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Bestand und Verbreitung In Deutschland brütet die Flussseeschwalbe an Küsten, in Flussnie- derungen und an Binnengewässern. An den Küsten nutzt sie Strände, Strandwälle, Nehrungen, Primärdünen und Salzwiesen als Bruthabi- tat. Im Gegensatz zur Küstenseeschwalbe toleriert die Art höhere Vegetation (Hälterlein 1997, Neubauer 1998). Im Binnenland brütete sie ursprünglich ganz überwiegend auf Sand- und Schotterbänken größerer Fließgewässer. Heutzutage weicht die Art in Ermangelung natürlicher Bruthabitate meist auf künstliche Nistplätze wie Nist- flöße, Inseln in Kiesgruben, Gebäudedächer und Spülflächen aus (Neubauer 1998, Sudmann et al. 2003). In Deutschland brüteten zwischen 2005 und 2009 9000–10 500 Paare, was einen Anteil von 2–3 % des europäischen Bestandes von 270 000–570 000 Paaren ausmacht. Etwa zwei Drittel des deutschen Brutbestandes konzentrieren sich im Wattenmeer, wo im Rahmen des TMAP an der schleswig-holstei- nischen Küste im ADEBAR-Zeitraum maximal 3820 Paare (2005) und an der niedersächsischen maximal ca. 3000 Paare (2006) gezählt wurden. Im Elbeästuar im Vorland des Neufelderkooges bei Bruns- büttel befindet sich mit 1767–2180 Paaren (2006–2009) die größte Kolonie Mitteleuropas. Weitere bedeutende Kolonien siedeln auf Mellum und Memmert, auf Neuwerk, auf Forschungsplattformen (Betoninseln) des Instituts für Vogelforschung „Vogelwarte Helgo- land“ im Banter See, auf Hooge und Norderoog und im Vorland des Kaiser-Wilhelm-Kooges nordwestlich Brunsbüttel. An der Ostsee wurde im Rahmen der ADEBAR-Kartierung ein Bestand von 585–627 Paaren ermittelt, von dem etwa 70 % an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns brüten. Die größten Kolonien befinden sich auf der Insel Kirr bei Zingst sowie am schleswig-hol- steinischen Schwansener See nahe der Schleimündung. Im Binnenland hat die Flussseeschwalbe ihre weiteste Verbrei- tung im Nordostdeutschen Tiefland. Der Bestand des Gebietes von der Holsteinischen Schweiz über die Mecklenburger Seenplatte und die Uckermark bis in die Oderniederung summiert sich auf ca. 1500 Paare. Ein weiterer Verbreitungsschwerpunkt ist im Elbe-Havel-Win- kel zu erkennen. Von dort setzt sich das Vorkommen elbeaufwärts fort. Weitere Kolonien bestehen an Bergbaurestseen südöstlich von Bitterfeld und an z. T. wechselnden Standorten in der Lausitz, wo neben Bergbauseen auch Fischteiche besiedelt werden. Im nordwestdeutschen Binnenland ist die Flussseeschwalbe mit insgesamt ca. 200 Paaren nur noch an wenigen isolierten Stellen an der Weser zwischen Bremen und Nienburg, an der Ems und am Unteren Niederrhein vertreten. In Süddeutschland kommt die Art mit ca. 110 Paaren in der Ober- rheinischen Tiefebene sowie im Alpenvorland mit 300–350 Paaren in den Flusstälern und Voralpenseen vor. Die größten Kolonien fin- den sich am Starnberger See, am Ammersee und an der Mittleren Isar (Rödl et al. 2012). Bestandsentwicklung Die Brutbestände nahmen bis Ende der 1990er Jahre ab (Südbeck et al. 2007) und verharren seitdem auf niedrigem Niveau, wobei die Entwicklungen im Binnenland deutlich von denen an den Küsten abweichen. Kenntnisse über die langfristige Bestandsentwicklung an den Küsten sind begrenzt, da die Unterscheidung von Fluss- und Küsten- seeschwalbe bei Kolonieerfassungen häufig nicht vorgenommen wurde (Hälterlein 1997). Offenbar hat es im Wattenmeer in der zwei- ten Hälfte des 19. Jahrhunderts drastische – durch direkte Verfolgung verursachte – Bestandsabnahmen bis auf wenige tausend Paare gegeben (Leege 1905, Großkopf 1991, Hälterlein 1997). Infolge begin- nender Schutzbemühungen seit Anfang des 20. Jahrhunderts konn- ten sich die Bestände wieder deutlich bis auf ca. 13 000 Paare Anfang der 1950er Jahre erholen (Becker & Erdelen 1987). Aufgrund der Belastung der Küstengewässer mit chlorierten Kohlenwasserstoffen kam es dann in den 1960er Jahren erneut zu einem Zusammenbruch des deutschen Wattenmeerbestandes auf den niedrigsten Wert (ca. 4000 Paare) seit 1910 (Becker & Erdelen 1987). In einer Erholungs- phase bis Mitte der 1980er Jahre stiegen die Brutpaarzahlen an der Nordseeküste wieder bis auf ca. 8500 Paare an (Berndt et al. 2003, Heckenroth & Laske 1997), um dann bis zum Jahr 2000 auf ca. 6500 Paare abzusinken (Hälterlein 2000). Aufgrund des Rückgangs der Beutefischarten, vor allem Hering und Sprotte, sind die Bestände in der Nordsee weiterhin rückläufig (Szostek & Becker 2012 ). An der Ostseeküste nahm die Zahl der Brutpaare seit Anfang der 1990er Jahre aufgrund verstärkter Prädation durch Säugetiere von ca. 2000 Paaren (Hälterlein et al. 2000) auf ca. 600 Paare ab. Im Binnenland war die Art entlang der Flüsse ehemals weit verbrei- tet (u. a. Litzkow 2001, Hölzinger & Boschert 2001). Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte der Ausbau der Fließgewässer zu einem großflächigen Bruthabitatverlust (Raab 1998). Infolgedessen und aufgrund von Nahrungsmangel durch Gewässerverunreinigung nahm der Brutbestand der Flussseeschwalbe im Binnenland bis in die 1980er Jahre stark ab. Bei einem Restbestand von ca. 750 Paaren standen die Vorkommen vielerorts vor dem Erlöschen (Sudmann & Becker 2003). Beispielsweise nahmen die Bestände im bayerischen Voralpenland von ehemals über 1000 Paaren bis Mitte des 20. Jahr- hunderts auf unter 100 Paare ab (Zintl 1998). Ab den 1980er Jahren setzte eine Trendumkehr infolge begin- nenden Gewässerschutzes, der Entstehung von Flachlandstauseen und Bergbaufolgegewässern sowie verstärkter Artenschutzbemü- hungen ein (Sudmann & Becker 2003). Insbesondere das Ausbrin- gen von Nistflößen bewirkte eine kontinuierliche Zunahme der binnenländischen Vorkommen (Neubauer 1998, Zintl 1998, Sud- mann et al. 2003), so dass diese heute wieder auf ca. 3000 Paare angewachsen sind. Die holarktische Brutverbreitung der Flussseeschwalbe reicht von der borealen bis in die subtropische Zone. Ihr paläarktisches Brutareal erstreckt sich dabei in West-Ost-Richtung von den Makaronesischen Inseln bis zum Beringmeer. Während die Art in Nord- und Osteuropa nahezu flächig vor- kommt, ist das Brutgebiet in Mittel- und Südeuropa durch starke Frag- mentierung gekennzeichnet. Besiedelt werden Küstenlebensräume und binnenländische Feuchtgebiete. Flussseeschwalbe Sterna hirundo

ADEBAR - Musterkapitel Flussseeschwalbe

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ADEBAR nähert sich in großen Schritten der Ziellinie. Das vorliegende Dokument zeigt ein Musterkapitel des bald erscheinenden Atlas.

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Bestand und VerbreitungIn Deutschland brütet die Flussseeschwalbe an Küsten, in Flussnie-derungen und an Binnengewässern. An den Küsten nutzt sie Strände, Strandwälle, Nehrungen, Primärdünen und Salzwiesen als Bruthabi-tat. Im Gegensatz zur Küstenseeschwalbe toleriert die Art höhere Vegetation (Hälterlein 1997, Neubauer 1998). Im Binnenland brütete sie ursprünglich ganz überwiegend auf Sand- und Schotterbänken größerer Fließgewässer. Heutzutage weicht die Art in Ermangelung natürlicher Bruthabitate meist auf künstliche Nistplätze wie Nist-flöße, Inseln in Kiesgruben, Gebäudedächer und Spülflächen aus (Neubauer 1998, Sudmann et al. 2003).

In Deutschland brüteten zwischen 2005 und 2009 9000–10 500 Paare, was einen Anteil von 2–3 % des europäischen Bestandes von 270 000–570 000 Paaren ausmacht.

Etwa zwei Drittel des deutschen Brutbestandes konzentrieren sich im Wattenmeer, wo im Rahmen des TMAP an der schleswig-holstei-nischen Küste im ADEBAR-Zeitraum maximal 3820 Paare (2005) und an der niedersächsischen maximal ca. 3000 Paare (2006) gezählt wurden. Im Elbeästuar im Vorland des Neufelderkooges bei Bruns-büttel befindet sich mit 1767–2180 Paaren (2006–2009) die größte Kolonie Mitteleuropas. Weitere bedeutende Kolonien siedeln auf Mellum und Memmert, auf Neuwerk, auf Forschungsplattformen (Betoninseln) des Instituts für Vogelforschung „Vogelwarte Helgo-land“ im Banter See, auf Hooge und Norderoog und im Vorland des Kaiser-Wilhelm-Kooges nordwestlich Brunsbüttel.

An der Ostsee wurde im Rahmen der ADEBAR-Kartierung ein Bestand von 585–627 Paaren ermittelt, von dem etwa 70 % an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns brüten. Die größten Kolonien befinden sich auf der Insel Kirr bei Zingst sowie am schleswig-hol-steinischen Schwansener See nahe der Schleimündung.

Im Binnenland hat die Flussseeschwalbe ihre weiteste Verbrei-tung im Nordostdeutschen Tiefland. Der Bestand des Gebietes von der Holsteinischen Schweiz über die Mecklenburger Seenplatte und die Uckermark bis in die Oderniederung summiert sich auf ca. 1500 Paare. Ein weiterer Verbreitungsschwerpunkt ist im Elbe-Havel-Win-kel zu erkennen. Von dort setzt sich das Vorkommen elbeaufwärts fort. Weitere Kolonien bestehen an Bergbaurestseen südöstlich von Bitterfeld und an z. T. wechselnden Standorten in der Lausitz, wo neben Bergbauseen auch Fischteiche besiedelt werden.

Im nordwestdeutschen Binnenland ist die Flussseeschwalbe mit insgesamt ca. 200 Paaren nur noch an wenigen isolierten Stellen an der Weser zwischen Bremen und Nienburg, an der Ems und am Unteren Niederrhein vertreten.

In Süddeutschland kommt die Art mit ca. 110 Paaren in der Ober-rheinischen Tiefebene sowie im Alpenvorland mit 300–350 Paaren in den Flusstälern und Voralpenseen vor. Die größten Kolonien fin-den sich am Starnberger See, am Ammersee und an der Mittleren Isar (Rödl et al. 2012).

BestandsentwicklungDie Brutbestände nahmen bis Ende der 1990er Jahre ab (Südbeck et al. 2007) und verharren seitdem auf niedrigem Niveau, wobei die Entwicklungen im Binnenland deutlich von denen an den Küsten abweichen.

Kenntnisse über die langfristige Bestandsentwicklung an den Küsten sind begrenzt, da die Unterscheidung von Fluss- und Küsten-seeschwalbe bei Kolonieerfassungen häufig nicht vorgenommen wurde (Hälterlein 1997). Offenbar hat es im Wattenmeer in der zwei-ten Hälfte des 19. Jahrhunderts drastische – durch direkte Verfolgung verursachte – Bestandsabnahmen bis auf wenige tausend Paare gegeben (Leege 1905, Großkopf 1991, Hälterlein 1997). Infolge begin-nender Schutzbemühungen seit Anfang des 20. Jahrhunderts konn-ten sich die Bestände wieder deutlich bis auf ca. 13 000 Paare Anfang der 1950er Jahre erholen (Becker & Erdelen 1987). Aufgrund der Belastung der Küstengewässer mit chlorierten Kohlenwasserstoffen kam es dann in den 1960er Jahren erneut zu einem Zusammenbruch des deutschen Wattenmeerbestandes auf den niedrigsten Wert (ca. 4000 Paare) seit 1910 (Becker & Erdelen 1987). In einer Erholungs-phase bis Mitte der 1980er Jahre stiegen die Brutpaarzahlen an der Nordseeküste wieder bis auf ca. 8500 Paare an (Berndt et al. 2003, Heckenroth & Laske 1997), um dann bis zum Jahr 2000 auf ca. 6500 Paare abzusinken (Hälterlein 2000). Aufgrund des Rückgangs der Beutefischarten, vor allem Hering und Sprotte, sind die Bestände in der Nordsee weiterhin rückläufig (Szostek & Becker 2012 ).

An der Ostseeküste nahm die Zahl der Brutpaare seit Anfang der 1990er Jahre aufgrund verstärkter Prädation durch Säugetiere von ca. 2000 Paaren (Hälterlein et al. 2000) auf ca. 600 Paare ab.

Im Binnenland war die Art entlang der Flüsse ehemals weit verbrei-tet (u. a. Litzkow 2001, Hölzinger & Boschert 2001). Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte der Ausbau der Fließgewässer zu einem großflächigen Bruthabitatverlust (Raab 1998). Infolgedessen und aufgrund von Nahrungsmangel durch Gewässerverunreinigung nahm der Brutbestand der Flussseeschwalbe im Binnenland bis in die 1980er Jahre stark ab. Bei einem Restbestand von ca. 750 Paaren standen die Vorkommen vielerorts vor dem Erlöschen (Sudmann & Becker 2003). Beispielsweise nahmen die Bestände im bayerischen Voralpenland von ehemals über 1000 Paaren bis Mitte des 20. Jahr-hunderts auf unter 100 Paare ab (Zintl 1998).

Ab den 1980er Jahren setzte eine Trendumkehr infolge begin-nenden Gewässerschutzes, der Entstehung von Flachlandstauseen und Bergbaufolgegewässern sowie verstärkter Artenschutzbemü-hungen ein (Sudmann & Becker 2003). Insbesondere das Ausbrin-gen von Nistflößen bewirkte eine kontinuierliche Zunahme der binnenländischen Vorkommen (Neubauer 1998, Zintl 1998, Sud-mann et al. 2003), so dass diese heute wieder auf ca. 3000 Paare angewachsen sind.

Die holarktische Brutverbreitung der Flussseeschwalbe reicht von der borealen bis in die subtropische Zone. Ihr paläarktisches Brutareal erstreckt sich dabei in West-Ost-Richtung von den Makaronesischen Inseln bis zum Beringmeer. Während die Art in Nord- und Osteuropa nahezu flächig vor-kommt, ist das Brutgebiet in Mittel- und Südeuropa durch starke Frag-mentierung gekennzeichnet. Besiedelt werden Küstenlebensräume und binnenländische Feuchtgebiete.

Flussseeschwalbe Sterna hirundo

Common Tern. In Germany, the Common Tern breeds along the coast, along rivers and at inland lakes. At the coast, it uses beaches, shingle banks, sand spits, dunes, but also salt marshes. In Germany, there are 9000–10 500 pairs. Around two thirds of the German breeding popula-tion concentrate in the Wadden Sea, approximately 5 % settle along the Baltic coast and about 30 % breed in inland colonies. The Elbe estu-ary holds the biggest Common Tern colony of Central Europe on the floodplain of Neufelderkoog near the town of Brunsbüttel (1767–2180 breeding pairs, 2006–2009). Both the long-term and short-term population trend of Common Tern in Germany are negative, but with clear differences between inland and coastal populations: while the inland population could be stabilised by implementing species protection measures, the coastal population continues to decline due to depleted fish stocks.

Patenschaften donatorsMax Mustermann, MünsterHugo Habicht, HamburgWilly Wachtel, Wuppertal

Bildpatenschaft sponsorshipVogelschutzverein Oberhamfurt und Umgebung e.V.

Index [%]

40

60

80

100

120

140

1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008

Voge

lschutzverein Oberham

furt und Umgebung e.V

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12–34–78–2021–5051–150151–400401–10001001–30003001–8000>80000

2005–2009 um 1985 around 1985

mögliches Brütenpossible breeding1–1010–100100–10001000–10 000> 10 000

52

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TK mit Brutvorkommen 9 %squares with records

Bestand population9000 – 10 500 Paare pairs