massnahmen / Scheidung

Unterschiede in der Beantwortung der Eigenversorgungskapazitätsfragen

Fallstricke ZPO

Jeanne DuBois

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Inhaltsverzeichnis Vorsorgeunterhalt 2013

Welches Erwerbseinkommen soll der Ehemann in Zukunft erzielen

Was wird der Ehemann an Unterhalt bezahlen müssen?

Wie hoch wird die Altersrente sein, welche der Ehemann auf Grund der ihm nach

dem Vorsorgeausgleich verbleibenden Freizügigkeitsleistung und seinen künftigen

Beiträgen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträgen und Zinsen) erhalten wird?

Welches Einkommen soll die Ehefrau in Zukunft selber erzielen?

Welchen Beitrag an den laufenden Unterhalt wird der Ehemann nach der

Scheidung leisten müssen?

Wie hoch wird die Altersrente sein, welche die Frau auf Grund der aus dem

Vorsorgeausgleich erhaltenen Freizügigkeitsleistung und ihren eigenen künftigen

Beiträgen erhalten wird?

Was fehlt zur angemessenen Altersvorsorge?

Kann dies der geschiedene Ehemann bezahlen, ohne auf eine eigene

angemessene Altersvorsorge verzichten zu müssen?

Wie können die Leistungen erbracht werden:

- Kapital?

- Erhöhung der laufenden (befristeten) Rente?

- Verlängerung der Pflicht, eine Rente zu bezahlen?

Thomas Geiser

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012

Eigenversorgungskapazität Jeanne DuBois, Rechtsanwältin, Zürich

Vorsorgeunterhalt Prof. Thomas Geiser, St. Gallen

Eigenversorgungskapazität

Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2022

Annemarie Maier Tobler, 47 Jahre alt 40 % dipl. Berufsmasseurin

Lohn 1'800/Monat, in Ausbildung

Peter Tobler, 47Jahre alt Angestellter der eigenen GmbH

Lohn 5'500/Monat (kein 13. Monatslohn)

Kinder

Thomas, 24 Jahre alt leben beide nicht mehr zu Hause

Mathilde, 20 Jahre alt beide in Ausbildung

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2

Inhaltsverzeichnis Eigenversorgungskapazität 2022

Eigenversorgungskapazität Ehefrau Art. 125 Abs. 2 ZGB

Ausmass der Erwerbstätigkeit

Hat sie die Erwerbstätigkeit auszudehnen. Falls ja:

Übergangszeit

Ausdehnung auf wie viel Stellenprozente

Einkommen

von aktuellem Lohn auszugehen

von hypothetischem Einkommen auszugehen

Ausbildung während des Scheidungsverfahrens

Kann sie den 2. Teil der Ausbildung abschliessen

Hat sich der Ehemann an die Kosten der Ausbildung zu beteiligen

Leistungsfähigkeit Ehemann Art. 125 Abs. 2 ZGB

Von welchem Lohn ist auszugehen

Als Angestellter der eigenen Firma

Als Berufsschullehrer

Vorsorgliche Massnahmen

Fallstricke ZPO

Fragen im Zusammenhang mit der Stufenklage

Jeanne DuBois

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Inhaltsverzeichnis Vorsorgeunterhalt 2022

Welches Erwerbseinkommen soll der Ehemann in Zukunft erzielen

Was wird der Ehemann an Unterhalt bezahlen müssen?

Wie hoch wird die Altersrente sein, welche der Ehemann auf Grund der ihm nach

dem Vorsorgeausgleich verbleibenden Freizügigkeitsleistung und seinen künftigen

Beiträgen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträgen und Zinsen) erhalten wird?

Welches Einkommen soll die Ehefrau in Zukunft selber erzielen?

Welchen Beitrag an den laufenden Unterhalt wird der Ehemann nach der

Scheidung leisten müssen?

Wie hoch wird die Altersrente sein, welche die Frau auf Grund der aus dem

Vorsorgeausgleich erhaltenen Freizügigkeitsleistung und ihren eigenen künftigen

Beiträgen erhalten wird?

Was fehlt zur angemessenen Altersvorsorge?

Kann dies der geschiedene Ehemann bezahlen, ohne auf eine eigene

angemessene Altersvorsorge verzichten zu müssen?

Wie können die Leistungen erbracht werden:

- Kapital?

- Erhöhung der laufenden (befristeten) Rente?

- Verlängerung der Pflicht, eine Rente zu bezahlen?

Thomas Geiser

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012

Eigenversorgungskapazität Jeanne DuBois, Rechtsanwältin, Zürich

Vorsorgeunterhalt Prof. Thomas Geiser, St.Gallen

Eigenversorgungskapazität

Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2013

Annemarie Maier Tobler, 36 Jahre alt 40 % im Verkauf, Lohn 800/Monat

(kein 13. Monatslohn)

Peter Tobler, 36 Jahre alt 80 % als BS-Lehrer, Lohn 9'800/Monat

(inkl. 13. Monatslohn und KZ)

Kinder

Thomas, 13 Jahre alt leben bei der Mutter seit der Trennung

Mathilde, 9 Jahre alt 2010

Es besteht Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, soweit einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, für

den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst

aufzukommen (Art. 125 Abs.1 ZGB). Ist die Ehe lebensprägend, besteht der grundsätzliche

Anspruch beider Ehegatten auf Fortführung der ehelichen Lebenshaltung, bei ungenügender

Leistungsfähigkeit auf gleichwertige Lebensführung. Das Vertrauen auf den Weiterbestand der

bisherigen, frei vereinbarten Aufgabenteilung ist objektiv schutzwürdig. Es ist zunächst die

massgebende Lebenshaltung festzustellen. Das Bundesgericht hat offen gelassen, ob die

Lebenshaltung der letzten 2 Jahre des Zusammenlebens massgebend ist oder der letzten fünf

Jahre (mangels ausreichender Rügen)1. Anhand dieser Feststellung wird der gebührende Unterhalt

ermittelt. Es wird dann geprüft, inwieweit jeder Ehegatte seinen gebührenden Unterhalt selber

finanzieren kann. In Bezug auf den unterhaltsberechtigten Ehegatten stellt sich die Frage der

1 Bger. 5A_507/2011 (31.1.2012) E.4.2.

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2

Eigenversorgungskapazität.2 In einem dritten Schritt ist die Leistungsfähigkeit des

unterhaltsverpflichteten Ehegatten zu ermitteln und der Unterhalt festzulegen.

Alter / Art der Ehe Maier Tobler: Lebensprägend (Dauer / Kinder)

Aufgabenteilung während der Ehe:

Anfänglich Hausfrauenehe. Im Zeitpunkt der Scheidung: Zuverdienerehe

Eigenversorgungskapazität Annemarie Maier Tobler

Muss sie erwerbstätig sein

Wäre sie es nicht bei der Scheidung, dann nein, die Tochter ist 2013 erst 9 Jahre alt. Ist sie bereits

Teilzeit erwerbstätig, wird in der Praxis von der bisherigen Teilzeiterwerbstätigkeit ausgegangen

(Aufgabe der Erwerbstätigkeit nur dann allenfalls akzeptiert, wenn bspw. die Kinderbetreuung

intensiver ist zufolge der Trennung/Scheidung)3 D.h. vorliegend:

40% Erwerbstätigkeit bis zum 10. Altersjahr von Mathilde, 2013, 50% Erwerbstätigkeit ab 2014.

Von welchem Lohn wird ausgegangen: Effektiver Lohn oder hypothetisches Einkommen?

Hauptstandpunkt: Auszugehen ist vom bisherigen Einkommen: Arbeit im Bioladen 2013: 40% 2013 netto Fr. 800.00 2014: 50% (Tochter 10 Jahre alt) netto Fr. 1‘000.00

Eventualstandpunkt: Auszugehen vom hypothetischen Einkommen Ausbildung Handelsdiplom, keine Berufserfahrung im Bürobereich:

2013: Arbeit im Bioladen, Übergangszeit 1 Jahr netto Fr. 800.00 2014: 50%, Arbeit im Büro, 2‘000.00 brutto netto Fr. 1‘700.00

Subeventualstandpunkt: Auszugehen vom hypothetischen Einkommen

2 Siehe hiezu RAin J. DuBois, Notizen des Referats der Weiterbildung SJWZ vom 15.11.2011

„Nachehelicher Unterhalt – Eigenversorgungskapazität“, insbes. die Entscheide des

Bundesgerichts bis Mitte November 2011. Vorliegend werden nur zusätzliche Bger.Entscheide

angeführt.

3 Bger. 5A_862/2011 (16.2.2012)

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3

2013/1.Hälfte 2014: Übergangszeit 1 ½ Jahr (für Com- puterkurse, Englischkurs, neben der Arbeit im Laden), netto Fr. 800.00 2014: 2. Hälfte: 50%, 2‘400.00 brutto netto Fr. 2‘000.00

2020: 100% (Tochter 16 Jahre alt) Auszugehen vom hypothetischen Einkommen: Annahme: Erwerbstätigkeit im Bürobereich

Zur Alterslimitepraxis

In Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 125 Abs. 2 ZGB geht das Bundesgericht von einer

Erwerbstätigkeit von 50% bis zum 16. Altersjahr des jüngsten Kindes aus, dann von 100%4.

Ausnahmen für den Zeitpunkt der Aufnahme der Erwerbstätigkeit sind lediglich vorgesehen, wenn

z.B. eines der Kinder zufolge Erkrankung oder Behinderung einen Mehraufwand für die Betreuung

darstellt oder allenfalls in Bezug auf die Aufnahme eines Teilzeiterwerbs die Anzahl der Kinder

zwischen dem 10. und 16. Altersjahr5. Diese Praxis wird i.d.R. stereotyp angewendet, zunehmend

werden diese Altersgrenzen sogar unterschritten. Unter Hinweis auf Art. 2, Art. 5 und Art. 16 Abs. 1

lit.c CEDAW könnte diese Praxis in Frage gestellt werden. Damit wird die zumeist von den Müttern

übernommene Doppelbelastung von „100%iger Tätigkeit und Haushalt / Kinder ab 16. Altersjahr“

als gleichwertig der 100% Erwerbstätigkeit des Vaters betrachtet. Dies vermag im Einzelfall als

nicht völkerrechtskonform zu erscheinen und somit als Verstoss gegen die genannten Artikel des

Übereinkommens CEDAW.6

Arbeitsmarkt

Bei der Festlegung des hypothetischen Einkommens ist insbesondere auch der Arbeitsmarkt zu

berücksichtigen. Laut Bundesgericht sind z.B. die Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für

Statistik beizuziehen oder andere Quellen (u.a. allgemeinverbindliche GA; das Lohnbuch

Mülhauser7). Es ist konkret festzustellen, welche Tätigkeiten, so im Bürobereich innerhalb diverser

4 Bger. 5A_100/2007

5 Bger. 5A_2010/2008

6 siehe den Artikel, "Das Übereinkommen gegen Frauendiskriminierung (CEDAW) in der

familienrechtlichen Praxis; Ansätze und Möglichkeiten", Dr. Erika Schläppi und lic.iur J. DuBois,

FamPra, Heft 3 2012, insbesondere die Modellbeispiele, sowie den Leitfaden der Eidgenössischen

Kommission für Frauenfragen (EKF) zur Verwendung des UNO-Übereinkommens zur Beseitigung

jeder Form der Diskriminierung der Frau CEDAW, online-Tool, aufgeschaltet Juni/Juli 2012

7 Philipp Mülhauser, "Das Lohnbuch 2011", Orell Füssli Verlag AG, Hrsg. Volkswirtschaftsdirektion

des Kantons Zürich

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4

Branchen, möglich und zumutbar sind und wie der Arbeitsmarkt konkret ist (bestätigt im

Entscheid:8).

Achtung: Die obgenannten Quellen enthalten Durchschnittslöhne. Erfahrungsgemäss sind diese

einiges höher als die je nach Branche derzeit effektiv bezahlten Löhne, weshalb es sich aufdrängt,

weitere Quellen zu berücksichtigen (Inserate etc.). Bewirbt sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte

für eine Stelle vorgängig oder während des Verfahrens ist zu beachten, dass das Obergericht des

Kantons Zürich bspw. hohe Anforderungen stellt an die Bewerbungsschreiben und die Anzahl

dieser Schreiben. Dieser rechtlichen Würdigung ist das Bundesgerichtgefolgt9.

Leistungsfähigkeit Peter Tobler

Sollte das Einkommen des Ehemannes nicht ausreichen, um den gebührenden Bedarf unter

Berücksichtigung des eigenen Einkommens der Ehefrau zu decken, kann ein hypothetisches

Einkommen angerechnet werden, sofern es ihm möglich ist, dieses zu erreichen und es ihm auch

zumutbar ist10

. Es werden dieselben Kriterien nach Art. 125 Abs. 2 ZGB angewendet.

Grundsätzlich ist vorliegend von einer 100%igen Erwerbstätigkeit auszugehen. Bei der Festlegung

der Übergangsfrist ist zu prüfen, wie schnell das Pensum eines BS-Lehrers aufgestockt werden

kann. (z.B. ab neuem Schulsemester).

2013: 80% Erwerbstätigkeit, Lohn netto 9'800.00 (inkl. KZ)

2014: 100% Erwerbstätigkeit netto 11'600.00 (inkl. KZ)

Vorsorgliche Massnahmen

Es werden die Kriterien von Art. 125 Abs. 2 ZGB mit einbezogen bei der Beurteilung des

Unterhalts. Erfolgt die Trennung 2010 und ist Mathilde da 7 Jahre alt, arbeitet die Mutter bereits zu

40%, wird voraussichtlich eher vom effektiven, statt dem hypothetischen Einkommen ausgegangen

(Fr. 800.00) für die Dauer der Trennung. Indes ist auf den Zeitpunkt der Scheidung hin eher die

Frage der Anknüpfung an die frühere Ausbildung, ohne weitere Übergangszeit aktuell11

.

Fallstricke ZPO

Eheschutz-/ Trennungs- und Scheidungsverfahren: Eigenversorgungskapazität: Unterschiede im

Nachweis der Bemühungen nach Arbeitssuche und der Höhe des hypothetischen Einkommens?

8 Bger. 5A_579/2011 (27.9.2011), E. 2.1.

9 Bger. 5A_879/2011 (9.3.2012), E.2

10 Bger. 5A_579/2011 (27.9.2911), E.2.

11 Sinngemäss: Bger. 5A_381/2011 (10.11.2011), E. 5.3.

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5

Unentgeltliche Rechtspflege: Wird diese abgewiesen ist das Rechtsmittelverfahren hiegegen

gemäss Bundesgericht kostenpflichtig. Das Obergericht des Kantons Zürich setzt sich mit diesem

Bger.Entscheid auseinander und wendet diese Praxis nicht an.12

Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2022

Annemarie Maier Tobler, 47 Jahre alt 40 % dipl. Berufsmasseurin

Lohn 1'800/Monat, in Ausbildung

Peter Tobler, 47 Jahre alt Angestellter der eigenen GmbH

Lohn 5'500/Monat (kein 13. Monatslohn)

Kinder

Thomas, 24 Jahre alt leben beide nicht mehr zu Hause

Mathilde, 20 Jahre alt beide in Ausbildung

Eigenversorgungskapazität von Annemarie Maier Tobler

Ausmass der Erwerbstätigkeit

Das Bundesgericht hat keine einheitliche Regel in Bezug auf die Ausdehnung der Erwerbstätigkeit

bei Zuverdienerehen, in welchen die Frauen bei der Scheidung über 45 Jahre alt sind. Sind sie

zwischen 50-60 Jahren, wird eher auf die Ausdehnung auf 100% abgesehen, wenn sie bereits

zwischen 50-80% erwerbstätig waren (vgl. Die zahlreichen angeführten Bger.Entscheide im

Referat vom 15.11.2011; insbesondere:13

).

Ausbildung während des Scheidungsverfahrens

Ist von der ursprünglichen Ausbildung (Handelsdiplom; keine Berufspraxis 24 Jahre lang)

auszugehen oder von der neuen Situation (neue Ausbildung) als erste der zu beantwortenden

Fragen. Bei ersterem ist der Wiedereinstieg sehr schwierig. Es müssen mehr Kurse für die

Aktualisierung des Wissens gemacht werden. Das führt m.E. dazu, dass die Übergangsfrist länger

12

Bger. 5A_405/2011; Oger. Kanton Zürich, II. ZK, PC110052, vom 23.11.2011

13 Bger. 5A_340/2011 (Ehefrau 52 Jahre alt bei der Trennung, 55 Jahre alt bei der Scheidung). Das

Alter ist in einer Zuverdienerehe nur in beschränktem Umfang zu berücksichtigen: 5A_206/2010.

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zu beantragen bzw. anzusetzen ist. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass

über die Dauer der Übergangsfristen eine sehr uneinheitliche Bundesgerichtspraxis besteht (siehe

Referat, S.11). Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsmarkt für eine Frau mit 47 Jahren als

Berufs-Wiedereinsteigerin weitaus härter ist.

Wird die neue berufliche Situation berücksichtigt, dann fragt sich, ob die eine Ausbildung (dipl.

Berufsmasseurin) allein massgebend ist, oder ob die Berufs- und Einkommensaussichten für beide

Ausbildungen zusammen berücksichtigt werden. Pragmatisch gesehen sind die Lohnaussichten

besser bei Berücksichtigung beider Ausbildungen. Es können für die eigene Praxis mehr Klienten

in einem kürzeren Zeitraum akquiriert werden.

40% in Praxisgemeinschaft, 2022 und 2023 netto Fr. 1‘800.00 Wird der 2. Teil der Ausbildung nicht als not- wendig anerkannt: 100%: Tätigkeit eigentlich ab 2014. Aufbau der Praxis wie folgt: Annahme: 2024: netto Fr. 3‘000.00 2025: netto Fr. 3‘700.00 2026: netto Fr. 4‘400.00 2027: netto Fr. 5‘100.00 2028: netto Fr. 5‘800.00

Wird der 2. Teil der Ausbildung mit berücksichtigt: Annahme:

2022 / 2023 / 2024 : 40% netto Fr. 1‘800.00 2025 netto Fr. 3‘700.00 2026: netto Fr. 5‘000.00 2027: netto Fr. 6‘000.00

Zu den Kosten der Ausbildung sagt das Bundesgericht, dass der Ehemann nur daran zu beteiligen

ist, wenn er sich auf die eine oder andere Art bereit erklärt hat, diese zu finanzieren14

. Unter

Hinweis auf die i.d.R: dadurch möglichen besseren Lohnaussichten ist diese Praxis etwas

befremdlich.

Leistungsfähigkeit von Peter Tobler

Als Angestellter der eigenen Firma (GmbH) wird das Einkommen gemäss Bundesgericht wie

dasjenige eines selbständig Erwerbenden betrachtet15

. D.h. das Einkommen der letzten 3-5 Jahre

ist massgebend, wobei Spitzenjahre (positive oder negative) weggelassen werden. Zufolge der

neuen steuerrechtlichen Behandlung wird derzeit oft ein eher tiefer eigener Lohn festgelegt und

zusätzlich eine Dividende ausbezahlt. Die Dividende ist als weiterer Bezug zum Lohn

14

Bger. 5A_649/200

15 Bger. 5P_127/2003: Abzustellen ist auf die Gesamtheit der Bezüge.

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7

hinzuzuzählen. Eventualiter ist vom hypothetischen Einkommen als BS-Lehrer auszugehen, 100%.

Es werden ihm da nicht mehr oder weitere Anstrengungen zugemutet (als jene als Angestellter in

seiner eigenen Firma), aber aufgrund analoger Anstrengungen kann er ein weit höheres

Einkommen erzielen als jenes, das er angeblich neu in der Firma nur noch erzielen kann. Der

Arbeitsmarkt für BS-Lehrer ist im Übrigen derzeit das Gegenteil von ausgetrocknet, so dass die

Rückkehr in den angestammten Beruf als zumutbar betrachtet werden könnte.

Vorsorgliche Massnahmen

Absolviert Annemarie Maier Tobler schon zu Beginn und während der Trennungszeit bereits die

obgenannte Ausbildung, wird diese eher berücksichtigt, als wenn sie gedenkt, diese erst nach der

Scheidung zu beginnen.

Fallstricke ZPO

Fragen im Zusammenhang mit der Stufenklage

Das Einkommen von Peter Tobler als Angestellter der eigenen Firma ist nicht bzw. teilweise

bekannt. Nicht bekannt ist, ob und welche Privatbezüge er aus der eigenen Firma tätigt. Sodann ist

die Höhe der Dividende der letzten Jahre zu eruieren. Mit Einleitung der Scheidungsklage sind die

Rechtsbegehren zu stellen (Art. 290 ZPO). Sind die finanziellen Verhältnisse nicht oder nur

teilweise bekannt, ist zum Einen der Antrag auf Edition zu stellen. Sodann ist der Antrag zu stellen

auf Leistung von Unterhaltsbeiträgen. Ist dieser zweite Antrag generell zu stellen („angemessene

Unterhaltsbeiträge“) oder ist er bereits zu beziffern z.B. mit dem Begriff „mindestens“ und ist die

Dauer der zu erbringenden Unterhaltsleistung durch Peter Tobler an Annemarie Maier Tobler

bereits festzuhalten im Antrag? Die Meinungen gehen auseinander16

.

16

Als eine der Meinungen: Martin Kaufmann, „Rechtsfragen zur Regelung der Scheidungsfolgen“,

FamPra.ch 4/2011, S. 899-913

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Eigenversorgungskapazität Jeanne DuBois, Rechtsanwältin, Zürich Vorsorgeunterhalt und Dauer der Unterhaltszahlungen Prof. Thomas Geiser, St.Gallen

Vorsorgeunterhalt

Welches Erwerbseinkommen soll der Ehemann in Zukunft erzielen? Was wird der Ehemann an Unterhalt bezahlen müssen? Wie hoch wird die Altersrente sein, welche der Ehemann auf Grund der ihm nach dem Vorsorgeausgleich verbleibenden Freizügigkeitsleistung und seinen künftigen Beiträgen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträgen und Zinsen) erhalten wird?

Welches Einkommen soll die Ehefrau in Zukunft selber erzielen? Welchen Beitrag an den laufenden Unterhalt wird der Ehemann nach der Scheidung leisten müssen? Wie hoch wird die Altersrente sein, welche die Frau auf Grund der aus dem Vorsorgeausgleich erhaltenen Freizügigkeitsleistung und ihren eigenen künftigen Beiträgen

Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2013

Annemarie Maier Tobler, 36 Jahre alt 40 % im Verkauf, Lohn 800/Monat

(kein 13. Monatslohn)

Peter Tobler, 36 Jahre alt 80 % als BS-Lehrer, Lohn 9'800/Monat

(inkl. 13. Monatslohn und KZ)

Kinder

Thomas, 13 Jahre alt leben bei der Mutter seit der Trennung

Mathilde, 9 Jahre alt 2010

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 2

erhalten wird? Was fehlt zur angemessenen Altersvorsorge? Kann dies der geschiedene Ehemann bezahlen, ohne auf eine eigene angemessene Altersvorsorge verzichten zu müssen? Wie können die Leistungen erbracht werden: - Kapital? - Erhöhung der laufenden (befristeten) Rente? - Verlängerung der Pflicht, eine Rente zu bezahlen?

Beide Ehegatten waren 22 Jahre alt, als sie heirateten. Es ist folglich anzunehmen, dass sie vor der Ehe keine berufliche Vorsorge aufbauen konnten. Peter wird von seinem Einkommen und seiner Anstellung her über eine volle zweite Säule verfügen, während Annemarie ein Einkommen unter dem koordinierten Lohn nach Art. 7 f. BVG hat. Sie wird folglich über keine berufliche Vorsorge verfügen. In der Scheidung sind gemäss Art. 122 ZGB die Vorsorgen beider Ehegatten hälftig zu teilen. Beide Ehegatten werden demnach nach der Scheidung über Guthaben in der beruflichen Altersvorsorge verfügen, welche der Hälfte einer Versicherung für ein Einkommen von Fr. 9‘800/Monat im Zeitpunkt der Scheidung entspricht.

Lücken in der Vorsorge des geschiedenen Ehemannes:

Der Mann wird nach der Scheidung auf seinem ganzen Einkommen Beiträge an die Berufliche Vorsorge bezahlen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträge). Insofern wird seine Vorsorge nicht nur im Rahmen der verbliebenen Vorsorge weitergeführt, sondern auch wieder aufgebaut. 1. Weil der Ehemann mit der Scheidung die Hälfte seiner Austrittsleistung abtreten

musste, weist seine Berufliche Vorsorge aber dennoch eine Lücke auf. Er kann diese Lücke durch einen Einkauf stopfen (Art. 22c FZG), sofern er dieses Geld aufbringen kann.

Allerdings ist streitig, ob er sich für den Einkauf sofort nach der Scheidung entscheiden muss oder ob er diesen Einkauf auch später noch vornehmen kann.1 M.E. muss der Einkauf auch in einem späteren Zeitpunkt noch möglich sein. Im Zeitpunkt der Scheidung macht dieses Recht meistens keinen Sinn, weil dann der Vorsorgenehmer nicht über die dafür nötigen Mittel verfügt. Die meisten Vorsorgeeinrichtungen sehen

1 Vgl. THOMAS GEISER/CHRISTOPH SENTI, in: Schneider/Geiser/Gächter (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar

BVG und FZG, Bern 2010, Art. 22c FZG N 7 ff.

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 3

die Möglichkeit des Einkaufs bis zur vollen Altersvorsorge ohnehin vor, so dass insoweit sich die Frage praktisch selten stellt. Mit Blick auf die nachstehende zweite Frage, kann aber sehr wohl von Bedeutung sein, ob es sich um einen Einkauf nach Art. 22c FZG oder einen sonstigen Einkauf handelt.

Streitig ist ebenfalls, ob der Einkauf in das BVG-Obligatorium erfolgen kann oder ob die entsprechenden Beträge nur der überobligatorischen Vorsorge gutzuschreiben sind wie bei anderen Einkäufen.2 Gedanke der Regelung im FZG ist, dass sich der Ehegatte mit dem Einkauf gleich stellen können soll, wie wenn nie ein Vorsorgeausgleich erfolgt wäre. Von daher muss der Einkauf ins Obligatorium möglich sein. Die Frage, ob die entsprechenden Beträge dem Obligatorium zuzurechnen sind oder nicht, ist insbesondere mit Blick auf den BVG-Zinssatz und den BVG-Umwandlungssatz von grosser praktischer Bedeutung.

2. Erhöht der geschiedene Ehemann später seinen Beschäftigungsgrad von 80 auf 100%,

so wird er sich in der Regel auch für den höheren Verdienst in die Pensionskasse einkaufen können. Dieser Einkauf betrifft aber – unabhängig der Höhe des Einkommens – immer nur das Überobligatorium. Die Pensionskassen sind auch nicht verpflichtet, diesen Einkauf zuzulassen. In der Regel ist er aber in den Reglementen vorgesehen. Der Einkauf setzt auch hier voraus, dass der Ehegatte über die entsprechenden Mittel verfügt.

Lücken in der Vorsorge der geschiedenen Frau

Die Frau hat mit der Scheidung eine Freizügigkeitsleistung erhalten, welche der Hälfte dessen entspricht, was ein Vorsorgenehmer im entsprechenden Alter an Guthaben haben muss, um sich bei einem Einkommen von Fr. 9‘800/Monat voll einkaufen zu können. Eine genaue Berechnung dieses Betrages ist nicht möglich, weil es auf die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Vorsorgeeinrichtung ankommt. Eine überschlagsmässige Berechnung kann aber folgendermassen vorgenommen werden: Jahreseinkommen 12 x 9‘800.- 117‘600.- Minus Koordinationsabzug: 24‘360.- Koordinierter Lohn 93‘240.- Die Vorsorgeleistung basiert auf diesen Fr. 93‘240/jährlich. Die Hälfte davon sind folglich Fr. 46‘620.-. Dazu ist wiederum der Koordinationsabzug von Fr. 24‘240.- zu zählen, was Fr. 70‘860.- ergibt. Die Freizügigkeitsleistung, welche die Frau in der Scheidung erhält, sollte somit ausreichen, um sich bei diesem Einkommen in die Altersvorsorge vollständig einzukaufen. Dennoch hat die geschiedene Ehefrau unter Umständen Lücken in ihrer Altersvorsorge: 1. Soweit die Frau nach der Scheidung während einer gewissen Zeit gar nicht oder nur

beschränkt erwerbstätig ist, kann sie ihre Altersvorsorge gar nicht auf diesem Niveau

2 Vgl. GEISER/SENTI, Art. 22c FZG N 16 ff.

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 4

weiterführen. Sie kann mangels Erwerbstätigkeit keine Beiträge leisten3. Jährlich entsteht somit eine Lücke in der Altersvorsorge trotz Zinsertrag auf ihrer Austrittsleistung.

Soweit sie allerdings nunmehr einer Erwerbstätigkeit nachgeht, führt sie die Altersvorsorge mit ihren Beiträgen weiter.

2. Soweit die Frau ein höheres Erwerbseinkommen als der genannte Betrag hat, besteht

selbstverständlich auch bei ihr eine Lücke in der Altersvorsorge. Eine solche besteht auch, wenn sie erst einige Jahre nach der Scheidung ihre Erwerbstätigkeit ausbaut.

Ausgleich der Lücke in der Vorsorge der Frau durch Vorsorgeunterhalt

Für die Berechnung des Vorsorgeunterhaltes gehe ich im Folgenden aus Gründen der Praktikabilität und der Didaktik nicht genau von der Lösung aus, welche sich aus den Ausführungen von Jeanne DuBois zur Eigenversorgungskapazität ergibt. Ich nehme vielmehr an, dass die Frau sofort ihre Erwerbstätigkeit von 40% auf 50% erhöhen kann. Sobald das jüngste Kind das 16. Altersjahr zurückgelegt hat, kann von ihr verlangt werden, dass sie einer vollen Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese sollte dann auch ein Einkommen ihm Rahmen eines normalen Niedriglohns bieten, von daher sollte sie dann auf ungefähr 3‘500.- p-M. kommen. Daraus ergeben sich folgende Unterhaltsberechnungen, von denen für die Berechnung des Vorsorgeunterhaltes auszugehen ist:

Einkommen der geschiedenen Ehefrau: 2012 bis 1019 Erwerbseinkommen (50%): 1‘000.- Unterhaltsbeträge des geschiedenen Ehemannes 3‘000.-4 Total: 4‘000.- 2020 bis Pensionierung Erwerbseinkommen (100%): 3‘500.- Unterhaltsbeiträge des geschiedenen Ehemannes: 3‘000.- Total: 6‘500.- Einkommen ab Pensionierung: Für die AHV müsste im Einzelfall eine genaue Berechnung bei der Ausgleichskasse erfragt werden. Die hier vorhandenen Angaben sind zu ungenau, um eine genaue Rechnung

3 Vgl. aber die Bemerkung vorn zu Art. 47 BVG.

4 Der Betrag entspricht in etwa der Differenz zwischen den Einkommen. Die Ehe war mit Blick auf deren

Dauer und die Kinder sicher lebensprägend. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht somit kein Grund für eine erhebliche Kürzung.

Massgeblich ist auch hier Art. 125 ZGB

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 5

vornehmen zu können. Zu beachten ist allerdings auch, dass die Berechnung für die Zukunft ohnehin mit einer Vielzahl von Unsicherheiten und Ungenauigkeiten verbunden ist. Massgeblich ist die Rentenskala 44, ein durchschnittliches eigenes Jahreseinkommen ca. Fr. 42‘000.- plus Splitting für Ehejahre und Gutschriften für die Kinderbetreuung. Daraus ergibt sich sicher keine Maximalrente es sollte aber möglich sein, auf eine Rente von knapp Fr. 1‘900.- monatlich zu kommen. Bezüglich der Zweiten Säule ist zu beachten, dass die geschiedene Ehefrau aus dem Vorsorgeausgleich einen gewissen Betrag erhalten hat. Hätte sie diese Vorsorge uneingeschränkt weiterführen können, so hätte sie nunmehr eine Rente von etwa Fr. 2‘400.- monatlich5. Ob eine Weiterführung rechtlich unabhängig vom Erwerbseinkommen möglich ist, wird in der Lehre unterschiedlich beurteilt. M.E. gibt es aber Fälle, in denen eine Weiterführung nach Art. 47 BVG möglich sein muss.6 In aller Regel stellt sich die Frage indessen nicht, weil es an den Mitteln fehlt, um die Vorsorge so weiterführen zu können. Die geschiedene Ehefrau wird aber vorliegend zusätzlich ein (netto) Erwerbseinkommen von Jährlich von ca Fr. 42‘000.- erzielen. Sie wird somit eine zweite Säule aufbauen. Unter Berücksichtigung des Koordinationsabzuges Fr. 24‘360.- sind auf ca. Fr. 22‘000.- (Bruttoeinkommen) BVG-Beiträge zu bezahlen. Daraus ergibt sich, dass die geschiedene Ehefrau wohl grundsätzlich eine volle Rente auf Grund des Vorsorgeplanes ihrer Pensionskasse erhalten wird. Wie hoch diese allerdings genau sein wird, lässt sich nur auf Grund des Rentenplanes der konkreten Vorsorgeeinrichtung bestimmen. Weil möglicherweise ein Teil der im Rahmen des Vorsorgeausgleichs erhaltenen Freizügigkeitsleistung dem überobligatorischen Bereich zuzurechnen ist, lässt sich nicht einmal auf Grund der Bestimmungen des BVG der Mindestbetrag errechnen. Zudem ist zu beachten, dass wegen der Sanierungsmassnahmen nicht einmal mehr das BVG-Minimum für das Obligatorium garantiert ist. Eine Nachfrage bei der Vorsorgeeinrichtung ist unumgänglich. Bei den weiteren Berechnungen wird davon ausgegangen, dass die Altersrente gemäss dem Vorsorgeplan der Pensionskasse so angesetzt ist, dass sie ungefähr 50% des Brutto-Lohnes beträgt (vorliegend ca. Fr. 46‘200.-). Das entspricht der derzeitigen Regelung der Pensionskasse des Kantons St. Gallen und führt dazu, dass das von der Verfassung vorgegebene Ziel ungefähr erreicht wird. AHV-Rente: ca. 1‘900.- BVG-Rente: ca. 1‘925.- Total: ca. 3‘825.- Was fehlt ihr nun an Einkommen? Vgl. dazu hinten.

Einkommen des geschiedenen Ehemanns: Der geschiedene Ehemann kann seine Erwerbstätigkeit auf 100% erhöhen. Auch bei ihm ist allerdings zu berücksichtigen, dass Veränderungen des Pensums jeweils nur auf ein neues Semester, eventuell auch nur auf ein neues Schuljahr, möglich sind. Davon sind nun aber die Unterhaltsbeiträge, welche der geschiedene Ehemann für die Kinder bezahlen muss

5 Vgl. vorn.

6 Vgl. GEISER/SENTI, Art. 47 BVG N 51 ff.

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 6

abzuziehen. Diese gehen ohne weiteres über die Mündigkeit hinaus. Im Folgenden gehe ich beispielhaft – und damit ungenau - davon aus, dass er pro Kind Fr. 1‘900.- bezahlen muss und dass beide Kinder über die Mündigkeit hinaus in Ausbildung sind, so dass diese Beträge bei beiden Kindern zu bezahlen sind, bis sie je 22 Jahre alt sind. Überdies ist der Unterhaltsbetrag zu berücksichtigen, den er der geschiedenen Frau ausrichten muss.7 2012 bis 2021 (Wegfall Unterhaltsbeitrag an Sohn) Erwerbseinkommen (100%): 12‘250.- Unterhalt an beide Kinder: ./. 3‘800.- Unterhalt an geschiedene Ehefrau: ./. 3‘000.- Total: 5‘450.- 2021 bis 2025 (Wegfall Unterhaltsbeitrag an Tochter) Erwerbseinkommen (100%): 12‘250.- Unterhalt Tochter: ./. 1‘900.- Unterhalt an geschiedene Ehefrau: ./. 3‘000.- Total: 7‘350.- Es besteht kein Grund den Unterhalt an die geschiedene Ehefrau zu kürzen, da die Ehe lebensprägend war und die geschiedene Frau noch immer erheblich weniger verdient als der geschiedene Ehemann. Allerdings dürfte es bei den derzeitigen kantonalen Praxen schwierig sein, auf so lange Zeit einen Unterhaltsbeitrag in dieser Höhe zugesprochen zu erhalten. Vgl. dazu meinen Aufsatz zur letzten Tagung, publiziert in FamPra 2012. 2025 bis Pensionierung Erwerbseinkommen (100%) 12‘250.- Unterhaltsbeitrag an geschiedene Ehefrau: ./. 3‘000.- Total: 9‘250.- Nach der Pensionierung: Der geschiedene Ehemann erhält voraussichtlich eine maximale AHV-Rente von Fr. 2‘320.- im Monat. Er hat ein Einkommen, das über dem für eine Maximalrente notwendigen liegt. Das Splitting in der Scheidung könnte aber die anrechenbaren Beiträge so stark einschränken, dass keine maximale Rente mehr bezahlt wird. Auch hier müsste bei der Ausgleichskasse eine Abklärung getroffen werden. Bei der beruflichen Vorsorge steht dem geschiedenen Ehemann sicher nur dann eine nach dem Vorsorgeplan der betroffenen Vorsorgeeinrichtung vollständige Altersrente zu, wenn er sich nach dem Vorsorgeausgleich wieder eingekauft hat. Ein solcher Einkauf schmälert allerdings die ihm für den Verbrauchsunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel. Ob dieser Einkauf anschliessend den Regeln des BVG-Obligatoriums untersteht oder nicht, ist umstritten. M.E erfolgt der Wiedereinkauf in jenen Bereich, dem die Mittel für den Vorsorgeausgleich entnommen worden sind8. Ausgehend von einem Wiedereinkauf nehme ich auch hier an, dass die Rente 50% des versicherten Verdienstes ausmacht. Es ergibt sich folglich folgendes Einkommen:

7 Vgl. dazu vorn.

8 Vgl. GEISER/SENTI, in: Schneider/Geiser/Gächter (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar BVG und FZG, Bern

2010, Art. 22c N 16 ff.

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 7

AHV-Rente 2‘320.- BVG-Rente 4‘900.- Total: 7‘220.- Ev noch Unterhalt an die geschiedene Frau?

Es stellt sich die Frage, ob der geschiedene Ehemann nach der Pensionierung weiterhin Unterhalt bezahlen muss. Die geschiedene Frau hat mit offensichtlich ein erheblich tieferes Renteneinkommen als der geschiedene Ehemann (Fr. 3‘900.- im Vergleich zu Fr. 7‘220.-). Ausgehend davon, dass im Alter das Einkommen ca. 60% des bisherigen Einkommens entsprechen sollte und die Rente aus der Zweiten Säule folglich ca. 50% des Einkommens vor der Pensionierung ausmachen sollte, müssten die Alimente, welche die Frau bis zur Pensionierung erhalten hat, ebenfalls zu ca. 50% ersetzt werden, d.h. sie müsste noch ca. 1‘500.- erhalten. Ein Teil der Lehre und ihr folgend auch das Bundesgericht geht nun so vor, dass berechnet wird, wie hoch die Arbeitnehmer und Arbeitgeberbeiträge auf den Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehemannes wären, wenn es sich dabei nicht um Unterhalt sondern um Lohn handeln würde.9 Das ist insofern erstaunlich, als bezüglich der ähnlichen Frage im Haftpflichtrecht, nämlich bezüglich der Berechnung des sogenannten Rentenschadens längst Lehre und Rechtsprechung erkannt haben, dass eine Berechnung über die Beiträge nicht zielführend ist (Imput-orientierte Methode) sondern vielmehr output-orientiert direkt berechnet werden muss, wie hoch dereinst die Altersrente sein soll, und deren Wert kapitalisiert wird. Auch hier besteht allerdings eine Vielzahl von Ermessensfragen, so dass eine Berechnung immer nur eine Annäherung sein kann. Ähnlich wie hier vorgeschlagen, geht auch das Obergericht des Kantons Zürich vor.10 Allerdings geht es für die Berechnung der Altersrente vom nach dem BVG-Umwandlungssatz notwendigen Kapital aus. Da der BVG-Umwandlungssatz erheblich höher ist als der von den Lebensversicherern angewendete, bleibt die Berechnung zu Lasten des Berechtigten ungenau.

Die output-orientierte Berechnung und Regelung kann nun auf verschiedene Weise erfolgen.

9 BGE 135 III 159 f. E. 4.2.

10 OberGer ZH, Urteil vom 14. April 2009, Nr. LC080045/U, Erw. II/1/f.

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 8

1. Ausgleich mit einer lebenslangen Unterhaltsrente Der geschiedene Ehemann müsste nun nach der Pensionierung weiterhin eine Rente im Betrag von Fr. 1‘500.- monatlich bezahlen. Mit Blick auf sein Einkommen von Fr. 7‘220.- monatlich ist ihm das ohne weiteres zumutbar. Es verbleiben ihm 5‘720.-. Die Frau hat dann Fr. 5‘400.-. Stirbt der Mann, wird die Frau von seiner Pensionskasse eine Witwenrente im entsprechenden Betrag erhalten.11 Allerdings besteht eine gewisse Gefahr, dass er bei seiner Pensionierung Kapital statt Rente bezieht, was die geschiedene Frau nicht verhindern kann. Dann erhält sie bei seinem Tod gar nichts mehr oder erheblich weniger. Zudem verliert sie ihre Ansprüche, wenn sie sich wieder verheiratet oder in einem gefestigten Konkubinat lebt. Psychologisch hat die Lösung den Nachteil, dass der geschiedene Ehemann auch im hohen Alter noch immer monatlich daran erinnert wird, dass er einmal verheiratet war, und auch weiterhin gewisse Ansprüche auf Auskunft bestehen, z.B. ob die Frau sich wieder verheiratet hat oder in einem gefestigten Konkubinat lebt. Zudem ist bei jeder Rente das Insolvenzrisiko zu beachten. 2. Kapitalzahlung im Zeitpunkt der Scheidung Damit könnte sich die Frau eine aufgeschobene lebenslange Rente kaufen. Eine genaue Berechnung des dafür notwendigen Kapitals ist nur im konkreten Fall möglich. Die Versicherung richtet sich nicht nach dem BVG sondern nach dem VVG. Es müsste folglich eine Offerte eingeholt werden. Eine annähernde Berechnung ist mit Leonardo möglich.12 Bei einer Rente von Fr. 18‘000.- jährlich ergibt sich ein Kapital von ca. Fr. 110‘000.-. Die Versicherungsgesellschaft wird voraussichtlich erheblich mehr verlangen. Wenn dies geschickt abgewickelt wird, ist dies für die Frau steuerlich die günstigste Lösung. Für den geschiedenen Ehemann ist die Kapitalabfindung steuerlich ungünstig. Es besteht für die Frau kein Insolvenzrisiko. Meistens ist aber das erforderliche Kapital nicht vorhanden, so dass diese Lösung ausscheidet. Zu beachten ist überdies, dass diese Lösung erbrechtliche Folgen hat, wenn sich der Mann wieder verheiratet: Weil die Schuld mit in Bezug auf die zweite Ehe aus vorehelichem Vermögen abgetragen worden ist, verbleibt mehr Einkommen während der zweiten Ehe, das gespart und als Errungenschaft zu einem erheblichen Teil zu Lasten der Kinder aus erster Ehe der zweiten Ehefrau zugehalten werden kann. 3. Erhöhung der bis zur Pensionierung geschuldeten Unterhaltsrente Hier wird nun das vorgängig berechnete Kapital wieder verrentet. Die Verrentung erfolgt wiederum aufgrund von Leonardo13. Es ergibt sich eine Erhöhung der monatlichen Verbrauchsrente um Fr. 515.-. Dieser Betrag stellt nun den Vorsorgeunterhalt in Rentenform dar. Diese Lösung hat für die Frau den Vorteil, dass sie sich im Alter wiederverheiraten kann, ohne eine Einbusse in der Rente zu erleiden. Sie ist für den geschiedenen Ehemann

11

Art. 19 BVG und Art. 20 BVV 2. 12

Aufgeschobene Leibrente Frauen, Mortalität (Tabelle 4y), 3.5 %, Alter 36, aufgeschoben um 28 Jahre, Faktor 6,01.

13 Temporäre Leibrente Frauen (Tabelle 2y), 3,5 %, Alter 36, Dauer 28 Jahre, Faktor 17.79.

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 9

steuerlich die günstigste Lösung, für die geschiedene Ehefrau steuerlich die ungünstigste. Das Insolvenzrisiko besteht natürlich auch hier. Psychologisch birgt die Lösung die grosse Gefahr, dass die Frau den Betrag für die laufenden Bedürfnisse verbraucht und dann im Alter doch kein genügendes Einkommen hat. Sie widerspricht insofern auch den Interessen der Allgemeinheit.

*****

***

*

18.5.12/Thomas Geiser

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Vorsorgeunterhalt

Beide Ehegatten waren 22 Jahre alt, als sie heirateten. Es ist folglich anzunehmen, dass sie vor der Ehe keine berufliche Vorsorge aufbauen konnten. Peter wird von seinem Einkommen und seiner Anstellung her über eine volle zweite Säule verfügen. Er verfügt wohl neben seiner eigentlichen Vorsorge noch über ein Freizügigkeitsguthaben oder –konto, auf dem ein Teil der Freizügigkeitsleistung platziert ist, welche ihm bei seinem Stellenwechsel ausgerichtet wurde. Bei seiner GmbH verdient er erheblich weniger als er früher als Berufslehrer. Er wird folglich nicht die ganze Freizügigkeitsleistung für den Einkauf in der neuen Pensionskasse verwendet haben. Annemarie hat ein Einkommen unter dem koordinierten Lohn nach Art. 7 f. BVG. Sie wird folglich über keine berufliche Vorsorge verfügen. In der Scheidung ist gemäss Art. 122 ZGB die Vorsorge hälftig zu teilen. Beide Ehegatten werden demnach nach der Scheidung über eine berufliche Altersvorsorge verfügen, welche der Hälfte einer Versicherung für ein Einkommen von über Fr. 5‘500/Monat entspricht. Bei diesem Beispiel stellt sich die Frage, ob Peter den Vorsorgeausgleich ausschliesslich mit den Mitteln aus dem Freizügigkeitskonto begleichen kann und will und damit die Vorsorge bei seiner Pensionskasse unangetastet lassen kann und will. Für Annemarie ist es grundsätzlich gleichgültig, ob sie den Vorsorgeausgleich aus den Mitteln der Pensionskasse oder vom Freizügigkeitskonto erhält. Allerdings kann dies bedeutend werden, wenn Peter

Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2022

Annemarie Maier Tobler, 47 Jahre alt 40 % dipl. Berufsmasseurin

Lohn 1'800/Monat, in Ausbildung

Peter Tobler, 47 Jahre alt Angestellter der eigenen GmbH

Lohn 5'500/Monat (kein 13. Monatslohn)

Kinder

Thomas, 24 Jahre alt leben beide nicht mehr zu Hause

Mathilde, 20 Jahre alt beide in Ausbildung

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 2

stirbt. Die Begünstigtenordnung sieht nicht vor, dass die geschiedene Frau vom Freizügigkeitskonto beim Tod des Vorsorgenehmers etwas erhält. Demgegenüber kann sie sehr wohl als geschiedene Witwe von der Pensionskasse eine Witwenrente erhalten. Deren Höhe hängt aber davon ab, wie viel Alterskapital bzw. Altersente dem Versicherten zustand. Das Gesetz bestimmt nicht, aus welchem Guthaben der Vorsorgeausgleich zu tätigen ist. Es besteht höchstens ein Anspruch darauf, dass die Freizügigkeit in dem Ausmass in dem die Guthaben beim Pflichtigen dem Obligatorium unterstehen auch aus dem Obligatorium erfolgt. Von daher steht dem Pflichtigen die Wahl zu, aus welchem Guthaben er die Leistung erbringen will, weil die Berechtigte nicht ein rechtlich geschütztes Interesse daran geltend machen kann, aus einem bestimmten Guthaben befriedigt zu werden.

Lücken in der Vorsorge des Ehemannes:

Der Ehemann wird nach der Scheidung auf seinem ganzen Einkommen Beiträge an die Berufliche Vorsorge bezahlen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträge). Insofern wird seine Vorsorge im Rahmen seines Einkommens aus der GmbH weitergeführt. 1. Es ist davon auszugehen, dass er den Vorsorgeausgleich mit den Mitteln des

Freizügigkeitskontos beglichen hat, nicht mit Guthaben aus seiner derzeitigen Pensionskasse. Von daher wird er auch nach vollzogenem Vorsorgeausgleich keine Lücke in seiner Altersvorsorge auf seinem derzeitigen Einkommen haben.

2. Steigert Peter später sein Einkommen, so wird er sich in der Regel nach den Regeln der

Vorsorgeeinrichtung für den höheren Verdienst in die Pensionskasse einkaufen können. Dieser Einkauf betrifft – unabhängig der Höhe des Einkommens – immer nur das Überobligatorium. Die Pensionskassen sind auch nicht verpflichtet, diesen Einkauf zuzulassen. In der Regel ist er aber in den Reglementen vorgesehen. Der Einkauf setzt allerdings voraus, dass Peter über die entsprechenden Mittel verfügt.

Lücken in der Vorsorge der Ehefrau

Die Ehefrau hat mit der Scheidung eine Freizügigkeitsleistung erhalten. Eine genaue Berechnung dieses Betrages ist nicht möglich, weil es auf die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Vorsorgeeinrichtung ankommt. Eine überschlagsmässige Berechnung kann aber folgendermassen vorgenommen werden: 1. Der bisherige Arbeitsverdienst von Annemarie liegt mit Fr. 21‘600.- knapp höher als

der Koordinationsabzug und damit ist auch sie obligatorisch versichert. Die Grenze für das Obligatorium liegt bei einem Jahreseinkommen von Fr. 20‘880.-. Sie ist damit mit dem Minimalbetrag von Fr. 3‘480.- Jahreseinkommen versichert.1 Darauf wird sie auch in Zukunft Beiträge bezahlen.

1 Art. 7 BVG und Art. 3a BVV 2.

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SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 3

2. Während der Ehe hatte sie weniger verdient, so dass sie nicht von Anfang an die berufliche Sorge beigetragen hat. Sie kann sich folglich im Rahmen ihres bisherigen Verdienstes einkaufen. Dazu dient ihr die Freizügigkeitsleistung, die sie aus dem Vorsorgeausgleich erhalten hat. Der Betrag wird mehr als ausreichen.

3. Annemarie wird ihr Einkommen nach Abschluss der Ausbildung erheblich steigern. Das

ermöglicht weitere Einkäufe. Ein Teil wird sie mit der Freizügigkeitsleistung finanzieren können, die sie aus dem Vorsorgeausgleich erhalten hat. Im Einzelfall ist zu berechnen, was hier unter Umständen noch als Einkaufsbeträge fehlt.

Ausgleich der Lücke in der Vorsorge der Frau durch Vorsorgeunterhalt

Von den Umständen des Falls her, wird Peter wohl in den ersten Jahren nach der Scheidung Annemarie Unterhalt bezahlen müssen. Anschliessend verdient sie gleichviel, eventuell sogar mehr als er. Er wird ihr folglich keinen weiteren Unterhalt schulden. Es geht dann nur noch um die Frage, ob sie sich mit den Mitteln, die sie aus dem Vorsorgeausgleich erhalten hat, voll wird in eine Altersrente einkaufen können oder ob auf Grund ihrer Ausbildungszeit noch eine Lücke in der Vorsorge bleiben wird. Diese Lücke lässt sich ohne weiteres durch die Vorsorgeeinrichtung, der sie angeschlossen ist, berechnen. Sie hängt wesentlich vom Vorsorgeplan der Pensionskasse und vom Alter ab, in dem bei ihr die Einkommenssteigerung stattfindet. Es wird sich selbstverständlich immer nur um eine Schätzung handeln, weil in der beruflichen Vorsorge die Zinssätze (und auch der Umwandlungssatz) fast jährlich ändern. Zudem erfolgt der Einkauf nicht ins BVG-Obligatorium, so dass die Vorsorgeeinrichtung frei ist, mit welchen Zinssätzen und welchem Umwandlungssatz sie rechnen will. Eine Annäherung ist aber ohne weiteres möglich. Es stellt sich dann auch hier die Frage, wie der so errechnete Betrag zu tilgen ist. Hier sind der Einbezug in die für die erste Zeit nach der Scheidung wohl noch laufende Unterhaltsrente oder eine gewisse Verlängerung dieser Rente ohne weites sinnvoll. Demgegenüber macht es keinen Sinn, die Lücke in der beruflichen Vorsorge von Annemarie mit Unterhaltszahlungen im Rentenalter auszugleichen. Für eine Kapitalabfindung wird es auch hier an den notwendigen Barmittel fehlen.

*****

*** *

18.5.12/Thomas Geiser

Massgeblich ist auch hier Art. 125 ZGB

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Obergericht des Kantons Zürich EfMGEGAIBEI

0 7. Mai 2009 A~ 0 8.06. 0~

Geschäfts-Nr. LC080045/U

I. Zivilkammer

'·· ~ • • -~~ r

Mitwirkend: Die Oberrichter Dr. 8 . Suter, Vorsitzender, Dr. G. Hug-Beeli und

Oberrichterin Dr. 0 . Scherrer sowie die juristische Sekretärin lic. iur.

Ch. Baumann

Urteil vom 14. April 2009

in Sachen

Gesuchstellerin und Appellantin

gegen

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Ulrich Vogel-Etienne,

Peyer Partner Rechtsanwälte, Löwenstr. 17, Postfach 2217, 8021 Zürich

betreffend Ehescheidung

Berufung gegen ein Urteil des Einzelrichters im ordentlichen Verfahren

am Bezirksgericht -vom ~008

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Rechtsbegehren (sinngemäss):

"Es sei die Ehe der Parteien zu scheiden, unter gerichtlicher Regelung der Nebenfolgen sowie unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten."

Urteil nzelrichters im ordentli n Verfahren des

1. Die Ehe der Parteien wird geschieden.

2. Das Ki geb. 1992, wird unter die elterliche Sorge

der Gesuchstellerin gestellt.

3. Auf eine Regelung des Besuchsrechts wird verzichtet.

4. a.) Die Vormundschaftsbehörde wird ersucht, für das Kind-

992, einen Beistand im Sinne von Art. 308 Abs. 1 J ~ .

und 2 ZGB zu bestellen.

b.) Dem Beistand werden folgende Aufgaben übertragen:

- Unterstützung des sorgeberechtigten Elternteils;

-Vermittlung in Konfliktfällen zwischen den Eltern und der Tocht~r.

5. Der Gesuchsteller wird verpflichtet, ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis

zum ordentlichen Abschluss einer' angemessenen Erstausbildung des Kin­

des auch über die Mündigkeit hinaus an die Kosten des Unterhalts und der

Erziehung des Kindes monatlich im Voraus jeweils auf den Ersten des Mo­

nats zahlbare Unterhaltsbeiträge von Fr. 1 '700.- (zuzüglich allfälliger gesetz­

licher oder vertraglicher Kinderzulagen) zu bezahlen, zahlbar an die Ge­

suchstellerin solange das Kind in deren Haushalt lebt oder keine eigenen

Ansprüche stellt bzw. keinen anderen Zahlungsempfänger bezeichnet.

6. Diese Unterhaltsbeiträge basieren auf dem Landesindex der Konsumenten­

preise des Bundesamtes für Statistik (Stand bei Rechtskraft des Urteils; Ba-

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sis Dezember 2005 = 100 Punkte). Sie werden alljährlich auf den 1. Januar

der Veränderung des Indexstandes angepasst (nach der Formel: Unter­

haltsbeitrag mal neuer Index geteilt durch alten Index). Massgebend für die

Anpassung ist der Indexstand von Ende November des Vorjahres. Die erste

Anpassung erfolgt per 1. Januar 2009.

7. Der Gesuchsteller wird verpflichtet, der Gesuchstellerin persönlich monatli­

che Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen:

a) Fr. 5'300.- ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis 28. Februar 2009;

.,., b) Fr. 2'300.- von da an bis 30. November 2012;

c) Fr. 1'000.- von da an bis zum 30. November 2018 ;

d) Fr. 200.- von da an bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters

der Gesuchstellerin

~~ . 8. Diese Unterhaltsbeiträge unterstehen der Indexierung gernäss vorstehender

Ziffer 6.

Weist der Gesuchsteller nach, dass sich sein Einkommen nicht im Umfang

der Teuerung erhöht hat, so erhöhen sich die persönlichen Unterhaltsbeiträ­

ge an die Gesuchstellerin nur im Verhältnis der tatsächlich eingetretenen

Einkommenserhöhung.

9. Die nachfolgende Teilvereinbarung der Parteien wird genehmigt. Diese lau­

tet wie folgt:

"in güterrechtlicher Hinsicht vereinbaren die Parteien was folgt:

a) Der Gesuchsteller ist damit einverstanden, dass der Mietvertrag über die eheli-

che Wohnung nach Rechtskraft des Scheidungsurteils auf die Gesuchstellerin über­

schrieben wird, und der Gesuchsteller verpflichtet sich, das hierzu Nötige beizutra­

gen, sofern es seiner Mitwirkung bedarf.

b) Der Gesuchsteller verpflichtet sich, der Gesuchstellerin eine güterrechtliche

Ausgleichszahlung in der Höhe von Fr. 75'000.- zu bezahlen, zahlbar wie folgt:

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Fr. 25'000.- aus dem Vorsorgekonto bei der . Vorsorgestiftung der .

AG [Anteile · Vorsorgekonto Ne Va-

loren Nr .. - . Der GesuchsteUer verpflichtet sich, der Gesuchstellerin

nach Rechtskraft des Scheidungsurteils diesen Betrag auf ein von ihr noch zu

bezeichnendes Konto bei einer Einrichtung nach Art. 1 Abs. 1 BVV 3 oder bei

einer Vorsorgeeinrichtung zu übertragen.

Fr. 50'000.- bar, davon Fr. 10'000.- zahlbar sofort als anrechenbare Akonto­

zahlung und Fr. 40'000.- zahlbar innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Schei­

dungsurteils.

c) Im Übrigen behält jede Partei mit Aktiven und Passiven zu Eigentum, was sie

derzeit besitzt oder auf ihren Namen lautet."

10. Die Pensionskasse des Gesuchstellers wird angewiesen, mit Rechtskraft

des Scheidungsurteils vom Freizügigkeitskonto des Gesuchstellers (-

- AHV-Nr. geb. - 963) Fr. 171 '964 .- auf das

Freizügigkeitskonto der Gesuchstellerin bei der Freizügigkeitsstiftung der

.. AG, Postfach, AHV-Nr.

Kontonr. zu überweisen .

11 . Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

Fr. 7'500.00 ; die weiteren Kosten betragen :

Fr. 525.00 Dolmetscherkosten

Fr. 8'025.00

Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten .

12. Die Prozessentschädigungen werden wettgeschlagen .

Berufungsanträge:

Der Gesuchstellerin und Appellantin (Urk. 58 S. 2) :

1. Es sei Dispositiv Ziff. 7 des Urteils des Bezirksgerichtes-vom-112oos aufzuheben und durch folgende Fassung zu ergänzen:

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"Der Gesuchsteller und Appellat sei zu verpflichten, der Gesuchstellerin und Appellantin persönlich monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 7'518.-- zu be­zahlen, zahlbar monatlich im Voraus auf den ersten eines jeden Monats ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zum Erreichen des ordentlichen Ren­tenalters der Gesuchstellerin und Appellantin .

2. Es sei Dispositiv Ziff. 10 des Urteils des Bezirksgerichts -vom 8008 aufzuheben und durch folgende Fassung zu ersetzen:

"Die Pensionskasse des Gesuchstellers sei anzuweisen, den per Rechts­kraft der Scheidung ~008) im Sinne von Art. 122 ZGB berechneten hälftigen Betrag der während der Ehe geäufneten Austrittsleistungen des Gesuchstellers auf das Freizügigkeitsko lerin i der Frei-züg~er~G Po AHV-Nr.-Kontonr. sen."

3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MwSt) zulasten des Appellaten.

Des Gesuchstellers und Appellaten (Urk. 63 S. 2):

1. Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen;

2 . Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. Mehrwertsteuer) zu Lasten der Gesuchstellerin und Appellantin ."

Das Gericht zieht in Betracht:

1. Mit Urteil des Einzelrichters im ordentlichen Verfahren des Bezirkes

.vom ~008 wurde die Ehe der Parteien geschieden und wurden die

Nebenfolgen geregelt. Gegen diesen Entscheid liess die Gesuchstellerin am

21 . August 2008 rechtzeitig Berufung erheben (Urk. 47 und 48). Mit Verfügung

vom 10. September 2008 wurde dieses Urteil zwecks Ergänzung des Dispositivs

bezüglich der Regelung der Tragung der Gerichtskosten durch die Parteien an

den urteilenden Einzelrichter zurückgesandt (Urk. 52). Am 3. Oktober 2008 ging

die gernäss § 166 GVG berichtigte Fassung hierorts ein (Urk. 53), worauf die Ge­

suchstellerin auch gegen das berichtigte Urteil am 29. September 2008 Berufung

erhob (Urk. 54 und 55). Am 6. Oktober 2008 wurde der Gesuchstellerin Frist an-

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gesetzt, um ihre Berufungsanträge zu stellen und zu begründen (Urk. 56). Ihre

entsprechende Eingabe datiert vom 17. November 2008 (Urk. 58) . Mit Verfügung

vom 18. November 2008 wurde dem Gesuchsteller Frist angesetzt, um die Beru­

fung zu beantworten . Seine Berufungsantwortschrift ging in der Folge am 30. De­

zember 2008 hierorts ein (Urk. 63).

2. Mit Beschluss vom 8. Januar 2009 wurde die am 30. Dezember 2008 in

den nicht angefochtenen Punkten des vorinstanzliehen Urteils eingetretene

Rechtskraft festgestellt (Urk. 66) . Am 14. Januar 2009 wurden die Parteien auf

d~n 26. März 2009 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 69) . Mit Eingabe

vom 21. Januar 2009 reichte der Gesuchsteller noch Unterlagen bezüglich seiner

beruflichen Vorsorge ein (Urk. 70 , 72/1 +2) . Am 23 . Februar 2009 teilte die

Rechtsvertreterinder Gesuchstellerin mit, dass sie diese nicht mehr vertrete

(Urk. 73) . Mit Verfügung vom 6. März 2009 wurden die vom Gesuchsteller nach­

träglich eingereichten Unterlagen der Gesuchstellerin zugestellt (Urk. 74). Am

26 . März 2009 fand die Berufungsverhandlung statt, an deren Ende beide Partei­

en auf Teilnahme an der parteiöffentlichen Urteilsberatung und mündlichen Ur­

teilseröffnung verzichteten (Prot. II S. 26) .

II.

1. Strittig sind im Berufungsverfahren lediglich noch die nachehelich vom

Gesuchsteller zu bezahlenden Unterhaltsbeiträge an die Gesuchstellerin persön­

lich sowie die Höhe der an die Gesuchstellerin perRechtskraftdes Scheidungsur­

teils zu überweisende Freizügigkeitsleistung (Urk. 58 S. 2). Sofern der Unterhalts­

beitrag für den Ehegatten angefochten wird, können jedoch auch die Unterhalts­

beiträge für die Kinder neu beurteilt werden (Art. 148 Abs. 1 ZGB).

a) Oie Vorinstanz ging von einem unbestrittenen Nettoeinkommen des Ge­

suchstellers von Fr. 17'800.-- pro Monat aus (Urk. 46 S. 9) , was auch im Beru­

fungsverfahren anerkannt ist (Urk. 63 S. 5). Der Gesuchstellerin rechnete die Vor­

instanz ab 1. März 2009 ein hypothetisches Einkommen von Fr. 3'000.-- netto pro

Monat an (Urk. 46 S. 15). Für die Gesuchstellerin und die Tochter errechnete die

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Vorinstanz ohne Berücksichtigung des Vorsorgedefizites einen Bedarf von Fr.

6'713.70 (Urk. 46 S. 21) .

Für den Ausgleich des Vorsorgedefizites der Gesuchstellerin errechnete die

Vorinstanz einen monatlichen Betrag von Fr. 200.-- (Urk. 46 S. 24). Aufgrund der

guten finanziellen Verhältnisse der Parteien wurde der Unterhaltsbeitrag für die

Gesuchstellerin und die Tochter ammen demgernäss von der Vorin-

stanz in einer ersten Phase auf Fr. 7'000.-- pro Monat festgesetzt (Urk. 46 S. 24),

für die Gesuchstellerin persönlich auf Fr. 5'300.-- bis 28. Februar 2009 . Ab 1.

März 2009 bis 30. November 2012 wurde eine Reduktion auf Fr. 2'300.-- vorge­

nommen, danach bis 30 . November 2018 eine solche auf Fr. 1'000.-- und

schliesslich wurde der Unterhaltsbeitrag ab 1. Dezember 2018 bis zum Erreichen

des ordentlichen Pensionsalters der Gesuchstellerin auf Fr. 200.-- gesenkt (Urk.

46 S. 27 f.).

b) Die Gesuchstellerin erklärte sich im Berufungsverfahren mit der Höhe und

gestaffelten Zusprechung dieser Unterhaltsbeiträge nicht einverstanden und ver­

langte einen persönlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 7'518.-- ab Rechtskraft des

Scheidungsurteils bis zum Erreichen ihres ordentlichen Rentenalters (Urk. 58

S. 2). Vorab ist somit festzuhalten, dass der Zeitpunkt der Beendigung der Unter­

haltspflicht des Gesuchstellers nicht umstritten ist, sondern auch die Gesuchstel­

lerin keine über ihren Eintritt ins ordentlichen Rentenalters hinaus dauernden Un­

terhaltsbeiträge verlangt.

Primär wandte sich die Gesuchstellerin dagegen, dass ihr von der Vorin­

stanz ein hypothetisches Einkommen angerechnet worden sei (Urk. 58 S. 5 ff.).

Der Gesuchsteller habe die Familie verlassen, als-11 ,5 Jahre alt gewe­

sen sei. C- habe auf die familiäre Veränderung mit Anorexie und Selbstver­

letzung reagiert und psychiatrischer Begleitung bedurft. Sie habe daher präsent

sein und sich intensiv um die Tochter kümmern müssen . Noch im vergangenen

Jahr habe ihr die Ärztin Dr. -vo~ der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

abgeraten, um voll für C-da sein zu können. Die Vorinstanz habe auf die

Durchführung eines Beweisverfahrens verzichtet und in antizipierter Beweiswür­

digung entschieden, obwohl ein ärztliches Attest vorgelegen habe, welches ihr ei-

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ne nur 50%ige Arbeitsfähigkeit attestiere . Die von der Vorinstanz angezweifelte

angeschlagene Gesundheit von ihr und auch von ~ätte ihm Rahmen ei­

nes Beweisverfahrens abgeklärt werden müssen. Mittlerweile gehe es

besser, wobei jedoch nach wie vor eine Labilität bestehe und die Tochter zudem

stark pubertiere, was die Gesuchstellerin aufs Äusserste fordere . Im Übrigen sei

auch das hypothetische Einkommen durch die Vorinstanz zu hoch angesetzt war-

den (Urk. 58 S. 7 ff.). ,,

Die Gesuchstellerin machte bezüglich ihres gebührenden Bedarfs geltend ,

dass der Gesuchsteller bislang einen solchen in der Höhe von Fr. 6'500.-- für

sie und~nerkannt habe, wobei Fr. 5'228.-- auf ihren Bedarf entfallen

seien. Sie bezifferte denn auch im Berufungsverfahren ihren gebührenden Bedarf

(ohne Ausgleich Vorsorgedefizit und AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige) auf

Fr. 5'219.-- (Urk. 58 S. 16). An anderer Stelle bezifferte sie ihren gebührenden

Bedarf mit Fr. 7'518.-- (Urk. 58 S. 24 f.), wobei sie darin ein Vorsorgedefizit von

Fr. 2'000.-- sowie Kosten für Freizeit, Ferien und Mehrbedarf Kleider etc. von

Fr. 800.-- eingerechnet hatte . Diesen Betrag forderte sie wie erwähnt auch als

nachehelichen Unterhalt.

Der Gesuchsteller ging in Übereinstimmung mit der Vorinstanz davon aus,

dass die Gesuchstellerin ohne Weiteres ab März 2009 eine Vollzeitbeschäftigung

annehmen könne. Die inzwischen 16jährige Tochter bedürfe keiner besonderen

Betreuung durch die Mutter mehr.-sei nach den Ferien mit der Gesuch­

stellerin in - ohne Wissen der Gesuchstellerin allein in die Schweiz zurückge­

flogen und habe die erste Schulwoche ohne jede Betreuung hier verbracht. Es

wurde auch dementiert, da rössere Pubertätsprobleme aufweise. C. -besuche das Wirtschaftsgymnasium an der Kantonsschule- und ih­

re schulischen Leistungen hätten sich erfreulich verbessert. Die diesbezüglichen

Vorbringen der Gesuchstellerin würden der Vergangenheit angehören . Er bestritt,

dass die Gesuchstellerin gesundheitlich angeschlagen sei. Bereits die Vorinstanz

habe festgestellt, dass sie dem Gericht erstmals am 17. März 2008 ein entspre­

chendes ärztliches Zeugnis eingereicht habe. Dazu habe sie lediglich ausführen

können, dass sie seit Jahren an psychischen Problemen und Schlafstörungen Iei-

MD
Schreibmaschinentext
MD
Schreibmaschinentext
C.
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de. Auch das neuerliche Attest von lic. phil. sei kein aussa-

gekräftiger Bericht. Es werde bestritten, dass deswe§en eine nur teilweise Ar­

beitsfähigkeit bestehe. Zudem habe die Gesuchstellerin auch keinerlei Anstren­

gungen unternommen, auch nur eine Teilzeitstelle zu finden. Ausserdem spreche

sie mindestens so gut deutsch, dass sie anlässlich der Gerichtsverhandlung zeit­

weise auf den Beizug des bestellten Dolmetschers habe verzichten können

(Urk. 63 S. 5 ff.). Der Gesuchsteller stellte sich gernäss den vorinstanzliehen Aus­

führungen auf den Standpunkt, dass der gebührende Unterhalt der Gesuchstelle­

rin inkl. desjenigen der Tochter sowie des Ausgleichs des Vorsorgeschadens

Fr. 7'000.-- pro Monat jedenfalls nicht übersteige (Urk. 63 S. 10 f.). Der Gesuch­

steller wandte sich auch dagegen, der Gesuchstellerin einen höheren Betrag als

Fr. 200.-- für den Ausgleich der fehlenden Altersvorsorge zu bezahlen (Urk. 63

S. 15 ff.).

c) Nach Art. 125 Abs. 1 ZGB hat der eine Ehegatte dem anderen einen an­

gemessenen Beitrag zu leisten , sofern diesem nicht zuzumuten ist, selbst für den

eigenen Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge aufzu­

kommen. Art. 125 Abs. 2 ZGB führt die wichtigsten Gesichtspunkte auf, die der

Richter beim Entscheid in Erwägung zu ziehen hat, ob und gegebenenfalls in wel­

cher Höhe und Dauer ein Unterhaltsbeitrag zuzusprechen ist. Art. 125 ZGB ist

zum Einen Ausdruck des Prinzips der nach Beendigung der Ehe beiden Gatten

obliegenden Eigenversorgung, zum Andern konkretisiert diese Bestimmung aber

auch den Gedanken der nachehelichen Solidarität, der namentlich Bedeutung er­

langt, wenn es einem Ehegatten durch eine ehebedingte Beeinträchtigung seiner

wirtschaftlichen Selbständigkeit nicht zurnutbar ist, nach Auflösung der Ehe selbst

für seinen Unterhalt aufzukomrT;en (BGE 127 111 138 mit weiteren Hinweisen).

Voraussetzung und Grenze der Beitragsverpflichtung bildet schliesslich auf der

einen Seite der Bedarf des auf den Unterhaltsbeitrag angewiesenen Gatten, auf

der anderen Seite die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen.

Einerseits hat nach der Scheidung jeder Ehegatte für seinen Lebensunterhalt

möglichst selbst besorgt zu sein und muss die dazu notwendige Eigenständigkeil

anstreben. Anderseits wird der andere Ehegatte zur finanziellen Unterstützung

verpflichtet, da diese Autonomie durch die Ehe allenfalls eingeschränkt war. Es ist

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von der während der Ehe gelebten Aufgabenteilung auszugehen. Die Höhe des

Beitrags hängt wesentlich davon ab, ob es dem berechtigten Ehegatten möglich

ist, einen Verdienst zu erzielen oder die während der Ehe aufgegebene Erwerbs­

tätigkeit wieder aufzunehmen . Die Unterhaltspflicht richtet sich somit in erster Li­

nie nach den Bedürfnissen des unterhaltsberechtigten Ehegatten , sie hängt vom

Grad der Selbständigkeit ab, die man von ihm erwarten darf, das heisst von sei­

ner Fähigkeit, berufstätig zu sein, um für den ihm gebührenden Unterhalt aufzu­

kommen (Pra 92, 2003, Nr. 175, BGE 134 111145). Der Richter hat bei der Fest­

setzung des Beitrages von den nicht abschliessenden Kriterien des Art . 125 Abs.

2 ZGB auszugehen, wobei ihm im Einzelfall ein gewisses Ermessen zusteht. Bei

den verfügbaren Mitteln ist auf das tatsächliche und mit gutem Willen erzielbare

Einkommen abzustellen (BGE 127 111136 E 2a und 3a, 127 111 289 E 2a/aa; vgl.

überdies ZR 106 Nr. 16, BGE 5C. 140/2004 vom 22. September 2004).

Welcher Unterhalt "gebührend" ist, bestimmt sich sodann daran , ob die Ehe

lebensprägend war oder nicht. Letzterenfalls , was regelmässig bei sogenannten

Kurzehen (d.h. Ehen, die weniger als fünf Jahre dauerten) zutrifft, sind die vorehe­

lichen wirtschaftlichen Verhältnisse massgebend. Von einer Lebensprägung ist

demgegenüber auszugehen, wenn die Ehe lange (d.h. in der Regel mehr als zehn

Jahre) gedauert hat, wenn aus ihr Kinder hervorgegangen sind oder wenn der an­

sprechende Ehegatte mit der Heirat aus seinem bisherigen Kulturkreis entwurzelt

worden ist. Diesfalls wird angenommen, dass das Vertrauen auf den Weiter­

bestand der bisherigen Aufgabenteilung objektiv schutzwürdig ist, und der unter­

haltsberechtigte Teil hat alsdann grundsätzlich Anspruch auf Fortsetzung des zu­

letzt gemeinsam gelebten Standards. Bei einer Ehedauer zwischen fünf und zehn

Jahren spielt keine eigentliche Vermutung ; vielmehr kommt es darauf an, ob die

gelebten Umstände die Lebensverhältnisse der Ehegatten nachhaltig geprägt ha­

ben. Die Ehedauer bemisst sich dabei grundsätzlich von der Eheschliessung bis

zur tatsächlichen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und nicht bis zur Schei­

dung (Pra 95, 2007, Nr. 68 mit zahlreichen Hinweisen auf die Lehre).

aa) Die Gesuchstellerin ist 1989 im Alter von 28 Jahren von -in die

Schweiz eingereist, wo sie als Au-Pair arbeitete. Sie lernte während ihres Aufent-

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haltesden Gesuchsteller kennen. Ab 1990 waren sie ein Paar und heirateten im

Oktober 1992 (Urk. 11 S. 6; Urk. 22 S. 2 f.) . Aus der Ehe ging die Tochter C­(gebore~ November 1992) hervor (Urk. 4). Die Gesuchstellerin verfügt über

keine Berufsausbildung, hat aber vor der Ehe einige Zeit als Reinigungskraft ge­

arbeitet. Nach vierjähriger Internatszeit hätte sie die Matura machen können, da

sie jedoch eine schwierige Kindheitssituation gehabt habe, habe sie dies unter­

lassen (Prot. S. I 14, S. 36). Seit Mai 2004 leben die Parteien getrennt (Urk. 22

S. 2; Urk. 13 S. 3) .

Was den auch im Berufungsverfahren erneut vorgebrachten Einwand der

gesundheitlichen Beeinträchtigung der Beklagten anbelangt, reichte diese ein

Zeugnis von lic. phil. m 14. November 2008 ein, worin ihr

eine Erschöpfungsdepression attestiert wird . Zudem sei sie mit der Erziehung ih­

rer pubertierenden Tochter massiv überfordert. Ihre Arbeitsfähigkeit betrage mo­

mentan und bis auf Weiteres max. 50% (Urk. 60/1 = 77/8) . ln einem Schreiben

vom 29. Januar 2009 bestätige lic. phil. dass die Gesuch-

stellerin von August bis Dezember 2008 insgesamt neun ambulante psychothera­

peutische Stunden in seiner Praxis in Anspruch genommen habe (Urk. 77/9).

Schon vor Vorinstanz und erneut im Berufungsverfahren hatte sie ein Attest von

Dr. datierend vom 3. März 2008 (Urk. 32/5 = Urk. 77/5), einge-

reicht, welches ihr psychische Beschwerden mit depressiven Stimmungsschwan­

kungen und schweren Durchschlafstörungen im Sinne von rezidierenden depres­

siven Episoden bescheinigt. Diese Beschwerden würden ihre Belastungs- und

Konzentrationsfähigkeit phasenweise derart einschränken, dass sie zur Zeit und

bis auf Weiteres zu 50% arbeitsunfähig sei . An lässlich der Berufungsverhandlung

reichte die Gesuchstellerin zudem neu ein Zeugnis von Dr.

vom 2. Februar 2009 (Urk. 77/1 0) ein. Er attestiert ihr ebenfalls eine anhaltend

depressive Verstimmung mit Einschlafstörungen. Bezüglich der Arbeitsfähigkeit

der Gesuchstellerin führte er aus, dass er diese nie beurteilt habe. Ausser einer

Substitutionsbehandlung eines Eisenmangelsyndroms mit Eiseninjektion sei keine

medikamentöse Behandlung durchgeführt worden. Die Gesuchstellerin selbst hat­

te anlässlich der Berufungsverhandlung nicht explizit bestritten, mindestens 50%

arbeitsfähig zu sein (Prot. II S. 14).

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Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, wurden diese Beschwerden- ob­

wohl sie gernäss Angaben der Gesuchstellerin seit mehr als sechs Jahren beste­

hen - erstmals mit dem erwähnten Zeugnis gegen Ende des Scheidungsprozes­

ses dokumentiert. ln der Klagebegründung hatte die Gesuchstellerin ausgeführt,

dass sie primär aufgrund anderer Umstände (Alter, Kinderbetreuung , mangelnde

Berufsausbildung und Deutschkenntnisse) nicht in der Lage sei, eine Erwerbstä­

tigkeit aufzunehmen . Zwar hatte sie auch massive Schlafstörungen erwähnt, je­

doch nicht expl izit erklärt, dass sie diese am Arbeiten hindern würden und dass

sie deswegen in ärztlicher Behandlung sei (Urk. 11 S. 7) . Auch anlässlich der Ver­

handlung vom 6. November 2007 wies sie wiederum auf diese Schlafstörungen

hin, hatte jedoch nach eigenen Angaben erst die Absicht, sich im Rahmen einer

Therapie behandeln zu lassen (Urk. 22 S. 5) . Die Vorinstanz erwog dazu, dass

die Gesuchstellerin auch an lässlich der persönlichen Befragung keine Angaben

bezüglich Umfang und Dauer der Behandlung oder bezüglich der Einschränkun­

gen, welche sie durch die Krankheit erfahre, gemacht habe, so dass sie nicht ge­

nügend substanziert habe, weshalb sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes an

einer Arbeitstätigkeit gehindert sein sollte (Urk. 46 S. 13). Im Berufungsverfahren

rügte die Gesuchstellerin diese Erwägungen der Vorinstanz und verlangte, dass

hiezu ein Beweisverfahren durchzuführen sei, wobei sie als Beweismittel das er­

owie die Zeugenbefragung

von Dr. erte. Sie habe sich gegenüber dem vorinstanzli­

ehen Richter auch bereit erklärt, die Frage ihrer Arbeitsfähigkeit durch einen Be­

zirksarzt klären zu lassen (Urk. 58 S. 7) .

Aufgrund der beiden eingereichten Atteste bezüglich des Gesundheitszu­

standes der Gesuchstellerin sowie ihrer Aussagen anlässlich der Berufungsver­

handlung (Prot. II S. 12, 13 und 14), wonach sie nicht bestritt, zu 50% arbeitsfähig

und zu einer Arbeitstätigkeit in diesem Umfang grundsätzlich auch bereit zu sein,

ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine einstweilen mindestens 50%ige Ar­

beitsfähigkeit besteht und die Gesuchstellerin daher aufgrund ihres Gesundheits­

zustandes in der Lage wäre, in diesem Umfang eine Erwerbstätigkeit aufzuneh­

men. Sie machte keine plausiblen Ausf.ührungen dazu, weshalb sie auch in die­

sem Umfang noch keine Erwerbstätigkeit aufgenommen bzw. wieder eine solche

I '

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gesucht hat. Die Gesuchstellerin hatte anlässlich der Berufungsverhandlung

selbst ausgeführt, dass sie eine Stelle zu 50% bei Starbucks innegehabt habe

(Prot. II S. 16) und diese nur zufolge eines Missverständnisses verloren habe und

somit nicht, weil sie ihr nicht gewachsen gewesen wäre (Prot. II S. 12). Ausser­

dem erklärte sie ausdrücklich, dass sie in Zukunft bereit sei, mehr zu arbeiten,

wenn es ihr besser gehe (Prot. II S. 15). Da die Gesuchstellerin zudem nicht ex­

plizit geltend machte, dass diese gesundheitlichen Probleme mit der in der Ehe

praktizierten Aufgabenteilung in direktem Zusammenhang stehen würden, können

sie den Unterhaltsanspruch aus nachehelicher Solidarität nicht für einen längeren

Zeitraum im vollen Umfang des gebührenden Unterhalts rechtfertigen.

bb) Wie die Gesuchstellerin selbst in der Berufungsbegründung vorbrachte

(Urk. 58 S. 7), sind die Probleme der Tochter C- welche im Zusammenhang

mit der Trennung der Parteien auftraten, wesentlich besser geworden. Zwar er­

wähnte sie (Urk. 58 S. 6), dass ihr Dr. -noch im Juni 2007 einen erhöh­

ten Betreuungsaufwand für C-bescheinigt und eine berufsbedingte Abwe­

senheit ihrerseits für ungünstig erachtet habe (Urk. 12/1 ). Die Gesuchstellerin un­

terliess es jedoch, im Berufungsverfahren ein neuerliches Attest bezüglich der

behaupteten Probleme der Tochter einzureichen, was ebenfalls ein Indiz dafür ist,

dass diese Probleme nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr im früheren Ausmass

bestehen. Auch machte sie nicht explizit geltend, dass die Tochter weiterhin in

psychiatrischer Behandlung sei. Sie substanzierte auch nicht, inwiefern diese

Probleme nach nunmehr rund zwei Jahren heute noch vorhanden seien und ins­

besondere, inwiefern sie diesen im Rahrnen ihrer Betreuungsaufgaben in zeitli­

cher Hinsicht entgegenzuwirken habe. Anlässlich der Berufungsverhandlung bes­

tätigte die Gesuchstellerin selbst, dass es der Tochter im Gymnasium immer bes­

ser gehe. Zur Zeit sei sie nicht in Behandlung. Die Tochter lehne eine solche ab.

Trotz ihres Alters benötige die Tochter jedoch immer noch eine gewisse Betreu­

ung (Prot. II S. 11 ff.) .

Auch wenn die Tochter noch einige Pubertätsprobleme aufweisen sollte, ist

nicht substanziert worden, inwiefern die Gesuchstellerin deswegen an der Aus­

übung einer allenfalls auch nur teilweisen Erwerbstätigkeit gehindert sein sollte,

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zumal die Tochter sich während des Tages praktisch immer auswärts in der Schu­

le aufhält. Wie bereits erwähnt, machte der Gesuchsteller geltend, dass C­

keines erhöhten Betreuungsaufwandes bedürfe, da sie sich während der Woche

in der Schule befinde und nur am Freitagnachmittag frei habe. Allfällige Puber­

tätsprobleme habe C1-grösstenteils überwunden. Sie besuche das Wirt­

schaftsgymnasium der Kantonsschule nd ihre schulischen Leistungen

hätte sich erfreulich verbessert (Urk. 63 S. 6). Zusammenfassend ist somit festzu­

halten, dass der Betreuungsaufwand, welchen die Gesuchstellerin für die Tochter

zu leisten hat, die Aufnahme einer wenigstens teilweisen Erwerbstätigkeit keines­

wegs hindert. Die Gesuchstellerin anerkannte anlässlich der Berufungsverhand­

lung auch selbst, dass sie neben der B~treuung der Tochter noch 50% arbeiten

könnte (Prot. II S. 13).

cc) Die Gesuchstellerin hatte vor Vorinstanz als weitere Argumente, welche

gegen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch sie sprechen würden , auch ihr

Alter, ihre fehlende Ausbildung sowie Berufserfahrung angeführt. Die Vorinstanz

führte dazu aus, dass die Gesuchstellerin im Zeitpunkt der Trennung der Parteien

43 Jahre alt gewesen sei und noch rund 20 Jahre Berufsleben vor sich gehabt

habe. Sie habe keinerlei ernsthafte Anstrengungen unternommen, um eine Ar­

beitsstelle zu finden. Es sei ihr ohne Weiteres zuzumuten, Hilfsarbeiten zu über­

nehmen wie z.B. bei einem Kiosk, bei Detailhändlern, in Tankstellenshops, Take­

Aways usw. Auch die mangelnden Deutschkenntnisse seien kein Hinderungs­

grund, da die Gesuchstellerin anlässlich der Verhandlung mehrheitlich direkt ohne

Zuhilfenahme des Dolmetschers auf Fragen des Gerichts geantwortet habe (Urk.

46 S. 13 f.).

Was das Alter der Gesuchstellerin anbelangt, geht die bundesgerichtliche

Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass dem haushaltführenden Ehegat­

ten, der auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, die Wiederaufnahme einer sol­

chen dann nicht mehr zuzumuten ist, wenn er im Zeitpunkt der Scheidung das

45. Altersjahr erreicht hat. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine starre Re­

gel, sondern blass um eine widerlegbare Richtigkeitsvermutung (BGE SC.

132/2004 vom 8. Juli 2004). Wie bereits erwähnt, trennten sich die Parteien, als

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die Gesuchstellerin 43 Jahre alt war und wusste die Gesuchstellerin spätestens

bei Einreichung der Scheidungsklage im Dezember 2006, dass die Ehe endgültig

gescheitert war (Urk. 46 S. 11 ). Auch wenn die Gesuchstellerin nun über 45 Jahre

alt ist, kann sie dies nicht als entscheidendes Argument anfügen, da es dem Un­

terhaltsberechtigten nicht frei steht, durch zu langes Zuwarten diesen Faktor zu

beeinflussen und sich im Nachhinein auf den Standpunkt zu stellen, dass die Al­

tersgrenze, in welcher die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit noch möglich und

zurnutbar gewesen wäre, nun definitiv überschritten sei. Ein solches Verhalten

wäre als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Der Umstand, dass die Menschen

immer älter und das Rentenalter möglicherweise weiter angehoben wird, lässt ei­

ne starre Altersgrenze für die Zumutbarkeit der Wiederaufnahme einer Erwerbstä­

tigkeit kaum mehr zu, besteht doch in diesem Alter die mindestens theoretische

Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit noch für rund 20 Jahre. Kommt vorliegend hin­

zu, dass die Gesuchstellerin erst im Alter von 31 Jahren heiratete und die Ehe bis

zur Trennung 11 Jahre dauerte, so dass $ie an der untersten Grenze zu Qualifi­

zierung einer langjährigen Ehe liegt. Auch wenn die Ehe als lebensprägend zu

qualifizieren und damit eine Rente aus nachehelicher Solidarität grundsätzlich zu

bejahen ist, besteht aufgrund der konkreten Verhältnisse kein Anspruch darauf,

dass die Gesuchstellerin keinerlei Erwerbstätigkeit mehr ausüben müsste. Allein

das Alter der Gesuchstellerin und die Dauer der Ehe schliessen die Verpflichtung

der Gesuchstellerin zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit jedenfalls nicht zum

Vornherein aus. Angesichts der konkreten Umstände kann auch nicht gesagt

werden, dass während der Ehe eine Vertrauensposition geschaffen wurde, wel­

che es als unzumutbar erscheinen liesse, dass die Gesuchstellerin wieder eine

Erwerbstätigkeit aufnehmen müsste. Dafür hat die Ehe im vorliegenden Fall zu

wenig lange gedauert und war das soziale Gefälle nicht derart gross (und wurde

auch nicht substanziert), dass der Gesuchstellerin nicht zuzumuten wäre, wieder

eine ähnliche Erwerbstätigkeit wie vor Ei~gehung der Ehe aufzunehmen. Die vor­

liegenden Verhältnisse sind demgernäss nicht unbesehen mit denjenigen im Ent­

scheid 5P.499/2006 des Bundesgerichts vom 6. März 2007 zu vergleichen.

Bezüglich Ausbildung und Berufserfahrung hat die Gesuchstellerin kaum

Aussichten auf eine qualifizierte und entsprechend gut bezahlte Stelle. Kommt

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hinzu, dass sie offenbar nicht über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt. Da sich

zudem die Lage auf dem Arbeitsmarkt in jüngster Zeit verschlechtert hat (die Vor­

instanz ging noch von einer allgemein guten Wirtschaftslage in der Schweiz aus,

Urk. 46 S. 14), sind die Möglichkeiten der Gesuchstellerin eher beschränkt. Wie

die Vorinstanz jedoch zutreffend ausführte, bestehen auch für eher schlecht quali­

fizierte Personen diverse Einsatzmöglichkeiten wie z.B. in Tankstellenshops,

Kiosks, Reinigungsfirmen etc., welche auch ohne perfekte Deutschkenntnisse oh­

ne Weiteres versehen werden können. Oie Gesuchstellerin hat den Beweis, dass

sie grundsätzlich fähig ist, eine solche Anstellung zu versehen, auch selbst er­

bracht, indem sie bei Starbucks als Barista zu 50% gearbeitet hat. Laut eigenen

Angaben kam es zur Auflösung des Vertragsverhältnisses schon in der Probezeit

lediglich aufgrundeines Missverständnisses und nicht z.B. aufgrundmangelnder

Arbeitsleistungen (Prot. II S. 12). Andere Gründe wurden von der Gesuchstellerin

nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus dem von ihr eingereichten Ar­

beitszeugnis (Urk. 77/16). Dort wird zudem festgehalten, dass die Gesuchstellerin

die ihr übertragenen Arbeiten selbständig und mit Engagement erledigt habe. Sie

habe in qualitativer und quantitativer Hinsicht eine gute Leistung erbracht. Sie ver­

füge über eine gute Auffassungsgabe und sei daran interessiert, Neues kennen­

zulernen. Sie habe sich gute Fach-unq Berufskenntnisse aneignen können

(Urk. 77/16) . Es kann somit ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die

Gesuchstellerin mit ihren Fähigkeiten eine passende Erwerbstätigkeit finden und

auch versehen kann .

Die Gesuchstellerin brachte anlässlich der Berufungsverhandlung bezüglich

ihrer beruflichen Möglichkeiten neu vor, dass sie eine dreijährige Ausbildung in

Shiatsu machen möchte, welche laut Prospekt Fr. 25'000.--, jedoch gernäss tele­

fonischer Auskunft lediglich Fr. 13'000.-- kosten würde (Urk. 77 /21-25). Abgese­

hen davon, dass es sich hiebei - weil verspätet vorgebracht - um ein unzulässiges

Novum handelt, ist zu bemerken, dass die Gesuchstellerin - nachdem sie nun jah­

relang Gelegenheit gehabt hätte, eine Ausbildung zu absolvieren - die Aufnahme

einer Erwerbstätigkeit jetzt nicht mehr länger aufschieben kann. Dadurch würde

die nacheheliche Solidarität überstrapaziert. Sie ist zu verpflichten, nach einer an­

gemessenen Übergangszeit endlich eirie Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Es ist

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jedoch eine Tatsache, dass es sich bei den aufgrund ihrer Qualifikationen in Fra­

ge kommenden Stellen oft um Teilzeitstellen handelt oder um Arbeitseinsätze auf

Abruf, was in einer ersten Phase entsprechend zu berücksichtigen sein wird.

Dass sich die Gesuchstellerin jedochtrotzattestierter mindestens teilweiser Ar­

beitsfähigkeit bislang kaum um eine Stelle - mit Ausnahme der dokumentierten

Bewerbung bei-om 9. Dezember 2008 (Urk. 77/20)- bemühte (Prot. II

S. 12), lässt eher auf mangelnden Willen denn auf fehlende Möglichkeiten schlies­

sen . Bis anhin bestehen keine konkreten .Anhaltspunkte, dass die Gesuchstellerin

bei entsprechender Einstellung und geeigneten Suchbemühungen keine Stelle

finden könnte.

Zusammenfassend istangesichtsder oben angeführten Gründe festzuhal­

ten, dass der Einstieg in das Berufsleben für die Gesuchstellerin mit gewissen

Schwierigkeiten verbunden sein dürfte . Da das Einsatzgebiet aufgrund ihrer man­

gelnden Berufsausbildung und-erfahrungzudem auf gewisse Jobs beschränkt ist,

welche wie oben ausgeführt oft als Teilzeitstellen oder auf Abruf ausgestaltet sind,

kann realistischerweise in einer ersten Phase kaum mit einer 1 OO%igen Erwerbs­

tätigkeit der Gesuchstellerin gerechnet werden . Zudem muss ihr aufgrund der ak­

tuellen Arbeitsmarktlage auch eine angemessene Übergangsfrist eingeräumt

werden. Es rechtfertigt sich deshalb, der Gesuchstellerin ab 1. Oktober 2009 eine

Erwerbstätigkeit im Umfang von 50% anzurechnen . Erfahrungsgernäss liegen die

Löhne für Teilzeitangestellte eher tiefer als für 100% Angestellte, teilweise immer

noch unter Fr. 20.-- pro Stunde, weshalb der Gesuchstellerin kein Nettoeinkom­

men von mehr als Fr. 1 '500.-- pro Monat inkl. 13. Monatslohn anzurechnen ist. Da

die Gesuchstellerin einen Monatslohn von Fr. 1 '650.-- brutto plus einen Anteil am

13. Monatslohn, ab 3. Anstellungsjahr einen vollen 13. Monatslohn bei ihrer An­

stellung bei Starbucks erhalten hätte (Urk. 77 /18), erscheint die Annahme eines

Einkommens in dieser Höhe als realistisch. Es kann von ihr jedoch erwartet wer­

den, dass sie nach einer Übergangsphase, wenn sie sich ins Arbeitsleben integ­

riert hat, eine Vollzeitstelle wird annehmen können. Bis dahin wird sie aufgrund ih­

rer nur reduzierten Erwerbstätigkeit auch Gelegenheit haben, ihre Deutschkennt­

nisse zu verbessern und somit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.

Dannzumal sollten sich auch ihre gesundheitlichen Probleme gebessert haben,

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da den ärztlichen Zeugnissen nicht zu entnehmen ist, dass es sich dabei um

chronische Krankheiten handelt. Zudem wird die Tochter mündig sein , so dass die

Betreuungsaufgaben der Gesuchstellerin noch wesentlich geringer sein dürften.

Ab 1. Januar 2011 ist ihr daher eine Vollzeitstelle zu einem Lohn von monatlich

netto ca . Fr. 3'200.-- inkl. 13. Monatslohn bzw. brutto ca . Fr. 3'600.-- anzurechnen

(Urk. 46 S. 15). Auch die Vorinstanz war von einem Einkommen in dieser Grös­

senordnung ausgegangen .

d) Die Vorinstanz ging von einem Bedarf der Gesuchstellerin (inkl. Kosten

für C- ohne Berücksichtigung des Vorsorgedefizites von Fr. 6'713.70 aus

(Urk. 46 S. 21) :

Grundbetrag Gesuchstellerin 1'1 00-

Grundbetrag C- 500.-

Miete 2'178.-

Radio/TV/Telefon 200-

Krankenkasse 392.70

SelbstbehaiUFranchise 45.-

HaftpflichUHausrat 38.-

Ausbildung C- 240.-

Steuern 700.-

Fahrzeug 400.-

Ferien 400.-

Mehrbedarf Kleider, Coiffeur 200.-

Freizeit, Haustiere 320.-

Die Gesuchstellerin behauptete, dass der Gesuchsteller bislang einen ge­

bührenden Bedarf von ihr und C- im Betrag von Fr. 6'500.-- anerkannt habe

(Urk. 58 S. 13), was dieser bestritt (Urk. 63 S. 1 0). Er habe der Gesuchstellerin

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lediglich monatliche Akontozahlungen in dieser Höhe überwiesen. Der Gesuch­

steller anerkannte jedoch den von der Vorinstanz ermittelten gebührenden Bedarf

der Gesuchstellerin (Urk. 63 S. 1 0). Die Gesuchstellerin führte aus, dass sie einen

gebührenden Unterhalt von Fr. 5'200.-- geltend mache (ohne Ausgleich Vorsor­

gedefizit und AHV-Beiträge, Urk . 58 S. 13). Zieht man von dem oben aufgeführ­

ten, von der Vorinstanz errechneten und vom Gesuchsteller anerkannten Bedarf

für die Gesuchstellerin und C- von Fr. 6'713.70 die spezifisch auf C­

entfallenden Positionen ab (Fr. 500.-- Grundbetrag , Fr. 79.90 Krankenkasse [Urk.

46 S. 17], Fr. 200.-- Ferien [Urk. 46 S. 20], Fr. 120.-- Musikunterricht [Urk. 46

S. 21], Fr. 240.-- Ausbildungskosten [Urk. 46 S. 18], insgesamt Fr. 1'140.--), so

ergibt dies einen Bedarf der Gesuchstellerin von Fr. 5'573. 70. Berücksichtigt man

zudem, dass die Steuern aufgrund der durch die Gesuchstellerin zu versteuern­

den Kinderunterhaltsbeiträge für sie und die Tochter höher ausfallen als für sie al­

lein und sie möglicherweise eine etwas teurere Wohnung haben muss, weil die

Tochter noch mit ihr zusammenlebt, ergibt dies etwa den von ihr geltend gemach­

ten persönlichen Bedarf von ca. Fr. 5'200.-- ohne Vorsorgedefizit und AHV­

Beiträge (Die restlichen Fr. 1'700.-- entfallen auf die Tochter) . Dieser Betrag ist

der Gesuchstellerin aufgrund des gelebten Standards und den entsprechenden

Einkommensverhältnissen jedenfalls als gebührender Unterhalt (ohne Vorsorge­

quote) zuzugestehen.

Die Gesuchstellerin machte jedoch im Berufungsverfahren geltend, dass

dieser Betrag effektiv höher zu veranschlagen sei:

aa) Sie habe wieder höhere Gesundheitskosten zu verzeichnen, weshalb

der Selbstbehalt von Fr. 45.-- auf Fr. 100.-- zu erhöhen sei (Urk. 58 S. 14). Selbst

wenn die Kosten im Jahre 2008 (Urk. 60/5-8) höher ausgefallen sein sollten, kön­

nen diese nicht lediglich basierend auf einem Jahr erhöht werden, sondern ist von

einem Durchschnittswert auszugehen, weshalb keine Erhöhung vorzunehmen ist.

Die Kosten wurden vom Gesuchsteller bestritten (Urk. 63 S. 11 ). Auf Vorhalt, ob

diese Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen würden, meinte die Ge­

suchstellerin ausserdem, dass dies der Fall sei, es sich aber um viele Rechnun­

gen handle (Prot. II S. 18).

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bb) Die Gesuchstellerin machte weiter geltend, dass sich die Krankenkas­

senbeiträge für sie und die Tochter auf Fr. 331 .-- (von Fr. 312. 80, Urk. 46 S. 17)

bzw. Fr. 86.-- (von Fr. 79.90, Urk. 46 S. 17) erhöht hätten (Urk. 58 S. 14 und 24) .

Die Differenz beträgt demzufolge Fr. 24.30. Diese Kosten wurden vom Ge­

suchsteller nicht bestritten, jedoch als unbedeutende Erhöhung qualifiziert (Urk.

63S.11).

cc) Bezüglich der von der Vorinstanz berücksichtigten Fahrzeugkosten von

Fr. 400.-- pro Monat rügte die Gesuchstellerin , dass diese zu tief angesetzt wor­

den seien . Bei dem von ihr gefahrenen Fahrzeug handle es sich um einen Wagen

der Mittelklasse. Bei der Berechnung des gebührenden Bedarfs müsse auch ein

Betrag für die Abschreibung des Wagens berücksichtigt werden , damit sie das

Auto dereinst wieder ersetzen könne, weshalb Fr. 500.-- zu berücksichtigen seien

(Urk. 58 S. 14; Prot. II S. 18). Der Gesuchsteller wandte sich gegen dieses Be­

gehren (Urk. 63 S. 11 ). Da die Gesuchstellerin die Kosten nicht substanzierte, be­

steht kein Anlass , diesen Betrag zu erhöhen.

dd) Die Gesuchstellerin forderte auch einen Betrag von Fr. 300.-- statt der

von der Vorinstanz berücksichtigten Fr. 200.-- für Mehrbedarf Coiffeur, Kleider

(Urk. 58 S. 14). Aufgrund ihrer sehr kleinen Statur müsse sie ihre Kleider in Bou­

tiquen mit Spezialgrössen einkaufen (Urk. 58 S. 14). Der Gesuchsteller bestritt,

dass die Gesuchstellerin während der Ehedauer je in solchen Boutiquen einge­

kauft habe (Urk. 63 S. 11 ). Die Gesuchstellerin war nicht in der Lage, auch nur

eine dieser Boutiquen zu nennen (Prot. II S. 19). Selbst wenn es sich jedoch so

verhalten haben sollte, besagt dies nicht zwingend, dass die Kleider dort teurer

sein müssen, was die Gesuchstellerin auch nicht explizit behauptete, weshalb

kein höherer Betrag zu berücksichtigen ist.

ee) Den Betrag von Fr. 400.-- für Ferien für sich und C-erachtete die

Gesuchstellerin als zu tief. Ein Direktflug Zürich--mit Swiss koste € 1'400.­

- pro Person, was Fr. 4'620.-- für zwei Personen ausmache. Auch der in diesem

Sommer bei einer billigeren Fluggesellschaft gebuchte Flug habe für sie beide

Fr. 2'260.-- gekostet. Hinzugekommen seien die Kosten für ein Mietauto. Zusätz­

lich würden Kosten für Ausflüge und Auswärtsessen anfallen. Zudem habe man

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während der Ehe stets eine Woche Skiferien in Österreich gemacht und auch Fe­

rienreisen nach Übersee und in die Karibik. Es sei deshalb im Minimum ein Be­

trag von Fr. 500.-- für diese Aktivitäten im Bedarf einzusetzen (Urk. 58 S. 15; Prot.

II S. 19). Der Gesuchsteller bestritt diese Angaben. Insbesondere machte er gel­

tend , dass es auch Flüge für weniger als Fr. 1'000.-- nach -gebe (Urk. 63

S. 12). Der von der Vorinstanz eingesetzte Betrag erscheint mit Verweis auf deren

Begründung für diese Position angemessen (Urk. 46 S. 20; § 161 GVG).

ff) Die Gesuchstellerin verlangte weiter einen Betrag für Haustiere und Frei­

zeit für sie und C-von Fr. 500.-- (Urk. 58 S. 15). Dieser Betrag wird vom

Gesuchsteller nicht anerkannt. Ausserdem machte er geltend, dass sich die Ge­

suchstellerin einen Hund erst nach Trennung der Parteien angeschafft habe. Letz­

teres wurde von der Gesuchstellerin bestätigt (Prot. II S. 20). Wiederum mit Ver­

weis auf die vorinstanzliehen Ausführungen erscheint der von der Vorinstanz fest­

gesetzte Betrag angemessen (Urk. 46 S. 21; § 161 GVG).

Zusammenfassend erhöht sich demgernäss der gebührende Unterhalt der

Gesuchstellerin gegenüber der vorinstanzliehen Berechnung lediglich unwesent­

lich um Fr. 24.30.

e) Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, sind AHV-Beiträge für Nichter­

werbstätige im Bedarf der Gesuchstelleri~ nicht zu berücksichtigen, da sie ab Ok­

tober 2009 einer Erwerbstätigkeit nachzugehen hat (§ 161 GVG; Urk. 46 S. 21 ;

vgl. auch BGE 5C.43/2006 vom 8. Juni 2006, S. 3) .

f) Gernäss Art. 125 Abs. 1 ZGB schliesst der gebührende Unterhalt auch die

Kosten für den Aufbau einer angemessen Altersvorsorge ein. Dieser Betrag ist in

die Grundbedarfsberechnung aufzunehmen. Wie dieser Beitrag zu berechnen sei,

entsprach bis anhin weitgehend dem Ermessen des Gerichtes, da es bislang kei­

ne einheitliche Berechnungsmethode gab (FamKomm Scheidung/Freivogel , Anh.

UB N 22; BGE 5A_21 0/2008 = ZBJV 145 [2009], S. 131 ff.) . ln einem neuen Bun­

desgerichtsentscheid äusserte sich das höchste Gericht erstmals ausführlich zu

dieser Thematik (BGE 5A_21 0/2008 = ZBJV 145 [2009], S. 131 ff.). Abgelehnt

wurde in diesem Entscheid des Bundesgerichtes die Auffassung, wonach Aus-

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gangspunktdas hypothetische Bruttoerwerbseinkommen sei , das nachehelich

vom Berechtigten hätte erzielt werden können, wenn die Ehe gar nie geschlossen

worden wäre. Diese Berechnungsmethode hatte die Vorinstanz gewählt. Sie kann

somit nicht zur Anwendung gelangen. Abgelehnt wurde vom Bundesgericht aber

auch der Ansatz, als Ausgangspunkt jenes Einkommen zu nehmen, welches der

vorerst einmal Unterhaltsberechtigte mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit selbst zu

erwirtschaften vermöge. Da die Berechnung jedoch von diversen künftigen Fakto­

ren und Entwicklungen abhängt, die im Scheidungszeitpunkt nicht mit Sicherheit

feststehen und somit hypothetisch sind, kann es sich nicht um eine exakte Be­

rechnung handeln, sondern kann die zukünftige Entwicklung nur geschätzt wer­

den.

Die Leistungen aus der 1. und 2. Säule sollten zusammen ungefähr 60%

des Brutto- bzw. 70% des Nettoeinkommens ausmachen (BGE 5C.43/2006 vom

8. Juni 2006). Ausgehend vom gebührenden Unterhalt der Gesuchstellerin von

derzeit Fr. 5'200.-- (ohne Vorsorgedefizit) und entsprechenden Einkünften aus Ali--~

~tenleistungen und Eigenverdienst ergebe dies somit ein Rentenziel von min-

destens Fr. 3'640.--. ln der Regel stehen jedoch den Rentnern , welche wie vorlie­

gend in gehobenen Verhältnissen gelebt haben, daneben noch weitere Ersparnis­

se und Vermögenswerte wie Versicherungen, Säule 3a, Liegenschaften etc. zur

Verfügung, so dass ein höherer Bedarf abgedeckt werden kann . Dies erscheint

auch vorliegend angemessen. Zwar werden gewisse Ausgabenpositionen sich im

Alter reduzieren, dafür nehmen andere Ausgaben z.B. für Gesundheitskosten zu . 0 ----... Der von der Gesuchstellerin für diese Zeit auf Fr. 4'500.-- bezifferte Betrag er-- .. scheint daher angemessen (Urk. 58 S. 20). Auf mehr als die Deckung des gebüh-

renden Unterhalts besteht auch im Rentenalter kein Anspruch. Es ist daher uner­

heblich, dass der Gesuchsteller voraussichtlich nach seiner Pensionierung besser

gestellt sein wird als die Gesuchstellerin. Das ist er aufgrundseines Einkommens

auch vor der Pensionierung. Es besteht jedoch kein Anspruch auf absolute

Gleichstellung.

Die Gesuchstellerin ging davon aus, dass sie aufgrund ihrer Beitragslücken

bei den AHV-Zahlungen von elf Jahren eine Altersrente der 1. Säule von Fr.

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1'637.-- erhalten werde (Urk. 58 S. 21 ). Der Gesuchsteller konnte diese Berech­

nung nicht substanziert bestreiten bzw. widerlegen. Sie erscheint im Übrigen

plausibel, weshalb darauf abzustellen ist. Wie die Gesuchstellerin weiter zutref­

fend ausführte, wird sie nach der Teilung der Austrittsleistung des Gesuchstellers

ein Alterskapital von ca. Fr. 177'000.-- erhalten, welches verzinst bis zu ihrem Ein­

tritt ins Rentenalter auf ca. rund Fr. 230'000.-- anwachsen dürfte (Urk. 58 S. 20).

Dies wurde vom Gesuchsteller nicht substanziert bestritten (Urk. 63 S. 15). Aus

dem güterrechtlichen Ausgleich zwischen den Parteien erhielt die Gesuchstellerin

eine Zahlung von Fr. 25'000.-- auf ein gebundenes Säule 3a Konto. Dieses Gut­

haben ist bei der Berechnung ihrer Altersvorsorge ebenfalls zu berücksichtigen

-was aufgezinst bis zum Eintritt der Gesuchstellerin ca. Fr. 35'000.-- ergeben

dürfte-, womit von einem bis zum Rentenalter der Gesuchstellerin aufgezinsten

Alterskapital von ca. Fr. 265'000.-- auszugehen ist. Die Vorinstanz ging davon

aus, dass die Gesuchstellerin mit dem diesem Entscheid zugrundegelegten hypo­

thetischen Einkommen einen versicherten Jahreslohn von Fr. 20'995.-- erzielen

werde, wobei die jährlichen Altersgutschriften bis zum Alter von 54 Jahren Fr.

3'149.25 (mal 5 = rund Fr. 15'750.--) und danach Fr. 3'779.1 0 (mal 10 = rund Fr.

37'800.--) betragen würden. Dies von der Vorinstanz errechneten Beträge waren

von den Parteien nicht explizit bestritten worden und erscheinen zutreffend oder

wenigstens realistisch, da ohnehin nicht von einer gesicherten Grundlage ausge­

gangen werden kann und auch das zugrundegelegte Einkommen nur hypothe­

tisch ist. Insgesamt würde die Gesuchstellerin somit unter Berücksichtigung der

Verzinsung ein Alterskapital von knapp Fr. 60'000.-- aus ihrer Erwerbstätigkeit

ansparen können. Letztlich würde somit aus der 2. Säule und Säule 3a ein Kapi­

talbetrag von etwas weniger als Fr. 325'000.-- resultieren, was bei einem Um­

wandlungssatz von 6,8% eine Jahresrente von ca. Fr. 22'1 00.-- bzw. eine Mo­

natsrente von ca. Fr. 1'840.-- ergeben würde. Zusammen mit der AHV-Rente

könnte die Gesuchstellerin demgernäss 11ach ihrem Eintritt ins Rentenalter mit

Einkünften von rund ca. Fr. 3'500.-- rechnen. Zur Deckung des gebührenden Un­

terhalts würden ihr somit monatlich ca. Fr. 1'000.-- fehlen. Um einen solchen Be­

trag generieren zu können, müsste sie demgernäss über ein Kapital von rund wei­

teren Fr. 177'000.-- verfügen können (1'000: 6,8 x 100 x 12). Da jedoch über den

\ \

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Zeitraum von 16 Jahren, in welchem dieses Kapital angespart wird, eine gewisse

Aufzinsung einzurechnen wäre, rechtfertigt es sich, von einem Fehlbetrag von

rund Fr. 900.-- pro Monat auszugehen. Dementsprechend ist dieser Betrag zum

für den laufenden Bedarf berechneten gebührenden Unterhalt zu zählen , weshalb

sich dieser für die Gesuchstellerin persönlich bis zum Eintritt ins Rentenalter auf

rund Fr. 6'1 00.-- pro Monat erhöhen würde.

Da C- das Gymnasium absolviert und im November 2012 zwanzig Jah­

re alt sein wird , ging die Vorinstanz davon aus, dass sich der gebührende Unter­

halt der Gesuchstellerin dannzumal reduzieren werde, da die Kosten betreffend

C- wegfallen würden (Urk. 46 S. 27) . Dazu hat sich die Gesuchstellerin im

Berufungsverfahren nicht explizit geäussert. Da bei der vorliegend angewandten

Berechnungsweise die Kosten der Tochter nicht im Bedarf der Gesuchstellerin

einberechnet worden waren, kann bei Eintritt dieses Ereignisses lediglich die Be­

rücksichtigung einer Reduktion der ·Wohnkosten der Gesuchstellerin in Betracht

kommen , da die Wohnkosten für eine Person tiefer sein dürften. Es rechtfertigt

sich daher, ab diesem Zeitpunkt von einem um Fr. 500.-- geringeren Bedarf aus­

zugehen. Dieser beläuft sich dannzumal somit noch auf Fr. 5'600.-- (inkl. Vorsor­

gedefizit).

g) Dies ergibt folgende Berechnung für die an die Gesuchstellerin persönlich

zu leistenden Unterhaltsbeiträge, wobei sich der Unterhaltsbeitrag für die Ge­

suchstellerin aus der Differenz zwischen ihrem gebührenden Unterhalt von Fr.

6'1 00.-- bzw. Fr. 5'600.-- ab 1. Januar 2013 inkl. Vorsorgedefizit und dem jeweili­

gen Einkommen in der entsprechenden Periode berechnet:

-Ab Rechtskraft dieses Urteils bis Ende September 2009: Fr. 6'1 00.--

-Ab 1. Oktober 2009 bis 30. Dezember 2010: Fr. 4'600.-- (Nettoeinkommen

Fr. 1'500.--)

-Ab 1. Januar 2011 bis 30. Dezember 2012: Fr. 2'900.-- (Nettoeinkommen

Fr. 3'200.--)

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-Ab 1. Januar 2013 bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters der Ge­

suchstellerin: Fr. 2'400.--.

Wie bereits erwähnt, betragen die Kosten für~ insgesamt ca.

Fr. 1 '700.-- pro Monat, weshalb der Kinderunterhaltsbeitrag unverändert bleibt.

2. Die Gesuchstellerin forderte , dass ihr die Hälfte der perRechtskraftdes

Scheidungsurteils vom 30. September 2008 geäufneten Austrittsleistung des Ge­

suchstellers auf ihr Freizügigkeitskonto zu überweisen sei. Sie habe bereits die

Vorinstanz darauf hingewiesen, dass die Berechnung der zu teilenden Austritts­

leistung zur aktualisieren wäre, sollte der Zeitpunkt der Rechtskraft des Schei­

dungsurteils nach dem 30. Juni 2008 eintreten. Die Vorinstanz habe dies unter­

lassen und die Zahlenper 6. Juni 2008 übernommen, obwohl die Rechtskraft erst

drei Monate später eingetreten sei (Urk. 58 S. 4) . Der Gesuchsteller hielt entge­

gen, dass es in der Gerichtspraxis nie möglich sein werde, das genaue Datum

des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils vorauszusehen (Urk. 63 S. 4).

Dieser Einwand des Gesuchstellers ist grundsätzlich zutreffend , doch ist es vor­

liegend aufgrund der von der Gesuchstellerin erhobenen Berufung , in welcher der

Scheidungspunkt nicht angefochten wurde, möglich , den exakten Zeitpunkt des

Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu bestimmen. Wie bereits im Be­

schluss vom 8. Januar 2009 festgehalten, wurde die Scheidung der Parteien am

30. Dezember 2008 rechtskräftig (Urk. 66). Gernäss Auskunft der Personalvor­

sorgestiftung der ~G beträgt die Austrittsleistungper 31. Dezember

2008 Fr. 390'750.--, wovon die vor der Eheschliessung geäufnete Austrittsleis­

tung, welche aufgezinst Fr. 36'212.-- beträgt, abzuziehen ist, so dass die während

der Ehe geäufnete und damit zu teilende Austrittsleistung per Rechtskraft des

Scheidungsurteils Fr. 177'269.-- beträgt (Urk. 72/2). Beide Parteien erklärten sich

anlässlich der Berufungsverhandlung mit dieser Höhe des Vorsorgeausgleichs

ausdrücklich einverstanden (Prot. II S. 26). Die Pensionskasse des Gesuchstel­

lers ist dementsprechend anzuweisen, persofort vom Freizügigkeitskonto des

Gesuchstellers (I AHV-Nr. geb .~963)

Fr. 177'269.- auf das Freizügigkeitskonto der Gesuchstellerin bei der Freizügig-

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keitsstiftung der~G. Postfach, AHV-Nr.

Kontonr. CH

111.

1. Im zweitinstanzliehen Verfahren waren lediglich noch vermögensrechtli­

che Belange (Unterhaltsleistungen für die Gesuchstellerin persönlich sowie Vor­

sorgeleistungen) im Streit, weshalb sich die Gerichtsgebühren sowie die Anwalts­

entschädigung gernäss dem Streitwert berechnen. Da die Gesuchstellerin für sich

persönlich Unterhaltsbeiträge von rund Fr. 7'500.-- gefordert, der Gesuchsteller

lediglich solche im Umfang, wie sie die Vorinstanz zugesprochen hatte, aner­

kannte , ist im Berufungsverfahren von ~inem Streitwert von ca . 1,25 Millionen

Franken auszugehen, so dass die Gesuchstellerin im Berufungsverfahren zu ca .

5/8 als unterliegend zu erachten ist. Demgernäss sind ihr die Kosten des Beru­

fungsverfahrens aufzuerlegen . Sodann ist sie entsprechend ihrem Unterliegen zu

verpflichten, dem Gesuchsteller eine auf 1/4 reduzierte Prozessentschädigung für

das Berufungsverfahren zu bezahlen .

2. ln einem Schreiben, welches die Gesuchstellerin nach der Berufungsver­

handlung am 30. März 2009 dem Gericht zukommen liess (Urk. 78) , monierte sie,

dass der vom Gericht bestellte olmetscher, in der

ersten Verhandlungsphase nicht bei der Sache gewesen sei. Er habe sich andau­

ernd mit seinem Handy beschäftigt und nicht richtig zugehört. Sie habe die Anwe­

senheit eines Dolmetschers nicht erwartet, da sie dem Gericht mitgeteilt habe,

dass sie keinen benötige. Bei der Eröffnung der Verhandlung habe ihr der Vorsit­

zende mitgeteilt, dass sie ihre Plädoyernotizen vorlesen könne. Auf diese Auffor­

derung habe sie leider nicht reagieren können , da sie vom Dolmetscher nicht an­

gehalten worden sei, ihre Notizen dem Gericht darzulegen. ln der Verhandlungs­

pause habe sie den Dolmetscher gefragt, warum er ihr diese Aufforderung nicht

übersetzt habe, worauf dieser bewegt reagiert und gemeint habe, dass sie ihre

Stellungnahme nach der Pause abgeben könne. Sie habe deswegen die Chance

verpasst, ihr Plädoyer persönlich und in vollem Umfang dem Obergericht vortra-

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- 27-

gen zu können. Sie ersuche das Obergericht, ihre Unzufriedenheit mit diesem

Umstand zur Kenntnis zu nehmen sowie zu überprüfen, ob sie die angefallenen

Dolmetscherkosten gesamthaft zu tragen habe.

Da die Gesuchstellerin selbst nicht behauptete, dass sie die Mitteilung des

Vorsitzenden zu Beginn der Verhandlung , wonach sie ihre Notizen vorlesen kön­

ne, sprachlich nicht verstanden habe, sondern nur geltend machte, sie sei vom

Dolmetscher nicht angehalten worden, dies zu tun , entbehrt ihr Vorwurf einer Be­

rechtigung . Der Dolmetscher hat bei Bedarf nur die Äusserungen des Gerichtes

zuhanden der Partei zu übersetzen, jedoch nicht die Kompetenz, die Partei zu ir­

gendwelchen Handlungen zu veranlassen . Da die Gesuchstellerin die Dienste des

Dolmetschers nur partiell in Anspruch nehmen musste, weil sie den Fragen des

Gerichtes, insbesondere bei nicht komplexen Themen, in sprachlicher Hinsicht

ohne Weiteres folgen konnte, ist davon auszugehen, dass sie die Aufforderung

des Vorsitzenden zur Darlegung ihres Standpunktes und dem allfälligen Verlesen

von Notizen selbst verstand. Dass sie nur wegen des Verhaltens des Dolmet­

schers darauf nicht reagieren konnte , erscheint wenig plausibel. Allenfalls lag

diesbezüglich ein Missverständnis vor. Im Übrigen hatte sie nach der Pause un­

eingeschränkt Gelegenheit, das allenfalls Versäumte nachzuholen, wie sie selbst

anerkannte. Dass sie allenfalls nicht alles vortragen konnte, was sie aufgeschrie­

ben hatte und auch sagen wollte, lag vielmehr daran , dass sie weitschweifige

Ausführungen zu Themen, welche nicht Gegenstand der Berufungsverhandlung

waren, machen wollte und vom Vorsitzenden auf diesen Umstand mehrmals auf­

merksam gemacht werden musste. Der Gesuchstellerin wurde jedoch das rechtli­

che Gehör vollumfänglich gewährt bezüglich sachbezogener Äusserungen, die sie

von sich aus anbringen wollte (Prot. II S. 22 ff.). Ausserdem konnte sie auf ent­

sprechende Fragen des Vorsitzenden zu ·allen Themen der Berufungsantwort

ausführlich Stellung nehmen (Prot. II S. 10 ff.) . Ausserdem erscheint es unerfind­

lich, weshalb sich die Gesuchstellerin erst im Nachhinein über angebliche Mängel

der Übersetzung beschwerte und diese nicht schon an der Verhandlung geltend

machte, obwohl sie diese nach eigenen Angaben schon an lässlich der Verhand­

lung bemerkte und gegenüber dem Dolmetscher bereits in der Verhandlungspau­

se rügte.

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Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass kein Anlass besteht, den

Parteien nicht die ganzen Dolmetscherkosten aufzuerlegen , da keine Anhalts­

punkte bestehen, dass der Dolmetscher seine Aufgabe nicht korrekt erfüllt hätte.

Die Gesuchstellerin hat ohnehin nicht die ganzen Kosten zu tragen, sondern nur

den Anteil , welcher ihrem Unterliegen im Berufungsverfahren entspricht, also 5/8 .

Das Gericht erkennt:

1. Der Gesuchsteller wird verpflichtet, ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis

zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen Erstausbildung des Kin­

des auch über die Mündigkeit hinaus an die Kosten des Unterhalts und der

Erziehung des Kindes monatlich im Voraus jeweils auf den Ersten des Mo­

nats zahlbare Unterhaltsbeiträge von Fr. 1 '700.- (zuzüglich allfälliger gesetz­

licher oder vertraglicher Kinderzulagen) zu bezahlen , zahlbar an die Ge­

suchstellerin solange das Kind in deren Haushalt lebt oder keine eigenen

Ansprüche stellt bzw. keinen anderen Zahlungsempfänger bezeichnet.

2. Diese Unterhaltsbeiträge basieren auf dem Landesindex der Konsumenten­

preise des Bundesamtes für Statistik (Stand bei Rechtskraft des Schei­

dungsurteils; Basis Dezember 2005 = 100 Punkte). Sie werden alljährlich auf

den 1. Januar der Veränderung des Indexstandes angepasst (nach der

Formel: Unterhaltsbeitrag mal neuer Index geteilt durch alten Index) . Mass­

gebend für die Anpassung ist der Indexstand von Ende November des Vor­

jahres. Die erste Anpassung erfolgt per 1. Januar 2009 .

( 1~ Der Gesuchsteller wird verpflichtet, der Gesuchstellerin persönlich monatli­

che Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen:

a) Fr. 6'1 00.- ab Rechtskraft dieses Urteils bis 30. September 2009;

b) ab 1. Oktober 2009 bis 30. Dezember 2010: Fr:. 4'600.--; --c) ab 1. Januar 2011 bis 30. Dezember 2012: Fr. 2'900.--

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d) ab 1. Januar 2013 bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters

der Gesuchstellerin : Fr. 2'400.--

4 . Diese Unterhaltsbeiträge basieren auf dem Landesindex der Konsumenten­

preise des Bundesamtes für Statistik (Stand bei Rechtskraft dieses Urteils;

Basis Dezember 2005 = 100 Punkte). Sie werden alljährlich auf den

1. Januar der Veränderung des Indexstandes angepasst (nach der Formel:

Unterhaltsbeitrag mal neuer Index geteilt durch alten Index) . Massgebend

für die Anpassung ist der Indexstand von Ende November des Vorjahres .

Die erste Anpassung erfolgt per 1. Januar 2010.

Weist der Gesuchsteller nach, dass sich sein Einkommen nicht im Umfang

der Teuerung erhöht hat, so erhöhen sich die persönlichen Unterhaltsbeiträ­

ge an die Gesuchstellerin nur im Verhältnis der tatsächlich eingetretenen

Einkommenserhöhung.

5. Die Pensionskasse des Gesuchstellers wird angewiesen, persofort vom

Freizügigkeitskonto des Gesuchstellers AHV-Nr.

geb. 963) den Betrag von Fr. 177'269.- auf das

Freizügigkeitskonto der Gesuchstellerin bei der Freizügigkeitsstiftung der

- AG , Postfach, HV-Nr.

Kontonr. C

6 . Die zweitinstanzliehe Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 16'000.--;

Dolmetscherkosten Fr. 245.--.

7. Die Kosten für das zweitinstanzliehe Verfahren werden der Gesuchstellerin

zu 5/8 und dem Gesuchsteller zu 3/8 auferlegt.

8. Die Gesuchstellerin wird verpflichtet, dem Gesuchsteller für das Berufungs­

verfahren eine reduzierte Prozessentschädigung von Fr. 4'000.-- zuzüglich

Fr. 304.-- (7,6 % Mehrwertsteuer) zu bezahlen .

9. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Gesuchsteller unter Beilage

einer Kopie von Urk. 78, an das Bezirksgericht ·e gemäss

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Dispositiv Ziff. 5 an die Pensionskasse des Gesuchstellers, Personalvorsor­

gestiftung der nd an die

Vorsorgeeinrichtung der Gesuchstellerin, Freizügigkeitsstiftung der

Postfach, sei, je gegen Empfangsschein.

Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzliehen

Akten an die Vorinstanz zurück.

10. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach dessen Empfang beim

Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach, 8022 Zürich durch eine

dem § 288 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechende Eingabe im Dop­

pel kantonale Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne des§ 281 ZPO geführt wer­

den.

Zulässigkeit und Voraussetzungen einer bundesrechtlichen Beschwerde ge­

gen diesen Entscheid richten sich nach den Bestimmungen des Bundesge­

setzes über das Bundesgericht (BGG, insb. Art. 72 ff., 90 ff. und 113 ff.). Ei­

ne allfällige Beschwerde wäre innert 30 Tagen von der Zustellung an beim

Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne einzureichen. Wird kantonale

Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, läuft die Frist zur bundesrechtlichen Be­

schwerde gegen den vorliegenden Entscheid erst ab Eröffnung des Ent­

scheides des Kassationsgerichtes.

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

I. Zivilkammer

Der Präsident:

Oberric~ter Dr. B. Suter

versandt am: js

Die juristische Sekretärin:

.. ··-c ? ',/ .·'/ / .) / -­._?/- L~{.. C::., / -~?..c.. ~

lic. iur. Ch. Baumann

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30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops

Workshop 3:

Dauer von Unterhaltzahlungen Dr. iur. Daniel Steck, ehemaliger Oberrichter

Sachverhalt

Der schweizerische Staatsangehörige Gian Derungs (geboren 1969) und die amerikanische

Staatsangehörige Betty Smith (geboren 1967) lernten einander im Mai 1997 in den USA

kennen und heirateten im gleichen Jahr in New York (USA). Aus ihrer Ehe sind zwei

Mädchen (geboren 1998 und 2000) hervorgegangen. Nach der Geburt des ersten Kindes

zogen sie Ende 1998 in die Schweiz, wo sie seither wohnten.

Im ehelichen Haushalt lebten auch die drei Söhne der Ehefrau aus ihrer ersten Ehe. Diese

sind mittlerweile volljährig geworden und leben heute in den USA bei ihrem Vater.

Im April 2002 begründeten die Ehegatten durch Ehevertrag den Güterstand der

Gütertrennung.

Im August 2004 haben die Ehegatten den gemeinsamen Haushalt aufgelöst. Sie einigten

sich vor dem Eheschutzgericht in einer Teilvereinbarung, wonach die Kinder in der Obhut der

Mutter belassen wurden und dem Vater ein grosszügiges Besuchsrecht eingeräumt wurde.

Zwei Jahre später (Herbst 2006) reichte der Ehemann die Scheidungsklage ein.

Im Rahmen von mehrmals abgeänderten vorsorglichen Massnahmen wurde der Ehemann

schliesslich im Oktober 2007 verpflichtet, für die Ehefrau und die Kinder monatliche

Unterhaltsbeiträge von CHF 3‘600 zuzüglich Familienzulagen sowie CHF 2‘800 für die von

der Ehefrau und den Kindern benutzte Familienwohnung zu bezahlen.

Die Ehefrau verfügt weder über eine berufliche Ausbildung noch über irgendwelche

berufliche Erfahrungen. Ihre Kenntnisse der Landessprache sind lückenhaft. Sie ist ohne

eigenes Erwerbseinkommen und Vermögen und wird finanziell von einem Partner

unterstützt, mit welchem sie seit zwei Jahren eine „relation sentimentale“ unterhält. Der

familienrechtlich erweiterte Grundbedarf für die Ehefrau und die beiden Kinder beträgt

monatlich CHF 7‘500. Das Gericht geht davon aus, dass die Ehefrau heute bei einer

Erwerbstätigkeit von 50% ein Erwerbseinkommen von CHF 1‘500 pro Monat erzielen könne.

Der Ehemann lebt in einer nichtehelichen Gemeinschaft und ist Vater von zwei weiteren

Kindern (geboren 2008 und 2009) geworden, die im gemeinsamen Haushalt mit drei Kindern

seiner neuen Partnerin aus einer früheren Ehe aufwachsen. Er ist von Beruf Kaufmann und

wurde 2007 Direktor seiner bisherigen Arbeitgeberfirma. Sein Verdienst beträgt rund CHF

24‘000 pro Monat. Sein familienrechtlich erweiterter monatlicher Grundbedarf bemisst sich –

unter Ausschluss der beiden nachehelich dazugekommenen Kinder – auf CHF 10‘500.

Anscheinend wurde das gesamte Monatseinkommen des Ehemannes stets dem

Familienunterhalt zugeführt und keine Sparquote realisiert.

Das erstinstanzliche Gericht hat die Scheidung im Herbst 2009 ausgesprochen.

Diskussionspunkte:

Höhe des nachehelichen Unterhalts für die Ehefrau und Dauer der Rente.

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Eckdaten des Sachverhalts (D. Steck)

Ehedauer bis Rechtshängigkeit der

Scheidungsklage (2006)

9 Jahre

Alter der Ehegatten bei Auflösung des

gemeinsamen Haushaltes (2004)

Frau: 37 J.

Mann: 35 J.

Alter der Ehegatten bei Scheidung (2009) Frau: 42 J.

Mann: 40 J.

Alter Kinder bei Scheidung (2009) 11 J. und 9 J.

Einkommen pro Monat Frau: 1‘500 CHF (50%, hypothetisch)

Mann: ca. 24‘000 CHF

Familienrechtlich erweiterter Grundbedarf Frau+ Kinder: 7‘500 CHF

Mann (ohne nacheheliche Kinder): 10‘500

CHF

UB (vorsorgliche Massnahmen) an Frau +

Kinder

6‘400 zuzüglich Familienzulagen (davon

2‘800 für Wohnung)

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1

30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops

Workshop 3:

Dauer von Unterhaltzahlungen Dr. iur. Daniel Steck, ehemaliger Oberrichter

Lösungsansatz

I. Zum methodischen Vorgehen:

1. Rechtliche Grundlage (Ausgangspunkt): Art. 125 Abs. 1 und 2 Ziff. 1 – 8 ZGB

2. Einstieg bei der Prüfung der Frage, ob ein Anspruch auf Scheidungsunterhalt besteht

(Art. 125 Abs. 1 ZGB):

(vgl. dazu die Zusammenfassung bei HAUSHEER/GEISER/AEBI-MÜLLER, Das Familienrecht des Schweizerischen

Zivilgesetzbuches, 4.Aufl. Bern 2010, Rz 10.115)

A. War die Ehe lebensprägend?

Falls ja, dann Anknüpfung an den letzten ehelichen Lebensstandard (vgl. hinten II, B)

Falls nein, dann Anknüpfung an die vorehelichen Verhältnisse: Kein wirtschaftlicher

Scheidungsnachteil, ev. Ausgleich der Beeinträchtigung der nachehelichen Berufsausübung

(„Karriereeinbusse“).

B. Falls Ehe lebensprägend war: Abklärung der Eigenversorgungskapazität

Ist die Eigenversorgungskapazität ungenügend: Prüfung, ob Erwerbstätigkeit

(Wiederaufnahme oder Ausdehnung) zumutbar ist (vgl. hinten II, C, D)

Ist die Eigenversorgungskapazität genügend: Kein wirtschaftlicher Scheidungsnachteil

C. Bei Zumutbarkeit der Wiederaufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit:

Ist die Eigenversorgung infolge zumutbaren Zusatzeinkommens genügend: Kein

wirtschaftlicher Scheidungsnachteil

Ist die Eigenversorgung trotz zumutbarem Zusatzeinkommen immer noch ungenügend,

besteht grundsätzlich ein ausgleichspflichtiger Scheidungsnachteil.

D. Bei Unzumutbarkeit der Wiederaufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit:

Es besteht grundsätzlich ein ausgleichspflichtiger Scheidungsnachteil.

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2

3. Prüfungsschema für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts bei

lebensprägenden Ehen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung:

Danach ist in drei Schritten vorzugehen (vgl. BGE 137 III 102 ff. E. 4.2; BGer 5A_435/2011

E. 3.2; HAUSHEER, Scheidungsunterhalt: Berechnungs- und Bemessungsmethoden, ZSR 2012

I, S. 3 ff., 9 mit Hinweis auf HAUSHEER/SPYCHER, Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl.

Bern 2010, Rz 05.19 m.w.H.):

a) Erster Schritt:

Anhand der Feststellung der zuletzt erreichten und gepflegten gemeinsamen Lebenshaltung ist

der gebührende Unterhalt eines jeden Ehegatten zu ermitteln.

b) Zweiter Schritt:

Prüfen, inwieweit jeder Ehegatte seinen gebührenden Unterhalt selbst finanzieren kann. Die

Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen Eigenkapazität erfolgt nach den in Art. 125

Abs. 2 Ziff. 1 – 8 ZGB aufgeführten Kriterien, die nicht abschliessend sind (BGE 129 III 7 ff.

E. 3.1; BGer 5C.62/2005 E. 9.1).

c) Dritter Schritt:

Ist es einem Ehegatten nicht möglich oder nicht zumutbar, für seinen gebührenden Unterhalt

selbst aufzukommen und ist er auf Unterhaltsleistungen angewiesen, ist die Leistungsfähigkeit

des unterhaltsverpflichteten Ehegatten zu ermitteln und ein angemessener Unterhaltsbeitrag

festzusetzen. Dabei ist weiter abzuklären, ob kein Ausschliessungsgrund im Sinne von Art.

125 Abs. 3 ZGB vorliegt.

4. Höhe und Dauer der Rente

Für die Festlegung von Höhe und Dauer der grundsätzlich ausgewiesenen Rente sind die

Voraussetzungen von Art. 125 Abs. 2 ZGB von Bedeutung, insbesondere die Ziffern 4 – 8.

Schliesslich ist auch die Leistungsfähigkeit des pflichtigen Ehegatten zu berücksichtigen

(HAUSHEER, a.a.O. S. 9), was das Gesetz in Art. 125 Abs. 1 ZGB („angemessene

Entschädigung“) zum Ausdruck bringt (vgl. hinten II, E/F).

II. Überlegungen zum konkreten Fall

A. Lebensprägende Ehe:

1. Eine lebensprägende Ehe ist zu bejahen, wenn das Vertrauen auf den Weiterbestand der

bisherigen, frei vereinbarten Aufgabenteilung objektiv schutzwürdig ist. Das wird bei über

10-jährigen Ehen vermutet, ist aber nach den vorliegenden Umständen auch im Falle der

Eheleute Derungs-Smith anzunehmen, deren Ehe nur neun Jahre gedauert hat (bzw. bis zum

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3

Datum der Trennung während sieben Jahren gelebt wurde; BGE 132 III 598 ff. E. 9.2),

insbesondere weil noch zwei Kinder im Alter von 11 und 9 Jahren zu betreuen sind (vgl.

BGE 135 III 59 ff. E. 4.1; 137 III 102 ff. E. 4.1.2). Grundsätzlich ist deshalb im vorliegenden

Fall für die Ermittlung des gebührenden Unterhalt im Sinne von Art. 125 ZGB an den in der

Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Standard (zuzüglich scheidungsbedingter Mehrkosten)

anzuknüpfen, auf dessen Fortführung bei genügenden Mitteln beide Teile Anspruch haben

(BGE 132 III 593 ff. E. 3.2; 134 III 145 ff. E. 4), der aber gleichzeitig auch die Obergrenze

des gebührenden Unterhalts bildet (BGE 135 III 158 ff. E. 4.3; BGer 5A_435/2011 E. 3.2).

2. Die Berechnung des gebührenden Unterhalts kann grundsätzlich nach zwei Methoden

erfolgen. Bei ausserordentlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen, die eine weite Sparquote

ermöglicht haben, steht die Anwendung der einstufig-konkreten Methode im Vordergrund

(BGE 134 III 577 ff. E. 3; HAUSHEER, a.a.O. S. 10 ff., 27). Dagegen ist in Fällen, wo eine

nachehelich zu schützende Sparquote ausgeschlossen oder kaum beachtenswert ist, die

Methode der Grundbedarfsberechnung mit Überschussverteilung angebracht

(HAUSHEER, a.a.O. S. 14 f.). Es gilt der Grundsatz, „dass alles, was nicht Sparquote ist, dem

Unterhalt diente und weiter zu dienen hat. Eine Sparquote wird nur insoweit berücksichtigt,

als derjenige, der sie behauptet, sie auch nachzuweisen, d.h. zumindest glaubhaft zu machen

vermag“ (HAUSHEER, a.a.O. S. 19, m.H. auf HAUSHEER/SPYCHER, a.a.O. Rz 02.65).

3. Im vorliegenden Fall ist laut Sachverhalt davon auszugehen, dass keine Sparquote realisiert

wurde. Deshalb dürfte die Methode der Grundbedarfsrechnung mit Überschussverteilung zur

Anwendung gelangen. Ausgangspunkt ist somit der familienrechtlich erweiterte Grundbedarf

von CHF 7‘500 (für die Ehefrau und die Kinder) und von CHF 10‘500 für den Ehemann.

4. Nicht berücksichtigt in diesem Betrag für die Ehefrau ist jedoch die Komponente des

Vorsorgeunterhalts. Der Vorsorgeunterhalt im Sinne von Art. 125 Abs. 1 ZGB betrifft den

Ausgleich allfälliger künftiger nachehelicher Einbussen, wenn ein Ehegatte wegen

Kinderbetreuungspflichten in den Jahren nach der Scheidung keiner oder nur einer

beschränkten Erwerbstätigkeit wird nachgehen und deshalb auch nicht die vollen Beiträge in

die eigene Altersvorsorge wird einbezahlen können (BGE 135 III 158 ff. E. 4.1). Die

Bemessung des Vorsorgeunterhalts ist kontrovers (vgl. BGE 135 III 158 ff. E. 4.2).

B. Eigenversorgungskapzität der Ehefrau:

Auszugehen ist von der Tatsache, dass die Ehefrau weder über eine berufliche Ausbildung

noch über irgendwelche berufliche Erfahrungen verfügt. Ihre Kenntnisse der Landessprache

sind lückenhaft. Sie verfügt derzeit über kein Erwerbseinkommen und wird finanziell vom

Partner unterstützt. Im Zeitpunkt der Scheidung ist ihre Eigenversorgungskapazität

offensichtlich ungenügend.

C/D. Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

Das müsste im konkreten Fall näher abgeklärt werden. Aufgrund des Alters der Ehefrau und

der Dauer der Ehe ist eine mindestens teilweise Erwerbstätigkeit zumutbar. Auch das Alter

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4

der Kinder (11- und 9-jährig) vermag die Zumutbarkeit nicht ausschliessen. Zu

berücksichtigen ist jedoch, dass die mangelnde Ausbildung und die sehr eingeschränkten

Erwerbsaussichten die Eigenversorgungskapazität der Ehefrau auch für die Zukunft – nach

Eintritt der Volljährigkeit der Kinder – erheblich einschränkt. Das Gericht geht laut

Sachverhalt von einer möglichen Erwerbstätigkeit von 50% aus und nimmt ein hypothetisches

Einkommen von CHF 1‘500 an.

E. Leistungsfähigkeit des Ehemannes:

Der Ehemann erzielt vergleichsweise ein überdurchschnittlich hohes Einkommen. Nach dem

Sachverhalt kann vermutet werden (und wäre abzuklären), dass die Steigerung erst nach

Anhängigmachung der Scheidungsklage (2007) eingetreten ist. Durch Begründung einer

neuen Verbindung mit zwei weiteren Kindern haben sich aber auch seine Unterhaltspflichten

stark erhöht.

F. Höhe und Dauer der Rente:

Bei der Festlegung von Höhe und Dauer ist auf den vorn in II/A erwähnten Grundsatz

hinzuweisen, wonach für den gebührenden Unterhalt im Sinne von Art. 125 ZGB an den in

der Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Standard (zuzüglich scheidungsbedingter Mehrkosten)

anzuknüpfen ist, auf dessen Fortführung bei genügenden Mitteln beide Teile Anspruch haben.

Zwischen Rentenhöhe und Rentendauer besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Erwähnt

seien hier drei Lösungstypen, die in der Praxis verbreitet sind und oft auch modifiziert

werden:

1. Befristung der Rente bis zum zurückgelegten 16. Altersjahr des jüngsten Kindes, in

der Annahme, dass die Ehefrau dann vollständig erwerbstätig sein kann oder muss und ihren

Lebenserhalt und den Aufbau einer hinreichenden Altersvorsorge aus eigenen Kräften

finanzieren kann.

2. Befristung der Rente bis zum Eintritt der berechtigten Ehegattin ins AHV-

Rentenalter (ev. bis zum Eintritt des verpflichteten Ehegatten ins AHV-Rentenalter). Dazu

das Bundesgericht (vgl. BGer 5A_435/2011 E. 7.2): „Häufig brechen aber die verfügbaren

Mittel ein, sobald der Leistungspflichtige das Rentenalter erreicht, so dass der während der

Aktivitätsphase gepflegte Lebensstandard nicht uneingeschränkt fortgesetzt werden kann und

er auch bei fortgeführter Ehe sinken würde. Dem Grundsatz, dass bei der lebensprägenden

Ehe beide Ehegatten Anspruch auf eine vergleichbare Lebenshaltung haben, trägt die Praxis

diesfalls insoweit Rechnung, als das Ende der Unterhaltspflicht an das Erreichen des AHV-

Alters des Unterhaltspflichtigen geknüpft wird.“ (vgl. auch BGer 5A_124/2007 E. 2.2).

3. Unbefristete, d.h. lebenslängliche Rente. Nach dem geltenden Recht festgelegte

unbefristete Renten sind nicht mehr oft anzutreffen. Gelegentlich wird die Auffassung

vertreten, dass heute unbefristete Renten nicht mehr möglich sind. Das Bundesgericht hat dies

jedoch verneint: „Soweit der eine Ehegatte für den ihm zustehenden, gebührenden Unterhalt

auf Dauer nicht oder nur teilweise aufzukommen vermag, ist der andere Ehegatte bei

lebensprägenden Ehen verpflichtet, diese Eigenversorgungslücke nach Massgabe seiner

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5

Leistungsfähigkeit zu decken und ist nachehelicher Unterhalt im Grundsatz unbefristet

geschuldet“ (BGer 5A_435/2011 E. 7.2). Es gilt aber festzuhalten (vgl. HAUSHEER, a.a.O. S.

25), „dass … mit der Feststellung einer lebensprägenden Ehe nicht automatisch ein

lebenslänglicher oder bis zum AHV-Alter dauernder) nachehelicher Unterhalt im Umfang der

in der Ehe zuletzt gelebten Lebenshaltung garantiert ist. …. Mit der Unterscheidung zwischen

der lebensprägenden und der nicht lebensprägenden Ehe wird … nur über die grundsätzliche

Ausrichtung einer nachehelichen Unterhaltsentschädigung im Sinne eines ‚negativen‘ bzw.

‚positiven Vertragsinteresses‘ entschieden, nicht aber auch über die Unterhaltsdauer.“

III. Entscheide der Gerichte im konkreten Fall

(vgl. BGer 5A_478/2010 bzw., auszugsweise BGE 135 III 102 ff.; vgl. auch HAUSHEER,

a.a.O. S. 22 ff.; aus übungstechnischen Gründen wurde der Sachverhalt leicht vereinfacht)

1. Erste Instanz:

- Monatliche UB für die Kinder: gestaffelt je CHF 2‘000 bis zum vollendeten 12. Altersjahr,

CHF 2‘250 bis zum vollendeten 16. Altersjahr und CHF 2‘500 bis zur Volljährigkeit, bzw.

zum Abschluss der Ausbildung.

- Monatliche Rente für die Ehefrau: CHF 1‘500, indexiert, befristet bis 5. Januar 2016 (= 16.

Geburtstag des jüngeren Kindes).

2. Zweite Instanz:

- Monatliche UB für die Kinder: gestaffelt je CHF 2‘000 bis zum vollendeten 12. Altersjahr

und CHF 2‘300 bis zur Volljährigkeit, bzw. zum Abschluss der Ausbildung.

- Monatliche Rente für die Ehefrau: CHF 2‘100, indexiert, befristet bis 5. Januar 2016 (16.

Geburtstag des jüngeren Kindes).

Zu erwähnen ist, dass die kantonalen keinen eigentlichen Altersvorsorgeunterhalt vorgesehen

hatten (vgl. HAUSHEER, a.a.O. S. 25).

3. Bundesgericht:

Die Kinder-UB waren vor Bundesgericht nicht mehr angefochten. Mit Beschwerde in

Zivilsachen verlangte die geschiedene Ehefrau einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von CHF

6‘000 bis zu ihrem Eintritt ins AHV-Alter. Das Bundesgericht hat diesem Antrag nur

teilweise entsprochen und den monatlichen Unterhaltsbeitrag auf CHF 5‘400, befristet bis und

mit Monat Januar 2016, festgesetzt. Es verweigerte eine Erhöhung des befristeten

Unterhaltsbeitrages zum Aufbau einer angemessenen Altersvorsorge (vgl. BGE 137 III 102 ff.

E. 4.4).

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30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops

Workshop 3:

Abänderung von Unterhaltsbeiträgen RA lic.iur. Kurt Zollinger

Claudia Weiss und Peter Gross

Heirat: 1990, 2 Kinder Sven u Nadine

Trennung: 2008, Scheidung: 2010

Abänderung: 2012, bzw. 2018

Sohn Sven Gross

geb. 1991, wohnt in Lausanne,

studiert Rechtswissenschaften in

Lausanne,

Unterhalt: CHF 2‘000.00 vom Vater

Tochter Nadine Gross

geb. 1998, wohnt bei der Mutter,

1. Klasse Langzeitgymnasium,

Unterhalt: CHF 1‘500.00 vom Vater

Claudia Weiss

geb. 1962, wohnt in Horgen,

Beruf: Hausfrau / kfm. Angestellte,

ab Trennung zu 60% erwerbstätig,

Lohn CHF 3‘300.00 / Monat

Peter Gross

geb. 1958, wohnt in Uster,

Beruf: erlernter Autoelektriker, jetzt

Informatiker,

Lohn bei Trennung und Scheidung:

CHF 15'000.00 plus durchschnittlicher

Bonus CHF 5‘000.00 je pro Monat

Scheidung / Vereinbarung

Unterhalt für Claudia Weiss: CHF

4‘000.00 bis zur Pensionierung von

Peter Gross

Unterhalt Nadine: CHF 1‘500.00,

vorgemerkt, dass Peter Gross an

Sven Gross CHF 2‘000.00 bezahlt

Bedarf Claudia Weiss, ohne Nadine:

CHF 7‘000.00

Bedarf Peter Gross, ohne Unterhalt

für Nadine und Sven: CHF 8‘000.00

Vermögen: je CHF 10‘000.00

Abänderung 1 im Jahr 2012

Peter Gross wird die Arbeitsstelle

gekündigt, mit Glück findet er eine

neue Arbeitsstelle, Lohn CHF

15‘000.00, kein Bonus mehr

Abänderung 2 im Jahr 2012

Peter Gross wird die Arbeitsstelle

gekündigt, mit Glück findet er eine

neue Arbeitsstelle, Lohn CHF

10‘000.00,

2. Heirat mit gut verdienender

Anwältin Ende 2011

Abänderung 3 im Jahr 2012

Peter Gross wird die Arbeitsstelle

gekündigt, mit Glück findet er eine

neue Arbeitsstelle, Lohn CHF

15‘000.00,

2. Heirat mit Kunsthistorikerin aus

Mexiko, welche er vor einem Jahr im

Rahmen von Mexiko-Ferien

kennengelernt hat,

Ende 2011: Geburt der Zwillinge

Ruben und Pepe

Abänderung 4 im Jahr 2018

Peter Gross lässt sich 5 Jahre vor

Eintritt ins AHV-Alter pensionieren,

seine PK-Rente beträgt CHF 6‘000.00

plus 3 Kinderrenten zu CHF 500.00

Sven Gross hat in der Zwischenzeit

das Studium beendet, Nadine Gross

studiert Englisch in Zürich und wohnt

noch bei Claudia Weiss

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Workshop 3: Abänderung von Unterhaltsbeiträgen

Voraussetzungen:

- kein Ausschluss der Abänderung nach Art. 127 ZGB

- erhebliche Veränderung

- dauernde Veränderung

- nicht vorhersehbar

Methode:

- wie bei der Bemessung der Unterhaltsbeiträge, gibt es nach BGer auch bei der

Abänderung von Unterhaltsverpflichtungen nicht eine einzige richtige Methode (BGer

5A_561/2011 vom 19. März 2012, franz, E. 14.2). In diesem neuen Entscheid schreibt das

BGer, es habe auch im Entscheid 5C.197/2003 (Entscheid mit genauer Berechnung und

proportionaler Kürzung) nicht anders entschieden.

- die Frage der Herabsetzung der Unterhaltsrente ist nicht ausschliesslich eine solche des

zahlenmässigen Verhältnisses. Der Abänderungsrichter hat vielmehr nach Recht und

Billigkeit (Art. 4 ZGB) zu entscheiden (BGer 5C.163/2001).

Abänderung 1 – kein Bonus mehr

2010 2012, ohne

Abänd.

Lösung

proportional

5C.197/2003

Lösungs-

vorschlag

EF Lohn 3’300 3’300

EM Lohn 15’000 15’000

EM Bonus 5’000 -

UB EF 4‘000 4’000 2‘100 (-48%) 3’700

UB Nadine,

unmündig 1’500 1’500

UB Sven,

mündig 2’000 2’000 1’500

Bedarf EM 8’000 8’000

Leistungsfäh.

EM * 10‘500 5‘500 (-48%)

Mittel EF,

Bedarf 7‘000 7‘300 7‘300 5‘400 7’000

Mittel EM,

Bedarf 8‘000 12‘500 7‘500 9‘400 8’300

Mittel EM ohne

UB Sven 14‘500 9‘500 11‘400 9‘800

* Leistungsfähigkeit: Lohn EM abzüglich Kinderunterhalt für unmündige Kinder

abzüglich Bedarf EM

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2/5

- Angesichts der gesamten Einkünfte von CHF 23'300.- ist im Rahmen der Scheidung der

Unterhalt mittels einstufiger Methode berechnet worden. Bei einstufiger Methode und

deutlichem Überschuss auf der Seite des Pflichtigen führt eine proportionale Kürzung

anhand der Leistungsfähigkeit, wie dies in 5C.197/2003 gemacht wurde, zu einem

unangemessenen Ergebnis.

- Sven: Die Ansprüche von mündigen Kindern haben gegenüber solchen von unmündigen

Kindern und Ehegatten zurückzutreten (vgl. HAUSHEER / SPYCHER, Handbuch des

Unterhaltsrechts, 2. Auflagen, Bern 2010, Rz 08.31).

- Sven: Der mündige Sohn kann wohl seine Eigenversorgungskapazität ausdehnen. Ca. 75%

der Studenten sind erwerbstätig. Ein Student kann m.E. zwischen CHF 6'000.- und CHF

10'000.- im Jahr verdienen.

Claudia Weiss: Mit der leichten Kürzung bleibt ihr Bedarf gleichwohl gedeckt.

Peter Gross: Er bleibt leicht über seinem Bedarf.

Abänderung 2 – weniger Lohn und 2. Ehe mit Anwältin

2010 2012, ohne

Abänd.

Lösung

proportional

5C.197/2003

Lösungs-

vorschlag

EF Lohn 3’300 3’300

EM Lohn 15’000 10’000

EM Bonus 5’000 -

UB EF 4‘000 4’000 1'000 (-75%) 3’000

UB Nadine,

unmündig 1’500 1’500

UB Sven,

mündig 2’000 2’000 -

Bedarf EM 8’000 6’000

Leistungsfäh. 10‘500 2'500 (-75%)

Mittel EF,

Bedarf 7‘000 7‘300 7‘300 4’300 6’300

Mittel EM,

Bedarf 6‘000 12‘500 2‘500

Mittel EM ohne

UB Sven 14‘500 4‘500 7’500 5’500

- Nadine: Der Unterhaltsanspruch des unmündigen Kindes hat Vorrang vor dem Anspruch

des Ehegatten (HAUSHEER / SPYCHER, Rz 08.28)

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3/5

- Sven: Zuerst sind die Ansprüche des früheren Ehegatten und des unmündigen Kindes

abzudecken.

- Peter Gross: Es wird angenommen, dass sich der Bedarf von Peter Gross zufolge Heirat

mit der gut verdienenden Anwältin von CHF 8'000.00 auf CHF 6'000.00 reduziert. Der

2. Ehefrau ist zuzumuten, gestützt auf Art. 163 ZGB mehr als 50% der gemeinsamen

Haushaltkosten zu tragen (vgl. 5A_241/2010).

Claudia Weiss und Peter Gross: Bezahlt Peter Gross künftig an Claudia Weiss

Unterhaltsbeiträge von CHF 3'000.- so sind im Resultat neu beide CHF 700.00 unter ihrem

Bedarf.

2. Ehefrau: Die neue Ehefrau hat ihren Partner so zu stellen, wie wenn er die neue Ehe nicht

eingegangen wäre (HAUSHEER / SPYCHER, Rz 08.24). Sie weiss um die vorbestehenden

Verpflichtungen (HAUSHEER / SPYCHER, Rz 08.26a).

Abänderung 3 – weniger Lohn und 2. Ehe sowie 2 kleine Kinder

2010 2012, ohne

Abänd.

Lösung

proportional

5C.197/2003

Lösungs-

vorschlag

EF Lohn 3’300 3’300

EM Lohn 15’000 15’000

EM Bonus 5’000 -

UB EF 4‘000 4’000 1’400 (-65%) 3’500

UB Nadine,

unmündig 1’500 1’500

UB Ruben u

Pepe, zusam. 1’500

UB Sven,

mündig 2’000 2’000 500

Bedarf EM 8’000 8’500

Leistungsfäh. 10‘500 3’500 (-65%)

Mittel EF,

Bedarf 7‘000 7‘300 7‘300 4’700 6’800

Mittel EM,

Bedarf 8‘500 12‘500 5’500 8’600 8’000

Mittel EM ohne

UB Sven 14‘500 7’500 10’600 8’500

Nadine, Ruben und Pepe: Unmündige Kinder haben einen Anspruch auf Gleichbehandlung

bei der Befriedigung ihres Bedarfs, was nicht zwingend gleiche Beträge bedeutet

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4/5

(HAUSHEER / SPYCHER, Rz 08.32). Es wird angenommen, dass die noch kleinen Zwillinge

zusammen ca. CHF 1'500.- benötigen, um ungefähr gleich zu leben, wie Nadine.

- Peter Gross: Es wird angenommen, dass sich der Bedarf von Peter Gross zufolge Heirat,

mit der nicht erwerbstätigen Kunsthistorikerin aus Mexiko auf CHF 8'500.- erhöht hat. Die

neue Familie hat dann zusammen mit dem Betrag für die Zwillinge einen Bedarf von

insgesamt CHF 10'000.-

Abänderung 4 – vorzeitige Pensionierung und 2. Ehe sowie 2 unmündige Kinder

2010 2018, ohne

Abänd.

Lösung

proportional

5C.197/2003

Lösungs-

vorschlag

EF Lohn 3’300 3’300

EM Lohn 15’000 7’500

EM Bonus 5’000 -

2. Ehefrau 4'000

Summe Eink. 23’300 10’800

UB EF 4‘000 4’000 Null 3’000

UB Nadine,

mündig 1’500 1’500 500

UB Sven

mündig 2’000 -

UB Ruben u

Pepe, zusam. 1’500

Bedarf EM 8’000 7’500

Leistungsfäh. 10‘500 Null

Mittel EF,

Bedarf 7‘000 7‘300 7‘300 3’300 6’000

Mittel EM,

Bedarf 7’500 12‘500 500 4’500 6’500

Peter Gross: Es wird angenommen, dass sich sein Bedarf zufolge Pensionierung, aber mit

seiner 2. Familie auf CHF 7'500.- plus CHF 1'500.- für die Zwillinge reduziert.

Nadine: Zuerst sind die Ansprüche des früheren Ehegatten und des unmündigen Kindes

abzudecken.

Kunsthistorikerin aus Mexiko: Die Zwillinge sind nun 7-jährig. Es ist der 2. Ehefrau

zuzumuten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. 5A_272/2010). Es wird angenommen,

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dass die 2. Ehefrau mit einer 100%-Erwerbstätigkeit (Peter Gross kann zu den Kindern

schauen) CHF 4'000.- verdienen kann.

Frühzeitige Pensionierung: Nach der Praxis ist bei einer freiwilligen Verminderung des

Einkommens nur dann von einem hypothetischen Einkommen auszugehen, sofern der

Unterhaltsschuldner die Verminderung rückgängig machen kann. Angesichts des Alters von

Peter Gross gehe ich davon aus, dass er keine neue Arbeitsstelle finden wird. Die

Kompensation erfolgt über die Annahme, dass seine jüngere 2. Ehefrau einer

Erwerbstätigkeit nachgehen kann.

Hinweise auf neuere BGer-Entscheide betr. Abänderung

„Pensionierung“ in Konventionen

Auf den Begriff „Pensionierung“ ist in Konventionen / Entscheiden zu verzichten. Der Begriff

birgt Auslegungsprobleme. „Pensionierung“ = ordentliches AHV-Alter von 65 Jahren (Art. 21

Abs. 1 lit. a AHVG)? vgl. 5A_746/2011 und 5A_493/2011

Anzehrung von Vermögen

Im schon erwähnten Entscheid 5A_561/2011 vom 19. März 2012, franz, hat das BGer in

Erw. 11.1.2 und 11.1.3 festgehalten, dass ausnahmsweise auch im Rahmen einer

Abänderung die Anzehrung des Vermögens verlangt werden kann. Dies selbst dann, wenn

früher das Vermögen nicht zur Deckung der Lebenshaltungskosten eingesetzt worden sei.

Gemäss Art. 125 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB sei das Vermögen ein Bemessungskriterium. Dies gelte

auch bei der Beurteilung eines Abänderungsverfahrens.

Abänderung einer Entschädigung nach Art. 124 ZGB

Im Rahmen eines Entscheides über UP/URv – Aussichtslosigkeit – hat das BGer

festgehalten, dass es sich bis heute zur Frage einer Abänderbarkeit einer Entschädigung

nach Art. 124 Abs. 1 ZGB – Kapital oder Rente – noch nie grundsätzlich geäussert habe. Es

hat deshalb die Aussichtslosigkeit einer Abänderungsklage verneint, vgl. 5A_842/2011

23. Mai 2012 / K.Zollinger