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1 AHK-Weltkonjunkturbericht 2014 | 2015 Statement von DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier am 14. August 2014 Das Jahr 2014 entpuppt sich als geopolitisches Sorgenjahr. Russlands Politik gegenüber der Ukraine hat Sanktionen der EU nach sich gezogen. Diese Sanktionen wie auch die russi- schen Gegenmaßnahmen ziehen den deutschen Export weiter in Mitleidenschaft. Zu den direkten Beeinträchtigungen kommen die Bremsspuren in der Konjunktur anderer europäi- scher Staaten, die dann auch weniger deutsche Produkte abnehmen. Außerdem entwickeln sich viele Schwellenländer ungünstiger als im letzten Jahr absehbar. Die Unsicherheit im internationalen Handel wird durch weitere Konflikte, vor allem im Nahen Osten, noch forciert. Deshalb senkt der DIHK seine Prognose für die deutschen Exporte im laufenden Jahr aber- mals. Statt einem Plus von 4,5 Prozent, wie zu Beginn des Jahres noch erwartet, rechnen wir aktuell für 2014 mit einem Wachstum der deutschen Ausfuhren von bestenfalls 3,5 Prozent (Mai-Prognose: 4,0 Prozent). Damit setzen die deutschen Exporteure rund elf Mrd. Euro weniger um als angenommen. Für sich gesehen sind dadurch rund 100.000 Arbeits- plätze bei Unternehmen in Deutschland gefährdet. Alles in allem ist der Aufschwung der Weltwirtschaft vertagt. Mit einem Wachstum von nur 3,2 Prozent für 2014 kommt die Weltwirtschaft nun zum dritten Mal in Folge kaum vom Fleck. Die Russland/Ukraine-Krise hinterlässt auch hier sichtbare Spuren: Die AHKs in na- hezu allen Ländern der EU erwarten durch die Sanktionen und die russischen Reaktionen weitere Beeinträchtigungen der Konjunktur an ihren Standorten (Ergebnis der zusätzlichen Blitzumfrage bei europäischen AHKs 12./13.8.2014). Vielfach drohen sogar deutliche Brem- seffekte. Russland und die Ukraine müssen ihre Wachstumszahlen für dieses Jahr deutlich nach unten korrigieren. Hinzu kommt die schwächere wirtschaftliche Entwicklung in einer ganzen Reihe von Schwellenländern, allen voran den sogenannten „Fragile Five“. Das sind Indien, Indonesien, die Türkei, Südafrika und Brasilien. Sie hängen stark von Kapitalzuflüs- sen ab – und damit vom Vertrauen ausländischer Investoren. Auch die Entwicklung des Welthandels bleibt mit einem Zuwachs von 3,5 Prozent in die- sem Jahr unter den Erwartungen. Einer größeren Dynamik im Außenhandel stehen auch wachsende Handelshemmnisse entgegen. Gerade in unerwartet schwierigen Zeiten wächst in vielen Ländern die Versuchung, sich abzuschotten. Dies unterstreicht die große Bedeu- tung von Freihandelsabkommen wie der Transatlantischen Handels- und Investitionspartner-

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AHK-Weltkonjunkturbericht 2014 | 2015

Statement von DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier

am 14. August 2014

Das Jahr 2014 entpuppt sich als geopolitisches Sorgenjahr. Russlands Politik gegenüber der

Ukraine hat Sanktionen der EU nach sich gezogen. Diese Sanktionen wie auch die russi-

schen Gegenmaßnahmen ziehen den deutschen Export weiter in Mitleidenschaft. Zu den

direkten Beeinträchtigungen kommen die Bremsspuren in der Konjunktur anderer europäi-

scher Staaten, die dann auch weniger deutsche Produkte abnehmen. Außerdem entwickeln

sich viele Schwellenländer ungünstiger als im letzten Jahr absehbar. Die Unsicherheit im

internationalen Handel wird durch weitere Konflikte, vor allem im Nahen Osten, noch forciert.

Deshalb senkt der DIHK seine Prognose für die deutschen Exporte im laufenden Jahr aber-

mals. Statt einem Plus von 4,5 Prozent, wie zu Beginn des Jahres noch erwartet, rechnen

wir aktuell für 2014 mit einem Wachstum der deutschen Ausfuhren von bestenfalls 3,5

Prozent (Mai-Prognose: 4,0 Prozent). Damit setzen die deutschen Exporteure rund elf Mrd.

Euro weniger um als angenommen. Für sich gesehen sind dadurch rund 100.000 Arbeits-

plätze bei Unternehmen in Deutschland gefährdet.

Alles in allem ist der Aufschwung der Weltwirtschaft vertagt. Mit einem Wachstum von nur

3,2 Prozent für 2014 kommt die Weltwirtschaft nun zum dritten Mal in Folge kaum vom

Fleck. Die Russland/Ukraine-Krise hinterlässt auch hier sichtbare Spuren: Die AHKs in na-

hezu allen Ländern der EU erwarten durch die Sanktionen und die russischen Reaktionen

weitere Beeinträchtigungen der Konjunktur an ihren Standorten (Ergebnis der zusätzlichen

Blitzumfrage bei europäischen AHKs 12./13.8.2014). Vielfach drohen sogar deutliche Brem-

seffekte. Russland und die Ukraine müssen ihre Wachstumszahlen für dieses Jahr deutlich

nach unten korrigieren. Hinzu kommt die schwächere wirtschaftliche Entwicklung in einer

ganzen Reihe von Schwellenländern, allen voran den sogenannten „Fragile Five“. Das sind

Indien, Indonesien, die Türkei, Südafrika und Brasilien. Sie hängen stark von Kapitalzuflüs-

sen ab – und damit vom Vertrauen ausländischer Investoren.

Auch die Entwicklung des Welthandels bleibt mit einem Zuwachs von 3,5 Prozent in die-

sem Jahr unter den Erwartungen. Einer größeren Dynamik im Außenhandel stehen auch

wachsende Handelshemmnisse entgegen. Gerade in unerwartet schwierigen Zeiten wächst

in vielen Ländern die Versuchung, sich abzuschotten. Dies unterstreicht die große Bedeu-

tung von Freihandelsabkommen wie der Transatlantischen Handels- und Investitionspartner-

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schaft (TTIP) als Garanten für eine offene Weltwirtschaft. Auch ein erfolgreiches WTO-

Abkommen wäre in dieser Hinsicht sehr willkommen gewesen.

Eine Erholung der Weltwirtschaft wird wohl erst im kommenden Jahr greifbar. Nach Schät-

zungen der AHKs zieht die Weltwirtschaft im kommenden Jahr um 3,8 Prozent an. Alle

Weltregionen tragen zum höheren Wachstum bei. Die beiden wirtschaftlichen Schwerge-

wichte USA und China halten die Weltwirtschaft auf Kurs. Die deutschen Kammern vor Ort

gehen davon aus, dass Chinas Wirtschaft aus den angekündigten Reformen gestärkt her-

vorgehen wird. Dabei können deutsche Unternehmen als Lieferanten von der Förderung der

chinesischen Binnenwirtschaft profitieren. In den USA verstetigt sich die positive wirtschaftli-

che Entwicklung. Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten dürfte 2015 um 2,5 Prozent zule-

gen. Auch die Situation in vielen Schwellenländern verbessert sich nächstes Jahr wieder. In

der EU sticht derzeit Großbritannien heraus. Mit einem Wirtschaftswachstum von drei Pro-

zent in diesem und im kommenden Jahr liegt das Land fast an der Spitze der Industrieländer.

Die Volkswirtschaften der Eurozone wachsen 2015 moderat – mit rund 1,5 Prozent Wachs-

tum insgesamt aber zumindest stärker als in diesem Jahr. In vielen Ländern bleibt aber der

Kreditzugang für ausländische Importeure deutscher Waren ein Problem - deutsche Unter-

nehmen müssen hier oft selbst die Finanzierung für ihre Exporte mitbringen. Die Dynamik in

der Eurozone unterscheidet sich zudem sehr zwischen den einzelnen Ländern. Frankreichs

Wirtschaftswachstum bleibt mit kaum mehr als einem Prozent auch im kommenden Jahr

unter seinen Möglichkeiten. Hier gilt es, bei den Reformen aufs Tempo zu drücken und die

angekündigten, teils unpopulären Maßnahmen auch umzusetzen. Italien bleibt großes Sor-

genkind in der Eurozone. Im 1. Halbjahr 2014 ist das Land in die Rezession zurückgeglitten.

Die AHK in Mailand erwartet für das kommende Jahr zumindest ein leichtes Wachstum von

rund einem Prozent. Spanien profitiert hingegen bereits von seinen Reformanstrengungen:

Nach einem Konjunkturplus von 1,4 Prozent in diesem Jahr prognostiziert die AHK dort für

2015 zwei Prozent Wachstum. Gerade hier sieht man die Bedeutung einer Politik, die kon-

sequent auf Wettbewerbsfähigkeit achtet.

Deutschlands Exportwirtschaft profitiert im kommenden Jahr vom Anziehen der Weltkonjunk-

tur. Die AHKs erwarten für 2015 insgesamt ein deutsches Exportwachstum von fünf

Prozent. Diese Prognose setzt eine allmähliche Entspannung der schwierigen Situation mit

Russland voraus. In diesem Fall wachsen die Exporte deutscher Unternehmen gerade nach

Russland und in die Ukraine, aber auch in die von den aktuellen Sanktionen betroffenen eu-

ropäischen Länder. Darüber hinaus stabilisieren sich die Ausfuhren in die Schwellenländer –

nachdem in diesem Jahr deutsche Exportvolumina dorthin vielfach sogar schrumpfen wer-

den. Auch die solide Entwicklung Chinas und der USA, in denen Qualitätsprodukte aus

Deutschland in hohem Ansehen stehen, tragen zur Erholung der Exportaussichten 2015 bei.

Bei den Branchen erwarten die AHKs Verschiebungen zwischen den traditionellen deut-

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schen Stärken. Das Knowhow deutscher Unternehmen im Bereich Energieeffizienz stößt im

Ausland auf immer größere Nachfrage. Die AHKs erwarten hier deshalb den höchsten Zu-

wachs bei den Ausfuhren, gefolgt von der Gesundheitswirtschaft und dem Maschinenbau.

Ein solches Szenario – eine Rückkehr zur Normalität für die Weltwirtschaft ab 2015 – setzt

aber voraus, dass sich auch in den internationalen Beziehungen die Vernunft durchsetzt und

es nicht zu einer weiteren Spirale der Eskalation kommt.