Upload
gunda-gehr
View
106
Download
1
Embed Size (px)
Citation preview
1
Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
pa
2
Intuitive Interpretation der Formel5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• a = Existenzminimum (=100)• p = Durchschnittsprodukt• pro Arbeiter• ⇒ = geometrisches
Mittel aus niedrigstem und höchstem denkbaren Lohn
• Leicht zu merken, aber so von Thünen nicht gedacht!
pa
Literatur zur Lohnformel:
• Paul Samuelson, Thünen at two hundred, JEL 21 (1983), 1468-1488• UvS, Vindicating Thünen´s tombstone formula , Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Bd. 204 (1988), S. 394-405
pa
3
Tatsächliche Ableitung Thünens: Kapitaltheoretischer Ansatz (1)5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• Verlegung des Geschehens an den äußeren Rand des „isolierten Staates => Grundrente vernachlässigbar (Methode isolierender Abstraktion typisch für Thünen)
• Jeder Landarbeiter kann jederzeit selbst Land in Besitz nehmen• Er braucht aber Kapital, um es zu kultivieren (da er ja in dieser Zeit von etwas
leben muss: von Böhm-Bawerks „Substistenzmittelfonds“)• Es tun sich mehrere Arbeiter zusammen, kooperieren in zwei Gruppen: - Eine Gruppe kultiviert das Land - die andere Gruppe bleibt vorerst abhängig zum Lohn w beschäftigt und
ernährt die erste Gruppe (mit ihrer Ersparnis y = w - a)• Wenn das neue Gut betriebsbereit ist, steht der Gewinn allen zu• Rendite des Gutes muss im GG landesüblichem Zins z entsprechen =>
Indifferenz zwischen normaler Kapitalanlage und Gutsbesitz . Thünen: „Das Interesse des abhängigen Lohnarbeiters fällt mit dem des kapitalerzeugenden Arbeiters zusammen“
4
Tatsächliche Ableitung Thünens: Kapitaltheoretischer Ansatz (2)5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• Thünen fragt nun: Wann erreicht Zinseinkommen zy des Arbeiters seinen höchsten Wert (bei zunächst gegebener Kapitalintensität q)?
• (q wird in Jahreseinkommen eines Arbeiters gemessen)• Ansatz: Rendite hängt von Lohnhöhe in doppelter Weise ab: - steigender Lohn bedeutet sinkenden Gewinn des Gutes und damit c.p.
sinkendes Zinseinkommen der Arbeiter - aber: je höher der Lohn, desto leichter ist die Ansparung eines eigenen
Landgutes (desto weniger abhängige Arbeiter sind zum Unterhalt der kultivierenden Arbeiter nötig) => der Gewinn wird später durch weniger Arbeiter geteilt
• Typisches Maximierungsproblem => Lösung ist w = !p a
5
Tatsächliche Ableitung Thünens: Kapitaltheoretischer Ansatz (3)5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• Zusammenhang zwischen temporärem Konsumverzicht und Kapitalbildung wird erkannt => Vorläufer von Böhm-Bawerks
• Modell leitet Bedingungen vollständiger Konkurrenz richtig ab => Vorläufer Neoklassik
• Das Grenzproduktivitätsprinzip wird entdeckt (s.u.) => dito
Grandiose Leistung Thünens:
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
6
Tatsächliche Ableitung Thünens: Kapitaltheoretischer Ansatz (4)5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
• Thünen stellt auch noch folgende Frage: Wie hoch ist die optimale Kapitalausstattung q des Gutshofes (d.h. wie lange sollte man sparen)?
• Thünens Ansatz: Grenzertrag des Kapitals muss Zinssatz z entsprechen => einer der (voneinander unabhängigen) Entdecker des GP-Prinzips
• Der Lohn wird hier als Residualeinkommen betrachtet (nicht mehr wie oben als frei wählbare Variable):
Ertrag – Profit = Lohnsumme => w = p - αq
• Wird der so berechnete Lohn mit dem oben abgeleiteten optimalen Lohn übereinstimmen? Thünens Antwort: Ja! => Wenn bei gegebener Kapitalintensität immer der Zinseinkommensmaximierende Lohn gewählt wird und gleichzeitig die Kapitalintensität gewählt wird, die das Zinseinkommen/Arbeiter maximiert, ergibt sich als Lösung jeweils
w =
• Thünen nennt dies den „naturgemäßen Lohn“
pa
7
Thünens Originaltabelle zum doppelten Maximierungsproblem5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
q
N
Xqp
NNqNNX
9,0*3005,382)(
)9,0*3005,382(19,0
19,0305,82);(
• q* = 9,88• Nur dort gilt
8
Formale Ableitung von Thünens Grabsteinformel (1)
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• a = Existenzminimum = 100• w = a + y Lohnsatz (pro Jahr) mit y = (maximale) Ersparnis• q = Kapitaleinsatz pro (beschäftigtem) Arbeiter in
Jahreseinkommen• p = Nettoprodukt pro Arbeiter• z = Zinssatz
• α = = Grenzproduktivität des Kapitals
• zy = (zu maximierendes) Kapitaleinkommen pro Arbeiter• K = Kapital, G = Gewinn (eigene Hilfsgrößen)
q
p
d
d
a) Thünens Originalsymbole
9
Formale Ableitung von Thünens Grabsteinformel (2)5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• (1) K = q (a + y)• (2) G = p – (a + y)
• => (3)
• (4)
b) Maximierung von zy bei exogen vorgegebener Kapitalintensität q
y)q(a
yap
K
Gz
max!y)q(a
y)ya(pzy
notwendige Jahreseinkommen für eine eigene Farm= Kapitaleinsatz pro Eigentümer-Arbeiter
Profit aus der Farm pro Eigentümer-Arbeiter
(Zinssatz = Rendite der Farm)
Thünens Ziel: maximales Zinseinkommen pro Arbeiter:
Ableitung nach y (als einzig variablem Teil des Lohnsatzes w) ergibt:
a + y = pa q.e.d.
= Lohnsatz w
10
Formale Ableitung von Thünens Grabsteinformel (3)5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• q Arbeiter kultivieren 1 Jahr lang Land für eine „Ein-Mann-Farm“• Um sie zu unterhalten, braucht man Kapital in Höhe von qa• n Arbeiter verwenden dafür ihre Ersparnis y, so dass ny = qa => n=qa/y• Die Gesamtzahl der Eigentümer beträgt dann
• Der Ertrag der „Ein-Mann-Farm“ ist p – (a + y)• Das investierte Kapital ist q (a + y), bzw. y pro Eigentümer
• Die Rendite der Farm ist wie oben
• Jeder Eigentümer erhält also
Thünens Ableitung im Original ist etwas komplexer:
y
y)q(a
y
qyqaqn
y)q(a
y)a(pz
max!y)q(a
y)ya(pzy
payaw
11
Formale Ableitung von Thünens Grabsteinformel (4)
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• Anmerkung: Thünen selbst hat das Problem nicht korrekt gelöst, ist aber dennoch zum richtigen Ergebnis gelangt
• Im folgenden wird die korrekte Lösung präsentiert (mit G = Gewinn) :
c) Maximierung von zy bei variabler Kapitalintensität q
(6) wαqwGp dq
dpα
αqpw aαqpy
αqp
α
αq)q(p
αq
K
Gz
max!αqp
a)ααq(pzy
mit
(7)
(8) (wg. w = a +y)
(3a)
(4a)
Anmerkung: Thünen maximiert über α, hält aber p und q dabei konstant=> nicht erlaubt, da q und p von α abhängen!
12
Formale Ableitung von Thünens Grabsteinformel (5)5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
Dabei hängen bis auf a alle Variablen (auch p!) von q ab!Samuelson: „Monströser Maximand“, auf keinen Fall seidessen Lösung die Grabsteinformel => Irrtum, sie ist es!(Beweis mit ausführlicher Ableitung bei van Suntum, a.a.O.)
Trotzdem ergibt sich auch bei richtiger Maximierung Thünens Lösung:
ya
αz
max!ya
yzy
dq
dpα
aqdq
dppaαqpy
max!q
dqdp
p
a)qdqdp
(pdqdp
zy
(3b)
(4b) mit
(4c)
13
Kritische Würdigung5. Exkurs: Thünens „naturgemäßer Lohn“
Geschichte der ökonomischen Theorie, Prof. Dr. van Suntum, Exkurs Thünens Lohnformel
• Wirklichkeitsfremde Voraussetzungen (freies Land, vollständige Konkurrenz auf allen Märkten); Thünen räumt dies selbst ein => Modell sei allenfalls anwendbar auf Nordamerika; in Europa dagegen zu geringe Sparfähigkeit, zu geringer Lohn, zu hohes Bevölkerungswachstum, notwendig sei „Sieg der Vernunft über die Leidenschaften“ sowie Vermögensbildung
• Maximierung von zy? Vernünftiger wäre w + zy => max! (Gesamteinkommensmaximierung)
• Annahme fixer Ersparnis in Höhe von y fragwürdig
• Aber: Kapitaltheoretisch einwandfreies Modell, Vorwegnahme von Neoklassik und temporaler Kapitaltheorie
• Grenzproduktivitätslehre (E. Schneider: alleine das würde ausreichen, Thünen für immer einen Platz unter den größten Ökonomen zu sichern); Samuelson: One of the greatest microeconomists of all time