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Ablenkung eines Asteroiden vom Kollisionskurs mit der Erde Alexander Pichler, Simon Stadler SS 2013 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 2 Mathematische Formulierung 3 3 1.Modell 4 4 2.Modell 8 5 Ausblick 17 1

Ablenkung eines Asteroiden vom Kollisionskurs mit der Erde · Asteroiden bei gegebener Anfangsgeschwindigkeit _x 0 auf eine bestimmte Flugbahn zu bringen, d.h. eine gew unschte Endgeschwindigkeit

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Ablenkung eines Asteroiden vomKollisionskurs mit der Erde

Alexander Pichler, Simon Stadler

SS 2013

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 2

2 Mathematische Formulierung 3

3 1.Modell 4

4 2.Modell 8

5 Ausblick 17

1

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Abbildung 1: c©Don Davis/Nasa

1 Einleitung

Vor 65 Millionen Jahren hat der Einschlag eines Asteroiden mit einem Durchmesser vonungefahr 10 km auf der heutigen Yucatan-Halbinsel in Mexiko die Ara der Dinosaurierbeendet und große Verwustung auf der Erde verursacht, ca. 75 % allen Lebens auf derErde wurde zerstort. Heute beschaftigt sich die Wissenschaft unter anderem mit derFrage, was man tun kann, um zu verhindern, dass sich so ein Ereignis wiederholt. Einmoglicher Ansatz ware, den Asteroiden mit einer gezielten nuklearen Sprengung soweitvon seinem Kurs abzulenken, dass er der Erde nicht mehr gefahrlich werden kann.Ziel unseres Projekts ist es, dieses Szenario mathematisch zu modellieren und dabei auffolgende Fragestellungen naher einzugehen:

• Welche Flugbahn bzw. Geschwindigkeit muss der Asteroid an einer gegebenen Po-sition erreichen, um die Erde zu verfehlen?

• Wo und wie stark muss ein Impuls gesetzt werden, um den Asteroiden auf diegewunschte Flugbahn zu bringen?

• Wie verhalt sich der Asteroid unter der Gravitationskraft verschiedener Korper?

• Wo liegen die physikalischen Grenzen, d.h. bei welcher Entfernung des Asteroidenvon der Erde bzw. bei welcher Geschwindigkeit des Asteroiden ist keine Rettungmehr moglich?

In unserer Ausarbeitung werden wir dabei versuchen, Gleichungen fur die Flugbahndes Asteroiden herzuleiten und diese anschließend fur ausgewahlte Startwerte numerischzu losen. Danach wollen wir unsere Ergebnisse graphisch darzustellen und eine kurzeInterpretation dazu abgeben.

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2 Mathematische Formulierung

In dieser Ausarbeitung haben wir uns fur ein Top-Down Modell entschieden, das aufphysikalischen Gesetzen beruht. Dabei werden wir folgende Variablen benotigen:

RE ..........Radius der Erde (≈ 6.378km)RA..........Radius des AsteroidenMA..........Mittelpunkt des AsteroidenPA..........Anschusspunkt des Asteroidenhmin..........minimaler Abstand, des Asteroiden von der Erde (Mondentfernung ≈ 384.400km)Rmin..........Abstand des Asteroidenmittelpunkts zum ErmittelpunktmE ..........Masse der Erde (≈ 5, 9736 · 1024kg)mS ..........Masse der Sonne (≈ 1, 989 · 1030kg)mA..........Masse des AsteroidenF..........Kraftp..........Impuls

G..........Gravitationskonstante(≈ 6, 673 · 10−11 m3

kg·s2

)x(t)..........Position des Asteroiden relativ zur Erde, x(t) =

(x1(t)x2(t)

)∈ R2

x0..........Startposition des Asteroiden relativ zur Erde, x0 =

(x0,1x0,2

)∈ R2

xE(t)..........Position der ErdexS(t)..........Position der Sonney(t)..........Position des Asteroiden

Im ersten Teil unserer Ausarbeitung werden wir den Spezialfall betrachten, dass unserUniversum nur aus dem Asteroid und der Erde besteht. Mit Hilfe der Newton’schenBewegungsgleichungen werden wir die Flugbahn des Asteroiden studieren und erste Be-obachtungen anstellen.In weiterer Folge werden wir dann unser System um einen weiteren Korper, z.B. derSonne, erweitern und versuchen ein Gespur dafur zu bekommen, welchen Einfluss einweiterer Korper auf unser System hat. Hierfur werden wir uns auf ein eingeschranktesDrei-Korper-Problem stutzen, d.h. zwei Massen, die Erde und ein weiterer Korper, krei-sen dabei um ihren gemeinsamen Schwerpunkt und eine dritte Masse, der Asteroid,beeinflusst diese jedoch aufgrund seiner vergleichsweise verschwindend geringen Massenicht in deren Bewegung.Zum Schluss werden wir noch eine Uberlegung anstellen, wie man nun mit ahnlichenArgumenten wie in den beiden Spezialfallen, einerseits dem Zwei-Korper-Problem undandererseits dem eingeschrankten Drei-Korper-Problem, die Flugbahn des Asteroiden ineinem ganzen Sonnensystem, d.h. mit N verschiedenen Korpern, theoretisch herleitenkonnte.

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3 1.Modell

In unserem 1.Modell werden wir einige Vereinfachungen vornehmen, um zunachst dieGrundprinzipien und physikalischen Zusammenhange besser verstehen und nachvollzie-hen zu konnen. Folgende Annahmen werden daher von uns getroffen:

• Sowohl die Erde als auch der Asteroid seien Massenpunkte im Raum und die Erdewird als Fixpunkt im Weltraum betrachtet, der seine Position nicht verandert.

• Es gibt keine weiteren Korper im Raum.

• Sowohl Erde als auch Asteroid haben Kugelgestalt.

• Der Asteroid ist unzerstorbar.

• Der Asteroid steuert senkrecht auf die Erde zu.

• Es gibt eine Distanz zwischen Erde und Asteroid ab der die Erde als gerettetangesehen wird (ca. 107km)

Wir reduzieren unser Modell auf ein 2-dimensionales System. Dabei befindet sich dieErde im Ursprung unseres Koordinatensystems und der Asteroid auf der positiven y-Achse.

Weiters sei die Startposition des Asteroiden mit x0 =

(x0,1x0,2

)∈ R2 gegeben.

Unser Ziel in diesem Modell ist es die Flugbahn des Asteroiden zu bestimmen.

Hierfur verwenden wir das physikalische Gesetz

F = mA · |x(t)|, x(t).....Beschleunigung.

Da die Kraft F in Richtung der Erde, also zum Ursprung, zeigt, mussen wir den negiertenund normierten Ortsvektor zwischen Erde und Asteroid verwenden. Das ergibt nun nachUmformen der obigen Gleichung

x(t) = − x

|x|· FmA

und somit erhalten wir eine nichtlineare Bewegungsgleichung der Form

x(t) +x(t)√

x1(t)2 + x2(t)2· FmA

= 0.

Nun verwenden wir das Newton’sche Gravitationsgesetz

F = G · mE ·mA

|x(t)|.

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Einsetzen dieses Gesetzes in unsere Bewegungsgleichung ergibt

x(t) = − x(t)

|x(t)|3·G ·mE .

Die Bewegungsgleichung hangt also nicht mehr von der Masse des Asteroiden ab. Indiesem Modell geben wir uns mit einer numerischen Losung zufrieden. Im nachstenKapitel (2.Modell) werden wir unser System mit der Sonne als weiterem Korper erweiternund eine analytische Losung, soweit wie moglich, liefern.

Abbildung 2: Mogliche Flugbahnen des Asteroiden im vereinfachten Fall, bei verschiedenenAnflugswinkeln

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Wir mochten uns nun mit der Frage beschaftigen, welcher Impuls benotigt wird um denAsteroiden bei gegebener Anfangsgeschwindigkeit x0 auf eine bestimmte Flugbahn zubringen, d.h. eine gewunschte Endgeschwindigkeit und Richtung zu erreichen. Hierfurverwenden wir die physikalische Formel fur den Impuls p

p = mA · (x− x0) ,wobei (x− x0) ∈ R2 die Veranderung der Geschwindigkeit des Asteroiden beschreibt.Im Anschusspunkt des Asteroiden PA soll nun ein Impuls p gesetzt werden, sodass derAsteroid seine Bahn ausreichend verandert um die Erde zu verfehlen. Dafur haben wirzur Bestimmung der notigen Anfangsgeschwindigkeit und Flugrichtung des Asteroidendas Randwertproblem {

x(t) = − x(t)|x(t)|3 ·G ·mE

x(0) = x0, x(t0) = x1

Hierbei ist x0 die Startposition des Asteroiden, x1 ist die Position des Asteroiden mitminimaler Distanz zur Erde und t0 ist die Zeit, die der Asteroid ohne außere Einflussebenotigen wurde um den Sicherheitsabstand zur Erde zu unterschreiten.

Abbildung 3: Ablenkung des Asteroiden vom Kollisionskurs mit der Erde

Auf Abbildung 3 ist ein konkreter Fall der Impulseinwirkung zu sehen. Der kleine schwar-ze Kreis stellt hier den notigen Mindestabstand zwischen Asteroid und Erde dar, undder großere schwarze Kreis jede Distanz, ab der die Erde als gerettet gilt. Die blaue Liniebeschreibt die Bahn des Asteroiden ohne außere Einflusse.

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Die hierbei verwendeten Startwerte sind

x0 =

(0

107

)und v0 =

(0

−10.8991

)fur Startposition und Startgeschwindigkeit, und sind in km beziehungsweise km/s ge-geben. Dafur wurde der Anfangswert v0 der prognostizierten Einschlagsposition undEinschlagsgeschwindigkeit berechnet.

Es ist zu bemerken, dass sich der Asteroid im unbeeinflussten Fall senkrecht auf die Er-de zubewegt. Diese Annahme wurde deshalb getroffen, weil in diesem Fall der benotigteImpuls am großten ist, die Situation also als worst case betrachtet werden kann.

Die Bahn des Asteroiden nach außerer Impulseinwirkung wird durch dir rote Liniedargestellt. Der berechnete notige absolute Geschwindigkeitsunterschied liegt hier bei0, 4008 km/s, was bei einem Asteroid mit einer Masse von 500kg einem benotigtenImpuls von 200.400 kg ·m/s entspricht.

Ein Kritikpunkt dieses Modells ist, dass es sehr vereinfacht und daher nicht sehr rea-listisch ist. Wir gehen beispielsweise davon aus, dass es außer der Erde keinen weiterenKorper gibt, der Gravitation auf den Asteroiden ausubt und somit wurde der Asteroidfruher oder spater mit der Erde kollidieren.

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4 2.Modell

In diesem Modell erweitern wir unser 1.Modell:

• Die Sonne sei nun das Zentralgestirn im Zentrum unseres Systems.

• Die Erde kreise um die Sonne und ube ebenfalls Gravitation auf die Sonne aus,d.h. es liegt ein Zweikorperproblem vor.

• Der Asteroid wird sowohl von der Erde als auch der Sonne angezogen.

Wir mochten nun die Flugbahn des Asteroiden bestimmen. Hierfur uberlegen wir unszunachst einmal, wie die Bahnen der Sonne und der Erde unter gegenseitiger Gravitationaussehen.

Wie wir uns bereits uberlegt haben, gilt fur die Bahn der Sonne

xS = − xS − xE|xS − xE |3

·G ·mE

und analog fur die Erde

xE = − xE − xS|xS − xE |3

·G ·mS .

Um dieses System von Differentialgleichungen 2.Ordnung zu losen, benotigen wir diesogenannten Jacobi-Koordinaten

Υ :=mSxS +mExEmS +mE

r := xS − xE ,

wobei r den relativen Abstand der Sonne zur Erde und Υ den Massenschwerpunkt be-zeichnet. Weiters gilt

Υ =mS xS +mE xEmS +mE

= 0,

da

mS xS = FE,S , mE xE = FS,E = −FE,S ,

wobei FE,S die Kraft bezeichnet, die die Erde auf die Sonne ausubt und FS,E die Kraftder Sonne auf die Erde ist. Mit dem Newton’schen Wechselwirkungsprinzip folgt, dass dieKrafte vom Betrag her gleich groß aber entgegengesetzt sind und sich somit in Summeaufheben. Somit bewegt sich der Schwerpunkt gleichformig geradlinig (oder bleibt inRuhe).Sei im Folgenden M := mS+mE die Gesamtmasse von Sonne und Erde. Es gilt folgendeBeziehung

r = xS − xE = − r

|r|3·G ·M.

Diese Gleichung beschreibt die Relativbewegung eines fiktiven Teilchens mit der redu-zierten Masse µ = mSmE

mS+mEim Schwerefeld einer großeren Masse unter dem Einfluss der

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Kraft F = µ · r. Dies ist eine Zentralkraft, d.h. eine Kraft, die immer auf einen festenPunkt (das Kraftzentrum) bezogen ist und auf diesen hin- oder weggerichtet ist, somitin Richtung des Vektors r zeigt.Eine wichtige Erkenntnis ist, dass fur Zentralkrafte der Drehimpuls nach Betrag undRichtung erhalten bleibt, denn es gilt fur den Drehmoment T , der als vektorielles Ska-larprodukt von Kraft und Radiusvektor gegeben ist

T = F × r = (µ · r)× r = −µ ·G ·M · 1

|r|3· (r × r︸ ︷︷ ︸

=0

) = 0 (1)

und somit muss der Drehimpuls wahrend der Bewegung konstant bleiben, da der Dreh-moment ein Maß fur die Drehwirkung der Kraft F ist. Diese Großen bleiben somit beieiner Verschiebung des Inertialsystems erhalten.Fur den Drehimpuls L(t) gilt

L(t) = r(t)× p(t) = µ · (r × r), (2)

wobei p(t) der Impuls ist. Somit erhalten wir nach Ableitung nach der Zeit die Bewe-gungsgleichung fur den Drehimpuls in der Gestalt

dL(t)

dt=

d

dt(r(t)× p(t)) =

d

dt(µ · (r × r)) = µ · (r × r︸ ︷︷ ︸

=0

+r × r) = r × F = T.

Wegen (1) gilt dL(t)dt = T = 0 und damit ist L(t) konstant. Fur F 6= 0 kann T nur 0 sein,

wenn F parallel zu r verlauft und daher verlauft die Bewegung in einer Ebene.Um die Bahnbewegung beschreiben zu konnen, verwenden wir nun die Polarkoordinaten(ρ, φ).

Mit dem 2.Keplerschen Gesetz (Der Fahrstrahl von der Sonne zum Planeten uberstreichtin gleichen Zeiten gleiche Flachen.) gilt nun folgende Beziehung fur die uberstricheneFlache A unter Verwendung von (2)

A =1

2|r × r| (2)=

L

Kepler=

ρ2φ

2= const

und damit insbesondere

r × r = ρ2φ und L = µρ2φ. (3)

Nun verwenden wir den Energieerhaltungssatz der Mechanik, der besagt, dass in einemabgeschlossenen System keine Umwandlung von mechanischer Energie in andere Ener-gieformen erfolgt und daher zu jedem Zeitpunkt die Summe aus potentieller EnergieEpot und kinetischer Energie Ekin eines Korpers konstant ist. Mathematisch formuliertE = Epot + Ekin.Fur die Bewegung eines Teilchens mit Masse µ und Geschwindigkeit υ gilt Ekin = 1

2µυ2

und insgesamt folgt daher

E = Epot +1

2µυ2. (4)

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Sei nun der Aufenthaltsort des Teilchens mit ~x := (x1, x2) gegeben. Durch die Polarko-ordinatentransformation ergeben sich nun folgende Beziehungen

x1 = ρcos(φ), x2 = ρsin(φ)

und

ρ =√x21 + x22, φ = arctan(x2/x1).

Weiters seien e1, e2 die Einheitsvektoren im kartesischen Koordinatensystem. In unse-rem neuen Koordinatensystem, das durch die Polarkoordinaten gegeben ist, seien dieEinheitsvektoren mit eφ und eρ gegeben, wobei diese orthogonal aufeinander stehen (sh.Abbildung 4).

Abbildung 4: Koordinatensystemtransformation

Unser Ziel ist es nun, eine Beziehung zwischen den Einheitsvektoren im kartesischenKoordinatensystem und den Einheitsvektoren im neuen Koordinatensystem herzustellen.Hierfur betrachten wir das Differential des Ortsvektors ~x und erhalten nach einigenUmformungen

d~x = dx1e1 + dx2e2

=

(∂x1∂ρ

dρ+∂x1∂φ

)e1 +

(∂x2∂ρ

dρ+∂x2∂φ

)e2

= (cos(φ)dρ− ρ sin(φ)dφ) e1 + (sin(φ)dρ+ ρ cos(φ)dφ) e2

= (cos(φ)e1 + sin(φ)e2) dρ+ ρ (− sin(φ)e1 + cos(φ)e2) dφ

:= dρeρ + ρdφeφ.

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Somit gelten die Beziehungen

eρ = cos(φ)e1 + sin(φ)e2

eφ = − sin(φ)e1 + cos(φ)e2

und eρ und eφ sind tatsachlich orthogonal aufeinander, denn

eρ · eφ = (cos(φ)e1 + sin(φ)e2) · (− sin(φ)e1 + cos(φ)e2)

=

(cos(φ)sin(φ)

)·(− sin(φ)cos(φ)

)= cos(φ)(− sin(φ)) + sin(φ) cos(φ)

= 0.

Es ergibt sich also folgende Flugbahn des Teilchens in Abhangigkeit von der Zeit t

~x(t) = x1(t)e1 + x2(t)e2.

Fur die Geschwindigkeit betrachten wir nun die Ableitung nach der Zeit und beobachten

υ = ∇tx = ρeρ + ρφeφ.

Setzen wir dies nun in (4) ein, erhalten wir fur die Gesamtenergie E

E = Epot +1

2µ(ρ2 + ρ2φ2),

wobei 12µρ

2 dem Radialanteil der kinetischen Energie und

1

2µρ2φ2

(3)=

1

2µρ2

L2

µ2ρ4=

1

2

L2

µρ2

dem Winkelanteil der kinetischen Energie entspricht.

Weiters ist die potentielle Energie gegeben durch die Formel

Epot = −GMµ

ρ. (5)

Nach Umformen erhalten wir

ρ2 = 2E − Epot

µ− ρ2φ2 bzw.

ρ2

φ2= 2

E − Epotµφ2

− ρ2.

Wegen (3) konnen wir nun auf der rechten Seite φ2 durch L2

µ2ρ4ersetzen und erhalten

ρ2

φ2= 2

E − Epotµ L2

µ2ρ4

− ρ2 = ρ4(

2µE − Epot

L2− 1

ρ2

).

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Nun fuhren wir folgende Parametrisierung durch dρdt = dρ

dφdφdt und nach formaler Division

durch dφdt ergibt sich nun dρ

dφ = ρ

φ.

Setzen wir diese Parametrisierung nun in die obige Gleichung ein, erhalten wir nun eineBahnkurve mit folgender Gestalt(

)2

= ρ4(

2µE − Epot

L2− 1

ρ2

).

Ersetzen wir nun Epot durch die in (5) dafur ermittelte Formel bekommen wir fur unsereBahngleichung (

1

ρ2dρ

)2

=2µ

L2

(E +

GMµ

ρ

)− 1

ρ2.

Um diese Gleichung auf eine einfachere Gestalt zu bringen, definieren wir eine Funktionσ(φ) := 1

ρ(φ) . Insgesamt folgt nun(dσ

)2

=

(−dσdφ

)2

=2µ

L2(E +GMµσ)− σ2.

Durch Umformen erhalten wir nun

L2(E +GMµσ)− σ2 =

2Eµ

L2+

2σGMµ2

L2− σ2.

Erweitern der ersten zwei Terme mit L4

G2M2µ4und danach Addieren von 0 liefert

(2Eµ

L2+

2σGMµ2

L2

) ( L4

G2M2µ4

)(

L4

G2M2µ4

) − σ2 =1 + 2EL2

G2M2µ3+ 2σL2

GMµ2− 1

L4

G2M2µ4

− σ2

Unter Einfuhrung der Konstanten

ζ :=L2

GMµ2, ε :=

√1 +

2EL2

G2M2µ3

ergibt sich nun eine wesentlich einfachere Darstellung

1 + 2EL2

G2M2µ3+ 2σL2

GMµ2− 1

L4

G2M2µ4

− σ2 =ε2 + 2σζ − 1

ζ2− σ2 =

ε2

ζ2−(σ2 − 2σ

ζ+

1

ζ2

)

=ε2

ζ2−(σ − 1

ζ

)2

.

Daher haben wir nun insgesamt eine Differentialgleichung folgender Gestalt erhalten(dσ

)2

=ε2

ζ2−(σ − 1

ζ

)2

.

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⇒ σ√ε2

ζ2−(σ − 1

ζ

)2 = 1

⇒ t+ c =

σ∫1√

ε2

ζ2−(z − 1

ζ

)2 dz =

σ− 1ζ∫

1√ε2

ζ2− u2

du =

arctan

u√ε2

ζ2− u2

σ− 1ζ

t+ c =⇒ arctan

σ − 1ζ√

ε2

ζ2−(σ − 1

ζ

)2

⇒ tan(t+ c) =σ − 1

ζ√ε2

ζ2−(σ − 1

ζ

)2⇒ sin2(t+ c)

cos2(t+ c)=

(σ − 1

ζ

)2ε2

ζ2−(σ − 1

ζ

)2⇒ sin2(t+ c)

1− sin2(t+ c)=

ζ2

ε2

(σ − 1

ζ

)21− ε2

ζ2

(σ − 1

ζ

)2⇒ sin(t+ c) =

ζ

ε

(σ − 1

ζ

)⇒ σ =

ε

ζsin(t+ c) +

1

ζ=

1 + ε sin(t+ c)

ζ

Als Losung dieser Differentialgleichung erhalten wir daher

σ(φ) =1 + ε sin(φ+ c)

ζ,

wobei c ∈ R, und nach Rucksubstitution von ρ(φ) = 1σ(φ)

ρ(φ) =ζ

1 + ε sin(φ+ c).

Nun mochten wir jedoch wieder mit den kartesischen Koordinaten weiterarbeiten, wes-halb wir folgende Rucktransformationen vornehmen

x = ρ(φ) cos(φ) + d, y = ρ(φ) sin(φ),

wobei d ∈ R.

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Es ergeben sich fur x und y, wenn wir samtliche Resubstitutionen vornehmen

x =

L2

GMµ2

1 +√

1 + 2EL2

G2M2µ3sin(φ+ c)

cos(φ) + d (6)

y =

L2

GMµ2

1 +√

1 + 2EL2

G2M2µ3sin(φ+ c)

sin(φ)

Zusammengefasst ergibt sich nun:

Die Bahn des Asteroiden y(t) ist gegeben durch

y(t) = − y

|y|3mSG−

y − x|y − x|3

mEG (7)

wobei die Bahn der Erde x(t) durch

x(t) = − x

|x|3mSG

beschrieben wird.

Die Losung der obigen Differentialgleichung haben wir bereits in (6) ermittelt. Setzenwir diese in (7) ein, erhalten wir fur die Bahn des Asteroiden unter dem Einfluss vonSonne und Erde eine Bahngleichung der Form

(y1y2

)(t) = −

(y1y2

)∣∣∣∣( y1

y2

)∣∣∣∣3mSG−

(y1y2

)−

L2

GMµ2

1+

√1+ 2EL2

G2M2µ3sin(φ+c)

cos(φ) + d

L2

GMµ2

1+

√1+ 2EL2

G2M2µ3sin(φ+c)

sin(φ)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣(y1y2

)−

L2

GMµ2

1+

√1+ 2EL2

G2M2µ3sin(φ+c)

cos(φ) + d

L2

GMµ2

1+

√1+ 2EL2

G2M2µ3sin(φ+c)

sin(φ)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

3mEG

Diese Differentialgleichung losen wir nur mehr numerisch.

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Abbildung 5: Mogliche Kollsisionsbahnen des Asteroiden im 3-Korper-Modell

In Abbildung 5 sind drei mogliche Bahnen des Asteroiden im 3-Korper-Modell darge-stellt. Die dafur verwendeten Anfangswerte wurden wieder numerisch konstruiert.

Der schwarze Kreis stellt hier den notigen Sicherheitsabstand zwischen Erde und Astero-id dar. Die vertikalen Linien beschreiben die Umlaufbahn der Erde um die Sonne, welchesich im Ursprung befindet, aus Saklierungsgrunden jedoch nicht in der Grafik angezeigtwird. Die Flugbahnen der Asteroiden sind durch die dunneren Linien gekennzeichnet undderen Verletzungspunkte mit dem notigen Sicherheitsabstand werden durch die blauenSterne dargestellt. In diesen Szenarien wird durch die verwendeten Startwerte angenom-men, dass sich Sonne, Erde und Asteroid ungefahr auf einer Linie befinden.

Es ist zu erkennen, dass der Asteroid bei Bahn 3 erst nachdem er bereits an der Er-de vorbei geflogen ist den Sicherheitsabstand unterschreitet. Das passiert deshalb, weilsich die Erde trotzdem noch dem Asteroiden annahert, und dieser durch den geringenAbstand stark von der Erde angezogen wird. Der Asteroid entfernt sich deshalb nichtschnell genug von der Erde und wird trotzdem als gefahlich eingestuft.

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Wir haben uns auch im 3-Korper-Modell mit der Frage beschaftigt, welcher Impuls notigist, um den Asteroiden auf eine gunstige Bahn zu lenken. Dafur haben wir ein Programmin Matlab geschrieben, das bei gegebener Startposition und Startgeschwindigkeit den mi-nimalen benotigten Impuls in eine vorgegebene Richtung berechnet, sodass der Asteroidauf seiner Flugbahn den vorgegebenen Sicherheitsabstand zur Erde nicht unterschreitet.

Abbildung 6: Berechnete ideale Flugbahnen des Asteroiden

Beim 3-Korper-Modell ist das Finden einer geeigneten Impulsrichtung schwieriger alsbeim 2-Korper-Modell, da sich die Erde bewegt. Der Impuls kann beispielsweise dieAnnaherungsgeschwindigkeit des Asteroiden verringern, wodurch sich die Erde weiterbewegen kann, bevor der Asteroid sich annahert.

In Abbildung 6 beschreibt Bahn 0 die Bahn des Asteroiden ohne außere Impulseinwir-kung. Fur dieses Beispiel haben wir drei mogliche Impulsrichtungen versucht: in Richtungder Erdbewegung (Impuls 1), entgegen der Erdbewegung (Impuls 3) und sowohl entge-gen der Erdbewegung als auch entgegen der Flugrichtung des Asteroiden (Impuls 2).Die dafur berechneten notigen Impulskrafte sind 3.708.063 kg·m/s (Impuls 1), 410.304 kg·m/s (Impuls 2) und 2.673.790 kg ·m/s (Impuls 3). Man erkennt sofort, dass unter diesendrei Richtungen die zweite die idealste ist. Weiters ist erkennbar, dass der notige Impulsim Vergleich zum 2-Korper-Modell entscheidend großer ist. Dies lasst sich dadurch er-klaren, dass durch die Sonne eine großere Anziehungskraft vorherrscht, der mittels demImpuls entgegengewirkt werden muss.

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5 Ausblick

Auch unser 2.Modell ist sehr unrealistisch, da wir uns lediglich auf ein 3-Korper-Problembeschrankt haben. Wir haben jedoch gesehen, dass selbst dieses Problem nicht mehr ana-lytisch losbar ist. Wenn wir nun ein allgemeines N-Korper-Problem betrachten, kann dieBewegungsgleichung fur eine Masse mi unter dem Einfluss der gegenseitigen Gravitati-onskrafte explizit angegeben werden:

miri = −n∑k=1

Gmimkri − rkr3ik

,

wobei ri der Abstand der Masse mi vom Schwerpunkt ri ist und der Abstand der Massenmi, mk untereinander mit rik bezeichnet wird. Wie man sieht bekommt man hier wieder-um ein nichtlineares System von Differentialgleichungen 2.Ordnung, das es zu losen gilt.Der Schwerpunktsatz besagt nun, dass wenn alle diese Bewegungsgleichungen addiertwerden, 0 herauskommen muss, d.h. ∑

miri = 0,

da es fur jeden Term rk − ri einen entsprechenden Term ri − rk gibt, die sich somitgegenseitig aufheben. Wenn man obige Gleichung nun zweimal integriert, bekommt man∑

miri = at+ b,

wobei a, b ∈ R. Somit ist der Schwerpunkt des N-Korper-Problems stets in Ruhe oder ge-radliniger Bewegung. Dies haben wir auch schon in unserem Modell beobachten konnen.Eine weitere Beobachtung liefert der Drehimpulssatz: Analog wie in Gleichung (2) giltnun ∑

miri × ri = const.

Weiters haben wir gesehen, dass auch die Energie eine entscheidende Rolle spielt. DerEnergiesatz besagt, dass bei Bewegung eines Teilchens in einem konservativem Kraftfeld,d.h. in einem Kraftfeld, in dem keine Energie

”verloren geht“, die Gesamtenergie genau

der Summe von potentieller und kinetischer Energie entspricht. Es gilt, dass die Kraftder negative Gradient der potentiellen Energie ist, d.h. F = −∇Epot.

Wie in Gleichung (5) konnen wir die potentielle Energie durch

Epot = −G∑i,k

mimk

ri,k

ausdrucken und somit gilt insgesamt∑miri = ∇G

∑i,k

mimk

ri,k.

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Page 18: Ablenkung eines Asteroiden vom Kollisionskurs mit der Erde · Asteroiden bei gegebener Anfangsgeschwindigkeit _x 0 auf eine bestimmte Flugbahn zu bringen, d.h. eine gew unschte Endgeschwindigkeit

In unseren Modellen haben wir nun durch geeignete Transformationen unter Verwendungdieser physikalischen Beziehungen die Differentialgleichungen zumindest teilweise losenkonnen.

Das numerische Modell zur Berechnung des notigen Impulses ließe sich problemlos ummehrere weitere Korper erweitern, allerdings wurde dies zu einer enormen Steigerungder Berechnungszeit fuhren. Hierfur mussten nur weitere Konstanten eingefuhrt und dieDifferentialgleichungen angepasst werden.Es ist allerdings zu beachten, dass sich auch diese zusatzlichen Korper in dem Modellnur auf einer Ebene bewegen durfen. Ansonsten musste man das Modell um die dritteDimension erweitern.

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Page 19: Ablenkung eines Asteroiden vom Kollisionskurs mit der Erde · Asteroiden bei gegebener Anfangsgeschwindigkeit _x 0 auf eine bestimmte Flugbahn zu bringen, d.h. eine gew unschte Endgeschwindigkeit

Literatur

[1] Arnold Hanslmeier. Einfhrung in Astronomie und Astrophysik. 2. Auflage. SpektrumAkademischer Verlag, 2011.

[2] Ewald Schachinger. Elementare Newtonsche Mechanik. Juni 2013. url: http://itp.tu-graz.ac.at/LV/ewald/AM/am2.pdf.

[3] Ewald Schachinger. Etwas Mathematik. Juni 2013. url: http://itp.tu-graz.ac.at/LV/ewald/AM/amap1.pdf.

[4] Juni 2013. url: http://en.wikipedia.org/.

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