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51ni( 3iirrf|tr 3t ilunn INLAND 8/21 MonlnR, 2.1, Februar 1970 Morttcniuisiialie Nr. 88 21 Die Flugzeugkatastrophe bei Würenlingen Absturz eines Sivissair-Coronado auf dem Flug nach Tel Aviv - Alle 38 Passagiere und 9 Besatzungs- mitglieder umgekommen - Schwerer Sabotage verdacht Ein Coronado CV-990 der Swissatr ist am Samstag um 13 Uhr 3 6 auf dem Flug von Kloten nach Tel Aviv mit 38 Passagieren und 9 Besatzungsmitglie- dern an Bord in der Nähe des Atom- reaktors Würenlingen abgestürzt. Sämt- liche Insassen hohe n bei dieser größten Flugzeugkatastrophe in der Schweiz seit dem Absturz der Swissair-Caravelle bei DürrenUsch im Jahr 1963 den Tod ye- jnnden. Nach Augenzeugenberichten ist die brennende Maschine kurz vor dem Aufprall in einem Wald explodiert. Das Swissair-Kursflugzeug war um 13 Uhr 14 in Kloten gestartet. Dcv Kommandant des Coronado hatte sich zur Umkehr nach Kloten entschlossen, als über Brunnen erste Störungen auf- traten. Es besteht ein starker Verdacht, datt ein Attentat vorliegt. Das Flugzeug hat beim Absturz eine nnul 150 Meter lange Schneise in den Wald geschlagen, Alarm auf dem Flughafen emr. Die am Samstag zur Mittagszeit stets zahlreichen Besucher auf dem Flughafen wur- den vorerst es war kurz, nach 13 Uhr 20 aufmerksam, als vier Autos der Feuerwehr mit blauem Blinklicht aus dem Hangar jenseits des Flugsteiges wegführen und einstweilen kurz, vor der Kreuzung des Rollweges 2 mit der West- piste anhielten. Um diese Zeit warteten am Anfang der Westpiste etliche Flugzeuge auf die Freigabe zum Start. Plötzlich heulten bedroh- lich die Alarmsirenen auf; jetzt zweifelte kaum einer mehr daran, daß man sich auf etwas Ernsthaftes gefaßt machen mußte. Weitere Feuerwehrautos fuhren über den Rollweg 4 an den Rand der Blindlandepiste, und sie erhielten noch Verstärkung von Löschwagen von der Swissair-Wcrft her. Den Feuerwehrautos inzwischen war ihre Zahl auf über ein Dutzend gestiegen folgten Sanitätswagen und andere Dienstfahrzeuge. Gespannt wartete männiglich und suchte den grauen, verhangenen Himmel nach einem auftauchenden Flugzeug ab. Die Neugier wich aber rasch, als die Mehrzahl der Feuerwehrautos einrückte; daß die Sanität auf der Piste 16 nordwärts raste, beachteten nur wenige. Im Gegenteil, allgemein war man beruhigt und schloß aus den Beobachtungen, daß keine Hilfe vonnöten war. In Wirklichkeit aber war jede Hilfe überflüssig geworden: Bei den zu- ständigen Stellen war inzwischen die Meldung vom Absturz der Maschine eingetroffen. Die auf den Start wartenden Flugzeuge wurden zu- rückbeordert; vorübergehend war der Flug- hafen geschlossen. Bald aber wickelte sich der Verkehr wie an jedem Tag ab, und bis in die späten Nachmittagsstunden machte die Un- glückskunde nicht die Runde im Passagier- und Besuchertrakt des Flughofes. SwisMiir .'i.'{0 Zürich Tel Aviv Einige Zeit vor 13 Uhr erfolgte im Transit- raum der Abruf der 38 Passagiere für den Swissair-Flug 330 nach Tel Aviv. Für die Flüge nach Israel sind bekanntlich auf dem Flughafen Zürich besondere Vorsichtsmaßnahmen getrof- fen worden. So mußten auch die 38 Passagiere am Gate 12 eine zweite Kontrolle über sich ergehen lassen. Die Pässe wurden nochmals geprüft und die Personen kritisch gemustert Ein negroid aussehendes Paar erregte einigen Argwohn; man war geneigt, sie für Angehörige eines afrikanischen Staates zu halten. Die Ueberprüfung ihrer Papiere jedoch ergab, daß es sich um Bürger der Vereinigten Staaten han- ünfall oder Terrorakt? Die Nachricht vom Absturz des Swissair- Flugzcugcs hat in der Schweiz Trauer und Bestürzung ausgelöst und, da es sich um einen Kurs nach Tel Aviv handelte, weltweil Auf- sehen erregt. Der Verdacht, daß die Kata- strophe die Folge eines Anschlages sein könnte, liegt auf der Hand, um so mehr als es schwer' wiegende Hinweise in dieser Richtung gibt. lieweise jedoch liegen noch kelllß vor. Gewiß- heil ist nur von den Ermittlungen der Unter- SUChungsorgane, des Büros für Flugunfall- untersuchung und der Polizei, zu erwarten. Die definitive Abklärung der Katastrophen- urSQChc kann unter Umstünden mehrere Wo- chen dauern. Vorher irgendwelche Schrille zu unternehmen, die über eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen hinausgehen, wäre vor- eilig. Geht man davon aus. daß es sieh tat- sächlich um einen Spiengsiolfanschlag gehan- delt hat. so stellt die Frage nach der Täterschaft im Mittelpunkt. Mit der Möglichkeit, daß eine arabische Organisation direkt verantwortlich isi, muß man, nach entsprechenden Drohun- gen und den Aktionen, die von dieser Seite in letzter Zeil, gegen die Zivilluftfahrt unter- nommen worden sind, durchaus rechnen. In- dessen sind Erklärungen, die in Beirut oder Amman abgegeben werden, mit Zurückhaltung zu beurteilen. Es ist schon vorgekommen, daß sich mehrere Guerilla-Organisationen die Ver- antwortung für einen Anschlag sireilig ge- macht haben, und kürzlich haben sich arabi- sche Kreise damit gebriislet. im Hafen von Eilat ein Munitionsdepot in die Luft gesprengt zu haben, obwohl alles dafür spricht, daß es sich um einen Unfall gehandelt hat. Ander- seits ist es aber auch denkbar, daß aus momen- tanen OpportunitHtsiiberlegungcn eine tatsäch- lich vorliegende direkte Verantwortung geleug- net wird. Schließlich isl auch die Möglichkeit nicht im vornherein auszuschließen, daß ein Einzel- gänger einen Anschlag verübt haben könnte, ein politischer Fanatike r oder ein Psychopath, der unter Umständen mit den arabischen Parti- sanenorganisationen nichts zu tun hat. In die- sem Falle müßte man allerdings nachdrücklich festhalten) daß die arabische Terrorpolitik ge- gen die internationale Luftfahrt günstige psychologische Voraussetzungen für Verbre- chen dieser Art geschaffen hat. Auch wenn der Täler ein Einzelgänger wäre, ließe sich die Katastrophe von Würenlingen nicht aus der nun schon erschreckend langen Reihe von Ver- suchen ausklammern, den Konflikt mit Israel durch Anschläge auf unbeteiligte Dritte über den regionalen Bereich hinauszutragen. Sollte es sich erweisen, daß ein Täler im Auftrag einer arabischen Organisation gehandelt hat, daß er von einer solchen ausgebildet oder mit Sprengstoff ausgerüstet worden isl, so hätte man es mit einer schwerwiegenden Eskalation des Terrors zu tun, mit der die Weiterführung der zivilen Luftfahrt im Nahen Osten in Frage gestellt würde. In diesem Zusammenhang ist nicht zu übersehen, daß die Israeli bisher keine Sabotageakte an Zivil l'lugzeugen unternommen haben, bei denen am Konflikt Unbeteiligte betroffen wurden oder Menschen zu Schaden kamen. Würde ihr Geheimdienst zu den ver- brecherischen Methoden übergehen, die in Athen oder vor einem Jahr in Kloten prakti- ziert wurden, so wären die Folgen für die ara- bischen Luftverkehrsgesellschaften nicht abzu- sehen. Anschläge gegen zivile Flugzeuge, in denen sich Menschen befinden, sind deshalb beson- ders verabschcuungswtlrdigi weil die Täter und ihre Auftraggeber kaltblütig den Tod von Passagieren oder auch von Besalzungsmilglie- dern in Kauf nehmen, die mit ihren Zielen I nichts oder höchstens am Rande zu tun haben, Man wird deshalb nicht zögern, solche Taten als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich als Mord. Der Hinweis auf politische Motive kann nicht als Entschuldigung akzeptiert wer- den, vor allem wenn ein Anschlag weitab von einem Kriegsschauplatz erfolgt. Die Katastrophe von Würenlingen trifft immer vorausgesetzt, daß sie tatsächlich durch einen Sprengstoffanschlag verursacht worden ist nicht nur die Opfer und ihre Angehörigen, die Swissair und die Schweiz, sondern die gesamte Zivilluftfahrt. Erschwe« rend füllt dabe i ins Gewicht, daß am gleichen Tag ein Anschlag auf eine Caravelle der öster- reichischen AUA verübt worden ist. der leich t die gleichen katastrophalen Folgen hätte haben können. Ueber das Interesse hinaus, daf.. sich nun zunächst auf die AbkIHrung beider Fälle konzentriert, wird man erneut fragen müssen, was getan werden kann, um den internationa- len Luftverkehr wirksamer vor verbrecheri- schen Anschlägen zu schützen. Ob man mit verschallten Kontrollen zum Ziel kommt, ohne daß dabe i der Luftverkehr in unzumutbarer Weise behindert wird, er- scheint nach den Erfahrungen, die man in den letzten Jahren vor allem in Amerika mit dem Kampf gegen die Entführer gemacht hat, frag- lich. Vorläufig hat noch niemand eine Patent- lösung gefunden. Es ist eine Talsache, dnß unsere hochtechnisierle Zivilisation immer ver- letzbarer wird und einzelne Psychopathen oder Terroristen mit verhältnismäßig geringem Auf- wand Katastrophen verursachen können. Aussicht auf Erfolg verspricht nuf die Dauer nur eine weltweite internationale Zu- sammenarbeit mit dem Ziel, daß keine Regie- rung einem einzelnen Attentäter oder einer Terroristenorganisation Schulz gewährt, wie das heute im Nahen Osten oder auf Kuba der Fall ist. Ob und wie auch die arabischen Re- gierungen davon überzeugt werden können, daß sie sich mit ihrer Toleranz gegenüber Ent- führern und Attentätern selber schaden, ist eine offene Frage, wobei ohnehin ungewiß ist, inwiefern sie überhaupt in der Lage wären, der terroristischen Tätigkeit Hinhält zu gebie- ten. Im vorliegenden Fall wäre immerhin schon einiges erreicht, wenn sie Sprengstoffanschläge gegen Verkehrsflugzeuge aus Staaten, die am nahöstlichen Konflikt nicht beteiligt sind, ein- deutig verurteilen würden. Heute werden unter dem Eindruck des Absturzes in Würenlingen und des Anschlages auf das AUA-Fugzeug Maßnahmen gegen die arabischen Staaten im Nahen Osten gefordert, zum Teil voreilig, denn es ist sinnlos, etwas unternehmen zu wollen, bevor diese beiden Fälle eindeutig abgeklärt sind. Hat es sich aber tatsächlich um Anschläge gehandelt, wird die Frage nach geeigneten Schritten mit aller Gründlichkeit geprüft weiden müssen nicht nur in Bern, sondern in allen Hauptstädten und in den internationalen Organisationen. Dabei wird man sich nicht von Emotionen leiten lassen dürfen. Sinnvoll im Kampf gegen alle Formen der Luftpiraterie und gegen Anschläge auf Verkehrsflugzeuge sind nicht weitere ver- bale Demonstrationen, sondern nur energische Maßnahmen, mit denen die wirklieh Verant- wortlichen getroffen werden können. delte, die eben geheiratet hatten, und wegen der amerikanischen Pässe wurden sie keiner zu- sätzlichen Kontrolle unterzogen. An Bord wurden die Passagiere von den zwei Stewards und vier Hostessen empfangen. Im Cockpit der Convair V90A Coronado saßen als Bordkommandant Flugkapitän K. Beglinger, als sein Co-Pilot Flugkapitän A.Etienne und hinter ihnen Bordmechaniker W. Gimmi. Beide Piloten galten als erfahren: sie standen seit lan- ger Zeit im Dienste der .Swissair, und sie be- wiesen dann auch später in den Minuten höch- ster Not eine Kaltblütigkeit und Besonnenheit, die Bewunderung verdient. Ziemlich gena u zu der im Passagierflugplan angegebenen Zeit von 13 Uhr rollte der Coro- nado HB-ICD vom Standplatz weg über den Rollweg 1 zur Westpistc. Das Startgewicht des Flugzeuges betrug 94,8 Tonnen (maximales Startgewicht rund 112 Tonnen), und für den Direktflug nach Tel Aviv hatte die Maschine 32.6 Tonnen Flugpetrol getankt (die maximale Tankkapazität des Coronado liegt bei an- nähernd 60 000 Litern); im Zeitpunkt des Ab- sturzes dürfte der Tankinhalt bei 30 Tonnen Flugpetrol gelegen haben. Der Flug SR 330 hatte die Startfreigabe Alfa <;S7 erhalten. Diese führt vorerst westwärts Richtung Funkfeuer Zürich-West (in der Ge- gend von Suhr). Läßt es der Verkehr zu und hat das Flugzeug die aus Lärmgründen vor- geschriebene Höhe von 5000 Fuß (rund 1500 Meter) erreicht, so wird es von der Flugsiche- rung südostwärts gegen den Fixpunkt Alfa (einige Kilometer westlich von Morgen) diri- giert. Dort befindet es sich auf der Luftstraße Amber 9, welche in der Nord Süd-Achse auf der Linie der Funkfeuer Trasadingen, Kloten, Neue Zürcher Zeitung vom 23.02.1970

8/21 · 51ni(3iirrf|tr 3t ilunn INLAND 8/21 MonlnR, 2.1, Februar 1970 Morttcniuisiialie Nr. 88 21 Die Flugzeugkatastrophe bei Würenlingen Absturz eines Sivissair-Coronado auf dem

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51ni( 3iirrf|tr 3t ilunn INLAND8/21

MonlnR, 2.1, Februar 1970 Morttcniuisiialie Nr. 88 21

Die Flugzeugkatastrophe bei WürenlingenAbsturz eines Sivissair-Coronado auf dem Flug nach Tel Aviv - Alle 38 Passagiere und 9 Besatzungs-

mitglieder umgekommen - Schwerer Sabotage verdacht

Ein Coronado CV-990 der Swissatrist am Samstag um 13 Uhr 36 auf demFlug von Kloten nach Tel Aviv mit38 Passagieren und 9 Besatzungsmitglie-

dern an Bord in der Nähe des Atom-reaktors Würenlingen abgestürzt. Sämt-liche Insassen h o h en bei dieser größtenFlugzeugkatastrophe in der Schweiz seitdem Absturz der Swissair-Caravelle beiDürrenUsch im Jahr 1963 den Tod ye-

jnnden. Nach Augenzeugenberichten istdie brennende Maschine kurz vor demAufprall in einem Wald explodiert.

Das Swissair-Kursflugzeug war um13 Uhr 14 in Kloten gestartet. DcvKommandant des Coronado hatte sichzur Umkehr nach Kloten entschlossen,

als über Brunnen erste Störungen auf-traten. Es besteht ein starker Verdacht,datt ein Attentat vorliegt.

Das Flugzeug hat beim Absturz eine nnul 150 Meter lange Schneise in den Wald geschlagen,

Alarm auf dem Flughafen

emr. Die am Samstag zur Mittagszeit stetszahlreichen Besucher auf dem Flughafen wur-den vorerst es war kurz, nach 13 Uhr 20aufmerksam, als vier Autos der Feuerwehr mitblauem Blinklicht aus dem Hangar jenseits desFlugsteiges wegführen und einstweilen kurz, vorder Kreuzung des Rollweges 2 mit der West-piste anhielten. Um diese Zeit warteten amAnfang der Westpiste etliche Flugzeuge auf dieFreigabe zum Start. Plötzlich heulten bedroh-lich die Alarmsirenen auf; jetzt zweifelte kaumeiner mehr daran, daß man sich auf etwasErnsthaftes gefaßt machen mußte. WeitereFeuerwehrautos fuhren über den Rollweg 4 anden Rand der Blindlandepiste, und sie erhieltennoch Verstärkung von Löschwagen von derSwissair-Wcrft her. Den Feuerwehrautosinzwischen war ihre Zahl auf über ein Dutzendgestiegen folgten Sanitätswagen und andereDienstfahrzeuge. Gespannt wartete männiglichund suchte den grauen, verhangenen Himmelnach einem auftauchenden Flugzeug ab. DieNeugier wich aber rasch, als die Mehrzahl derFeuerwehrautos einrückte; daß die Sanität aufder Piste 16 nordwärts raste, beachteten nurwenige.

Im Gegenteil, allgemein war man beruhigt

und schloß aus den Beobachtungen, daß keine

Hilfe vonnöten war. In Wirklichkeit aber warjede Hilfe überflüssig geworden: Bei den zu-ständigen Stellen war inzwischen die Meldungvom Absturz der Maschine eingetroffen. Dieauf den Start wartenden Flugzeuge wurden zu-rückbeordert; vorübergehend war der Flug-hafen geschlossen. Bald aber wickelte sich derVerkehr wie an jedem Tag ab, und bis in diespäten Nachmittagsstunden machte die Un-glückskunde nicht die Runde im Passagier- undBesuchertrakt des Flughofes.

SwisMiir .'i.'{0 Zürich Tel AvivEinige Zeit vor 13 Uhr erfolgte im Transit-

raum der Abruf der 38 Passagiere für denSwissair-Flug 330 nach Tel Aviv. Für die Flüge

nach Israel sind bekanntlich auf dem FlughafenZürich besondere Vorsichtsmaßnahmen getrof-fen worden. So mußten auch die 38 Passagiere

am Gate 12 eine zweite Kontrolle über sichergehen lassen. Die Pässe wurden nochmalsgeprüft und die Personen kritisch gemustertEin negroid aussehendes Paar erregte einigenArgwohn; man war geneigt, sie für Angehörigeeines afrikanischen Staates zu halten. DieUeberprüfung ihrer Papiere jedoch ergab, daßes sich um Bürger der Vereinigten Staaten han-

ünfall oder Terrorakt?Die Nachricht vom Absturz des Swissair-

Flugzcugcs hat in der Schweiz Trauer undBestürzung ausgelöst und, da es sich um einenKurs nach Tel Aviv handelte, weltweil Auf-sehen erregt. Der Verdacht, daß die Kata-strophe die Folge eines Anschlages sein könnte,liegt auf der Hand, um so mehr als es schwer'wiegende Hinweise in dieser Richtung gibt.

lieweise jedoch liegen noch kelllß vor. Gewiß-heil ist nur von den Ermittlungen der Unter-SUChungsorgane, des Büros für Flugunfall-untersuchung und der Polizei, zu erwarten.Die definitive Abklärung der Katastrophen-urSQChc kann unter Umstünden mehrere Wo-chen dauern. Vorher irgendwelche Schrille zuunternehmen, die über eine Verschärfung derSicherheitsmaßnahmen hinausgehen, wäre vor-eilig.

Geht man davon aus. daß es sieh tat-sächlich um einen Spiengsiolfanschlag gehan-

delt hat. so stellt die Frage nach der Täterschaftim Mittelpunkt. Mit der Möglichkeit, daß einearabische Organisation direkt verantwortlichisi, muß man, nach entsprechenden Drohun-gen und den Aktionen, die von dieser Seite inletzter Zeil, gegen die Zivilluftfahrt unter-nommen worden sind, durchaus rechnen. In-dessen sind Erklärungen, die in Beirut oderAmman abgegeben werden, mit Zurückhaltungzu beurteilen. Es ist schon vorgekommen, daßsich mehrere Guerilla-Organisationen die Ver-antwortung für einen Anschlag sireilig ge-macht haben, und kürzlich haben sich arabi-sche Kreise damit gebriislet. im Hafen vonEilat ein Munitionsdepot in die Luft gesprengt

zu haben, obwohl alles dafür spricht, daß es

sich um einen Unfall gehandelt hat. Ander-seits ist es aber auch denkbar, daß aus momen-tanen OpportunitHtsiiberlegungcn eine tatsäch-lich vorliegende direkte Verantwortung geleug-

net wird.

Schließlich isl auch die Möglichkeit nichtim vornherein auszuschließen, daß ein Einzel-gänger einen Anschlag verübt haben könnte,ein politischer Fanatiker oder ein Psychopath,der unter Umständen mit den arabischen Parti-sanenorganisationen nichts zu tun hat. In die-sem Falle müßte man allerdings nachdrücklichfesthalten) daß die arabische Terrorpolitik ge-gen die internationale Luftfahrt günstigepsychologische Voraussetzungen für Verbre-chen dieser Art geschaffen hat. Auch wenn derTäler ein Einzelgänger wäre, ließe sich dieKatastrophe von Würenlingen nicht aus dernun schon erschreckend langen Reihe von Ver-suchen ausklammern, den Konflikt mit Israeldurch Anschläge auf unbeteiligte Dritte überden regionalen Bereich hinauszutragen. Solltees sich erweisen, daß ein Täler im Auftrageiner arabischen Organisation gehandelt hat,daß er von einer solchen ausgebildet oder mitSprengstoff ausgerüstet worden isl, so hätteman es mit einer schwerwiegenden Eskalationdes Terrors zu tun, mit der die Weiterführungder zivilen Luftfahrt im Nahen Osten in Fragegestellt würde. In diesem Zusammenhang istnicht zu übersehen, daß die Israeli bisher keineSabotageakte an Zivil l'lugzeugen unternommenhaben, bei denen am Konflikt Unbeteiligtebetroffen wurden oder Menschen zu Schadenkamen. Würde ihr Geheimdienst zu den ver-brecherischen Methoden übergehen, die inAthen oder vor einem Jahr in Kloten prakti-ziert wurden, so wären die Folgen für die ara-bischen Luftverkehrsgesellschaften nicht abzu-sehen.

Anschläge gegen zivile Flugzeuge, in denensich Menschen befinden, sind deshalb beson-ders verabschcuungswtlrdigi weil die Täter undihre Auftraggeber kaltblütig den Tod vonPassagieren oder auch von Besalzungsmilglie-

dern in Kauf nehmen, die mit ihren ZielenI nichts oder höchstens am Rande zu tun haben,

Man wird deshalb nicht zögern, solche Tatenals das zu bezeichnen, was sie sind, nämlichals Mord. Der Hinweis auf politische Motivekann nicht als Entschuldigung akzeptiert wer-den, vor allem wenn ein Anschlag weitab voneinem Kriegsschauplatz erfolgt.

Die Katastrophe von Würenlingen trifftimmer vorausgesetzt, daß sie tatsächlich

durch einen Sprengstoffanschlag verursachtworden ist nicht nur die Opfer und ihreAngehörigen, die Swissair und die Schweiz,

sondern die gesamte Zivilluftfahrt. Erschwe«rend füllt dabei ins Gewicht, daß am gleichenTag ein Anschlag auf eine Caravelle der öster-reichischen AUA verübt worden ist. der leichtdie gleichen katastrophalen Folgen hätte habenkönnen. Ueber das Interesse hinaus, daf.. sichnun zunächst auf die AbkIHrung beider Fällekonzentriert, wird man erneut fragen müssen,was getan werden kann, um den internationa-len Luftverkehr wirksamer vor verbrecheri-schen Anschlägen zu schützen.

Ob man mit verschallten Kontrollen zumZiel kommt, ohne daß dabei der Luftverkehrin unzumutbarer Weise behindert wird, er-scheint nach den Erfahrungen, die man in denletzten Jahren vor allem in Amerika mit demKampf gegen die Entführer gemacht hat, frag-lich. Vorläufig hat noch niemand eine Patent-lösung gefunden. Es ist eine Talsache, dnßunsere hochtechnisierle Zivilisation immer ver-letzbarer wird und einzelne Psychopathen oderTerroristen mit verhältnismäßig geringem Auf-wand Katastrophen verursachen können.

Aussicht auf Erfolg verspricht nuf dieDauer nur eine weltweite internationale Zu-sammenarbeit mit dem Ziel, daß keine Regie-rung einem einzelnen Attentäter oder einerTerroristenorganisation Schulz gewährt, wiedas heute im Nahen Osten oder auf Kuba derFall ist. Ob und wie auch die arabischen Re-gierungen davon überzeugt werden können,daß sie sich mit ihrer Toleranz gegenüber Ent-führern und Attentätern selber schaden, isteine offene Frage, wobei ohnehin ungewiß ist,inwiefern sie überhaupt in der Lage wären,der terroristischen Tätigkeit Hinhält zu gebie-ten. Im vorliegenden Fall wäre immerhin schoneiniges erreicht, wenn sie Sprengstoffanschlägegegen Verkehrsflugzeuge aus Staaten, die amnahöstlichen Konflikt nicht beteiligt sind, ein-deutig verurteilen würden.

Heute werden unter dem Eindruck desAbsturzes in Würenlingen und des Anschlagesauf das AUA-Fugzeug Maßnahmen gegen diearabischen Staaten im Nahen Osten gefordert,zum Teil voreilig, denn es ist sinnlos, etwasunternehmen zu wollen, bevor diese beidenFälle eindeutig abgeklärt sind. Hat es sichaber tatsächlich um Anschläge gehandelt, wirddie Frage nach geeigneten Schritten mit allerGründlichkeit geprüft weiden müssen nichtnur in Bern, sondern in allen Hauptstädten undin den internationalen Organisationen. Dabeiwird man sich nicht von Emotionen leitenlassen dürfen. Sinnvoll im Kampf gegen alleFormen der Luftpiraterie und gegen Anschlägeauf Verkehrsflugzeuge sind nicht weitere ver-bale Demonstrationen, sondern nur energischeMaßnahmen, mit denen die wirklieh Verant-wortlichen getroffen werden können.

delte, die eben geheiratet hatten, und wegender amerikanischen Pässe wurden sie keiner zu-sätzlichen Kontrolle unterzogen.

An Bord wurden die Passagiere von denzwei Stewards und vier Hostessen empfangen.

Im Cockpit der Convair V90A Coronado saßenals Bordkommandant Flugkapitän K. Beglinger,

als sein Co-Pilot Flugkapitän A.Etienne undhinter ihnen Bordmechaniker W. Gimmi. BeidePiloten galten als erfahren: sie standen seit lan-ger Zeit im Dienste der .Swissair, und sie be-wiesen dann auch später in den Minuten höch-ster Not eine Kaltblütigkeit und Besonnenheit,die Bewunderung verdient.

Ziemlich g e n au zu der im Passagierflugplanangegebenen Zeit von 13 Uhr rollte der Coro-nado HB-ICD vom Standplatz weg über denRollweg

1 zur Westpistc. Das Startgewicht desFlugzeuges betrug 94,8 Tonnen (maximales

Startgewicht rund 112 Tonnen), und für denDirektflug nach Tel Aviv hatte die Maschine32.6 Tonnen Flugpetrol getankt (die maximaleTankkapazität des Coronado liegt bei an-nähernd 60 000 Litern); im Zeitpunkt des Ab-sturzes dürfte der Tankinhalt bei 30 TonnenFlugpetrol gelegen haben.

Der Flug SR 330 hatte die Startfreigabe

Alfa <;S7 erhalten. Diese führt vorerst westwärtsRichtung Funkfeuer Zürich-West (in der Ge-gend von Suhr). Läßt es der Verkehr zu undhat das Flugzeug die aus Lärmgründen vor-geschriebene Höhe von 5000 Fuß (rund 1500Meter) erreicht, so wird es von der Flugsiche-rung südostwärts gegen den Fixpunkt Alfa(einige Kilometer westlich von Morgen) diri-giert. Dort befindet es sich auf der LuftstraßeAmber 9, welche in der Nord Süd-Achse aufder Linie der Funkfeuer Trasadingen, Kloten,

Neue Zürcher Zeitung vom 23.02.1970

Page 2: 8/21 · 51ni(3iirrf|tr 3t ilunn INLAND 8/21 MonlnR, 2.1, Februar 1970 Morttcniuisiialie Nr. 88 21 Die Flugzeugkatastrophe bei Würenlingen Absturz eines Sivissair-Coronado auf dem

22 Montag, 23. l-'ebrunr 1970 Morgenausgabe Nr. 88 INLAND Stnir 3iird)cr,3cifiiiifl

Brunnen und Monte Ccncri über unserem Landvcrllluft.

Umkehr über BrunnenDie Besatzung des Coioiuido erhielt vom

Kontrollturm die Bewilligung, auf die Westpisteeinzudrehen und zu starten. D er Start verliefnormal; um 13 Uhr 14 war das Flugzeug «air-borne», das heißt, es halte abgehoben. SeinSteigflug wurde von dem für diesen Sektor zu-ständigen Flugverkehrsleiter auf dem Radar-schirm überwacht. Als der Coronado sieli un-gefähr auf einer Höhe von 1800 Metern befand,etwa in der Gegend von Mellingen an der Rcuß,wurde die Besatzung angewiesen, eine Rechts-kurve einzuleiten und Kurs Richtung LuftslaßeAmber 9 und Funkfeuer Brunnen einzuhalten.Das Flugzeug stieg rasch weiter und erreichteum 13 Uhr 21 das Funkfeuer Brunnen.

Ungefähr gleichzeitig das Flugzeug wurdejetzt von der Luftstraßenkontrolle der ZürcherFlugsicherung geführt - traf über den Funkdie erste Slörungsmoldung in Zürich ein. «Wehave cabin pressure troublc», meldete der Pilot.Die Druckluftkabine mußte also durch irgend-ein Leck undicht geworden sein, sofern die An-zeige stimmte. Unverzüglich faßte die Besatzung

den Entschluß, nach Zürich zurückzukehren,und verlangte von der Flugsicherung die ent-sprechende Freigabe. Der Verkehrslciter gab

dem Piloten sofort die Bewilligung, in einerRechtskurve auf Kurs 330 Grad direkt Rich-tung Funkfeuer Koblenz zu drehen, von wo derCoronado zum lnstrumentenlandeanflug einge-

wiesen worden wäre, der beim Funkfeuer Rheinbeginnt.

Die letzten Minuten

Daß es sich um keine harmlose Störunghandelte, wußte man schon eine Minute später.

Der Pilot meldete: «Suspect e.xplosion in thealt compartment.» Der Pilot hatte also be-stimmte Anhaltspunkte, die ihn auf eine Explo-sion in den hintern der gesamthafi vier Fracht-räume schließen ließen. Um diese Zeit muß dieBesatzung schon sehr beschäftigt gewesen sein;

in der Umkehrkurve wurde das Flugzeug aufeinen Kurs von 60 Grad überdreht, und derVerkehrslcilcr ordnete eine entsprechende

Kurskorrektur an.

Die Situation spitzte sich rasch zu. Feuerwar an Bord des Coronado ausgebrochen, undder Pilot verlangte nun, so rasch wie möglich

landen zu können; es handle sich um einen Not-lall («request immediate lancling; this is anemergency»)- Daß die Besatzung in diesemAugenblick überzeugt war. nur eine verbreche-tische Handlung könne die Ursache sein, geht

aus der folgenden Aufforderung hervor: «Rc-

^ucst poliec to investigatc the ineident!» DieFunkspruche folgten sich immer rascher; in der

Flugsicherung schloß man aus verschiedenenAnzeichen, daß die Besatzung voll in Anspruchgenommen worden und im Fliegen schon be-hindert war. Sie meldete zunehmende Rauch-entwicklung im Cockpit; zum Schutz hatte siesich «emergency sets» Sauerstoffmasken mitKehlkopfmikrophonen und allenfalls auch einebesondere Brille über das Gesieht gestülpt,und ihre Durchsagen waren nunmehr nichtimmer gut verständlich.

Offensichtlich hatten die Piloten Mühe, denKurs :.u hallen. Ob sie durch andere Aufgabenabgelenkt wurden, ob sie die Instrumente imRauch schon nicht mehr klar erkennen konn-ten oder ob das Feuer bereits lebenswichtige

Teile der Maschine in Mitleidenschaft gezogenhatte, ist ungewiß.

In der Flugsicherung wies man den Coro-nado ständig auf den kürzesten Kurs zum ln-strumentenlandeanflug. Viel Zeit blieb nicht,und der Verkehrslciter drängte auf eine höhereGeschwindigkeit eine Forderung, die wahr-scheinlich nicht zu erfüllen war. Um 13 Uhr 27hatte sich die Maschine noch 9 Kilometer süd-östlich vom Fixpunkt Alfu auf der Flug-fläche SO (ungefähr auf 2400 Metern Höhe) be-I unden. Die Maschine näherte sich nach13 Uhr 32 allmählich dem Funkfeuer KoblenzDoch meldete der Pilot, daß er nichts mehrmachen könne. Trotzdem gab ihm die Flug-sicherung laufend neue Anweisungen, die zumTeil unbeantwortet blieben. Daß keine Hoff-nung auf eine Rettung mehr bestand, wußteman nach den letzten, ergreifenden Abschieds-worten des Piloten; «1 can't sec anything. Good-byc everybody.» Auf dem Radarschirm stellteman fest, daß das Flugzeug zuletzt in derGegend von WUrenllngen-Döttlngen kreiste.Etwa um 13 Uhr 35 verglomm das Radarechoauf dem Schirm . . . Weitere Rufe der Flug-sicherung an die Besatzung blieben unbeant-wortet.

Kein anderer Ausweg

Der Entschluß des Kommandanten, nachZürich zurückzufliegen, nachdem an Bord desCoronado auf der Höhe des Funkfeuers Brun-nen die ersten Anzeichen einer ernsthaftenStörung wahrgenommen worden waren, mußzweifellos als richtig bezeichnet werden. InZürich konnte er bei einem Notfall die besteBeratung und die größte Unterstützung undHilfe erwarten. Ein tragisches Geschick wolltees, daß es eine Frage weniger Minuten war,die über Tod oder Leben entschied. Dennspätestens Vier bis f ünf Minuten nach derUnglllckszetl hätte die Maschine in Klotenlanden können.

An diesem stürmischen Tage, da starkeWestwindböen Regenschauer vor sich her

MNH CROSSING

ALT 14000

Dick eingezeichnet ist schematisch der Flugweg des Coronado über die Wcgflugroute Alfa 81 zum FunkfeuerBrunnen auf der Luftstraße Amber 9 und der Umkehrweg Richtung Funkfeuer Koblenz bis zur Absturzstellebei Würenlingen. Gestrichelt ist der ungefähre Weg angedeutet, auf dem das Flugzeug über das FunkfeuerRhein in die Instrumcntenanfliigschneise und auf die Blindlandepiste gelangt wäre. Der Rückflug verlief aller-dings nicht so gradlinig; die Besatzung hatte offenkundig zunchmends Mühe, den vom Radaroperateur der

Anflugleitung angeordneten Kurs zu hallen.

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licr Swlssnlr-Coronado llli-l('l), der mit 47 Mensehen um Samstag hol WUrenllngen abgestürzt Ist,

peitschten und die Wolkenuntergrenzc tief lag,

kam nur eine Instriimentenlandunu in Frage;

an eine Landung nach Sichtflugverhältnissen

war nicht zu denken. Aus topographischen

Gründen kann in Zürich nur eine Instrumen-tenlandeanlage für einen Anflug von Nordenher über die Funkfeuer Rhein (bei Glattfelden)und Glatt installiert werden. Das bedeutet fürFlugzeuge, die aus südlicher Richtung kom-men, einen relativ weiten und zeitraubendenUmweg. Bei der an Bord des Coronado herr-schenden Situation hätte die Zeit gefehlt, umvor der Landung Brennstoff abzulassen. Daszulässige Lnndegcwicht von 81 Tonnen wäredann etwa um acht bis zehn Tonnen über-schritten worden, doch hätte eine Landunggleichwohl unfallfrei gelingen können.

Betrachtet man die Karte, so stellt manfest, daß theoretisch noch andere Flugplätze

in Frage gekommen wären, nämlich die Mili-tärflugplätze Buochs, Emmcn und Diibendorf.Emmen und Diibendorf verfügen über die er-forderlichen Lnndchilfen, doch da die Militär-flieger am Samstag nachmittag keinen Flug-dienst kennen, waren diese Plätze nicht besetztund die Navigationsanlagcn nicht in Betrieb.Ueberdics hätten auch diese nllcin kaum etwasgenützt, wenn nicht zugleich Rettungs- undBergungsmannschaftcn ihren Dienst versehenhätten. All diese Leute in den wenigen Minu-ten aufzubieten, ist ein Ding der Unmöglich-keit, und deshalb konnte dieser Ausweg garnicht in Betracht gezogen werden.

Vom Verduelit zur GewißheitEndgültige Gewißheit über die Ursache

des Absturzes wird man erst haben, wenn dasErgebnis der Untersuchungsbehörden vorliegt.Einerseits ist diese den Leuten der Eidgenös-

sischen Flugimfall-Untcrsuchungskommissionübertragen, denen so hervorragende Leute wieDr. Jakob Meier vom WissenschaftlichenDienst der Züricher Stadtpolizei beistehen,der schon nach der Katastrophe von Dürren-iisch viel zur Abklärung der Ursache beitrug,

anderseits werden auf dem Flughafen Zürichpausenlos Ermittlungen durch die Kantons-polizei Zürich vorgenommen, die unter derLeitung des Biilachcr Bczirksanwalts (undzukünftigen Chefs der kantonalen Kriminal-polizei) Dr. Claude Baumann stehen. Jeder-mann, der in irgendeiner Funktion mit derHB-ICD oder mit Waren, die in das Flugzeugeingeladen wurden, zu tun hatte, wird verhört,und das ist eine unvorstellbar große Zahl vonPersonen, wenn man an die Reinigungs-equipen, die Frachtarbeitcr, die Angestellten

vom Borddienst denkt. Frachtmanifcste undPassagicrlistcn werden Punkt für Punkt einerexakten Prüfung unterzogen, ob sich Anhalts-punkte für mögliche Täter finden lassen.

Damit ist auch schon gesagt, daß man beider Polizei kaum mehr daran zweifelt, Ursacheder Katastrophe könne nur ein Verbrechensein. Die Mehrheit der Ermittlungen zielt indieser Richtung. Praktisch zur Gewißheit ver-dichtet hat sich der Verdacht bei den ver-antwortlichen Sachverständigen der Swissair,

welche schon die Trümmcrstcllc besichtigt

haben. Sind die Explosion und der Brand,wie die Besatzung es vermutete, von den hin-teren Laderäumen ausgegangen, so weiß manin technischer Sicht, daß sich dort keine feuer-gefährlichen Bestandteile der Maschine befin-den. Ein Faktor, der beim Caravellc-Absturzvon Diirrenäsch im Jahr 1 9 63 maßgeblich be-teiligt war, scheidet beim Coronado aus. Zwarführen für die Steuerung Leitungen mit hydrau-

lischer Flüssigkeit nach hinten zu den Höhcn-und Seitenrudern, doch ist das amerikanischeSkydrol nicht entflammbar.

Möglich ist es aber auch, daß die Besat-zung sich täuschte, und der Explosions- undBrandherd weiter vorne lag, was eine Erklä-rung dafür böte, daß vielleicht verhältnismäßig

früh lebenswichtige Teile der Maschine be-schädigt wurden. Der Coronado HB-ICD flog

am Freitag die Routen Tel Aviv ZürichIstanbul Ankara und am Samstag vor demUnglücksflug Ankara Istanbul Zürich.

Normaler Fortgang des Swissair-Verkelirs

Wie die Gcschäftsleitung der Swissair amSamstag abend angekündigt hat, gedenkt sie,

einstweilen nicht, Kurse ausfallen zu lassen;dagegen wird die Kontrolle von Passagleren,Gepäck und Fracht noch wesentlich verschärft.Mit wenigen Minuten Verspätung verließ inder Nacht auf den Sonntag nach 2 Uhr derSpezialkurs 1330 Zürich zum Flug nach TelAviv, um dort die Passagiere zu holen, diemit der Unglücksmaschine in die Schweizfliegen wollten. Das Flugzeug traf mit 50 Pas-sagieren in Zürich ein: gebucht hatten 56 Flug-gäste. Und zur vorgesehenen Zeit verließ amSonntag morgen nach 8 Uhr der Swissair-Kurs 332 Zürich in Richtung Tel Aviv; eswaren keine Passagierausfälle zu verzeichnen.

Die Namen der OpferDie Pn**ii|Q;ierli»te

ag Folgende 38 Passagiere haben beim Absturz denTod Befunden:

Herr B. Aboutboul, Israel, Herr M. Attia, Israel,Herr llaycr, Deutschland, Herr I.. Bristols, Belgien,

Herr Hrzozowski, Deutschland, Herr Dr. Carell,Deutschland, Herr J. C'arpentcr, Großbritannien, Prof.Ccsnirc, Senegal, Herr Christiansen, Deutschland,Herr R, Crlsolll, Deutschland, Herr N. lillcnczwcig,Israel, FrBU F. Freudenberg, Israel, Herr K. Frey,Deutschland, Frau K. Golan, Israel, Dr. P. Hörn,Israel, Frau M. Hörn, Israel, Herr Hörn, Deutschland,Frau R. Man, Israel, Herr Klingen, Deutschland, FrauKlingen, Deutschland, Herr I.. Kolatacz, Kanada,Frau E. Kolatacz, Kanada. Herr M. Korn, Israel,l'lugkapiliin Hans Kuhn, Schweiz, Herr P. l.auha-tirananda, Thailand, Herr H. I.cv-Kochav, Israel,Herr I.ingafcllcr, USA, Herr Mcilon Mcyrson, USA,Prof. Milwidsky Hanosh, Israel, Herr Moncl. Deutsch-land, Herr R. Neubct-gcr, Israel, Herr A. Silvcrhots,Mexiko, Frau A. Sllvcrhots, Mexiko, Herr Glen Wnrc,USA, Dr. K. Wcincrniann, USA, Frau S. Wcincrmnnn,USA, Frau Wertmann, Israel, Herr Zeldcr, Deutsch-land.

(Genauere Angaben liegen bei Blattabschluß nochnicht vor.)

Die Besatzung des Coronadonv Die Swissair hat folgende Liste der neun llc-

sat/ungsmitglicdcr veröffentlicht:Mugkupitiin Karl Berlingcr, geb. 1924, verheiratet,

Weiningen; Co-Pilot Armand Etlenne, geb. 1918, ver-heiratet, Genf; Bordmechaniker Werner Gimmi, geb.1933, verheiratet, Hlllach; Stcwnrd Hans Maag, geb.1939, verheiratet, Iltllach; Steward Peter Frey, geb.1940, ledig, Nicdcrhasli; Hostessen: Cluirc Aubort,geb. 1949, ledig, Glattbrugg; Elianc Calllard, geb.1945, ledig, Zürich; Ciaire Henry, geb. 1946, ledig,Kloten; Doris Rusca, geb. 1946, ledig, Winterthur.

Swissair fliegt keine Post mehrnach Tel Aviv

up Die Swissair hat bereits Konsequenzen ausdem Absturz des Coronado gezogen: neben einernoch schürferen Ucberwachung des Flugverkehrs hatsich die Gesellschaft einschlössen, keine Post mehrnach Tel Aviv zu befördern. Wie ein Sprecher desSwissair-Prcsscdicnstes am Sonntag nachmittag wei-ter mitteilte, handelt es sich hierbei um eine Sicher-heitsmaßnahme von noch unbestimmter Dauer.

Auf der Absturzstelle sind nur wenige größere Bestand-teile des Flugzeugs m finden.Neue Zürcher Zeitung vom 23.02.1970