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4. Verteilungsgerechtigkeit als Wohlfahrtsdimension Ulrich van Suntum Alternative Wohlstandsindikatoren 1 „Das Gerechte ist nichts anderes als das dem Überlegenen zuträgliche!“ (Thrasymachus)

4. Verteilungsgerechtigkeit als Wohlfahrtsdimension Ulrich van Suntum Alternative Wohlstandsindikatoren 1 Das Gerechte ist nichts anderes als das dem Überlegenen

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Ulrich van Suntum Alternative Wohlstandsindikatoren

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4. Verteilungsgerechtigkeit als Wohlfahrtsdimension

„Das Gerechte ist nichts anderes als das dem Überlegenen zuträgliche!“

(Thrasymachus)

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Warum sind Einkommen, Vermögen und Erfolg ungleich verteilt?

„Leistung“

„Glück“

Annahme: Erfolg = Leistung + Glück

Erfolg

Bevölkerungsanteil

arm mittel reich

Carl Friedrich Gauss1777 - 1857

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011121314151617181920212223242526272829303132333435360

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

„Leistung“

„Glück“

Annahme: Erfolg = Leistung * Glück

Bevölkerungsanteil

Erfolg

arm mittel reich

Realität in allen Gesellschaften: Paretokurve (1897)

Vilfredo Pareto(1848 – 1923)

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„Leistung“

„Parteitreue“

Annahme: Erfolg = Leistung * Parteitreue

Bevölkerungsanteil

Erfolg

arm mittel reich

Einkommensverteilung im real existierenden Sozialismus:

Arbeiter und Bauern

SportlerHonecker

Walter Ulbricht(1893 – 1973)

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Tatsächliche Einkommensverteilung 2008

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Vermögen ist sehr ungleich verteilt in Deutschland

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Struktur des Vermögens in Deutschland2007 (DIW)Eigenheim 59,30%sonst. Immobilien 22,10%Geldvermögen 14,20%priv. Versicherungen 13,40%Betriebsvermögen 10,90%Sachvermögen 1,30%Schulden -21,20%Summe 100,00%

Privates Nettovermögen ohne Sozialversicherungs-ansprüche 2007: 6,6 Billionen €

Vermögenswert der Renten- und Pensionsansprüche: ca. 4,6 Bio. € (DIW)

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0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

Däne

mar

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Schw

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n

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n

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Port

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Türk

ei

Ungleichverteilung der Einkommen 2004(Gini-Koeffizienten, Quelle: OECD/Bertelsmann Stiftung)

Ungleichheit der Einkommen: Deutschland im Mittelfeld

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Luxem

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0

5,000

10,000

15,000

20,000

25,000

30,000

10,953

18,255

3,277

Armutsgrenze in Deutschland und mittleres Einkommen anderer Länder

(Quelle für Grundzahlen: Eurostat/IW)

Armutsgrenze in Deutschlandmittleres Einkommen europäischer Länder

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-50

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-40

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-30

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91,7

88,6

85,1

81,4

77,4

72,9

67,5

61

52,9

41,4

-60 -40 -20 0 20 40 60 80 100

So viel % der Steuerpflichtigen... ...zahlen so viel % der Einkommensteuer

Die Bestverdienenden 10% zahlen über 50% der EK-Steuer

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Span

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Ungarn

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Rumän

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Litaue

n0.0

5.0

10.0

15.0

20.0

25.0

30.0

35.0

8.76.7

8.8 7.6 7.1 8.1 7.0 6.8 6.5 7.6 6.8 5.6 6.04.4 5.0

3.5 3.7

11.5

11.19.5

8.711.5 9.4

13.6

8.8 10.2 8.86.8 8.8 7.6

8.95.8

6.5 5.4

10.611.9 10.1

12.09.6

10.37.2

10.7 7.6 7.3

9.1 8.3

5.1 5.3

5.24.3

3.5

Sozialschutzausgaben in % des BIP 2008(Quelle: Eurostat/IdW)

Sonstige

Alter

Gesundheit

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(Aus-)Bildung schützt am bestenvor Arbeitslosigkeit

Quelle: IAB (2005)

Geringe Qualifikation

mittlere Qualifikation

hohe Qualifikation

© U.van Suntum, CAWM

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Szenario I II III IV V IV

Gruppe A 50 50 51 50 49 100

Gruppe R 100 101 100 99 100 100

g/m 0,9393 0,9376 0,9428 0,9411 0,9357 1,000

Y 75,00 75,50 75,50 74,50 74,50 100,00

yadj 70,45 70,79 71,18 70,11 69,71 100

)1(1

m

gyyadj

Berücksichtigung der Ungleichheit mithilfe des Atkinson Index

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Erläuterung der Tabelle

Das verteilungs-adjustierte BIP …• ist umso niedriger, je ungleicher die Einkommensverteilung ist • steigt, wenn eine Gruppe einen Zugewinn erzielt und die andere Gruppe

zumindest nichts verliert (Neid wird also nicht prämiiert) • steigt stärker, wenn einen gegebenen Zuwachs die ärmere anstelle der

reicheren Gruppe erzielt

Bewertung dieser Verteilungs-Adjustierung:

• erfüllt plausible Anforderungen der Paretianischen Wohlfahrtsökonomie

• dies gilt auch bei Verwendung anderer Verteilungsmaße in dem Korrekturfaktor, etwa des Gini-Koeffizienten (z.B. im NWI)

• Es ergeben sich aber unterschiedliche Ergebnisse, je nachdem welches Verteilungsmaß und welche Korrekturformel verwendet werden.

• Grundsätzlich führt ein solches Korrekturverfahren zu Intransparenz, da man nicht mehr erkennt, inwieweit BIPadj.-Zuwachs auf Wachstum und/oder auf eine Veränderung der Verteilung zurückgeht.

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Ist gleichere Verteilung (bei gegebenem Kuchen) immer besser?

Extrem flache Gini-Kurve:

% der Individuen (oder besser: Haushalte)

% des Einkommens

100%

100%

• Frustration der Leistungswilligen (sowohl „unten“ als auch „oben“)• Völlige Gleichverteilung widerspricht Gerechtigkeitsempfinden• Freizeit und Stress sind auch nicht gleich verteilt• Rückwirkungen auf Größe des Kuchens schwer einschätzbar

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Sinkender Grenznutzen des Einkommens?

Ui

Yi

• Nutzen weder kardinal messbar noch interpersonell vergleichbar

• Minimierung des Nutzenverlusts würde Besteuerung allein der Besserverdienenden implizieren

• 1. Gossensches Gesetz bezieht sich auf Auswahl zwischen Gütern, nicht auf Einkommen insgesamt

• Wahl zwischen Einkommen und Freizeit wird durch alleinige Steuer auf Ein- kommen verfälscht

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Ist doppelte Arbeitszeit mit doppeltem Lohn richtig entgolten?Arbeitswoche in Stunden:

Zeitbudget insgesamt (7 * 24 Std.) 168 168 168 168 168 168 168 168./. Schlaf (7*8 Std.) 56 56 56 56 56 56 56 56./. Waschen, Essen, WC (7*1 Std.) 7 7 7 7 7 7 7 7 = Zeitbudget Arbeit/Freizeit 105 105 105 105 105 105 105 105davon Arbeit/Woche 10 20 30 40 50 60 70 80 => verbleibende Freizeit 95 85 75 65 55 45 35 25Arbeit in % des Normalarbeiters (40 Std) 25,0% 50,0% 75,0% 100,0% 125,0% 150,0% 175,0% 200,0%Mehr-Freizeit des Normalarbeiters in % 68,4% 76,5% 86,7% 100,0% 118,2% 144,4% 185,7% 260,0%

0.0% 50.0% 100.0% 150.0% 200.0% 250.0%0.0%

50.0%

100.0%

150.0%

200.0%

250.0%

300.0%

Freizeitplus des Nor-marbeiters

45-Gradlinie

Arbeit in % des Normarbeiters

Freizeitplus desNormarbeiters

• Freizeit schrumpft progressiv mit Mehrarbeit

• Grenznutzen der Freizeit steigt zugleich an

• Freizeitnachteil erfordert überproportionalen Einkommensvorteil

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Freizeit-Arbeitsoptimierung des Individuums

0

0

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F)-w(24Y s.t. Y);(max-1

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Individuum 1 Individuum 2Zeitbudget Z 24,00 24,00alpha 0,40 0,60

Bruttolohn w 1,00 1,00

Arbeit A 14,40 9,60Freizeit F 9,60 14,40

Nutzen U 12,2441 12,2441

Einkommen Y 14,4 9,6

Beispiel: Gleicher Nutzen trotz ungleichen Einkommens

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Beispiel: Proportionalsteuer benachteiligt einkommensstarkes Individuum

Individuum 1 Individuum 2Zeitbudget Z 24,00 24,00alpha 0,40 0,60

Nettolohn w 0,50 0,50

Arbeit A 14,40 9,60Freizeit F 9,60 14,40

Nutzen U 8,0781 9,2793

Einkommen Y 7,2 4,8

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Individuum 1 Individuum 2Zeitbudget Z 24,00 24,00alpha 0,40 0,50

Nettolohn w 0,40 0,60

Arbeit A 14,40 12,00Freizeit F 9,60 12,00

Nutzen U 7,0658 9,2952

Einkommen Y 5,76 7,2

Beispiel: Progressivsteuer verstärkt Benachteiligung

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Einige Schlußfolgerungen für alternative Wohlfahrtsmaße

• Höheres Einkommen bedeutet nicht notwendigerweise höheren Wohlstand

• extreme Ungleichverteilung ebenso unerwünscht wie völlige Nivellierung

• Optimales Maß an (Un-)gleichverteilung von Einkommen und Vermögen schwer zu finden

• pragmatisches Vorgehen (z.B. wie in HDI) angemessen

• Verteilungsproblem trifft auch auf Gesundheit, Bildung, Freizeit, Lebenserwartung zu

• Sinnvoll in jedem Fall, sowohl verteilungsadjustierte als auch Grundzahlen zu betrachten

• Jedes Verteilungsmaß impliziert Werturteile => Boden rein objektiver Mohlfahrtsmessung wird verlassen