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174o KLINISCHE WOCHENSCH mit der Obliteration des t31/ischens wird die Anlage zweilappig. Von diesem Zeitpunkte an (6 mm lange Embryonen) w/ichst die Schilddriisenanlage caudalw/irts aus und stellt einen queren, etwa hufeisenf6rmig gestalteten K6rper dar. Dabei bilden sich die dorso-kranial gerichteten, seitlichen Schenkel zu den sp/iteren Seitenlappen aus, w/ihrend der mittlere, ventro- caudal gerichtete Anteil zum Isthmus wird. An die Seitenlap- pen legt sich jederseits der aus der 5. Schlundtasche stammende post- oder ultimobronchiale K6rper (frfiher als laterale Schild- drfisenanlage angesehen) an, der aber sich an der t3ildung yon Schilddrfisengewebe nicht beteiligt und restlos zugrunde geht. Weiterhin ist das Wachstum der Seitenlappen dem Isthmus gegenfiber in der Folgezeit dauernd vermehrt. SchlieBlich sind in der fertig entwickelten Schilddrfise ein verh/iltnism/iBig schmaler Isthmus und zwei grol3e Seitenlappen vorhanden. Die Seiteniappen selbst sind normalerweise meist verschieden grol3 und verschieden gestaltet. Die auBerordentlich selten vorkommenden Abnormit~ten der Seitenlappen, also Aplasie, Atrophie und Hypoplasie, m6chten wir auf Grund dieser entwicklungsgesehichtlichen Vorg/inge f01gendermaBen erkl/iren. Die Teilung der medianen Schilddriisenanlage in zwei Lappen erfolgt fiberhaupt nicht, oder der eine Seitenlappen wird nur unvollkommen angelegt. Gleichzeitig damit kommt es fiberhaupt nicht zur Bildung eines Isthmus, oder er wird nut rudiment/ir ausgebildet. Die Gef/iBversorgung kommt in gleicher Weise auf der einen Seite fiberhaupt nicht zur Ausbildung, oder sie entwickelt sich nur in sp/irlichem AusmaBe. Die Abnormit/iten in der Gef/iBversorgung (Fehlen beider oder einer Arterie, rudimen- t/ire Entwic!dung der Arterien) tragen mit dazu bet, dab ein nachtr/igliches Wachstum der prim/ir mangelhaft angelegten Anlage nicht in einem derartigen MaBe eriolgen kann, dab das Zurfickbleiben nachgeholt werden kann. Vielmehr wird bet dem weiteren Wachstum des K6rpers der Unterschied in der Gr613e der beiden Lappen immer deutlicher hervor- treten. Auffgllig ist die Tatsache, dab mit Vorliebe der linke Schilddrfisenlappen betroffen ist, weiterhin, dab dabei wieder- um die Art. thyreoidea inf. am h/iufigsten Iehlt, w/ihrend die Art. thyr. sup. allein niemals fehlt, wohl aber beide zusammen nicht entwickelt sein k6nnen. Eine Erkl/irung Ifir diese auf- f/illige Tatsache k6nnen wir nicht geben, wir m6chten sie abet nicht als Zufall hinstellen. Es ist m6glich, dab besonders die linke Schilddrilsenanlage und hier wiederum besonders die linke Art. thyr. inf. entwicklungsgeschichtlichen Hemmungen irgendwelcher Art leichter ausgesetzt ist. Das Fehlen einer oder beider Arterien legt die Vermutung nahe, dab es sich in den meisten F/illen um eine prim~ir mangelhafte Anlage (s. oben) und nicht um ein nachtr/igliches Atrophieren einer normal angelegten Anlage zusammen mit der physiologischen Rfickbildung des Schilddrfisenstieles handelt; fiir die letztere Entstehungsart k6nnten jene F/ille, in denen beide Arterien mangelhaft ausgebildet sind, eine Stfitze abgeben, obwohl es auch hierbei wahrscheinlicher ist, dab prim/it schon mit der mangelhaften Schilddrfisenanlage zugleich eine mangelhafte Anlage ihrer Gef/iBe vorhanden gewesen sein wird. Aus der gleichzeitigen Hypoplasie yon linkem Lappen und Isthmus, verbunden mit dem Fehlen der Art. thyr. inf. sin., m6chten wir den Eintritt der Entwieklungshemmung fiir derartige F/ille wie die unsrigen (rudiment/ire Entwicklung) in die Zeit der Zweilappung der Schilddrfisenanlage, also in die Entwicldungsperiode eines etwa 6 mm langen Embryo ver- legen, Bet vollst/indigem Fehlen einer H/ilfte mul3 die ent- wicklungsgeschichtlich e St6rung etwas frfiher eingesetzt haben, ehe die Zwefiappung fiberhaupt erfolgt, oder es muB eine yollst/indige Atrophie ether bereits angelegten Lappenanlage erfolgt sein. Bet derartigen Hemmungsfehlern tritt die andere Seite in d er Regel kompensatorisch ein. Vielleicht ist die kropfige Entartung in vielen dieser F~lle als eine fiber das Mag hinaus- schieBende tIypertrophie des anf/inglich normal entwickelten ~Lappens aufzufassen. In anderen F/illen sind bet mangel- hafter Ausbildung ether Sehi!ddrfisenh/ilfte neben der nor- malen anderen H/ilfte im Verlauf des Ductus thyreoglossus RIFT. i. JAHRGANG. Nr. 35 26.AUGUSTI922 sogenannte aberierende Schilddrfisen beobachtet worden, die hypertrophiert kompensatorisch eintreten k6nnen. Be- sonders bei doppelseitiger Aplasie sind solche aberierenden Schilddrfisenanlagen yon allergr6Bter Bedeutung. Sie k6nnen sich zu groBen Strnmen entwickeln und haben oft Veran- lassung zu operativer Entfernung gegeben ; hat man in solchen F/illen in Unkenntnis der mangelhaften Ausbildung der Schilddrtise zu vie1 Parenchym entfernt, so treten postopera- tive Ausfallserscheinungen ein; eine Anzahl derartiger F/ille sind in der Bearbeitung yon STIERLIN zusammengestellt. STIERLIN r/it im Anschlul3 an diese F/ille bet der Entfernung yon Zungenstrumen zu ganz besonderer Vorsicht nnd fordert vorherige, genaue operative Feststellung yon genfigend Schilddr/isengewebe an normaler Stelle. Das geistige und k6rperliche Verhalten war in unseren F/illen und in denen der Literatur (mit Ausnahme des oben- erw/ihnten STIXRLINschen Falles) bet einseitiger mangelhafter Ausbildung eines Schilddrfisenlappens normal, eben weil eine genfigende Kompensation von der anderen Seite aus eingetreten war. Ist eine solche nicht vorhanden, oder tritt eine hoch- gradige kropfige Entartnng mit weitgehender Degeneration des Parenchyms ein, so werden Ausfallserscheinungen die Folge sein (s. Fall 4 yon STIERLIN), Von Bedeutung ist noch hervorzuheben, dab bet der man- gelhaften Ausbildung eines Schilddrfisenlappens die Ent- wicklung der Epithelk6rperchen ungest6rt vor sich geht. Die aus der 3. und 4. Schlundtasche stammenden Epithel- k6rperchen werden eben yon der entwicklungsgeschichtlichen St6rung der Schilddrfisenanlage nicht betroffen. Dies ist ein weiterer Grund zu der Annahme der Thyreoaplasie, -atrophie und -hypoplasie als einer isolierten und frfihzeitigen entwicklungsgeschichtlichen St6rung der Schilddrfisenanlage zu einer Zeit, wo ihre Verschmelzung mit den Epithelk6rper- chen noch nicht erfolgt ist. L i t e r a t u r : Asc~oFF, Pathologische Anatomie. 2, Jena 1911. -- BROMAN, Normale und abnorme Entwicklung des Men- schen. Wiesbaden 1911.- DUBS, rgber Hemiaplasie der Schild- driise, Zentralbl. f. Chirurgie. 1918 , Nr. 42, S. 744. - - HENLE, Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen 2, S. 538. Braunschweig 1866. -- LUSCHKA, Die Anatomie des Menschen. r, S. 294. Tiibingen 1862. - - SOBOTTA,Anatomie der Schilddrfise. Jena 1915. -- SrlER- LIN, Uber morphologische Anomalien der Schilddriise, Schweize- rische Rundschau fiir Medizin 1912, Nr. 26, S. 737. -- STIERLIN, Verhandl. der Schweizer Gesellschaft filr Chirurgie, IO. III. I7. l~orrespondenzbl, f. Schweizer Arzte 1917, Nr. 49, S. 1695. ABHEILENDE TUBERKULOSE PRIM.~R- UND REINFEKTE UND BRONCHOGENE METASTASEN IN DER LUNGE UND IHRE BEZIEHUNG ZUR TERTI~REN LUNGENPHTHISE. Von Oberarzt Dr. H. GRASS z. Z. Leiter der Tuberkulosefiirsorge in Bremen. und Assistenzarzt Dr. FR. SCHEIDEMANDEL. Aus dem Tuberkulosekrankenhaus Waldhaus CharIottenburg, Sommerfeld (Osthavelld.) ('4rztlicher Dir. Dr. H. ULRICL) Seit einigen Jahren interessieren uns eigentfimliehe derb- k/isige oder verkalkte Lungenherde mit bindegewebiger Kapsel, die hanfkorn- bis kirschgroB sind und bis zu fiber 15 bei einem Phthisiker gefunden wurden. Meist sind es wenige, I-- 5 ; nicht selten fehlen sie ganz. Sie sind kugelig oder 1/inglich rund. Wir suchen seit etwa anderthalb Jahren systematisch nach ihnen und zerschneiden dazu die in situ geh/irteten Lungen mit den zugeh6rigen Lymphknoten in feine Scheiben. In den regio- n/iren Hilusdrfisen finden sich nicht selten Kalk- oder K~se- herde, oft yon rundlicher Form. Diese Lungenherde haben wir zun/ichst f fir tuberkul6se Prim~raffekte gehalten und in diesem Sinne ihr I3ild auf der 1R6ntgenplatte aufgefaBt, mit dessen Deutung sich eine Ver6ffentlichung yon BALLIN 1) u n d der entsprechende Abschnitteiner Arbeit yon H. und E. GRASS 2)

Abheilende Tuberkulöse Primär- und Reinfekte und Bronchogene Metastasen in der Lunge und ihre Beziehung zur Tertiären Lungenphthise

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Page 1: Abheilende Tuberkulöse Primär- und Reinfekte und Bronchogene Metastasen in der Lunge und ihre Beziehung zur Tertiären Lungenphthise

174o K L I N I S C H E W O C H E N S C H

mit der Obliteration des t31/ischens wird die Anlage zweilappig. Von diesem Zeitpunkte an (6 mm lange Embryonen) w/ichst die Schilddriisenanlage caudalw/irts aus und stellt einen queren, etwa hufeisenf6rmig gestalteten K6rper dar. Dabei bilden sich die dorso-kranial gerichteten, seitlichen Schenkel zu den sp/iteren Seitenlappen aus, w/ihrend der mittlere, ventro- caudal gerichtete Anteil zum Isthmus wird. An die Seitenlap- pen legt sich jederseits der aus der 5. Schlundtasche stammende post- oder ultimobronchiale K6rper (frfiher als laterale Schild- drfisenanlage angesehen) an, der aber sich an der t3ildung yon Schilddrfisengewebe nicht beteiligt und restlos zugrunde geht. Weiterhin ist das Wachstum der Seitenlappen dem Isthmus gegenfiber in der Folgezeit dauernd vermehrt. SchlieBlich sind in der fertig entwickelten Schilddrfise ein verh/iltnism/iBig schmaler Isthmus und zwei grol3e Seitenlappen vorhanden. Die Seiteniappen selbst sind normalerweise meist verschieden grol3 und verschieden gestaltet.

Die auBerordentlich selten vorkommenden Abnormit~ten der Seitenlappen, also Aplasie, Atrophie und Hypoplasie, m6chten wir auf Grund dieser entwicklungsgesehichtlichen Vorg/inge f01gendermaBen erkl/iren. Die Teilung der medianen Schilddriisenanlage in zwei Lappen erfolgt fiberhaupt nicht, oder der eine Seitenlappe n wird nur unvol lkommen angelegt. Gleichzeitig damit kommt es fiberhaupt nicht zur Bildung eines Isthmus, oder er wird nu t rudiment/ir ausgebildet. Die Gef/iBversorgung kommt in gleicher Weise auf der einen Seite fiberhaupt nicht zur Ausbildung, oder sie entwickelt sich nur in sp/irlichem AusmaBe. Die Abnormit/i ten in der Gef/iBversorgung (Fehlen beider oder einer Arterie, rudimen- t/ire Entwic!dung der Arterien) tragen mit dazu bet, d a b ein nachtr/igliches Wachstum der prim/ir mangelhaft angelegten Anlage nicht in einem derartigen MaBe eriolgen kann, dab das Zurfickbleiben nachgeholt werden kann. Vielmehr wird bet dem weiteren Wachstum des K6rpers der Unterschied in der Gr613e der beiden Lappen immer deutlicher hervor- treten.

Auffgllig ist die Tatsache, dab mit Vorliebe der linke Schilddrfisenlappen betroffen ist, weiterhin, dab dabei wieder- um die Art. thyreoidea inf. am h/iufigsten Iehlt, w/ihrend die Art. thyr. sup. allein niemals fehlt, wohl aber beide zusammen nicht entwickelt sein k6nnen. Eine Erkl/irung Ifir diese auf- f/illige Tatsache k6nnen wir nicht geben, wir m6chten sie abet nicht als Zufall hinstellen. Es ist m6glich, dab besonders die linke Schilddrilsenanlage und hier wiederum besonders die linke Art. thyr. inf. entwicklungsgeschichtlichen Hemmungen irgendwelcher Art leichter ausgesetzt ist. Das Fehlen einer oder beider Arterien legt die Vermutung nahe, dab es sich in den meisten F/illen um eine prim~ir mangelhafte Anlage (s. oben) und nicht um ein nachtr/igliches Atrophieren einer normal angelegten Anlage zusammen mit der physiologischen Rfickbildung des Schilddrfisenstieles handel t ; fiir die letztere Ents tehungsart k6nnten jene F/ille, in denen beide Arterien mangelhaft ausgebildet sind, eine Stfitze abgeben, obwohl es auch hierbei wahrscheinlicher ist, dab prim/it schon mit der mangelhaften Schilddrfisenanlage zugleich eine mangelhafte Anlage ihrer Gef/iBe vorhanden gewesen sein wird. Aus der gleichzeitigen Hypoplasie yon linkem Lappen und Isthmus, verbunden mit dem Fehlen der Art. thyr. inf. sin., m6chten w i r den Eint r i t t der Entwieklungshemmung fiir derartige F/ille wie die unsrigen (rudiment/ire Entwicklung) in die Zeit der Zweilappung der Schilddrfisenanlage, also in die Entwicldungsperiode eines etwa 6 mm langen Embryo ver- legen, Bet vollst/indigem Fehlen einer H/ilfte mul3 die ent- wicklungsgeschichtlich e St6rung etwas frfiher eingesetzt haben, ehe die Zwefiappung fiberhaupt erfolgt, oder es muB eine yollst/indige Atrophie ether bereits angelegten Lappenanlage erfolgt sein.

Bet derartigen Hemmungsfehlern t r i t t die andere Seite in d er Regel kompensatorisch ein. Vielleicht ist die kropfige Enta r tung in vielen dieser F~lle als eine fiber das Mag hinaus- schieBende tIypertrophie des anf/inglich normal entwickelten ~Lappens aufzufassen. I n anderen F/illen sind bet mangel- hafter Ausbildung ether Sehi!ddrfisenh/ilfte neben der nor- ma len anderen H/ilfte im Verlauf des Ductus thyreoglossus

R I F T . i. J A H R G A N G . Nr. 35 26. AUGUSTI922

sogenannte aberierende Schilddrfisen beobachtet worden, die hypertrophiert kompensatorisch eintreten k6nnen. Be- sonders bei doppelseitiger Aplasie sind solche aberierenden Schilddrfisenanlagen yon allergr6Bter Bedeutung. Sie k6nnen sich zu groBen Strnmen entwickeln und haben oft Veran- lassung zu operativer Entfernung gegeben ; hat man in solchen F/illen in Unkenntnis der mangelhaften Ausbildung der Schilddrtise zu vie1 Parenchym entfernt, so treten postopera- tive Ausfallserscheinungen ein; eine Anzahl derartiger F/ille sind in der Bearbeitung yon STIERLIN zusammengestellt. STIERLIN r/it im Anschlul3 an diese F/ille bet der Entfernung yon Zungenstrumen zu ganz besonderer Vorsicht nnd fordert vorherige, genaue operative Feststellung yon genfigend Schilddr/isengewebe an normaler Stelle.

Das geistige und k6rperliche Verhalten war in unseren F/illen und in denen der Literatur (mit Ausnahme des oben- erw/ihnten STIXRLINschen Falles) bet einseitiger mangelhafter Ausbildung eines Schilddrfisenlappens normal, eben weil eine genfigende Kompensation von der anderen Seite aus eingetreten war. Ist eine solche nicht vorhanden, oder t r i t t eine hoch- gradige kropfige En ta r tnng mit weitgehender Degeneration des Parenchyms ein, so werden Ausfallserscheinungen die Folge sein (s. Fall 4 yon STIERLIN),

Von Bedeutung ist noch hervorzuheben, dab bet der man- gelhaften Ausbildung eines Schilddrfisenlappens die Ent- wicklung der Epithelk6rperchen ungest6rt vor sich geht. Die aus der 3. und 4. Schlundtasche s tammenden Epithel- k6rperchen werden eben yon der entwicklungsgeschichtlichen St6rung der Schilddrfisenanlage nicht betroffen. Dies ist ein weiterer Grund zu der Annahme der Thyreoaplasie, -atrophie und -hypoplasie als einer isolierten und frfihzeitigen entwicklungsgeschichtlichen St6rung der Schilddrfisenanlage zu einer Zeit, wo ihre Verschmelzung mit den Epithelk6rper- chen noch nicht erfolgt ist.

L i t e r a t u r : Asc~oFF, Pathologische Anatomie. 2, Jena 1911. - - BROMAN, Normale und abnorme Entwicklung des Men- schen. Wiesbaden 1 9 1 1 . - DUBS, rgber Hemiaplasie der Schild- driise, Zentralbl. f. Chirurgie. 1918 , Nr. 42, S. 744. - - HENLE, Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen 2, S. 538. Braunschweig 1866. - - LUSCHKA, Die Anatomie des Menschen. r, S. 294. Tiibingen 1862. - - SOBOTTA, Anatomie der Schilddrfise. Jena 1915. - - SrlER- LIN, Uber morphologische Anomalien der Schilddriise, Schweize- rische Rundschau fiir Medizin 1912, Nr. 26, S. 7 3 7 . - - STIERLIN, Verhandl. der Schweizer Gesellschaft filr Chirurgie, IO. III. I7. l~orrespondenzbl, f. Schweizer Arzte 1917, Nr. 49, S. 1695.

ABHEILENDE TUBERKULOSE PRIM.~R- UND REINFEKTE UND BRONCHOGENE METASTASEN IN DER LUNGE UND IHRE BEZIEHUNG ZUR

TERTI~REN LUNGENPHTHISE. Von

Oberarzt Dr. H. GRASS z. Z. Leiter der Tuberkulosefiirsorge in Bremen.

und

Assistenzarzt Dr. FR. SCHEIDEMANDEL. Aus dem Tuberkulosekrankenhaus Waldhaus CharIottenburg, Sommerfeld (Osthavelld.)

('4rztlicher Dir. Dr. H. ULRICL)

Seit einigen Jahren interessieren uns eigentfimliehe derb- k/isige oder verkalkte Lungenherde mit bindegewebiger Kapsel, die hanfkorn- bis kirschgroB sind und bis zu fiber 15 bei einem Phthisiker gefunden wurden. Meist sind es wenige, I - - 5 ; nicht selten fehlen sie ganz. Sie sind kugelig oder 1/inglich rund. Wir suchen seit etwa anderthalb Jahren systematisch nach ihnen und zerschneiden dazu die in situ geh/irteten Lungen mit den zugeh6rigen Lymphknoten in feine Scheiben. In den regio- n/iren Hilusdrfisen finden sich nicht selten Kalk- oder K~se- herde, oft yon rundlicher Form. Diese Lungenherde haben wir zun/ichst f fir tuberkul6se Prim~raffekte gehalten und in diesem Sinne ihr I3ild auf der 1R6ntgenplatte aufgefaBt, mit dessen Deutung sich eine Ver6ffentlichung yon BALLIN 1) und der entsprechende Abschnit teiner Arbeit yon H. und E. GRASS 2)

Page 2: Abheilende Tuberkulöse Primär- und Reinfekte und Bronchogene Metastasen in der Lunge und ihre Beziehung zur Tertiären Lungenphthise

26. AUGUST 1922 K L I N I S C H E - W O C H E N S C H R I F T . I. J A H R G A N G . Nr. 35 1741

beschXftigen. Daffir, dab es sieh um Prim~rherde handelt, spricht auBer den in diesen Arbeiten angegebenen Grtinden, die sich auf das RSntgenbild stiitzen, zun~chst auch die Er- fahrung bei der Sektion. Unter den verwirrend mannigfaltigen Bildungen ill der Phthisikerlunge imponieren diese derb-k~si- gen, abgekapselten Herde als auffalleiid alt und geben, be- sonders wenn in den zugeh6rigen Lymphdrfisen K~seknoten vorhanden sind, das Bild eines Prims Als Bil- dungeii des sekund~Lre~ Stadiums haben wir sie IIicht aufge- faBt, well sie IIicht auf die Nachbarschaft iibergreifen. Ihr unmittelbarer EinfluB auf ihre Umgebung ist gering. Viele voli ihnen liegen in v611ig normalem Lungengewebe; aber auch wo sie in ver~ndertem Gewebe liegen, scheint diese Ver~nderung der Umgebung nicht entstandeli zu sein durch direktes !Jbergreifen der augenscheinlich glteren, gut abgekapselten Herde. Von den jiiligeren, terti~ren Herdbildungen unterscheiden sie sich augenf~llig. Wir halten sie ftir Aspirationsherde, weil histo- logisch in dem Kern der Knoten fast stets ~berreste alveo- ls Struktur nachweisbar sind, und wegen ihrer off deutlichen Beziehung zum Bronchus. Sie gleichen so ill vielem den yon ALBRECHT3), GHON4), RA~KE~), und anderen beschriebenen Prims und die Annahme, dab es sich um solche han- delt, erseheint gut begrfindet. Dennoch ist sie nur fiir einen Teil dieser Herde zutreffend.

Es war uns aufgefallen, daB die Knoten in derselben Lunge keineswegs gleich alt sind. Daher schrieb G~Ass 6) in einer FuBnote einer friiheren Arbeit: ,,Ob der Begriff Erstinfektion sich stets mit einer einmaligen Aufnahme des Bacillus in den K6rper deckt, erscheilit uns zweifelhaft. Unter Umst~nden nmfal3t er wohl mehrere ungleichzeitige, aber vom K6rper gleichsinnig beantwortete IIIfektionen." Trotz ihres ver- schiedenen Alters erscbienen uiis also die Herde im iibrigen doch so gleichartig, dal3 wir uiis zun/ichst nicht entschlieBen konnten, sie einem anderen Stadium zuzuz/ihlen. Wir iiber- zeugteli uns aber, dab es Herde gibt, die man IIicht mehr zu den prim/iren rechnen kann. Als solche sahen wir z. B. k/isig- pneumonische Knoten an, wenn eine Lunge mehrere yon ihnen aus verschiedenen Zeiten aufwies, die einen stetigen I3bergang in Art und Alter yon derb-k/isigen, abgekapselten bis zu ganz frischen Bildungen zeigten. So muBten wir in einem Tell un- serer Herde spgtere Infektionen, also Reinfektionen, er- blicken.

Es fragt sich nun : Silid Prim/ir- und Reinfekte mit Sicher- heit zu unterscheiden ? PIJHL 7) aus dem Asc~toFFschen In- st i tut hat solche Unterschiede bei einem Vortrag: , ,~ber Pri- nl/ir- und Reinfekte der Lungenphthise" angegeben. Daiiach sind die Merkmale fiir dell Prim/~rilifekt folgende: I. Er be- finder sich vorzugsweise in den unteren und bestatmenden Teilen der Lunge und bevorzugt die subpleuralen Schichten. 2. Er zeigt eine geringe Gr6Be und meist kugelige Form. 3. Er ist weitgehend verkalkt. 4. Er ist gegen ein v611ig gesund aus- sehendes Lungengewebe scharf abgesetzt. 5. Die regionSxen Lymphknoten weisen scharf abgesetzte, an Gesamtausdehnung meist gr6Bere Herde auf. Mikroskopisch ist wesentlich: I. die scharfe bindegewebige Abkapselung durch eine spezi- fische und unspezifische Kapsel gegen ein meist unver/~ndertes Lungengewebe; 2. die v611ige Verkalkung und die ~Lugerst h/tufig vorgeschrittene Umwaiidlung in Knochen und Knochen- markgewebe.

DemgegenSber siiid nach PUI~L die Merkmale ftir die Rein- fektion: I. vorwiegender Sitz im Spitzengeschog; 2. die relative Gr6ge (erbseli- bis kirschgroB) ; 3. die unregelmgBige Gestalt; 4. die unscharfe Begrenzung gegen ein meist ver- dichtetes anthrakotisches Lungengewebe; 5. die relativ sel- tene Verkalkuiig; 6. das Fehlen gleichartiger und gleich alter Ver/inderungen in den region&ren Lymphknoten; 7. vorwie- gend multiples Auftreten. Mikroskopisch wesentlich ist: I. die unregelm/iBige, aber sehr breite schwielige Abkapselung ; 2. Das v611ige Fehlen yon Knochenbildung, welches sich nur selten in Form der sogenaniiten ver/tstigten Nnochenspaiigen zeigt; 3. die anthrakotische Kollapsinduration oder die kollateral entztindliche Reaktion des umgebenden Lungen- gewebes; 4- die Beteiligung Meinerer oder gr613erer Bron- chien an der Herdbildung.

Die angegebenen Merkmale haben auch wir beobachtet, k6iinen aber nicht bests dab sie zur Unterscheidung yon Prims oder Reinfekten immer oder auch nur meist brauchbar sind. Die Herde weisen diese Zeichen fast stets in so bunter Mischung auf, dab es nicht m6glich ist, sie nach ihnen den Prims oder Reinfekteii zuzuweisen. Den PUHLschen Merk- malen ist daher wohl nur eine bedingte Bedeutung zuzuspre- chen. Unser Material besteht freilich fast nur aus Phthisiker- lungen, und es fehlen uns Lungen mit nur geringen tuberku- 16sen Ver~nderungen.

Unsere bisherigen Ergebnisse sind ]olgende: Man finder in den Lungen Herde, die dadurch, dab sie aus weiBem oder schieferigem, trockiiem, derbem K~se bestehen, der meist kalkhaltig ist, oder dadurch, dab sie v611ig verkalkt sind, wesentlich ~Iter erscheinen als die fibrigen tuberkulSsen Ver/in- derungen der Lungen. Solche Herde sind hanfkorn- bis kirsch- groB, von einer derben, bindegewebigen Kapsel umgeben. Histologisch finden sich in ihnen immer die Ltberreste alveols rer Struktur, wenn die Verkalkung nicht so welt fortgeschrit- ten ist, dab die elastischen Fasern zerst6rt wurden. Diese Lungenherde sind dernnach ganz oder teilweise geheilte, durch Aspiration entstandene, k~sig-plieumonische Knoten. Die Herde zeigen auch h~ufig eine enge Beziehung zum Bronchus, indem sle an seinem Ende liegen oder von ihm durchbohrt werden. Der Bronchus ist dann zuweilen in einem Teil seines am Herd ansehlieBenden Verlaufes k~sig ver~ndert. Sie sind abzugrenzen yon ~hnlichen Bilduligen, wie mit K~se geftillten Bronchien, verk~sten, abgekapselteii Koliglomerattuberkeln oder amorphen Ks wie man sie besonders h~ufig in einem total schwielig umgewandelten Oberlappen finder. Finden sich in den Hilusdrfisen rundliehe Ks oder Kalk- knoten, so halten Wit die zugehSrigen Lungenherde ffir Prim~r- infekte, da IIach unserer Erfahrung die Lymphknoten nicht leicht partiell k~sig erkranken, wenn einmal ein Durchseu- chungswiderstand vorhanden ist.

Die Aspiratiolisherde k6nnen exogener Natur sein, dann handelt es sich um Prim~irin]ekte, wenn sie den vom Virus noch uliberfihrten K6rper befallen, urn Rein]ekte, wenn sie sich im schon frfiher infiz'ierten Organismus bilden. Endogen k6nnen sie nu t entstehen als bronchogene Metastase voli ~lteren offenen Herden aus, deren Virus in die Bronchien ge- langen kann, also meist yon Lungenherdei1 aus. Die bespro- chelieii Knoten sind also Prim~Lr- oder Reinfekte oder brolicho- gene Metasfasen. Beim gegebenen Herd gelingt die Ent- scheidung, zu welcher Art er geh6rt, fast nur aus den begleiten- den Umsts Den Prims erkennt man, wenn er als Teil eilies ganzen Prims vorliegt, oder wenn sich IIeben ibm nichts Tuberkul6ses in der Lunge vorfindet. Der Reinfekt oder die bronchogene Metastase werden als solche erkennbar, wenn sie deutlich jiinger neben sicheren Prims fekten vorkommen*). Unm6glich ist uns bis jetzt die Uiiter- scheidung zwischen exogenem Reinfekt und bronchogener Metastase.

Bedeutungsvoll erscheint ulis die Tatsache, dab durch Aspiration so aui3erordentlich ~hnliche Herde in den Lungen entstehen zu Zeiten, in denen sich das IIIdividuum nach all- gemeiner Ansicht in einem ganz verschiedenen immun-biolo- gischen Zustand befindet, dab mit anderen Worten ein vom Bacillus noch unberiihrter Organismus auf eine Infektion in fast gleicher Weise reagieren kann wie ein anderer, der infolge voraufgegangener Infektion einen gewissen Durchseuchungs- widerstand hat. Ffir das Zustandekommen solcher Herde scheilit demnach der immun-biologische Zustalid allein nicht maBgebend zu sein, sondern vielmehr das Verh~ltnis zwischen Angriff und Abwehr. Ein solcher Herd wird vielleicht elit- stehen, wenn bei einem gegebenen immun-biologischen Zu- stand die Infektion so stark ist, dab es zurHerdbildung kommt, zugleich aber so schwach, dab durch eine lokale Abkapselulig Heilung angebahnt werden kann.

Nachdem besprochen wurde, wie die abheilenden tuber- kul6sen Aspirationsherde in der Lunge aussehen, welche drei

*) Die ge . . . . . . . . . Beschreibung und Zahlenangaben fiber soiche Herde werden in eine:r weiteren Arbeit aus unserer Anstalt gegeben werden, nachdem durch Beobachtung an weiterem Material einige Punkte noch mehr gckI~irt sind.

Page 3: Abheilende Tuberkulöse Primär- und Reinfekte und Bronchogene Metastasen in der Lunge und ihre Beziehung zur Tertiären Lungenphthise

1742 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . I. J A H R G A N G , Nr. 35 26. AUGUST 1922

Arten sich bei ihnen unterscheiden lassen, und wie ihr Ent- stehen zu denken ist, soll die Rolle, die sie bei der tertigren Lungenphthise spielen, er6rtert werden*). Die terti/~re Lungen- phthise wird aUfgefaBt als das Resultat einer l%infektion bei einem Organismus, der durch eine Prim/irinfektion einen Durch- seuchungswiderstand erworben hat. Stritt ig ist, ob der exo- genen oder der endogenen Reinfektion die gr613ere Bedeutung zukommt. Der Begriff ,,der endogenen Reinfektion" ist ent- behrlich und irrefiihrend. Die endogen entstandenen Herde sind Metastasen, die lymphogen, h~Lmatogen oder bronchogen zustande gekommen sind. Diesem Zustand hat man f/ir die chronische Phthise einen besonderen Namen gegeben. Weder ffir eine andere Infektignskrankheit noeh ffir eine tuberkul6se Erkrankung anderer Art ist dieser Ausdruck gebr/iuchlich. Fiir die chronische Phthise ist er wohl deshalb entstanden, well diese Metastasierung Zeitrgume yon Jahrzehnten bean- spruchen und in ausgesprochenen Schfiben erfolgen kann. DaB die endogene 1Reinfektion in diesem Sinne, also als Metasta- sierung yon Virus, das aus eineln Primgrherd oder exogenem Reinfektionsherd herr/ihrt, bedeutungsvoll ffir die Ent - stehung der terti/iren Lungenphthise ist, wird niemand leugnen k6nnen. Der Ausdruck ,,endogener Reinfekt" ist also zweck- mgBig durch die Bezeichnung ,,Metastase"- zu ersetzen, u n d e s ist festzustellen, dab die Metastasierung zweifellos eine Rolle bei der Phthiseogenese spielt. Von dell oben beschriebenen, abgekapselten Herden interessieren bier nur der Prim/ir- infekt und der exogene Reillfekt, dagegen nicht die broncho- gene Metastase. Prim/irinfekt und exogener Reinfekt k6nnen den Ausgangspunkt der Lungenphthise bilden. In ihnen hat die Metastasierung, die sogenannte Reinfektion, ihre Quelte. Es Iragt sich, ob eine terti/ire Lungenphthise aus dem Primgr- infekt allein entstehen kann, oder ob es n6tig ist, dab sich ihm immer der exogene Reinfekt hinzugesellt, damit es zur terfi/~- ten Lungenphthise kommt. Nach unserer Meinung geniigt der Prim/~rinfekt, der exogene Reinfekt kann aber an seine Stelle oder hinzutreten. Uber die H/iufigkeit der einen oder der anderen Art verm6gen wir ein Urteil nicht abzugeben.

Wie kommen wit zu der Anschauung, dab der Primgrinfekt allein als Ausgangspunkt ffir die Entstehung der terti/iren Lungenphthise gen/ige ? Er genfigt, um einen Durchseuchungs- widerstand zu schaffen. Dieser ist aber wahrscheinlich nicht einmal stark genug, uln in allen F~llen weitere exogene Aspira- tionsherde zu verhindern. Es ist daher noch weniger anzu- nehmen, dab er metastatische Herde sicher verhindert. Je massiger der Prim~finfekt ist, um so mehr und um so eher werden metastatische Herde auftreten, und dahei muB es Zwischenstufen g e b e n zwischen v611iger Ausheilung ohne Metastasierung und schnell zum Tode fiihrender generalisierter Tuberkulose. Eine dieser, der Ausheilung am n/ichsten stehende Zwischenstufe ist mit groger Wahrscheinlichkeit eine so geringe Metastasierung, dal? sie nur das empfindlichste Organ an der wundesten Stelle trifft, also eine Metastasierung imr in die Lungenspitzen. Hier entstehen dann die ersten produktiven I-terde. Sind diese erst einmal gesetzt, so k6nnen sie durch Kontak t weiter wachsen. Ist ein Prim/trherd ohne l~r ausgeheilt, so kann selbstverstgndlich die Metastasierung yon einem exogenen Reinfekt aus erfolgen, oder Prim~irinfekt oder Reinfekt liefern beide das Material fiir die Metastasen. Diese werden urn so ausgebreiteter und reichlicher sein, die terti/ire Lungenphthise sich bei sonst gleiehen Verhgltnissen also um so schneller ausbreiten, je mehr und massigere Prim/ir- und Reinfekte vorhanden sind.

Die terti(~'m Lungenphthise ist eine selvr chronisehe und oft in Sehi~ben verlaujende, metastatieche Weiterverbreitung der ersten, oder einer spiiteren, ihr an Bedeutung gleichkommen- den InJektion. Die sogenannte endogene IReinfektion ist nur eine metastatische Weiterverbreitung yon schon im Orga- nismus vorhandenem Virus, die exogene Reinfektion kann zwar eine Rolle spielen, muB es abet nicht, und wenn sie es rut, kommt ihr keine andere ]3edeutung zu als dem Prim~ir- affekt.

= *) Vgl. die J3ehandhmg dieser Frage dutch BEITZKE u. GRASS, Berl. kiln. Wochen- schr. i92 i , Nr. 32, 42, 48. - - Eine Erwidertmg yon GRASS konnte damals nicht er- folgen, weft die Zeitschrift ihr Erscheinen einstellte,

Wenn wir somit auch dem Wesen nach in der Rolle des Prim/it- und des exogenen Reinfekts bei der Phthiseogenese keinen Unterschied erblicken, so bleibt die Erkennung ihres zahlenm~13igen Vorkommens doch wichtig fiir das Verstfind- his der langwierigen Lungenerkrankung und damit fiir ihre Bek/~mpfung. Diese Zahlenverh~iltnisse werden sich aber einst- weilen schwer feststellen lassen, da es, wie aus dem Anfang dieser Arbeit ersichtlich ist, nur fiir einen kleinen Teil der abheilenden Aspirationsherde m6glich ist, sie mit Sicherheit in eine der drei Unterklassen Prim/~rinfekt, l%infekt und bronchogene Metastase zu verweisen. Fiir die Entstehung solcher Herde ist, wie gesagt, nach unserer Ansicht der immun- biologische Zustand des K6rpers allein nicht maBgebend, sondern das Verhgltnis zwischen Angriff und Abwehr. Prak- tisch ist ein vorhandener Durchseuchungswiderstand aber yon auBerordentlicher Wichtigkeit, da die leichten, unvermeid- tichen Infektionen mit Tuberkelbazillen, denen man im t/tg- lichen Leben ausgesetzt ist, bei vorhandenem Durchseuchungs- widerstand wohl nicht haften. Ist die Abwehr stark, so be- darf es auch eines starken Angriffs, um zur Bildung eines Aspirationsherdes zu fiihren. Gegen eine so grobe Infektion vermag sich aber der Mensch zu schiitzen. Wenn also die erste Infektion so schwach ist, dab sie ohne Metastasenbildung ausheilt, aber genflgenden Durchseuchungswiderstand setzt, so ist eine sp/itere Lungentuberkulose durch Vermeidung massiger Infektion zu verhflten. Ffihrt abet schon der Prim/ir- herd zur Bildung yon Metastasen in den Lungen, dann ist die Weiterausdehnung dieser Lungenerkrankung nicht mehr mit Sicherheit zu verhindern. Es gilt also als erste und wich- tigste Bek/impfungsmaBnahme, zu verhfiten, dab schon das Kind massig infiziert wird.

L i t e r a t u r : 1) BALLIN, Der tuberkul6se prim~re Komplex im R6!ntgenbild der Lunge, Beitr. z. Klinik der Tuberkulose Bd.5I, H. 2. - - 2) H. u. ]~. GRASS, Beobachtungen fiber die Lungentuber- kulose des Schulkilldes in ihrer Beziehung zur Stadieneinteilullg nach Ranke. Beitr. zur Klinik d. Tuberkulose Bd. 5I, H. 2. - - 3) H. ALBRECHT, Uber Tuberkulose des Kindesalters. Wien klin.. Wochenschr. 19o9. - - a) A. GnoN, Der prim/ire Lungenherd bei der Tuberkulose der Kinder. Urban und Schwarzenberg 1912. - - 5) K. E. IRANKE, Prim/iraffekt, sekund~re und terti~ire Stadien der Lun- gentuberkulose. Archly f. Mill. Med. Bd. I19. 6) H. GRASS, Uber das Verh/iltnis der kindlichen tuberkul6sen Infektion zur Schwindsueht der Erwachsenen. Berl. klin. -Wochenschr. 1921, Nr. 42. - - ~) PUHL, Dtsch. med. \u 1922, Nr. 8.

SUPRAPUBISCHE ODER PERINEALE PROSTATEKTOMIE ?

Von

Dr. A. HOBNER, Assistent der chirurgischen Universiffitsklinik der Charit6.

�9 (Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. O. HILDEBRAND. Urolog. Abt. der Poliklinik. Leiter: Prof. 0. RINGLEB.)

Die operative Behandlung der Prostatahypertrophie hat in den letzten Jahren mit Besserung der Heilungserfolge immer mehr Anh/inger gefunden. Die Erkenntnis, dab durch die bisher gefibten konservativen Methoden ein Fortschreiten des Krankheitsprozesses mit seinen schweren Gesundheits- st6rungen und der Gefahr einer malignen Entar tnng nicht aufgehalten werden kann, hat die Grenzen der Operations- m6glichkeit erheblich erweitert. Die Bedeutung der Prosta- tektomie wird hervorgehoben durch eine neuere Statistik BLUMSl), der die einzelnen Behandlungsmethoden abgrenzen konnte nach einer Sterblichkeitsziffer yon 8--IO % bei Kathe- terbehandlung, 27% bei Sexualoperationen, 33% bei Cystosto- mie und nur 5--8 % bei Prostatektomie. v. RIHMER 2) berechnet bei Katheterbehandlung eine Mortalit/it yon 31% und nach SQOIERS Statistik starben 69% yon den nicht Operierten.

Der Grund ffir die Zunahme der Heilungserfolge ist neben der verbesserten Technik zu sehen in der Ausschaltung der Gefahren dutch geeignete Vorbehandlung. Neben allgemeiner

1) BLUM, Zcntralbl. f. Chirurg. i 9 2 o , Nr. 4 o, S. 1235. s) V. RIHMER, Zeitschr. f. Urologie. 16, H. 5, S. 216.