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Inhalt Index 5. Aromatische Kohlenwasserstoffe Aufgrund der starken Aromas, das viele Benzolderivate ausströmen, nennt man sie aromatische Verbindungen. Deshalb gilt Benzol als Stammverbindung der Aromaten. Aromatische Ringe kommen in vielen biologisch wirksamen Substanzen vor. z.B.: Wir werden hier nur Benzol-Derivate betrachten, und nicht aromatische Ringe, die ein Heteroatom enthalten ( Kapitel 6), z.B. N, O oder S. 5.1 Die Benennung von Benzolderivaten Der allgemeine Ausdruck für substituierte Benzolderivate lautet Arene. Ein Aren als Substituent heisst Arylgruppe, abgekürzt Ar-. Die einfachste Arylgruppe heisst Phenyl-, C 6 H 5 -, abgekürzt Ph-. Einige Trivialnamen die häufig vorkommen: Viele monosubstituierte Benzolderivate benennt man, indem man den Substituentennamen dem Wort "Benzol" voranstellt : CHE 151.1: Organische Chemie für die Biologie http://www.chem.uzh.ch/robinson/lectures/AC_BII/Kap5/kap... 1 of 16 3/27/15 2:37 PM

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Inhalt Index

5. Aromatische KohlenwasserstoffeAufgrund der starken Aromas, das viele Benzolderivate ausströmen, nennt man siearomatische Verbindungen. Deshalb gilt Benzol als Stammverbindung derAromaten. Aromatische Ringe kommen in vielen biologisch wirksamen Substanzenvor.

z.B.:

Wir werden hier nur Benzol-Derivate betrachten, und nicht aromatische Ringe, dieein Heteroatom enthalten (Kapitel 6), z.B. N, O oder S.

5.1 Die Benennung von Benzolderivaten

Der allgemeine Ausdruck für substituierte Benzolderivate lautet Arene. Ein Arenals Substituent heisst Arylgruppe, abgekürzt Ar-. Die einfachste Arylgruppe heisstPhenyl-, C6H5-, abgekürzt Ph-.

Einige Trivialnamen die häufig vorkommen:

Viele monosubstituierte Benzolderivate benennt man, indem man denSubstituentennamen dem Wort "Benzol" voranstellt :

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Bei disubstituierten Benzolderivaten können die Substituenten drei möglicheStellungen zueinander einnehmen: benachbarte Substituenten 1,2- (ortho), für1,3-disubstituierte Verbindungen 1,3- (meta), für 1,4-disubstituierte Verbindungen1,4- (para). Die Substituenten werden in alphabetischer Reihenfolge genannt.

5.2 Die Struktur von Benzol : Aromatizität

Im Jahr 1825 erhielt der englische Wissenschaftler Faraday eine farbloseFlüssigkeit mit der empirischen Formel CH. Diese Verbindung war mit der Theorie,nach der jeder Kohlenstoff vier Valenzen zu anderen Atomen ausbilden musste,nicht in Einklang zu bringen. Besonders die ungewöhnliche Stabilität undchemische Trägheit dieser Substanz fiel auf. Man nannte die Verbindung Benzolund stellte schliesslich die Summenformel C6H6 dafür auf.

Ein Problem damals war, zu verstehen, warum nie zwei unterschiedliche Isomerevon einem 1,2-disubstituierten Benzolderivat beobachtet werden konnten. AlsLösung schlug Kekulé im Jahre 1865 vor, dass Benzol aus sich rasch ineinanderumwandelnden Isomeren von Cyclohexatrien bestehen sollte. Heute wissen wir,dasss diese Hypothese nicht völlig richtig ist. Nach der modernenElektronentheorie kann man Benzol durch zwei äquivalente Resonanzstrukturendes Cyclohexatriens beschreiben:

Benzol ist ungewöhnlich reaktionsträge. Es geht keine Additionsreaktionen wienormale Alkene ein.

Molekülorbital-Modell des Benzols

Die Abbildung zeigt uns die elektronische Struktur des Benzolrings. AlleKohlenstoffatome sind sp2-hybridisiert und jedes p-Orbital überlappt gleichmässigmit seinen beiden Nachbarn. Die auf diese Weise delokalisierten Elektronen bildeneine π-Wolke oberhalb und unterhalb der Ringebene.

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Die sechs cyclisch angeordneten, überlappenden p-Orbitale bilden einen Satz vonsechs Molekülarorbitalen.

Das Benzolmolekül bildet ein reglmässiges Sechseck aus sechs sp2-hybridisiertenKohlenstoffatomen. Die Länge der aromatischen C-C-Bindung liegt zwischen dereiner Einfach- und der einer Doppelbindung (1.39 A) und die Bindungswinkelzwischen den C-Atomen betragen 120o.

Valenz-Struktur-Beschreibung des Benzols

Die Struktur von Benzol kann durch zwei gleichwertige Resonanzstrukturen vonCyclohexatrien

wiedergegeben werden:

Der wirkliche Zustand wird dann als "Zwischenzustand " oder "Resonanz-hybrid"zwischen diesen Grenzstrukturen wiedergegeben.

Das Zeichen <-> bedeutet, dass nicht etwa ein dynamisches Gleichgewichtzwischen zwei verschiedenen Molekülarten existiert, sondern dass der tatsächlicheZustand zwischen den Grenzstrukturen liegt und von diesen gewissermassen"umschrieben wird". Die Beschreibung einer wirklichen Struktur durch Kombinationvon nicht existierender Grenzstrukturen nennt man Resonanz.

5.3 Stabilität von Benzol

Um ein Mass für die relative Stabilität einer Reihe von Alkenen zu bekommen,kann man ihre Hydrierungswärmen bestimmen. Ein ähnliches Experiment könnenwir mit Benzol durchführen, und seine Hydrierungswärme mit der von l,3Cyclohexadien und Cyclohexen vergleichen :

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Obwohl Benzol nur schwer hydriert wird, kann die Reaktion katalytischdurchgeführt werden , und man erhält für die Hydrierungswärme einen Wert vonΔHo-206 kJ/mol. Der Unterschied zwischen den Hydrierungswärmen (und denBildungsenthalpien ) beträgt ungefähr 124 kJ/mol und wird als Resonanzenergievon Benzol bezeichnet. Andere Namen dafür sind Delokalisierungsenergie,aromatische Stabilisierug, oder einfach Aromatizität von Benzol.

5.4 Die Hückel-Regel

Mit Hilfe quantentheoretischer Rechnungen lässt sich zeigen, dass einmonocyclisches konjugiertes Polyen besonders stabil ist (d.h. Aromatizitätbesitzt), wenn es 4n+2 π-Elektronen enthält (n ist ganzzahlig), z.B.:

5.5 Elektrophile aromatische Substitution

Aufgrund seiner π-Elektronen besitzt das Benzol-Molekül nucleophileEigenschaften und reagiert deshalb vorwiegend mit Elektrophilen. z.B.:

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Im Gegensatz zu den Alkenen führt ein solcher Angriff zu einer Substitution einesH-Atoms, nicht zu einer Addition. z.B. Bromierung in Gegenwart einesKatalysators:

Mechanismus der elektrophilen aromatischen Substitution:

Der erste Schritt ist thermodynamisch ungünstig, da die cyclische Delokalisierungund damit der aromatische Charakter dabei verloren geht. Nach diesem Schrittwird der aromatische Ring wieder regeneriert, indem das Proton von demsp3-hybridisierten Kohlenstoff abgespalten wird. Dies ist energetisch günstiger alseine Reaktion mit einem Nukleophil, wodurch das Additionsprodukt entstünde :

Die Änderung der potentiellen Energie während der Reaktion von Benzol miteinem Elektrophil. Die Bildung des ersten Übergangszustand istgeschwindigkeitsbestimmend. Das Proton wird verhältnismässig raschabgespalten.

Die Reaktion von Benzol mit konz. HNO3 bei mässig erhöhter Temperatur führt zurNitrierung des Benzolrings:

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Konz. H2SO4 reagiert bei RT nicht mit Benzol, sieht man von der Protonierung ab."Rauchende Schwefelsäure" (Oleum) greift jedoch elektrophil an, da sie SO3enthält. Aufgrund der stark elektronenziehenden Wirkung der drei Sauerstoffatomeist das S-Atom in SO3 so elektrophil, dass es Benzol direkt angreift :

In Friedel-Crafts-Reaktionen entstehen neue C-C Bindungen. In Gegenwart einerLewis Säure, gewöhnlich Aluminiumchlorid, greifen Halogenalkane Benzol unterBildung von Alkylbenzolderivaten an (Friedel-Crafts Alkylierung),Alkanoylhalogenide ergeben Alkanoylderivate (Friedel-Crafts Acylierung):

Die Reaktivität des Halogenalkans nimmt in der Reihenfolge RF > RCl > RBr > RIab. Typische Lewis-Säuren sind bei dieser Reaktion (nach abnehmenderReaktivität geordnet) AlBr3, AlCl3, FeCl3, SbCl5 und BF3. Weitere Beispiele:

Durch Friedel-Crafts-Acylierung entstehen Aryl-Alkyl-Ketone. z.B. Benzol reagiertmit Acetylchlorid in Gegenwart von AlCl3 und bildet Acetophenon :

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Die Bildung des Acylium-Kations geschieht allgemein durch die Reaktion vonAlkanoylhalogeniden (Acylhaliden) mit AlCl3. Ähnlich reagierenCarbonsäureanhydride mit Lewis-Säuren.

z.B.:

5.6 Induktive- und Resonanz-Effekte im Benzolring

Ein Substituent am Benzolring übt einen elektronischen Effekt aus, indem erentweder Elektronendichte auf den Ring überträgt, oder Elektronendichte abzieht.Auf diese Weise kann ein monosubstituierter Benzolring, verglichen mit Benzol,andere chemische und physikalische Eigenschaften aufweisen, z.B. kann eineelektrophile aromatische Substitutionsreaktion viel langsamer (d.h. wirddesaktiviert) oder schneller (d.h. wird aktiviert) ablaufen als mit Benzol. DasAbziehen oder Liefern von Elektronen kann durch Induktive- und durchResonanz-Effekte zustandekommen.

Induktive- und Resonanz-Effekte beeinflussen viele chemische und physikalischeEigenschaften von Aromaten, nicht nur Ihre Reaktivität bei elektrophilenSubstitutionsreaktionen.

Induktive- und Resonanz-Effekte

Betrachten wir Beispiele von elektronenliefernden und elektronenziehendenSubstituenten:

Induktive Effekte sind Polarisationseffekte, die über σ-Bindungen übertragenwerden (siehe Kapitel 1.10).

Es ist auch möglich, dass ein Substituent an einen aromatischen Ring mitp-Elektronen zu den p-Elektronen des Ringes in Konjugation tritt und dadurchentweder negative Ladung aus dem ungesättigten System abzieht oder negativeLadung in dieses hineindrückt. Häufig spricht man von einem mesomeren Effektoder Resonanzeffekt, was daherrührt, dass man in diesen Fällen die

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Ladungsdichteverteilung durch Kombination verschiedener Grenzstrukturenbeschreiben kann, da eine Delokalisation der π-Elektronen eintritt. z.B. einπ-Akzeptor

Ihre Akzeptorwirkung (die Stärke des mesomeren Effektes) steigt mit derBereitschaft des Substituenten, negative Ladung aufzunehmen.

In der folgenden Reihe nimmt er darum nach rechts zu:

π-Akzeptorgruppen:

π-Donorgruppen: Da N elektronegativer ist als C, übt die -NH Gruppe2 einenleicht elektronenziehenden Effekt aus (induktiver Effekt). Das freie Elektronenpaardes N-Atoms kann jedoch in das aromatische π-System miteingebracht werden,sodass die Ladungsdichte des Ringes erhöht wird:

Dieser Resonanzeffekt überwiegt den induktiven Effekt bei weitem. Anilin istdeshalb für weitere Substitution leicht zugänglich.

Das elektronegative O-Atom in Phenol wirkt ebenfalls elektronenziehend(induktiver Effekt). Aber auch hier überwiegt der Einfluss der Resonanz, sodassder Benzolkern elektronenreicher wird:

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5.7 Orientierung und relative Geschwindigkeit einer Zweitsubstitution

Übt ein bereits vorhandener Substituent einen Einfluss darauf aus, an welcherStelle im Ring ein Elektrophil angreift, und wie schnell die reaktion abläuft (imVergelich zum Benzol)? Schauen wir zuerst Toluol an, das die induktiv aktivierendeMethylgruppe trägt:

Die elektrophile Nitrierung von Toluol führt hauptsächlich zu ortho undpara-Substitution.

Die Nitrierung ist kein Spezialfall:

Trifluormethylbenzol ist gegenüber dem elektrophilen Angriff desaktiviert undreagiert deshalb nur zögernd. Unter energischen Bedingungen aber erhält manSubstitution, jedoch nur in meta-Stellung:

Für einen elektrophilen Angriff auf einem resonanz-aktivierten Benzolring ist oftnicht einmal ein Katalysator notwendig. Die Reaktion verläuft rasch und vollständigregioselektiv zu den (oft mehrfach) substituierten ortho- und para-Produkten:

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Anisol reagiert ungefähr 1000x schneller als Benzol! Wenden wir uns nunBenzolderivaten zu, die durch Resonanz desaktivierende Gruppen tragen. Hierhergehört die Benzoesäure, bei der die Nitrierung 1000x langsamer verläuft als beiBenzol:

Die Nitrierung führt überwiegend zum meta-Produkt.

Die Halogene (-F, -Cl, -Br, -I) als Substituenten bilden eine dritte Gruppe, die denRing desaktivieren (Chlorbenzol reagiert ca. 15-fach langsamer als Benzol), jedochhauptsächlich ortho- und para- substituierte Produkte bilden :

Dirigierende Wirkung von Substituenten bei der elektrophilen aromatischen

Ortho- und para-dirigierend Ortho- und para-dirigierend Meta-dirigierend

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aktivierend desaktivierend desaktivierend

-NH2, -NHR, -NR2 -F, -Cl, -Br, -I -NO2 -CF3

-NH-COR -NR3+, -COOH

-OH, -OR -COOR, -CO-R-R (Alkyl, Aryl) -SO3H, -CN

5.8 Mechanistische Erklärung

Können wir Mechanismen aufstellen, die diese Selektivitäten erklären können ?Dazu wollen wir die möglichen Resonanzstrukturen des Kations zeichnen, dasnach dem Angriff des Elektrophils (E+) entsteht. Dabei stellen wir fest, dass σ undπ-Donorsubstituenten, die in ortho oder para Stellung stehen, dasZwischenprodukt (und den dazu führenden Übergangszustand) stabilisieren:

Nur durch den Angriff in ortho- und para-Stellung entsteht ein Kation mit einerResonanzstruktur, die eine positiven Ladung neben der Alkylgruppe trägt. Da dieseStruktur etwas vom Charakter eines 3o-Carbenium-Ions hat, kommt ihr mehrBedeutung zu als anderen, die die positive Ladung an einem 2o C-Atom tragen.

Durch einen meta-Angriff dagegen entsteht eine Zwischenstufe, in der keine dermöglichen Resonanzstrukturen von der Stabilität eines 3o-Carbenium-Ionsprofitiert. Der elektrophile Angriff auf ein C-Atom ortho- oder para- zu einerMethyl(Alkyl)-Gruppe führt deshalb zu einer Zwischenstufe, die stabiler ist als die,die durch einen meta-Angriff entstehen würde. Sie entsteht daher relativ schnellüber einen Übergangszustand mit relativ niedriger Energie (Vgl. Kapitel 5.5).

Auch beim elektrophilen Angriff auf einen Resonanz-aktivierten Benzol-Ring kannman die beobachtete Regioselektivitäten durch Resonanzstrukturen derverschiedenen intermediären Kationen erklären, z.B.:

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Ortho- und para-Substitutionen sind bevorzugt, da sie über Kationen verlaufen, fürdie man vier Resonanzstrukturen aufstellen kann, während bei der Zwischenstufeeines meta-Angriffs nur drei zu formulieren sind.

Wenn wir nun Benzolderivate betrachten, die Resonanz desaktivierende Gruppentragen:

Der Angriff auf die meta-Position vermeidet hier, dass eine positive Ladung nebender elektronenziehenden Carboxygruppe entsteht. Bei ortho- und para- Angriffhingegen müssen recht energiereiche Resonanzstrukturen formuliert werden. Beianderen desaktivierenden Substituenten ist die Situation analog.

Halogenatome wie Cl und Br sind räumlich viel grösser als O- und N-Atome.Obwohl ein π-Donoreffekt von -Cl noch vorhanden ist, ist der Resonanzeffekt nichtso wirksam (wie bei N- und O-Atomen), weil die p-Orbitale am -Cl schlechter mitden benachbarten p-Orbitalen des Benzolringes überlappen. N-, O- und Cl-Atomesind alle elektronegativ (σ-Akzeptorwirkung), aber mit O- und N-Atomen ist derResonanzeffekt (p-Donor) viel stärker. Das heisst, Chlorbenzol ist weniger reaktiv,bevorzugt aber immer noch Substitutionsreaktionen in ortho- und para-Positionen.

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z.B.

Der Resonanzeffekt führt ebenfalls zu ortho- und para-Produkten.

5.9 Elektrophiler Angriff auf disubstituierte Benzole

Die Wirkungen zweier Substituenten auf die relative Geschwindigkeit und auf dieOrientierung der elektrophilen Substitution des Benzolrings addieren sich, z.B.:

Wenn zwei in entgegengesetzte Richtung lenkende Gruppen vorhanden sind, sieüben ihren Einfluss gewöhnlich unabhängig voneinander aus. Konkurrieren dieSubstituenten miteinander um den Ort der Substitution, setzt sich die stärkeraktivierende (oder desaktivierende) Gruppe durch. Resonanz-Effekte sindnormalerweise stärker als Induktive-Effekte.

z.B.:

Wenn räumlich ausgedehnte Gruppen vorhanden sind, ist eine Stellung zwischendiesen Substituenten oft aus sterischen Gründen ungünstig:

z.B.

In den meisten anderen Fällen ergeben sich Produktgemische.

5.10 Synthetische Aspekte

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Benzol fällt bei verschiedenen technischen Prozessen an, z.B. in der aromatischenFraktion von Rohöl-Destillat. Jährlich werden weltweit etwa 35 Millionen TonnenBenzol hergestellt. Von 1940 bis ungefähr 1960 wurde das meiste Benzol auf derBasis der Steinkohle hergestellt. Seit 1950 wird es auch aus Erdöl gecrackt.

Bei der Synthese eines spezifischen Benzolderivats hängt alles davon ab, ob dererste eingeführte Substituent weitere Substituenten in die richtige Position dirigiert:

Es gibt bestimmte Reaktionen, die die dirigierende Wirkung eines Substituentenumkehren können. z.B. Der Benzolring ist wegen seiner Resonanzenergieoxidationsbeständig. Aber eine Alkylseitenkette kann zu einer Carbonsäure oxidiertwerden:

z.B. für die Synthese von para-Brombenzoesäure :

Eine meta-dirigierende Nitrogruppe kann in die ortho- und para-dirigierendeAminogruppe umgewandelt werden. Nitrogruppen können zu Aminogruppenreduziert werden:

Für eine Synthese von p-Aminobenzoesäure (ein Bestandteil des VitaminsTetrahydrofolsäure) :

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(Aufpassen: Friedel-Crafts Reaktionen an Nitrobenzol sind nicht möglich --NO2 wirkt zu stark desaktivierend)

5.11 Mehrkernige benzoide Kohlenwasserstoffe

Durch Kondensation oder Annelierung mehrerer Benzolringe ergibt sich eineVerbindungsklasse, die man als mehrkernige benzoide Kohlenwasserstoffebezeichnet.

z.B.

An diesen Ringen kann man, wie zu erwarten ist, elektrophile Substitutionendurchführen, die nach demselben Mechanismus wie die entsprechendenReaktionen an Benzol und seinen Derivaten verlaufen. Die neueHauptschwerpunkt liegt mit der regioselektivität solche Prozesse, die wir aber hiernicht betrachten werden.

Viele der mehrkernigen benzoiden Kohlenwasserstoffe sind karzinogen(krebserregend). Ein besonders gut erforschtes Molekül ist Benz[a]pyren.Benz[a]pyren entsteht bei der Verbrennung organischer Materie, wieAutomobiltreibstoff und Erdöl, bei der Müllverbrennung, bei Waldbränden, manfindet es in Zigaretten und im Zigarrenrauch und sogar in gegrilltem Fleisch.

Wodurch kommt nun die karzinogene Wirkung von Benz[a]pyren zustande ? Mannimmt an, dass ein oxidierendes Enzym (eine Oxidase) aus der Leber denKohlenwasserstoff in das C7/C8 -Epoxid überführt. Ein anderes Enzym (Epoxid-Hydratase) katalysiert die Hydratisierung des Produkts zum trans-Diol (Vgl. Seite35). Durch weitere Oxidation entsteht dann das eigentliche Karzinogen, ein neuesC9/C10 -Epoxid:

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Vermutlich erfolgt das krebsauslösende Ereignis dann, wenn der Aminstickstoff desGuanins, einer der Basen im DNA-Strang, das Epoxid Nukleophil angreift :

Bei dieser Reaktion wird die Struktur eines Basenpaare der DNA geändert, was zuFehlern und Störungen bei der DNA-Replikation führt. Diese Fehler können zueiner Veränderung (Mutation) des genetischen Information führen, wodurch dannunter Umstände das Wachstum einer Linie von rasch und undifferenziertwuchernden Zellen ausgelöst wird, was typisch für Krebs ist.

Graphen ist die Bezeichnung für eine Modifikationdes Kohlenstoffs mit zweidimensionaler Struktur, inder jedes Kohlenstoffatom von drei weiterenumgeben ist, so dass sich einbienenwabenförmiges Muster ausbildet (siehe Bildlinks). Graphen hat ungewöhnliche Eigenschaften,die es sowohl für die Grundlagenforschung alsauch für Anwendungen interessant machen, undzwar vor allem in der Physik (wie auch derNobelpreis zeigt, der 2010 vergeben wurde).Beispielsweise sind Graphen-Flächeneinkristalleinnerhalb der Flächen außerordentlich steif undfest. Wegen der hohen elektrischen Leitfähigkeitvon Graphen wird derzeit an der Frage geforscht,ob Graphen Silicium als Transistormaterial ablösenkönnte.

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