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ACR Innovationsradar 2015 Aktuelle Technologietrends für KMU Lebensmittelqualität & -sicherheit

ACR Innovationsradar 2015 Lebensmittel

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Technologietrends für KMU

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ACRInnovationsradar 2015

Aktuelle Technologietrends für KMU

Lebensmittelqualität& -sicherheit

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Der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Lebensmittelwirtschaft ist eines der vor-rangigen Ziele, wenn es darum geht, über Innovationen Produktions- und Analysenabläufe weiter zuentwickeln und zu verbessern.

Die Grenzen der Innovationsfähigkeit in der Lebensmittelbranche ergeben sich aus Problemen mit derAkzeptanz beim Kunden, den gesetzlichen Vorgaben oder auch Anforderungen aus Standardarbeits-routinen. In diesem engen Rahmen müssen sich die aktuellen Produkt- und Verfahrensentwicklungenbewegen, um nachhaltig wirken und sich letztlich etablieren zu können.

Die besondere Herausforderung für KMU im Lebensmittelbereich ergibt sich aus der ständigen Weiter-entwicklung von Vorgaben und der praktisch unüberblickbaren Vielzahl an Forschungsprojekten. Dazusollten Konsumtrends erkannt und im Auge behalten werden und auch die Marktsituation muss unterBeobachtung bleiben.

In dieser Informationsflut ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Deswegen befassen sich dielebensmittelspezifischen Beiträge dieses Jahres ganz bewusst mit zwei ausgewählten Themen. DieAnwendungsmöglichkeiten der beschriebenen Technologien reichen dafür über den dargestellten Be-reich weit hinaus, wodurch sich wiederum eine Vielfalt an Innovationsfeldern erschließt.

Im ersten Teil wird die Lichtpulstechnologie vorgestellt, die von zwei ACR Instituten unabhängig von-einander, aber in gegenseitigem Austausch beforscht wird. Mit dieser Technologie lassen sich Dekon-taminationserfolge erzielen, die für die Lebensmittelsicherheit von entscheidender Bedeutung seinkönnen. Das breite Anwendungsspektrum wird anhand der beschriebenen Beispiele lediglich angedeu-tet, geht es doch über Oberflächenentkeimung bei Fleisch und Fleischwaren oder Babymilchpulverweit hinaus.

Der zweite Teil widmet sich einem neuen Schnellverfahren für die Qualitätsbeurteilung von Getreideund den daraus hergestellten Mahl- und Schälprodukten. Die Analysenmethode ist erst im Entstehenund die Anwendungsentwicklung gerade im Gange, sodass man in diesem Gebiet einen sehr intensi-ven Einblick in die detailreiche Arbeit einer umfangreichen Methodenkalibrierung bekommt.

Julian DrausingerLeiter "Lebensmittelqualität & -sicherheit"

InhaltGepulstes Licht: Anwendungspotential in der Lebensmittel- und Verpackungstechnologie ............. - 5 -

Gepulstes Licht: Anwendungsbeispiel Säuglingsnahrung ................................................................. - 11 -

Neue Möglichkeiten in der Teigrheologie ......................................................................................... - 15 -

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Gepulstes Licht: Anwendungspotential in der Lebensmittel- und Ver-packungstechnologie

Mikrobiologische Untersuchung© ACR/Alice Schnür

Schneller und besser. Gekoppelt an gesellschaftliche und demographische Veränderungen, Trends undVorlieben steigt die Zahl der vorverpackten und verzehrfertigen Lebensmittel im Handel rapide an. Umdabei im Hinblick auf organoleptische, diätetische, hygienische und toxikologische Aspekte den immersteigenden Erwartungen zu entsprechen, werden laufend neue, schonende, aber zugleich effektiveTechnologien und Prozesse entwickelt.

Der folgende Teil des ACR Innovationsradar beschäftigt sich daher mit der aufstrebenden Technologiedes gepulsten Lichts, welche starkes Einsatzpotential in der Oberflächenentkeimung zeigt und in di-versen Projekten des OFI erforscht wird.

Gepulstes Licht

Gepulstes Licht (engl. Pulsed Light, PL) ist eines der aufkommenden, nicht thermalen Dekontaminati-onsverfahren, welches sich durch eine breite Inaktivierung von Mikroorganismen auszeichnet und beieiner Vielzahl von Lebensmitteln und Lebensmittelkontaktmaterialien wie etwa Verpackungsmateria-lien, eingesetzt werden könnte.

Zurzeit besteht noch Forschungsbedarf um Lücken zwischen Grundlagen- und angewandter Forschungzu schließen und Abklärungsbedarf hinsichtlich der rechtlichen Situation in der Europäischen Union(EU), es ist jedoch abzusehen, dass das Interesse an dieser Technologie in den nächsten Jahren deut-lich zunehmen wird.

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Als Weiterentwicklung der Dekontamination mit kontinuierlichem UV Licht (kohärente Strahlung einerdefinierten Wellenlänge) kann die PL Technologie auf das Generieren von Hochspannungsimpulsenzurückgeführt werden, welche in Folge in Lichtblitze von kurzer Dauer (µs bis s), hoher Frequenz (biszu 10 Hz) und Intensität (mehrere J cm-2) umgewandelt werden. Die hierfür verwendeten Lampensind zumeist Inertgas-Lampen (hauptsächlich mit Xenon Gas gefüllt), welche elektromagnetischeStrahlung (Licht) in einem breiten Spektrum von 180-1100 nm (UV bis IR) abgeben und dadurch groß-teils die spektrale Zusammensetzung des Sonnenlichts widerspiegeln. Die Intensität der ausgesende-ten Lichtblitze entspricht dabei der rund 20.000-fachen Intensität des Sonnenlichts auf der Erdoberflä-che und ist ausreichend stark, um eine signifikante Dekontamination herbeizuführen.

Das Ausmaß der Dekontamination hängt dabei von drei Hauptfaktoren ab. Diese sind (i) die behandel-te Matrix wie etwa Flüssigkeit oder Festkörper, (ii) die Art und Beschaffenheit der mikrobiellen Konta-mination und (iii) die Prozessparameter wie Geräteaufbau, Intensität und Dauer der Behandlung.

Einfluss: Matrix

Nebst klaren Flüssigkeiten wird PL zumeist zur Dekontamination von Oberflächen eingesetzt. Diesbegründet sich darin, dass für ein ausreichendes Eindringen der Strahlung in die Matrix ein niedrigerReflexions-, sowie hoher Absorptions- und Transmissionskoeffizient Voraussetzungen sind, welche vonden meisten (halb)festen Körpern wie zum Beispiel Lebensmitteln jedoch nicht erfüllt werden. Diessollte a priori allerdings nicht als nachteilig betrachtet werden, da zum Beispiel Waschlösungen eben-falls an der Oberfläche wirken.

Des Weiteren sollte die behandelte Oberfläche möglichst frei von Unebenheiten sein, da diese dermikrobiellen Kontamination Schutz vor der einfallenden Strahlung bieten können. Gleiches gilt für Lichtabsorbierende organische oder anorganische Materie zwischen der Lichtquelle und der Kontamination.

Zuletzt sollte die Matrix selbst nur wenige Substanzen enthalten, welche kompetitiv Licht absorbierenkönnen. Diese Substanzen sind zum Beispiel Fette und Proteine. Kohlenhydrate hingegen zeigen die-sen ausgeprägten Effekt nicht.

Vom Wareneingang bis -ausgang könnte PL an diversen Stationen der Produktionskette eines Betrie-bes eingesetzt werden. Am Anfang dieser könnte zum Beispiel durch Dekontamination von Lebensmit-teln und Lebensmittelkontaktmaterialien die mikrobielle Belastung in der Produktion und somit dieWahrscheinlichkeit der Rekontamination bereits prozessierter Waren gesenkt werden. Des Weiterenkönnte PL zur Verhinderung von Kreuzkontamination oder Dekontamination der gefertigten Ware her-angezogen werden. Letztere könnte vor, bei der Verwendung geeigneter Verpackungsmaterialien,jedoch auch nach dem Abpacken dekontaminiert werden. Voraussetzung für die Anwendung von PLnach dem Abpacken ist hauptsächlich die Transparenz des (Kunststoff-)Materials für die elektromag-netische Strahlung. Des Weiteren sollte die Verpackung jedoch auch einen geeigneten Produktschutz,Prozessstabilität und Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben aufweisen.

Einfluss: Kontamination

Die Inaktivierung von Mikroorganismen mittels PL beruht auf einem Prozess, welcher die Zellfunktio-nen überwältigt und somit zum Tod führt. In diesem Zusammenhang konnten drei Effekte, welcheparallel oder der Reihe nach zur Zellschädigung beitragen, identifiziert werden. Diese sind photoche-misch (DNS Schädigung), -thermisch (Zellzerstörung und Herbeiführung struktureller Schäden)und -physikalisch (strukturelle Zellschäden) bedingt. Wie stark die einzelnen Effekte ausgeprägt sind,hängt dabei vom Energieeintrag, dem Lichtspektrum als auch vom Mikroorganismus selbst ab. Soscheinen zum Beispiel grampositive, im Gegensatz zu gramnegativen Bakterien resistenter zu sein.

Da es zur subletalen Schädigung der Mikroorganismen kommen kann, empfiehlt es sich die Technolo-gie in ein Hürdenkonzept einzugliedern. Effizienzsteigernd wirkt auch der Einsatz von Photosensibilisa-toren. Diese bilden durch die Bestrahlung freie Radikale aus, welche die Mikroorganismen auf oxidati-vem Wege zusätzlich schädigen.

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Aktuell beschäftigt sich die Forschung jedoch auch mit Themen wie Inaktivierungskinetik, Repara-turmechanismen und etwaiger Resistenzbildung der Mikroorganismen.

Einfluss: Prozessparameter

Generell trägt das gesamte Spektrum der ausgesendeten Strahlung zur Inaktivierung der Mikroorga-nismen bei. Da kürzere Wellenlängen jedoch höhere Energie transferieren, ist die UV(C) Fraktion be-sonders wichtig. Filter ermöglichen zwar Flexibilität in der Wellenlängeneinstellung, ein Ausschluss derStrahlung unter 300 nm minimiert den Dekontaminierungserfolg jedoch bedeutend. Über die Messungdes UV- oder Energieoutputs kann des Weiteren die Systemleistung überprüft und bei Bedarf korrigiertwerden. Andere wichtige Prozessgrößen sind die Fluenz (J cm-2), die Pulsdauer (s) und -frequenz (Hz).Diese haben ebenfalls Einfluss auf Faktoren wie Entkeimungsrate, Behandlungstemperatur und senso-rische Beeinflussung der Matrixbestandteile (zum Beispiel Lipidoxidation).

Für die erfolgreiche Implementierung von PL ist es in Folge ausschlaggebend auf den Aufbau und dieGeometrie der Anlage zu achten. So sollte die Positionierung und Orientierung der Lampen einegleichmäßige und vollständige Bestrahlung der Matrix ermöglichen. Dies kann zum Beispiel durchmehrere Lampen, Bewegung der Matrix, transparente Bereiche von Förderbändern und Reflektorenerreicht werden. Auch der absolute und relative Abstand zwischen Lampe und Matrix stellt eine wich-tige Einflussgröße dar, denn je kürzer der vertikale Abstand umso größer der Effekt sowie die Matri-xerhitzung und umso kleiner der Rahmen der effizienten Behandlung. Daraus ergibt sich der generelleTrend hin zu kurzen Abständen und Behandlungszeiten. Dies bedeutet jedoch, dass sphärische Kör-per, auch wenn sie um eine Achse rotiert werden, nur schwer gleichmäßig dekontaminiert werdenkönnen. Abhilfe schaffen größere Abstände und längere Behandlungszeiten. Der relative Abstand hin-gegen beeinflusst die Ergebnisse auf Grund der Tatsache, dass die Intensität von Xenon Lampen vomgeometrischen Zentrum zu den Enden hin abnimmt.

Vor- und Nachteile der Technologie

Neben dem Ausmaß der Dekontaminierung ist bei der Entscheidung für oder wider eine neue Techno-logie ausschlaggebend, ob eine Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und des Mindesthaltbarkeits-datums gegeben ist, die organoleptischen und ernährungsspezifischen Eigenschaften des Lebensmit-tels erhalten bleiben, Rückstandsfreiheit, Convenience und Wirtschaftlichkeit gegeben sind, sowiekeinerlei Zurückweisung seitens Konsument oder Gesetzgeber besteht.

PL kann für den Anwender generell als sichere Technologie angesehen werden. Automatisches Ab-schalten der Anlage bei Öffnen der Blenden, als auch eine Abfuhr des Ozons sind dafür jedoch Vo-raussetzungen. Zudem kann PL den Einsatz von Chemikalien, Desinfektions- und Konservierungsmit-teln vermindern oder gar ersetzen, was eine rückstandsfreie Produktion ermöglicht. Auch stellen dieeingesetzten Xenon Lampen eine gute Alternative zu den bei der Behandlung mit kontinuierlichem UVLicht verwendeten Quecksilber Lampen dar. Die geringe benötigte Energiezufuhr (kein Starkstromerforderlich) rundet schließlich die ökologischen Vorteile ab.

Neben dem Bedienkomfort der Technik sind die kurzen Behandlungszeiten, der geringe Platzbedarf,die Möglichkeit batchweise oder kontinuierlich zu arbeiten und fehlende Aufwärmphasen die klarenStärken der Technologie. Bestehende, kontinuierlich arbeitende UV Anlagen können zu dem einfachauf PL umgerüstet werden.

Die heutige Marktsituation mit einigen wenigen global agierenden Unternehmen und kleineren Mitbe-werbern, beeinträchtigt die gewünschte Flexibilität der Unternehmen. Dazu machen die Investitions-kosten für industrielle Anlagen die Technologie derzeit vor allem für bestimmte Marktsituationen unddas Hochpreissegment interessant. Die Kosten begründen sich in der aufwendigen Schalttechnik, wel-che im Vergleich zu kontinuierlichem Licht bei dem 10 bis 100-Fachen liegen und für einen möglichsthohen UV Output und lange Lebensdauer der Lampen (6 bis 12 Monate) unerlässlich sind. Dass auchdie Lampen teurer sind, wird jedoch durch die niedrigen laufenden Kosten kompensiert.

Während die FDA (U.S. Food and Drug Administration) bereits 1996 die PL Technologie von einemtechnologie-orientiertem Zugang bewertet und mit einer maximal zulässigen Fluenz von 12,0 J cm-2

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für Lebensmittel zugelassen hat, ist der rechtliche Status in der EU bis dato nicht vollständig geklärt.So könnte die PL Technologie aufgrund des UV Anteils des Lichtes als eine Form der Bestrahlung an-gesehen werden und damit unter die Richtlinien 1999/2/EG und 1999/3/EG fallen. In der wissen-schaftlichen Literatur findet sich jedoch oftmals der Ansatz die rechtliche Regelung nach der Verord-nung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten zu gestalten.Aus diesem Grund setzt sich das OFI sowohl auf nationaler, als auch internationaler Ebene für einezeitnahe Abklärung dieser Thematik ein.

Anwendungspotential von gepulstem Licht bei Fleisch und Fleischwaren

In aktuellen Projekten forscht das OFI an der Anwendbarkeit von PL für die Dekontamination vonFleisch und Fleischwaren, ob verpackt oder unverpackt. Dabei werden sowohl die Keimreduktion unddie Auswirkungen der Technologie auf das Lebensmittel und die verwendeten Verpackungsmaterialiengetestet, als auch die etwaige Bildung von (Kreuz)Resistenzen bei pathogenen Keimen, wie etwa Lis-teria monocytogenes, beleuchtet.

Auf Basis der in der wissenschaftlichen Literatur dokumentierten Forschungsergebnisse und des bishe-rigen Forschungsoutputs des OFI kann die Anwendbarkeit von PL wie folgt dargestellt werden.

Während bei Versuchen auf Agar, als auch auf relativ glatten Lebensmittelkontaktmaterialien wieKunststoff und Metall, eine Keimzahlreduktion von 2 bis zu 7 Log erreicht wird (Log steht für logarith-mische Reduktionsrate), sind bei komplexen Oberflächen, wie sie Fleisch und Fleischwaren darstellen,Keimzahlreduktionen von lediglich 1 bis 2 Log zu erwarten. Obwohl sich die Reduktionen auf Fleischund Fleischwaren durch eine Steigerung der Intensität erhöhen ließen, geben die beginnenden Pro-duktveränderungen (zum Beispiel sensorische Veränderungen oder aber auch Oxidationsreaktionen)einen klaren Rahmen für die Behandlung vor. Aus diesem Grund ist es unabdingbar vor der Keimzahl-reduktion die Belastungsgrenze des jeweiligen Lebensmittels zu ermitteln, bis zu welcher keine nen-nenswerten Produktveränderungen nachweisbar sind. Ähnliches gilt für Lebensmittelkontaktmateria-lien wie etwa Verpackungsfolien. Hier muss sichergestellt werden können, dass sich die Behandlungnicht negativ auf die Migration von Verpackungsbestandteilen in das Lebensmittel, die Barriere desMaterials gegen Sauerstoff oder Wasserdampf, als auch die mechanische Belastbarkeit des Materialsauswirkt. Obwohl in diesem Bereich durchaus noch Forschungsbedarf besteht, kann soweit berichtetwerden, dass Verpackungsmaterialien aus Polyethylen, Polypropylen, Polyamid beziehungsweise Kom-binationen hieraus sich für den Einsatz bei Fleisch und Fleischwaren eignen können. Dies zeigen nichtnur die Forschungsergebnisse des OFI. Auch aus der wissenschaftlichen Literatur ist ersichtlich, dassdie Keimzahlreduktionen bei verpackten als auch unverpackten Fleisch oder Fleischprodukten nur ge-ringfügig abweichen. Selbiges gilt für Agar.

Aus der oben stehenden Technologiebeschreibung wie auch aus den bisherigen Forschungsergebnis-sen wird deutlich, dass PL ein klares Einsatzpotential für die Oberflächenentkeimung von verpacktenund unverpackten Produkten, sowie von Lebensmittelkontaktmaterialien, wie zum Beispiel Arbeitsflä-chen und -geräten, bietet. In der Fleischbranche wäre zum Beispiel die Entkeimung von Schlachtkör-pern interessant, da hier die mikrobielle Belastung schon am Beginn der Produktionskette gesenktwerden könnte. Des Weiteren könnte PL zur Reduzierung des Rekontaminationsrisikos von bereitsprozessierten Waren eingesetzt werden.

Die ausgeprägte Nachfrage nach minimal verarbeiteten Lebensmitteln macht die PL Technologie so-wohl für gegenwärtige, als auch zukünftige Märkte attraktiv. Es ist daher abzusehen, dass das Inte-resse an der Technologie in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird.

Victoria Heinrich, OFIwww.ofi.at

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Literatur

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Gepulstes Licht: Anwendungsbeispiel Säuglingsnahrung

Aufbau der Versuchsanlage

Energieverteilung in der Behandlungskammer

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Sicherheit in sensiblem Bereich

Säuglingsnahrung in Pulverform ist die am weitesten verbreitete Alternative zum Stillen und somit einNahrungsmittel für eine besonders sensible Zeit in der Entwicklung von Kleinstkindern. Die Sicherheitder Pulvernahrung ist deshalb von immenser Wichtigkeit und ein zentraler Dreh- und Angelpunkt fürVerfahrens- und Produktentwicklungen in diesem Bereich.

Risikominimierung ist der Grundsatz, nach dem die Verarbeitung von Säuglingsnahrungspulver ausge-richtet wird. Trotz sorgfältigster Verarbeitung und Berücksichtigung höchster Hygienestandards kom-men immer wieder Kontaminationen mit pathogenen Keimen wie Salmonellen oder speziell Cronobac-ter sakazakii vor. Infektionen können beim Säugling schwerwiegende Folgen haben und Gehirndege-nerationen bewirken oder sogar den Tod herbeiführen.

Internationales Forschungsprojekt

In einem internationalen Konsortium von neun Partnern, bestehend aus KMU der Milchwirtschaft undForschungsinstituten, arbeitet die LVA aktuell an einem neuartigen Verfahren zur Minimierung diesesRisikos und beteiligt sich im von der Europäischen Union finanzierten Projekt BABYSAFE an einer For-schungskooperation.

Ziel ist die Entwicklung einer neuen Technologie für die industrielle Anwendung im Bereich der Pro-duktion von Säuglingsnahrung, die eine sichere und effiziente Alternative zu bisher eingesetzten, vor-wiegend thermischen Dekontaminationsverfahren bietet.

Jüngste Forschungsergebnisse haben die Effektivität von Lichtpulsen (LP) für die Oberflächendekon-tamination von Verpackungsmaterial, Getränken und zur Abtötung vegetativer Mikroorganismen auf-gezeigt.

Die keimabtötende Wirkung beruht auf starkem energetischem Stress. Durch das gepulste Licht wirdein hoher, wenn auch kurzzeitiger Energieeintrag erzielt, der schädigend auf lebende Zellen wirkt,nicht aber auf das Lebensmittel selbst. LP-Technologien bieten sich als zusätzliche, nicht-thermaleVerarbeitungsschritte an. Die Anwendung macht es möglich, die Keimzahlen, auch von Pathogenen zureduzieren und gleichzeitig das Risiko der Rekontamination zu minimieren, ohne die Produktqualität,insbesondere im Hinblick auf hitzesensible bioaktive Inhaltsstoffe von Säuglingsmilchpulver, nachteiligzu beeinflussen.

Die LP-Technologie hat mehrere Vorteile, durch die sich der Produktionsprozess für Säuglingsnahrungsicher, effektiv, kosten- und energieeffizient gestalten lässt, was wiederum die Umweltfreundlichkeitder Herstellung verbessert. Durch Upscaling wird die Methode für den industriellen Maßstab einsetzbargemacht.

Technologische Herausforderungen

Säuglingsnahrung in Pulverform ist kein steriles Produkt. Aufgrund der Sensibilität der Endkonsumen-ten ist dieser Umstand von umso höherer Bedeutung, und die Qualitätssicherung des Produktes musskompetent gehandhabt werden, um mögliche Risiken optimal zu minimieren. Zum einen bestimmt dieErreichung von notwendigen Nährstoffkonzentrationen und die Einhaltung eines vorbestimmten Nähr-wertprofiles die Produktqualität, zum anderen muss die Freiheit von Kontaminationen chemischer und(mikro-)biologischer Natur gewährleistet werden. Die LP-Technologien sind als Entkeimungsschrittvorgesehen und unterstützen so den Erhalt eines mikrobiologisch unbedenklichen Status während desProduktionsprozesses.

Denn die verschiedenen Verarbeitungsschritte in der Herstellung sind gleichzeitig eine mögliche Quellevon Kontaminationen, und mit jedem Schritt ist ein gewisses Risiko für eine solche (Re-)Kontaminationverbunden, die im Endeffekt eine Gesundheitsgefährdung von Säuglingen darstellen kann.

Im Produktionsverlauf wird im Wesentlichen Kuhmilchpulver mit verschiedenen bioaktiven Zusätzenversehen, sodass ein möglichst gleichwertiges Äquivalent zu natürlicher Muttermilch erzeugt wird. Die

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zugefügten Inhaltsstoffe wie Vitamine oder Lactoferrin zeichnen sich durch eine ungünstige Tempera-turempfindlichkeit aus, ebenso wie viele native Proteine, die bei zu hohen Prozesstemperaturen zurDenaturierung neigen. Um die geforderten Standards der Lebensmittelsicherheit zu erreichen, ist aberwährend der Produktion üblicherweise ein Pasteurisationsschritt zur Minimierung mikrobiologischerBelastungen vorgesehen. Durch die Wärmeeinwirkung wird die pulverisierte Mischung in der Säug-lingsnahrung allerdings stark belastet und könnte ihren ursprünglichen Nährwert verlieren und somiteinen unerwünschten Qualitätsverlust erleiden.

Aus dieser Problemstellung leitet sich der Bedarf von Produzenten nach einer zuverlässigen und siche-ren Methode zur Keimreduktion her, die gleichzeitig schonend genug ist, um die Produktqualität zuerhalten.

Versuche im Labormaßstab

Ein Prototyp in Labormaßstab wurde für die Anwendung von LP-Technik auf Säuglingsnahrungspulverbereits gebaut und in Betrieb genommen.

Die Betriebsparameter wurden in einer Vielzahl von Versuchen optimiert, wobei Frequenz und Zeit-dauer des Lichtpulses, sowie die Präsentation des Produktpulvers variiert wurden.

Die Lichtpulse werden von einer Xenonlampe erzeugt und liegen im Wellenlängenbereich von Ultravio-lettlicht, über sichtbares Licht bis Infrarot, sodass bei der Anwendung eine für die Inaktivierung pas-sende Intensität erreicht wird. Die Dauer der Pulse ist im Bereich von mehreren Hundert Mikrosekun-den. Dies führt zu einer Lichteinstrahlung, die mehr als das 20.000-fache der Sonneneinstrahlung aufdie Erdoberfläche erreicht. Parallel wurden Versuche mit einer kontinuierlich arbeitenden UV-Lampedurchgeführt und die Ergebnisse verglichen. Abstände zwischen Lampe und Produkt ab 3cm wurdenausgetestet, wobei klare Medien ebenso im Versuch eingesetzt wurden, wie Pulver. Als Modellmikro-organismen werden vegetative Keime von Salmonella, Cronobacter, Listeria-Spezies und Sporen einesBacillusstammes eingesetzt.

Das Säuglingsnahrungspulver wurde als statische Schüttung, turbulent fließende Schicht und als stati-sche Dünnschicht im Laborversuch mit LP behandelt. Der Einfluss der Produktparameter, die Absorpti-on und Streuung, sowie Schatteneffekte bewirken können, konnte auf diese Weise eindeutig nachge-wiesen werden. Schwierigkeiten entstehen, wenn nicht die gesamte Produktoberfläche dem LP-Generator ausgesetzt werden kann. Die Geometrie der Behandlungskammer, in der die LP auf dasProdukt treffen, spielt dabei eine Rolle.

Die Validierung der Effektivität der Methoden erfolgt über mikrobiologische und chemische Analysenmit der Zielvorgabe einer maximalen mikrobiologischen Inaktivierung und einer minimalen Schädigungder Säuglingsnahrung. Somit werden die Faktoren Lebensmittelsicherheit, Nährwert, Qualität undHaltbarkeit in die Methodenevaluierung mit einbezogen.

Lichtpulse für Pulver

Im aktuellen Forschungsprojekt widmet sich die LVA der Übertragung von Forschungsergebnissen inden Bereich der industriellen Herstellung von Säuglingsmilchnahrung und wird Ergebnisse zur Weiter-entwicklung der LP-Technologie generieren. Derzeit steht die Sicherung der Gesundheit von Säuglin-gen und Babys im Mittelpunkt. Das Potenzial der LP-Methodik ist aber größer, sodass auch die grund-sätzliche Vertrauensbildung von Verbrauchern in neuartige Herstellverfahren im Auge behalten wird.

Die Versuche in klarem Medium mit drei vegetativen Bakterien, die von Bedeutung für die öffentlicheGesundheit sind, bestätigten die keimabtötende Wirkung der untersuchten LP-Verfahren.

Weitere Tests wurden unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren die optischen Eigenschaftendes zu behandelnden Mediums betreffend durchgeführt. Die Inaktivierung der eingesetzten Mikroor-ganismen in trockenem pulverförmigem Produkt, wobei Säuglingsmilchpulver als Modellfall angesehenwerden kann, verlief durchwegs erfolgreich.

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Durch Anpassung des Energie-Inputs werden die Lebensmittel möglichst wenig beansprucht, undbioaktive Substanzen bleiben erhalten. Die Vergleichsproben zeigten im Versuch auch keine nachteili-gen Effekte von Lichtpulsen auf die Inhaltsstoffe des Säuglingsmilchpulvers, womit ein wesentlicherBeitrag zum Qualitätserhalt geleistet wird.

Durch die nachgewiesene keimabtötende Wirkung in pulverförmigem Medium trägt die LP-Technologiedazu bei, die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, und Hygienestandards entsprechend den ge-setzlichen Vorgaben zu erreichen und zu erhalten.

Die LP-Technologie ist somit ein vielversprechender alternativer keimreduzierender Prozess, der non-thermal arbeitet und daher eine wertvolle Bereicherung des Verfahrensspektrums für temperaturemp-findliche Produkte ist.

Die Möglichkeiten der LP-Technologie können auf sämtliche Bereiche, in denen pulverförmige Produk-te verarbeitet werden, ausgedehnt werden, sodass die Wettbewerbssituation nicht nur der Herstellervon Babynahrung verbessert werden kann. Die Vorteile durch den technologischen Vorsprung könntevon einer breiteren Vielfalt von Produzenten genützt werden.

Christine Grabler-Mayr, Lebensmittelversuchsanstalt (LVA)www.lva-verein.at

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Neue Möglichkeiten in der Teigrheologie

Landwirt, Müller, Bäcker, jeder ist auf der Suche nach der optimalen Qualität für Getreide, Mehl undBrot. Die Getreidebranche steht vor neuen Herausforderungen; alles muss schneller, besser und zu-verlässiger laufen, um im Konkurrenzkampf sich weiter behaupten zu können. Bis dato sind die äu-ßerst zuverlässigen Methoden zur Bestimmung der Teigrheologie (die Lehre des Fließverhaltens vonTeigen) wie das Farinogramm, das Extensogramm und das Amylogramm die wichtigsten Verfahrenum eine Qualitätseinstufung vornehmen zu können. Die Feststellung der Qualitäten vorab sichert dieProduktion und verringert somit Fehlproduktionen, welche wieder die Rentabilität senken.

Was passiert, wenn etwas schief läuft?

Minderwertige Chargen mit abweichender, geringerer oder schlechter Produktqualität verursachenviele unnötige Produktions- und Nebenkosten und zudem unzufriedene Kunden. Des Weiteren führteine ineffiziente Produktion zur Demotivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Bemühungen eine auf dem Einsatz von Infrarotlicht basierende Technologie als Schnellmethode zuetablieren werden deshalb fortgesetzt und es gibt in der Tat Fortschritte in den Kalibrierungen, dieeine Grundeinschätzung der Backqualität erlauben.

NIR/NIT-Technologie

Die Nah-Infrarot-Spektroskopie umfasst die Nah-Infrarot-Reflexions- und Transmissions- Technologie(kurz: NIR/NIT-Technologie) und hat bei der Untersuchung von Getreide, Mehl und Schrot sowie Öl-saaten einen festen Platz eingenommeni. Die Vorteile der NIR/NIT-Technologie als Schnellmethodehat sich vor allem der Getreidehandel zu Nutze gemacht. Mit Hilfe von NIR- bzw. NIT-Geräten werdenqualitative Beurteilungen und eine flächendeckende, schnelle Untersuchung von Getreide und Getrei-deprodukten möglich.

Die Herausforderung der NIR/NIT-Technologie in der Qualitätsanalytik für Getreide und Mehl mit Fo-kus auf den teigrheologischen Eigenschaften von Mahl- und Schälprodukten ergibt sich aus folgendenAspekten:

Die Kalibrierung der Methode für teigrheologische Eigenschaften ist äußerst komplex, da z.B. ein Ex-tensogramm (teigrheologischer Dehnungsversuch) eine Vielzahl von Informationen liefert.

Im Extensogramm werden der Dehnwiderstand und die Dehnbarkeit des Teiges gemessen. Dadurcherhalten wir eine Information über das spätere Backverhalten des Teiges (Verhalten auf Gare, Ge-bäckvolumen). Je höher der Widerstand, desto höher ist die Kleberqualität. Bei dieser Untersuchungwird der Teig jeweils 45 Minuten einer Gare unterzogen und anschließend bis zum Reißen gedehnt.Dieser Vorgang wird noch zweimal wiederholt, wobei die Teigreifung jeweils zunimmt. Die dritte Kurve(nach 135 min Teigruhe) wird ausgewertet. Mit zunehmender Teigreifung wird das Klebergerüst stabi-ler (z.B. bei Ascorbinsäure-Behandlung).

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Die vorhandenen Kalibrationen geben bereits Auskunft über die theoretische Kleberbildung. DieSchwierigkeit bei der Kalibration zur Kleberbildung liegt in der zurzeit noch nicht klaren Erfassung desWasserbindevermögens der Gluten-Proteine.

Damit zusammenhängend sind auch die Gluten-Qualität und die Dehneigenschaften sowie der Dehn-widerstand des gebildeten Klebers bzw. des erstellten Teiges zu sehen. In weiterer Folge wird auf-grund dieser Informationen auf das Verhalten bei der Gare und auf das theoretische Gebäckvolumengeschlossen.

Das Extensogramm ist gut geeignet, die Wirkung und Dosierung von Mehlbehandlungsmitteln oderBackmitteln (Ascorbinsäure, Cystin, Cystein, Proteinasen) zu testen, da die Kurven das sehr deutlichanzeigen.

Das Ziel der aktuellen Forschung für im Bereich NIR/NIT-Technologie ist der Ausbau der Qualitätsana-lytik für Getreide und Mehl in Hinblick auf teigrheologische Eigenschaften von Mahl- und Schälproduk-ten.

Kostengünstige, schnelle und zuverlässige Qualitätsanalysen im Bereich von Feuchtigkeit, Protein,Kornhärte oder Fett sind bereits ausreichend kalibriert. Die Kalibration als Grundlage für neue Quali-tätsuntersuchungsparameter erfordert eine zuverlässige Referenzanalytik.

Die Spektroskopieverfahren nutzen den Nahen Infrarotbereich (800-2500nm) und sind kalibrationsab-hängig. Das heißt, dass es sich hierbei um eine sekundäre Messmethode handelt, die eine Refe-renzanalytik erfordert. Die Reflexionswerte der Probe, z.B. mittels NIR-System gemessen, werden mitden Referenzwerten innerhalb einer Modellberechnung verglichen und so kalibriert.

Anschließend erfolgt eine sogenannte Validierung (Überprüfung) der Kalibration mit unbekanntenProben. Die NIR-Geräte liefern demnach als Rohdaten die optischen Reflexionseigenschaften der Pro-ben. Diese optischen Daten sind komplex zusammengesetzt und werden sowohl durch die chemischenBestandteile als auch durch physikalische Eigenschaften der Proben, wie z.B. Temperatur, Oberflä-chenbeschaffenheit, bestimmt. Um aus diesen optischen Werten die gewünschten Parameter wieFeuchte-, Protein- und Ölgehalt zu bestimmen, werden Kalibrationen mit entsprechenden Referenz-werten benötigt. Die komplexe Natur der optischen Daten erfordert umfangreiche Kalibrationen, diealle Einflussfaktoren berücksichtigen. Das Kalibrierprogramm muss daher mit vielfältigen Probendatengefüllt werden, die möglichst große Variationen in den Einflussfaktoren aufweisen. Aus diesem Grundeverbessert sich die Kalibrierung mit den Jahren, in denen viele unterschiedliche Proben mit unter-schiedlichen Erntebedingungen gesammelt werden können.

Einflussfaktoren bei der Kalibrationserstellung ergeben sich neben den großen Spannen im Feuchte-und Protein- bzw. Ölgehalt auch durch den Faktor Sorte, "extreme" Proben aufgrund von ungewöhnli-chen Wachstumsbedingungen, Temperatur und Feuchtegehalt bei der Proteinbestimmung.

Jede NIR-Messung von biologischem Material ist temperaturabhängig. Um trotzdem korrekte Messer-gebnisse zu bekommen werden zwei Verfahren zur Kompensation verwendet:

- Einbringen unterschiedlich temperierter Proben in die Kalibrierung- Messung der Probentemperatur

Beispielsweise hätte eine Kalibrierung ohne Berücksichtigung der Temperatur zur Folge, dass bei einerErhöhung der Probentemperatur um 10°C der Proteinwert um 0,4 Prozent zu niedrig angezeigt würde.Die heute vorliegenden Kalibrationen, die unterschiedlich temperierte Proben enthalten und entspre-chend unempfindlich gegenüber Temperaturschwankungen sind, würden bei einer Erhöhung der Pro-bentemperatur um 10°C eine Abweichung von 0,1 Prozent Protein anzeigen. Dieser verbleibendeTemperatureinfluss wird dadurch kompensiert, dass bei jeder Messung einer Probe, auch deren Tem-peratur durch einen im Feeder befindlichen Sensor bestimmt und der Protein- (aber auch Feuchte-und Öl-) Gehalt entsprechend korrigiert wird. Dieses Verfahren hat sich bereits bewährt und wurde inden vergangenen Jahren verwendet. Neu ist, dass der Korrekturfaktor (Temperaturkoeffizient) indivi-duell für jedes Gerät und je Kalibrierung bestimmt wird.

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Feuchtegehalt bei der Proteinbestimmung

Wasser hat starke Absorptionsbanden im NIR und beeinflusst daher jede NIR-Messung. Eine guteKalibrierung muss dem Rechnung tragen und korrekte Protein- und Ölgehalte liefern. Dies wird auchbei hohen Feuchtegehalten dadurch erreicht, dass unterschiedlich feuchte Proben in der Kalibrierungenthalten sind. In die neue Kalibrierung wurden gezielt Proben mit einer Feuchte von bis zu20 Prozent einbezogen. Durch die Abhängigkeit der Enzymwirkungen von Zeit und Temperatur wirddie Komplexität einer derartigen Kalibrierung verdeutlicht, wodurch die Abschätzung von Qualitätsin-formationen mittels NIR-Technik zurzeit noch mit größeren Unsicherheiten behaftet ist.

In diesem Zusammenhang ist klar festzuhalten, dass eine derartige Auskunft (also die Wirkung vonEnzymen wie z.B. Proteasen) durch die NIR- Technologie auch künftig schwer erfassbar sein wird, weilauch bereits jetzt mit dem Langzeitversuch im Extensogramm (135 min) die tatsächlichen Enzymwir-kungen schwer abschätzbar sind.

Um schnelle Entscheidungen über die Lagerung und Trennung von Partien mit unterschiedlichen Qua-litäten treffen zu können, wird intensiv an den Kalibrierungen der noch unsicheren Qualitätsermittlungin unterschiedlichen Bereichen gearbeitet. Es gibt bereits Entwicklungsfortschritte im Bereich Gelbpig-mentmessung in Durum Weizen, wobei diese Kalibrierung noch nicht am Markt verfügbar ist.

Ziel ist es auch, Aussagen über teigrheologische Eigenschaften treffen zu können. Hierbei stößt dieTechnologie jedoch immer wieder an ihre Grenzen.

Die NIR-Technologie soll für einen Einsatz zur Qualitätsüberprüfung von Mehlen weiterentwickelt wer-den. In diesem Bereich sind Fortschritte zu erwarten, wobei die Technologie wie bereits erwähnt imBereich Quellvermögen von Weizenkleber oder der Dehn- und Knetbarkeit von Teigen die bisher her-kömmliche Teigrheologie nicht ersetzten konnte.

Dies bedeutet für die KMU, dass der Einsatz der NIR/NIT-Technologie zur Schnellbestimmung derQualität in den Bereichen Feuchtigkeit, Rohprotein, Mineralstoffgehalt, Kornhärte und Fett-Ölgehaltbereits zuverlässige Ergebnisse liefert. Die Aussagekraft der NIR-Technologie über teigrheologischeEigenschaften ist zurzeit noch nicht zuverlässig möglich.

Die Firma Brabender hat nun ein neues Gerät, den Brabender Glutopeak, entwickelt, mit dessen Hilfein Kombination mit NIR-Technologie die Aspekte der Teigrheologie raschestmöglich abgebildet werdensollen. Der wichtige Slogan "Es gibt kein gutes oder schlechtes Mehl, es gibt nur die richtige oder fal-sche Anwendung" gewinnt nun mehr an Bedeutung, da durch das neue Verfahren auch eine schnelleEinstufung der Mehlqualität möglich werden kann.

Was ist nun wirklich wichtig? Und wie soll die Qualität rasch erfasst werden?

Klebernetzwerk im Teig

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Verkleisterte Stärke in der Krume

Bis dato erfolgte die Qualitätsprüfung in folgenden Schritten

1. Vermahlung 4. Knetversuche

2. Feuchtigkeitsbestimmung

3. NIRToast

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5. Dehnversuche 6. Verkleisterungsversuche

Das neue System von Brabender könnte die gewünschten Ergebnisse bieten, ohne die herkömmlicheVielzahl von klassischen, zeitaufwändigen Methoden zu benötigen.

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Glutopeak

Das neue System soll einen rheologischen "Fingerabdruck" des Mehles innerhalb von wenigen Minutenliefern. Dies war bis dato nur mit den klassischen Methoden unter hohem Zeitaufwand möglich. Diebereits zuvor angeführten Bemühungen in der NIR-Technologie konnten bis dato keine zuverlässigenErgebnisse liefern. Entscheidend ist hierbei die Möglichkeit einer Aussage über die Rheologie. Zurzeitist nur eine grundsätzliche Einschätzung der rheologischen Eigenschaften mit dem neuen Systemmöglich.

Das Testprinzip des neuen Verfahrens:

Herstellen einer Suspension aus Mehl und Wasser Hoher Energieeintrag – dieser separiert und aggregiert den Kleber Temperatur und Geschwindigkeit des Kneters bleiben konstant Nach kurzer Zeit aggregiert der Kleber (abhängig von den Qualitätseigenschaften des Musters) Ein Klebernetzwerk wird gebildet, was sich in einem starken Anstieg der Drehmomentkurve zeigt Weiterer Energieeintrag zerstört das Netzwerk, das Drehmoment verringert sich; ausgewertet wird

die Zeit bis zum Peak und das Kurvenmaximum (Peakhöhe)

Ein starker Kleber ist charakterisiert durch einen kurze Anstiegszeit mit hohem Peak Ein weicher Kleber zeigt eine lange Anstiegszeit mit niedrigen Peak Sehr weicher Kleber beziehungsweise ein Produkt mit sehr geringem Klebergehalt zeigt einen sehr

späten Anstieg und zum Teil keinen Peak Die Zeit bis zum Peak liegt zwischen 60 und 600 Sekunden

Die Mehle können anhand verschiedener Peakzeiten und Peakhöhen klassifiziert werden

Starkes Mehl: kurze RT, hoher PW Schwaches Mehl: lange RT, niedriger PW Waffelmehl: sehr lange RT, kein PW

RetentionTime (RT)

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Die Auswertung erfolgt über die Verweildauer (RT, maximale Peakzeit), also der Zeit, die der Kleberbenötigt, um zu aggregieren und einen Peak im maximalen Drehmoment darzustellen, bevor dasNetzwerk zusammenfällt, und den Peak Wert (PW), der das maximale Drehmoment darstellt.

Das neue Verfahren ist eine Schnellmethode zur Charakterisierung der Verarbeitungsqualität von Wei-zenmehlen. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Übereinstimmung zum Proteingehalt (wie auch NIR-Technologie) und zum Brotvolumen.

In Bezug auf die rheologischen Eigenschaften zeigt das maximale Drehmoment eine bessere Überein-stimmung zu den erhaltenen Daten von Mehl, als denen von Kleber. Zu beachten ist, dass einige Wei-zensorten mit schlechter Backqualität nicht in dieses Muster passen.

In der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung wird nun an Korrelationsmodellen gearbeitet, umdiese Methode auch für das teigrheologische Verhalten von Teigen besser charakterisieren zu können.Zum einen kommt der Korrelation des Glutopeak zur Wasseraufnahme im Farinogramm eine Bedeu-tung zu, und zum anderen könnte eine Charakterisierung des Knetverhaltens möglich sein.

Sollte sich eine zuverlässige Aussage treffen lassen, so könnte durch das Schnellverfahren wesentlicheffektiver die Wasseraufnahme im Farinogramm bestimmt werden und dadurch eine Beschleunigungder Teigerstellung für das Extensogramm die Folge sein.

Das heißt, die Ermittlung der Wasseraufnahme könnte über den Glutopeak laufen und im Anschlusskönnte das Knetverfahren im Farinographen mit der bereits bestimmten Wasseraufnahme automatischüber ein festgelegtes Knetprogramm ablaufen und der Dehnprüfung im Extensogramm zugeführtwerden.

Weiters erfolgen Versuche zur Ermittlung, ob durch die Glutopeak-Auswertung auf das Knetverhaltenund auf die Knettoleranz in Teigen geschlossen werden kann.

Aus heutiger Sicht wird jedoch die Einstufung des Gareverhaltens, welches bis dato mittels Exten-sogramm erfolgt, wie auch in den Versuchen mit der NIR-Technologie, keine zuverlässigen Ergebnisseergeben.

Hier können Naturgesetze nicht außer Acht gelassen werden und eine Simulation des Gareverhaltenseines Teiges, welches von Temperatur und Zeit (die Wirkung von Mehlbehandlungsmittel wie z.B.Ascorbinsäure oder Proteasen sind eine fixe Funktion zwischen Zeit und Temperatur; dies ist auch inder Praxis beim Bäcker einzuhalten und unüberbrückbar) abhängig ist, nicht durch dieses innovativeVerfahren ersetzt werden.

Dennoch wird der schnelle Fingerabdruck der Mehlqualität möglich sein und somit die Qualitätsbe-stimmung beschleunigen. Für die Feineinstellung werden die nun bereits über 90 Jahre zum Einsatzkommenden Verfahren weiter ihre Bedeutung behalten.

Christian Kummer, Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung –Österreichische Mühlenvereinigung (vg-ÖMV)

www.vfg.at

i Seibel W.: Warenkunde Getreide, 2005, Agrimedia.