Afrika – die Wiege der Menschheit - dfg.de · PDF filefahren des Menschen, über Jahre hinweg unterstützte. Er fand in einer Höhle bei Sterkfontein in Südafrika, rund 50 Kilometer

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  • Einleitung

    Bis heute ist das Wissen um die Menschwerdung l-ckenhaft. Nur einige tausend Hominiden-Funde gebenAntwort auf die Fragen: wo und wann lebte der letzte gemeinsame Vorfahre der Menschen und der Menschenaffen und wo befand sich die Wiege der Menschheit? Die heutige Fundlage gibt nur eineschlssige Antwort auf diese Fragen: in Afrika. BereitsCharles Darwin vertrat die Annahme, dass der Ursprungder Menschen dort zu suchen sei, wo bis heute un-sere biologisch engsten Verwandten, die Schimpansen,leben.

    Es war Darwin jedoch nicht vergnnt, seine Annah-me besttigt zu sehen, denn bis zum ersten Fund einesAustralopithecus im sdlichen Afrika und zur Erkennt-nis, dass es sich hierbei um echte Vormenschen han-delte, war es noch ein weiter Weg, der ber das Nean-dertal bei Mettmann weiter nach Indonesien verlief:Mit der Endeckung des weit ber eine Million Jahre alten Pithecanthropus erectus auf Java durch EugneDubois (1891), wanderte die Wiege der Menschheitzum Ende des vorletzten Jahrhunderts zunchst vonEuropa nach Sdostasien um am Anfang des 20. Jahr-hunderts mit der Flschung von Piltdown, nach Europazurckzukehren (Schrenk & Mller 2005). Der politischmotivierte Versuch, den Ursprung des Menschen nachEngland zu verlegen (Piltdown Skull, siehe unten)scheiterte jedoch klglich. Ende 1924 hatten Stein-brucharbeiter am Sdrand der Kalahari einen fossilenKinderschdel geborgen, der vom Johannesburger Ana-tomieprofessor Raymond Dart unter der BezeichnungAustralopithecus africanus (afrikanischer Sdaffe) derskeptischen Fachwelt vorgestellt wurde (Dart 1925).Das rund zwei Millionen Jahre alte Fossil (Abb. 1) be-stach vor allem durch die tiefe Lage des Foramen mag-

    num, der Austrittsstelle des Rckenmarks aus demSchdel ein Zeichen dafr, dass der aufrechte Gangbereits entwickelt war. Das Gehirn war jedoch nichtgrer als bei Schimpansen und die Eckzhne waren imGegensatz zu Menschenaffen stark verkleinert.

    Diese anatomischen Merkmale der Vormenschen,damals noch in direktem Widerspruch zur herrschendenLehrmeinung und dem geflschten Piltdown Skull,haben sich in den vergangen Jahrzehnten durch einegroe Anzahl weiterer Funde im sdlichen, stlichenund westlichen Afrika besttigt. Mit jedem neuen Fundnimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Wiege derHominiden (Gattungen Sahelanthropus, Orrorin, Ardi-pithecus) (Abb. 2), der Vormenschen (Gattung Austra-lopithecus) der Urmenschen (Gattung Homo) und derFrhmenschen (Homo erectus) (Abb. 3) in Afrika stand.Heute geht es in der Paloanthropologie, der Lehre vomAlten Menschen, jedoch nicht nur um die Existenz al-ter Knochen Klimaforschung und die Anwendungneuer Untersuchungstechniken nimmt einen immergrer werdenden Raum ein in der Forschung um daseinzigartige Sugetier Mensch (Bromage & Schrenk1999).

    Frhe Forschungsgeschichte in Afrika

    Lange Zeit wurde das so genannte Taung-Baby von ein-flussreichen Anthropologen als Schimpansen-Kind an-gesehen. Kaum ein Wissenschaftler wollte die Vorfah-ren des Menschen in Afrika vermuten ein solches Fos-sil htte man eher in Asien erwartet. Einer glaubteallerdings an die These Darts. Der umtriebige Palonto-loge Robert Broom war einer der wenigen bedeutendenWissenschaftler, der die Dartsche Hypothese, es han-dele sich bei dem Fund um die Entdeckung eines Vor-

    Abb. 1Der Grandseigneur der sdafrika-nischen Paloanthropologie,Phillip Tobias, mit dem 1924 ent-deckten Taung Baby, dem erstenvormenschlichen Fossil aus Afrika (Foto: S. Mller).

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    Afrika die Wiege der Menschheit

    Friedemann Schrenk & Stephanie Mller

    Forschungsinstitut Senckenberg, Senckenberganlage 25, D-60325 Frankfurt/Main

    Roots_Umbruch AK 15.5. 24.05.2006 12:10 Uhr Seite 7

  • fahren des Menschen, ber Jahre hinweg untersttzte.Er fand in einer Hhle bei Sterkfontein in Sdafrika,rund 50 Kilometer sdwestlich von Johannesburg, erst-mals einen Schdel, der von einem erwachsenen Aus-tralopithecinen stammte. Bis heute wurden allein inSterkfontein durch Phillip Tobias und seinem Teammehr als 500 berreste von Australopithecinen gebor-gen, krzlich sogar ein zu fast 100 Prozent vollstndi-ges Skelett eines Vormenschen inklusive Schdel (Clar-ke 1998). In Sichtweite von Sterkfontein liegen dieHhlen von Kromdraai und Swartkrans. In Kromdraaigelang Robert Broom (1936) ein zweiter groer Coup:Er zeigte, dass es unter den Australopithecinen einenzweiten Typus gab, der wesentlich robuster war, als dieFunde von Sterkfontein. Seine Hypothese, nach der dieVormenschen in eine auf vegetarische Nahrung spezi-alisierte robuste und in eine allesfressende grazile Liniegetrennt waren, hat sich durch viele weitere Funde bisheute besttigt.

    Neben Sdafrika waren es auch die ostafrikani-schen Fundstellen, die die Paloanthropologenwelt inAtem hielten (Abb. 3). Seit Beginn der dreiiger Jahrewar Louis Leakey hier auf der Suche nach Zeugnissender Existenz menschlicher Vorfahren. Es war jedoch sei-ne Ehefrau Mary, der schlielich 1959 der entschei-dende Hominiden-Fund in der Olduvai Gorge in Tansa-nia gelang. Mit dem Schdel des Nussknacker-Men-schen (Leakey 1959), der mit wissenschaftlichem Na-men Zinjanthropous boisei genannt wurde, begann imstlichen und nordstlichen Afrika eine auergewhn-liche Serie von Hominiden-Funden. In den gleichenSchichten wurde 1964 die damals lteste Art der Gat-tung Homo H. habilis gefunden (Leakey et al. 1964).Eine weitere weltbekannte Fundstelle ist das 1935 vonLouis und Mary Leakey entdeckte Laetoli, Tansania. DerEthnologe Ludwig Kohl-Larsen fand dort 1939 ein

    Oberkieferfragment mit zwei Zhnen, das heute in T-bingen aufbewahrt und zu Australopithecus afarensisgezhlt wird. Eine der wichtigsten Entdeckungen derpaloanthropologischen Forschung gelang Mary Lea-keys Team 1978 mit der Entdeckung der berhmtenFuabdrcken von Australopithecinen aus Laetoli (Lea-key & Hay 1979). Sie belegen, dass der aufrechte Gangder Vormenschen bereits vor circa 3,6 Millionen Jahrenvoll entwickelt war.

    Die Forschungsarbeiten von Richard Leakey, demSohn von Louis und Mary, am stlichen Ufer des Tur-kana Sees in Kenia erbrachten seit 1972 mehr als 120Schdelfragmente, Zhne und Skeletteile vor allem von robusten Australopithecinen und Angehrigen derGattung Homo (Leakey 1973). Durch das Koobi ForaResearch Project wurde die Turkana-Region zur bisheute bestuntersuchten Hominidenfundregion Afrikas(Wood 1991). Auch Meave Leakey, die Frau von RichardLeakey, und ihr Team entdeckten 1994 und 1995 inKanapoi am Westufer des Turkana-Sees mehrere vierMillionen Jahre alten Unter- und Oberkiefer sowieEinzelzhne von Hominiden, die als Australopithecusanamensis bezeichnet wurden (Leakey et al. 1995).

    Einen Wettlauf der besonderen Art lieferten sich dieHominidenjger in Kenia mit den Kollegen in thiopien.Dort hatte eine amerikanisch-franzsische Expe-dition unter Leitung von Donald Johanson und YvesCoppens im November 1974 das Skelett einer zusam-men mit den Fossilien aus Laetoli als Australopithecusafarensis beschriebenen Art die berhmte Lucy gefunden (Johanson & Taieb 1978). Die Paloanthro-pologie der siebziger und achtziger Jahre des letztenJahrhunderts war geprgt durch immer wieder neueSensationsmeldungen des ltesten oder ersten Vor-menschen aus einer der beiden Fundregionen. Auch inthiopien kommen bis zum heutigen Tag vor allem aus

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    Abb. 2Ursprngliche und heutige Verbrei-tung des afrikanischen tropischenRegenwalds und Fundstellen fr-hester Hominiden im Ober-Miozn:nordwestliche Peripherie: Sahe-lanthropus tchadensis (67 Millio-nen Jahre): Toros-Menalla, Tschad; nordstliche Peripherie: Ardipithe-cus kadabba (5,25,8 MillionenJahre): Middle Awash, thiopien;stliche Peripherie: Orrorin tuge-nensis (6 Millionen Jahre): Lukeino,Kenia.

    Abb. 3Wichtige Hominiden-Fundstellenim Plio-Pleistozn AfrikasFundorte geographischer Variantender Vormenschen (Ardipithecus,Australopithecus, Kenyanthropus):westliches Afrika: Australopithecusbahrelgazali (3,53,2 MillionenJahre): Bahr el gazal, Tschad; st-liches Afrika: Australopithecus anamensis (4,23,8 Millionen Jah-re): Kanapoi, Allia Bay, Kenia); Ke-nyanthropus platyops (3,3 Mil-lio-nen Jahre): Lomekwi, Kenia; Australopithecus afarensis (3,72,9Millionen Jahre): Laetoli, Tansania;

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  • dem Gebiet des Middle Awash und angrenzender Re-gionen spektakulre Funde, die ltesten sind heute berfnf Millionen Jahre alt.

    Wie alles begann: der Ursprung des aufrechten Gangs

    Wenn es demnach keine Zweifel daran gibt, dass dieWiege der Menschheit in Afrika stand, so bleibt dochdie Frage: wo in Afrika? Hierzu meldete sich der Grand-seigneur der sdafrikanischen Paloanthropologie,Phillip Tobias, mit der Ansicht zu Wort: the birth of thehominids was a pan-African phenomenon. The uncove-ring of those birth-stages requires a pan-African ap-proach, free of regional or territorial preconceptionsand predilections." (Tobias 1980). Obwohl die Fossil-berlieferung naturgem lckenhaft bleiben muss, istdie geographische Position der Fundstellen in der Tatein wichtiger Ansatz um ber groe Zusammenhngenachzudenken und mindestens ebenso bedeutend, wiedie Chronologie, also die Datierung der Funde und ihreanatomische Beschaffenheit. Mit seiner Aussage be-wies Phillip Tobias Weitblick: die von ihm vertretene

    pan-afrikanische Sichtweise hat sich durch die Fundeder jngsten Zeit, die gleichzeitig die geologisch ltes-ten sind, eindrucksvoll besttigt

    In den sechs Millionen Jahre alten Schichten Ke-nias wurde zum Beginn des neuen Millenniums der auf-recht gehende Millenium Mensch (Orrorin tugenen-sis) entdeckt (Senut et al. 2001). Kurz darauf kamen inthiopien bis 5,8 Millionen Jahre alte Funde von Ardi-pithecus kedabba zum Vorschein (Haile-Selassie 2001).Diese unerwarteten Belege aus der Anfangszeit derVormenschen bekamen kurz darauf spektakul