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1 • Er ist Gründer der Gemeinde, ausgedrückt im Bild vom Brautführer (11,2) und vom Ausfertigen des Briefes, der die Gemeinde ist (3,2f). • Der Dienst für die Gemeinde hat eine endzeitliche Dimension: Am „Tag des Herrn“ sind die Gemeinden der Ruhm des Apostels. Sie zeigen, dass er seinen Auftrag erfüllt hat (1,14; s.a. Phil 2,16; 1Thess 2,19). Paulus verweist als Apostel auf seine Botschaft • Die Bedeutung des Aposteldienstes ist begründet in der Bedeutung der Botschaft, die der Apostel auszurichten hat: es geht um die Rettung des Menschen durch Christus. In 2Kor 5,18-21 ist der Zusammenhang unter dem Stichwort „Versöhnung“ entfaltet. • Der Apostel verkörpert in seiner Existenz die Botschaft, die er verkündet. Gefahren und Bedrängnisse sind Teilhabe am Todesgeschick Jesu. Darin, dass Paulus trotzdem nicht verzweifelt, wirkt sich die Auferstehung Jesu aus; außerdem enthält sie die Verheißung künftiger Teilhabe an der Auferstehung Christi bei der Vollendung ( 4,8-12 ). • Die Schwachheit des Apostels weist darauf, dass die Macht Gottes hinter dem Wirken des Apostels steht (4,7; 12,7-10 ). > Einleitung in das Neue Testament Grundlegung

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• Er ist Gründer der Gemeinde, ausgedrückt im Bild vom Brautführer (11,2) und vom Ausfertigen des Briefes, der die Gemeinde ist (3,2f).

• Der Dienst für die Gemeinde hat eine endzeitliche Dimension: Am „Tag des Herrn“ sind die Gemeinden der Ruhm des Apostels. Sie zeigen, dass er seinen Auftrag erfüllt hat (1,14; s.a. Phil 2,16; 1Thess 2,19).

→ Paulus verweist als Apostel auf seine Botschaft• Die Bedeutung des Aposteldienstes ist begründet in der Bedeutung der

Botschaft, die der Apostel auszurichten hat: es geht um die Rettung des Menschen durch Christus. In 2Kor 5,18-21 ist der Zusammenhang unter dem Stichwort „Versöhnung“ entfaltet.

• Der Apostel verkörpert in seiner Existenz die Botschaft, die er verkündet. Gefahren und Bedrängnisse sind Teilhabe am Todesgeschick Jesu. Darin, dass Paulus trotzdem nicht verzweifelt, wirkt sich die Auferstehung Jesu aus; außerdem enthält sie die Verheißung künftiger Teilhabe an der Auferstehung Christi bei der Vollendung (4,8-12).

• Die Schwachheit des Apostels weist darauf, dass die Macht Gottes hinter dem Wirken des Apostels steht (4,7; 12,7-10). >

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Das Faktum der mündlichen Überlieferung

Direkte Hinweise• Das Vorwort des LkEv (Lk 1,1-4) spricht nicht nur davon, dass es schon

Erzählungen vom Wirken Jesu gegeben habe; es bezieht sich auch auf Überlieferungen (von Augenzeugen). „Überlieferung“ ist ein Fachbegriff zur Bezeichnung mündlicher Weitergabe.

• Zwar übertreibt Joh 21,25, kann aber dennoch bezeugen, dass das verschriftlichte Jesus-Gut auf eine Auswahl aus mündlichen Überlieferungen zurückgeht.

• Jesus-Überlieferung ist nach der Abfassung der Evangelien mündlich weitergegeben worden (sicher bezeugt v.a. durch Papias von Hierapolis). Dann ist zu folgern, dass auch vor der Abfassung eine mündliche Überlieferung bestand – eine Überlieferung, die durch die Verschriftlichung nicht einfach beendet wurde.

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Indirekte Hinweise• Die rabbinische Tradition zeigt: Das Urchristentum entstammt einem Milieu,

das mündliche Überlieferung kannte.

• Die synoptischen Evangelien (Mt, Mk, Lk) sind aus kleinen Einheiten zusammengesetzt, die oft einem bestimmten Aufbauschema folgen. Der Stoff trägt in erster Linie nicht die individuelle literarische Handschrift eines Schriftstellers; das Material ist vielmehr schon geprägt, ehe es in die Evangelien aufgenommen wurde. Dies weist auf eine mündliche Vorgeschichte des Stoffes.

• Seit Beginn der urchristlichen Verkündigung wurde auch von Jesu Worten und Taten erzählt. Dann dürfte zunächst auch Mündlichkeit des entscheidende Medium gewesen sein. Die Fähigkeit zu lesen kann ja für die damalige Zeit nicht allgemein vorausgesetzt werden.

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Die Position der „klassischen“ FormgeschichteDie Entdeckung mündlicher Tradition war das Verdienst der sogenannten

Formgeschichte, einer forschungsgeschichtlichen Phase, die in den 20er Jahren des 20. Jh. aufkam (nach dem Scheitern der liberalen Leben-Jesu-Forschung) und vor allem mit den Namen Rudolf Bultmann und Martin Dibelius verbunden ist. Sie erhob

Geprägte FormenDies sind in verschiedenen Texten wiederkehrende Aufbauschemata, auch Gattungen genannt (>). Diese geprägten Formen wurden einem bestimmten

„Sitz im Leben“ zugewiesen. Damit ist gemeint: typische, wiederkehrende Situationen im Leben einer Gemeinschaft, institutionalisierte Handlungen, die prinzipiell wiederholbar sind. In der urchristlichen Überlieferung gab es verschiedene Gattungen für Mission, Gottesdienst, Unterweisung oder Auseinandersetzung mit Außenstehenden. Grundgedanke: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der sprachlichen Gestaltung und der Funktion eines Textes. >Das können wir auch heute beobachten: Texte, die informieren sollen,

werden anders gestaltet als solche, die werben oder unterhalten. >

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Modifikationen der „klassischen“ Position• Abzulehnen ist die Annahme, am Beginn der Überlieferung hätte die reine

Form gestanden, die im Laufe der Weitergabe überformt und verändert wurde. So kann man zwar nicht den Wortlaut der mündlichen Überlieferung rekonstruieren, aber doch grundlegende Strukturen und Sequenzen, Motive und Erzählelemente aus einem Vergleich verschiedener Texte herausfiltern.

• Es gibt zwar keine festen Überlieferungsgesetze, aber doch relativ allgemeine Tendenzen und spezielle des jeweiligen Evangelisten. Aus ihnen kann man begründete Vermutungen über die mündliche Vorgeschichte folgern.

• Der „Sitz im Leben“ wird heute nicht nur über die Gattung allein bestimmt, sondern nimmt auch Beobachtungen aus dem konkreten Einzeltext auf.

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Das synoptische ProblemDas synoptische Problem ergibt sich aus einem doppelten Befund:1) Die drei ersten Evangelien stimmen überein

• in Grobaufriss, • in der Anordnung einzelner Abschnitte • und z.T. auch im Wortlaut.

2) Auf der anderen Seite weisen sie aber auch erhebliche Unterschiede auf• in Aufriss und Inhalt,• in der Anordnung des Stoffes, • innerhalb vergleichbarer Perikopen.

Dieses Nebeneinander von Gemeinsamkeiten und Unterschieden fordert die Frage nach dem gegenseitigen literarischen Verhältnis von Mt, Mk und Lk heraus: die synoptische Frage.

Der Befund fällt umso mehr auf, als das JohEv nicht einbezogen werden kann. Hier überwiegen die Unterschiede zu Mt, Mk und Lk bei weitem die Gemeinsamkeiten.

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Gemeinsamkeiten zwischen Mt, Mk und LkGrobaufriss• Täuferwirken, Taufe und Wüstenaufenthalt Jesu zu Beginn• Schwerpunkt der Wirksamkeit in Galiläa, in der Dauer nicht näher

bestimmt• Zug nach Jerusalem, kurzes Auftreten dort, dann Passion Jesu und

Auferweckungsbotschaft im Grab

Reihenfolge einzelner AbschnitteBeispiel: Mk 2,1ff• Heilung eines Gelähmten Mk 2,1-12 Mt 9,1-8 Lk 5,17-26• Berufung/ZöllnergastmahlMk 2,13-17 Mt 9,9-13 Lk 5,27-32• Frage nach dem Fasten Mk 2,18-22 Mt 9,14-17 Lk 5,33-39• Ährenraufen am Sabbat Mk 2,23-28 Lk 6,1-5

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Wortlaut

Mt 9,6 Mk 2,10 Lk 5,24

„Damit ihr aber seht, dass Vollmacht hat der Menschensohn, auf der Erde nachzulassen Sünden“ – dann sagt er dem Gelähmten ...

„Damit ihr aber seht, dass Vollmacht hat der Menschensohn, nachzulassen Sünden auf der Erde“ – sagt er dem Gelähmten ...

„Damit ihr aber seht, dass der Menschensohn Vollmacht hat, nachzulassen Sünden“ – sagte er dem Lahmen ...

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Unterschiede zwischen Matthäus und LukasAufriss und Inhalt• „Kindheitsgeschichten“ gibt es nur bei Mt und Lk – mit ganz

unterschiedlichen Inhalten; dasselbe gilt für die Erscheinungserzählungen am Ende.

• Die Bergpredigt in Mt 5-7 hat bei Lk nur ein viel kürzeres Pendant (Lk 6,20-49), bei Mk gar keines.

• Jeder Evangelist bietet Sondergut: Stoffe, die sich nur in seinem Evangelium finden (z.B. Mk 4,26-29; Mt 20,1-16; 25,31-46; Lk 10,30-37; 15,11-32).

Reihenfolge einzelner Abschnitte

Beispiel I: Auftreten Jesu in seiner Heimatstadt• bei Lk zu Beginn des Wirkens Jesu (4,16-30); • bei Mk und Mt nach einer längeren Phase des Wirkens (Mk 6,1-6a; Mt

13,53-58).

Beispiel II: Berufung der ersten Jünger• bei Mk und Mt zu Beginn des Wirkens Jesu (Mk 1,16-20; Mt 4,18-22);• bei Lk erst, als Jesus schon als Wundertäter bekannt ist (Lk 5,1-11; s. 4,41-

44).

Beispiel III: Bergpredigt• Vieles von dem Material, das bei Mt in der Bergpredigt erscheint, begegnet

im LkEv verstreut über die Kapitel 6-16.

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Unterschiede innerhalb vergleichbarer Perikopen

Beispiel I: Stammbaum Jesu nach Mt und Lk• bei Mt von Abraham bis Jesus;• bei Lk von Jesus zurück bis zu Adam bzw. Gott. Schon beim Vater Josefs

beginnen die Differenzen (Mt: Jakob; Lk: Eli).

Beispiel II: Gleichnis vom großen Gastmahl• Mt und Lk setzen denselben Stoff voraus, gestalten ihn aber

unterschiedlich – nicht nur in Details.

Beispiel III: Die letzten Worte Jesu• Sind bei Mt und Mk dem Beginn von Ps 22 entnommen, Jesus stirbt mit

einem Schrei;• nach Lk sind die letzten Worte Jesu ein vertrauensvolles Gebet: Ps 31,6. >

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Die Zwei-Quellen-Theorie

Die Zwei-Quellen-Theorie erklärt das synoptische Problem mit folgenden Annahmen:

1. Das MkEv ist das älteste Evangelium.

2. Mt und Lk haben es unabhängig voneinander benutzt.

3. Daneben haben Mt und Lk eine Sammlung von Jesus-Worten verarbeitet, die nicht mehr erhalten ist. Sie wird bezeichnet als Redenquelle, Spruchquelle oder meist als Logienquelle (von dem griechischen Wort für „Spruch“: logion). Als Kürzel wird „Q“ verwendet.

4. Neben Mk und Q haben Mt und Lk auf Sondergut zurückgegriffen: Traditionen, die nur jeweils einem der beiden zugänglich waren. Dieses Sondergut lässt sich aber keiner Quellenschicht zuweisen (deshalb spricht man nicht von einer Drei-Quellen-Theorie); es handelt sich um verschiedene Einzelüberlieferungen.

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Mk Q

Mt Lk

SondergutSondergut

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Argumente für die Zwei-Quellen-Theorie I – Mk-PrioritätReihenfolge des Stoffes

Matthäus und Lukas stimmen in der Reihenfolge des mit Mk gemeinsamen Stoffes nur überein, wenn sie auch mit Markus übereinstimmen. Weicht einer von ihnen von der Reihenfolge des MkEv ab, dann stimmt er auch nicht mit dem zweiten verbleibenden synoptischen Evangelium überein. Mk ist in der Reihenfolge des Stoffes die gemeinsame Mitte von Mt und Lk (>). Dies ist dadurch zu erklären, dass Mk die Quelle für Mt und Lk war. Zugleich ergibt sich ein Hinweis darauf, dass Mt und Lk unabhängig voneinander entstanden sind.

StoffumfangDas MkEv geht in den beiden anderen inhaltlich fast vollständig auf. Die Auslassungen, die Markus an Mt- und/oder LkEv hätte vornehmen müssen, wären unerklärlich. Das MkEv ist keine „Zusammenfassung“ der umfangreicheren Evangelien oder eines von ihnen.

Sprachlicher und sachlich-inhaltlicher VergleichDie wörtlichen Übereinstimmungen beweisen einen literarischen Zusammenhang der ersten drei Evangelien. Dass Mt und Lk von Mk abhängig sind und nicht dieser von jenen oder einem von ihnen, ergibt sich aus den zahlreichen sprachlichen und sachlichen Verbesserungen, die Mt und Lk gegenüber Mk aufweisen (vgl. z.B. Mk 2,16/Mt 9,11; Mk 4,38/ Mt 8,25; Mk 6,5f/Mt 13,58).

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Argumente für die Zwei-Quellen-Theorie II – LogienquelleStoffumfang

Mt und Lk haben über Mk hinaus einen gemeinsamen Stoff von ca. 230 Versen, z.T. wörtlich übereinstimmend. Eine literarische Abhängigkeit zwischen Mt und Lk lässt sich nicht erweisen, weder sprachlich noch im Blick auf Stoffumfang und -gestaltung. Das umfangreiche Sondergut des LkEv wäre unerklärlich (warum sollte Mt diese Stoffe alle ausgelassen haben?); umgekehrt müsste Lk, wenn er denn das MtEv benutzt haben sollte, die großen Redekompositionen zerschlagen haben. Der gemeinsame Stoff über Mk hinaus ist also durch eine Quelle vermittelt. Dubletten und Doppelüberlieferungen • Dubletten sind Texte, die ein Evangelist zweimal hat (einmal mit Mk parallel,

einmal mit Mt bzw. Lk). Beispiel: Mt 16,4/Mk 8,11f – Mt 12,38-42/Lk 11,29-32. • Mit „Doppelüberlieferungen“ werden Texte bezeichnet, die zwei Evangelisten

zweimal haben, einmal im Mk-Zusammenhang, einmal nur Mt und Lk. Beispiel: Mt 13,12/Mk 4,25/ Lk 8,18 – Mt 25,29/Lk 19,26.

Mk kennt nur eine Dublette (9,55b/10,43f). Die vergleichsweise vielen Doppel-bezeugungen bei Mt und Lk erklären sich am besten durch Benutzung einer weiteren schriftlichen Quelle neben Mk: Aus ihr wurde ein Spruch auch dann übernommen, wenn er bereits bei Mk zu finden war.

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Reihenfolge des Stoffes• Kein eindeutiges Argument für die Existenz einer Mt und Lk gemeinsamen

schriftlichen Quelle ergibt sich aus der Reihenfolge des Stoffes, den Mt und Lk über Mk hinaus gemeinsam haben: nur zum Teil finden sich Übereinstimmungen.

• Allerdings haben Mt und Lk den fraglichen Stoff in ganz unterschiedlicher Weise in den Mk-Faden eingeordnet (Mt: v.a. Redekompositionen; Lk: v.a. zwei Einschaltungen in 6,20-8,3 und 9,51-18,14). Angesichts dieser unterschiedlichen Verfahrensweisen sind die vorfindbaren Differenzen in der Reihenfolge nicht so auffallend wie die auch vorhandenen Übereinstimmungen.

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• Dass kein Exemplar erhalten ist, besagt nicht, dass Q nur mündlich weitergegeben wurde. Nachdem diese Schrift in zwei umfassendere Evangelien integriert war, konnte die selbstständige handschriftliche Überlieferung durchaus abbrechen.

• Für die schriftliche Abfassung von Q sprechen folgende Überlegungen:– sehr weitreichende wörtliche Übereinstimmungen zwischen Mt und Lk

im Stoff, den sie über Mk hinaus gemeinsam haben (z.B. Q 7,24-28).– Die Existenz der Dubletten und Doppelüberlieferungen (s.o. §10,2.2.2)

wird besser erklärt durch die Annahme einer schriftlichen Quelle. – Trotz der Unterschiede in der Reihenfolge des Q-Stoffes bei Mt und Lk

zeigt sich ein Grundriss der Logienüberlieferung von der Verkündigung des Täufers bis zur endzeitlichen Belehrung Jesu.

• Die Annahme verschiedener Fassungen der Logienquelle sollte nach Möglichkeit vermieden werden: Sie zieht sich leicht den Vorwurf zu, Schwierigkeiten einer Hypothese durch neue Hypothesen zu lösen.

Logienquelle I – Eine schriftliche Quelle

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• Der Umfang von Q ist nicht absolut sicher zu bestimmen.

• Dennoch kann man zu gesicherten Grundannahmen kommen. Dass Mt und Lk große Teile ihrer zweiten Vorlage ausgelassen hätten, ist unwahrscheinlich, wenn man ihren Umgang mit dem MkEv bedenkt.

• Der Name „Spruchquelle” deutet an: der Inhalt wird wesentlich durch Worttradition gebildet. Eine erzählerische Struktur existiert nur in Ansätzen.

• Q enthält keine Passions- und Ostertraditionen. Mt und Lk haben dazu kein Material, in dem sie gemeinsam über Mk hinausgingen.

• Die Themen lassen sich in zwei Zusammenhängen gruppieren: Unterweisung der Jünger (Ethik, Nachfolge, Gebet, Endzeit) Auseinandersetzung mit Gegnern

• In beiden Zusammenhängen ist das Thema des Gerichts stark

profiliert.

Logienquelle II – Umfang und Inhalt

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Logienquelle II – Eine Struktur von Q

A. Johannes der Täufer und Jesus (Q3,2-7,35)

B. Die Boten des Menschensohnes (Q9,57-11,13)

C. Jesus im Konflikt mit dieser Generation (Q11,14-52)

D. Die Jünger in Erwartung des Menschensohnes (Q12,2-13,21)

E. Die Krisis Israels (Q13,24-14,23)

F. Die Jünger in der Nachfolge Jesu (Q14,26-17,21)

G. Das Ende (Q17,23-22,30)

nach: Die Spruchquelle Q. Studienausgabe, Griechisch und Deutsch, herausgegeben und eingeleitet von P. Hoffmann u. C. Heil, Darmstadt/Leuven 2002 (32009), 14f.

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Die Frage, welcher literarischen Gattung die Logienquelle zugeordnet werden kann, verbindet sich meist mit weiteren Fragestellungen.

• Ist Q vor allem von den weisheitlichen oder von den prophetisch-apokalyptischen Traditionen bestimmt? Beide Bereiche schließen sich traditionsgeschichtlich nicht aus. Doch für die literarische Gestalt von Q hat es in der Zusammenstellung beider Bereiche kein unmittelbares Vorbild gegeben.

• Kann man Q als Evangelium bezeichnen? Wenn für die Gruppe, die hinter Q stand, diese Schrift ihre Form der Verkündigung von Jesus Christus war, gibt es keinen inhaltlich-theologischen Grund, dieser Sammlung den Titel „Evangelium” abzusprechen. Dies könnte dann allein aus literarischen Gründen geschehen. Man sollte eine Spruchsammlung ohne erzählerischen Rahmen nicht mit demselben Gattungsbegriff belegen wie das MkEv. Allerdings könnte der Begriff „Spruch-Evangelium” diesen Unterschied einfangen. Um Q als Spruchbiographie einordnen zu können, müsste das erzählerische

Moment stärker entwickelt sein. Q ist wohl eine literarische Gattung eigener Art.

Logienquelle IV – Zur Frage nach der Gattung

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• Dass die Logienquelle nicht aus einem Guss ist, wird heute meist angenommen. Die Rekonstruktion der Entstehungsstadien ist allerdings äußerst schwierig und umstritten.

• Recht viel Zuspruch hat das Drei-Schichten-Modell John S. Kloppenborgs erfahren. – die weisheitlichen Stoffe sind die älteste Schicht; – sie wurde später erweitert um die Logien zur Gerichtsansage an

Israel (apokalyptische Stoffe); – am Schluss wurde die Versuchungsgeschichte angefügt (außerdem

auch Q11,42c; 16,17). • Für Dieter Lührmann ist dagegen die weisheitliche Schicht sekundär,

am Ursprung stehe die Menschensohn-Christologie und die Naherwartung.

• Auch wenn man eine mehrstufige Entstehung von Q für wahrscheinlich hält, ist die konkrete Rekonstruktion doch notwendig spekulativ. Ob der Aufwand einer Redaktionsgeschichte der Logienquelle wirklich lohnt, scheint fraglich.

Logienquelle VI – Redaktionelle Schichtung?

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• Eine besondere Rolle bei der Datierung von Q spielt der Spruch Q13,34f: Für Vertreter einer Spätdatierung (um 70) setzt er die Zerstörung Jerusalems voraus oder wenigstens den Jüdisch-Römischen Krieg (66-70).

• Die Argumente für eine Frühdatierung (bei U. Schnelle, Einleitung 226) sind nicht zwingend, weisen nicht notwendig auf eine Abfassung der frühesten Schicht in den 40er Jahren.

• Der scharfe Gegensatz zu Israel deutet eher auf die 50er Jahre, vielleicht sogar erst auf die 60er Jahre, denn im Vorfeld des Jüdisch-Römischen Krieges könnten die Probleme zwischen Jesusbewegung und jüdischen Gruppen zugenommen haben.

• Der Grundstock von Q dürfte in Galiläa entstanden sein (s.o. zum Trägerkreis). Eine eventuell spät anzusetzende Endredaktion wäre im südlichen Raum Syriens anzunehmen.

Logienquelle VII – Zeit und Ort der Abfassung

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ChristologieDie Bedeutung Jesu wird ohne Blick auf die Passions- und Ostertradition entfaltet. Jesus wird unter zwei Aspekten profiliert.

• Jesus ist der Lehrer, auf dessen Wortverkündigung zu hören ist. – Er gibt Weisung zum Verhalten (Q6,27-49; Q12,22-34).– Er sendet die Wanderprediger, die sein Wort weitertragen (Q10,2-16). – Jesus gibt Einblick in die Endereignisse (Q12,39-13,21; 17,23-22,30).– Die Machttaten Jesu werden vorausgesetzt, aber kaum erzählerisch

inszeniert. • Jesus ist der Menschensohn (MS), der zum Gericht kommen wird.

– Unter den drei Gruppen von MS-Worten in den Evangelien (gegenwärtig wirkender, leidender, in Zukunft kommender MS) legt Q den Akzent eindeutig auf den zum Gericht erscheinenden MS.

– Betont wird die Zusammengehörigkeit des irdischen Jesus mit dem künftig erscheinenden Menschensohn – so auch die Bedeutung der Botschaft Jesu.

– In der Funktion als MS-Richter wird Jesus auch in die Botschaft Johannes des Täufers eingeordnet.

• Weitere Hoheitstitel (der Sohn, Sohn Gottes) erscheinen nur am Rande, zeigen aber, dass Q eine hoheitliche Christologie vertritt.

Logienquelle VIII – Theologische Aspekte

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Heilsgeschichte

• Der „Stürmerspruch” (Q16,16) bezeugt einen heilsgeschichtlichen Einschnitt mit dem Anbruch der Gottesherrschaft.

• Das Schema „Verheißung-Erfüllung” erscheint nicht unter diesen Begriffen, wohl aber sachlich im Zusammenhang von Schriftbezügen (Q7,22; 7,27).

• Der heilsgeschichtliche Einschnitt bedeutet keine Relativierung des Gesetzes (Q11,42; 16,17).

• Q bezeugt keine Öffnung hin auf die Heidenmission. Eschatologie• Durch die Christologie (MS-Richter) ist die ganze Verkündigung Jesu in

Q unter eschatologisches Vorzeichen gesetzt. Auch die Jesusnachfolger betrifft die Mahnung des Gerichts (z.B. Q6,46-49; 12,8f; 12,42-46).

• An den Endereignissen wird betont ihre Unvorhersehbarkeit (Q12,42-46), die Sicherheit ihres Eintreffens (Q17,26f), die Sichtbarkeit (Q17,23f).

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Probleme der Zwei-Quellen-Theorie

Mk-Sondergut

Mk 2,27: SabbatlogionMk 3,20f: Das Urteil der Verwandten über JesusMk 4,26-29: Das Gleichnis von der selbst wachsenden SaatMk 7,31-37: Heilung eines TaubstummenMk 8,22-26: Heilung eines BlindenMk 9,48: Angehängtes Zitat aus Jes 66,24Mk 9,49: Wort vom SalzMk 14,51f: Notiz vom nackt fliehenden JünglingMk 15,44: Verwunderung des Pilatus über den raschen Tod Jesu

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Die „lukanische Lücke”

Lukas lässt Mk 6,45-8,26 am Stück aus. • Erklärbar ist die Auslassung von

- Mk 7,1-23 (s. Apg 10)- Mk 7,31-37 und 8,22-26 (christologisch anstößig)- Mk 8,1-10 (Doppelung zu Mk 6,32-44)- Mk 8,11-13 (in Lk 11,16 aufgegriffen?; Doppelung zu Lk 11,29-32)- Mk 8,14-21(kein Konflikt mit pharisäisch geprägtem Judentum)

• Bleibendes Problem: Auslassung von Mk 6,45-52 (Seewandel und Summarium)

„Minor agreements”

Übereinstimmungen zwischen Lk und Mt gegen Mk:• negativ: dieselben Auslassungen• positiv: gemeinsam andere Formulierung als Mk, Wörter über Mk hinaus >

> >

>

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Zum Begriff „Evangelium” • Zunächst bezeichnete „Evangelium” eine mündlich ausgerichtete

Botschaft, inhaltlich bestimmt durch Tod und Auferweckung Christi. • Die Frage nach den Wurzeln des Begriffs wird zweifach beantwortet: – Im Alten Testament begegnet in theologischer Bedeutung nur das Verb

euangelizesthai (Jes 52,7; 60,6; 61,1 bezogen auf die Ansage das endzeitlichen Heils).

– Der hellenistische Kaiserkult kennt auch das Substantiv im religiösen Sinn (allerdings im Plural): Nachrichten im Zusammenhang mit dem Kaiser (sein Geburtstag, die Beendigung eines Krieges, seine Thronbesteigung u.a.m). Mit den „guten Nachrichten” verbindet sich für die Bevölkerung Rettung, die Ankündigung einer neuen Heilszeit. >

Eine perfekte sprachliche Parallele ergibt sich in keiner der beiden Herleitungen. Sie müssen sich auch nicht gegenseitig ausschließen.

• Mk hat als erster den Begriff Evangelium erweitert auf das Erzählen von Jesu Worten und Taten (Mk 1,1). Das Wirken Jesu ist Teil des Evangeliums, nicht nur sein Tod und seine Auferstehung. Damit hat Markus eine Gattung geschaffen, in der Heilsgeschichte erzählt wird.

Die literarische Gattung „Evangelium”

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Zur Frage nach der Gattung der Evangelien• Die frühere Forschung hatte die Evangelien als analogielose Schöpfung

des Urchristentums eingestuft. • Heute erkennt man vor allem zwei Gattungen als mögliche Analogien:

– Die atl Idealbiographien von Königen und Propheten – nicht als eigene Werke bezeugt, sondern in größeren Zusammenhängen enthalten.

– Hellenistische Biographien, vor allem die Philosophenviten, aber auch die Biographien von Königen und Herrschern.

• Da antiken Biographien keine feste Formgesetzlichkeit zugrunde liegt, muss man, um die Gestalt der Evangelien zu erklären, auch die besonderen Bedingungen der Jesusüberlieferung beachten. Prägend könnte vor allem die Passionsgeschichte gewesen sein.

• Auch wenn Unterschiede zwischen den antiken Biographien und den Evangelien bleiben: Deren Adressaten konnten diese neue Gattung in Verbindung bringen mit Literaturformen, die ihnen vertraut waren.

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Prolog: Vorbereitung des Wirkens Jesu (1,1-13) 1,1-8: Auftreten und Verkündigung des Täufers1,9-13: Taufe Jesu, Offenbarung vom Himmel her, Aufenthalt in der Wüste

1. Teil: Jesu Wirksamkeit in Galiläa und Umgebung (1,14-8,26) 1,14-45: Anfang des Wirkens in Kapharnaum und Umgebung2,1-3,6: Die „galiläischen Streitgespräche”3,7-6,6a: Zulauf, Konflikte, Verkündigung in Wort und Tat6,6b-8,26: Ausweitung des Wirkens Jesu in Galiläa und über Galiläa hinaus

2. Teil: Jüngerbelehrung auf dem Weg zur Passion (8,27-10,52)8,27-9,1: Messiasbekenntnis, 1. Leidensankündigung, Belehrung9,2-50: Verklärung, Exorzismus, 2. Leidensankündigung, Belehrung10,1-52: Aufbruch nach Judäa, Streitgespräch, Belehrung, 3.

Leidensankündigung, Belehrung, Blindenheilung

3. Teil: Jesus in Jerusalem: Wirken, Passion und Auferweckungsverkündigung (11,1-16,8) 11,1-12,44: Öffentliches Wirken in Jerusalem13,1-37: Die Endzeitrede an die Jünger14,1-16,8: Passion Jesu und Auferweckungsverkündigung im leeren Grab

Das Markusevangelium I – Aufbau

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Einleitung in das Neue TestamentGrundlegung

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Verfasser und Adressaten• Nach altkirchlichem Zeugnis (Papias) ist Markus, Dolmetscher des Petrus,

Autor des MkEv. Aber: - Das MkEv zeigt sich nicht besonders geprägt durch die Gestalt des

Petrus. - Wenn die altkirchliche Überlieferung das MkEv mit Petrus in Verbindung

bringen wollte, könnte der Name aus 1Petr 5,13 abgeleitet sein („mein Sohn Markus” bei Petrus in Rom).

- Der in der Apg erwähnte Johannes Markus, ein aus Jerusalem stammender Judenchrist, kann nicht der Verfasser sein. Das MkEv ist nicht vertraut mit der Geographie Palästinas (vgl. Mk 7,31; 5,1-20; 11,1).

• Der Verfasser des MkEv ist ein namentlich nicht bekannter Christ der zweiten Generation. Er richtet sein Werk an - Heidenchristen. Jüdische Sitten werden erklärt (7,2-4; 14,12) und

aramäische Ausdrücke ins Griechische übersetzt (5,41; 7,11.34; 10,46; 14,36; 15,22.34). Das Evangelium ist universal auf die Heidenmission ausgerichtet (Mk 13,10; 14,9). >

- Ein judenchristliches Element unter den Adressaten ist zwar nicht auszuschließen (Fragen um das Gesetz sind aufgenommen), kann aber nicht bestimmend gewesen sein.

Das Markusevangelium II – Historische Verortung

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Zeit und Ort der Abfassung• Meist wird das MkEv „um 70” angesetzt. Strittig ist, ob das Werk noch während

des Jüdisch-Römischen Krieges (66-70) entstanden ist oder erst nach der Zerstörung des Tempels (70). >

• Eine gattungskritische Beobachtung spricht für die Abfassung kurz nach 70: Fragen wie die der Jünger in Mk 13,4 gehören in der apokalyptischen Literatur in den Zusammenhang einer enttäuschten Enderwartung, die im Fall des MkEv an das Kriegsende geknüpft gewesen sein muss. >

• Traditionell wurde, im Zusammenhang mit der Zuschreibung an den Dolmetscher des Petrus, das MkEv in Rom lokalisiert. Dies lässt sich aus dem Werk weder beweisen noch widerlegen. Das MkEv ist außerhalb Palästinas im hellenistischen Christentum entstanden: in Syrien, Kleinasien, Rom oder an einem anderen Ort.

Anlass und Zweck• Markus lebt in einer Zeit, in der die Augenzeugen Jesu sowie insgesamt die

erste christliche Generation aussterben. Die Tradition wird durch Verschriftlichung bewahrt.

• Der besondere inhaltliche Akzent, die Ausrichtung des Weges Jesu auf das Kreuz, könnte dafür sprechen, dass Mk einer Gefahr entgegensteuern wollte: Jesus einseitig als den Verherrlichten zu sehen und darüber seine Niedrigkeit zu vergessen

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Die besondere literarische Leistung des Mk besteht zunächst einmal darin, die Gattung „Evangelium” überhaupt geschaffen zu haben. Dabei hat er nicht einfach naiv Überlieferungen von Jesus gesammelt und aneinandergereiht, sondern war auch als Schriftsteller und Theologe tätig. Dies lässt sich in folgenden Punkten entfalten:

Das Markusevangelium III – Mk als Schriftsteller und Theologe

• Ortsangabenhaben oft typologische Bedeutung, sie erscheinen in Verbindung mit einem bestimmten Handeln Jesu:– eine besondere Aktion findet „auf dem/einem Berg” statt (3,13; 9,2);– „der See” steht im Zusammenhang des öffentlichen Wirkens und Lehrens Jesu

(2,13; 4,1; 3,7; 5,21);– „das Haus” ist Ort der Jüngerbelehrung (7,17; 9,28; 9,33; 10,10).

• „Schachteltechnik” In eine Erzählung wird eine zweite eingeschoben, nach deren Abschluss der Faden der ersten wieder aufgenommen wird (z.B. 3,20-35; 5,21-43; 14,53-72).

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• Geographische GliederungHier zeigt sich eine Zweiteilung: Galiläa und Jerusalem stehen sich gegenüber. Dabei wird die bekannte heilsgeschichtliche Bewertung umgekehrt. – Das halbheidnische Galiläa (und seine heidnische Umgebung) ist der

bevorzugte Ort des Wirkens Jesu, hier erfährt Jesus Zustimmung (3,7), hier werden die Jünger, speziell die Zwölf, berufen. Galiläa ist auch Ausgangspunkt der Christusverkündigung (16,7).

– Jerusalem steht von vornherein unter negativem Vorzeichen. Es ist nicht nur der Ort, an dem Jesus Ablehnung erfährt, die schließlich zum Todesurteil und zur Hinrichtung führt (Kapp. 11ff). Auch im Rahmen der galiläischen Wirksamkeit weist das Stichwort „Jerusalem” auf Gegnerschaft zu Jesus (3,22; 7,1; s.a. 10,33).

So akzentuiert die Gegenüberstellung von Galiläa und Jerusalem die Passion Jesu (s.a. zur mk Kreuzestheologie).

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Das Markusevangelium IV – Kreuzestheologie

Ausdrückliche Verweise auf die Passion• Der frühe Todesbeschluss Mk 3,6 nach einer Reihe von Streitgesprächen.• Die Leidensankündigungen nach dem Messiasbekenntnis (8,31; 9,31;

10,32-34).

Das „Messiasgeheimnis”Die grundsätzliche theologische Aussage, die sich mit der Rede vom „Messiasgeheimnis” verbindet, kann folgendermaßen umschrieben werden:

Die eigentliche Würde und Bedeutung Jesu darf nicht offenbar werden bis zu Tod und Auferstehung, denn erst vom Kreuz her kann Jesus angemessen verstanden werden.

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Die Leser erfahren schon früh von der wahren Bedeutung Jesu, zugleich aber davon, dass diese Bedeutung nicht bekannt werden soll (durch die Schweigegebote). Erst nach seinem Tod kann Jesus offen als Sohn Gottes bekannt werden: Das Bekenntnis des römischen Hauptmanns (15,39) unterliegt keinem Schweigegebot mehr.

Die einzelnen Elemente, durch die diese theologische Aussage des Messiasgeheimnisses erreicht wird:

• Schweigegebote an- Geheilte und Zeugen einer Heilung (z.B. 1,44; 5,43)- Dämonen (z.B. 1,34; 3,11)- Jünger (8,30; 9,9) – mit dem Schlüssel zum Verständnis der

Schweigegebote >• Jüngerunverständnis

Jesus kann nur recht verstanden werden von der Betrachtung seines ganzen Weges. Deshalb verstehen die Jünger nicht, die diesen Weg noch nicht bis zum Ende mitgegangen sind (z.B. 4,40; 8,17-21; 9,10). >

• Spannungsbogen der Offenbarung Jesu als Sohn Gottes- Nach der Taufe (1,11)- Bei der Verklärung (9,7)- Unter dem Kreuz (15,39) >

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Das Markusevangelium V Jünger – Glauben – universale Ausrichtung

Die Jünger• Sie erscheinen nicht nur unter dem negativen Aspekt des Unverständnisses,

sondern auch als diejenigen, die in die Nähe Jesu gerufen werden. Dies gilt in besonderer Weise für die Zwölf (3,13-19; 6,7-13; 14,17-50) und den Kreis von drei bzw. vier eigens herausgehobenen Jüngern: Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas (1,16-20; 5,37; 9,2; 13,3; 14,33).

Gerade die besonders Ausgezeichneten sind aber auch die besonders Gefährdeten (8,32f; 10,35-45; 14,37f.40.41.66-72).

• Die Jünger sind nicht nur Größen der Vergangenheit, sondern auch Typen der Glaubenden, die in denselben Gefährdungen stehen wie die Jünger, vor allem im Blick auf das Unverständnis dem Leidensgeschick Jesu gegenüber. Vor allem im mittleren Teil (8,27-10,52) sind die Stoffe entfaltet, die besonders auf die Adressaten des Werks zielen (M. Ebner).

– Dass hier das rechte Verständnis des Weges Jesu und der Nachfolge eröffnet werden sollen, zeigen die beiden (metaphorisch zu deutenden) Blindenheilungen, die diesen Teil rahmen (8,22-26; 10,46-52). Es sollen die Augen geöffnet werden für die Kreuzesnachfolge (10,52).

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– Im Aufbau zeigt sich ein wiederkehrendes Schema, das zwar nicht alle Inhalte erfasst, aber den Mittelteil doch entscheidend prägt:

Leidensankündigung / Unverständnis der Jünger / Belehrung zur Nachfolge (8,31- 38; 9,31-37; 10,32-45).

– Außerdem kann die Belehrung Jesu an einer bestimmten Szene anknüpfen: Verklärung (9,2-10); Dämonenaustreibung (9,14-27); Streitgespräch um die Ehescheidung (10,2-9); verweigerte Nachfolge (10,17-22).

GlaubeWenn ausdrücklich vom Glauben die Rede ist, hat Mk sicher auch die Adressaten unmittelbar im Blick. Dieses Thema erscheint in mehreren Zusammenhängen: • in der Zusammenfassung der Botschaft Jesu (1,15);• negativ in der Verweigerung Jesus gegenüber (3,5; 6,6, auch 3,22-30; 8,11-13); • positiv im Glaubensaufruf (9,23; 11,20-25) und dem Glauben, auf den Jesus trifft (2,5; 5,34; 10,52).

Universale AusrichtungSie zeigt sich in ausdrücklichen Ankündigungen: das Evangelium wird „allen Völkern“ (13,10) bzw. „auf der ganzen Welt“ (14,9) verkündet werden. Auch erzählerisch wird diese Ausrichtung umgesetzt: Heilung einer Heidin (7,24-30); Tempel als Bethaus für alle Völker (11,17); heidnischer Hauptmann mit Gottessohn-Bekenntnis (15,39).

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Das Markusevangelium VII – Der Schluss

Das MkEv endete ursprünglich in 16,8. Dafür sprechen mehrere Beobachtungen:• Die besten Handschriften (außerdem einige Kirchenväter) bezeugen einen Text, der

nur bis zu dieser Stelle reicht. • Mt und Lk haben Mk nur bis zu 16,8 gekannt. Danach verarbeiten sie eigenes

Material oder Sondertraditionen. • Was in den Handschriften als Fortsetzung von 16,8 begegnet, kann nicht

ursprünglich sein. – 16,9-20, der „kanonische Mk-Schluss”, setzt neu ein mit der Auferstehung Jesu

am Morgen des ersten Tages der Woche und der Erscheinung vor Maria Magdalena. Es wird nicht die 16,7 angekündigte Erscheinung erzählt, sondern die Ostertradition aus den anderen Evangelien zusammengefasst.

– Ein kurzer Mk-Schluss ist in vielen Handschriften mit dem langen (16,9-20) verbunden.

– Das Freer-Logion (Einfügung zwischen 16,14 und 16,15) bestätigt die Unsicherheit der Textüberlieferung.

Die erhaltenen Mk-Schlüsse haben keinen anderen ersetzt, der verloren gegangen wäre. 16,8 ist der originale Schluss. Mk lässt so sein Evangelium offen enden und in die Welt der Leser oder Hörer münden.

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Das Matthäusevangelium I – Aufbau und Inhalt

I Herkunft und Vorbereitung des Wirkens Jesu (1,1-4,22)

II Die „Werke des Christus“ in Wort und Tat (4,23-11,30)

III Jesu Wirken zwischen Annahme und Ablehnung (12,1-16,12)

IV Jüngerbelehrung auf dem Weg von Caesarea Philippi nach Jerusalem (16,13-20,34)

V Das Wirken Jesu in Jerusalem (21,1-25,46)

VI Passion und Ostern (26,1-28,20)

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I Herkunft und Vorbereitung des Wirkens Jesu (1,1-4,22) 1,1-17: Stammbaum Jesu 1,18-2,23: Geistgewirkte Empfängnis, Ereignisse nach der Geburt Jesu 3,1-4,22: Vorbereitung des Wirkens Jesu: Auftreten des Täufers, Taufe Jesu,

Versuchung, Umzug nach Kapharnaum, Zusammenfassung der ersten Verkündigung und Jüngerberufung

II Die „Werke des Christus“ in Wort und Tat (4,23-11,30)4,23-25: Summarische Notiz über das Wirken Jesu 5,1-7,28: Die Bergpredigt 8,1-9,35: Der Wunderzyklus 9,36-10,4: Berufung der Zwölf 10,5-11,1: Aussendungsrede 11,2-30: Christologische Zwischenbilanz

III Jesu Wirken zwischen Annahme und Ablehnung (12,1-16,12) 12,1-50: Auseinandersetzungen mit den Pharisäern; Jesu wahre Familie13,1-52: Die Gleichnisrede 13,53-16,12: Auseinandersetzungen, Wunderwirken, Jüngerbelehrung

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IV Jüngerbelehrung auf dem Weg nach Jerusalem (16,13-20,34)16,13-17,27: Messiasbekenntnis des Petrus, Belehrung der Jünger,

Verklärung Jesu 18,1-35: Die Gemeinderede 19,1-20,34: Belehrung der Jünger auf dem Weg nach Jerusalem

V Das Wirken Jesu in Jerusalem (21,1-25,46) 21,1-22,46: Einzug in Jerusalem, Auseinandersetzungen23,1-39: Die Rede gegen die Pharisäer 24,1-25,46: Die Endzeitrede

VI Passion und Ostern (26,1-28,20) 26,1-27,66: Jesu Leiden, Tod und Begräbnis 28,1-10: Auferweckungsverkündigung im leeren Grab und Erscheinung

vor den Frauen28,11-15: Der Betrug der Hohenpriester 28,16-20 Erscheinung des Auferstandenen in Galiläa

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Das Matthäusevangelium II – Historische VerortungVerfasser und Adressaten

• Traditionell wird das MtEv seit Papias von Hierapolis dem Apostel Matthäus zugeschrieben, der das Werk ursprünglich in hebräischer Sprache abgefasst habe (so das überwiegend vertretene Verständnis der Notiz bei Papias). •Gegen diese Tradition spricht: Das MtEv ist abhängig von schriftlichen Quellen (vs. Augenzeugenschaft), und zwar von griechischen Quellen (vs. aramäische Urfassung).•Mt 9,9 (Berufung des Matthäus, nicht des Levi) und 10,3 (Zöllner Matthäus in der Zwölferliste) sind keine Hinweise auf den Verfasser des Evangeliums. •Verfasser und Adressaten stammen aus dem Judenchristentum. Darauf deutet die Vertrautheit mit dem AT und der jüdischen Tradition, z.B.:

– 19,3: Kenntnis der pharisäisch-rabbinischen Diskussion.– Jüdische Sitten und Gebräuche werden genannt, ohne erklärt zu werden (

23,5.27f), in 15,1ff/Mk 7,3f ist eine bei Mk zu findende Erklärung ausgelassen. – Prinzipielle Auseinandersetzung mit der Tora (5,17ff).

•Dieses Judenchristentum ist für die universale Mission offen. Das zeigt (neben 8,5-13) vor allem der Schluss des MtEv (28,19).

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Zeit und Ort der Abfassung• Da das MkEv als Quelle verarbeitet ist, muss Mt nach 70 entstanden sein. • Dies wird bestätigt durch Beobachtungen am Werk selbst:

– In das Gleichnis vom großen Gastmahl bringt Mt eine Anspielung auf das Ende des Jüdisch-Römischen Krieges ein (22,7).

– Es zeigt sich insofern eine gewisse Institutionalisierung der Kirche, als die Disziplinarmaßnahmen geregelt sind (s. 18,15-18).

• Da das MkEv eine gewisse Zeit zur Verbreitung benötigt haben dürfte, wird man mindestens in die Jahre zwischen 80 und 90 gehen.

• Der Abfassungsort liegt wohl im palästinisch-syrischen Grenzgebiet. Die Mischung aus judenchristlichen und heidenchristlichen Elementen mit dem Übergewicht auf dem ersten Bereich ist in den 80er Jahren nur noch für den Grenzraum Palästinas zu vermuten.

• Da die Ortsangabe in 4,24 nicht durch den literarischen Kontext begründet ist, kann man auch an Syrien als Abfassungsort denken.

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Anlass und Zweck • Der Anlass für die Abfassung des MtEv ist am besten in den Spannungen zu

suchen, die das Werk kennzeichnen (v.a. Rolle Israels). Dies weist auf einen Konflikt mit der jüdischen Umwelt, nicht zwingend mit dem Judentum.

• Ein völliger Bruch ist angesichts der bleibenden missionarischen Bemühung um Israel auszuschließen. Dies verhindert aber nicht eine institutionell fassbare Trennung zwischen mt Gemeinde und Synagoge.

• Hinweise auf „Bruchstellen“: die Rede von „ihren Synagogen“ (4,23; 10,17; u.ö.). Von 23,34 her („eure Synagoge“) dürften die Synagogen v.a. den Pharisäern zugeordnet sein. Die mt Gemeinde empfindet die von den Pharisäern geprägte Synagoge nicht mehr als eigenen Ort.

• Dies wird bestätigt durch das äußerst negative Bild der Pharisäer im MtEv. Aus 23,2-3a lässt sich keine Übereinstimmung mit den Pharisäern in Fragen der Gesetzesauslegung herauslesen.

• Die Tendenz, die Tora in einem Satz zu bündeln, kann man als Versuch deuten, eine Tora-Observanz der Heiden ohne Beachtung ritueller Vorschriften zu begründen (Bruch mit Pharisäern).

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Das Matthäusevangelium III – Literarischer CharakterÜbernahme des Mk-Rahmens

• Mt folgt ab 12,1 dem Mk-Rahmen, davor hat er stärker in die Stoffanordnung eingegriffen, wenngleich er sich auch hier bisweilen an Markus orientiert (s. z.B. die Einordnung der Bergpredigt nach Mk 1,21f).

• Mt übernimmt (und verstärkt z.T.) die Gegenüberstellung von Galiläa und Jerusalem; ebenso die „theologische Topographie“ (v.a. „der Berg“).

Systematisierung des Stoffes• Wenn Mt den Mk-Faden verlässt, zeigt sich ein Hang zur Systematisierung des

Stoffes, v.a. in den Reden:1. Bergpredigt (Mt 5-7) Anknüpfung an Q, Sondergut, kaum

Mk-Stoff2. Aussendungsrede (Mt 10) Stoffe aus Mk und Q sowie

Sondergut3. Gleichnisrede (Mt 13) Anknüpfung an Mk 4, dazu ein

Gleichnis aus Q und vor allem Sondergut4. Gemeinderede (Mt 18) Stoffe aus Mk und Q sowie

Sondergut5. Pharisäerrede (Mt 23) Stoffe aus Mk und Q sowie

Sondergut6. Endzeitrede (Mt 24f) Anknüpfung an Mk 13, dazu Stoffe

aus Q und Sonder-gut

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Hält man sich streng an das Erscheinen der Abschlusswendung („und es geschah, als Jesus diese Worte beendet hatte ...“), wird die Pharisäerrede allerdings von den übrigen Reden abgesetzt: sie weist diese Wendung nicht auf.

• Die Berufung der Zwölf wird direkt vor der Aussendung erzählt (10,1-3) / Erzählstoff wird im Wunderzyklus (Kapp. 8f) gebündelt.

Verknüpfung einzelner StückeDies geschieht durch Zeitanschluss (z.B. 13,1; vgl. Mk 4,1), Ortsanschluss (z.B. 12,9; vgl. Mk 3,1) oder Geschehensanschluss (z.B. 8,18).

Der Vorrang der Worte Jesu vor den Taten• Die Abfolge von Bergpredigt (Wort) und Wunderzyklus (Tat), durch die Inklusion

4,23/9,35 zusammengebunden, ordnet das Wort vor. • In den Wundergeschichten kürzt Mt erzählerische Elemente, so dass das Wort

Jesu deutlicher hervortritt. >• Eine Wunderkritik ist mit dieser Zuordnung nicht verbunden.

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Das Matthäusevangelium IV – Christologie

Die Besonderheiten der mt Christologie lassen sich durch Diskussion zweier Hoheitstitel erfassen, in denen sich die Spannung zwischen Sendung zu Israel und weltweiter Mission spiegelt.

Sohn Davids • Das besondere Interesse an diesem Titel zeigt sich an der Aufnahme in den

ersten Satz des Werks (1,1) wie auch in der gehäuften Verwendung im eigentlichen Erzählfaden (9,27; 12,23; 15,22; 20,30.31; 21,9; 21,15; 22,42.45).

• Da sich die Bezeichnung Jesu als Davidssohn überwiegend im Zusammenhang von Heilungen findet, könnte eine Traditionslinie aufgenommen sein, die sich vor allem an Salomo heftete. Ihm wurde in jüdischer Tradition Kenntnis von heilenden Pflanzen und Fähigkeit zur Dämonenaustreibung zugeschrieben. Diese nicht-messianische Traditionslinie wäre im MtEv mit der messianischen verbunden, die auf die Abstammung des Messias von David abhob.

• Als Sohn Davids ist Jesus mit der Heilshoffnung Israels verbunden: Er ist der verheißene Heilbringer, der Messias/Christus, der König Israels.

• Als Sohn Gottes kommt ihm universale Macht zu.

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• Im Erzählgang des MtEv wird die Rede vom Davidssohn folgendermaßen eingebracht: – Durch den Stammbaum werden die Leser noch vor Beginn der eigentlichen

Erzählung auf die Davidssohnschaft hingewiesen.– Jesus wird als Sohn Davids um Heilung gebeten. – Die Scharen reagieren auf das Wirken Jesu zunächst verhalten (12,23), dann

ausdrücklich mit dem Bekenntnis zu Jesus als Sohn Davids (21,9.15). Die Pharisäer und die Hierarchen in Jerusalem lehnen die Davidssohnschaft Jesu ab (12,24; 21,15f). >

Sohn Gottes Auf drei Ebenen wird die Bedeutung Jesu als Sohn Gottes entfaltet: • Kommunikation zwischen Autor und Leser – Zunächst wird durch die geistgewirkte Empfängnis Jesus als Sohn Gottes

erzählerisch dargestellt, ohne den Titel „Sohn Gottes“ zu verwenden (1,18-25). Titular aufgegriffen wird dies in 2,15.

– Die Himmelsstimme nach der Taufe Jesu (3,17) hat keine Adressaten auf der Erzählebene, zielt also auf die Leser.

– In der Versuchungsgeschichte werden allein die Leser Zeugen, wie Jesus seine Gottessohnschaft bewährt.

– Das Bekenntnis der Dämonen in 8,29 ist außerhalb des eigentlichen Wirkungsgebiets angesiedelt und bleibt in der Erzählung folgenlos.

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• Jüngerkreis– Bei der Redaktion von Seewandelgeschichte und Messiasbekenntnis hat Mt den

Gottessohn-Titel eingebracht (14,33; 16,16). – Die Himmelsstimme in 3,17 und 17,5 hat Mt aneinander angeglichen. Was

zunächst dem Leser mitgeteilt wurde, wird nun auf der Erzählebene den Jüngern gesagt – und weitergeführt („hört auf ihn“): Es genügt nicht, um die Gottessohnschaft Jesu zu wissen; es gilt auch das zu beachten, was Jesus den Jüngern sagt. >

• Passion – Erstmals im Verhör vor dem Hohen Rat wird die Gottessohnwürde Jesu öffentlich

verhandelt. Von ihr kann nur gesprochen werden, wenn auch von Jesu Passion gesprochen wird (s. Mk).

– Mt fügt in die Antwort Jesu (26,64) „von jetzt an“ ein (>). Wahrscheinlich hat er den Vorgang der Inthronisation, der Einsetzung in göttliche Macht im Blick, die „jetzt“, in dem durch das Verhör mit seinem Schuldspruch initiierten Tod Jesu, geschieht (s.a. 27,51-54).

– Deshalb bringt er den Gottessohn-Titel, über Mk hinausgehend, in die Verspottungsszenen ein (27,40.42). Was die Spottenden verlangt haben, ein Eintreten Gottes für seinen Sohn, geschieht nicht in der Bewahrung vor dem Kreuzestod, sondern im Tod am Kreuz.

Es zeigt sich eine Dynamik in der Gottessohn-Christologie: Jesus ist Sohn Gottes von Anfang an, dies wird aber erst im Kreis der Jünger bekannt, ehe es im Verhältnis zu den Gegnern eine Rolle spielt und auf den Tod zugespitzt wird.

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Das Matthäusevangelium V – Die ErfüllungszitateBegebenheiten aus dem Leben Jesu werden als Erfüllung alttestamentlicher

Verheißungen gedeutet. Eingeleitet werden Erfüllungszitate mit der stereotypen Formel (in Details variabel)

„(Dies ist geschehen), damit sich erfüllt, was gesagt ist durch den/die Propheten ...”,

es folgt das Zitat der entsprechenden Stelle aus dem Alten Testament. 1. 1,22f: Geistgewirkte Empfängnis des Retters2. 2,15: Flucht nach, Aufenthalt in und Rückkehr aus Ägypten3. 2,17f: Kindermord in Bethlehem 4. 2,23: Wohnungnahme Josefs in Nazareth5. 4,14-16: Umzug Jesu nach Kapharnaum6. 8,17: Krankenheilungen7. 12,17-21: Verbot an Geheilte, Jesus bekannt zu machen8. 13,35: Verkündigung in Gleichnissen9. 21,4: Einzug Jesu in Jerusalem10. 27,9f: Kauf eines Ackers für das Begräbnis von Fremden mit den dreißig

Silberlingen des Judas

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Erfüllungszitate entfalten grundlegend die Bedeutung Jesu Christi • durch Bezug auf wichtige Hoheitstitel

Immanuel (1,22f); Sohn Gottes (2,15); König Israels (21,4f)• durch Häufung in der „Vorgeschichte”

fünf der zehn Zitate in Mt 1f: das Leben Jesu entspricht von Anfang an dem Willen Gottes.

Erfüllungszitate interpretieren zwei Charakteristika des Wirkens Jesu• das heilende Wunderwirken (8,17)• die Verkündigung in Gleichnissen (13,35)

Erfüllungszitate klären den universalen Sinn der Sendung Jesu• im Rahmen des Umzugs Jesu nach Kapharnaum (4,14-16)• zur Deutung der Schweigegebote an Geheilte (12,17-21)

Ein Erfüllungszitat erscheint im Rahmen der Passion, zum Ende des Judas (27,9f)

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Das Matthäusevangelium VI – EkklesiologieDas Bild von Glaubenden und Gemeinde Dass die Darstellung der Jünger im MtEv transparent ist für die Glaubenden zur Zeit des Evangelisten, kann man an mehreren Beobachtungen festmachen:

• In der Gemeinderede Kap. 18 ist deutlich die Situation der sesshaften Ortsgemeinde gespiegelt (v.a. 18,15-20).

• In 23,10 spricht Jesus von Christus wie von einer anderen Person: eine für die Gemeinde aktuelle Frage wird mit Blick auf Christus besprochen.

• Die Aussendungsrede Kap. 10 kommt ohne Aussendung aus. Es geht also v.a. um die Inhalte der Rede, die auf die Adressaten des MtEv zielen.

• In 28,19 wird der Jüngerbegriff auch für die nachösterlich gewonnenen Glaubenden gebraucht („zu Jüngern machen“).

Anders als bei Mk sind die Jünger nicht unverständig. Mehrfach wird ausdrücklich festgestellt, dass sie die Worte Jesu verstehen: – 13,51: die Gleichnisrede – 16,12: die Belehrung über Sadduzäer und Pharisäer – 17,13: die Belehrung über Johannes den Täufer als wiederkehrender ElijaSie stehen allerdings in der Gefahr des Kleinglaubens (6,30; 8,26; 14,31; 16,8).

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Kirche und IsraelSpannungen• Einerseits wird die besondere Erwählung Israels wie in keinem anderen

Evangelium betont und die Sendung Jesu auf Israel beschränkt (10,5f; 15,24).• Andererseits richtet sich der nachösterliche Missionsauftrag auf „alle Völker“

(28,19). >

Grund für den Wechsel der Adressatenschaft• Meist wird die Ausweitung in der Ablehnung Jesu durch Israel begründet, mit

Hinweis auf 21,43 (Wegnahme der Basileia zugunsten eines [offensichtlich anderen] Volkes), 27,25 (kollektive Übernahme der Verantwortung für Jesu Hinrichtung durch „das ganze Volk“) und 22,8f (Ersatzgäste anstelle der eigentlich Geladenen). Aber: (1) Mt erzählt nicht von einer Ablehnung Jesu durch das Volk Israel,

sondern durch die Führung des Volkes (z.B. 12,14; 26,3f.57) und durch die Stadt Jerusalem (z.B. 2,3; 16,21; 23,37). (2) In 27,25 wird diese Differenzierung nicht aufgehoben. Eine Ablehnung durch „das ganze Volk“ (im Sinne Israels) ist szenisch nicht darstellbar. Mt tritt aber nicht durch eine Pause aus der Erzählung heraus. „Das ganze Volk“ bezeichnet die zuvor genannte Volksmenge. Nicht Israel hat seinen Messias abgelehnt, sondern die Einwohner Jerusalems. So ist auch das Strafgericht auf Jerusalem konzentriert (22,7; 23,37f).

• Der Grund für den Wechsel ist in der Christologie des Mt zu suchen (K. Backhaus; M. Konradt). Der Einsetzung in universale Macht (28,18) entspricht die Sendung der Jünger zu allen Völkern.

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Zur Stellung Israels • Die universale Ausrichtung der nachösterlichen Mission deutet, wenn

christologisch begründet, nicht die Verwerfung Israels an. • Die Sendung zu den „Städten Israels“ (10,23) dauert bis zur Parusie. • Die Gestalt des Gottesvolkes verändert sich aber durch das Hinzukommen der

Heiden. Das Christusbekenntnis erhält nun entscheidendes Gewicht. Das erwählte Volk soll sich aber, wie auch die Heiden, zu seinem Messias bekennen.

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Die Bedeutung des HandelnsVon der ersten bis zur letzten Rede Jesu wird die Bedeutung des Handelns eingeschärft: • Bergpredigt mit dem Abschluss in 7,21-27• Grundsätzliche Gerichtsaussage in 16,27 >• Gleichnis vom hochzeitlichen Gewand (22,11-14) vor dem Hintergrund des

Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen gelesen (13,24-30.36-43)• Große Endgerichtsszene in 25,31-46

Jesus und die Tora Drei Aussagelinien sind in dieser Frage zu entdecken: • Die weitere Gültigkeit des Gesetzes wird festgestellt oder es wird von ihr

ausgegangen (5,17-19; 23,3.23; siehe auch 11,13 im Vergleich zu Lk 16,16a). • Der Anspruch des Gesetzes wird in einer zusammenfassenden Sentenz

gebündelt (7,12; 22,40). • Manche Aussagen deuten eine Spannung zum Gesetz an: – ausdrücklich: 5,21-48; 19,3-9– implizit: 15,10-20 – christologisch begründet: 12,8 >

Das Matthäusevangelium VII – Ethik

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Die Spannungen zwischen diesen Aussagelinien lassen sich nur zum Teil durch die Aufnahme unterschiedlicher Traditionen erklären. Das Gesetzesverständnis des Mt ist spannungsreich (aber nicht widersprüchlich) – erkennbar daran, dass er 5,17-19 als Überschrift über die Antithesen (5,21-48) setzt. Wenn Jesus das Gesetz erfüllt, so besagt dies zweierlei: • Einerseits richtet sich Jesus nicht gegen das Gesetz, sondern legt

dessen eigentlichen Sinn frei; • andererseits muss dieser Sinn erst freigelegt werden, er ergibt sich

nicht aus dem bislang Gültigen, sondern aus der Auslegung Jesu. Die geschieht nicht willkürlich, sondern orientiert am Gebot der Gottes- und Nächstenliebe – der Zusammenfassung von „Gesetz und Propheten“ (22,40).

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• Das LkEv hat unter den Evangelien insofern eine Sonderstellung, als es das erste Buch eines zweiteiligen Werkes ist: Die Apg stammt zweifelsfrei vom selben Autor. >

• Dass der Verfasser sein Werk von vornherein in zwei Teilen konzipiert hat, kann man durch zwei Beobachtungen begründen:

Das lukanische Doppelwerk I – Zur Zusammengehörigkeit von LkEv und

Apg

- Lk hat bei der Abfassung des Evangeliums sein zweites Werk bereits im Auge. Im Prozess gegen Jesus lässt er das Tempelwort Mk 14,58 aus, weil er es in der Stephanus-Tradition verwendet. Das Streitgespräch über rein und unrein (Mk 7,1-23) übergeht er mit Rücksicht auf die Erzählung in Apg 10, wo Petrus in einer himmlischen Vision erfährt, dass es keine unreinen Speisen gebe (angewandt auf die Frage der Heidenmission).

- Das Vorwort des LkEv hat wahrscheinlich bereits die Apg mit im Blick. Die Diener des Wortes beziehen sich auf die urkirchlichen Verkündiger, von deren Wirken die Apg erzählt. Mit den Ereignissen, die sich unter uns erfüllt haben, ist auch auf die Zeit der Kirche angespielt, die für Lk ebenfalls Erfüllungszeit ist. Er nimmt hier nicht speziell auf das Wirken Jesu Bezug. >

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Das lukanische Doppelwerk II – Aufbau des LkEv

Vorwort (1,1-4)Vorgeschichte: „Kindheitsgeschichte“ und Vorbereitung des Wirkens

Jesu (1,5-4,13) 1,5-2,52: Empfängnis und Geburt Johannes des Täufers und Jesu3,1-4,13: Vorbereitung des Wirkens Jesu: Auftreten des Täufers, Taufe Jesu,

Stammbaum, Versuchung Jesu1. Hauptteil:Das Wirken Jesu in Galiläa (4,14-9,50)

4,14-5,16: Beginn des Wirkens Jesu5,17-6,11: Galiläische Streitgespräche6,12-9,50: Weitere Verkündigung Jesu in Wort und Tat

2. Hauptteil: Jesus auf dem Weg nach Jerusalem (9,51-19,27)9,51-13,21: Erster Abschnitt13,22-17,10: Zweiter Abschnitt („Jerusalem“ in 13,22)17,11-19,27: Dritter Abschnitt („Jerusalem“ in 17,11)

3. Hauptteil: Jesu Wirken, Leiden und Tod sowie Auferweckungsverkündigung, Erscheinungen und Himmelfahrt in Jerusalem (19,28-24,53) 19,28-21,38: Das Wirken Jesu in Jerusalem22,1-23,56: Jesu Passion24,1-53: Auferweckungsverkündigung, Erscheinungen und Himmelfahrt

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Das lukanische Doppelwerk III – Historische VerortungVerfasser und Adressaten

• Nach der altkirchlichen Tradition stammen LkEv und Apg von „Lukas, der Gefolgsmann des Paulus“ (Irenäus); vgl. Phlm 24; Kol 4,14 (Lukas, der Arzt); 2Tim 4,11.

• Diese Tradition lässt sich aus dem Werk nicht bestätigen. Ein spezifisch ärztliches Interesse oder eine ärztliche Fachsprache ist nicht zu belegen.

• Gegen die Verfasserschaft durch einen Paulusbegleiter spricht: - In der Apg wird Paulus nur in 14,4.14 der Titel „Apostel“ zugesprochen. Ansonsten ist der Begriff reserviert für die Zwölf. Dies würde überraschen bei einem Paulusbegleiter, der den Kampf des Paulus um seinen Apostolat erlebt hat.

- Die Darstellung des paulinischen Wirkens in der Apg entspricht nicht dem Bild, das wir aus den Paulusbriefen erhalten. Es gibt auch unvereinbare Widersprüche zwischen Paulusbriefen und der Apg (vgl. Gal 1f; Apg 9-15). • Warum kam die altkirchliche Tradition gerade auf Lukas als Verfasser?

- Das Ende der Apg erweckt den Eindruck, vor dem Tod des Paulus geschrieben zu sein.

- Der 2Tim ist als Testament des Paulus kurz vor seinem Tod gestaltet. Nach 2Tim 4,11 ist „allein Lukas noch bei mir“.

- Der Name „Lukas“ erscheint nicht in den Wir-Passagen der Apg unter den Paulus-Begleitern.

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• Das Werk verrät eine hellenistische Perspektive (s. z.B. Vorwort; keine genaue Kenntnis der Geographie Palästinas; „Judäa“ für ganz Palästina).

• Lukas hatte zwar einerseits Kontakt zu judenchristlichen Traditionen (LXX-Sprache; Rolle von Jerusalem; judenchristlich geprägte Sondertraditionen). Andererseits gibt es starke Einwände gegen ein spezifisch judenchristliches Milieu, v.a. die Formulierungen Apg 10,9-15; 15,10 und die fehlerhafte Wiedergabe jüdischer Reinigungsriten Lk 2,22. >

• Lukas und seine Adressaten sind also Heidenchristen. Es gibt keine aktuelle Auseinan-dersetzung mehr um spezifisch judenchristliche Belange. Die Kirche aus Juden und Heiden ist selbstverständlich, und die Frage, wie die Judenchristen damit zurechtkommen, schlägt in der Darstellung nicht durch.

Zeit und Ort der Abfassung• Die Redaktion der Endzeitrede durch Lk bestätigt die Einschätzung, die sich

durch die Quellenlage ergibt: Das LkEv ist nach 70 entstanden (v.a. 21,10-24/Mk 13,14-20; s.a. 19,43f). >

• Die Obergrenze ist schwieriger zu bestimmen. Da Lukas keine Kenntnis des MtEv verrät, dieses sich also noch nicht verbreitet hat, kann man für das LkEv mit einer ähnlichen Abfassungszeit rechnen (um 90). Die Apg ist etwas später entstanden; wie viel später, ist aber kaum genauer zu ermitteln.

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• Zum Abfassungsort werden viele verschiedene Vorschläge gemacht (Caesarea, Dekapolis, Antiochien, Ephesus, Rom u.a.m.). Dies zeigt die Ungenauigkeit der möglichen Anhaltspunkte. Am meisten spricht, wenn man die Zuordnung zum hellenistischen Christentum präzisieren will, wohl für Ephesus.

Anlass und Zweck• Der Autor selbst gibt in seinem Vorwort Auskunft über seine Absicht. Er sei

allem sorgfältig nachgegangen, damit sich Theophilus überzeugen kann von der Zuverlässigkeit der Lehre, in der er unterwiesen wurde.

• Was Theophilus durch LkEv und Apg gesagt wird, gilt einem weiteren Kreis; es zeigt letztlich das Problem der dritten christlichen Generation am Ende des 1. Jh.: Sie muss eine Antwort finden auf das Ausbleiben der Wiederkunft Christi; und sie steht vor der Frage, wie sie die Kontinuität zum Anfang und damit ihre Identität wahren kann. Auf diese Herausforderung antwortet Lukas mit seinem Doppelwerk.

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Das lukanische Doppelwerk IV – Literarischer Charakter des LkEv

Übernahme und Erweiterung des Mk-Fadens• Lk hat den Mk-Aufriss übernommen, ihn aber auch entscheidend umgestaltet

durch die Einfügung des „Reiseberichts“ (9,51-19,27). • So ergibt sich eine klarere Dreiteilung des Werkes als im Fall des MkEv.

Vorgeschaltet werden die „Kindheitsgeschichten“; angefügt die Erscheinungen; das nicht aus Mk stammende Material wird in zwei Einschaltungen eingebracht (6,20-8,3; 9,51-18,14).

Der Evangelist als Schriftsteller und Historiker• Mit dem Vorwort erhebt Lk literarischen Anspruch und führt sein Werk nach Art

hellenistischer Historiker ein. Dennoch war Lk mehr Theologe als Historiker im Sinne seiner Zeit. Er ordnet das Material nach seinem theologischen Konzept (s. v.a. Lk 4,14-30; Apg 10f).

• Trotzdem kann man zeigen, dass sich Lukas auch an Vorbildern aus der zeitgenössischen Geschichtsschreibung orientierte:

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- Vorwort Lk 1,1-4;- Bezüge der Geschichte Jesu auf die Weltgeschichte (Lk 2,1; 3,1f);- „Historisierungen“: Darstellung, die von konkreten Geschehnissen

geprägt ist (Mk 1,7f/Lk 3,15f; Lk 7,21: 7,18-23/Mt 11,2-6). - Lk erweckt den Eindruck eines fortlaufenden Geschehens, indem er

den bei Mk nur lose verbundenen Stoff stärker verknüpft (z.B. Lk 5,33/Mk 2,18; Lk 8,40/Mk 5,21) und den Stoff durch Vor- und Rückverweise verklammert (z.B. Lk 1,80-3,1; 2,51-4,16).

• Lk nimmt sachliche Korrekturen vor und ist auf genaueren Ausdruck bedacht (Herodes Antipas als Tetrarch: Lk 3,1.19; 9,7; See Genezareth: Lk 5,1f; 8,22f). Bisweilen kürzt Lk mk Geschichten, doch für Mt ist dieser Zug wesentlich charakteristischer.

• Lk verbessert Mk sprachlich und schreibt unter den Evangelisten das beste Griechisch. Trotzdem kennt er Semitismen (Ausdrucksweise, die sich dem Hebräischen oder Aramäischen verdankt). Denn er orientiert sich sprachlich an der Septuaginta (LXX), der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, und ahmt deren Stil und Ausdrucksweise nach.

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(1) Das Stichwort erfüllen erhält einen besonderen Stellenwert.• Der Reisebericht steht unter der Überschrift der Erfüllung (Lk 9,51).• Die Gemeinde ist in die Erfüllung eingeschlossen (Lk 1,1; Apg 2,1). • Christusereignis und Geistausgießung an Pfingsten erscheinen als

Erfüllung von Schriftworten (z.B. Apg 2,17-21.25-28.30f; 3,22f; 4,11). • Verheißungszeit vor der Erfüllung (Lk 16,16; Apg 7,2-52; 13,17-22). • Apg 13,32f bezeugt direkt das Bezugspaar „Verheißung – Erfüllung“. >

(2) Die Epochen der Heilsgeschichte• Verheißungs- und Erfüllungszeit lassen sich deutlich voneinander

absetzen (Lk 16,16; Schema der Missionsreden in der Apg; „Erfüllung“). • Die Erfüllungszeit kann man in zwei Abschnitte unterteilen: Zeit Jesu –

Zeit der Kirche (zwei Bücher; deutlicher Anfang der Kirche; Jesus-Geschichte als „Grundgeschichte“).

Das lukanische Doppelwerk V – „Heilsgeschichte“

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(3) Lukas stellt die Kontinuität der einen Heilsgeschichte dar:• Zusammenhang zwischen der Verheißungs- und Erfüllungszeit:

– Jerusalem: Ort der Erscheinungen; Ausgang der Christusbotschaft.– Anlehnung an die Sprache der LXX.

• Zusammenhang zwischen der Zeit Jesu und der Kirche: – Kriterium bei der Nachwahl des Matthias (Apg 1,21f). – Unterweisung der Apostel über das Reich Gottes zwischen Ostern und

Himmelfahrt (Apg 1,3); Reich Gottes als Inhalt der urkirchlichen Botschaft (Apg 19,8; 20,25; vgl. auch Apg 8,12; 28,23.30). >

• Zusammenhang innerhalb der Zeit der Kirche: – enge Anbindung des Paulus an die Urgemeinde (Apg 9,27). – Heidenmission wird durch Petrus legitimiert (Apg 10,1-11,18).

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(4) Die Naherwartung tritt zurück • Die Unkenntnis über „Zeiten und Fristen“ kommt ausdrücklich zur Sprache

(Apg 1,7). • Im Verhör vor dem Hohen Rat sagt Jesus nicht, dass der Menschensohn

komme (Lk 22,69 diff Mk 14,62). • Die Rede von der Nähe des Endes wird ausdrücklich als falsch

gekennzeichnet (Lk 21,8 diff Mk 13,6; 19,11). >

(5) Die heilsgeschichtliche Rolle Israels wird nicht durch die Ablehnung Jesu bestimmt.

• Israel bleibt Adressat der Predigt (Apg 2,14ff; Bild des pln Wirkens). • Juden nehmen den Glauben an Christus an, vor allem in der Zeit der

Jerusalemer Verkündigung (Apg 2,41.47; u.ö.), später mit abnehmender Tendenz und zunehmend feindlicher Reaktion.

• Einerseits hängt die Adressierung des Evangeliums an die Heiden mit der Ablehnung durch die Juden zusammen (z.B. Apg 13,46); andererseits ist sie unmittelbar im Willen Gottes begründet (z.B. Apg 10). Die Spannung wird nicht aufgelöst.

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• Das Jesusbild des dritten Evangelisten hat zwei Seiten: Er betont die hoheitsvollen Züge (Lk 7,11-17; Hoheitstitel „Herr“ auch in erzählenden Partien), aber auch die menschlichen (z.B. Lk 4,18; 6,20f; 7,36-50; 14,12-14). Im Lk 7,11-17 hat er beides miteinander verbunden (V.13: „der Herr bekam Mitleid“).

• Häufig wird Jesus betend gezeigt (z.B. Lk 5,16; 6,12; 9,18 ; 3,21; 22,42; [22,43f; 23,34: textlich unsicher]).

• Die Passion Jesu zeichnet Lk als das Leiden des zu Unrecht Verfolgten: die Unschuld Jesu wird herausgestellt (s. Pilatus [23,4.14.20.22]; Herodes [23,6-12.15]; Hauptmann unter dem Kreuz [23,47]). Der Beitrag der jüdischen Obrigkeit wird stärker akzentuiert, um das Christentum vom Verdacht politischen Aufrührertums befreien.

• Im Blick auf die Deutung des Todes Jesu drängt Lukas den Sühnegedanken zurück (nur Lk 22,19f; Apg 20,28). Jesus stirbt als der unschuldige Gerechte, in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes; Heil entsteht aus dem ganzen Weg Jesu. Anteil an dem von Jesus gewirkten Heil kann man gewinnen, wenn man der Botschaft des Evangeliums glaubt und den Weg Jesu im eigenen Leben mitgeht (A. Weiser).

Das lukanische Doppelwerk VI – Jesusbild

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• Die Jünger Jesu werden an vielen Stellen gegenüber dem MkEv geschont (vgl. Petrus: Mk 8,31-33/Lk 9,22; Mk 14,71/Lk 22,60; s.a. 22,31f; 22,61; außerdem: Mk 4,13/Lk 8,11; Mk 10,26/Lk 18,26;).

• Über die Jünger ist auch die Kirche der späteren Zeit mit dem Ursprung verbunden, mit der Geschichte Jesu und der Ursprungszeit der Kirche. Diese Zeit wird der eigenen Gegenwart als Ideal vorgestellt.

• Die Verbindung mit dem Ursprung hat die Dimension des Geistes. – Jesus verdankt seine Existenz dem Wirken des Geistes (1,35) und ist

Geistträger (Lk 4,1.14; s.a. 4,18; Apg 10,38). – Die urkirchliche Verkündigung wird vom Geist initiiert (Lk 24,49; Apg

1,8; 2,1ff) und geleitet (Apg 4,8; 6,10; 10,19f; 16,6 u.ö.). – Der Geist eröffnet auch den Blick in die Zukunft. Die späteren

Amtsträger sind eingesetzt vom heiligen Geist (Apg 20,28).

Das lukanische Doppelwerk VII – Die Jünger und die Kirche