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© Berghold/Schaffert 2012
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7. Therapie der akuten Höhenkrankheit
7.1. Ruhe / Abstieg / Abtransport / Wärme
7.1.1. Wie weit muss abgestiegen werden ?
7.1.2. Wann darf wieder aufgestiegen werden ?
7.2. Überbrückende Notfalltherapien
7.3. Weitere Medikamente bei akuter Höhenkrankheit
7.4. Übersicht: Maßnahmen bei AMS / HACE / HAPE
7.5. Der Umgang mit dem bewusstlosen Patienten
7.6. Zulassung und Aufklärungspflicht
7.7. Selbstmedikation durch Nicht-Ärzte
Die wirksamste Behandlung aller Formen der akuten Höhenkrankheit heißt immer
Sauerstoff - entweder durch Abstieg/Abtransport in tiefere Höhenlagen, mittels Fla-
schensauerstoff oder mittels Überdrucksack.
Die Sofortmassnahmen bei AMS, HACE und HAPE bestehen einerseits aus kör-
perlicher Ruhe, Abstieg/Abtransport und Wärme sowie andererseits aus den Notfall-
therapien Sauerstoff, Überdrucksack und aus einigen höhenspezifischen Medikame-
nten. Die richtige Anwendung sowie die bedarfsweise Kombination dieser Massnah-
men können für das Überleben entscheidend sein.
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7.1. Ruhe / Abstieg / Abtransport / Wärme
→ Bereits bei AMS kein weiterer Aufstieg , sondern einen Ruhetag einlegen: Völli-
ge körperliche Inaktivität und „bewusste“ Hyperventilation (s.u.). In der Regel ver-
schwinden die Symptome von AMS innerhalb von 1 bis 2 Tagen. Verschlimmern
sich die Symptome bis zum nächsten Morgen, muss sofort unter Begleitung abge-
stiegen werden. Kein Alkohol, keine Sedativa, kein Schlafmittel. Kinder müssen
bereits beim ersten Verdacht auf AMS hinunter getragen werden.
„Bewusste“ Hyperventilation ist bei AMS erfahrungsgemäß eine zusätzliche
Hilfe, da es zumindest vorübergehend die Sauerstoffversorgung verbessert und
die gesteigerte Gehirndurchblutung sowie den Hirndruck senkt. Hyperventilation
führt in der Höhe zu keinen Tetanien.
→ Bei schwerer AMS sofortiger Abstieg . Ist ein Abstieg mit Anstrengungen für den
Betroffenen verbunden, muss der Patient wenn irgendwie möglich abtranspor-
tiert (hinunter getragen) werden, denn jede körperliche Aktivität kann das Krank-
heitsbild bedrohlich verstärken. Kälteschutz !
→ Bei Verdacht auf HACE und/oder HAPE sofortiger Abtransport in sitzender Po-
sition und Kälteschutz . Selbst geringe körperliche Anstrengungen erhöhen das
Herzminutenvolumen und den pulmonalarteriellen Druck (PaP), wodurch das
HAPE-Risiko beträchtlich zunimmt. Ähnliches gilt für Kältestress. Bei rechtzeitig
erkanntem HAPE führt ein sofortiger Abtransport, wenn noch keine Komplikatio-
nen aufgetreten sind, innerhalb weniger Stunden zur Besserung der Symptome
des HAPE, zur Rückbildung der Gasaustauschstörungen und innerhalb von weni-
gen Tagen zum Verschwinden der radiologischen Veränderungen.
→ Immer aufrechter Oberkörper: Bei allen Formen der akuten Höhenkrankheit, be-
sonders aber beim HAPE, muss der Oberkörper möglichst aufrecht positioniert
werden (mindestens 30° Neigung), da dies den PaP se nkt. Daher auch keinen
Liegendtransport, sondern Tragen auf dem Rücken eines Trägers.
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→ Ein Höhenkranker muss bei Abstieg bzw. Ruhetag imme r von einem höhen-
erfahrenen Gruppenmitglied begleitet bzw. betreut w erden. Niemals nur mit
einem Träger / Einheimischen absteigen lassen bzw. zurück lassen! Das kann zu
lebensbedrohlichen Situationen bei Zustandsverschlechterung des Patienten füh-
ren (sprachliche Verständigungsschwierigleiten, Unkenntnis über spezifische Ge-
genmaßnahmen).
Abtransport : Jeder Höhenkranke, der abtransportiert wird, muss immer mit aufrech-
tem Oberkörper getragen werden. Träger adaptieren dafür einen Tragkorb durch
Aufschneiden von Beinschlitzen. Hat man für das Gepäck Tragtiere zur Verfügung,
empfiehlt sich die vorsorgliche Mitnahme eines eigenen „Emergency Horse“.
7.1.1. Wie weit muss abgestiegen bzw. abtransporti ert werden ?
Möglichst bis zu jener Höhe, auf welcher der Patient zuvor eine Nacht symptomfrei
verbracht hat. Ist das unklar, zumindest bis zu jener Höhe hinab, auf der zwei Nächte
davor geschlafen wurde. Dabei wird deutlich, wie bedeutsam die Taktik des symp-
tomfreien Höhersteigens ist. Wer nämlich schon tagelang an höhenbedingten Be-
schwerden gelitten hat und trotzdem weiter hochgestiegen ist, muss jetzt über oft
beträchtliche Höhenunterschiede evakuiert werden.
7.1.2. Wann darf wieder aufgestiegen werden ?
Wenn die Symptome einer Höhenkrankheit nach Abstieg bzw. Abtransport völlig
verschwinden, ist ein langsamer Wiederaufstieg meist schon nach kurzer Erholung
möglich. Symptomfreiheit bedeutet ja, dass man jetzt auf dieser Höhe akklimatisiert
ist. Ataxie (HACE) kann allerdings Tage, ja sogar Wochen andauern.
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Folgendes Prinzip ist der Leitsatz jeder Therapie d er Höhenkrankheit :
• Der rasche Wechsel in tiefere Höhenlagen ist stets die entscheidende
Therapiemaßnahme und kann durch keine andere Th erapie ersetzt werden.
Im Zweifel immer hinunter !
Der sofortige und rasche Abtransport in tiefere Höhenlagen ist bei den ersten Anzei-
chen einer schweren Höhenkrankheit (HAPE, HACE) die kausale Therapie schlecht-
hin und allen anderen Therapiemassnahmen weit überlegen. Rasches Handeln und
größtmögliche Geschwindigkeit beim Abtransport sind oberstes Gebot.
Daher darf ein Abtransport nur bei extremer Gefährd ung aufgeschoben wer-
den: Ein abends ataktischer Patient kann am nächsten Morgen bereits komatös und
damit rettungslos verloren sein.
Nicht auf Rettung von außen warten: Bereits etliche an HACE oder HAPE erkrank-
te Personen sind beim tagelangen Warten auf den angeforderten Helikopter verstor-
ben und hätten durch raschen terrestrischen Abtransport in tiefere Lagen gerettet
werden können. Durch das Warten auf Besserung oder auf Rettung von außen wird
meist wertvolle Zeit verschenkt, die über Leben und Tod entscheiden kann.
Hubschrauberabtransport hat bei HACE und HAPE (außer in den Alpen) keine Priori-
tät mehr und ist daher „out“. Während nämlich das Warten auf einen Helikopterab-
transport eine stets lebensbedrohliche Zeitverzögerung darstellt, kann, wenn statt-
dessen terrestrisch abtransportiert wird, wahrscheinlich das Leben des Patienten
gerettet werden.
7.2. Überbrückende Notfalltherapien
Diese therapeutischen Möglichkeiten stellen keine Alternativen zu den Sofort-
massnahmen Ruhe/Abstieg/Abtransport dar , sondern dienen zur lebensrettenden
Überbrückung in einer Situation, in der ein Wechsel in tiefere Lagen wegen gelän-
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de- oder witterungsbedingter Widrigkeiten vorerst nicht rasch genug erfolgen kann.
Die oft dramatische Besserung des Zustandes nach Anwendung dieser Medikamen-
te (z.B. Überdrucksack, Nifedipin oder Dexamethason) bedeutet aber nicht, dass
damit ein ausreichender Heilungsprozess beginnt, sondern muss vielmehr ra-
schestmöglich zum Abstieg bzw. Abtransport genutzt werden.
Im Folgenden die derzeit gängigen Möglichkeiten zur Notfalltherapie der verschiede-
nen Formen der akuten Höhenkrankeit, wobei auch die Hinweise bezüglich Medika-
mentzulassung, Aufklärungspflicht und Selbstmedikation durch Nicht-Ärzte beachtet
werden sollten:
Sauerstoff (schwere AMS, HAPE, HACE)
Flaschensauerstoff gilt nach wie vor als das wichtigste Medikament zur Verbesse-
rung der Gewebsoxygenisierung und zur Drucksenkung bei allen schweren Formen
der akuten Höhenkrankheit. Ein Abstieg bzw. Abtransport unter Sauerstoffatmung
gilt als die optimale Therapie.
Es gibt derzeit die klassischen sog. offenen Systeme sowie das sog. Demand-
System.
1. Beim Höhentrekking bzw. Höhenbergsteigen sind fast ausschließlich offene
Sauerstoffsysteme mit konstantem Sauerstofffluss in Verwendung. Dabei
wird der Sauerstoff kontinuierlich aus der Druckflasche über einen Druckmin-
derer an ein Masken-Beutel-System abgegeben. Der Patient atmet aus dem
Reservoirbeutel über die Maske ein Gemisch aus Sauerstoff und Umgebungs-
luft ein. Der Reservoirbeutel wird durch den konstanten Sauerstoffluss ständig
mit Sauerstoff befüllt.
Mit den üblichen 2 Liter-Stahlflaschen und einer standardmäßigen Befüllung von 200
bar kann bei einer Flussrate von 10 Litern pro Minute (s.u.) ein Patient 40 Minuten
mit Sauerstoff versorgt werden (Gesamtgewicht etwa 7,5 kg).
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Sauerstoffbeatmung senkt den erhöhten PaP, normalisiert ihn aber nicht. Zink wies
bereits 1985 darauf hin, dass HAPE-Patienten, die ohne Sauerstofftherapie der Hö-
he ausgesetzt blieben, 15 mal häufiger verstarben als diejenigen, die sofort unter
Sauerstoffatmung abtransportiert wurden.
Dosierung der Sauerstoffatmung mit Maske:
• Anfangs höchstmögliche Flussrate (6 bis 10 Liter pr o Minute), bis sich die
Zyanose bessert bzw. eine SaO 2 von mehr als 90 % messbar ist.
• Dann mit einer Flussrate von etwa 2 bis 4 Litern pr o Minute konstant oder
intervallartig weiteratmen.
Vor allem bei Gruppentouren mit größeren Aufstiegsr aten (Höhentrekking, Flug
oder Straßenauffahrt) sollte stets ausreichend Flas chensauerstoff für minde-
stens 12 Stunden Sauerstoffbeatumg mitgeführt werde n. Jede Flasche soll mit
1.000 Liter gefüllt sein und muss neben einem Manometer auch ein Flussraten-
Messgerät aufweisen. Man sollte vor Aufbruch unbedingt den Füllungszustand aller
Flaschen überprüfen und wenn möglich jede einzelne Einheit unter extremen Kälte-
bedingungen (Kühltruhe) testen.
Festsauerstoffgeräte sowie sogenannte Sauerstoffpatronen haben zu wenig Inhalt
und sind wegen der unkontrollierbaren Flussraten nicht geeignet.
Sauerstoffdepots für den Notfall sollten beim Höhenbergsteigen eigentlich in jedem
Hochlager bereit liegen (allerdings oft eine illusorische Forderung). Ohne diese Vor-
sorge, so zeigt die Erfahrung bedauerlicherweise immer wieder, befindet sich der
rettende Sauerstoff oft nicht dort, wo man ihn gerade benötig.
Man kann (gefüllte) Sauerstoffflaschen von zu Hause mitnehmen oder im Zielland
ausleihen. Im ersteren Fall kann man wohl mit der technisch einwandfreien, also ver-
läßlichen Funktionstüchtigkeit rechnen. Aber ein Flugtransport ist teuer und pro-
blematisch, da der Transport von Flaschensauerstoff auf vielen (nicht allen) Linien-
flugzeugen, von einem speziellen Sauerstoffset für Tauchunfälle (Wenoll-System)
abgesehen, verboten ist.
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Andererseits weisen auch vor Ort geliehene Sauerstoffflaschen häufig Mängel auf,
weshalb es bei der Übernahme nötig ist, nicht nur deren Füllungszustand, sondern
auch den einwandfreien Zustand der Ventile, der Maske und vor allem der beiden
Messinstrumente sicherzustellen.
Wegen der Beeinträchtigung der natürlichen Akklimatisation sollte Flaschensauer-
stoff ausschließlich für den Notfall und nie als Prävention, Steig- oder Schlafhilfe ver-
wendet werden.
2. Das Sauerstoff-Demandsystem WS 120: 2008 wurde ein System vorge-
stellt, das den Sauerstoff nicht kontinuierlich, sondern sensorgesteuert nur in
der Phase der Inspiration abgibt. Sein sehr leichter Druckgasbehälter besteht
aus Karbonfasermaterial (2 Liter / 300 bar / 1,4 kg) mit integriertem Druckreg-
ler, einer elektronischen Steuereinheit (INSPO2) und einer Nasenbrille samt
Pulsoxymeter und Transporttasche. Das WS 120 wird von der Firma EMS in
Möhrendorf (D) hergestellt und findet auf Flügen zur Versorgung von sauer-
stoffpflichtigen Passagieren Verwendung.
Damit stünde in Abhängigkeit von der Flussrate wesentlich länger Sauerstoff zur Not-
fallbehandlung zur Verfügung (10 bis 20 Stunden versus 40 Minuten) als mit den
herkömmlichen Systemen. Es wiegt weniger (Gesamtgewicht 4,4 kg) und ist zum
Transport in Verkehrsflugzeugen zugelassen:
Anwendungszeiten und Vergleichswerte zu herkömmlichen Systemen (nach Lämmle et al, 2008)
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Überdrucksack (Mobile hyperbare Kammer)
Feste Überdruckkammern werden seit längerem von Militärs in den Hochgebirgen
Indiens, Nepals, Tibets und Chinas zur Therapie der akuten Höhenkrankheit einge-
setzt. Ein erstes Modell einer tragbaren Überdruckkammer wurde bereits 1919 in
Deutschland vorgestellt. Aber erst seit 1988 gibt es transportable Überdrucksäcke,
die strapazfähig und handlich genug sind - eine Erfindung von Igor Gamow (Colora-
do). Dieser erste Gamow-Bag bestand aus einem zylinderförmigen Polyamid-Trag-
sack mit etwas über 2 Meter Länge und etwa 65 cm Durchmesser und existiert mitt-
lerweile bereits in einer wesentlich leichteren und widerstandsfähigeren Version.
Ähnliche Geräte wurden mittlerweile auch in Frankreich, Australien, Kanada und
Norwegen entwickelt.
B.Seidl
Der Überdrucksack gilt als Alternative zur therapeutischen Sauerstoffatmung. Das
Funktionsprinzip ist einfach: Der Erkrankte wird in den Überdrucksack gelegt, die-
ser wird luftdicht verschlossen, und daraufhin wird der Kammerinnendruck mittels
Pumpe bis auf eine simulierte Höhe von - je nach Ausgangshöhe - 1650 bis 4500 m
(Maximaldruck 220 mb) gesteigert. Der Patient verbleibt nun meist ein bis zwei Stun-
den im Sack. Eine längere Verweildauer zeigt keine Wirkungssteigerung.
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Wegen der mit zunehmender Höhe exponentiellen Druckabnahme ist der durch den
Überdruck simulierte „Abstieg" umso größer, je höher man sich mit dem Überdruck-
sack befindet (Beispiel Gamow-Bag):
TATSÄCHLICHE HÖHE in m SIMULIERTE HÖHE in m
4000 1650
5000 2450
6000 3100
7000 3850
8000 4500
In einigen Studien und in zahlreichen Fallberichten wurde festgestellt, dass eine
kurzfristige Überdruckbehandlung einen raschen Rückgang der Symptome vor allem
von HAPE, möglicherweise aber auch von HACE bewirkt. Der positive Effekt ist aller-
dings zeitlich begrenzt und ersetzt keineswegs einen raschen Abtransport in tiefere
Höhenlagen.
Einige wesentliche Fragen sind noch offen, etwa bezüglich des häufigen Rebound-
Effektes: Bei HAPE verschwindet der Therapieerfolg nach Verlassen des Über-
drucksackes sofort, wenn der Patient sich auch nur minimal anstrengt (etwa durch
die paar Schritte hinters Zelt, um zu urinieren). Das Hauptproblem liegt aber in der
richtigen Indikationsstellung sowie in der richtigen Handhabung , die Einschu-
lung, regelmäßige Übung und Erfahrung erfordert. Gefährlich wäre es, den Über-
drucksack als vermeintliche Akklimatisationshilfe zu missbrauchen.
Einschulung und Training: Die Behandlung im Überdrucksack muss ausschließlich
geübten Helfern vorbehalten bleiben. Nur nach fachgerechter Schulung und bei rich-
tiger Handhabung ist ein Überdrucksack auch durch Laien anwendbar. Vor Beginn
einer Trekkingtour bzw. einer Höhenunternnehmung ist daher eine intensive prakti-
sche Übung aller Teilnehmer erforderlich: Jeder Teilnehmer muss jede der drei
Funktionen (Patient, Betätigung der Pumpe, Betreuer - s.u.) durchüben. Auch die
Rolle des Patienten muss geübt werden, denn wer schon einmal übungshalber im
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aufgepumpten Sack gelegen ist, dem wird es später als Höhenkranker trotz Atemnot
leichter fallen, den engen Sack zu ertragen.
Als überbrückendes Notfallsgerät bei HAPE und HACE dürfte sein stationärer
Einsatz auf besonders neuralgischen Punkten, etwa auf hochgelegenen Berghütten,
in höhenmedizinischen Ambulatorien oder vielleicht auch im Hochlager einer Groß-
expedition vorteilhaft sein. Ob es dagegen wirklich sinnvoll ist, einen Überdrucksack
routinemäßig auch auf Trekkingtouren oder auf Kleinexpeditionen mitzuführen, ist
umstritten. Im Zweifelsfall entscheide man sich jedenfalls eher für die Mitnahme von
Flaschensauerstoff. Dieser ist immer einfach und auch von Laien risikolos anwend-
bar, aber nur begrenzt verfügbar, während der Überdrucksack im Prinzip beliebig oft
anwendbar ist. Eine Therapie mit Flaschensauerstoff plus Medikamenten ist vor al-
lem bei schwersten Formen der Höhenkrankheit (Bewusstlosigkeit) vorteilhafter.
Ein taktisch sinnvolles Vorgehen besteht darin, einen an HAPE oder HACE Erkrank-
ten zusätzlich zu Nifedipin bzw. Dexamethason (s.u.) intermittierend hyperbar zu
behandeln: Eine ein- bis zweistündige Überdruckbehandlung kann den Zustand des
Patienten soweit bessern, dass er unmittelbar darauf unter Sauerstoffatmung von 1
bis 2 Liter/Minute abtransportiert werden kann. Nach ein bis zwei Stunden bzw. wenn
sich der Zustand des Patienten neuerlich verschlechtert, was üblicherweise zu er-
warten ist, wird pausiert und dabei neuerlich die Überdruck-Therapie angewendet.
Da eine Überdruckbehandlung nur eine kurzfristige Besserung des Beschwerde-
bildes bewirkt, muss die Zeit unmittelbar danach zum sofortigen Abtransport in tiefe-
re Regionen genützt werden. Eigenes Gehen des Patienten, besonders aber weitere
Aufstiege (z.B. Gegenanstiege) müssen unterbleiben.
Zusätzliche Sauerstoffatmung im Überdrucksack: In einer starren Überdruckkam-
mer ist die Inhalation von Flaschensauerstoff insofern problematisch, als die Sauer-
stoffkonzentration in der Kammer ansteigen kann und dieser Effekt zusätzlich durch
den erhöhten Partialdruck verstärkt wird. Das kann nicht nur zu toxischen Sauerstoff-
konzentrationen führen, sondern erhöht auch die Brandgefahr erheblich. Aus diesen
Grün-den ist die Sauerstoffatmung in starren Überdruckkammern ausdrücklich ver-
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boten. Im Überdrucksack kann aber selbst auf Meereshöhe nur ein maximaler
Druck von etwa 1.3 bar produziert werden. Eine Explosionsgefahr besteht aber erst
ab 2 bar, und außerdem ist nicht davon auszugehen, dass ein Patient während der
Behandlung im Überdrucksack mit offenem Feuer hantiert. In schweren Fällen
(HAPE, HACE) kann daher eine Zusatzatmung mit Sauer stoff im Überdrucksack
sinnvoll sein.
Wichtige Kriterien der Überdruckbehandlung:
• Die Reihenfolge der Dringlichkeit von Notfallmaßnahmen bei schwerer Höhen-
krankheit lautet: 1. Abstieg / Abtransport - 2. Sauerstoff / Medikamentöse Notfall-
therapie - 3. Überdrucksack.
• Eine Überdrucksack-Behandlung ersetzt vor allem nicht den Abstieg bzw. Ab-
transport, verbessert aber den Zustand des Patienten für den im Anschluss an die
Überdrucksack-Behandlung immer obligaten Abtransport in tiefere Höhenlagen.
• Ein akklimatisationsgerechtes Aufstiegskonzept beim Höhenbergsteigen (langsa-
mes Höhersteigen, moderate Schlafhöhendistanzen) bedeutet stets eine wesent-
lich bessere Sicherheit als die Mitnahme eines Überdrucksackes.
• Der Überdrucksack ist weder zur Vorbeugung noch zur Behandlung der milden
AMS geeignet, weil die mangelhafte Akklimatisaton (sonst hätte man ja keine
AMS-Beschwerden) dadurch verzögert würde.
• Bei schweren Verlaufsformen der AMS und bei HAPE belegen zahlreiche erfolg-
reiche Behandlungen im Überdrucksack dessen Wirksamkeit.
• Im Zweifelsfall gibt es außer Atem-Herzkreislauf-Stillstand keine Kontraindikation
zur Überdruckbehandlung. Auch der bewusstlose Patient kann in stabiler Seiten-
lage grundsätzlich im Überdrucksack behandelt werden. Eine gleichzeitige Intuba-
tionsbeatmung ist undurchführbar.
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• Eine Überdruckbehandlung soll stets in Kombination mit höhenspezifischen Not-
fallmedikamenten sowie mit erhöhtem Oberkörper erfolgen und muss nach spä-
testens 90 – 120 Minuten zu einer deutlichen Besserung führen.
• Wenn nach maximal zwei Stunden Überdrucksack-Behandlung keine Besserung
eingetreten ist, kann das folgende Ursachen haben:
4 Das Krankheitsbild ist zu weit fortgeschritten, es sind bereits Spätkom-
plikationen (z.B. cerebrale, pulmonale Thrombembolien) aufgetreten.
4 In extremen Höhen muss auch an eine schwere Deterioration mit
subakuter Hypothermie und progredienter Exsikkose gedacht werden.
In diesen Fällen sollte die hyperbare Notfallbehandlung über mehrere Stunden
fortgesetzt werden und durch eine entsprechende Zusatztherapie ergänzt werden.
• Die logistischen Probleme des Flaschensauerstoffs ebenso wie des Überdruck-
sackes bestehen darin, dass beides meist nicht dort gelagert ist, wo es im Notfall
benötig wird. Beides soll daher möglichst im höchsten Lager deponiert werden.
• Das Mitführen eines Überdrucksackes gilt heute zumindest auf kommerziellen
Unternehmungen auch als haftungsrechtliche Absicherung, obwohl dazu bislang
weder entsprechende rechtliche Bestimmungen bzw. Verkehrsnormen existieren
noch eine Judikatur bekannt ist.
• Besonders sinnvoll ist ein Überdrucksack in Gebieten, die einen raschen Abstieg
geländebedingt weitgehend ausschließen.
• Die Behandlung im Überdrucksack sollte grundsätzlich geschulten Helfern vorbe-
halten bleiben. Nach fachgerechter Schulung und bei richtiger Handhabung ist ein
Überdrucksack auch durch Laien anwendbar.
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• Die zumutbare Obergrenze der Einsatzfähigkeit eines Überdrucksackes liegt we-
gen des anstrengenden Pumpens bei etwa 7000 Meter. Oberhalb dieser Höhe
sind im Notfall nur Flaschensauerstoff und Notfallmedikamente praktikabel.
Gebrauchsrichtlinien:
• Jede Überdruckbehandlung erfordert zumindest zwei geschulte und trainierte Hel-
fer: Eine Person beobachtet und betreut ständig den Patienten und dirigiert die
Pumpfrequenz, und eine Person bedient nach Anleitung die Pumpe. Beides kann
nur funktionieren, wenn die folgende Prozedur vorher ausreichend geübt wurde.
• Vor der Behandlung muss geprüft werden, ob die Verbindung zwischen Mittelohr
und Rachenraum nicht durch Verschleimung, etwa bei Erkältungen im Nasen-
Rachenraum, verlegt ist: Man fordert den Patienten auf, Mund und Nase zu schlie-
ßen und die eingeatmete Luft zu pressen (Druckausgleich). Wird dabei ein Druck
auf das Trommelfell spürbar, ist die Verbindung zum Mittelohr durchgängig, und
der Patient kann einer Überdruckbehandlung ausgesetzt werden.
• Sind die Schleimhäute jedoch geschwollen, fühlt der Patient keinen Druck auf das
Trommelfell. Ein aktiver Druckausgleich ist also nicht möglich. Solche Patienten
erhalten vor der Überdruckbehandlung abschwellende Nasentropfen. Die Behand-
lung darf anschließend erst begonnen werden, wenn die beschriebene Durchgän-
gigkeitsprüfung erfolgreich ist. Die Nasentropfen verbleiben während der folgen-
den Behandlung im Überdrucksack, damit sie bei Bedarf neuerlich verwendet wer-
den können.
• Vor dem Einstieg in den Überdrucksack sollte der Patient wenn irgendwie möglich
urinieren bzw. seine Notdurft verrichten.
• Den Überdrucksack auf einem möglichst flachen Boden - aber nicht horizontal,
sondern schräg geneigt (ca. 30 Grad) - auf einer Isomatte oder auf einer anderen
verlässlich wärmeisolierenden Schutzunterlage ausbreiten. Wegen Beschädi-
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gungsgefahr scharfkantigen Untergrund meiden. Zweite Isomatte und Schlafsack
in den Überdrucksack legen. Sack gegen ein Abrutschen sichern.
• Bei direkter Sonnenbestrahlung kann die Innentemperatur im Überdrucksack
schnell bis zur Unerträglichkeit steigen. Daher muss der Überdrucksack unbedingt
im Schatten plaziert werden.
• Sollte es unvermeidlich sein, dass die Überdruckbehandlung in einem Zelt (z.B. im
Küchenzelt) erfolgen muss, muss auf eine ausreichende Belüftung geachtet wer-
den, da sich verbrauchte Luft (Kocher, Gaslampen, Personen) im Sack allmählich
gefährlich anreichern würde.
• Mit zunehmender Verweildauer im Sack steigt die Luftfeuchtigkeit enorm an. Dau-
nenbekleidung oder Schlafsack feuchten sich dabei stark an und können meist
tagelang nicht mehr getrocknet werden. Deshalb sind Goretex- oder Fleecebe-
kleidung vorteilhafter.
• Reißverschluß bis zum Anschlag schließen, Pumpe anschließen, Anschlusshahn
öffnen und Druckablasshähne schließen. Unverdrehte Gurte schließen.
• Pumpe betätigen, und zwar anfangs etwas schneller, aber bei Beginn des Druck-
anstieges betont langsam (maximal zehnmal pro Minute). Verspürt der Patient da-
bei Ohrenschmerzen, muss noch langsamer gepumpt werden, und der Patient
muss zusätzlich einen aktiven Druckausgleich (siehe oben) durchführen.
• Bis zum Maximaldruck aufpumpen, was sich auch durch deutliches Zischen an
den Überdruckventilen äußert. Der Druckanstieg kann sowohl am Manometer als
auch an einem im Sack plazierten Höhenmesser beobachtet werden.
• Luftumwälzung: Damit der Patient in der Folge ausreichend mit Sauerstoff ver-
sorgt wird und auch die abgeatmete Kohlendioxydkonzentration unter 1 Prozent
bleibt, muss der Sack, nachdem der Maximaldruck erreicht wird, ständig mit 10 bis
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15 Pumpvorgängen pro Minute (etwa ein Pumpstoss alle 5 Sekunden) belüftet
werden. Das Zischgeräusch des Ventiles muss dabei ununterbrochen hörbar sein.
• Durch das Sichtfenster hält ein erfahrener Helfer, möglichst ein Arzt, ständig opti-
schen bzw. akustischen Kontakt mit dem Patienten. Dieser permanente Kontakt
ist enorm wichtig. Man soll nämlich den Patienten während der gesamten Behand-
lung immer wieder ansprechen, um ihn zu beruhigen und um festzustellen, ob er
Druckausgleichprobleme hat bzw. ob er bei Bewusstsein ist. Dieser Helfer dirigiert
auch den Pumpvorgang. Darüberhinaus sollten sich die Umstehenden leise ver-
halten und nicht herumlaufen, da im Inneren des Sackes ein hoher Schallpegel
herrscht und der Patient dadurch zusätzlich gestresst wird.
• Nach 60- bis 90-minütiger Überdruckbehandlung wird der Druck sehr langsam,
das heißt innerhalb von 5 bis 10 Minuten, abgelassen. Nach dem Ausstieg des
Patienten die nasse Innenseite des Sackes trocknen.
• Sollte notfallmäßig ein rascher Druckablass erforderlich sein, muss der Behandel-
te dabei langsam, aber ohne Unterbrechung ausatmen.
Häufige Probleme:
• Angstzustände und Klaustrophobie
• Erbrechen während der Überdruckbehandlung
• Eine zu geringe Frischluftzufuhr (< 40 l/min) kann zu einem toxischen CO2-Anstieg
führen.
• HAPE-Patienten tolerieren keine horizontale Flachlagerung.
• Die anstrengende Pumptätigkeit kann vor allem in extremer Höhe die Kräfte der
Helfer überfordern.
• Reissverschluss und Ventile können undicht werden, wenn der Überdrucksack
nicht behutsam transportiert und benützt wird (Vorsicht bei Leihgeräten !).
Derzeit stehen weltweit mehrere Modelle des Überducksackes zur Verfügung: GAMOW BAG: Dieses
in den USA hergestellte Modell wird mittels einer Fußpumpe aufgeblasen. Der Gamow Bag kann auch
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gemietet werden. (Kontaktadresse: CHINOOK MEDICAL GEAR Inc., P.O.Box 3300, 725 Chambers
Ave. # 12, Eagle, Colorado 81631, FAX USA 970-328-4404). CERTEC: Dieses französische Produkt
ist in verschiedenen Versionen erhältlich. Es simuliert einen tieferen Abstieg als der Gamow Bag (165
gegenüber 104 Torr), verfügt über eine Handpumpe und ist mit einem Gewicht von 5,6 kg samt Zube-
hör etwas leichter als der Gamow Bag (8 kg). Auch ist beim Certec der Einstieg in den Sack einfacher
zu bewerkstelligen. (Kontaktadresse: Société CERTEC, Sour-cieux-les-Mines, F-69210 L`Arbresle,
FAX 74 70 37 66.). Weitere Modelle werden in Kanada, Australien und Norwegen produziert.
Die günstigste Ausführung des Certec Bag, „Trekking“, kostet EUR 1871,--, die teuerste EUR 3277,--
(2012; www.boutique-certec.fr/Trekking)
EPAP-Maske und PEEP-Ventil, VPPB und PLB
Ein positiv-endexpiratorischer Druck mittels Atemventil verbessert kurzfristig die Sau-
erstoffversorgung von HAPE-Patienten möglicherweise durch Eröffnung atelekta-
tischer Areale sowie durch Verbesserung des Gasaustausches. Bereits eine zehn-
minütige Atmung gegen einen positiv-endexpiratorischen Druck von 5 bis 10 cm H20
ergibt eine Verbesserung der Sa02 um 10 bis 20 %.
Nachteile: Eine längere Anwendung ist anstrengend, und höhere Druckwiderstände
sind riskant (Barotrauma, Verminderung des venösen Rückflusses und der Herzlei-
stung, Retinablutungen). Bei einem Fall einer längeren Anwendung wurde die Ent-
wicklung eines HACE beobachtet.
Der kurzfristige intermittierende Einsatz dieser Überbrückungsmassnahme bis zum
Erreichen eines Überdrucksackes, bis zum Eintreffen von Sauerstoff oder bis ein
Abtransport möglich ist, kann aber durchaus eine Verbesserung der Sauerstoff-
sättigung bei HAPE bewirken. Der Patient atmet dabei normal ein, während die Aus-
atmung durch ein Ventil gebremst wird. Die daraus resultierende leichte Druck-
erhöhung soll zu einem Anstieg des Lungenvolumens zwischen den Atemphasen
führen.
Eine expiratorische Druckerhöhung kann mit etwas Übung und bei noch vorhandener
Handlungsfähigkeit des Patienten auch ohne Atemventil durchgeführt werden. Da-
zu existieren drei Methoden:
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• Gegen den Widerstand der zugehaltenen Nase und der nahezu geschlossenen
Lippen langsam ausatmen.
• Voluntary positive pressure breathing (VPPB): 3 Sekunden einatmen, 3 Se-
kunden die Luft anhalten, 4 Sekunden ausatmen, dann 2 Minuten Normalatmung.
•••• Pused-lip breathing (PLB): 3 Sekunden einatmen, 7 Sekunden ausatmen.
Unter Laborbedingungen erbrachten VPPB und PLB eine Erhöhung der SaO2 von 79
% auf 87 %. Ob diese Methoden als Therapiestandard empfohlen werden können,
ist umstritten. Wir haben deren Anwendung in der Höhe noch nirgends beobachtet.
IBUPROFEN, NAPROXEN (Höhenkopfschmerz, HAH)
Man fand heraus, dass Ibuprofen zur Behandlung des sehr häufigen Höhen-
kopfschmerzes als wirkungsvolles und nebenwirkungsarmes Medikament bevorzugt
werden kann. Es wirkt rein symptomatisch. Ibuprofen darf nicht zur Vorbeugung
verwendet werden: Die gastrointestinalen Nebenwirkungsrisiken von NSAR sind be-
kanntlich dosisabhängig, und es wurde über vermehrte Retinablutungen unter Ibu-
profen in der Höhe berichtet. Schließlich hat gerade der Höhenkopfschmerz als
meist initiales Leitsymptom der Höhenkrankheit eine wichtige Warn- bzw. „Brems"-
funktion inne.
Ibuprofen in einer Einmaldosierung von 400 bis 600 mg ist ein sehr häufig verwende-
tes höhenspezifisches Medikament. Ein weiteres NSAR, Naproxen, wirkt beim Hö-
henkopfschmerz ähnlich wie Ibuprofen. Wegen einer mit dem Höhenkopfschmerz
häufig verbundenen Neigung zum Erbrechen empfiehlt sich eventuell eine orale
Prämedikation mit Domperidon (MOTILIUM®).
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NIFEDIPIN (HAPE)
Der Kalzium-Antagonist Nifedipin gilt heute beim akuten HAPE als Notfalltherapeu-
tikum der Wahl, auch wenn diese pharmakologische Substanz für diese Indikation
offiziell nicht zugelassen ist. Nifedipin führt zu einer raschen Senkung des pulmonal-
arteriellen Drucks, zu einer Verbesserung des alveolararteriellen Sauerstoffgradien-
ten und ermöglicht so über eine Stabilisierung der Sauerstoffsättigung eine verbes-
serte Oxygenisierung (Anstieg der pulsoxymetrisch bestimmbaren SaO2). Die Alveo-
larödeme bilden sich zurück. Dass diese Substanz schon häufig mit beeindru-
ckendem Erfolg bei HAPE eingesetzt werden konnte, wurde vielfach dokumentiert.
Erfahrungsgemäß kann mit Nifedipin zumindest eine Verschlechterung des HAPE
verhindert werden. Bei AMS und HACE ist Nifedipin unwirksam.
Wegen des nicht auszuschließenden Risikos hypotoner Reaktionen sollte auschließ-
lich die Retardform Verwendung finden:
Sofort und dann bei Bedarf alle 6 Stunden 1 Nifedip in retard 20mg Filmtablette
Hierbei ist das Nebenwirkungsrisiko geringer, und außerdem ist ja eine sehr rasche
Wirkung gar nicht unbedingt erforderlich. Nifedipin 10 mg in der rasch resorbierbaren
Kapselform soll auch nicht bei bewusstlosen Patienten verabreicht werden, da bei
Applikation des Kapselinhaltes keine hinreichende Resorption gewährleistet ist.
DEXAMETHASON (HACE, HAPE)
Bei HACE ist Dexamethason seit Jahren das Mittel der Wahl. Es gilt als das derzeit
einzige wirksame Medikament bei der Notfallbtherapie von HACE, auch wenn es
dazu bis dato keine Studien gibt.
Wie es wirkt, darüber tappt man im Dunkeln: Es stabilisiert vermutlich die Blut-Hirn-
Schranke und verbessert damit die einschlägigen Symptome eindrucksvoll. Weiters
blockiert es die Angioneogenese und die Lipidperoxydation und stabilisiert die Mast-
zellen. Das übliche Nebenwirkungsrisiko von Steroiden ist in Anbetracht der vitalen
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Bedrohung vernachlässigbar, ein Rebound-Effekt nach kurzfristiger Verabreichung
eher unwahrscheinlich.
Es gibt überraschende Hinweise darauf, dass Dexamethason auch PaP-senkend
wirkt, wozu man einige Mechanismen diskutiert: Verstärkung der alveolären Flüssig-
keitsabsorption, Verringerung der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion, Erhö-
hung der Nitroxyd-Produktion in den Lungenendothelien, Stimulation des Surfactant-
Faktors, Reduktion des hypoxischen Sympathikotonus u.a.m. Weitere Untersuchun-
gen sind abzuwarten.
Ein nicht selten gleichzeitig vorhandenes HACE rechtfertigt aber jedenfalls die zu-
sätzliche Gabe von Dexamethason. Dexamethason ist als Zusatzmedikation mögli-
cherweise auch aus anderen Gründen bei HAPE sinnvoll, und zwar wegen des an-
tiinflammatorischen Effektes.
Dexamethason- Dosierung : Initial oral oder besser intravenös 8 mg oder höher
dosiert (loading dose), dann weiter alle 6 Stunden 4 mg.
Initialdosis: In der Notfallmedizin werden bei entsprechender Indikation üblicher-
weise gerne Höchstdosen verabreicht, ohne dass es dafür gesicherte Grundlagen
gibt. Dennoch spricht in vitalen Bedrohungssituation wie etwa bei HACE/HAPE wohl
nichts dagegen, zumindest initial (als loading dose) mehr als die empfohlenen 8 mg
zu verabreichen, sofern ausreichende Mengen dieses Medikamentes vorrätig sind.
Beim Tumor-bedingten Hirnödem, das vielleicht als Vergleich herangezogen werden
kann, gelten heute Tagesdosierungen von 12 bis 16 mg als Standard.
Applikationsform: Der Wirkeintritt von Dexamethason wird unabhängig von der Ap-
plikationsform mit etwa 20 Minuten angegeben. Gelegentlich wird daher damit argu-
mentiert, dass es unerheblich sei, ob die Initialdosis oral oder parenteral verabreicht
wird. Tatsächlich kann wohl davon ausgegangen werden, dass der intravenöse Weg
schneller zum Ort des Geschehens führt. Ist der Helfer also befugt, intravenöse In-
jektionen zu verabreichen, wird das wohl der sinnvollere Zugang sein.
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Eine HACE-Therapie mit Dexamethason muss so früh wie möglich einsetzen. Bei
Bewusstlosigkeit des Patienten ist es in aller Regel bereits zu spät.
Dexamthason ist bei allen schweren Formen der akuten Höhenkrankheit (vielleicht
auch bei HAPE) das mit Abstand beste lebensrettende Medikament und muss daher
ab der Schwellenhöhe immer mitgeführt werden.
Kombinationstherapien
Als sinnvolle Notfalltherapie bei HACE, wenn ein sofortiger Abtransport vorerst un-
möglich ist, hat sich die Kombination von Dexamethason mit einer Überdruckbe-
handlung erwiesen: Die Überdrucktherapie bringt anfangs zwar bessere Resultate
als die alleinige Dexamethasontherapie, aber keinen Langzeiteffekt, während Dexa-
methason anfangs zwar weniger wirksam ist als der Überdrucksack, nach einigen
Stunden jedoch deutlich bessere Ergebnisse zu sehen sind.
Bei unklaren schweren Formen der Höhenkrankheit wird zur Vorbereitung des
Ab-transportes oft folgende Kombination („Tripeltherapie“) angewendet:
DEXAMETHASON + NIFEDIPIN + SAUERSTOFF / ÜBERDRUCKSA CK
Acetazolamid als Bestandteil einer Kombinationstherapie ist bei HACE, wie früher
gelegentlich empfohlen, nicht erforderlich und wäre wegen einer möglichen Verstär-
kung der respiratorischen Azidose bei HAPE lebensgefährlich.
Beispiele für Medikamente gegen AMS, HAPE und HACE (Handelsnamen :in Österreich)
NIFEDIPIN Adalat® retard 20 mg, Nifebene® retard 20 mg
DEXAMETHASON Fortecortin® 4 mg, Dexamethason® Ampullen
IBUPROFEN Brufen® 600 mg, Dolgit® 600 mg, Seractil 400 mg
NAPROXEN Proxen® 500 mg, Miranax® 550 mg
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7.3. Weitere Medikamente bei akuter Höhenkrankhei t
ACETAZOLAMID (DIAMOX ®): Ist als Notfallstherapeutikum in der Höhe problema-
tisch und riskant. Es gilt daher heute nicht mehr als Option bei akuter Höhenkrank-
heit, und zwar aus folgenden Gründen:
Bei milder AMS ist Acetazolamid nicht wirklich notwendig. Bei HACE ist Acetazola-
mid bei weitem nicht so wirksam wie Dexamethason.
Bei HAPE ist Acetazolamid nicht nur wirkungslos, sondern sogar riskant: Die bei
HAPE ausgeprägte Gasaustauschstörung bedingt eine respiratorische Azidose, die
durch die Carboanhydrase-Hemmung (metabolische Azidose) lebensbedrohend ver-
stärkt werden kann. Sollten also unter Acetazolamid HAPE-Symptome auftreten,
muss das Medikament sofort abgesetzt werden.
SILDENAFIL : Phosphodiesterase-5-Hemmer sind zwar bei der überbrückenden
HAPE-Notfalltherapie dem Nifedipin unterlegen, und zwar wegen der Nebenwirkun-
gen und aus Kostengründen.
AZETYLSALIZYLSÄURE (ASS ) ist umstritten, auch wenn manche Höhenbergstei-
ger mit dem bekannten Hausmittel ASPIRIN®, einem billigen und nahezu überall er-
hältlichen Analgetikum, bei milder AMS gute Erfahrungen gemacht haben wollen.
Allerdings wird die mit häufiger und unkontrollierter Einnahme von ASS dosisunab-
hängig verbundene erhöhte Blutungsneigung (Gastroduodenum, Schleimhäute des
Respirationstraktes, Retina, Gehirn) unterschätzt. Auch hatten viele HACE-Patienten
vorher über etliche Tage ASS in hohen Dosen eingenommen und sind trotzdem
schwer erkrankt oder sogar gestorben. Von ASS sollte man daher in der Höhe lieber
die Finger lassen.
NIEDERMOLEKULARE HEPARINE : Ob der Einsatz von NMH beim fortgeschritte-
nem HAPE einen Effekt auf den weiteren klinischen Verlauf hat, ist nicht geklärt.
Überlegenswert erscheint die Gabe von NMH zumindest bei immobilen HAPE-
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Patienten während des Abtransportes. Dafür spricht, dass die im Gefolge eines
HAPE möglicherweise auftretenden Gerinnungsstörungen das Risiko einer Thromb-
embolie erhöhen dürften. Das oft plötzliche Sterben bei HAPE weist zumindest in
diese Richtung. Dagegen spricht, dass die nach therapeutischen Dosen von NMH
erhöhte Blutungsneigung problematisch werden kann. Es muss nämlich beachtet
werden, dass oft gleichzeitig ein HACE besteht und Autopsien von HACE-Patienten
disseminierte petechiale Hirnblutungen zeigen. NMH sollten überhaupt nur nach ei-
ner strengen Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht werden, und zwar auch wegen
der Gefahr der Sensibilisierung gegen Heparin mit nachfolgender Entwicklung einer
lebensbedrohlichen Heparin-induzierten Thrombozytopenie.
ANTIBIOTIKA haben keinen Einfluss auf AMS, HAPE oder HACE. Da aber HAPE
nicht selten mit Fieber und Leukozytose einhergeht, ist eine zusätzliche Therapie mit
einem Breitspektrumantibiotikum überlegenswert.
SEDATIVA und HYPNOTIKA fördern in der Akklimatisationsphase das Entstehen
von AMS und Höhenödemen. Allerdings: BENZODIAZEPINDERIVATE mit kurzer
Halbwertszeit (z.B. MOGA-DON®) können als Schlafmittel verwendet werden. Auch
ein niedrigdosiertes TEMAZEPAM (LEVANXOL® 10 mg / 24 h) dürfte keinen Einfluss
auf die SaO2 haben und daher als Einschlafmittel in der Höhe geeignet sein. Übri-
gens: akute psychotische Zustände sind beim Höhenbergsteigen nicht selten. Mit
HALOPERIDOL (im oder peroral) sind solche dramatischen Situation in der Regel
gut beherrschbar.
Alle zentral dämpfenden Medikamente können potenziell die Akklimatisation stören
und sollen daher in großen Höhen wenn überhaupt dann nur mit kurzer HWZ und
niedrig dosiert Verwendung finden.
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7.4. Übersicht: Maßnahmen bei AMS / HACE / HAPE
MILDE AMS
1. Rasttag, eventuell vorübergehender Abstieg
2. Ibuprofen, Naproxen
HACE
1. Abtransport
2. Sauerstoff (anfangs hohe Flußrate, später 2 bis 4 Liter / Minute)
3. Dexamethason initial mindestens 8 mg, dann alle 6 Stunden 4 mg
4. Überdrucksack
HAPE
1. Abtransport
2. Sauerstoff (anfangs hohe Flußrate, später 2 bis 4 Liter / Minute)
3. Nifedipin retard 20 mg alle 6 Stunden
4. Überdrucksack
5. Kälteschutz
7.5. Der Umgang mit dem bewusstlosen Patienten
Wenn man einen Patienten bewusstlos auffindet, z.B. morgens im Zelt, stösst man
verständlicherweise auf nicht unbeträchtliche diagnostische Schwierigkeiten, weil ei-
ne Fremdanamnese, wenn überhaupt vorhanden, meist unergiebig ist. Man erinnere
sich daran, dass HACE und HAPE sehr häufig gemeinsam auftreten. Man geht in
folgender Reihenfolge vor:
1. Feststellung des respiratorischen Status
2. Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung
3. Feststellung des grob-neurologischen Status
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4. Dexamethason hochdosiert intramuskulär oder intr avenös
5. Maskenbeatmung mit Sauerstoff (hohe Flußrate)
6. Eventuell Überdruckbehandlung
Daraufhin ist der Patient hoffentlich bald so weit ansprechbar, dass eine ausreichen-
de Anamnese und eine neuerliche klinische Untersuchung ein besseres Bild ermög-
lichen. Danach richtet sich schließlich das weitere Vorgehen.
7.6. Zulassung und Aufklärungspflicht
Keines der hier genannten Medikamente ist speziell für höhenmedizinische Thera-
pien zugelassen, kann jedoch im Rahmen der so genannten ärztlichen Therapiefrei-
heit verordnet werden, soferne die Indikation dafür stimmt und auch belegbar oder
zumindest dokumentiert ist (sog. Off-Label-Use). Unbedingt erforderlich ist vorher
eine „besondere Aufklärung“, wobei auf die fehlende Zulassung, vor allem aber auf
mögliche Nebenwirkungen (z.B. bei Nifedipin) hingewiesen werden muss. Jede ärzt-
liche Aufklärung sollte immer auch schriftlich dokumentiert werden.
Unter diesen Bedingungen sind vor allem solche höhenmedizinischen Indikationen
wenig problematisch, die durch entsprechende Studien belegt sind. Hier ist man
nach der gängigen Rechtssprechung auch bei fehlender Zulassung sogar gehalten,
derartige Präparate einzusetzen.
7.7. Selbstmedikation durch Nicht-Ärzte
Eine höhenmedizinische Notfallstherapie erfolgt im Regelfall ohne anwesenden Arzt,
also durch einen mehr oder weniger höhenerfahrenen Laien. Dieser sollte zumindest
in der Erkennung vor allem der Frühzeichen der verschiedenen Formen der akuten
Höhenkrankheit und in der Anwendung der einschlägigen Maßnahmen und Medika-
mente ausreichend geschult sein. Vorsicht: Ein Arzt, der eine höhenmedizinische
Bergreiseapotheke verschreibt, übernimmt damit eine nicht unerhebliche Verantwor-
tung. Er muss seinem Klienten eine schriftliche Anleitung zur Anwendung mitgeben
und ausreichend schulen. Die letalen Risiken von Fehldiagnosen, falschen Indikatio-
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nen, Dosierungsfehlern und Medikamentenverwechslungen durch nichtärztliche Hel-
fer sind nämlich leider beträchtlich, wie zahlreiche Berichte belegen.
MERKE:
Höhenkrankheit tritt nie schicksalshaft auf, sonder n ist fast immer die Folge
gravierender höhentaktischer Fehlentscheidungen. Za hlreiche Analysen
schwerer und tödlicher Höhenanpassungsstörungen zei gen mit erschütternder
Regelmäßigkeit, dass zuvor gegen eine, meist sogar gegen mehrere Regeln
der Höhentaktik verstossen wurde und dass außerdem die daraus resultieren-
den Frühzeichen bagatellisiert, verschwiegen, missa chtet
und ohne rechtzeitige Konsequenzen geblieben sind.