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200 Horn, Moc, Schneider, Grillhösl, Berghold, Lindenmeier, Biochemie des Menschen (ISBN 3131308834), 2005 Georg Thieme Verlag KG 9.2 Der Citratzyklus Im Rahmen des Citratzyklus wird Acetyl-CoA zu zwei Mole- külen CO 2 umgewandelt, wobei zusätzlich noch Energie in Form von ATP und GTP sowie Reduktionsäquivalente in Form von NADH/H + und FADH 2 entstehen. Der Citratzyklus findet vollständig in den Mitochondrien statt und kann daher in allen unseren Zellen – bis auf den Erythrozyten – ablaufen. 9 Herkunft des ATP

9.2 DerCitratzyklus - bilder.buecher.de · 205 Horn,Moc,Schneider,Grillhösl,Berghold,Lindenmeier,BiochemiedesMenschen(ISBN3131308834), 2005GeorgThiemeVerlagKG schließend ans Blut

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Horn, Moc, Schneider, Grillhösl, Berghold, Lindenmeier, Biochemie des Menschen (ISBN 3131308834), � 2005 Georg Thieme Verlag KG

9.2 Der CitratzyklusIm Rahmen des Citratzykluswird Acetyl-CoA zu zweiMole-külen CO2 umgewandelt, wobei zusätzlich noch Energie inForm von ATP und GTP sowie Reduktionsäquivalente inForm von NADH/H+ und FADH2 entstehen.

Der Citratzyklus findet vollständig in den Mitochondrienstatt und kann daher in allen unseren Zellen – bis auf denErythrozyten – ablaufen.

9 Herkunft des ATP

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Diesem einzigartigen Stoffwechselweg hat man im Laufeder Zeit viele Attribute verpasst. Die einen bezeichnen denCitratzyklus als das Zentrum, die anderen als die Drehschei-be des gesamten Stoffwechsels in einem Organismus. Bei-des trifft den Nagel auf den Kopf, denn der Citratzyklus ver-bindet tatsächlich so ziemlich alle Abbau- und auch vieleBiosynthesewege von Kohlenhydraten, Aminosäuren, Lipi-den und anderen biochemischen Stoffklassen. (Trotzdemwurde die Erstpublikation des Citratzyklus von der renom-mierten Zeitschrift „Nature“ abgelehnt . . .)Die Abbauprodukte der drei Hauptnährstoffe (v. a. Acetyl-CoA) werden durch den Citratzyklus vollständig verstoff-wechselt und danach einer gemeinsamen Endstrecke, derAtmungskette ( S. 214), zugeführt. Daraus erklärt sichauch die Lokalisation des Citratzyklus im Mitochondrium,in dessen Matrix sich alle dazu benötigten Enzyme befin-den. Der Citratzyklus liegt also in nächster Nähe zu denKomplexen der Atmungskette, wodurch beide Prozesse op-timal aneinander gekoppelt sind. Ein Enzym des Citratzyk-lus wird (als Komplex II) sogar direkt der Atmungskette zu-gerechnet.Seinen Namen hat er übrigens vom Einstiegsmolekül Citrat,einer Tricarbonsäure, die aus der Reaktion von Acetyl-CoAmit Oxalacetat entsteht.

Der Citratzyklus wurde schon 1937 von Hans Krebs(1900–1981) postuliert, weshalb er gelegentlich auchKrebs-Zyklus genannt wird. (Die Nationalsozialisten habenKrebs übrigens gezwungen, das Land zu verlassen, weshalber zum Zeitpunkt der Entdeckung in England lebte. Daherwird der Citratzyklus im anglo-amerikanischen Sprach-raum als Krebs cycle bezeichnet.)Zunächst war man sich nicht ganz sicher, ob Citrat odernicht doch eine andere Tricarbonsäure, z. B. das Isocitrat,das Einstiegsmolekül darstellten. Daher hält sich auch heu-te noch gelegentlich der anfängliche Name Tricarbonsäure-Zyklus.

Worum geht es beim Citratzyklus?

Die entscheidende Aufgabe des Citratzyklus besteht darin,Acetyl-CoA in einem Kreisprozess zu CO2, NADH/H+, FADH2

und GTP abzubauen. Die Reduktionsäquivalente NADH/H+

und FADH2 liefern dann in der Atmungskette das, wofür dieZelle den ganzen Aufwand eigentlich betreibt, nämlichEnergie in Form von ATP. CO2 ist ein Abfallprodukt undwirdabgeatmet.Um den Acetyl-Rest nur einfach abzubauen, scheint der Ci-tratzyklus reichlich kompliziert geraten. Und in der Tatsteckt da noch mehr dahinter: Der Citratzyklus bietet näm-lich auch zahlreiche Ein- und Ausgangsmöglichkeiten fürBiosynthesewege.

Wir beginnen hier mit dem einfachen Abbau des Acetyl-CoA und lüften dann erst später die tieferen Geheimnissedieser Drehscheibe des Stoffwechsels.

Katabole Funktionen des Citratzyklus

Chemisch betrachtet sind vier der acht Reaktionen des Cit-ratzyklus Oxidationen, bei denen die Elektronen (zusam-men mit Protonen) an NAD+ oder FAD weitergegeben wer-den. Bei diesen handelt es sich um spezialisierte Elektro-nentransporter, die die Elektronen zur Atmungskette trans-portieren.Der Citratzyklus ist ein Kreisprozess, da das Eingangsmole-kül Oxalacetat nach den acht Reaktionenwieder unversehrtvorliegt. Beim Durchlauf eines Acetyl-Restes entstehen da-bei zwei Moleküle CO2, acht Wasserstoffatome, die an dieElektronentransporterweitergegebenwerden, und ein GTP.

Anabole Funktionen des Citratzyklus

Zwischenstufen des Citratzyklus dienen häufig als Biosyn-thesevorstufen für die folgenden Moleküle:� Glukose� Aminosäuren� Häm� Fettsäuren

Nach Verbrauch der Zwischenstufen ist es erforderlich, die-se wieder nachzuliefern, da der Zyklus sonst unterbrochenund kein Oxalacetat regeneriert würde. Diese auffüllendenReaktionen werden nach dem griechischen Wort dafür alsanaplerotische Reaktionen bezeichnet.

9.2.1 Reaktionen des Citratzyklus

Man kann die Reaktionen des Citratzyklus in zwei großeAbschnitte untergliedern:1. Im ersten Abschnitt erfolgt die Reaktion vom Citrat zum

Succinat, was demAbbau des Acetyl-Restes zu zweiMo-lekülen CO2 entspricht.

2. Im zweiten Abschnitt wird das Succinat wieder zu Oxal-acetat regeneriert, um eine neue Runde starten zu kön-nen.

Beide Abschnitte liefern Energie, sowohl als GTP (direktverwertbar) als auch in Form von NADH/H+ und FADH2, wodie Energie zunächst gespeichert wird.DaAcetyl-CoA keine vier (wie sie für zwei CO2 benötigtwer-den. . .), sondern nur ein Sauerstoffatom enthält, müssen dierestlichen drei aus anderen Quellen stammen. Zwei von ih-nen entstammen Wasser, das im Rahmen des Zyklus ad-diert wird, eines der Reaktion von Succinyl-CoA zum Succi-nat, bei der durch Bildung von GTP aus GDP und anorgani-schem Phosphat stöchiometrisch ebenfalls Wasser hinzu-gefügt wird.

9.2 Der Citratzyklus

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Zerlegung des Acetyl-CoA in zwei CO2 und zwei H

Bei der Reaktion vom Isocitrat (C6) zum α-Ketoglutarat (C5)wird das erste CO2 abgespalten. Bei der sich anschließendenReaktion zum Succinyl-CoA (C4) das zweite. Angemerkt seinoch, dass das CO2 nicht direkt vomAcetyl-CoA stammt. Umgenau diese C-Atome abzubauen, sind mehrere Umläufe er-forderlich.

Bildung des Einstiegsmoleküls Citrat

Bei der ersten Reaktion des Citratzyklus handelt es sich umeine Kondensation, bei der der Acetyl-Rest des Acetyl-CoAan das „Trägermolekül“ Oxalacetat addiert wird. Diesedurch die Citrat-Synthase katalysierte Reaktion ist starkexergon (∆G0I = -38 kJ/mol), was wichtig ist, da nur wenigOxalacetat vorhanden ist, und die Reaktion dennoch ablau-fen soll.

Das CoenzymA hat seine Aufgabe mit der Abgabe des Ace-tyl-Restes erfüllt und kann sich neuen Aufgaben zuwenden.

Bildung von Isocitrat

Ziel des Citratzyklus ist es, Moleküle zu oxidieren, um Ener-gie zu erzeugen. AmCitrat kannman jedoch die OH-Gruppenicht mehr oxidieren, da es sich um einen tertiären Alkoholhandelt ( S. 8).Aber die Zelle weiß sich natürlich zu helfen und lagert dieHydroxyl-Gruppe einfach um. Dadurch entsteht ein sekun-därer Alkohol (das Isocitrat), der oxidiert werden kann. Aufmolekularer Ebene wird dabei zunächst Wasser vom Citratabgespalten, um es an anderer Stelle wieder anzulagern.Das dabei entstehende Zwischenprodukt nennt sich cis-Aconitat und das zuständige Enzym daher Aconitase (for-maler auch Aconitat-Hydratase).

Es katalysiert zunächst eine Dehydratisierung und gleichanschließend eineHydratisierung. Diese Reaktion ist rever-sibel, läuft aber gerichtet ab, da das entstehende Isocitratschnell weiterreagiert.

Oxidation von Isocitrat zu α-Ketoglutarat

Jetzt kommen wir zur ersten Reaktion, die richtig Energieabwirft. Die Isocitrat-Dehydrogenase katalysiert die oxida-tive Decarboxylierung von Isocitrat zu α-Ketoglutarat, wo-bei das erste Molekül CO2 und das erste NADH/H+ entste-hen.

Oxidation von α-Ketoglutarat zu Succinyl-CoA

Die Reaktion vonα-Ketoglutarat zu Succinyl-CoA ist wiedereine oxidative Decarboxylierung und entspricht im Prinzipder vorangegangenen Reaktion. Bei beiden Reaktionenwerden α-Ketosäuren unter CO2-Abspaltung oxidiert. DieEnergie aus der Oxidation wird dieses Mal jedoch zusätz-lich noch benutzt, um die Thioesterbindung von Succinyl-CoA zu bilden. Dadurch wird die Energie also kurze Zeit ineiner energiereichen Bindung gespeichert. Elektronenak-

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zeptor ist erneut NAD+, das zu NADH/H+wird (∆G0� = -37 kJ/mol).

Der α-Ketoglutarat-Dehydrogenase-Komplex gleicht struk-turell der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH, S. 86), sie kata-lysieren auch eine ähnliche Art von Reaktion. Auch dieα-Ketoglutarat-Dehydrogenase besteht aus drei Enzymen,wobei das erste Enzym eine andere Aminosäuresequenz alsdie PDH aufweist, was zur Substratspezifität der beiden En-zyme führt. Die anderen beiden Enzyme sind sich allerdingssehr ähnlich. Beide enthalten kovalent gebundene Lipoyl-einheiten, ferner auch enzymgebundenes TPP, gebundenesLipoat sowie FAD, NAD+ und CoA.

Reaktion von Succinyl-CoA zu Succinat

Wie beim Acetyl-CoA bringt die Hydrolyse der Thioester-bindung von Succinyl-CoA eine Menge Energie (∆G0� =-36 kJ/mol), die für die Herstellung einer Phosphorsäurean-hydridbindung im GTP genutzt wird. Dies ist rechnerischmit der Biosynthese eines ATP gleichzusetzen, da beide Nu-kleotide durch die Nukleosiddiphosphat-Kinase leicht undohne Energieverlust ineinander umzuwandeln sind.

Regeneration des Oxalacetat

Die folgenden drei Reaktionen dienen dem Wiedereinbaueines Sauerstoffatoms in das Molekül. Die Reaktionsfolgeentspricht dabei den ersten drei Schritten der �-Oxidation,bei denen ebenfalls ein Sauerstoffatom neu in ein Moleküleingefügt wird ( S. 124). Dieses O-Atom hatte man sichweiter vorne nur geliehen, um ein ganzes Molekül CO2 ab-zuspalten.

Oxidation von Succinat zu Fumarat

Bei dieser ersten Reaktion der Regeneration von Oxalacetatnimmt die Succinat-Dehydrogenase die Dehydrierung vonSuccinat zu Fumarat vor. Dabei wird nicht genug Energiefrei, um ein NAD+ zu reduzieren, so dass die Zelle auf FADausweicht, das schon mit niedrigeren Oxidationsenergienzu FADH2 reduziert werden kann ( S. 211).

Die Succinat-Dehydrogenase ist das einzige Enzym des Cit-ratzyklus, das nicht in der Mitochondrien-Matrix herum-schwimmt, sondern fest an die innere Mitochondrienmem-bran gebunden ist.

Da das FAD im Enzym kovalent gebunden vorliegt, handeltes sich bei der Succinat-Dehydrogenase um ein Flavopro-tein. Sie enthält zusätzlich noch Eisen-Schwefel-Zentrenundwird auch alsKomplex II der Atmungskette bezeichnet.Die aufgenommenen Elektronen gehen dabei vom Succinatauf das FAD über, das zum FADH2 reduziert wird. FADH2

überträgt sie auf die Fe-S-Zentren, die sie dann an einenSammelpunkt in der Atmungskette, dem Ubichinon, wei-tergeben. Die Succinat-Dehydrogenase reagiert dabei di-rekt mit demUbichinon, das Elektronen von verschiedenenEnzymen aufnehmen kann.

9.2 Der Citratzyklus

Bei dieser Reaktion handelt es sich um eine Substratket-tenphosphorylierung, wiewir sie ja schon bei der Glykolysekennen gelernt haben ( S. 81). Man nennt das so, um denUnterschied zur oxidativen Phosphorylierung in der At-mungskette ( S. 214) zu verdeutlichen. Das Enzym, dasdiese reversible Reaktion katalysiert, hat den Namen Succi-nyl-CoA-Synthetase – oder häufig auch Succinat-Thiokina-se.

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Hydratisierung von Fumarat zu Malat

Das Enzym Fumarase (oder formaler Fumarat-Hydratase)lagert an Fumarat reversibel Wasser an, wodurch es zumMalat wird.

Oxidation von Malat zu Oxalacetat

Durch eine Dehydrierungmit der NAD+-abhängigen Malat-Dehydrogenase wird aus Malat Oxalacetat. Die dabei freiwerdenden Elektronen werden zusammen mit einem Pro-ton auf den Elektronentransporter NAD+ übertragen, daszum NADH/H+wird.

Das Gleichgewicht der Reaktion liegt weit auf der Seite desMalat. Da Oxalacetat jedoch weiter reagiert, läuft die Reak-tion trotz eines ∆G0� von +28kJ/mol ab.

Neben dieser mitochondrialen Malat-Dehydrogenase gibtes noch eine zytosolische, die vor allem für den Malat-Shuttle eine wichtige Rolle spielt ( S. 213).

9.2.2 Anabole Funktionen – was derCitratzyklus noch alles kann

Der Citratzyklus ist sicher nicht der einfachste Weg vomAcetat zum CO2. Aufgrund seiner zusätzlichen wichtigenRolle für einige Biosynthesen hat er sich aber wohl in derEvolution als der günstigste für die gesamte Zelle herausge-stellt. Wegen der zusätzlich zum katabolen Acetat-Abbauexistierenden anabolen Funktion bezeichnet man den Cit-ratzyklus auch als amphibolen Stoffwechselweg.

Biosynthese der Aminosäuren

Verschiedene Zwischenprodukte des Citratzyklus dienender Biosynthese von Aminosäuren. Es handelt sich hier umdie entsprechenden α-Ketosäuren. Aus α-Ketoglutaratkann z. B. durch eine Transaminierung Glutamat entstehen– eine der häufigsten Transaminierungsreaktionen in unse-ren Zellen. Aus Oxalacetat entsteht entsprechend Aspartat,vor allem durch den Einsatz der Aspartat-Aminotransferase(AST).Die Biosynthese der Aminosäuren erfolgt dabei sowohl imZytosol als auch in denMitochondrien – je nach Aminosäu-re und eingeschlagenem Biosyntheseweg.

Glukose-Biosynthese

Für die Herstellung von Glukose (Glukoneogenese) eignetsich Oxalacetat sehr gut. Die Zelle zieht es im Bedarfsfallaus dem Citratzyklus ab. Das Enzym, das den ersten Schrittkatalysiert, ist die Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase(PEP-CK), die in erster Linie zytosolisch vorkommt (ist lo-gisch, denn da brauchen wir ja auch die Glukose, die an-

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schließend ans Blut abgegeben werden soll). Oxalacetatwird dazu mithilfe des Malat-Shuttles aus den Mitochond-rien geschafft ( S. 224). Im Zytosol wird es dann von derPEP-CK decarboxyliert und gleichzeitig phosphoryliert, wo-durch Phosphoenolphosphat entsteht.

Die Decarboxylierung von Oxalacetat liefert zusammenmitder Hydrolyse eines GTP genug Energie, um eine energierei-che Enolphosphat-Bindung in das Molekül einzubauen.Diese Reaktion läuft natürlich vor allem in der Leber undden Nieren ab, da das die einzigen Organe sind, die ordent-lich Glukoneogenese betreiben können (daneben noch einkleines bisschen der Darm).

Häm-Biosynthese und Ketonkörperabbau

Succinyl-CoA ist Ausgangsstoff für die Häm-Biosynthese( S. 496). Häm benötigt der Körper, um es in Hämoglobin(Hb) oder Cytochrome einzubauen, die aufgrund ihresZentralatoms Eisen in der Lage sind, Sauerstoff (imHb) oderElektronen (in den Cytochromen) zu transportieren. In derersten und geschwindigkeitsbestimmenden Reaktion rea-giert Succinyl-CoA in den Mitochondrien mit der einfachs-ten Aminosäure Glycin zu δ-Aminolävulinsäure (δ-ALS).

Das Enzym Aminolävulinsäure-Synthase benötigt dazu dasCoenzym Pyridoxalphosphat (PALP, S. 177), das aus Vita-min B6 entsteht. Genau an dieser Stellewirkt sich dann auchein Vitamin-B6-Mangel aus, da die entscheidende Reaktionfür die Häm-Biosynthese nicht stattfindet. Langfristig führtdas zu einer Anämie ( S. 510).

Daneben benötigtman Succinyl-CoA noch, umKetonkörperabzubauen. Diese müssen nämlich zunächst mit Succinyl-CoA aktiviert werden, bevor man sie oxidieren kann( S. 143).

9.2 Der Citratzyklus

Fettsäure- und Cholesterin-Biosynthese

Während der Abbau von Fettsäuren, die �-Oxidation, in denMitochondrien der Zellen stattfindet, läuft die Biosyntheseneuer Fettsäuren, wie diemeisten Biosynthesen, im Zytosolab. Diese Trennung des Ab- und Aufbaus gleichartiger Stoffeist ja eines der Grundprinzipien des Stoffwechsels. Für dieZwischenprodukte des Citratzyklus sind daher Transport-systeme notwendig, die sie aus den Mitochondrien ins Zy-tosol bringen.Für die Fettsäure-Biosynthese benötigt die Zelle Acetyl-CoA, das allerdings nur im Mitochondrium entsteht unddieses auchnicht so ohneweiteres verlassen kann. Der Trickdes Acetyl-CoA, doch ins Zytosol zu gelangen, liegt darin,sich mit Oxalacetat zu Citrat zu verbinden, das die Mito-chondrienmembran (über einen Tricarbonsäuren-Trans-porter, S. 225) durchdringen kann. Im Zytosol erfolgtdann durch die ATP-abhängige Citrat-Lyase die Aufspaltungzurück in Acetyl-CoA und Oxalacetat. (Oxalacetat kann zuMalat reduziert werden und so über den Malat-Aspartat-Shuttle wieder ins Mitochondrium gelangen, S. 224.)Auch für die im Zytosol beginnende Cholesterin-Biosynthe-se ( S. 146) wird Acetyl-CoA benötigt.

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9.2.3 Anaplerotische Reaktionen – wie derCitratzyklus wieder aufgefüllt wird

Da aus dem Citratzyklus auch Stoffe abgezogenwerden, umsie für Biosynthesen zu verwenden, muss man diese hinund wieder nachfüllen, damit der Zyklus nicht stehenbleibt. Diese Auffüll-Aktionen nennt man anaplerotischeReaktionen. Sie sind unbedingt erforderlich, da die Kon-zentrationen der Zwischenprodukte des Citratzyklus rechtgering sind. EntnahmeundNachschub unterliegen dabei ei-nem dynamischen Gleichgewicht, was dazu führt, dass dieKonzentrationen der Zwischenprodukte immer annäherndgleich bleiben. Drei anaplerotische Reaktionen spielen einebesonders große Rolle für unsere Zellen und werden daherhier erläutert.

Pyruvat-Carboxylase

Dieses Enzym katalysiert die wichtigste anaplerotischeReaktion, bei der Pyruvat biotinabhängig zu Oxalacetatcarboxyliert wird. Das Vitamin Biotin ( S. 130) fungiertdabei als Coenzym der Pyruvat-Carboxylase.

Die Funktion dieser Reaktion ist es, bei Bedarf Oxalacetat ingrößeren Mengen zur Verfügung zu stellen, damit der Cit-ratzyklus schneller läuft. Staut sich Pyruvat vor dem Citrat-zyklus an, da dieser nichtmehr hinterher kommt,wird eini-ges von diesem Pyruvat intramitochondrial zu Oxalacetatcarboxyliert. Damit kann wieder mehr Acetyl-CoA zu Citratreagieren und der Stau ist beseitigt.

Glukoneogenese. Die Pyruvat-Carboxylase-Reaktion läuftbesonders in Leber und Niere ab, den beiden Organen, dieGlukoneogenese für den restlichen Organismus betreiben.Die Glukoneogenese verbraucht nämlich Oxalacetat, wasüber die Pyruvat-Carboxylase wieder nachgeliefert wird.

Glutamat-Dehydrogenase

Die Glutamat-Dehydrogenase (in der Klinik kurz GLDH) ka-talysiert die Desaminierung von Glutamat zu α-Ketogluta-rat, das in den Citratzyklus eingeschleust werden kann.Die GLDH kommt in allen Organen vor, vor allem aber inden Mitochondrien der Leber. Kann man sie im Blut nach-weisen, spricht das für eine starke Schädigung der Leber, dadie mitochondrialen Enzyme erst freigesetzt werden, wennselbst die Mitochondrien der Zelle kaputt sind. Die Normal-werte der GLDH liegen bei unter 3U/l im Blut ( S. 558).

Malat-Enzym

Das zytosolische Malat-Enzym katalysiert die Reaktion vonMalat zum Pyruvat. Es stellt damit eineweitereMöglichkeitdar, zytosolisches Malat wieder in das Mitochondrium zuschaffen.Wie schon erwähnt, kann Citrat vomMitochondrium in dasZytosol transportiert werden, um dort in Acetyl-CoA undOxalacetat zerlegt zu werden. Acetyl-CoA kann dann alsAusgangsstoff für die Fettsäure-Biosynthese ( S. 128) die-nen, dasOxalacetatmusswieder in dasMitochondrium ge-bracht werden.Dazu wird es zunächst durch die Malat-Dehydrogenase zuMalat reduziert (ein Vorgang, der reversibel ist). Malat kanndann entweder selbst durch den Malat-Shuttle ( S. 224)in das Mitochondrium gelangen, oder aber es wird durchdasMalat-Enzym zu Pyruvat umgewandelt.

Wie zu erkennen ist, wird bei dieser Reaktion auch nochNADPH/H+ gebildet, das die Zelle für die Fettsäure-Biosyn-these gut gebrauchen kann.Pyruvat kann dann über den Pyruvat/H+-Symporter wiederin das Mitochondrium gelangen und verschiedene Reaktio-nen eingehen – beispielsweise die Decarboxylierung zumAcetyl-CoA, womit der Kreis dann geschlossen wäre.

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Der Zusammenhang mit dem Harnstoffzyklus

Fumarat wird nicht nur im Rahmen des Citratzyklus ausSuccinat gebildet, sondern entsteht auch im Harnstoffzyk-lus als „Abfallprodukt“ aus Argininosuccinat und fließt vondort in den Citratzyklus ein. Nach dem Umbau zu Oxalace-tat kann es wieder zu Aspartat (mittels AST) transaminiertwerden, das mit Citrullin erneut zu Argininosuccinat rea-giert.

Pyruvat-Carboxylase. Ein erhöhtes Angebot an Acetyl-CoAstimuliert die Pyruvat-Carboxylase. Dadurch wird ver-mehrt Pyruvat zu Oxalacetat umgebaut (anaplerotische Re-aktion) und der Citratzyklus beschleunigt.

9.2.5 Zwischenbilanz

Bevor wir weiter zur Atmungskette gehen, ziehen wir eineZwischenbilanz und schauen, was bisher an Energie in die

9.2 Der Citratzyklus

Allerdings ist zu beachten, dass die Reaktionen von Fumaratzu Oxalacetat im Zytosol stattfinden und so allenfalls indi-rekt dem Citratzyklus zugerechnet werden können.

9.2.4 Regulation des Citratzyklus

Die Durchsatzgeschwindigkeit des Citratzyklus hängt vomenergetischen Zustand der Zelle ab. ATP, Citrat und redu-zierte Coenzyme (NADH/H+ u.a.) weisen darauf hin, dass esder Zelle energetisch gut geht, worauf der Citratzyklus ge-hemmt wird.Drei Enzyme des Citratzyklus katalysieren besonders exer-gone Reaktionen. Hier besteht daher die Möglichkeit einerwirkungsvollen Regulation. Es handelt sich dabei um dieCitrat-Synthase, die den ersten Schritt im Citratzyklus kata-lysiert, und um die beiden oxidativen Phosphorylierungen,die durch die Isocitrat-Dehydrogenase und die Succinat-Dehydrogenase katalysiert werden.

Die Regulation des Citratzyklus betrifft vor allem den Stoff-wechsel einer Zelle und nur indirekt den Gesamtorganis-mus. Daher erfolgt die Regulation nur allosterisch. Hormo-ne greifen an dieser Stelle nicht in den Zellstoffwechsel ein.

Steuerung über die Pyruvat-Dehydrogenase. In erster Li-nie entscheidend für die Aktivität des Citratzyklus ist je-doch der Nachschub an Acetyl-CoA durch die Pyruvat-De-hydrogenase (PDH), deren Aktivitätszustand durch gezieltePhosphorylierung und Dephosphorylierung verändert wer-den kann. Die PDH ist im dephosphorylierten Zustand aktiv,phosphoryliert hingegen inaktiv ( S. 87).

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Speicherformen ATP, NADH/H+ oder FADH2 umgewandeltwurde. Als Beispiel dient die Glukose, mit der sich die Ener-gieausbeute sehr anschaulich zeigen lässt.Wir haben jetzt – am Ende des Citratzyklus – die Glukoseimmerhin schon in sechs Moleküle CO2 und jede MengeElektronen zerlegt. Um diese Elektronen nicht völlig ihremSchicksal zu überlassen, haben sich spezialisierte Elektro-nen-Transporter gefunden, die ihnen den Weg zur At-mungskette weisen. Wie viel Energie kann man damit nunerzeugen?

ATP. Pro Molekül Glukose haben wir aus der Glykolyse di-rekt zwei ATP gewonnen und aus dem Citratzyklus (zweiDurchläufe . . .) noch einmal direkt zwei ATP (als energetischgleichwertiges GTP). Das ist natürlich nicht so üppig. Wich-tiger sind die nicht nur zahl-, sondern auch energiereichenElektronen, die zusammen mit Protonen an NADH/H+ undFADH2 gebunden sind.

Elektronen. In der Glykolyse habenwir proMolekül Gluko-se zwei Moleküle NADH/H+ gewonnen. Durch die anschlie-ßende Pyruvat-Dehydrogenase-Reaktion entstehen nocheinmal zwei. Zwei Durchläufe des Citratzyklus produzierensechsMoleküle NADH/H + und zweiMoleküle FADH2, die al-le jeweils zwei Elektronen an die Atmungskette abgebenkönnen. Macht also insgesamt 24 Elektronen.

Ausbeute in der Atmungskette.Wennwir jetzt schon ein-mal vorausschicken, dass in der Atmungskette imMittel proNADH/H+ etwa 2,5 und pro FADH2 etwa 1,5 Moleküle ATPentstehen, ergibt das zusammen 32 ATP.

Während anaerob in der Glykolyse also nur zwei ATP ent-stehen, werden es im aeroben Zustand immerhin 32 ATP. Eswar also durchaus eine schlaue Idee der ersten Eukaryon-ten, sich Mitochondrien als „Haustiere“ zu halten.

9.3 Die Reduktionsäquivalente –NADH und seine Kollegen

Die verschiedenen Elektronen-Transporter (NADH, FADHund NADPH) sind uns nun schon einige Male im Stoffwech-sel begegnet. Hier beschäftigenwir unsmit allen Dreien zu-sammen und zeigen deren Gemeinsamkeiten und Unter-schiede auf.

Allen Reduktionsäquivalenten gemeinsam ist, dass sie Re-dox-Coenzyme sind. Sie beteiligen sich an den Elektronen-Verschiebungen bei Redoxreaktionen und besitzen einVitamin als Grundgerüst.

Wir verwenden NADH und FADH als Abkürzungen für dieForm, bei der nicht zwischen oxidierter (NAD+ bzw. FAD)und reduzierter (NADH/H+ und FADH2) Form unterschiedenwird.Bei Redoxreaktionen werden die Elektronen meist zusam-men mit Protonen übertragen. Allgemein spricht man da-her von Reduktionsäquivalenten. Sauerstoff ist nur selten be-teiligt.

Oxidoreduktasen katalysieren sowohl Oxidationen alsauch Reduktionen ( S. 63) und benötigen für ihre ArbeitCoenzyme.� Entweder fallen bei der Oxidation eines Stoffes (z. B. Al-

kohol zu Aldehyd) Elektronen an, die von jemandemaufgenommen werden müssen.

� Oder es werden für reduktive Reaktionen (z. B. Aldehydzu Alkohol) Elektronen benötigt, die jemand spendenmuss.

Diese „Jemande“ sind spezialisierte Elektronen-Transpor-ter, die reversibel Elektronen aufnehmen und (meist an an-derer Stelle) wieder abgeben können.

Die Coenzyme der Oxidoreduktasen sind also Elektronen-Transporter. Sie lassen sich noch einmal in lösliche Coenzy-me und kovalent an die Enzyme gebundene prosthetischeGruppen unterteilen.� NADH und NADPH sind lösliche Coenzyme, die sich re-

versibel an Oxidoreduktasen (meist Dehydrogenasen)anlagern.

� FADH ist meist kovalent an Oxidoreduktasen gebundenund wird dann als prosthetische Gruppe bezeichnet.

Katabolismus und Anabolismus.Man kann die Coenzymeauch nach ihrer Rolle im Stoffwechsel einteilen:� NADH und FADH sind meist an katabolen Oxidationen

beteiligt, bei denen sie die frei werdenden Elektronenaufnehmen. Beide liegen daher im Zytosol eher in ihrenoxidierten Formen vor (NAD+ und FAD) – bereit, redu-ziert zu werden.

� NADPH befindet sich im Zytosol, wo es in seiner redu-zierten Form (NADPH/H+) vor allem Biosynthesen alsSpender energiereicher Elektronen dient.

Vorteil dieser funktionellen Spezialisierung der Coenzymeist, dass im Zytosol einer Zelle zwei verschiedene Elekt-ronen-Transporter mit ganz unterschiedlichen Aufgabengleichzeitig nebeneinander vorliegen können.Zurzeit sind übrigens mehr als 200 Enzyme bekannt, dieentweder NADH oder NADPH als Coenzym verwenden. Nursehr wenige Enzyme können mit beiden Coenzymen arbei-ten. Zu diesen bemerkenswerten Ausnahmen gehört diemitochondriale Glutamat-Dehydrogenase ( S. 558).

9 Herkunft des ATP