1
Chemiewirtschaft „In Rohstoffe investieren“ Wie sich europäische Chemieunternehmen an veränderte Wettbewerbsbedingungen anpassen müssen und wo sie weiterhin erfolgreich sind, erläutert Ruben Gil von Aspentech. Nachrichten aus der Chemie: Herr Gil, europäische Chemieunternehmen spüren immer mehr Wettbewerber im Nahen Osten und in Asien. Ist dieser Eindruck mit Zahlen zu untermauern? Ruben Gil: Tatsächlich hat eine Untersuchung ergeben, dass 14 von 43 Cracker-Anlagen in Europa nach dem Jahr 2015 nicht mehr wirt- schaftlich arbeiten werden. Das Schließen dieser Anlagen bedeutet 26 Prozent weniger Produktions- kapazitäten in Europa. Zur gleichen Zeit bauen Chemieunternehmen im Nahen Osten ihre Produktion aus. Nachrichten: In China sieht es ähnlich aus? Gil: Die chinesische Industrie soll und will die strengen Richtlinien ih- rer Regierung erfüllen, damit das Land bald über eine autarke Chemie- produktion verfügt. Die Unterneh- men verfügen in der Regel über viel Kapital und bauen auf staatliche Un- terstützung. Außerdem kaufen sie Technik und geistiges Eigentum von angeschlagenen europäischen Unter- nehmen. So wird die chinesische Chemie ihre Ziele schnell erreichen. Nachrichten: Wird dies die euro- päische chemische Industrie verklei- nern? Die Europäische Union ist noch vor China der größte Chemikalienher- steller. Sie produzierte im ersten Quar- tal einen Warenwert von 330 Milliar- den Euro. Gil: Ja, und mehr als 29 000 euro- päische Chemieunternehmen be- schäftigten im letzten Jahr etwa 1,2 Millionen Menschen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass sich die In- dustrie in Europa verändert. Nachrichten: Sie wird aber weiter- hin eine starke Rolle in der weltweiten Wirtschaft spielen? Gil: Sicher, um dies jedoch zu er- reichen, müssen Unternehmensfüh- rer sich klar sein, wie mit unrent- ablen Betrieben umzugehen ist, die mit modernen Anlagen außerhalb Europas nicht konkurrieren kön- nen. Außerdem sollten Unterneh- men in Rohstoffe investieren, die sich auf dem Weltmarkt durchsetzen werden. Nachrichten: Sehen Sie noch ande- re Möglichkeiten für europäische Un- ternehmen? Gil: Sie könnten sich auf ihre his- torisch bedingten Vorteile konzen- trieren: Vor allem, wenn es um nach- haltige Lösungen geht, profitieren sie von langjährigen Kundenbezie- hungen. So lassen sich stärker spe- zialisierte und hochwertigere Pro- dukte entwickeln. Nachrichten: Sich also ganz auf die Kunden konzentrieren ... Gil: ... und dabei flexibel bleiben: Europäische Unternehmen sollten gegenüber Kunden nicht nur als Zu- lieferer, sondern auch als Lösungs- anbieter auftreten. Dazu gehört es zum Beispiel, mit Wettbewerbern zusammen zu arbeiten. Nachrichten: Auch mit solchen, die Rohstoffe liefern? Gil: Europäische Unternehmen sollten sich besonders um Joint Ven- tures und strategische Allianzen be- mühen, die ihnen Zugang zu billigen Rohstoffen aus dem Nahen Osten und den wachsenden asiatischen Märkten bieten. Nachrichten: Wie wird es kurzfris- tig mit der chemischen Industrie wei- tergehen? Gil: Die Produktionsraten der ge- samten Branche erreichen allmäh- lich wieder das Niveau des Jahres 2006. Jedoch ist die Industrie nicht in der Lage, die Spitzenraten von En- de 2006 und 2007 zu erreichen. In Zukunft wird dennoch die Branche stark in Europa vertreten sein. Nachrichten: Was tut ein Unter- nehmen, das Software für die Prozess- industrie liefert, um die europäische Chemieindustrie zu unterstützen? Gil: Produkte, die Daten und Pro- zessmodelle überall im Unterneh- men verfügbar machen, verschaffen Unternehmen die Agilität, schnell auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren. Mit unserer Software optimieren Unternehmen ihre Ge- schäftsprozesse und steigern so ihre Leistung bei einem schnellen Return on Investment. Durch Prozessopti- mierung können sie sich schneller erholen, die Produktion maximieren und die Leistung sowie Rentabilität verbessern. Redaktion Maren Bulmahn Ruben Gil ist Director Sales Operations and Business Consulting beim amerikanischen Prozessindustrieunternehmen Aspentech in Brüssel. (Foto: Aspentech) 743 Nachrichten aus der Chemie | 59 | Juli I August 2011 | www.gdch.de/nachrichten

âIn Rohstoffe investierenâ

  • Upload
    maren

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: âIn Rohstoffe investierenâ

�Chemiewirtschaft�

„In Rohstoffe investieren“

Wie sich europäische Chemieunternehmen an veränderte Wettbewerbsbedingungen anpassen müssen

und wo sie weiterhin erfolgreich sind, erläutert Ruben Gil von Aspentech.

Nachrichten aus der Chemie: Herr Gil, europäische Chemieunternehmen spüren immer mehr Wettbewerber im Nahen Osten und in Asien. Ist dieser Eindruck mit Zahlen zu untermauern?

Ruben Gil: Tatsächlich hat eine Untersuchung ergeben, dass 14 von 43 Cracker-Anlagen in Europa nach dem Jahr 2015 nicht mehr wirt-schaftlich arbeiten werden. Das Schließen dieser Anlagen bedeutet 26 Prozent weniger Produktions-kapazitäten in Europa. Zur gleichen Zeit bauen Chemieunternehmen im Nahen Osten ihre Produktion aus.

Nachrichten: In China sieht es ähnlich aus?

Gil: Die chinesische Industrie soll und will die strengen Richtlinien ih-rer Regierung erfüllen, damit das Land bald über eine autarke Chemie-produktion verfügt. Die Unterneh-men verfügen in der Regel über viel Kapital und bauen auf staatliche Un-terstützung. Außerdem kaufen sie Technik und geistiges Eigentum von angeschlagenen europäischen Unter-nehmen. So wird die chinesische Chemie ihre Ziele schnell erreichen.

Nachrichten: Wird dies die euro-päische chemische Industrie verklei-nern? Die Europäische Union ist noch vor China der größte Chemikalienher-steller. Sie produzierte im ersten Quar-tal einen Warenwert von 330 Milliar-den Euro.

Gil: Ja, und mehr als 29 000 euro-päische Chemieunternehmen be-schäftigten im letzten Jahr etwa 1,2 Millionen Menschen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass sich die In-dustrie in Europa verändert.

Nachrichten: Sie wird aber weiter-hin eine starke Rolle in der weltweiten Wirtschaft spielen?

Gil: Sicher, um dies jedoch zu er-reichen, müssen Unternehmensfüh-rer sich klar sein, wie mit unrent-ablen Betrieben umzugehen ist, die mit modernen Anlagen außerhalb Europas nicht konkurrieren kön-nen. Außerdem sollten Unterneh-men in Rohstoffe investieren, die sich auf dem Weltmarkt durchsetzen werden.

Nachrichten: Sehen Sie noch ande-re Möglichkeiten für europäische Un-ternehmen?

Gil: Sie könnten sich auf ihre his-torisch bedingten Vorteile konzen-trieren: Vor allem, wenn es um nach-haltige Lösungen geht, profitieren sie von langjährigen Kundenbezie-hungen. So lassen sich stärker spe-zialisierte und hochwertigere Pro-dukte entwickeln.

Nachrichten: Sich also ganz auf die Kunden konzentrieren ...

Gil: ... und dabei flexibel bleiben: Europäische Unternehmen sollten gegenüber Kunden nicht nur als Zu-lieferer, sondern auch als Lösungs-anbieter auftreten. Dazu gehört es zum Beispiel, mit Wettbewerbern zusammen zu arbeiten.

Nachrichten: Auch mit solchen, die Rohstoffe liefern?

Gil: Europäische Unternehmen sollten sich besonders um Joint Ven-tures und strategische Allianzen be-mühen, die ihnen Zugang zu billigen Rohstoffen aus dem Nahen Osten und den wachsenden asiatischen Märkten bieten.

Nachrichten: Wie wird es kurzfris-tig mit der chemischen Industrie wei-tergehen?

Gil: Die Produktionsraten der ge-samten Branche erreichen allmäh-lich wieder das Niveau des Jahres

2006. Jedoch ist die Industrie nicht in der Lage, die Spitzenraten von En-de 2006 und 2007 zu erreichen. In Zukunft wird dennoch die Branche stark in Europa vertreten sein.

Nachrichten: Was tut ein Unter-nehmen, das Software für die Prozess-industrie liefert, um die europäische Chemieindustrie zu unterstützen?

Gil: Produkte, die Daten und Pro-zessmodelle überall im Unterneh-men verfügbar machen, verschaffen Unternehmen die Agilität, schnell auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren. Mit unserer Software optimieren Unternehmen ihre Ge-schäftsprozesse und steigern so ihre Leistung bei einem schnellen Return on Investment. Durch Prozessopti-mierung können sie sich schneller erholen, die Produktion maximieren und die Leistung sowie Rentabilität verbessern.

Redaktion Maren Bulmahn

Ruben Gil ist Director Sales Operations and

Business Consulting beim amerikanischen

Prozessindustrieunternehmen Aspentech in

Brüssel. (Foto: Aspentech)

743

Nachrichten aus der Chemie | 59 | Juli I August 2011 | www.gdch.de/nachrichten