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Mikrobiologisches Langzeitmonitoring in Pharmaanwendungen Der rechtliche Hintergrund Die GMP Guidelines für sterile Fertigung [1] (basierend auf 91/356/EC und 91/412/EC) fordern ein regelmäßiges mikrobiologisches Monitoring von Raumluft und Oberflächen in Klasse A Reinraumbereichen. Dieses Monitoring greift in der Praxis auf eine Reihe von ver- schiedenen Verfahren zurück. So etabliert sich häufig eine Kombination aus Sedimenta- tionsplatten, aktiver volumetri- scher Luftkeimsammlung und Beprobung von Oberflächen mittels Abklatschmethoden. Alle diese Verfahren werden regelmäßig in einer schriftlich festgelegten Routine durch- geführt. Auch die USP 25 [2] präsentiert einen tabellarischen Aktionsplan, der Class 100 Reinräume und die produktions- unterstützenden Reinräume in unmittelbarer Nähe betrifft. Hier wird ein Monitoring gefordert, das synchron mit jeder Produktionsschicht läuft und ein Minimum von 1 m 3 Raumluft umfassen soll. Abb. 1: Typischer Aufbau eines portablen Luftkeimsammlers GIT ReinRaumTechnik 03/2002, S. 42-45, GIT VERLAG GmbH & Co. KG, Darmstadt, www.gitverlag.com/go/reinraumtechnik

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Mikrobiologisches Langzeitmonitoring in Pharmaanwendungen

Der rechtliche HintergrundDie GMP Guidelines für sterile

Fertigung [1] (basierend auf

91/356/EC und 91/412/EC)

fordern ein regelmäßiges

mikrobiologisches Monitoring

von Raumluft und Oberflächen

in Klasse A Reinraumbereichen.

Dieses Monitoring greift in der

Praxis auf eine Reihe von ver-

schiedenen Verfahren zurück.

So etabliert sich häufig eine

Kombination aus Sedimenta-

tionsplatten, aktiver volumetri-

scher Luftkeimsammlung und

Beprobung von Oberflächen

mittels Abklatschmethoden.

Alle diese Verfahren werden

regelmäßig in einer schriftlich

festgelegten Routine durch-

geführt. Auch die USP 25 [2]

präsentiert einen tabellarischen

Aktionsplan, der Class 100

Reinräume und die produktions-

unterstützenden Reinräume in

unmittelbarer Nähe betrifft.

Hier wird ein Monitoring

gefordert, das synchron mit

jeder Produktionsschicht läuft

und ein Minimum von 1 m3

Raumluft umfassen soll.

Abb. 1: Typischer Aufbau eines portablenLuftkeimsammlers

GIT ReinRaumTechnik 03/2002, S. 42-45, GIT VERLAG GmbH & Co. KG, Darmstadt, www.gitverlag.com/go/reinraumtechnik

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ISO 14698 [3] , der derzeit disku-tierte neue Standard, verweistebenfalls auf den Bedarf einesregelmäßigen mikrobiologischenMonitorings im Betriebszustanddes Sterilraumes. Im Blatt 2 desISO Standards wird indirekt daraufhingewiesen, dass die Monitoring-frequenz und das Probennahme-volumen der Luftkeimsammlunghoch genug sein muss, um einestatistische Signifikanz der er-mittelten Daten zu gewährleisten.Die Probennahmefrequenz ist ge-mäß ISO Blatt 2 ebenfalls ab-hängig von spezifischen Faktorendes Produktionsprozesses, desReinraumdesigns, der Wechselwir-kungsstärke mit dem Menschenund den historischen Erfahrungs-werten eines bereits laufendenmikrobiologischen Monitoringpro-gramms. Gemäß ISO Blatt 2 exis-tiert dementsprechend kein allge-meingültiges Monitoringschemafür alle Umgebungen [4].

Die KurzzeitprobennahmeIm betrieblichen Alltag haben sichetliche tragbare Luftkeimsammleretabliert, deren Konzept kurzeProbennahmezeiten mit dem Im-paktionsverfahren kombiniert. Beieinem solchen Luftkeimsammler(Beispiel in Abb. 1) steht der hoheBedienkomfort bei gleichzeitigniedrigem Gewicht von einigenwenigen Kilogramm im Vorder-grund. Üblicherweise wird dieseArt von Keimsammler mit wieder-aufladbaren Batterien betriebenund ist als Folge für Probennahme-zyklen im Minutenbereich (typisch< 10 Minuten für 1 m3 Luft) ausge-legt. Diese Art von Keimsammlerist somit ein beliebtes Instrumentfür Kurzzeitbetrachtungen.

Die Probleme der LangzeitprobennahmeAls Erweiterung der Probennahmeim Minutenbereich gibt es in derpharmazeutischen Routine einwachsendes Interesse in Richtungkontinuierlichem Monitoring oderKeimsammlung mit hohen Probe-mengen. Um die statistische Signi-fikanz der Ergebnisse zu erhöhen,wird eine Probenahme angestrebt,die einen typischen Produktions-zeitraum von 3 bis 4 Stunden be-gleitet. Leider ist, solange portableKeimsammler eingesetzt werden,dieser Wunsch erfahrungsgemäßvon einigen unüberwindlichen Hin-dernissen begleitet. Die langenZeiträume bedeuten für die proben-

nehmende Person eine unange-nehme Belastung und blockiereneventuell die laufende Produktion.Austrocknung des Nährmediumsund ein Absterben frühzeitig ein-gefangener Mikroorganismen könnenweitere Problempunkte sein. Auchsetzt die immer häufiger anzutref-fende Produktion in Isolatorendieser konventionellen Proben-nahmetechnik Grenzen. Um sichder Thematik des mikrobiologi-schen Langzeitmonitoring zunähern, reicht eine Anpassung derkonventionellen Kurzzeitkonzepteleider nicht aus. Die Erhöhung desLuftdurchsatzes durch ein Hand-held-System fördert nämlich denAustrocknungsprozess des Nähr-mediums drastisch, und eine strö-mungstechnische Beschleunigungder Keime führt beim Auftreffenauf das Medium zu Belastungen,die ein Überleben der Organismenin Frage stellt. Auch die Aufent-haltszeit des Luftkeimsammlers inunmittelbarer Nähe zum Produktwird immer kritischer. Schließlichsind handbetriebene Keimsammlernicht vollständig sterilisierbar, unddie integrierte Pumpe ist grund-sätzlich als permanente Partikel-quelle zu verdächtigen. Ferner istin diesem Fall das Konzept einerBatterieversorgung nicht längerhaltbar.

Wassermangel als KernproblemEine genaue Problemanalyse iden-tifiziert die Dehydrierung des Nähr-mediums als das zentrale Problemder Langzeit-Luftkeimsammlung.Jeder lebende Organismus muss inseiner Umgebung all diejenigenSubstanzen finden, die er zu seinerspezifischen Energieerzeugung undzur zellulären Biosynthese braucht.Neben diesen Nährsubstanzen sindTemperatur, Sauerstoff (anwesendoder abwesend) und Wasser wei-tere Faktoren von entscheidenderBedeutung. Wasser ist dasLösungsmittel, in dem die Mole-küle des Lebens gelöst sind, unddie Verfügbarkeit von Wasser istmithin der kritische Faktor für dasWachstum aller Zellen. Die Wasser-verfügbarkeit für eine Zelle hängtvon der Konzentration in derRaumluft (relative Feuchte) oderder Konzentration im Nährmediumab (Wasseraktivität). Die Wasser-aktivität (Aw) von reinem H2O ist1,0 (100% Wasser). Mikroorganis-men leben über einen Aw-Bereichvon 1,0 bis 0,7 [5]. Da also die

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effiziente Wasserversorgung für Bakterienüberlebenswichtig ist, muss eine Langzeit-Luftkeimsammlung dafür sorgen, dass Dehy-dration nicht das Wachstumsvermögen dereingefangenen Keime unterdrückt.

Langzeitprobennahme – eine technische UmsetzungDie Validierungsberichte des in Abb. 2 dar-gestellten Impaktionssystems präsentiereneine Konstruktion, die eine Wasserversorgungüber 3 Stunden Probennahme sicherstellt [6]. Hier wird die Raumluft wohldefiniert ange-

Abb. 4: Gesamtkonfiguration desATRIUM Systems von PMT zum Einsatzin Isolatoren

Abb. 3: Strömungs-bild im PMT ATRIUMSammler zur Lang-zeitkeimsammlung

Abb. 2: PMT Langzeit-luftkeimsammler Typ ATRIUM

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saugt und das Strömungsbild durch eine Edel-stahlkammer präzise ausgebildet. Schließlicherfolgt die eigentliche Luftkeimsammlung aufeiner konventionellen Petrischale. Die Auswahldes jeweiligen Nährmediums kann frei er-folgen. Die Wachstumstests bei 21 °C Raum-temperatur und 60% Luftfeuchte umfasst 4 Organismenstämme – namentlich BacillusSubtilis, Escherichia Coli, Aspergillis Niger andCandida Albicans. Die Testserien bei verschie-denen Probennahmezeiten zeigen eine klareAbhängigkeit vom Wasserreservoir. Mit einerMedienfüllung von 25 ml ist bis zu einer Proben-nahmemenge von etwa drei m3 Luft ein gutesWachstum der Organismen festzustellen. Eineerweiterte Befüllung mit 32 ml Nährmediumverlängert den Bereich des gesunden Orga-nismenwachstums auf 6 m3 Luftprobe. Deut-liche Überschreitungen dieser validiertenProbennahmemengen von 6 bzw. 3 m3 zeigendann schließlich eine Unterdrückung des Orga-nismenwachstums. Neben der Füllmenge führtnatürlich auch die Medienauswahl zu unter-schiedlichen Testergebnissen. Im Rahmen derValidierung erlaubten einige 32 ml Nährmedieneine dreistündige Luftkeimsammlung (korres-pondierend mit 6 m3 Luft), während andereAgars Probennahmezeiten von bis zu 4 Stundenzuließen. Hier spiegelt sich der unterschied-liche Feuchtegehalt der jeweiligen Nährbödenwider. Der Testverlauf zeigt, dass der Effekt vonRaumtemperatur und Raumfeuchte, imVergleich zum Beitrag des gewählten Probevo-lumens und der Luftgeschwindigkeit, klein ist.Die Strategie, die Probennahmezeit zu mini-mieren, indem der Luftdurchsatz drastischerhöht wird, zeigt ebenfalls keinen günstigenEffekt auf das Austrocknungsverhalten desNährmediums. Abgesehen davon kann eineErhöhung der Luftgeschwindigkeit die Effizienzder Probennahme vermindern und lebendeOrganismen zerstören. Der ISO 14698 Entwurfsagt hierzu gleichlautend im Blatt 1, dass dieImpaktionsgeschwindigkeit einen Kompromissfinden muss zwischen der Fähigkeit, lebensfä-hige Organismen bis hinab zu 1 µm fangen zukönnen (hohe Geschwindigkeit) und demSchutz vor Beschädigung dieser Organismen(niedrige Geschwindigkeit) [7]. BesondereVorsicht kann bei Hochgeschwindigkeits-impaktion auf Filtern geboten sein. Neben derhohen Auftreffgeschwindigkeit wird hier derOrganismus zusätzlich durch einen perma-nenten Wassermangel strapaziert.Bei jeder Luftkeimsammlung ist zu bedenken,dass ein Impaktionssystem mit relativ niedigerStrömungsgeschwindigkeit eventuell nicht alleKeime einfangen kann. Hier muss dasströmungstechnische Design sicherstellen,dass auch bei vergleichsweise niedrigen kineti-schen Energien der angesaugten Organismeneine Rückhalterate von 95 % oder bessersichergestellt ist. Das Durchflusskonzept inAbb. 3 ist mit den bereits genannten Orga-nismen validiert und stellt die geforderte 95 %Effizienz – auch über den 3 Stunden Langzeit-einsatz – sicher.

DIE AUTORENJörg DresslerPMT Partikel Messtechnik AGSteinstr. 3/1D - 71296 [email protected]

Peter KogerPMT Partikel Messtechnik [email protected]

INFORMATIONEN Kenn-Nr. 208

Langzeitprobennahme in IsolatorenIsolatoren bringen ihre ganz spezifischenProblemstellungen beim MikrobiologischenMonitoring mit sich. Sie benötigen normaler-weise Ausrüstungsgegenstände, die gegen VHP(dampförmiges Wasserstoffperoxid) resistentsind. Da eine häufige Ein- und Ausschleusungvon Probennahmesystemen unerwünscht ist,wird eine Fernbedienbarkeit von Orten außer-halb des Isolators notwendig. Auch sind diePlatzverhältnisse im Isolatorinnern häufig sehr begrenzt, was für die Luftkeimsammlungdie Forderung nach kleinen Probennahme-vorrichtungen mit sich bringt. Systeme, welche diese Einsatzanforderungen weitge-hend erfüllen, sind typischerweise zweigeteilt (s. Abb. 4). Der eigentliche Luftkeimsammlerist möglichst kompakt und VHP beständig. Nurdieser Teil wird in den Isolatorbereich einge-bracht. Die übrige Infrastruktur zum Probe-transport (Pumpen, Ventile…) wird außerhalbdes Sterilbereiches montiert und ist fernbe-dienbar. Die logische Ablaufsteuerung derLuftkeimsammlung erfolgt dann entweder aneinem geeigneten Platz im Sterilbereich odervollständig im nicht sterilen Bereich. Diesekonsequente Dezentralisierung ermöglichtauch im Innern von Isolatoren die LangzeitLuftkeimsammlung.

Literatur[1] EU Guide to Good Manufacturing Practice,Eudralex Volume 4, annex 1 Manufacture or SterileMedicinal Products.[2] USP25, chapter 1116, Microbiological evaluationof clean rooms and other controlled environments.[3] Draft International Standard ISO/DIS 14698-1.2Cleanrooms and associated environments – Biocontamination control – Part 2. evaluation andinterpretation of biocontamination data.[4] Technical report No. 13, Fundamentals of anEnvironmental Monitoring Program, PDA Journal ofPharmaceutical Science and Technology.[5] Nutrition and growth of bacteria, Kenneth TodarUniversity of Wisconsin-Madison Department ofBacteriology K. Todar, University of Wisconsin-Madison Department of Bacteriology.[6] SMA Sterilizable Microbiological Atrium, 2001,Veltek Associates, Inc.Atrium Validation Report, Art Vellutato Jr.[7] Draft International Standard ISO/DIS 14698-1.2Cleanrooms and associated environments – Biocontamination control – Part 1. Generalprinciples.