Upload
franz
View
215
Download
1
Embed Size (px)
Citation preview
Prof. Dr. HansAckermann, Fach-bereich Physik,Universität Marburg
Prof. Dr. Franz Fujara, FachbereichPhysik, TechnischeUniversität Darm-stadt
Leserbriefe
Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 1120
Ärgerliche Situation selbstherbeigeführtZu: Unerträglicher Verlust der Per-spektive. Leserbrief von T. Springer,September 1999, S. 32
Den Kommentaren von HerrnSpringer zum Gutachten der vonStaatssekretär Catenhusen geleite-ten Kommission über die Verwen-dung von HEU oder LEU im For-schungsreaktor FRM-II (Phys. Bl.,Juli/August 1999, S. 8) können wirnicht zustimmen. Im Gegensatz zuihm sehen wir nicht die Erörterungder Variante 3a (Start mit HEU von93% Anreicherung und spätere,voraussichtlich 2008, Umstellungauf LEU) mit „einer gewissen Er-leichterung“, und erst recht ist diesnicht bei der Variante 3b (Betriebmit HEU von 50 – 60 % Anreiche-rung) der Fall, die proliferations-und entsorgungspolitisch völlig wir-kungslos wäre. Vielmehr begrüßenwir die grundsätzliche Feststellungder Expertenkommission, daß dieUmstellung auf LEU mit tolerier-barer Nutzungsminderung möglich,und daß insbesondere das prolifera-tionspolitische Ziel mit Variante 2a(Start sofort mit LEU) von Anbe-ginn an technisch sinnvoll realisier-bar ist. Variante 3a ist deshalb pro-blematisch, weil damit – entgegenden Bemühungen des internatio-nalen RERTR-Programms zur Ver-bannung von HEU aus Forschungs-reaktoren – ein Neustart mit HEUals Präzedenzfall entstünde. Außer-dem wäre es, illusionslos beurteilt,völlig ungewiß, ob überhaupt undwann eine spätere Umstellung aufLEU erfolgte. Die Betreiber würden
nach aller bisherigen Erfahrungdaran keinerlei Interesse zeigen.
Desweiteren beklagt Herr Sprin-ger den durch einen möglichenLEU-Umbau erzeugten unerträgli-chen Verlust der Perspektive undFrust für die Beteiligten sowie eineschwere Einbuße für einen wichti-gen Forschungszweig in Deutsch-land. Ob die Situation tatsächlichso dramatisch wäre, ist höchst strit-tig. Unbestreitbares Faktum hinge-gen ist, daß die jetzige ärgerlicheSituation von den für die Planungverantwortlichen Kollegen in vollerKenntnis des mit der HEU-Verwen-dung einhergehenden Risikos selbstherbeigeführt wurde. An eindring-lichen, frühen Warnungen hat esnicht gefehlt. Schriftlich wie münd-lich wurden seit über zehn Jahrendie mit der Planung befaßten Kol-legen (u. a. auch Herr Springerselbst) sowie der Wissenschaftsratmehrfach auf die Problematik desgeplanten HEU-Einsatzes und diedadurch zu erwartenden Schwierig-keiten bei bevorstehenden Geneh-migungsverfahren hingewiesen. Zubeklagen ist daher weniger die jetzi-ge Situation, sondern vielmehr derStarrsinn, mit dem versucht wurde,Sachzwänge zu schaffen.
Schließlich können wir HerrnSpringers optimistische Einschät-zungen der Proliferationsgefahrnicht teilen. Die von ihm erwähnteINFCE-Empfehlung von 1980toleriert unter bestimmten Bedin-gungen HEU in bestehenden For-schungsreaktoren. Der FRM-II istaber ein Neubau. Auch mit der Ver-wendung von HEU für „friedlicheZwecke“ in Forschungsreaktorenwar die Situation nie wirklich lu-
penrein. So fand beispielsweise ab-gebranntes HEU auch aus deut-schen Forschungsreaktoren nachWiederaufarbeitung in USA alshochangereicherter sog. Treiber-brennstoff zur Herstellung waffen-tauglichen Materials, vor allem Tri-tium, in militärischen ReaktorenVerwendung, diente also der Pro-duktion von Atomwaffen. Ferner istdie Behauptung von Herrn Sprin-ger, es habe weltweit seit mehr als40 Jahren keinen Mißbrauch derzivilen Nutzung von HEU in For-schungsreaktoren gegeben, sehr ge-wagt. Wer möchte hier den Beweisantreten? Die undurchschaubarkomplexen vor- und nachgelagertenVerfahrensschritte der HEU-Ver-wendung als Reaktorbrennstofferöffnen vielfältige Möglichkeitenhorizontaler und vertikaler Prolife-ration von Material und Know-how.Außerdem ist bekannt (Phys. Bl.,Febr. 1999, S. 16, Zitat 20), daß dasMitgliedsland des Nichtverbrei-tungsvertrags Irak im Begriff war,HEU, das Rußland und Frankreichzum Einsatz in dessen Forschungs-reaktoren geliefert hatten, für Waf-fenprogramme einzusetzen.
Der Kommissionsbericht konnteerwartungsgemäß nicht alle Fra-gen beantworten. Vor einer ab-schließenden Entscheidung müssenfür alle Varianten Zeitaufwand,Kosten, Brennstoffver- und -entsor-gung durch betreiberunabhängigeGutachten geklärt werden. Auf je-den Fall aber haben die Anstrengun-gen, das internationale RERTR-Programm zur Umrüstung der For-schungsreaktoren von HEU auf LEUzum Erfolg zu führen, an Dringlich-keit nichts eingebüßt und solltenkeinesfalls durch einen vermeidba-ren Präzedenzfall torpediert werden.
Hans Ackermann,
Franz Fujara
Leserbriefe