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1 Batterie wird im Folgenden synonym verwendet mit Lithium-Ionen-Akkumulatoren Elektromobilität mit Batterie 1 und Brennstoffzelle gilt als Schlüssel zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor. Zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele ist daher der globale Hochlauf von Elektrofahrzeugen notwendig. Gleichzeitig wird der Fahrzeugbestand weltweit insbesondere aufgrund des steigenden Wohlstandsniveaus in China und Indien deutlich ansteigen. Allein die globale Pkw-Flotte wird sich Prog- nosen zufolge bis 2050 auf über zwei Milliarden Fahrzeuge verdoppeln. Mit dem Anstieg der elektrischen Fahrzeuge wächst die Nachfrage nach Batteriespeichern und damit auch der Bedarf an spezifischen Rohstoffen. Verschiedene Studien berechnen Szenarien für den entsprechenden Rohstoffbedarf. Um das Ziel einer nachhaltigen Elektromobili- tät zu erreichen, sind sowohl neue Methoden und Verfahren bei Herstellung und Recycling der Technologien zu fördern, als auch die Umwelt- und Sozialauswirkungen beim Abbau von Rohstoffen zu verbessern. Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe – Bedarfe, Verfügbarkeiten, Umweltauswirkungen Stand: September 2020 Einleitung

Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

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Page 1: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

1 Batterie wird im Folgenden synonym verwendet mit Lithium-Ionen-Akkumulatoren

Elektromobilität mit Batterie1 und Brennstoffzelle gilt als Schlüssel zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im

Verkehrssektor. Zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele ist daher der globale Hochlauf

von Elektrofahrzeugen notwendig. Gleichzeitig wird der Fahrzeugbestand weltweit insbesondere aufgrund des

steigenden Wohlstandsniveaus in China und Indien deutlich ansteigen. Allein die globale Pkw-Flotte wird sich Prog-

nosen zufolge bis 2050 auf über zwei Milliarden Fahrzeuge verdoppeln. Mit dem Anstieg der elektrischen Fahrzeuge

wächst die Nachfrage nach Batteriespeichern und damit auch der Bedarf an spezi�schen Rohstoffen. Verschiedene

Studien berechnen Szenarien für den entsprechenden Rohstoffbedarf. Um das Ziel einer nachhaltigen Elektromobili-

tät zu erreichen, sind sowohl neue Methoden und Verfahren bei Herstellung und Recycling der Technologien zu

fördern, als auch die Umwelt- und Sozialauswirkungen beim Abbau von Rohstoffen zu verbessern.

Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe – Bedarfe, Verfügbarkeiten, Umweltauswirkungen

Stand: September 2020

Einleitung

Page 2: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

Aufgrund der hohen Energiedichte, Langlebigkeit und des geringen

Wartungsaufwands werden vorrangig Lithium-Ionen-Batterien in

E-Fahrzeugen eingesetzt. Bei Wasserstoffautos werden Nieder-

temperaturbrennstoffzellen verbaut: Die Polymer-Elektrolyt-Brenn-

stoffzelle (PEFC) ist langlebig, wartungsarm und weist eine hohe

Betriebsdynamik auf. Für eine ef�zientere Herstellung von Wasser-

stoff wird derzeit die Polymer-Elektrolyt-Membran-Elektrolyse

(PEM) intensiv betrachtet. Rohstoffe, die zur Herstellung dieser

Technologien notwendig sind, werden in der Übersicht (Abb. 1)

dargestellt. Ihre Nachfrage wird beim Markthochlauf der Elektro-

mobilität zum Teil enorm steigen.

Batterie und Brennstoffzelle – Markthochlauf und Rohstoffbedarf

Aluminium Mangan

Phosphor

Lithium

Eisen

IridiumNickel

Seltene Erden

Kobalt Titan

PlatinGraphit

Kupfer

Abb. 1: Rohstoffe für die Herstellung von Batterie, Brennstoffzelle und Elektrolyseur (eigene Darstellung)

+–Batterie

+–

H2

Gegenwärtig beläuft sich der globale Bedarf

an Batteriekapazität für Elektrofahrzeuge

aufgrund der relativ geringen Marktdurch-

dringung auf unter 100 GWh. Bis 2030 ist ein

Speicherbedarf von 1.000 bis 1.500 GWh und

bis 2050 von 3.500 bis 6.600 GWh zu erwar-

ten. Aufgrund der großen Fahrzeug�otte und

der Fahrleistung wird der globale Batterie-

bedarf dabei zum Großteil von Pkw (Anteil

75%) bestimmt werden. Lkw und Busse

werden nur geringfügig zum Gesamtbedarf

beitragen. (s. Abb. 2.)

Abb. 2: Prognostizierter Bedarf der Gesamtspeicherkapazität von Batteriespeichern für unterschiedliche Verkehr-sträger in verschiedenen Szenarien (Öko-Institut, 2019)

Pkw bestimmen Bedarf an Batteriekapazität

Pedelcs

Krafträder

Minibusse

Busse

Lkw

Pkw

2016 20302DS B2DS

2050

7.000

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

0

GWh2DS B2DS

Elektrolyseur

Brennstoffzelle

2DS = Zwei-Grad-Szenario

B2DS = Unter-Zwei-Grad-Szenario

Page 3: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

Für die Elektromobilität wesentliche Rohstoffe sind Lithium, Kobalt, Nickel und Platinmetalle.

Die globalen Reserven und Ressourcen sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst.

Rohstoffe im Überblick

Page 4: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

14 Mio. tglobale Reserven

47 Mio. tglobale Ressourcen

41% der aktuellen Fördermenge wird zur Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus für E-Fahrzeuge verwendet Bedarf

Globaler Bedarf Lithium Sekundärmaterial1) in Li-Ionen-Batterien für E-Mobilität

Globaler Bedarf Lithium Primärmaterial2) in Li-Ionen-Batterien für E-Mobilität

Globale Lithium-Primär-produktion 2016

Primärproduktion 2016

2016 2030 2050

800.000

600.000

400.000

200.000

0

Kobalt

36% der aktuellen Fördermenge wird zur Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus für E-Fahrzeuge verwendet Bedarf

Globaler Bedarf Lithium Sekundärmaterial1) in Li-Ionen-Batterien für E-Mobilität

Globaler Bedarf Lithium Primärmaterial2) in Li-Ionen-Batterien für E-Mobilität

Globale Lithium-Primär-produktion 2016Primärproduktion

2016t

2016 2030 2050

1.000.000

800.000

600.000

400.000

200.000

0

Lithium

7 Mio. tglobale Reserven

25-120 Mio. tglobale Ressourcen

(Quelle: Öko-Institut, 2019)

(Quelle: Öko-Institut, 2019)

1) Sekundärmaterial = prozessiertes Primärmaterial 2) Primärmaterial = unbearbeitete, natürliche Ressourcen

t

Page 5: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

14 Mio. tglobale Reserven

47 Mio. tglobale Ressourcen

17% der aktuellen Fördermenge wird zur Herstellung von Brennstoffzellen verwendet

Katalysator in der PEM-Elektrolyse

Substitution nicht absehbar

Vorkommen extrem gering, 85% in Südafrika

Recycling ist möglich und wird in Teilen praktiziert

Platin Iridium

Hoher Energiebedarf beim Abbau versursacht immense THG-Emissionen (Reduktion um 30-60% durch EE-Strom möglich) Bedarf

Globaler Bedarf Lithium Sekundärmaterial in Li-Ionen-Batterien für E-Mobilität

Globaler Bedarf Lithium Primärmaterial in Li-Ionen-Batterien für E-Mobilität

Globale Lithium-Primär-produktion 2016

Primärproduktion 2016

2016 2030 2050

8.000.000

6.000.000

4.000.000

2.000.000

0

Nickel

(Quelle: Öko-Institut, 2019)

Neben den hier im Detail dargestellten Rohstoffen werden weitere Elemente für die Elektromobilität benötigt. Hierzu

zählen Gra�t, Kupfer, Aluminium, Mangan, Scandium, Gallium, Titan, sowie seltene Erden.Auch die Gewinnung dieser

Rohstoffe spiegelt die in diesem Dokument diskutierte vielschichtige Problematik des Ressourcenabbaus wider.

t

Page 6: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

Wenige Staaten mit Rohstoffen für E-Fahrzeuge

Kanada

Kobalt

Türkei

Gra�t

Kuba

Kobalt

D.R. Kongo

Kobalt

Russland

Kobalt, Nickel, Platin

Südafrika

Platin

Argentinien

Lithium

Brasilien

Nickel, Gra�tSimbabwe

Lithium, Platin

China

Lithium, Gra�t

Neukaledonien

Nickel

Philippinen

Nickel

Australien

Lithium, Kobalt, Nickel

Chile

Lithium

Bolivien

Lithium

Kobalt Nickel Gra�t Platin Lithium

Page 7: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

* Lithium-Dreieck: Argentinien, Bolivien, Chile** US: United States of America; AU: Australien; DRC: Demokratische Republik Kongo; NC: Neukaledonien

Für die Verwendung der Rohstoffe in Batterie- und Brennstoffzellentechnologien müssen diese raf�niert werden. Der Raf�ne-

rieprozess �ndet zum Großteil nicht in den Abbau- und Förderländern statt, sondern maßgeblich in China: Fast 60% des

Lithiums und Kobalts werden dort raf�niert. Die raf�nierenden Länder haben daher einen massiven Ein�uss auf den Rohstoff-

markt.

(Quelle: IEA (2019): Global EV Outlook 2019 - Scaling-up the transition to electric mobility.)

Hauptförder- und Raf�nerieländer von Rohstoffen für Elektrofahrzeuge

Andere

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Prozentsatz des weltweiten Abbaus bzw. Raf�nierung

Lithium

Kupfer

Kobalt

Nickel

Australien Lithium-Dreieck* Portugal

Demokratische Republik Kongo Russland AU** Andere

Chile Peru China US**

Philippinen Indonesien NC** Russland Kanada Australien Andere

DRC** AU** Andere

Abbau: Raf�nation:China Andere

Page 8: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

Da Rohstoffabbau nie vollkommen nachhaltig sein kann, müssen die inhärenten Risiken

minimiert werden. Innerhalb von internationalen normativen Rahmenbedingungen und Prinzi-

pien existieren einige rechtlich bindende Standards (z.B. EU Gesetzgebung zu Kon�iktminera-

lien) sowie verschiedene freiwillige Nachhaltigkeitsstandards. Große Herausforderungen

sind ihre Heterogenität, Fragmentation durch Fokus auf einzelne Rohstoffe oder Regionen/-

Länder, teilweise fehlende lokale/internationale Legitimation, sowie unterschiedliche rechtli-

che Rahmenbedingungen und Schwierigkeiten in der Kostendeckung (Kickler et al., 2018).

Aktuelle Initiativen sind z.B. das Pilotprojekt "Cobalt for Development", in dem die BMW

Group, BASF SE, Samsung SDI und Samsung Electronics versuchen, die Arbeitsbedingungen

der Menschen in einer ausgewählten Kobaltmine im Kleinstbergbau in der Demokratischen

Republik Kongo zu verbessern. In einem weiteren Projekt untersucht Volvo Cars die potentiel-

le Eignung von Blockchains zur Nachverfolgung des Ursprungs von Kobalt.

LösungsansätzeZusätzlich zu den ökologischen Veränderungen und ihren negativen Folgen für menschliches

Leben hat die politische Kontrolle über den Rohstoffabbau weitreichende lokal- und geopoliti-

sche Konsequenzen. Menschen in Abbaugebieten werden oft konfrontiert mit:

Vertreibung und Umsiedelung (teilweise unter Zwang),

Missachtung von Altersgrenzen, Lohn, Arbeitszeiten, Arbeitsschutz, etc.,

Einschränkungen von kulturellen und traditionellen Werten.

Initiativen auf internationaler politischer Ebene sowie von der Industrie, die diese schädlichen

Effekte zu minimieren suchen, müssen dringend gestärkt und legitimiert werden.

(Quelle: Kickler et al., 2018).

Umwelt- und Sozialverträglichkeit kritischer Rohstoffe

Effekte des Abbaus von Rohstoffen jeder Art können sich global – durch assoziierte Treibhausgas-Emissionen – oder lokal – durch Emissionen anderer Substanzen – auswirken. Ein relativer Vergleich

der unterschiedlichen ökologischen und sozialen Auswirkungen des Rohstoffabbaus an verschiedenen Orten ist daher sowohl aus fachlichen als auch ethischen Gründen schwierig. Die Aussagekraft

von Umweltbilanzen (LCA) leidet häu�g unter einer eingeschränkten Datenlage bedingt durch Intransparenz vieler Bergbau�rmen und veralteter oder unzureichender LCA-Datenbanken. Hinzu kommt,

dass kritische Wirkungskategorien (z.B. Ökotoxizität) komplex zu modellieren sind und weiterhin hoher Forschungsbedarf besteht. Dennoch ist es notwendig, die negativen Folgen des Rohstoffabbaus

konkret zu benennen und kontinuierlich zu minimieren.

z. B.Trinkwasserqualität, Abwanderungenz. B saure Grubenwässer, Schadstoffemissionen, Lärm z. B. Bedrohung der Biodiversität, Beförderung des Klimawandel

Ökologische Folgen Soziale Folgen

Quellen: Sonter et al. (2020), Öko-Institut (2020), Oehoust et al. (2017), ELAW (2010)

Auswirkungen des Rohstoffabbaus auf das Öko- und Sozialsystem

Wasser Luft Flora & Fauana Boden Klima

Auswirkungen von Bergbauaktivitäten

Page 9: Factsheet: Elektromobilität und Rohstoffe

Rohstoffverfügbarkeit kein Hindernis für die

Elektromobilität.Die Verfügbarkeit der wichtigsten hier aufgeführten Rohstoffe ist kein grund-sätzliches Hindernis für den fortschrei-tenden Hochlauf der Elektromobilität.

Vielmehr können temporäre Rohstoffver-knappungen am Markt zu drastischen

Preisanstiegen einzelner Rohstoffe führen, wie es vor allem für Lithium und

Kobalt erwartet wird. Hierbei sind Verknappungen insbesondere auf nicht

ausreichende Erschließung von Vorkom-men im Zusammenhang mit komplexen politischen Situationen zurückzuführen.

Schwierige Datenlage.

Mit Blick auf die wissenschaftliche Grundla-ge ergibt sich ebenfalls ein komplexes Bild. Studien hinsichtlich einzelner Themen im

Kontext Rohstoffe betrachten oft Szenarien, deren unterschiedliche Annahmen eine Vergleichbarkeit erschweren bzw. nicht

erlauben. Hinzu kommt, dass Daten häu�g nicht verfügbar oder qualitativ fragwürdig

sind. Um diese Situation zu verbessern, braucht es Transparenz und konsequenten Datenaustausch, so dass künftig vergleich-

bare ganzheitliche Analysen ermöglicht werden. Außerdem wird ein kontinuierliches Monitoring der Rohstoffsituation (Verfügbar-

keit und Nachfrage) empfohlen.

Ef�ziente Rohstoffnutzung.

Der Bereich konventionelle Antriebe blickt auf über ein Jahrhundert Forschungsgeschickte zurück. Bei der

Entwicklung von Elektroantrieben ist derzeit noch ein hohes Potenzial bei der Optimierung und Ef�zienzsteige-rung zu erwarten. Die Treibhausgasbilanz von Batterien lässt sich beispielsweise durch die Nutzung in stationä-

ren Speichern im Sinne eines „Second-Life“ deutlich verbessern. Außerdem führen steigende Rohstoffpreise

für Kernrohstoffe bereits heute dazu, dass Recycling einen immer höherer Stellenwert beigemessen wird, da

hierdurch der Rohstoffbedarf aus neuen Ressourcen reduziert und das Recycling gesteigert werden kann.

Ebenso können andere chemische Zusammensetzungen den Bedarf einzelner Rohstoffe verringern – ein Ziel der

aktuellen Batterieforschung.

Nachhaltiger Rohstoffeinsatz.

Der Rohstoffverbrauch insgesamt muss nachhaltiger werden. Auf dem Weg hin zu einer ressourcenschonenden, emissions-

freien Mobilität stehen wir noch am Anfang. Die Förderung der genannten

Rohstoffe steht derzeit in Zusammenhang mit Umwelt- und Sozialproblemen.

Initiativen, Standards und Regularien für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Lieferkette müssen ausgebaut, gefördert und den weiteren Prozess eng begleiten,

damit die negativen Folgen des Rohstoffa-bbaus, wie wir sie für die Materialien und

Kraftstoffe konventioneller Fahrzeuge kennen, nicht wiederholt werden.

Schlussfolgerung

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