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SCHWERPUNKTTHEMA 135 perspektive mediation – 2005/ 3 Anmerkung der Redaktion: Dr. Raymond Saner, Verhandlungstrainer für DiplomatInnen und internationale WirtschaftsführerInnen auf globaler Ebene, beschreibt in deren Sprache und Begrifflichkeiten das Feld der Konfliktarbeit. Er kommt zu ähnlichen Modellen wie die Eskalationsstufen (F. Glasl und andere; vgl. pm 2/04). Mediation ist für Saner die direktivste Form von konsensualer Kon- fliktlösung außerhalb hoheitlicher Machtausübung; Verhandlung wird ohne Beteiligung einer Drittpartei gesehen. Kontinuum von Konflikt und Kooperation P rinzipiell können Konflikte durch zwei Ansätze gelöst werden: durch Kooperation oder Kon- frontation, durch friedfertige Verhand- lung oder gewaltsamen Kampf. Zwi- schen beiden Extremen liegen Misch- lösungen, im untenstehenden Schau- bild dargestellt als Kontiuum, abge- grenzt durch private und friedfertige Konfliktlösung, übergehend in öffent- liche Vermittlung und Schiedsgericht, ausufernd in kämpferische Auseinan- dersetzung. Zwischen den Polen finden sich Ab- stufungen oder Mischvarianten der beiden Extrempositionen. Kommen zum Beispiel KontrahentInnen nicht zu einer privaten Einigung, dann kann es in einem ersten Schritt zur öffentli- chen Auseinandersetzung kommen, sei dies durch den Einbezug einer amtlichen Instanz (Verwaltungsent- scheid, Schiedsspruch) oder durch ei- nen Rechtsentscheid (Gericht oder Parlamentsentscheid). Konfliktpartei- en, die weder die private Verhandlung noch öffentliche Schiedsgerichte oder Parlamentsentscheide akzeptieren kön- nen oder wollen, machen einen weite- ren Schritt auf dem Kontinuum und nähern sich der Konfliktlösung durch Abgrenzung zwischen Mediation und Verhandlung Raymond Saner Der Unterschied zwischen Verhandlung und Mediation ist nicht leicht zu bestimmen. ExpertInnen der Konfliktbehand- lung sind sich oft nicht klar über die Bedeutung dieser Un- terschiede. Im Folgenden geht es um die Differenzierung zwischen Verhandlung und Mediation in der Meinung, dass weitere Beiträge diese notwendige Arbeit der Definition und Abgrenzung weiterführen werden. Der Autor wäre dankbar für Kommentare, welche dazu beitragen, diesen Versuch der Abgrenzung weiterzubringen. ÜBERBLICK Privates Entscheiden der Parteien Verwaltungs- entscheid (Regierung: Gemeinde, Kanton, Bund) Rechtsentscheid (öffentlich-rechtliche Entscheidung durch Drittparteien) Außerrechtliche Entscheidung (beeinflusst durch Zwang und/oder Gewalt) Konflikt- Vermei- dung Informelle Diskussion und Pro- blemlö- sung Verhand- lung Mediation Ver- waltungs- entscheid Schieds- spruch Gerichts- entscheid Parla- ments- entscheid Friedliche rechts- brechende Aktion Gewaltsa- me rechts- brechende Aktion Zunehmender Zwang und Zunahme von Gewinn/Verlust oder Verlust/Verlust Verhandlungsergebnissen

Abgrenzung zwischen Mediation und · PDF filediese der Meditation ver-wandte Verfahrensprozes-se der Konfliktlösung ein-setzten. Die unterschiedlichen Ar-ten der Konfliktlösung sind

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SCHWERPUNKTTHEMA

135perspektive mediation – 2005/ 3

Anmerkung der Redaktion: Dr. Raymond Saner, Verhandlungstrainer für DiplomatInnen und internationale WirtschaftsführerInnenauf globaler Ebene, beschreibt in deren Sprache und Begrifflichkeiten das Feld der Konfliktarbeit. Er kommt zu ähnlichen Modellenwie die Eskalationsstufen (F. Glasl und andere; vgl. pm 2/04). Mediation ist für Saner die direktivste Form von konsensualer Kon-fliktlösung außerhalb hoheitlicher Machtausübung; Verhandlung wird ohne Beteiligung einer Drittpartei gesehen.

Kontinuum von Konflikt und Kooperation

Prinzipiell können Konflikte durchzwei Ansätze gelöst werden:durch Kooperation oder Kon-

frontation, durch friedfertige Verhand-

lung oder gewaltsamen Kampf. Zwi-schen beiden Extremen liegen Misch-lösungen, im untenstehenden Schau-bild dargestellt als Kontiuum, abge-grenzt durch private und friedfertigeKonfliktlösung, übergehend in öffent-liche Vermittlung und Schiedsgericht,

ausufernd in kämpferische Auseinan-dersetzung.

Zwischen den Polen finden sich Ab-stufungen oder Mischvarianten derbeiden Extrempositionen. Kommenzum Beispiel KontrahentInnen nichtzu einer privaten Einigung, dann kannes in einem ersten Schritt zur öffentli-chen Auseinandersetzung kommen,sei dies durch den Einbezug eineramtlichen Instanz (Verwaltungsent-scheid, Schiedsspruch) oder durch ei-nen Rechtsentscheid (Gericht oderParlamentsentscheid). Konfliktpartei-en, die weder die private Verhandlungnoch öffentliche Schiedsgerichte oderParlamentsentscheide akzeptieren kön-nen oder wollen, machen einen weite-ren Schritt auf dem Kontinuum undnähern sich der Konfliktlösung durch

Abgrenzung zwischenMediation und

VerhandlungRaymond Saner

Der Unterschied zwischen Verhandlung und Mediation istnicht leicht zu bestimmen. ExpertInnen der Konfliktbehand-lung sind sich oft nicht klar über die Bedeutung dieser Un-terschiede. Im Folgenden geht es um die Differenzierungzwischen Verhandlung und Mediation in der Meinung, dassweitere Beiträge diese notwendige Arbeit der Definition undAbgrenzung weiterführen werden. Der Autor wäre dankbarfür Kommentare, welche dazu beitragen, diesen Versuch derAbgrenzung weiterzubringen.

ÜÜBBEERRBBLLIICC

KK

Privates Entscheiden der Parteien Verwaltungs-entscheid(Regierung: Gemeinde,Kanton, Bund)

Rechtsentscheid(öffentlich-rechtlicheEntscheidung durchDrittparteien)

Außerrechtliche Entscheidung(beeinflusst durchZwang und/oder Gewalt)

Konflikt-Vermei-dung

InformelleDiskussionund Pro-blemlö-sung

Verhand-lung

Mediation Ver-waltungs-entscheid

Schieds-spruch

Gerichts-entscheid

Parla-ments-entscheid

Friedlicherechts-brechendeAktion

Gewaltsa-me rechts-brechendeAktion

Zunehmender Zwang und Zunahme von Gewinn/Verlust oder Verlust/Verlust Verhandlungsergebnissen

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die Konfrontation, sei dies friedlicherNatur (z.B. Besetzung von Kaiseraugst)oder durch direkte Gewaltanwendung(z.B. Kampf der Globalisierungsgegen-erInnen in Cancun, Genua etc).

Machtgefälle

Abgeleitet vom oben ste-henden Schaubild, kannfestgestellt werden, dassVerhandlung wie auch Me-diation zum Bereich derprivaten und friedlichenKonfliktlösung gehören.Die Gemeinsamkeit be-steht hier in der Ableh-nung von Gewalt aberauch in der Bevorzugungdes bilateralen Weges oh-ne Miteinbezug von Amts-stellen oder Schiedsgerich-ten. Meditation wird hierabgegrenzt von rechtli-chen und behördlichenDrittparteien, auch wenndiese der Meditation ver-wandte Verfahrensprozes-se der Konfliktlösung ein-setzten.

Die unterschiedlichen Ar-ten der Konfliktlösung sindauf dem unten stehenden

Schema aufgezeichnet: Die vertikaleAchse deutet darauf hin, dass die auf-geführten Drittparteien wesentlicheautonome Entscheidungsbefugnis überdie beiden KontrahentInnen ausübenkönnen, während dem die horizontaleAchse daraufhin deutet, dass die Kon-

trahentInnen die bestehende Machtunter sich aufteilen und nicht an Drit-te abgeben. Die Macht der Drittparteinimmt zunehmend ab, der Diagonalefolgend von links oben nach rechts un-ten.

Verhandlung oder Mediation?

Besteht ein Machtungleichgewichtzwischen beiden Parteien, kann es oftdazu kommen, dass die eine Partei denWeg der Mediation bevorzugt in derMeinung, die MediatorIn helfe, dasMachtungleichgewicht zum Teil zu ver-mindern. Dieser Schritt zur MediatorInist aber zu unterscheiden von einemGang zu Gericht oder zum Schiedsge-richt, bei dem beide Parteien einen we-sentlichen Machtverlust akzeptierenoder akzeptieren müssen, da RichterInwie SchiedsrichterIn ihrer Rolle entspre-chend autonome Entscheidungs- undSanktionsmacht besitzen.

Bleibt es im Rahmen der friedlichenund privaten Lösung von Konfliken, sokann die Entscheidung für Verhand-lung oder Mediation von weiteren Kri-terien beeinflusst werden (siehe unten-stehende Abbildung).

Anordnung/Fiat

Gesetzgebung/Legislation

Richterspruch/Adjudication

Schlichtung/Arbitration

Vermittlung/Mediation

Versöhnung/Conciliation

Unterhändler/Facilitation

Verhandlung/Negotiation

Mac

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Macht in den Händen der Disputanten

Konfliktlösung durch

nied

rig

mitt

el

hoch

niedrig mittel hoch

Konfliktlösung und Macht des Vermittlers(nach Gladwin 1982, in Saner 1997, S. 151 f.)

Verhandlung oder Mediation: Unterscheidungskriterien(Saner 2005 nach Gladwin, 1980)

Verhandlung Mediation

Machtsymmetrie symmetrische Machtverhältnisse asymmetrische Machtverhältnisse

Schutz des Ansehens privater Disput öffentlicher Disput

Entscheidungsnormen Normen nicht vorhanden Normen vorhanden

Kommunikationsfluss Leicht: Kooperative Beziehung Schwierig: Kompetitive Beziehung

Entscheidungs-Geschwindigkeit geringer Zeitdruck hoher Zeitdruck

Beidseitige Akzeptanz Interessenüberlappung gegensätzliche Interessen

Dauer des Konfliktes Streit noch in früher Phase Streit langdauernd

Informationsaustausch behutsam - offen Verschlossen

Beziehungsfeld multiplexes Beziehungsfeld einfaches Beziehungsfeld

Konfliktbreite (stakeholder) weitgehendes Konfliktfeld enges Konfliktfeld

Risiko-Minimisierung hohe externe Kosten geringe externe Kosten

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SCHWERPUNKTTHEMA

137perspektive mediation – 2005/ 3

Konfliktpartien mit geteilten Machtver-hältnissen versuchen, ihren Konfliktdurch Verhandlung zu lösen, solangeder Zeitdruck nicht zu groß ist. Befin-det sich eine Partei, real oder vermeint-lich, unter Zeitdruck, kann diese zurÜberlegung kommen, Mediation seivorteilhafter als bilateral zu verhandeln.Auch die Qualität der Beziehung spielteine Rolle. Vertrauen sich beide Seitenkaum und bleiben eher verschlossen,dann ist die kommunikationsaufbauen-de Arbeit von MediatorInnen notwen-dig, um beide Seiten zum Sprechen zubringen.

Weitere Gründe dafür, warum beideParteien oder eine den Schritt zum Me-diator einer bilateralen Verhandlungvorziehen, könnte auch darin liegen,dass der Streit punktuell ist, das heißt,es bestehen keine weiteren Bezie-hungsfelder, welche von der Streitfra-ge tangiert werden. Falls aber beideParteien miteinander sehr vernetztsind, würde ihre Wahl eher auf Ver-handlung fallen, da beide Parteien dasRisiko einer Beziehungsstörung undden damit verbundenen Schaden ver-meiden wollen.

Schließlich kann die Dauer des Streitsauch insofern einen Einfluss haben, alslang dauernde Streitigkeiten die Kon-trahentInnen verunsichern: Man sieht

keine Lösungsmöglichkeit und

erhofft sich einen raschen Abschlussder Streitigkeiten durch das Einbezie-hen einer Mediatorin.

Schlussbemerkungen

• Konflikte können auf friedliche odergewalttätige Weise gelöst werden.Die Arten der Konfliktlösung variie-ren: private Verhandlung, privateMediation, Einbezug von öffentli-chen Drittparteien wie Schiedsge-richte, Gerichte, Parlamentsentschei-de, gewalttätige Auseinandersetzungauf der Straße.

• Die Präferenz für friedliche Konflikt-lösung durch Mediation an Stelle derbilateralen Verhandlung kann daraufberuhen, dass eine der beiden Partei-en sich in einem Machtungleichge-wicht wähnt und ein solches Macht-gefälle durch das Einbeziehen einerDrittpartei zu vermindern sucht.

• Aus Sicht des Autors besteht der we-sentliche Unterschied zwischen Ver-handlung und Mediation in der Qua-lität oder Atmosphäre der Beziehungbeider KontrahentInnen. Ist das Ver-trauen nicht da oder verloren gegan-gen, dann ist der Schritt in die Me-diation logisch und nachvollziehbar.

• Es bleibt, freiwillige Meditation undöffentlich-rechtlich sanktionsabgesi-cherte Konfliktlösung durch Drittpar-tien (wie SchiedsrichterIn oder Parle-mentsbeschluss) gegeneinander ab-

zugrenzen. Um diese Frage zu lösen,bedarf es weiterer Beiträge der be-troffenen ExpertInnen.

Abstract

This article describes the possible vari-ants of solving bilateral conflicts rangingfrom informal and consensual negotia-tions all the way to the inclusion of thirdparties. Third parties are in kind differen-tiated as consisting of fiat, legislation,adjudication, arbitration, mediation,conciliation and facilitiation holding va-rying degress of third party power overthe bilateral disputants. For instance ad-judication and arbitration is seen as en-tailing lots of power by the third partyover the disputants while concilationand facilitation are seen as holding litt-le power over the two disputants. Thearticle further delineates the differencebetween direct and informal bilateralnegotiations and a more formalised tri-angular mediation process.

Literaturverzeichnis

GLADWIN, TOM (1980), Conflict Reso-lution and authority of Third Party ( wor-king paper), in Saner, RAYMOND; The Expert Negotiator(2000), Kluwer Law Publisher, DenHaag, p. 144.MOORE, CHRISTOPH (1986), The Me-diation Process: Practical Strategies forResolving Conflicts. Jossey-Bass Publ, SanFranciso. SANER, RAYMOND (1997), Verhand-lungstechnik, Paul Haupt Verlag, Bern.

SANER, RAYMOND, Voraussetzun-gen für erfolgreiche Verhand-

lungen von Umweltkon-flikten aus verhand-

lungstheoretischerSicht, Kapitel 4, inStaehelin-Witt, El-ke, Saner, Ray-

mond, Wagner,Beatrice (2005 in

press), Verhandlungenbei Umweltkonflikten:

Ökonomische, Soziologi-sche und Rechtliche Aspek-te des Verhandlungsansat-zes im alpinen Raum, Ab-schlussbericht im Rahmendes Programms 48 desSNF, Bern.