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A tavola! 5 / September 2009 THEORIE UND PRAXIS Gute Weine? Klar doch! Hinter den Kulissen des Angebots aus Italien D er gute italienische Wein ist in al- ler Munde - zumindest in vielen! So- viel lässt sich für Deutschland auf jeden Fall sagen, denn es lässt sich problemlos an den Exportzahlen Italiens feststellen, die Deutschland immer wieder als einen wichtigen Markt erscheinen lassen. Folg- lich genießen wir hierzulande die Anwe- senheit der besten italienischen Erzeug- nisse - aber gibt es sie wirklich überall? Ein Gespräch mit Stefano Misischia soll ein wenig Licht in die Hintergründe des Weinhandels bringen. „Tatsächlich gibt es in Deutschland hervorragende italienische Weine. Aber auch hier besteht, wie bei den meisten Lebensmitteln, eine sehr subjektive Interpretation derer, die den Wein importieren, verteilen und in der Gastronomie anbieten. Diese Ent- scheider betreiben also eine Vor- auswahl, bei der das Kriterium der Qualität nicht entscheidend ist“. Ein klassisches Beispiel? „Im Gegensatz zum spezi- alisierten Einzelhändler, der zumindest die Grundinforma- tionen über einen Wein geben muss, ist in der Gastronomie der Preis des Anbieters ent- scheidender als die Qualität. Oder man bietet die üblichen, blasierten Weine an, um zumindest nicht falsch zu liegen. Natürlich gilt es hier, deut- licher zu differenzieren: In einer spe- zialisierten Weinhandlung oder Enote- ca finden wir praktisch grundsätzlich ein hervorragendes Angebot, denn wer ein solches Unternehmen führt, hegt eine Leidenschaft für das, was er tut. Er wird sich also ständig auf dem Lau- fenden halten, wird in die Herkunfts- gebiete reisen und an Messen teilneh- men, und ebenso wird er thematische Verkostungen anbieten. Die Kehrseite dieser Medaille ist na- türlich der Mehrpreis, den der Verbraucher beim Kauf bezahlt. Aber ich denke, dass eine Enoteca eine so gute Beratung und qualitativ hochwertige Auswahl anbietet, dass diese auch in einer solchen Form An- erkennung verdient hat. In der Gastronomie hat der Gast eine eher passive Rolle, indem er sich dem Gast- wirt oder (sofern vorhanden) der Weinkar- te anvertraut, die ihm angeboten wird. In den Pizzerien werden häufig of- fene Weine angeboten, die also Glas für Glas verkauft werden - in dieser Hinsicht haben sich die Gewohnheiten in den letz- ten 30-40 Jahren kaum geändert. In sol- chen Fällen ist es dann schwierig nachzu- vollziehen, ob man Soave oder Valpolicella im Glas hat, denn die Flasche mit dem Eti- kett kommt gar nicht erst auf den Tisch.“ Aber das ist doch nicht überall so? „Nein, der überwiegende Teil itali- enischer Gastronomien in Deutschland hat doch etwas mehr Klasse. So wird man auf der Weinkarte einige Angaben zum Wein finden - wo er herkommt, einige seiner geschmacklichen Eigenschaften 12 Teoria e atic a Vini rossi Der 47-jährige Stefano Misischia kommt aus Rom. Seine Familie arbeitet seit zwei Generati- onen im Bereich der italienischen Lebensmittel, so koordiniert er heute den Verkauf einiger erlesener Hersteller auf dem deutschen Markt. Stefano hat die Wertigkeit italienischer Nah- rungsmittel schon als Kind vom Vater Mario vermittelt bekommen und gilt als Verfechter der italienischen Qualität ohne Kompromisse. AT_2009_05_v47.indd 12 13.08.2009 10:28:00

A Tavola - Trinken wir richtig-2

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A Tavola - Trinken wir richtig-2

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12 A tavola! 5 / September 2009

THEORIE UND PRAXIS

Gute Weine? Klar doch!Hinter den Kulissen des Angebots aus Italien

Der gute italienische Wein ist in al-ler Munde - zumindest in vielen! So-

viel lässt sich für Deutschland auf jeden Fall sagen, denn es lässt sich problemlos an den Exportzahlen Italiens feststellen, die Deutschland immer wieder als einen wichtigen Markt erscheinen lassen. Folg-lich genießen wir hierzulande die Anwe-senheit der besten italienischen Erzeug-nisse - aber gibt es sie wirklich überall? Ein Gespräch mit Stefano Misischia soll ein wenig Licht in die Hintergründe des Weinhandels bringen.

„Tatsächlich gibt es in Deutschland hervorragende italienische Weine. Aber auch hier besteht, wie bei den meisten Lebensmitteln, eine sehr subjektive Interpretation derer, die den Wein importieren, verteilen und in der Gastronomie anbieten. Diese Ent-scheider betreiben also eine Vor-auswahl, bei der das Kriterium der Qualität nicht entscheidend ist“.

Ein klassisches Beispiel?„Im Gegensatz zum spezi-

alisierten Einzelhändler, der zumindest die Grundinforma-tionen über einen Wein geben muss, ist in der Gastronomie der Preis des Anbieters ent-scheidender als die Qualität. Oder

man bietet die üblichen, blasierten Weine an, um zumindest nicht falsch zu liegen. Natürlich gilt es hier, deut-licher zu differenzieren: In einer spe-zialisierten Weinhandlung oder Enote-ca finden wir praktisch grundsätzlich ein hervorragendes Angebot, denn wer ein solches Unternehmen führt, hegt eine Leidenschaft für das, was er tut. Er wird sich also ständig auf dem Lau-fenden halten, wird in die Herkunfts-gebiete reisen und an Messen teilneh-men, und ebenso wird er thematische Verkostungen anbieten.

Die Kehrseite dieser Medaille ist na-türlich der Mehrpreis, den der Verbraucher beim Kauf bezahlt. Aber ich denke, dass eine Enoteca eine so gute Beratung und qualitativ hochwertige Auswahl anbietet, dass diese auch in einer solchen Form An-erkennung verdient hat.

In der Gastronomie hat der Gast eine eher passive Rolle, indem er sich dem Gast-wirt oder (sofern vorhanden) der Weinkar-te anvertraut, die ihm angeboten wird.

In den Pizzerien werden häufig of-fene Weine angeboten, die also Glas für Glas verkauft werden - in dieser Hinsicht haben sich die Gewohnheiten in den letz-ten 30-40 Jahren kaum geändert. In sol-chen Fällen ist es dann schwierig nachzu-vollziehen, ob man Soave oder Valpolicella im Glas hat, denn die Flasche mit dem Eti-kett kommt gar nicht erst auf den Tisch.“

Aber das ist doch nicht überall so?„Nein, der überwiegende Teil itali-

enischer Gastronomien in Deutschland hat doch etwas mehr Klasse. So wird man auf der Weinkarte einige Angaben zum Wein finden - wo er herkommt, einige seiner geschmacklichen Eigenschaften

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Der 47-jährige Stefano Misischia kommt aus Rom. Seine Familie arbeitet seit zwei Generati-onen im Bereich der italienischen Lebensmittel, so koordiniert er heute den Verkauf einiger erlesener Hersteller auf dem deutschen Markt. Stefano hat die Wertigkeit italienischer Nah-rungsmittel schon als Kind vom Vater Mario vermittelt bekommen und gilt als Verfechter der italienischen Qualität ohne Kompromisse.

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A tavola!

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Marco Bonfante s.r.l.Tel.: +39 / 0141 / 72 50 12Fax: +39 / 0141 / 72 50 04Mobil: +39 / 348 / 45 22 [email protected]

L‘amore per la campagnaunito alla passione per il vino.

und zu welchen Speisen er besonders gut passt. Für die endgültige Entschei-dung sollte auch ein Kellner mit fun-dierten Weinkenntnissen zur Verfügung stehen, aber hier liegt das nächste Pro-blem: Diese Grundinformationen auf der Karte ersetzen häufig die Sachkenntnis des Service-Personals, welches heutzu-tage oft keine Ahnung hat, was es da ge-rade serviert - was den Gast in Regel ver-unsichert und enttäuscht.“

Spätestens hier stellt sich dann wieder die Frage nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis?

„Genau. Diese fehlenden Informa-tionen machen es praktisch unmöglich, die qualitativen Unterschiede festzuma-chen. Der Gast vertraut sich dem Gas-tronom an und wird nicht selten den Eindruck haben, dass der Wein über-trieben teuer sei. Tatsächlich erlaubt dieser Vertrauensvorschuss dem Wirt scheinbar, ein wenig mit den Preisen zu „spielen“ - aber eben nur scheinbar, denn wer auf diese Weise seine Gäs-te betrügt, schadet letztlich nur sich selbst und dem Image der italienischen Gastronomie.

Richtig wäre es hingegen, eine gute Auswahl von Weinen anzubieten, die das Ergebnis von einer ernsthaften Se-lektion sind, mit dem Ziel, den Gast zu-frieden zu stellen. Dabei sollte der Preis dem Wiederbeschaffungswert unter Miteinbeziehung der europäischen Pa-rameter entsprechen und nicht frei er-funden werden. Durch eine solche Aus-wahl wäre es dann auch kein Problem, dem Gast genauer zu erklären, was er da für einen Tropfen im Glas hat.“

Und welche Rolle spielen die Zwi-schenhändler?

„Früher, zur Zeit der Anfänge der italienischen Gastronomie in Deutsch-land, konnte man die bekannten DOC-Weine Italiens, die hierher exportiert wurden, an den Fingern von zwei Hän-den abzählen. Heute ist die Auswahl enorm, selbst wenn man nur die DOC-Weine und solche von hoher Qualität zählt. Die Menge an umgesetzten Fla-schen erlauben es dem mittleren Gas-

tronom jedoch selten, direkt bei den Er-zeugern einzukaufen. Deshalb ist die Rolle des Importeurs und der Wein-agenturen von entscheidender Be-deutung: Hier wird über die Produkte entschieden, hier werden die Weine ge-kauft und zwischengelagert, um dem Restaurant die logistische Arbeit ab-zunehmen, damit sich der Gastronom nur so viel Wein in den Keller zu le-gen braucht, wie er auch benötigt. Auch diese Arbeit hat ihren Preis, sodass ein Wein erst durch mehrere Hände geht und damit zwangsläufig teurer wird. Aber selbst danach sollte ein gutes Pro-dukt noch zu fairen Preisen zu bekom-men sein.“

Gute Weine zu fairen Preisen... Wie kommen wir dahin?

„Da sind wir immer am selben Punkt: Dort, wo es nicht so ist, gibt es zwei treibende Kräfte, die das Bild ver-ändern können: Zum einen der Gast oder Kunde, der wissen sollte, was er will, der gut informiert und anspruchs-voll an die Qualität herangeht und den-noch offen ist für neue Erfahrungen. Auch der Grundsatz: „Lieber wenig, aber dafür umso besser“ sollte hier beher-zigt werden und eine Gastronomie zu motivieren, die stellenweise noch nicht mitbekommen hat, wie hoch der Qua-litätsanspruch seitens seiner Gäste in-zwischen geworden ist, und wie sehr er aufgeschlossen ist, wenn es darum geht, die wirklichen Schätze der italienischen Kultur kennen zu lernen.

Zum anderen ist die Flexibilität der Gastronomie und der Weinagenturen ge-fragt. Diese sollten sich mit mehr Fein-gefühl auf die Bedürfnisse der Kunden einstellen, und sich dabei auch darauf besinnen, dass sie selbst die Botschafter dieser gehobenen Konsumkultur sind. Gemeinsam können Gastronomen und Importeure daran arbeiten, dem itali-enischen Angebot in Deutschland ein moderneres Gesicht zu geben, auf eine Klientel gezielt, welche zwar vielleicht nicht mehr so oft wie früher, aber im-mer noch gern und vor allem gut spei-sen möchte.“

Bilder: Misischia, At

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