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ABB technik 4|12€¦ · Reaktionsbereitschaft und Service-qualität geprägt ist. Um diese Heraus-forderungen bewältigen zu können, müssen Unternehmen in der Lage sein, die Erbringung

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25Servicelösungen

Service-lösungen

Titelbild Eine von ABB entwickelte neue Software kann zur Verbesserung der Instandhaltungsplanung in Industrieanlagen beitragen.

Ein Blick in die nahe Zukunft

Ein verbesserter Service kann für unterschiedliche Kunden Verschiedenes bedeuten. Aus diesem Grund verfolgen die Forschungszentren von ABB rund um den Globus bei der Entwicklung von Servicelösungen einen multidisziplinären Ansatz. Auf den folgenden Seiten werden drei Forschungsprojekte vorgestellt, die sich angesichts unterschiedlicher Kunden mit verschiedenen Aspekten von Servicelösungen befassen.

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SLEMAN SALIBA, MICHAEL HAMILTON,

CARSTEN FRANKE – Serviceunterneh-men in der Versorgungs- und Kommu-nikationsindustrie arbeiten in einem sich stets verändernden Umfeld, das durch steigende Kosten, komplexe Vorschriften, Fusionen und Übernah-men sowie hohe Erwartungen der Kunden an die zuverlässigkeit, Reaktionsbereitschaft und Service-qualität geprägt ist. Um diese Heraus-forderungen bewältigen zu können, müssen Unternehmen in der Lage sein, die Erbringung ihrer Service-leistungen zu optimieren, Personal und Ausrüstung effizient einzusetzen und die zuverlässigkeit von kritischen Betriebsmitteln zu verbessern.

Mit über 100.000 Technikern, die das System täglich nutzen, ist Service Suite eine EWFM-Lösung (Enterprise Workforce Management), die eine vollständige Plattform zur effizienten Planung und Ausführung von Vor-Ort-Arbeiten aller Art bereitstellt ➔ 1. Der leistungssteigernde Optimierer von Service Suite weist Servicetechnikern ausgehend von ihren Fähigkeiten und ihrer Verfügbarkeit die passenden Aufträge zu und plant die Routen zwischen den Aufträgen, um die Reisezeit zu minimieren. Dies ermög-licht Kunden eine erhebliche Steige-rung der Produktivität bei Vor-Ort-Arbeiten, Senkung der Personalkosten, Reduzierung der Reisezeit und Fahrzeugkosten, Erhöhung der Autonomie und Verantwortlichkeit von Technikern und Verbesserung der Datenqualität.

Mathematische OptimierungZurzeit arbeiten die ABB-Forschungs-zentren zusammen mit der ABB-Toch-ter Ventyx an der Verbesserung der aktuellen Planungsalgorithmen. Das Ziel ist die Einführung neuer Algorith-men, um die zunehmend komplexen

Kundenanforderungen auf diesem Gebiet zu erfüllen.

Durch Betrachtung der neuesten Fortschritte auf dem Gebiet der mathematischen Planungsoptimierung ist das Forschungsteam in der Lage, Methoden der ganzzahligen Program-mierung, Graphentheorie oder Online-Optimierung in Service Suite einzu-binden. Die am besten geeigneten Verfahren werden dann in der nächsten Generation der Workforce-Manage-ment-Lösung implementiert.Ein häufiges Problem bei der Perso-naleinsatzplanung ist die Zuordnung von qualifizierten Technikern zu Kundenaufträgen und die Routenpla-nung. Das ABB-Forschungsteam entwickelt zurzeit einen Spaltengene-rierungsansatz mit einem Labeling-Algorithmus zur Erstellung eines nahezu optimalen Einsatzp lans. Die

Spaltengenerierung mit Labeling erweist sich als die wirksamste Methode zur Lösung komplexer Routenplanungsprobleme [1]. Mit - hilfe des Labeling-Algorithmus kann eine umfangreiche Menge möglicher Routen für jeden Servicetechniker konstruiert werden. Die resultierenden Routen enthalten so viele Kundenauf-träge mit den passenden Qualifika-

tionsanforderungen wie möglich. Der Algorithmus sorgt dafür, dass vor-gesehene Zeitfenster für die Aufträge erfüllt werden. Außerdem muss jede Route den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der vorgeschriebenen Pausen am Tag und den erlaubten Überstunden entsprechen. Für jede mögliche Route errechnet der Labe-ling-Algorithmus den Wert einer Zielfunktion. Dieser repräsentiert die Güte der Übereinstimmung zwischen Aufträgen und Technikern sowie der Reisezeiten zwischen Folgeaufträgen auf der Route. Nach Bestimmung der möglichen Routen und deren Zielfunk-tionswert werden mithilfe der Spalten-generierung die besten Routen so gewählt, dass jeder Servicetechniker nur genau eine Route bedient, jeder Kundenauftrag auf höchstens einer Route liegt und der Zielwert des Gesamteinsatzplans maximiert wird.Dieser Ansatz sorgt für eine Maximie-rung der Kundenzufriedenheit bei gleichzeitiger Senkung der Gesamt-kosten für die Erbringung und Siche-rung der Serviceleistungen. Außerdem ist gewährleistet, dass jedem Auftrag entsprechend qualifizierte Mitarbeiter zugewiesen werden.

RoutenplanungEine weitere Herausforderung besteht in der Einbindung fortschrittlicher Routenplanungstechnologien auf Straßenebene in die Optimierung. Dies geht weit über die Verwendung einfacher Navigationssysteme für die Fahrt von einem Auftrag zum nächsten hinaus. Werden Routenplanungstech-nologien auf Straßenebene während der Optimierung der Fahrstrecken und nicht in einem nachfolgenden Schritt eingesetzt, kann dies die Genauigkeit von Zeitschätzungen und somit die Präzision in den verschiedenen Anwen - dungsszenarien in aller Welt erhöhen. Verbesserte Planungslösungen werden

Personaleinsatz-planung

Verbesserte Pla-nungslösungen werden durch schnelle Algorith-men komplettiert, die auf Echtzeit-Veränderungen reagieren.

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durch schnelle Algorithmen komplet-tiert, die auf Echtzeit-Veränderungen reagieren, die im Laufe des Tages passieren wie z. B. dringende neue Arbeiten, stornierte Aufträge oder Aufträge, die frühzeitig abgeschlossen wurden.

Der auf der Spaltengenerierung basierende Ansatz ist rechenintensiv, d. h. die Optimierung eines Einsatz-plans benötigt viel Rechenzeit. Doch während eines Arbeitstags müssen Versorgungs- und Kommunikations-unternehmen das Planungsergebnis anpassen können, um alltägliche Veränderungen wie neue Aufträge, Nichtverfügbarkeit von Technikern durch Krankheit usw. zu berücksich-tigen.

Daher muss Service Suite in der Lage sein, die Lösung nach Bedarf anzu-passen. Die Berechnungszeit für die Veränderungen beschränkt sich auf wenige Minuten, sodass das Betreiber-unternehmen die neue Lösung schnell nutzen und an die entsprechenden Techniker vor Ort kommunizieren kann.Mithilfe verschiedener Heuristiken auf der Basis lokaler Suchverfahren werden nur die am besten geeigneten Teilmengen von Aufträgen und Techni-kern zur erneuten mathematischen

Optimierung durch den bestehenden Spaltengenerierungsansatz ausge-wählt. Diese Heuristiken sind so ausgelegt, dass eine schnelle und präzise Reaktion auf die beschriebenen Änderungen gewährleistet ist.Dabei werden die straßenbasierten Reisezeiten zwischen Aufträgen und die bereits geplanten Aufträge berück-sichtigt. Darüber hinaus können Kunden zwischen verschiedenen Heuristiken wählen, um einen Mittel-weg zwischen der erforderlichen Lösungszeit für die Anpassung und der Qualität des resultierenden Einsatzplans zu finden.

So gelingt es ABB durch Nutzung von Fachwissen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens, neueste Technologien zur Erfüllung zukünftiger Herausforderungen im Servicebereich einzusetzen.

So können Methoden der ganzzahligen Programmie-rung, Graphen-theorie oder Online-Optimie-rung in Service Suite eingebun-den werden.

Sleman Saliba

ABB Corporate Research

Ladenburg, Deutschland

[email protected]

Michael Hamilton

Ventyx, ein Unternehmen der ABB-Gruppe

Richmond, Kanada

[email protected]

Carsten Franke

ABB Corporate Research

Baden-Dättwil, Schweiz

[email protected]

Literaturhinweis[1] Desaulniers, G., Desrosiers, J., Solomon,

M. M. (2005): „Column generation“

1 Bildschirmansicht von Service Suite

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RALF GITzEL, MORITz HOCHLEHNERT,

SIMONE TURRIN – Das ABB Reliabilty Feedback System Projekt entwickelt Tools für Generatorleistungsschalter, die den Paradigmenwechsel von traditionellen zeitbasierten Über-wachungs- zu zustandsbasierten Instandhaltungsstrategien erleichtern.

In vielen Arbeitsumgebungen gibt es verschiedene Arten von sicherheits-bezogenen Systemen, die Situationen verhindern oder abmildern sollen, in denen das Leben von Menschen gefährdet ist. Selbstverständlich müssen solche Systeme sorgfältig und regel mäßig gewartet werden, was aber in vielen Fällen mit teuren geplanten Ausfallzeiten verbunden ist. Das richtige Maß an Instandhaltung zu finden, um Kosten zu sparen, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen, ist nicht immer leicht.

ABB ist bestrebt, ihre Kernprodukte aus dem Bereich der Generatorleis-tungsschalter (GLS) um zunehmend komplexe Lebenszyklusservices zu ergänzen. Dabei wird zunehmend der Bedarf an geeigneten Werkzeugen und Konzepten deutlich, die eine transpa-rente Darstellung der Restlebensdauer und der Wertschöpfung für den Kunden ermöglichen.

Aus diesem Grund wurde das Reliability Feedback System (RFS) Projekt ins Leben gerufen. Das Ziel des RFS-GCB Pilotsystems war die Erfassung von Zuverlässigkeitsdaten wie der Rest-lebensdauer aus dem Feld, um ABB- Servicepersonal dabei zu helfen, Kraft- werksbesitzern die richtigen Über-holungsintervalle für GLS zu empfehlen.

Restlebensdauer eines GLSEin Leistungsschalter ist ein mechatro-nisches Gerät zur Unterbrechung des Stromflusses in einem elektrischen

System mithilfe eines Schaltvorgangs. Ein GLS fungiert als Sicherheitselement in Kraftwerken, das sehr hohe Fehler-ströme (bis zu 250 kA) an der Sammel-schiene zwischen dem Generator und dem Haupttransformator abschalten kann ➔ 1. Außerdem werden Betriebs-abläufe wie die Synchronisation des Generators mit dem Netz durch GLS im Vergleich zu Blocklayouts ohne GLS vereinfacht. Da der Leistungsschalter als Sicherheitselement der Unterbre-chung von Kurzschlussströmen dient, muss eine 100%ige Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit gewährleistet sein. Beim Einsatz in Anwendungen mit häufigen GLS-Schalthandlungen, z. B. in Pumpspeicherkraftwerken, ist der Kontaktabbrand viel stärker als bei Grundlastkraftwerken. Dort wird das GLS-System neben der Sicherheits-funktion dazu verwendet, sehr schnell zwischen Pump- und Erzeugungs-betrieb umzuschalten.

Die typische Lebensdauer von GLS liegt zwischen 20 und 40 Jahren. Da ein Ausfall zu kritischen Situationen in einem Kraftwerk führen kann, sind regelmäßige Inspektionen und Über-holungen wichtig. Die Restlebensdauer eines GLS entspricht dem Abbrand, den der Schalter verkraften kann, bevor eine Überholung erforderlich

Reliability Feedback System

Die RFS-GCB Software nutzt Informationen über die Rest-lebensdauer, um Daten für eine Überholung vorzuschlagen.

ist. Bei einem Schalter gibt es drei Restlebensdauerarten. Die Überholung erfolgt, wenn die erste bei null ange-langt ist.

Elektrische Restlebensdauer

Jedes Mal, wenn ein Leistungsschalter betätigt wird, brennen die Kontakte ein wenig ab und sind irgendwann nicht mehr funktionstüchtig. Die Stärke des Abbrands ist abhängig vom unterbro-chenen Strom und muss für jeden Kontakt getrennt verfolgt werden. (Typischerweise gibt es drei Phasen und somit drei Kurven für die elektri-sche Restlebensdauer). Jeder Schalt-vorgang führt somit mit unterschiedlich starkem Abbrand zu einer Verkürzung der Restlebensdauer.

Mechanische Restlebensdauer

Die mechanische Restlebensdauer spiegelt den mechanischen Verschleiß im System wider und verkürzt sich bei jedem Schaltvorgang um eins. Anders als bei der elektrischen Restlebens-dauer gibt es für die mechanische Restlebensdauer nur eine Kurve.

zeitbasierte Restlebensdauer

Wenn weder die mechanische noch die elektrische Restlebensdauer innerhalb einer bestimmten Zeit abgelaufen ist, wird trotzdem eine Überholung vorgenommen, um Problemen Rechnung zu tragen, die nicht durch die anderen Restlebens-dauerkonzepte abgedeckt werden.

Nutzung der Restlebensdauer für die

Instandhaltung

Das ABB-Servicepersonal nutzt eine Unmenge von Informationen, um den richtigen Zeitpunkt für die Überholung eines GLS zu bestimmen. Langjährige Erfahrung, Messungen und Service-berichte sind ein wichtiger Bestandteil des Entscheidungsfindungsprozesses. Die neu entwickelte RFS-GCB Soft-

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ware unterstützt diesen Prozess, indem sie Informationen über die Restlebens-dauer nutzt, um mögliche Daten für eine Überholung vorzuschlagen. Während sich diese Daten zwar mit jedem außerplanmäßigen Schaltvor-gang ändern können, liefern die geplanten Daten eine gute Grundlage für die langfristige Planung von Überholungen. Dabei wird die erwarte-te zukünftige Entwicklung der Rest-lebensdauer mithilfe eines mathemati-schen Extrapolationsalgorithmus auf der Grundlage der bisherigen Entwick-lung vorhergesagt. Zu dem Zeitpunkt, an dem die erste der extrapolierten Restlebensdauerkurven (d. h. mecha-nisch, elektrisch oder zeitbasiert) den Nullpunkt erreicht, wird eine Über-holung terminiert. Natürlich enthält die Extrapolation eine angemessene Sicherheitsreserve, d. h. eine Rest-lebensdauer von null bedeutet nicht, dass der GLS nicht mehr funktions-tüchtig ist.

Ein Überholungsplan auf der Basis von Restlebensdauerwerten kann leicht auf einem Kalender dargestellt werden, wobei jede Restlebensdauerart durch einen Eintrag dargestellt wird, der durch einen Haken gekennzeichnet wird. Ein solcher Kalender kann für einen einzelnen Schalter oder für eine ganze Flotte erstellt werden. Ausgehend von den Einträgen kann ein Wartungstech-niker individuelle Instandhaltungspläne erstellen, um Synergien zu nutzen und Ausfallzeiten zu minimieren.

Bei GLS gibt es zwei verschiedene Instandhaltungsarbeiten – Überholun-gen und Inspektionen. Eine Über holung steht an, wenn die elektrische Rest-lebensdauer einer der drei Kontakte, die mechanische Restlebensdauer oder die zeitbasierte Restlebensdauer aufgelaufen ist. Wenn die Hälfte der zeitbasierten Restlebensdauer abge-

laufen ist, sollte eine Inspektion durchgeführt werden. Dieses Datum kann ebenfalls in einem Kalender angezeigt werden.

Die Daten für Überholungen/Inspektio-nen können sich mit der Zeit verän-dern, z. B. durch außergewöhnliche, unerwartete Ereignisse in der Historie des GLS. Um Verwirrungen zu ver-meiden, werden verschobene Einträge im Kalender an ihrer alten Position mit einem roten Kreuz gekennzeichnet. Auf diese Weise können die am Plan vorgenommenen Änderungen jederzeit zurückverfolgt werden.

Zu erwähnen ist, dass ein solcher Planvorschlag nur eine der Eingaben darstellt, auf denen der Servicetechni-ker seine Empfehlung für den Kunden aufbauen kann. Die RFS-GCB Soft-ware beinhaltet auch Textinformationen zu vergangenen Serviceereignissen und andere Daten, die bei der Beurtei-lung des Zustands eines GLS helfen. Diese Informationen – in Verbindung mit seiner Erfahrung und anderen Daten vom Standort – helfen dem Servicetechniker, dem Kunden eine fundierte Instandhaltungsempfehlung zu geben.

Mit RFS könnte der Service den Zustand der GLS periodisch über-prüfen, um Servicehandlungen wie Inspektionen und Überholungen proaktiv festzulegen und zu empfehlen. Obwohl sich die RFS-GCB Software noch in der Testphase befindet, bietet sie ein großes Potenzial für die Kraftwerkkunden von ABB im Hinblick auf die Reduzierung ihrer wartungsbe-dingten Ausfallzeiten und die Sicherung eines einwandfreien Betriebs ihrer GLS. Kombiniert mit dem Wissen erfahrener Servicetechniker kann RFS-GCB Kunden optimierte Instandhaltungs-pläne für einzelne Schalter und ganze Flotten liefern.

Ralf Gitzel

Simone Turrin

ABB Corporate Research Center

Ladenburg, Deutschland

[email protected]

[email protected]

Moritz Hochlehnert

ABB Power Products, High Voltage Products

Zürich, Schweiz

[email protected]

1 Ein Generatorleistungsschalter in einer Industrieanlage

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RALF GITzEL, IIRO HARJUNKOSKI,

CAJETAN T. PINTO – In vielen Bran-chen stellen Motoren einen wichti-gen Teil der Produktionsausrüstung dar. Bedingt durch die Vielzahl von Größen und Spezifikationen betrei-ben viele Kunden eine breite Palette unterschiedlicher Motoren, von denen einige für die Produktion von entscheidender Bedeutung sind. Eine Folge dieser Vielfalt ist, dass der Kunde eine große Anzahl von Ersatzmotoren vorhalten muss, um gegen mögliche Ausfälle gewapp-net zu sein. Besonders in älteren Anlagen, in denen viele Motoren ihre vorgesehene Lebensdauer bereits weit überschritten haben, ist besondere Sorgfalt erforderlich, damit zumindest die kritische Ausrüstung gesichert ist.

Investitionen in Ersatzmotoren sind nicht-produktive Ausgaben und führen zu gebundenem Kapital. Auf der anderen Seite stellt die Verfügbarkeit von zu wenig Ersatzmotoren ein erhebliches Risiko für die Betriebs-fähigkeit der Anlage dar. Das ABB Stock Pooling Optimization Projekt arbeitet zurzeit an einer Lösung, mit der die Kosten für Kunden gesenkt werden können, ohne das Risiko von Ausfallzeiten zu erhöhen.

Der Raum für kostenwirksame Verbes-serungen, die in dieser Hinsicht von einem einzelnen Kunden realisiert werden können, ist begrenzt – ent-weder sind die Ersatzmotoren verfüg-bar oder nicht. ABB hingegen ist als Motorlieferant in der einzigartigen Lage, ihren Kunden mit einem Ersatz-motorservice zu helfen.

Pooling-EffektEs besteht ein bedeutender Unter-schied zwischen der Planung für eine kleine Menge von Motoren und der

Planung für eine größere Flotte. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein einziger Kunde in einem Jahr mehr als 12 Ersatzmotoren eines bestimmten Typs benötigt, bei etwa 25 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass 10 Kunden mehr als 120 Motoren benötigen, liegt hingegen bei weit unter 25 % ➔ 1. Anders ausgedrückt heißt dies, dass die flachere und breitere grüne Kurve weniger zu unerwartetem Verhalten neigt als die graue Kurve multipliziert mit 10. Dies wiederum bedeutet, dass die erforderlichen Sicherheitsreserven für die grüne Kurve geringer sind als die Summe aller Sicherheitsreserven, die von einem Kunden benötigt werden.

Allerdings erfordert die Realisierung des Pooling-Effekts bei einem stark verteilten und unterschiedlichen Bestand an installierten Systemen sorgfältige Überlegung. Zunächst einmal basiert der Ersatzmotorbedarf eines Kunden auf Ausfallraten und ist je nach Branche und Zustand der Anlage unterschiedlich. Das bedeutet, dass eine sorgfältige Prognose erforderlich ist. Werden die Ersatz-motoren nicht vor Ort gelagert, ist außerdem eine optimierte Lieferkette erforderlich, um sicherzustellen, dass die Motoren innerhalb einer bestimm-ten Zeit zur Verfügung stehen.

Ein neues ProjektDas Stock Pooling Optimization Projekt befasst sich mit diesen beiden Heraus-forderungen. Zurzeit entwickelt ein multidisziplinäres Team aus Forschern in Zusammenarbeit mit der Carnegie Mellon University einen Algorithmus, der in der Lage ist, den Kundenbedarf zuverlässig vorherzusagen und die Lieferkette so zu optimieren, dass dieser Bedarf erfüllt und gleichzeitig Kosteneinsparungspotenziale für die Kunden genutzt werden.

Optimierung von Ersatzteilpools

Stock-Pooling bedeutet weni-ger gebundenes Kapital in Form von Ersatzteilen ohne ein höhe-res Risiko von Ausfallzeiten.

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Das aktuelle Konzept nutzt die Ausfall-daten der Kunden als Grundlage für die Prognose des Ersatzmotorbedarfs. Aus wartungsbezogenen Daten lässt sich eine jährliche Ausfallrate errech-nen, und mithilfe eines homogenen Poisson-Prozesses (HPP) können Prognosen erstellt werden. Bei der Prognose werden zwei Schlüsselpara-meter bestimmt: die erwartete Anzahl von Ausfällen für den durchschnitt-lichen Fall und eine Sicherheitsreserve, die verhindert, dass keine Geräte mehr verfügbar sind. Letztere wird auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeiten aus dem HPP berechnet.

ProblemlösungUm das Problem der garantierten und rechtzeitigen Verfügbarkeit eines Ersatzmotors zu behandeln, muss ein umfangreiches Optimierungsproblem gelöst werden. Ausgehend von der in Verträgen spezifizierten Kritikalität der Motoren müssen diese vor den jeweili-gen Fristen geliefert werden. Um dies zu erreichen, muss eine ausreichende Menge an Motoren an den richtigen Standorten gelagert werden, ohne dass es zu einer Überbevorratung kommt. Mit anderen Worten, der Algorithmus muss das optimale Netzwerk aus Fabriken, Lägern und den erforderlichen Lagerbeständen bestimmen. Der Prototyp der Software ermöglicht

Kunden die Sicht auf eine mögliche Lösung des Liefernetzwerkprob-lems ➔ 2. Beim Stock Pooling Optimiza-tion Projekt werden MILP-Verfahren (Mixed Integer Linear Programming) zur Bestimmung der optimalen Lösung eingesetzt. Dabei muss das MILP-Modell sorgfältig definiert werden, da zu viele Variablen aufgrund der Größe zu einem unlösbaren Problem führen können. Ist das Modell hingegen zu einfach, kann es sein, dass die mathe-matisch optimale Lösung nicht mehr der Realität entspricht.

Der Optimierungsalgorithmus befindet sich zwar noch in der Entwicklung, aber erste Ergebnisse zeigen das große Potenzial, das ein wissenschaft licher Ansatz zur Lösung des Problems bietet. Zuverlässige Bedarfsprognosen auf der Grundlage etablierter Methoden und eine Lieferkettenoptimierung mithilfe moderner Algorithmen ermög lichen ein kostengünstiges Pooling-Konzept sowie einen verbesserten und reaktions-schnelleren Ersatzteil-Service. Für den Kunden bedeutet Stock-Pooling weniger gebundenes Kapital in Form von Ersatzteilen ohne ein höheres Risiko von Ausfallzeiten. Bezieht man außer Motoren noch andere Arten von Ersatzteilen ein, könnte das Stock-Pooling für eine Vielzahl von Anlagen-betreibern von großem Nutzen sein.

Ralf Gitzel

Iiro Harjunkoski

ABB Corporate Research Center

Ladenburg, Deutschland

[email protected]

[email protected]

Cajetan T. Pinto

ABB Automation Products

Mumbai, Indien

[email protected]

1 Wahrscheinlichkeit von Motorausfällen

Die graue Kurve zeigt den Ersatzmotorbedarf eines einzigen Kunden für einen Motortyp in einem Jahr. Die grüne Kurve zeigt denselben Bedarf für zehn Kunden.

Wahrscheinlichkeitsfunktion

Anzahl der Vorfälle (k)

20 40 60 80 100 120 140 160 180 2000

0

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

0,12

0,14

P (x

= k

)

Durchschn. 10

Durchschn. 50

Durchschn. 100

78 % Quartil

Wahrscheinlichkeit von Ausfällen für einen Kunden

Wahrscheinlichkeit von Ausfällen für mehrere Kunden

2 Stock Pooling Optimization

Kunden können einen Screenshot ansehen, der eine mögliche Lösung des Liefernetzwerkproblems zeigt.

Norwegen

Schweden Finnland

Stockholm

Göteborg