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Erfolgsfaktoren für Change-Prozesse 4.35 PersonalEntwickeln 106. Erg.-Lfg., September 2006 4.35 Seite 1 4.35 Erfolgsfaktoren für Change-Prozesse Umgang mit Kommunikation und Paradoxien In diesem Beitrag erfahren Sie, grundlegende Aspekte von Change Management, die anhand von zwei aktuellen und bewährten Phasen- Modellen handlungsorientiert beschrieben werden, dass Kommunikation als ein zentraler Erfolgsfaktor von Change-Prozessen identifiziert und im Rahmen von rele- vanten Steuerungsvariablen wie Erstellung von Leitlini- en, Umgang mit Partizipation, Bildung von Steuerungs- gruppen, Beachtung des Timings, Management von Ver- antwortung u.a. analytisch ausdifferenziert wird, anhand von praktischen Beispielen bedeutsame Parado- xien bei Change-Prozessen und deren Bewertung in ih- ren komplexen wie ambivalenten Herausforderungen, alles über qualifizierte Lösungs- und Handlungsansätze. Dr. Frank Strikker ist Vertretungsprofessor für Bildungsökonomie und Bildungs- planung an der Universität Bielefeld und Geschäftsführer von SHS CONSULT GmbH & Co. KG Anschrift: Universität Bielefeld, Fakultät Pädagogik, Universitätsstr. 25, 33615 Bie- lefeld, Tel.: 0521/1 06 31 46, [email protected] Kerstin Bongartz (Dipl.-Päd.) ist Beraterin und Trainerin von SHS CONSULT GmbH & Co. KG. Anschrift: SHS CONSULT GmbH & Co. KG, Markscheide 16, 33739 Bielefeld, Tel.: 05206/70 74 73, [email protected] Die Autoren

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Erfolgsfaktoren für Change-Prozesse 4.35

PersonalEntwickeln106. Erg.-Lfg., September 2006 4.35 Seite 1

4.35 Erfolgsfaktoren für Change-Prozesse

Umgang mit Kommunikation und Paradoxien

In diesem Beitrag erfahren Sie,

● grundlegende Aspekte von Change Management, dieanhand von zwei aktuellen und bewährten Phasen-Modellen handlungsorientiert beschrieben werden,

● dass Kommunikation als ein zentraler Erfolgsfaktor vonChange-Prozessen identifiziert und im Rahmen von rele-vanten Steuerungsvariablen wie Erstellung von Leitlini-en, Umgang mit Partizipation, Bildung von Steuerungs-gruppen, Beachtung des Timings, Management von Ver-antwortung u.a. analytisch ausdifferenziert wird,

● anhand von praktischen Beispielen bedeutsame Parado-xien bei Change-Prozessen und deren Bewertung in ih-ren komplexen wie ambivalenten Herausforderungen,

● alles über qualifizierte Lösungs- und Handlungsansätze.

Dr. Frank Strikker ist Vertretungsprofessor für Bildungsökonomie und Bildungs-planung an der Universität Bielefeld und Geschäftsführer von SHS CONSULT GmbH & Co. KG

Anschrift: Universität Bielefeld, Fakultät Pädagogik, Universitätsstr. 25, 33615 Bie-lefeld, Tel.: 0521/1 06 31 46, [email protected]

Kerstin Bongartz (Dipl.-Päd.) ist Beraterin und Trainerin von SHS CONSULT GmbH & Co. KG.

Anschrift: SHS CONSULT GmbH & Co. KG, Markscheide 16, 33739 Bielefeld, Tel.: 05206/70 74 73, [email protected]

Die Autoren

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4.35 Erfolgsfaktoren für Change-Prozesse

PersonalEntwickeln4.35 Seite 2 106. Erg.-Lfg., September 2006

Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2. Veränderungsmanagement im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.1 Organisationsentwicklung als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2 Veränderung als einzige Konstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.3 Ausgewählte Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.3.1 Der Acht-Stufen-Veränderungsplannach Kotter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.3.2 Fünf Phasen des Change Managementsnach Krüger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.3.3 Gemeinsamkeiten der Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3. Kommunikation und Change Management . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3.1 Kommunikation als Schlüsselelement . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3.2 Erfolgsfaktoren einesoptimalen Veränderungsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . 14

4. Paradoxien im Change Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4.1 Wunsch nach mehr Information versusdefensivem Umgang mit Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4.2 Change Management ist mehr als Kommunikation –Kommunikation ist mehr als Change Management . . . . . . 20

4.3 Wunsch nach Partizipation bei den Beteiligten versusgeringe Verantwortlichkeit in der Implementierung. . . . . . . 21

4.4 Knappe zeitliche Ressourcen versuslängerem Zeitbedarf für Lernen und Veränderung . . . . . . . 21

4.5 Hoher Komplexitätsgrad bei Veränderungsprozessenversus notwendige Reduktion auf Kernprozesse . . . . . . . . 22

4.6 Verständnis von allen versuskleinsten gemeinsamen Nenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

5. Roadmap im Change Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Seite

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PersonalEntwickeln106. Erg.-Lfg., September 2006 4.35 Seite 3

1. Einleitung

Zu Beginn des dritten Jahrtausends sehen sich Unternehmen zuneh-mend mit komplexen, dynamischen Veränderungen in Wirtschaft undGesellschaft konfrontiert. Auf der einen Seite erfordern die Globalisie-rung der Märkte, steigender Wettbewerbsdruck und neue Technologienschnelles und flexibles unternehmerisches Handeln. Auf der anderenSeite üben gesellschaftliche Veränderungen, wie der Wunsch nachSelbstbestimmung, Partizipation und Persönlichkeitsentfaltung einenstarken Einfluss auf Unternehmen als komplexe, vernetzte Systeme aus.Aufgrund des rasanten Wandels in den Kontexten stehen Unternehmenselbst unter einem permanenten Veränderungsdruck. „Anpassung ist inso starkem Maße erforderlich, dass ein Schlagwort wie ,Stillstand istRückschritt’ erheblichen Wahrheitsgehalt in sich birgt" (Rosenstiel 1997,S. 196).

Das Bewusstsein, dass Organisationen sich an Veränderungen ihrerKontexte nicht nur re-, sondern auch pro-aktiv anpassen müssen, reichtoft nicht aus, um Wandlungsvorhaben mit Erfolg durchzuführen. Nebenerfolgreichen Veränderungsprojekten findet sich eine nicht unerheblicheZahl gescheiterter Vorhaben (vgl. Mohr 1997, S. 11).

Die Reaktion der Unternehmen wird dadurch bestimmt, wie sie dieseexternen Einflüsse aus ihrer (System-) Umwelt wahrnehmen, wie sieInformationen verarbeiten, für welche Maßnahmen sie sich entscheidenund wie gut es ihnen gelingt, ihre eigenen Ziele und Vorhaben zu reali-sieren. Veränderungen im Markt und in der eigenen Organisation könnendabei sowohl kongruent als auch dissonant verlaufen. „Die Anpassungsetzt voraus, dass das System in der Lage ist, sich weiterzuentwickeln"(Heinbokel/Schleidt 1993, S. 64). Die Formen des Wandels zeigen sehrvielfältige Variationen: Management-Buy-out, Outsourcing, Freisetzun-gen, neue Produktpaletten, teilweise oder komplette Organisationsverän-derungen, Neubesetzungen von Schlüsselpositionen, Buy-in-Prozesse,Balanced Score Card, neue Marketingstrategien, Benchmarking etc.Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass es nicht DEN einen Weg gibt, derzu einer erfolgreichen Veränderung führt.

Veränderungen im Umfeld von Unternehmen und deren Wirkungen aufinterne Strukturen und Prozesse hat es schon immer gegeben. Dochnicht nur die Häufigkeit und Anzahl von Veränderungen ist gestiegen,sondern auch ihre Bedeutung. Einzelne Veränderungen können eine so

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große Bedeutung erhalten, dass von ihrem Erfolg die Zukunft des Unter-nehmens entscheidend abhängt. Misserfolge beim Veränderungsma-nagement können die Existenz jeder Organisation und somit die Arbeits-plätze ihrer Mitarbeiter gefährden. Experten aus Wissenschaft und Praxissehen im erfolgreichen Veränderungsmanagement eine der wichtigstenunternehmerischen Kernkompetenzen (vgl. Greif et al 2004).

2. Veränderungsmanagement im Wandel

Nicht nur Unternehmen befinden sich im Wandel, auch beraterische undprozessbegleitende Ansätze zum Umgang mit diesem Wandel befindensich in einer stetigen Veränderung und Weiterentwicklung. Dies soll anzwei Kerngedanken hervorgehoben werden.

2.1 Organisationsentwicklung als Grundlage

In jüngster Zeit setzen sich einige Autoren aus Wissenschaft und Praxismit den Zusammenhängen und Beziehungen der klassischen Organisa-tionsentwicklung und der heutigen Change-Management-Realität aus-einander. Die klassische Organisationsentwicklung wird unter anderemvon dem ursprünglichen 3-Phasen-Modell von Kurt Lewin geprägt. NachLewins Modell muss zu Beginn eines jeden Veränderungsvorhaben derzu dieser Zeit herrschende Gleichgewichtszustand aufgehoben werden,um das bestehende Effizienzniveau einer Organisation zugunsten einesNeuen auf eine höhere Ebene anheben zu können. Lewin spricht in die-ser Phase von „unfreezing“ (auftauen). Dies geschieht in der Regeldadurch, dass versucht wird, die betroffenen Mitarbeiter dazu zu bringen,tradierte Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen in Frage zu stellenund sie von der Notwendigkeit der Veränderung zu überzeugen. DiePhase des „moving“ oder auch „change“ (verändern) ist durch die Vor-gabe der Veränderungsrichtung sowie das Erlernen und die Implemen-tierung neuer Verhaltensweisen charakterisiert. Zum Ende des Verände-rungsprozesses geht es nach Lewin in der Phase des „refreezing“ (wie-der einfrieren) darum, wieder Ruhe und Sicherheit in der Organisationeinkehren zu lassen. Das Ziel besteht darin, einen neuen Gleichge-wichtszustand auf dem erreichten, höheren Effizienzniveau zu festigen(vgl. Lewin 1951, zitiert nach Mohr 1997, S. 75).

Das Modell von Lewin gibt bis heute eine generelle Struktur zum Verste-hen von organisationalen Veränderungen vor. Jedoch geht das 3-Pha-

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sen-Modell davon aus, dass das Gleichgewicht einer Organisation derNormalzustand ist und Veränderungsprozesse eine vorübergehende Irri-tation darstellen.

2.2 Veränderung als einzige Konstante

Die heutige Change-Management-Realität beruht ohne Zweifel auf denErfahrungen der Organisationsentwicklung. Darin ist man sich in der Lite-ratur einig. „Ohne die Organisationsentwicklung gäbe es heute keinChange Management" (Wimmer 2004, S. 38). Jedoch kann von dem vonLewin postulierten Gleichgewichtszustand in der heutigen, von schnellenVeränderungen geprägten Zeit, nicht mehr gesprochen werden. Werheute organisationalen Wandel erlebt, kann schnell erkennen, dass esvor allem um Geschwindigkeit, um die Bewältigung der Internationalisie-rungsdynamik, um den Umgang mit außergewöhnlichen Produktivitäts-zwängen, um das Auffangen völlig überraschender Brüche in den Tech-nologien oder an den Märkten geht (vgl. Wimmer 2004, S. 35). Letztlichsollen Veränderungsprozesse ein stetiges Neustrukturieren ganzerUnternehmen bzw. von Unternehmensnetzen erreichen. „Wandel wirdvon einem einmaligen Projekt zu einer ständigen Herausforderung" (Krü-ger 2002, S. 17). Als einzige Konstante im Unternehmensalltag gilt mitt-lerweile nur noch die Veränderung selbst.

Das Zusammenspiel vieler aufeinander folgender bzw. nebeneinanderverlaufender Change-Prozesse, die es in der Regel ohne Pause zubewältigen gilt, steht im Fokus. Dieser Wechsel zu stetigen Veränderun-gen ist auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Change-Prozessen auszumachen. Wurde noch vor wenigen Jahren Veränderun-gen vor allem mit Ansätzen der Organisationsentwicklung (OE) begeg-net, zeigt sich heute ein spezifisches Management des Wandels, das sogenannte „Change Management“. Heutige Anforderungen an einesowohl effiziente wie effektive Veränderungsbegleitung sind nach Wim-mer (2004) mit dem traditionellen Grundverständnis von Organisations-entwicklung schwer vereinbar (S.37).

Ein Wechsel von der Organisationsentwicklung zum Change Manage-ment ist kein evolutionärer Prozess, keine langsame, aus sich herauslogische Weiterentwicklung. Um die Grundgedanken der Organisations-entwicklung weiter nutzen zu können, ist es nach Kulmer/Trebesch viel-mehr ein radikaler Umdenkprozess – ein Paradigmenwechsel – als Ant-wort auf radikale Umweltveränderungen (vgl. Kulmer/Trebesch 2004,

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S. 80). Während die Organisationsentwicklung den Einbezug der Mitar-beiter, ihre Einstellungen und Befindlichkeiten lange in den Vordergrundihrer Interventionen und Aktivitäten gestellt hat, will Change Management„die Verantwortung der Mitarbeiter für die Einführung der Neuerungen“(Kulmer/Trebesch 2004, S. 84) stärken. Damit rückt die Frage nach demSinn einer Veränderung vehement in den Mittelpunkt. Eine zentrale Auf-gabe der Auftraggeber, Initiatoren oder Entscheider bei Change-Prozes-sen besteht in der kommunikativen Herstellung von Sinn für die Verände-rung und dem Diskurs über Sinnhaftigkeit des Tuns.

2.3 Ausgewählte Modelle

In der Literatur existieren verschiedenste Ansätze und Modelle einenVeränderungsprozess zu klassifizieren und eine Reihenfolge zu erstel-len. Um nur einen kurzen Einblick in die Vielfalt dieser Ansätze zu geben,werden im Folgenden zwei Ansätze skizziert, die in der Praxis vielgenutzt werden und sich als praktikabel und pragmatisch anwendbarerwiesen haben.

2.3.1 Der Acht-Stufen-Veränderungsplan nach Kotter

Für die Gestaltung tief greifenden Wandels schlägt Kotter (1996) einenVeränderungsfahrplan in acht Stufen vor. Die einzelnen Schritte leitet eraus den „eight errors common to organizational change efforts" (Kotter1996, S. 16) ab. Die fundamentalen Fehler können nach Kotter durchbewusstes, kompetentes Handeln, mit Hilfe des Acht-Stufen-Verände-rungsplans, verhindert oder zumindest stark gemindert werden. JedeStufe des Prozesses steht einem der acht Fehler direkt gegenüber (vgl.Kotter 1996, S. 16ff.).

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Abb. 1: Der Acht-Stufen-Veränderungsplan nach Kotter(in Anlehnung an Kotter 1996, S. 21)

Stufe 1: Bewusstsein für dringenden Veränderungsbedarf schaffen

Um bereits vor möglichen Krisen den Veränderungsbedarf eines Unter-nehmens rechtzeitig zu erkennen, rät Kotter, die Markt- und Wettbe-werbssituation stetig zu untersuchen und zu bewerten. Ziel ist es, Chan-cen und Risiken zu erkennen, Konsequenzen abzuleiten und damitpotenzielle Krisen zu antizipieren. Das Problembewusstsein für den drin-genden Veränderungsbedarf soll geweckt werden.

Stufe 2: Eine starke Führungskoalition aufbauen

Erst wenn das höhere Management eines Unternehmens hinter der Ver-änderung steht, kann sie auch gelingen. Deshalb empfiehlt Kotter, eineGruppe von Führungspersönlichkeiten zusammenzustellen, die genü-gend Überzeugung, Kompetenz und Macht besitzt, den Wandel zugestalten. Diese Gruppe sollte zur erfolgreichen Zusammenarbeit imTeam ermutigt werden.

Stufe 3: Entwicklung einer Vision und Strategie

Durch Mitwirkung der Führungskoalition muss nach Kotter eine Visiongeschaffen werden, die für die Veränderungsbestrebungen richtungswei-send ist. Darüber hinaus sollte eine Strategie zur Realisierung der Vision

1 - Establishing a sense of urgency

2 - Creating the guiding coalition

3 - Developing a vision and strategy

4 - Communicating the change vision

5 - Empowering broad-based action

6 - Generating short-term wins

7 - Consolidating gains and producing more change

8 - Anchoring new approaches in the culture

The Eight Stage Prozess of Creating Major Change

1 - Establishing a sense of urgency

2 - Creating the guiding coalition

3 - Developing a vision and strategy

4 - Communicating the change vision

5 - Empowering broad-based action

6 - Generating short-term wins

7 - Consolidating gains and producing more change

8 - Anchoring new approaches in the culture

The Eight Stage Prozess of Creating Major Change

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entwickelt werden, die Kennzahlen, Zielerreichungsgrade und Aktions-programme beinhaltet.

Stufe 4: Kommunikation der Veränderungsvision

Jeder Kommunikationsweg und jedes Mittel sollte nach Kotter genutztwerden, die Vision und Strategie kontinuierlich an die Betroffenen weiter-zugeben. Die Führungskoalition sollte dabei als Vorbild fungieren undvorleben, was sie von den Mitarbeitern erwartet.

Stufe 5: Veränderungsprozesse auf eine breite Basis stellen

Hindernisse, die dem Veränderungsvorhaben im Wege stehen, gilt eslaut Kotter aus dem Weg zu räumen. Systeme und Strukturen im Unter-nehmen, die ernsthaft die Vision des Wandels gefährden, sollten verän-dert werden. Außerdem sollten die Mitarbeiter des Unternehmens an derNeugestaltung beteiligt und zu Eigeninitiative, konkreten Handlungenund zu Risikobereitschaft ermutigt werden.

Stufe 6: Planung und Schaffung von kurzfristig sichtbaren Erfolgen

Sichtbare Leistungsverbesserungen sollten geplant werden, indemgroße Veränderungsprozesse in kleine Pakete bzw. Aktivitäten zerlegtwerden. Diese kurzfristigen Ziele sollten nach Kotter aber nicht nurgeplant, sondern auch erreicht und kommuniziert werden. Dabei ist eswichtig, die Leistungen der beteiligten Mitarbeiter offen anzuerkennenund Erfolge auch zu belohnen.

Stufe 7: Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen anstoßen

Der sich durch Erfolge einstellende wachsende Glaube an Veränderun-gen sollte genutzt werden, um alle Strukturen und Verfahren, die nicht zurVerwirklichung der Vision beitragen, auch zu verändern. Mitarbeiter, diein der Lage sind, die Vision zu verankern und den Wandel zu realisieren,sollten laut Kotter entwickelt, gefördert oder neu eingestellt werden. Dadurch kann der Veränderungsprozess mit neuen Projekten, Themenund Impulsen in Gang gehalten werden.

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Stufe 8: Neue Vorgehensweisen institutionalisieren und in dieUnternehmenskultur integrieren

Der Zusammenhang zwischen neuen Strukturen, Prozessen und Verhal-tensweisen und dem durch die Veränderung erzielten Unternehmenser-folg sollte nach Kotter auf der letzten Stufe des Veränderungsplans iden-tifiziert und kommuniziert werden. Es ist wichtig, verschiedene Maßnah-men zur Sicherung der Führungsentwicklung und -nachfolge zu erstellen,um dadurch eine Basis für weitere Veränderungsprozesse zu schaffen.

Fazit

Um tief greifenden Wandel zu gestalten, muss jede der acht Stufen kom-plett durchlaufen werden. „Although one normally operates in multiplephases at once, skipping even a single step or getting far ahead withouta solid base almost always creates problems" (Kotter 1996, S. 23). Dieersten vier Stufen des Veränderungsprozesses helfen den fest im Unter-nehmen verankerten Status Quo zu lösen. Viele neue Praktiken werdenin den Stufen fünf bis sieben implementiert, um in der letzten Stufe desVeränderungsplans fest in die Kultur verwurzelt zu werden (vgl. Kotter1996, S. 22).

Diese Zusammenfassung der Phasen auf drei Hauptfunktionen machtden direkten Bezug zum 3-Phasen-Modell von Lewin deutlich. Somitgründet auch Kotters Modell auf dem von Lewin schon postulierten Sta-bilitätsparadigma, welchen in der heutigen Zeit stetiger Veränderungs-prozesse überholt erscheint. Jedoch weist Kotter darauf hin, dass inner-halb eines Change-Vorhabens verschiedene, mehrstufige Verände-rungsprozesse gleichzeitig oder versetzt durchlaufen werden und erschließt auch nicht aus, dass innerhalb eines Unternehmens mehrereunabhängige Change-Initiativen parallel ablaufen können. Er verstehtsein Modell als mehrstufigen Veränderungsplan für einen einzelnen Pro-zess innerhalb von komplexen, kontinuierlichen Change-Prozessen (vgl.Kotter 1996, S. 24).

2.3.2 Fünf Phasen des Change Managements nach Krüger

Krüger (2002) stellt einen Wandlungsprozess im Change Management ineinem Ablaufschema mit fünf Phasen dar. Laut Krüger bewegt sich Wan-del in Unternehmen immer im Spannungsfeld zwischen Wandlungsbe-darf, Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit. Diese drei Felder

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bilden die gedanklichen Koordinaten, zwischen denen sich ChangeManagement bewegen sollte (vgl. Krüger 2002, S. 49).

Abb. 2: Fünf Phasen des Change Managements nach Krüger(2002, S. 49)

Krüger hat jeweils die beiden wichtigsten Aufgaben einer Phasebestimmt, womit sich zehn Aufgaben für das Wandlungsmanagementergeben. Sie reichen von der Feststellung des Wandlungsbedarfs in derInitialisierungsphase bis zur Sicherung der Wandlungsbereitschaft undder Wandlungsfähigkeit in der Verstetigungsphase. Der Veränderungs-prozess ist nicht anders als ein normaler Geschäftsprozess zu behandelnund somit auch zu planen, zu steuern und zu kontrollieren (vgl. Krüger2002, S. 48f.).

2.3.3 Gemeinsamkeiten der Modelle

Anhand der gewählten Modelle soll aufgezeigt werden, dass trotz derUnterschiede in der Anzahl, der Charakterisierung und dem Detaillie-rungsgrad der Stufen bzw. Phasen, sich die angeführten Aufgabenstel-lungen an das Veränderungsmanagement ähneln. Einigkeit besteht inder Literatur darüber, dass, unabhängig davon, in wie viele einzelne Pha-sen Veränderungsprozesse eingeteilt werden, bestimmte Faktoren füralle Veränderungen als durchgehende Schlüsselelemente gelten.Besonders hervorheben möchten wir den Faktor Kommunikation, dessenGestaltung nach unserer Meinung die zentrale Rolle bei der erfolgreichenImplementierung von Veränderungsprozessen zugemessen werdenmuss. Darüber hinaus werden wir weitere Erfolgsfaktoren skizzieren, die

Initialisierung Konzipierung Mobilisierung Umsetzung Verstetigung

Phasen des Wandels

Aufgaben des Wandlungsmanagements

- Wandlungsbedarf

festste llen

- Wandlungsträger

aktivieren

- Wandlungsziele

festlegen

- Maßnahmen-

programme

entwickeln

- Wandlungs-

konzept

kommunizieren

- Wandlungs-

bereitschaft und

-fähigkeit schaffen

- Prioritäre

Vorhaben

durchführen

- Folgeprojekte

durchführen

- Wandlungs-

ergebnisse

- Wandlungs-

bereitschaft und -fähigkeit sichern

Wandlungsprozess & Wandlungsmanagement

Initialisierung Konzipierung Mobilisierung Umsetzung Verstetigung

Phasen des Wandels

Aufgaben des Wandlungsmanagements

- Wandlungsbedarf

festste llen

- Wandlungsträger

aktivieren

- Wandlungsziele

festlegen

- Maßnahmen-

programme

entwickeln

- Wandlungs-

konzept

kommunizieren

- Wandlungs-

bereitschaft und

-fähigkeit schaffen

- Prioritäre

Vorhaben

durchführen

- Folgeprojekte

durchführen

- Wandlungs-

ergebnisse

- Wandlungs-

bereitschaft und -fähigkeit sichern

Initialisierung Konzipierung Mobilisierung Umsetzung VerstetigungInitialisierungInitialisierung KonzipierungKonzipierung MobilisierungMobilisierung UmsetzungUmsetzung VerstetigungVerstetigung

Phasen des WandelsPhasen des Wandels

Aufgaben des WandlungsmanagementsAufgaben des Wandlungsmanagements

- Wandlungsbedarf

festste llen

- Wandlungsträger

aktivieren

- Wandlungsziele

festlegen

- Maßnahmen-

programme

entwickeln

- Wandlungs-

konzept

kommunizieren

- Wandlungs-

bereitschaft und

-fähigkeit schaffen

- Prioritäre

Vorhaben

durchführen

- Folgeprojekte

durchführen

- Wandlungs-

ergebnisse

- Wandlungs-

bereitschaft und-fähigkeit sichern

Wandlungsprozess & Wandlungsmanagement

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je nach konkreter Veränderungssituation Bedeutung erlangen können.Eine kritische Reflexion erfordert abschließend der Umgang mit Parado-xien, die im Laufe von Veränderungsprozessen auftreten. Diese werdenin den vorgestellten Modellen selbst zwar nicht erwähnt, jedoch von unsals weitere erfolgsrelevante Kriterien ergänzend identifiziert.

3. Kommunikation und Change Management

Change Management heißt nicht nur Veränderung von Strategien, Struk-turen oder z.B. technischen Ressourcen, sondern immer auch Verände-rung von Menschen ihren Werten, Denkmustern und Verhaltensformen.In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Einbezie-hung aller Mitarbeiter in den Veränderungsprozess eine der wichtigstenErfolgsfaktoren für Veränderungen in Unternehmen darstellt. Der Willeund die Fähigkeit zum Wandel sind nicht nur Sache des oberstenManagements, sondern müssen fester Bestandteil des Selbstverständ-nisses aller Führungskräfte und Mitarbeiter sein (vgl. Deekeling/Fiebig1999, S. 5). Kommunikation ist u.a. ein wirksames Mittel, um die Betrof-fenen durch verschiedene Aktivitäten am Veränderungsprozess zu betei-ligen.

3.1 Kommunikation als Schlüsselelement

Im Prozess des Managements von Veränderungen erscheint nebenanderen Faktoren vor allem Kommunikation als eine durchgehend wich-tige Aufgabe. Intensive, gut strukturierte und gesteuerte Change-Kom-munikation kann, effektiv genutzt und eingesetzt, ein Faktor auf dem Wegzu mehr Beteiligung der Betroffenen an Veränderungsprojekten undsomit ein Erfolgsfaktor für den Wandel selbst sein.

Viele Mitarbeiter eines Unternehmens sind in der Regel Betroffene desWandels, ohne dass sie einen aktiven Part bei der Formulierung derWandlungsstrategie oder der Umsetzung der Veränderung spielen. Auf-grund dessen sollten an die verschiedenen Zielgruppen des Wandels imVerlauf von Veränderungsprozessen permanent Botschaften gesendetwerden, um Einblicke in den Prozess und das Wesen der Veränderungzu vermitteln. Die große Bedeutung der Kommunikation wird insbeson-dere mit den Einflussmöglichkeiten bei den Mitarbeitern vor, währendund nach den geplanten Veränderungsmaßnahmen begründet. „Kom-munikation kann in diesem Kontext die Einstellung der Betroffenen

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gegenüber der Veränderung beeinflussen" (Koch 2004, S. 7) und gehtüber die Veränderung selbst hinaus.

Im Idealfall sollte Kommunikation über eine Veränderung sowohl früherbeginnen als auch später aufhören als die Veränderung selbst. Durcheinen Vorlauf kommunikativer Aktivitäten ist es möglich, im ersten offizi-ellen Kontakt den betroffenen Mitarbeitern im Unternehmen zunächstdas strategische Vorgehen bzw. das dem Veränderungsprozesszugrunde liegende Konzept vorzustellen. Somit kann vermieden werden,dass die Beteiligten wie Betroffenen durch erste Realisierungsmaßnah-men des Projektes (z.B. Tests, Qualifizierungsmaßnahmen) mit diesemkonfrontiert werden. In kommunikativen Aktivitäten nach Beendigung derImplementierung der Projektlösung sollten Erfolge und/oder Misserfolgebenannt, Leistungen anerkannt, Konsequenzen aus dem Veränderungs-projekt aufgezeigt und eine mögliche weitere Entwicklung gemeinsamerarbeitet werden. Nur durch vor- und nachgelagerte Kommunikationsak-tivitäten hinsichtlich der Veränderungen wird eine durchgehende Pro-zesskommunikation gewährleistet.

Eine besondere Herausforderung bei der Kommunikation in Verände-rungsprozessen ist die Frage, wie Konzepte und Ideen zu kommunizie-ren sind, die im Verlauf des Prozesses selbst noch verfeinert und modifi-ziert werden müssen. In Unternehmen ist es oft zu beobachten, dass nurjene Informationen an Führungskräfte und Mitarbeiter weitergegebenwerden, die einen offiziellen bzw. finalen Status haben. Ein in diesemZusammenhang bekanntes Phänomen ist, dass Verantwortliche entwe-der überhaupt nichts weitergeben oder aber die Botschaften derart filtern,dass sie nur noch eine geringe inhaltliche Aussage haben oder für diejeweilige Zielgruppe uninteressant sind (vgl. Gattermeyer/Ayad 2001,S. 30f.). Kommunikation findet im Prozess des Wandels aber immerstatt: Mitarbeiter diskutieren über geplante oder laufende Veränderun-gen, egal ob sie gut informiert sind oder nicht. Im Strudel der schnell auf-einander folgenden Ereignisse in Change-Prozessen kommt meist derje-nige zu spät, der möglichst vollständig und der Reihe nach kommuniziert.Unvollständig, aber häufiger und zügig zu kommunizieren, ist in derRegel besser als abzuwarten, bis irgendwann exakt und vollständig infor-miert werden kann (vgl. Doppler/Lauterburg 2002, S. 329).

Aus unserer Erfahrung führt absichtsvolle Nicht-Kommunikation oft dazu,dass viele Betroffene unterstellen, es wurden bereits Entscheidungengefällt, über die sie jedoch keine Informationen erhalten haben. Als Folgeglüht die Gerüchteküche. Viele Mitarbeiter und Führungskräfte interpre-

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tieren Nicht-Informationen als einen gezielten Angriff auf Vertrauensba-sis und Transparenz. Sie fühlen sich abgewertet und nicht ernst genom-men.

Die Betroffenen eines Change-Prozesses sollten stets über die Gründeder Veränderung, die konkreten Inhalte, die einzelnen Prozessschritte,alle relevanten Folgen sowie in Feedbackprozessen über Erfolge, gege-benenfalls auch Misserfolge des Veränderungs-vorhabens informiertwerden. Damit alle Betroffenen, den Wandlungsprozess, der selbst stetsVeränderungen unterliegt, kontinuierlich verfolgen können, zeichnet sichKommunikation in Change-Prozessen durch vielfältige Rückkopplung-bzw. Feedbackschleifen im laufenden Prozess aus. Es gilt dabei zubeachten, dass Wandlungsprozesse nicht, wie Phasenmodelle suggerie-ren, einen linearen Charakter haben, sondern stetigen Veränderungenunterliegen, denen mit vielfältigen, zirkulären Rückkopplungsprozessenbegegnet werden sollte.

Jedoch besteht erfolgreiches Change Management aus mehr als Kom-munikation mit den Betroffenen bzw. Beteiligten. Hinzukommen z.B. Par-tizipation, Verbindlichkeit, Transparenz, Philosophie. Somit sind wenigerdie Techniken zur Planung neuer Strategien als vielmehr Maßnahmen,die sicherstellen, dass neue Strategien und Strukturen überhaupt initiiertund in weiterer Folge umgesetzt werden können, zentrale Aufgaben.Change Management fokussiert sich in erster Linie weniger auf detail-lierte Entwürfe von Soll-Zuständen, sondern zielt auf die Erhöhung derVeränderungsbereitschaft, das Skizzieren von Visionen und vor allemauf die Umsetzungsaktivitäten der Beteiligten ab (vgl. Gattermeyer/Ayad2001).

Unter einer streng organisatorischen Sichtweise ist der Adressat von Ver-änderung die Organisation mit ihren Strukturen, Prozessen, ihrer Kulturund ihrer Kommunikation. Erweitert man diese enge organisationsbezo-gene Perspektive um pädagogische Elemente, so geraten die handeln-den Personen der Organisation stärker in den Blickpunkt. „Sowohl in derFachliteratur als auch von Praktikern/innen wird die Partizipation als einerder wichtigsten Erfolgsfaktoren gesehen, gewissermaßen als der Haupt-schlüssel zur Überwindung von Widerständen und zur Öffnung der Mitar-beiter/innen für die Veränderungen“ (Greif et al. 2004, S. 229). Allerdingssollte keinesfalls eine vordergründige Reduktion der Gestaltungs- undSteuerungsaspekte bei Change-Prozessen auf das Handeln der Indivi-duen, Gruppen oder Organisation vorgenommen werden. Die Mischungder drei Ebenen, ihre Verzahnung und ihre gegenseitige Interaktion wir-

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ken in der Summe bestimmend als Erfolgsfaktor für einen Veränderungs-prozess (vgl. Greif et al. 2004, S. 101).

3.2 Erfolgsfaktoren eines optimalen Veränderungsmanagements

Anhand von theoretischen Ansätzen und Erfahrungen aus der Praxis las-sen sich für Veränderungen in Unternehmen neben Kommunikation ver-schiedene Faktoren identifizieren, die zusammenhängend im Verände-rungsprozess wichtig erscheinen. Jeder einzelne Faktor steuert seinenBeitrag auf dem Weg zu einem optimalen Veränderungsmanagementbei. Die jeweilige Ausprägung ist im Change Management jedoch unter-nehmens- und projektabhängig, weshalb auch weitere Faktoren in denVordergrund rücken können.

Erfolgsfaktor Projektteam/Steuerungsgruppe

Eine gute Basis für einen reibungslosen Ablauf und eine erfolgreiche Ver-änderung ist die Zusammenführung aller erforderlichen Aufgaben. Hierzubietet sich die Installation eines Veränderungsmanagements in Formeines Projektteams an, das durch zentrale Steuerung und Planung Ent-scheidungen integrativ und effizient realisiert. Bei der Zusammenstellungdes Projektteams sollten nicht nur zeitliche, personelle sowie finanzielleMittel in ausreichendem Maße eingeplant werden, sondern auch geeig-nete Kompetenzen (z.B. Fachkompetenzen, Entscheidungskompeten-zen) zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Team sollte sich im Idealfall immer aus Entwicklern der Strategienbzw. Konzepte für den Wandel und operativen Umsetzern der einzelnenVeränderungsschritte aus allen beteiligten Unternehmensbereichenzusammensetzen. Bei der Zusammenführung verschiedener Personenaus unterschiedlichen Unternehmensbereichen zu einem Projektteamsollte eine Zeit bedacht werden, in der sich die zu einer Gruppe zusam-mengestellten Personen zu einem Team entwickeln können. Damit einZusammengehörigkeitsgefühl im Projektteam entstehen kann, muss eineEntwicklung von „die dort drüben“ zu einem „wir“ stattfinden (vgl. Simon2000, S. 184). Dabei muss mit berücksichtigt werden, dass eine kollegi-ale Zusammenarbeit und das Vertrauen unter den Teammitgliedern u.a.auch von positiven wie negativen Erfahrungen aus der Vergangenheitabhängen.

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Altlasten aus früheren Projekten bzw. Kooperationen beeinflussen dasZusammenspiel in neu zusammengestellten Teams. Bei der Zusammen-arbeit im Projektteam sollten die Besonderheiten der Bereiche sowieeventuelle gemeinsame Vergangenheiten Berücksichtigung finden.Jedoch sollte während der Kooperation im Projektteam der Fokus aufden gemeinsamen Aufgaben und Zielen der Gegenwart und Zukunft lie-gen.

Erfolgsfaktor Leitlinien

Analog zur unternehmerischen Ideologie sollten bei Change-Prozessenbestimmte Leitlinien für den Umgang vor, während und nach der Verän-derung untereinander entwickelt werden. Diese komplexe Aufgabe,lebensfähige Richtlinien für sämtliche Aktionen rund um die Veränderungauszuarbeiten, um dadurch eine Verzahnung und letztlich eine kontinu-ierliche Zusammenarbeit im Veränderungsprozess sicherzustellen, mussschon zu Beginn des Prozesses angegangen werden. Für eine erfolgrei-che Projektarbeit empfiehlt es sich, innerhalb des mit dem Managementder Veränderung betrauten Projektteams ein gemeinsames Grundver-ständnis dieser Leitlinien aufzubauen.

Bei einem Veränderungsprozess in einem nationalen Unternehmen, derverschiedene Standorte betraf, wurde zu einem sehr frühen Zeitpunkt dieLeitlinie ausgegeben: Jeder Mitarbeiter kann an seinem Arbeitsort blei-ben. Als zweite Leitlinie wurde formuliert: Jeder Mitarbeiter, der eine neueTätigkeit übernehmen wird, erhält eine ausreichende Qualifizierung.Alleine mit diesen Leitlinien wurden viele Sorgen, Ängste und Nöte derBeteiligten positiv entgegen gewirkt und alle konnten sich mit voller Ener-gie auf die bevorstehenden Veränderungsschritte konzentrieren. Beieinem anderen Veränderungsprozess wurden kommunikative Leitlinienfür den Umgang vor, während und nach dem Wandel formuliert: Kommu-nikation ist Managementaufgabe und das Management trägt die Verant-wortung für Transparenz der Entscheidungen. Die in diesem Verände-rungsprozess entwickelten und äußerst relevanten Leitlinien bewirkten,dass die Mitarbeiter zeitgleich und abteilungsübergreifend vom Manage-ment identische Informationen erhielten. Somit wurde eine entschei-dende Grundlage für eine übergreifende Kooperation und gemeinsameZielerreichung gelegt.

Jeder Einzelne sollte die Richtlinien kennen, verstehen, annehmen undein Verständnis dafür entwickeln, wie sie realisiert werden sollen.Gemeinsame Leitlinien für den Change-Prozess ermöglichen ein einheit-

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liches Auftreten an den Schnittstellen mit anderen Projekten/Abteilungenund gegenüber den Betroffenen der Veränderung. Das Klima des Ver-trauens und der Solidarität untereinander besitzt einen großen Einflussauf den Change-Prozess.

Erfolgsfaktor Vernetzung

Das Management von Veränderungen sollte auf der Vernetzung vonKompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen der vom Wandel betroffenenUnternehmensbereiche beruhen. Durch eine bereichsübergreifende Ver-zahnung lässt sich Einheitlichkeit und Kontinuität im Veränderungspro-zess erreichen.

Für ein optimales Management ist es wichtig, ein Netz eindeutiger Kom-munikationswege zwischen den Verantwortlichen innerhalb des Projekt-teams, aber auch zu den Betroffenen der Veränderung zu entwickeln.Eine schnelle Kommunikation sollte durch direkte Wege und möglichstwenige Abstimmungsschleifen gewährleistet werden. Für eine flächen-deckende und zeitnahe Kommunikation ist es bedeutsam, sämtliche vor-handene sowohl formellen als auch informellen Kommunikationswege zunutzen, aber auch neue projektspezifische Kommunikationsstrukturen zuentwickeln. Ohne die effektive und effiziente Nutzung vorhandener unddie Entwicklung neuer formeller und informeller Kommunikationsstruktu-ren ist ein zielorientiertes Change Management nicht möglich.

Damit ein Gesamtsystem (Projektorganisation) funktionieren kann,kommt es darauf an, dass die einzelnen Teams funktionieren. Innerhalbvon großen Veränderungsprojekten ist daher neben der Gesamtvernet-zung der einzelnen Einheiten eines Projektes vor allem das Schaffen vonVoraussetzungen für eine offene und ehrliche Verständigung in den ein-zelnen Teams von zentraler Bedeutung. Die Koordination des Verände-rungsprozesses verlangt eine klare Definition von Schnittstellen, umunkoordinierte Aktivitäten zu verhindern. Widersprüchliche Aussagenund uneinheitliche Sprachregelungen sollten vermieden und eine einheit-liche Kommunikation gewährleistet werden (vgl. Schick 2002, S. 71).„Die Kooperation im Rahmen der Vernetzung beruht dabei auf der Kom-plexität von Fähigkeiten und Interessen. So entsteht ein lebendiges Netz,das kurzfristig aktivierbar und nutzbar ist [...]" (Ahrens/Behrent 1995,S. 95).

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Erfolgsfaktor Verantwortung:

Um Veränderungen möglichst optimal managen zu können, kommt esnicht nur auf die Vernetzung zwischen den Beteiligten an. Auch die Ver-antwortlichkeiten der mit der Veränderung betrauten Personen müsseneindeutig festgelegt werden. Die Rollen und die mit ihnen verbundenenAufgaben der Projektmitglieder, die Fähigkeiten, Entscheidungskompe-tenzen und die Koordinationsverantwortung sollten klar definiert, mitallen Beteiligten abgestimmt, schriftlich fixiert und dann während der Ver-änderung eingehalten werden. Eventuell notwendige Delegationen vonAufgaben an weitere Personen sollten festgehalten und an die Beteiligtenkommuniziert werden.

Aber die Verantwortung für den Veränderungsprozess liegt nicht allein imProjektteam. Die oberste Führung des Unternehmens zeigt sich für dienachhaltige Umsetzung des Wandels verantwortlich, die nur durch eineaktive Unterstützung und Verhaltensänderung der Mitarbeiter möglich ist.Um die Mitarbeiter von der Notwendigkeit der Veränderung zu überzeu-gen, sollte das Topmanagement ihnen möglichst zeitnah, glaubwürdig,vertrauensvoll und offen die Ziele, den Status des Projektes und die Kon-sequenzen des Wandels vermitteln. Diese Kommunikationsaufgabebezweckt nicht nur sachliche Informationsaspekte, sondern signalisiertVerständnis der Unternehmensführung für die Unsicherheiten undÄngste der Mitarbeiter. Ziel ist es, den Mitarbeitern ein Gesamtbild überden Veränderungsprozess und eine Orientierung für die Zukunft zugeben.

Aufgrund der wichtigen Funktion der persönlichen Kommunikation in Ver-änderungsprozessen wird neben der Unternehmensführung auch denmittleren und unteren Führungskräften ein hervorgehobener Einfluss aufden Wandel zugesprochen (vgl. Larkin/Larkin 1994, S. 4). Wegen ihrerNähe und der daraus resultierenden höheren Interaktionsfrequenz mitihren Mitarbeitern besteht in der Regel eine höhere Vertrauenswürdigkeitund Glaubwürdigkeit der direkten Vorgesetzten. „Ask employees whothey want their information from and the answer is almost always thesame: their immediate supervisor" (Larkin/Larkin 1994, S. 1). In Abtei-lungs- und Mitarbeiterbesprechungen oder in persönlichen Gesprächenkönnen im Hinblick auf generelle Zielsetzungen des Change-Projektes,persönliche Relevanzen, individuelle Konsequenzen und abteilungsspe-zifische Besonderheiten herausgearbeitet werden.

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Erfolgsfaktor Timing

Der Zeitpunkt bestimmter Aktivitäten in Veränderungsprozessen hat häu-fig einen direkten Einfluss auf die Wirkung der Inhalte. Der mit den ein-zelnen Veränderungsschritten verbundene zeitliche Aufwand bezüglichihrer Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung sollte der Effektivi-tät der Maßnahmen gegenüber gestellt werden. „Zeit stellt oftmals denentscheidenden Engpass eines Veränderungsprojektes dar" (vgl. Reiß/Bernecker 2002, S. 356).

Darüber hinaus wird in Wissenschaft und Praxis darauf hingewiesen,dass Verantwortliche in Change-Projekten ungern unsichere Informatio-nen weiterleiten, deren Inhalte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nochsignifikant ändern können. „Zwar ist grundsätzlich jede Art von Kommu-nikation [...] mit einem gewissen Risiko behaftet, doch gilt dies auch fürden Verzicht auf Kommunikation" (Meier 2002, S. 65).

Der geeignete Zeitpunkt von Informationen lässt sich in der Regel bezüg-lich der Zielgruppen differenzieren. Die schwierige Aufgabe für dasManagement der Veränderung besteht folglich darin, den richtigen Zeit-punkt und die richtige Frequenz für die jeweiligen zielgruppenspezifi-schen Aktivitäten zu finden.

Erfolgsfaktor Partizipation

Die Betroffenen der Veränderung sollten in maximaler Ausprägung anden verschiedenen Phasen bzw. Stufen des Veränderungsprozessesbeteiligt werden. Der Dialog mit den Betroffenen sollte vor, während undnach der Veränderung gesucht werden. Dadurch kann sowohl die Unsi-cherheitsphase der Mitarbeiter verkürzt, die Bildung von Gerüchtekücheneingedämmt und das Vertrauensverhältnis gestärkt (vgl. Klöfer/Nies2003, S. 37) als auch das Know-How der Mitarbeiter eingebunden wer-den. Wenn aus verschiedenen Gründen Verzögerungen im Kommunika-tionsfluss zwischen dem Management der Veränderung und den Betrof-fenen im Prozess entstehen, bedeutet Prozesskommunikation auch,anzugeben, wann der vorgesehene Austausch stattfinden kann bzw. dieausstehenden Informationen voraussichtlich mitgeteilt werden können.

Erfolgsfaktor Flexibilität

Ein wichtiger Faktor in Change-Prozessen ist, trotz vorangehenden Pla-nungen und konzeptionellen Festlegungen, ein gewisses Maß an Flexi-bilität. Was in Veränderungskonzepten entwickelt und festgehalten wird,

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muss noch lange nicht umgesetzt bzw. nicht zu den vorgesehenen Zeit-punkten realisiert werden. Dies liegt in erster Linie darin begründet, dassdie Realität in der Regel anders ist, als die Vorstellung, die man sich vonihr gemacht hat. „Auch der brillanteste Konzeptioner ist nicht in der Lage,alle Eventualitäten im Voraus zu bedenken" (Leipziger 2004, S. 160).Jede Planung hat einen richtungweisenden Charakter, ist aber in derUmsetzung nie hundertprozentig bindend.

In jedem Unternehmen und innerhalb der in ihnen durchgeführten Verän-derungsprojekte gibt es spezifische Anforderungen und Möglichkeiten.Jedes System (Subsystem) ist in der Zusammensetzung seiner Ele-mente und Beziehungen einzigartig. Die Spezifika jedes Systems müs-sen jeweils identifiziert, die Konsequenzen für das Change Managementerkannt, spezielle Konzepte entwickelt und umgesetzt werden.

4. Paradoxien im Change Management

Change Management vollzieht sich in einer turbulenten Zeit mit vielDynamik und unterschiedlichsten Einflussfaktoren auf die Beteiligten inUnternehmen. Widersprüche, gegensätzliche Interessen, Widerständeund Konflikte sind daher nicht ungewöhnlich und fordern den professio-nellen Blick auf die zentralen Ziele und Vorhaben. Im Folgenden werdenausgewählte Paradoxien betrachtet, die uns in der Arbeit mit Change-Prozessen immer wieder begegnen und bei Veränderungen immanentzu sein scheinen.

4.1 Wunsch nach mehr Information versus defensivem Umgang mit Wissen

Bei bald jedem Veränderungsprozess schafft sich die Forderung nachmehr Information und Kommunikation kräftig Gehör. Beteiligte undBetroffene wollen verständlicherweise wissen, wohin die Reise gehensoll, wer mitfahren wird und in welcher Rolle er/sie die neue Wegstreckemitgestalten wird. Das Wissen um neue Sachlagen, die Kenntnis vonEntscheidungen oder die Teilnahme an Diskussionsrunden vermittelneine scheinbare Sicherheit, dem Kreis der Auserwählten anzugehörenoder zumindest so nahe zu stehen, dass eine größere Gefahr für dieeigene Tätigkeit realistischerweise nicht bestehen kann. Ein hoher Infor-mationsgrad speist dieses trügerische Gefühl. Aus der Perspektive derBeteiligten ist nur allzu verständlich, dass sie die gewünschte Verantwort-

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lichkeit für neue Aufgaben und Prozesse untrennbar mit einem hohenGrad an Information verbinden.

Auf der anderen Seite werden aber genau diese Informationen dafürgenutzt, sich frühzeitig in bekannte defensive Routinen (vgl. Argyris,S. 31) zu begeben, den eigenen Bereich/Abteilung etc. unantastbarabzuschotten und die eigene Position dauerhaft zu sichern. Von Verän-derung ist dabei keine Rede mehr. Wer viel Informationen besitzt und inseinen Netzwerken gut etabliert ist, kann taktisch und diplomatischgeschickt agieren, um die geballte Veränderungsenergie des Unterneh-mens frühzeitig von der eigenen Abteilung und Person weg auf andereFelder zu richten. Folglich obliegen Informationen in Veränderungspro-zessen einer durchaus zwiespältigen Funktion: Frühzeitig und umfas-send die richtigen Personen zu informieren, ohne zu viel mitzuteilen undohne kontraproduktive Gerüchte zu initiieren.

4.2 Change Management ist mehr als Kommunikation – Kommunikation ist mehr als Change Management

Selbstverständlich besteht ein Change-Vorhaben aus mehr als Kommu-nikation zwischen den Beteiligten und zwischen der inneren und äußerenWelt der jeweiligen Organisation. Entscheidungen, Visionen und Kon-flikte gehören ebenso dazu wie Budgets, Ressourcen, Materialien, Pro-zesse etc. Change Management ist der umfassende Gedanke und dasgroße Vorhaben, deren Zielsetzung sich die Kommunikation anpassenund ggf. unterordnen muss.

Demgegenüber bietet Kommunikation, die im klassischen systemtheore-tischen Ansatz als das zentrale Element eines sozialen Systems definiertwird (vgl. Luhmann 1990, S. 197) mehr als nur den Austausch von ver-schiedenartigen Signalen und Codierungen, denn letztlich sind es die imUnternehmen tätigen Menschen, die durch ihre Handlungen Veränderun-gen durchführen oder sie blockieren (vgl. König/Luchte 2005, S. 152).

Kommunikation richtet sich gerade in Veränderungszeiten an Gefühl undVerstand, an die Tradition und die Haltung der beteiligten wie betroffenenPersonen, an ihre Logik und ihre Analysefähigkeiten, an den ganzenMenschen und nicht nur an ausgewählte, systemisch differenzierte Teile,die über Regelkreise miteinander in Kontakt treten. Subjektive Deutun-gen entziehen sich dem (gut gemeinten) Anliegen des Sender oder Initi-ators von Veränderungen. Interventionen können zwar gezielt gestartetwerden, ihre Wirkungen unterliegen aber der souveränen Hoheit des

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Adressaten, sprich der Selbststeuerung des Systems und ist von außennicht erkennbar (vgl. König/Luchte 2005, S. 156).

4.3 Wunsch nach Partizipation bei den Beteiligten versus geringe Verantwortlichkeit in der Implementierung

In vielen Organisationen ist das Credo von der frühzeitigen Partizipationder Beteiligten, nicht nur als kommunikatives Feedback und kreativerIdeengeber, sondern auch als aktiver und kompetenter Part einer Verän-derung mittlerweile eine Selbstverständlichkeit geworden. Führungs-kräfte und Mitarbeiter werden gefragt und integriert, ihre Meinung wirdrespektvoll aufgenommen und ihre Anregungen werden in Pilotprojektengetestet.

Die Kehrseite der Medaille zeigt auf die Verantwortlichkeit, die handelndePersonen gezielt oder auch unbeabsichtigt übernehmen. Das Roll-out füreine neue Maßnahme zu verantworten, dabei selbst in den Mittelpunktder Öffentlichkeit und Kritik zu geraten, erscheint vielen, verbal nach Par-tizipation Rufenden, letztendlich doch nicht erstrebenwert. Mitarbeiteroder Führungskräfte, die Verantwortung für einzelne Maßnahmen imVeränderungsprozess übernehmen, verlassen damit ihren angestamm-ten Platz und begeben sich in eine exponierte und tendenziell angreifbarePosition mit einer ungewissen Zukunft. Daher bedarf es einer genauenKenntnis der professionellen Kompetenzen, des persönlichen Reifegradsund der perspektivischen Wünsche der ausgewählten Verantwortlichen,die in Change-Prozessen eine zentrale Rolle und beispielhafte Aufgabeübernehmen sollen.

4.4 Knappe zeitliche Ressourcen versus längerem Zeitbedarf für Lernen und Veränderung

Ökonomische Prozesse unterliegen immer den Kriterien von Effektivitätund Effizienz. Der Faktor Zeit gilt unter wirtschaftlicher Perspektive alsknappe Ressource und soll möglichst begrenzt eingesetzt werden.Change-Prozesse müssen diese Erwartungshaltung erfüllen, indem siedie Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen beschleunigen,Time-to-Market-Prozesse dynamisieren und das Innovationstempo vor-antreiben. Lernen soll sich unnötiger Fehlzeiten entledigen und sich hochkonzentriert auf die spezifischen Anforderungen beziehen, die imArbeitsprozess verlangt werden. Inhalte können verkürzt werden auf dasscheinbar sachlich Notwendige, während methodisch und wissenschaft-

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lich unterstützt, medial gesteuerte Selbstlernkonzepte einem aufwendi-gen Lernen unter Anleitung mit herkömmlicher Didaktik gegenüberge-stellt werden.

Veränderungslernen soll möglichst direkt am Arbeitsplatz oder in notwen-dige Workshops implementiert werden. Auch wenn E-Learning und Blen-ded-Learning-Konzepte ihre Potenziale noch lange nicht entfaltet habenund in Zukunft andere Lernzeiten vermuten lassen, somit wird dennochauch weiterhin gelten: Lernen benötigt Zeit, Menschen brauchen einenzeitlichen Rahmen, um ihre vielfältigen Veränderungen zu integrierenund für sich als ein neues Lebens- und Arbeitskonzept authentisch, kon-gruent und mit hoher Leistung umsetzen und leben zu können. Aucherfolgreiche Selbstlernkonzepte erfordern einen Sinnzusammenhangund Zeit, um diesen Sinn zu verinnerlichen.

Die mancherorts gewünschte Verschmelzung der Lern- in Arbeitspro-zesse mündet in eine Unterordnung von Lernen unter Arbeit und lässt dieGefahr virulent werden, dass zwar gearbeitet, aber nicht mehr gelerntwird (vgl. Reglin/Severing 2005, S. 174ff). Die Rolle der Lernexpertenund ihre Didaktik müssen kritisch hinterfragt werden, wobei zu berück-sichtigen ist, dass E-Learning und Blended Learning ihre Potenziale nochlange nicht entfaltet haben.

4.5 Hoher Komplexitätsgrad bei Veränderungsprozessen versus notwendige Reduktion auf Kernprozesse

Bei der Analyse, Planung und Implementierung von Veränderungspro-zessen sind verschiedene Ebenen betroffen, die die Organisation undihre Strukturen, die Menschen, ihre Beziehungen untereinander und ihreKommunikation miteinander umfassen. Darüber hinaus werden nebenfachlichen und sachlichen Problemen auch persönliche Verhaltensmus-ter und subjektive mentale Modelle tangiert, die eine hohe individuelleVeränderungsbereitschaft und -fähigkeit erfordern. Fachliches Experten-wissen stößt dabei vielfach an Grenzen, da es dem Risiko unterliegt, sichzu sehr an vergangenem Wissen zu orientieren und zu wenige Optionenin die Zukunft entwickelt.

Eine mehrdimensionale und detaillierte Analyse von Problemen kannden Blick und das Gefühl für den zentralen Hebel (Attraktor) einer Verän-derungssituation verstellen und unnötige Nebenkriegsschauplätze eröff-nen. Durch eine gelungene Reduktion der Komplexität auf gewichtigeKernprozesse werden die Blicke und die Aktivitäten aller auf die gemein-

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same Zielsetzung gebündelt, um die Veränderungsenergie zu zentrieren.Die gleichzeitig erforderte Vernetzung vieler Aktivitäten steht zumindestin einem partiellen Gegensatz dazu, sie ist dennoch eine conditio sinequa non, um synchron und parallel verlaufende Prozesse immer wiederaufeinander abzustimmen und in synergetische Formen der Kooperationzu überführen. Steuerungsgruppen sind in besonderer Weise gefordert,den Blick auf das Detail fokussieren zu können und dennoch dasGesamte aus der Vogelperspektive im Auge zu behalten. Ihre Koordina-tions-, Steuerungs-, und Synchronisationsleistung können sie im Sinnedes Ziels der Veränderung überzeugend unter Beweis stellen.

4.6 Verständnis von allen versus kleinsten gemeinsamen Nenner

Das Anliegen von Verantwortlichen für Change-Prozesse, bei allenBeteiligten ein gleichermaßen hohes Verständnis und Engagement fürdie Neuorientierung zu erreichen, mag sich bei kleinen Gruppen vonBetroffenen erfüllen lassen, stößt bei größeren Gruppen aber schnell aufWiderstand. Risk Management, Kommunikation mit Kritikern, frühzeitigeInformation, Umgang mit Widerstand und Prophylaxe bei vermutetenBlockaden sind die gängigen Vokabeln, um derartigen Problemen zubegegnen. Manch ein Verantwortlicher folgt dem verlockenden Ruf,wenigstens den kleinsten gemeinsamen Nenner als neues Ziel zu propa-gieren, unterschätzt dabei aber das Risiko, die erkennbaren Konturen derVeränderung auf zu weichen und die gewünschte Zielsetzung einemfalsch verstandenem Solidaritätsgefühl Preis zu geben. Die Erwartungs-haltung, einen Change-Prozess als „everybodies darling“ zu verstehen,erweist sich als gewagter Versuch, nur „Gewinner im Boot“ zu haben.Wie gesagt, bei kleinen Gruppen (siehe Achter beim Rundern) erscheintes durchaus als eine mögliche Variante, bei größeren Gruppen (Dampf-schiffe) aber unrealistisch.

Die besondere Rolle der Betreiber des Wandels, die auf verschiedenstenHierarchiestufen zu finden sind, besteht darin, ein Verständnis für dieKomplexität der auf mehreren Ebenen liegenden Paradoxien zu entwi-ckeln, ihre Vernetzung zu prüfen und ihre Bedeutung für die Zielerrei-chung einzuschätzen. In oder mit einer Steuerungsgruppe und ggf. denChange-Verantwortlichen müssen diese Themen von Zeit zu Zeit in einerProzessreflexion besprochen, bewertet und handlungsrelevant entschie-den werden. Die Betreiber des Wandels erhalten im Sinne von „temperedradicals“ (dt. gemäßigte Radikale, Meyerson 2003) eine spezifische Rolle

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in dem Spannungsfeld von Verständnis für das Sowohl-als-auch, d.h.sowohl für die Werte, Verhaltensmuster und Aktivitäten der Menschen inder alten Situation als auch für die der neuen. Die Verknüpfung zwischenalter Situation, Handeln im unsicheren Übergang und überzeugendemVorleben neuer Zielsetzungen können sie auf der mehrdimensionalenKlaviatur von kommunikativer Anschlussfähigkeit bis hin zu irritierendenInterventionen spielen und gestalterisch nutzen, um die Dynamik desVeränderungsprozesses wirkungsvoll aufrecht zu erhalten.

5. Roadmap im Change Management

Mit der Roadmap im Change Management greifen wir eine bildlicheMetapher auf, die die ganze Vielfalt von Change-Prozessen abbildet undzugleich einen ganzheitlichen wie detaillierten Blick auf das Prozessge-schehen wirft. Die Metapher öffnet einen breiteren Zugang zum ThemaChange Management und ermöglicht dem äußeren wie inneren Betrach-ter über das visuelle Spiel mit Gegenständen, Symbolen, Artefakten etc.hinaus einen persönlichen Ausdruck der subjektiven Wahrnehmung desChange-Prozesses.

Nicht Worte bilden den Kern der Diskussion, sondern Bilder. Nicht struk-turierte Analysen, fein säuberlich seziert von Punkt 1 bis 8 wollen abge-arbeitet werden, sondern Farben, Konturen und Schattierungen schaffeneinen ungewohnten und kreativen Zugang zu verbal nur schwerfälligbeschreibbaren Gefühlen und Empfindungen. Nicht Sequenzen bestim-men die Gedanken, sondern ein ganzheitlicher Zugang. Gemeinsamkei-ten und Differenzen entziehen sich der einfachen Logik von Zustimmungoder Ablehnung, von positiv oder negativ. Stattdessen wird deutlich, dassRot nicht gleich Rot und das ein See nicht gleich einem See ist. Rot bieteteine breite Palette an Untertönen an und der See kann in verschiedensteLandschaftsformen eingebettet sein.

Das „Innere Bild“ bestimmt das Handeln des Menschen, es bietet Erklä-rungsmuster und öffnet den Weg zum Austausch über subjektive Wahr-nehmungen. Wie wir die äußere Welt für uns konstruieren, welche Erfah-rungen für uns markant sind, welche Erlebnisse wir ignorieren oderschlicht tilgen, dies können Bilder und Metaphern meist neutraler (vombewertenden Standpunkt des anderen aus gesehen) und emotionaler(von der eigenen Empfindung bestimmt) zugleich ausdrücken. Der Aus-tausch über die Metapher fordert Neugierde und bietet Verständnis.

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Die Aktivität der Gestaltung einer visuellen Metapher heißt, sich von derstrikten Zuordnung scheinbar gleichermaßen interpretierten Worte undDefinitionen zu lösen und sich in das sicherlich begrenzte Risiko einesanderen Ausdrucks zu begeben. Richtig und falsch, zwei Kategorien, diebei Change-Prozessen nur eine relative Bedeutung besitzen, lösen sichvollends auf. Die konkrete Aufgabe für verantwortliche und aktiveChange-Manager lautet: Zeichnen Sie den Change-Prozess aus IhrerWahrnehmung, z.B. als Landkarte, als Fluss, als…! Das Material dazukann vielfältig sein, von Stiften über Pinsel bis zu Handfarben. Je größerdie Papierfläche, umso eindruckvoller kann gestaltet werden.

Für unseren Zugang haben wir eine Form der Darstellung ausgewählt,die sowohl eine wissenschaftliche Symbolik umfassen kann als auch denkreativen Ausdruck beteiligter Change-Manager: eine Roadmap, in dereinige beispielhafte Stationen des Change-Prozesses dargestellt wer-den.

Zum einen bewegen sich Change-Prozesse in einer natürlichen, d.h. vomMenschen nur bedingt (z.B. Felder) oder gar nicht beeinflussbaren Land-schaft (z.B. Gebirge). Maßgebliche und nur bedingt vorhersehbare Aus-wirkungen auf das Geschehen hat das Wetter, das die Umsetzung vongeplanten Vorhaben erleichtern oder erschweren kann. Hier sind denverantwortlichen Planern und Change-Agenten des Prozesses deutlicheGrenzen gesetzt, die sich vergleichen lassen mit den wechselhaften Ein-flüssen des Marktes und des Wettbewerbs. Die Ansatzpunkte für verläss-liche Prognosen und Vorhersagen werden zunehmend verfeinert, erhal-ten immer mehr Wissenschaftlichkeit und Genauigkeit, dennoch bleibensie noch vielfach einem Zufall verhaftet. Letztlich zählt das, was wirkt –warum auch immer.

Zum anderen symbolisiert eine Roadmap, dass Change-Prozesseebenso wie die Infrastruktur von Autobahnen, Landstraßen und Feldwe-gen vielfach geplant, strukturiert und gesteuert sein können und somitden aktiven und analytischen Einfluss des Menschen zeigen. WelcheWirkungen dieser Einfluss hervorruft, kann sehr unterschiedlich sein undreicht vom Stau auf der Autobahn bis zur Sackgasse im Ort, von derÜberholspur bis zur Grünen Welle. Selbst wenn man erfolgreich amZielort angekommen ist, lässt sich nicht sicher vorhersagen, in welcheAtmosphäre man eintritt, ob die formale Zielerreichung zugleich die emo-tionale Erfüllung des Zielzustands integriert.

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Die Roadmap signalisiert einerseits den engen Zusammenhang zwi-schen Planung und Realität und verdeutlicht andererseits, dass eineKarte keine reale Landschaft darstellt. Gelingt es jedoch, die Karte als einTool zur Orientierung, (Sinn-)Findung und Zielerreichung kreativ undinstrumentell zu nutzen, sie zugleich der Realität immer wieder anzupas-sen, dann kann sie ihren hilfreichen Dienst sehr gut unterstreichen.

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