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Inhaltsverzeichnis/Sommaire AJP/PJA 3/2017 Aufsätze / Articles Turbulenzen zwischen Brüssel und Lugano Alexander R. Markus 287 Der Trust im Lugano-Übereinkommen Thomas M. Mayer 299 Einseitige Arbeitszeitveränderungen durch den Arbeitgeber Gabriela Riemer-Kafka 312 Vermögensanlage von Vorsorgeeinrichtungen Ueli Kieser / Kaspar Saner 327 Die Online-Zuständigkeiten des Bundes Urs Saxer 334 Le recours au Tribunal fédéral en matière d’élections fédérales Bénédicte Tornay Schaller 351 Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern Daniel Jositsch / Martina Conte 368 Rechtsprechungspanorama / Panorama de la jurisprudence Rechtsprechungspanorama Personenrecht und Einleitungsartikel Stephanie Hrubesch-Millauer / Melanie Bürki 380 Entscheidbesprechungen / Discussions d’arrêts actuels BGer 2C_681/2015 und 2C_682/2015: Festlegung und Kontrolle der Elektrizitätstarife in der Grundversorgung Michael Daphinoff 404 TF 6B_466/2015: Applicabilité du concours rétrospectif selon l’art. 49 al. 2 CP en cas de premier jugement étranger Jeremy Bacharach 408 EGMR, Affaire Osmanog ˘lu et Kocabas¸ c. Suisse, Requète n o 29086/12: Religionsfreiheit und obligatorischer Schwimmunterricht Lorenz Langer 410

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I n h a l t s v e r z e i c h n i s / S o m m a i r eAJP/PJA 3/2017

Aufsätze / Articles

■ Turbulenzen zwischen Brüssel und Lugano Alexander R. Markus

287

■ Der Trust im Lugano-Übereinkommen Thomas M. Mayer

299

■ Einseitige Arbeitszeitveränderungen durch den Arbeitgeber

Gabriela Riemer-Kafka

312

■ Vermögensanlage von Vorsorgeeinrichtungen Ueli Kieser / Kaspar Saner

327

■ Die Online-Zuständigkeiten des Bundes Urs Saxer

334

■ Le recours au Tribunal fédéral en matière d’élections fédérales

Bénédicte Tornay Schaller

351

■ Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern

Daniel Jositsch / Martina Conte

368

Rechtsprechungspanorama / Panorama de la jurisprudence

■ Rechtsprechungspanorama Personenrecht und Einleitungsartikel

Stephanie Hrubesch-Millauer / Melanie Bürki

380

Entscheidbesprechungen / Discussions d’arrêts actuels

■ BGer 2C_681/2015 und 2C_682/2015: Festlegung und Kontrolle der Elektrizitätstarife in der Grundversorgung

Michael Daphinoff

404

■ TF 6B_466/2015: Applicabilité du concours rétrospectif selon l’art. 49 al. 2 CP en cas de premier jugement étranger

Jeremy Bacharach

408

■ EGMR, Affaire Osmanoglu et Kocabas c. Suisse, Requète no 29086/12: Religionsfreiheit und obligatorischer Schwimmunterricht

Lorenz Langer

410

Page 2: AJP 3 2017 - Dike · 2017. 3. 16. · Inhaltsverzeichnis/Sommaire AJP/PJA 3/2017 Toujours à jour Rechtsetzung / Législation 422 Literatur / Bibliographie 428 Buchbesprechungen

I n h a l t s v e r z e i c h n i s / S o m m a i r eAJP/PJA 3/2017

Toujours à jour

■ Rechtsetzung / Législation 422

■ Literatur / Bibliographie 428

Buchbesprechungen / Recensions

■ Der Unternehmensjurist, Ein Handbuch für die Praxis Arnold F. Rusch

433

Zu guter Letzt / En fin de compte

■ Zombies und andere Fabelwesen vor dem Richter Damian K. Graf

434

Mitteilungen / Communications

Autorenverzeichnis / Adresses des auteurs 436

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287

Turbulenzen zwischen Brüsse l und Lugano

AJP/PJA 3/2017

Turbulenzen zwischen Brüssel und LuganoSchweizerische Insolvenz und ausländischer Zivilprozess in der Praxis des Bundesgerichts

Wie verhalten sich schweizerische Insolvenzen und ausländische For-derungsprozesse gegen den Gemeinschuldner zueinander? Im Zusam-menhang mit der «Swissair»-Insolvenz hat sich das Bundesgericht vier Mal dazu geäussert. Es postuliert dabei einen umfassenden Vorrang des Insolvenzrechts gegenüber dem Internationalen Zivilprozessrecht, insbesondere dem LugÜ. Für den Kläger im Ausland, der sich auf das LugÜ verlassen hat, ergeben sich bedeutende Unsicherheiten. Koordi-nation des Internationalen Insolvenzrechts auf multilateraler Ebene ist gefragt. Bereits die laufende Revision des 11. Kapitels des IPRG könn-te Verbesserung bringen, indem die Relevanz ausländischer Verfahren und Urteile für die hiesige Insolvenz klar geregelt wird.

Inhaltsverzeichnis

I. ÜberblickII. Rechtshängigkeitsfragen (BGE 133 III 386, 135 III 127)III. Anerkennungsfragen

A. Insolvenznähe bei Absicht der Vollstreckung (BGE 140 III 320)?1. Das international-insolvenzrechtliche Paradoxon2. Insolvenznähe durch insolvenzrechtliche Einbindung und

KoordinationB. Insolvenznähe kraft fehlender Rechtshängigkeit und

landesrechtlicher vis attractiva (BGE 141 III 382)?1. Entfernung von der «Insolvenznähe»?2. Folgt aus Rechtshängigkeit Anerkennung?3. Vis attractiva und Europäisches Insolvenzrecht4. Zusammenspiel zwischen Internationalem Zivilprozess-

recht und Internationalem Insolvenzrecht5. Insolvenznähe ist Einbindung ins Internationale

InsolvenzrechtC. Tragweite des LugÜ-Anerkennungsrechts

IV. FazitA. Rechtshängigkeit koordinierter Auslandverfahren

im Ansatz gelöstB. Nichtanerkennung von LugÜ- Entscheidungen problematischC. Konsequenzen einer «LugÜ-treuen» Auslegung D. Der dritte Weg

I. Überblick

Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit dem «SAir»-Insolvenzverfahren eine Reihe von Entscheidun-gen gefällt. Sie beschäftigen sich mit einer Materie im Grenzbereich zwischen dem Internationalen Zivilpro-zessrecht und dem Internationalen Insolvenzrecht, die bisher nur wenig schweizerische Rechtsprechung her-vorgebracht hat. Besondere Aktualität erhält diese Recht-sprechung im Zusammenhang mit der laufenden Revision des Internationalen Insolvenzrechts der Schweiz.1

Die prozessualen Spielfelder befinden sich in Belgien und in der Schweiz.2 Einerseits geht es erstens um belgi­sche Forderungsklagen von Sabena-Aktionären (u.a. der Staat Belgien) sowie zweitens der insolventen Sabena SA gegen die SAirLines AG und die SAir Group AG, die sich in Nachlassliquidation befinden. Aus diesen Klageverfah-ren sind im Jahr 2011 zwei rechtskräftige (Teil- bzw. Vor-)Entscheidungen hervorgegangen, in welchen den Klägern namhafte Forderungen zuerkannt werden. Dabei ist fest-

1 Internet: https://www.ejpd.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/20 15/2015-10-140/vorentw-d.pdf (Abruf 8.2.2017). Dazu RodRigo RodRiguez, Zuständigkeiten im Internationalen Insolvenzrecht, Bern 2016 (zit. RodRiguez, Insolvenzrecht), 345 ff.; AlexAndeR R. MARkus, Revision des 11. Kapitels IPRG: Ausländische Zivilpro-zesse und Schweizer Insolvenz, in: Florence Guillaume/Ilaria Pre-telli (Hrsg.), Les nouveautés en matière de faillite transfrontalière et Les banques et les assurances face aux tiers, Zürich 2016 (zit. MARkus, Revision), 23 ff.

2 Dazu RodRiguez, Insolvenzrecht (FN 1), 281 ff.; eine Darstellung der Prozessgeschichten mit einer kurzen Kommentierung findet sich auch in JolAntA kRen kostkiewicz/AlexAndeR R. MARkus, Internationales Zivilprozessrecht, njus 2015, Bern 2016, 18 ff.

Comment la faillite suisse et les procédures étrangères contre le failli s’articulent-elles ? Le Tribunal fédéral s’est exprimé à quatre reprises sur cette question dans le cadre de la faillite « Swissair ». Il postule à cet égard que le droit de la faillite prime de manière générale le droit international de la procédure civile, en particulier la convention de Lugano (CL). Pour le demandeur à l’étranger qui s’est fié à la CL, il en découle des incertitudes significatives. Une coordination du droit inter-national de la faillite au niveau multilatéral est dès lors nécessaire. La révision en cours du chapitre 11 de la LDIP pourrait déjà apporter des améliorations en réglant clairement la place des procédures et déci-sions étrangères dans les faillites suisses.

AlexAnder r. MArkus*

* AlexAndeR R. MARkus, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Ordinarius an der Universität Bern.

Der vorliegende Text stützt sich teilweise auf folgende Publikati-on: AlexAndeR R. MARkus, Revision des 11. Kapitels IPRG: Aus-ländische Zivilprozesse und Schweizer Insolvenz, in: Florence Guillaume/Ilaria Pretelli (Hrsg.), Les nouveautés en matière de faillite transfrontalière et Les banques et les assurances face aux tiers, Zürich 2016, 23 ff.

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Der Trust im Lugano-Übere inkommen

AJP/PJA 3/2017

Der Trust im Lugano-Übereinkommen

Der vorliegende Beitrag beleuchtet aus dem Blickwinkel des trust-rechtlichen Kapitels des IPRG die für Trustsachen geltende Regelung im LugÜ. Diese verdrängt das entsprechende Regime im IPRG über weite Strecken. Behandelt werden unter anderem die folgenden Fra-gen: Welches ist der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Son-derbestimmungen von Art. 5 Nr. 6 LugÜ und Art. 23 Nr. 4 f. LugÜ? Welches sind die formellen und inhaltlichen Erfordernisse an die Ge-richtsstandswahl gemäss Art. 23 Nr. 4 LugÜ? Wie gestaltet sich das Zusammenspiel von Art. 5 Nr. 6 LugÜ mit den übrigen Bestimmungen dieses Artikels?

Inhaltsübersicht

I. EinleitungII. Einige Vorbemerkungen zum TrustIII. Die Zuständigkeiten gemäss nationalem IZPRIV. Die Regelung im Lugano- Übereinkommen

A. Sachlicher Geltungsbereich1. Vom Sonderregime erfasste Trusts2. Vom Sonderregime erfasste Streitigkeiten3. Der Ausschluss erbrechtlicher Streitigkeiten

nach Art. 1 Abs. 2 lit. a LugÜ 4. Andere nach Art. 1 Abs. 2 LugÜ ausgenommene

Streitigkeiten5. Nach Art. 8, 15 und 22 LugÜ ausgenommene

StreitigkeitenB. Möglichkeit einer Gerichtsstandswahl

1. Formelle Anforderungen2. Inhaltliche Aspekte3. Verhältnis zu Art. 149b IPRG

C. Objektive Gerichtsstände 1. Art. 2 Abs. 1 LugÜ2. Art. 5 Nr. 6 LugÜ3. Art. 5 Nr. 5 LugÜ4. Art. 5 Nr. 1 LugÜ5. Art. 5 Nr. 3 LugÜ

I. Einleitung

Seit dem 1. Juli 2007 gilt in der Schweiz des Haager Trust-Übereinkommen (HTÜ)1. Der Bundesgesetzgeber hatte die Ratifikation dieses Übereinkommens zum Anlass ge-

* tHoMAs M. MAyeR, Dr. iur., Rechtsanwalt, wissenschaftlicher Mit-arbeiter im Bundesamt für Justiz.

Der Autor gibt vorliegend ausschliesslich seine persönliche Mei-nung wieder.

1 Haager Übereinkommen vom 1. Juli 1985 über das auf Trusts anzu-wendende Recht und über ihre Anerkennung (SR 0.221.371).

nommen, dem Bundesgesetz über das Internationale Pri-vatrecht (IPRG) ein neues Kapitel über Trusts hinzuzufü-gen (Kapitel 9a, Art. 149a–149e IPRG). Darin wird nebst dem auf Trusts anwendbaren Recht die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte für Trustangelegenheiten sowie die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im näm-lichen Bereich geregelt.

Die beiden IZPR-Bestimmungen Art. 149b und 149e IPRG stehen allerdings unter dem Vorbehalt des Luga-no-Übereinkommens (LugÜ), welches als Staatsvertrag vorgeht (Art. 1 Abs. 2 IPRG) und in seinen Art. 5 Nr. 6, Art. 23 Abs. 4 f. und Art. 60 Abs. 3 LugÜ ebenfalls Spe-zialbestimmungen für Trustkonstellationen enthält. Das betreffende Regime deckt sich in den groben Zügen mit den einschlägigen Bestimmungen des IPRG-Kapitels 9a; doch gibt es bei etlichen Einzelfragen Abweichungen. Die Regelung des LugÜ gelangt überall dort zur Anwendung, wo der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Übereinkom-mensstaat hat. Nach der vom Bundesgericht2 übernomme-nen Owusu-Praxis des EuGH3 gilt dies uneingeschränkt auch bei einem Wohnsitz in der Schweiz. Art. 149b IPRG wird dadurch über weite Strecken obsolet.4 Für die An-wendbarkeit von Art. 23 Abs. 4 LugÜ (betreffend Ge-richtsstandswahl) genügt es gar, wenn der Kläger seinen Wohnsitz in einem Übereinkommensstaat hat. Allerdings wird hier zusätzlich die Wahl eines Gerichts oder der Ge-

2 BGE 135 III 185 E. 3.3.3 EuGH, C 281/02, 1.3.2005, Owusu, Slg. 2005 I-1383.4 Vgl. BSK IPRG-vogt/PAnnAtieR kessleR, in: Heinrich Honsell/

Nedim Peter Vogt, Anton K. Schnyder, Stephen V. Berti (Hrsg.), Internationales Privatrecht, Basler Kommentar, 3. A., Basel 2013 (zit. BSK IPRG-Autor), Art. 149b N 5.

La présente contribution expose les dispositions en vigueur de la convention de Lugano (CL) concernant les trusts sous l’angle du cha-pitre y relatif de la LDIP. La CL supplante largement le régime corres-pondant de la LDIP. On abordera notamment les questions suivantes : Quel est le champ d’application à raison de la matière et du lieu des dispositions particulières des art. 5 ch. 6 CL et 23 ch. 4 s. CL ? Quelles sont les exigences formelles et matérielles de l’élection de for selon l’art. 23 ch. 4 CL ? Comment l’art. 5 ch. 6 CL s’articule-t-il avec les autres dispositions du même article ?

ThoMAs M. MAyer*

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G a b r i e l a R i e m e r - K a f k a

AJP/PJA 3/2017

Einseitige Arbeitszeitveränderungen durch den Arbeitgeber

Absatzschwierigkeiten veranlassen Unternehmer, das wirtschaftliche Risiko zu minimieren und auch auf die Arbeitnehmer abzuwälzen. Eine mögliche Massnahme besteht in der Anordnung verkürzter oder ver-längerter Arbeitszeiten, jeweils mit den entsprechenden Konsequenzen auf den Lohn. Können solche Arbeitszeitveränderungen durch das ein-seitige Weisungsrecht des Arbeitgebers oder konsensual durch eine Ver-tragsänderung rechtmässig vorgenommen werden? Der Arbeitgeber muss je nach den Umständen auch die Bestimmungen über die Mas-senentlassung und die missbräuchliche Kündigung beachten, soweit diese nicht unter Wahrung der Kündigungsfrist durch Änderungsver-trag sondern durch Änderungskündigung erfolgen. Der Arbeitnehmer hat zu berücksichtigen, dass eine schuldhafte Ablehnung zumutbarer Arbeitszeitanpassungen im Interesse der Erhaltung des Arbeitsplatzes zu arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sanktionen führen kann.

Inhaltsübersicht

I. EinleitungII. Einseitige Arbeitszeitänderungen durch Ausübung des

Weisungsrechts des Arbeitgebers?A. Rechtsnatur des WeisungsrechtsB. Schranken des Weisungsrechts

1. Im Allgemeinen2. In Bezug auf Arbeitszeiten

C. Weisungsrecht und Treuepflicht1. Einseitige Arbeitszeitverkürzung2. Anordnung von Überstunden3. Weisungsrecht und Antrag zur Vertrags änderung

III. Veränderung in den Arbeitszeiten durch VertragsanpassungA. KurzarbeitB. Vertragsänderung

1. Durch übereinstimmende Willenserklärung 2. Vertragsklauseln mit Recht auf einseitige

VertragsänderungC. Änderungskündigung

1. Arten von Änderungskündigungen2. Missbräuchlichkeit der Änderungs kündigung3. Massenänderungskündigung

IV. Fazit

I. Einleitung

In wirtschaftlichen Krisenzeiten suchen Arbeitgeber Möglichkeiten, um die Rentabilität und Kosteneffizienz des Betriebs zu erhalten. Nebst verschiedenen Formen

von betrieblichen Prozess- und Strukturanpassungen, technologischen Rationalisierungsmassnahmen, Kurz-arbeit, Personalabbau oder Lohnkürzungen setzen sie auch Arbeitszeitverkürzungen oder -verlängerungen als «Heilmittel» ein. Anlass zu Anpassungen der Arbeitsbe-dingungen, insbesondere der Arbeitszeiten, können aber auch persönliche Veränderungen bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern sein, so z.B. gesundheitliche Probleme und dauerhafte Leistungsverminderung, der Wunsch nach Weiterbildung, mehr Freizeit oder derjenige zur besseren Koordination von Familie und Beruf. Dieser Artikel geht der Frage nach, welche arbeitsvertraglichen Möglichkei-ten für Arbeitszeitveränderungen zur Verfügung stehen und ob diese auch einseitig erfolgen können.

II. Einseitige Arbeitszeitänderungen durch Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers?

A. Rechtsnatur des Weisungsrechts

Das Weisungsrecht resultiert aus dem typischen Unter­ordnungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeit-nehmer und umfasst das Recht, über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb all-gemeine Anordnungen zu erlassen und ihnen besondere Weisungen zu erteilen (Art. 321d OR). Im Gegensatz zum Antrag auf Änderung des Arbeitsvertragsinhalts, der auf der Ebene gleichgestellter Vertragspartner ausgehandelt

Les difficultés d’écoulement incitent les entrepreneurs à réduire le risque économique et à le répercuter sur les employés. Une des mesures possibles consiste à réduire ou augmenter le temps de travail, avec les répercussions correspondantes sur le salaire. Peut-on procéder à de telles modifications via le droit unilatéral de donner des instructions ou par un amendement au contrat ? Selon les circonstances, l’employeur doit également du respect aux dispositions sur le licenciement collectif et le licenciement abusif dans la mesure où il ne procède pas à un amendement respectant le délai de préavis mais à un congé-modifi-cation. L’employé doit pour sa part tenir compte du fait qu’un refus fautif d’adaptations raisonnables du temps de travail dans l’intérêt de conserver un emploi peut donner lieu à des sanctions selon le droit de l’assurance-chômage.

GAbrielA rieMer-kAfkA*

* gAbRielA RieMeR-kAFkA, Prof. Dr. iur., Universität Luzern.

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Vermögensanlage von Vorsorgee inr ichtungen

AJP/PJA 3/2017

Vermögensanlage von VorsorgeeinrichtungenZur Zulässigkeit kommunaler und kantonaler Restriktionen bei der Vermögensanlagen

Die Vermögensanlage von Vorsorgeeinrichtungen ist zentral. Sie wird durch Bestimmungen des Bundesrechts gesteuert. Daneben haben die Anlagereglemente der Vorsorgeeinrichtungen grosse Bedeutung. Der Beitrag thematisiert die Frage, ob Gemeinden oder Kantone den Vor-sorgeeinrichtungen vorschreiben dürfen, dass das Vermögen nicht in Unternehmen angelegt wird, welche Kriegsmaterial herstellen. Lässt das Bundesrecht solche Regelungen zu? Gehört die Vermögensanlage zu den unentziehbaren Aufgaben des obersten Organs der Vorsorge-einrichtung?

Inhaltsübersicht

I. Gegenstand des BeitragsII. Mögliche kantonale bzw. kommunale Regelungen mit Blick auf

die bundesrechtliche Zielsetzung bei der VermögensanlageA. Ausgangslage

1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes2. Derogatorische Kraft der Bundesrechts und

Normenkonkurrenz3. Abschliessende bundesrechtliche Regelung bei den

Vermögensanlagen?B. Zweck der bundesrechtlichen AnlagevorschriftenC. Zielrichtung der allfälligen kantonal- bzw. kommunal-

rechtlichen Vermögensanlagebeschränkung im Bereich des Rüstungssektors

D. Zwischenfazit: Normenkumulation von Bundesrecht und kantonalem bzw. kommunalem Recht

III. Organisation der VorsorgeeinrichtungA. Gesetzliche BestimmungenB. Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen

1. Zusammengefasster Inhalt der gesetzlichen Bestimmung2. Botschaft des Bundesrats3. Zwischenergebnis

C. Einreihung der Fragestellung1. Bedeutung von Art. 51a Abs. 6 BVG2. Regelung der Vermögensanlage als Regelung im Bereich

der «Finanzierung»?IV. Zusammenfassung

I. Gegenstand des Beitrags

Die Vermögensanlage von Vorsorgeeinrichtungen wird häufig thematisiert und hat eine eminente praktische Be-deutung. Die bei der Vermögensanlage zu beachtenden Vorschriften ergeben sich aus dem Bundesrecht, den An-

lagereglementen der Vorsorgeeinrichtungen und – allen-falls – aus kantonalen und kommunalen Regelungen. Der Beitrag thematisiert die Frage, ob Bestimmungen von öf-fentlich-rechtlichen Körperschaften (Gemeinden, Städte etc.) zulässig sind, welche (beispielsweise) vorsehen, dass ihre Vorsorgeeinrichtungen das Vermögen nicht in Unter-nehmen anlegen, die Kriegsmaterial herstellen.

II. Mögliche kantonale bzw. kommunale Regelungen mit Blick auf die bundesrechtliche Zielsetzung bei der Vermögensanlage

A. Ausgangslage

1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Nach Art. 111 und Art. 113 BV obliegt die gesetzliche Regelung der Berufsvorsorge dem Bund. Der Gesetzge-bungskompetenz folgend hat der Bund die diesbezügliche Hauptkodifikation, das BVG, erlassen.

Betreffend den vorliegend interessierenden Bereich der Vermögensanlage enthält Art. 71 BVG (mit Gül-tigkeit auch in der weitergehenden Vorsorge; Art. 49 Abs. 2 Ziff. 21 BVG) nur die Grundvorgabe, dass die Vermögensverwaltung in jener Art zu geschehen hat, dass Sicherheit und genügender Ertrag sowie Liquidität gewährleistet sind. Dabei regeln die zugehörigen Verord-nungsnormen in Art. 49 ff. BVV 2 die Einzelheiten. Die Führungsverantwortung für die Vermögensanlage wird dem obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung zugeordnet (Art. 51a Abs. 2 lit. m BVG; Art. 49a Abs. 1 BVV 2). We-

La question du placement de fortune des institutions de prévoyance occupe une place centrale. Elle est régie par des dispositions de droit fédéral. A côté de cela, les règlements de placement des institutions de prévoyance revêtent une grande importance. La contribution aborde la question de savoir si les communes ou les cantons peuvent inter-dire aux institutions de prévoyance d’effectuer des placements auprès d’entreprises fabriquant du matériel de guerre. Le droit fédéral auto-rise-t-il de telles réglementations ? Le placement de fortune relève-t-il des attributions inaliénables de l’organe suprême de l’institution de prévoyance ?

ueli kieser* kAspAr sAner**

* ueli kieseR, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Zürich.** kAsPAR sAneR, Dr. iur., Rechtsanwalt, Zürich.

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334

U r s S a x e r

AJP/PJA 3/2017

Die Online-Zuständigkeiten des BundesEine medienrechtliche Betrachtung

Die digitale Revolution führt zu einschneidenden, regelungsbedürfti-gen Veränderungen der Medienlandschaft. Hat der Bund die entspre-chenden Zuständigkeiten? Art. 93 Abs. 1 BV kann als Norm, welche zwar auch in die Zukunft weisen soll, den digitalen Wandel kompe-tenzmässig nicht abschliessend erfassen. Sie regelt primär Radio und Fernsehen und mutiert auch in Zeiten der Konvergenz nicht zu einer allgemeinen Bundeszuständigkeit im Medienbereich. Die Reichweite der Zuständigkeit für die anderen Verbreitungsformen beschränkt sich auf Beiträge, welche eine gewisse Gleichartigkeit zu Radio und Fern-sehen aufweisen. Die Bewältigung des digitalen Wandels der Medien bedarf daher einer neuen Verfassungsnorm.

Inhaltsübersicht

I. Ausgangslage und ProblemstellungA. Die digitale Revolution und die MedienB. Regulierungsdichotomie Rundfunk–Presse C. Das digitale Kompetenzproblem im Zeichen der Konvergenz

II. Bundeskompetenzen und ihre AuslegungA. Begründung von Bundeszuständig keiten und

InterpretationsmethodikB. Grundrechtsgarantien als Kompetenznormen?C. Interpretative Rechtsfortbildung versus demokratische

RechtsetzungIII. Allgemeine Online- bzw. Internet- Zuständigkeit des Bundes?IV. Die Online-Zuständigkeiten des Bundes im Medienbereich

A. VorbemerkungB. Historischer Regelungszweck von Art. 93 BVC. Art. 93 Abs. 1 BV als Grundlage einer Medien-Online-

Kompetenz? 1. Art. 93 BV als Regelungsgrundlage des Online-Rundfunks 2. Die «anderen Verbreitungsformen» in der Verfassung:

Art. 17 Abs. 1 BV und Art. 93 Abs. 1 BV3. Andere Verbreitungsformen: Kriterien gemäss

Art. 93 Abs. 1 BV4. Weitere Kriterien5. Bedeutung für einzelne mediale Online-Aktivitäten6. Bedeutung der anderen Verbreitungs formen

D. Reichweite der medialen Online- Bundeskompetenz1. Umfassende Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers?2. Keine Grundlage einer allgemeinen Medienpolitik3. Keine Geltung des Leistungsauftrags (Art. 93 Abs. 2 BV)4. Keine Geltung von Art. 93 Abs. 3–5 BV

V. Schlussbetrachtung

I. Ausgangslage und Problemstellung

A. Die digitale Revolution und die Medien

Die digitale Revolution pflügt die Medienlandschaft um, und ein Ende dieses Prozesses ist nicht absehbar: Digita-lisierung, Ökonomisierung und Internationalisierung sind die das Mediensystem prägenden Megatrends, welche das Bisherige in einer Weise auf den Kopf stellen, dass zuneh-mend kein Stein mehr auf dem anderen zu bleiben scheint.1 Dieser wichtigste und tiefgreifende Wandlungsprozess im Medienbereich seit dem Aufkommen des Rundfunks hat absehbare, vor allem aber unabsehbare Auswirkungen. Alles wird in Frage gestellt: Die bisherigen Medienkon-sumgewohnheiten, die althergebrachten Geschäftsmodel-le, die Zukunft traditioneller Medienakteure. Das Internet wandelt sich im Zeichen der Konvergenz und der Kon-sumgewohnheiten der jungen Generation von einer ande-ren Verbreitungsplattform für Medieninhalte zunehmend zur medialen Hauptinfrastruktur.2 Aufgrund der Konver-

1 Hierzu auch der Bericht des Bundesrates zur Überprüfung der De-finition und der Leistungen des Service public der SRG unter Be-rücksichtigung der privaten elektronischen Medien vom 17. Juni 2016 in Erfüllung des Postulates 14.3298 der Kommission für Ver-kehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF-S), 13; Botschaft vom 18. Dezember 2002 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen, BBl 2003 1569 (zit. Botsch. Totalre-vision RTVG), 1582 f.; Strategie «Digitale Schweiz», BBl 2016 3985 ff., 3986.

2 Strategie «Digitale Schweiz» (FN 1), 3994 f.; ähnlich PeteR Het-ticH, Regulierung von audiovisuellen Abrufdiensten (Video On De-mand) – Nur eine Frage des Nachvollzugs der neuen europäischen Richtlinie 2007/65/EG?, ZBl 2009, 349–386, 351. Anders noch

La révolution numérique engendre des modifications décisives du pay-sage médiatique qui font apparaître un besoin de réglementation. La Confédération possède-t-elle les compétences nécessaires ? En tant que norme censée donner le cap pour l’avenir, l’art. 93 al. 1 Cst. ne peut pas viser la transition vers le numérique de manière exhaustive. Il régit principalement la radio et la télévision et, même en ces temps de convergence, ne fonde pas de compétence fédérale générale dans le domaine des médias. L’étendue de la compétence pour les autres formes de diffusion se limite aux contenus présentant une certaine si-militude avec la radio et la télévision. Gérer la mutation numérique des médias nécessite dès lors une nouvelle norme constitutionnelle.

urs sAxer*

* uRs sAxeR, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt LL.M. (Columbia). Der Autor dankt MLaw gAbi wAldeck herzlich für ihre Hilfe bei der Ausarbeitung des vorliegenden Beitrags.

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351

Le recours au Tr ibuna l fédéra l en mat ière d ’é lect ions fédéra les

AJP/PJA 3/2017

Le recours au Tribunal fédéral en matière d’élections fédéralesDix ans de pratique : bilan et perspectives

Le Tribunal fédéral est compétent depuis dix ans pour statuer sur les re-cours en matière d’élections fédérales. La présente contribution expose les particularités procédurales de cette voie de recours et les illustre à l’aide d’exemples tirés de cette jeune jurisprudence. Elle aboutit au constat que les règles de procédure qui entourent le contentieux élec-toral ne sont pas suffisamment claires. Elle émet plusieurs propositions de lege ferenda et enjoint le législateur fédéral de clarifier notamment la question de la compétence du gouvernement cantonal saisi d’un grief de portée supracantonale, celle de la qualité pour recourir des partis politiques ainsi que la possibilité pour un électeur de déposer un recours hors de son canton de domicile politique.

Plan

I. IntroductionII. Les élections fédéralesIII. Les actes attaquables

A. Les décisions des gouvernements cantonauxB. Les actes non attaquablesC. La compétence du gouvernement cantonal comme première

instance 1. Ses limites2. La solution apportée par le Tribunal fédéral …3. … et ses conséquences inadéquates4. Propositions de lege ferenda

IV. Les motifs du recoursA. Le contentieux préélectoral

1. La notice explicative 2. Les listes électorales 3. Le système d’élection en lui-même

B. La constatation exacte du résultat1. Le tirage au sort en cas d’égalité des voix2. Le recomptage

C. Quelques modalités de procédureV. La qualité pour recourir

A. L’électeur fédéral1. La personne dépourvue du droit de vote2. La possibilité de recourir hors du canton

de domicile politique ?B. Le parti politique et la collectivité publiqueC. La Chancellerie fédérale et les départements fédérauxD. L’intérêt actuel

VI. Le délai de recours

VII. Le jugementA. L’effet suspensif et les mesures provisionnelles B. Le pouvoir d’examen et le pouvoir

de décision du Tribunal fédéralC. Les frais judiciaires

VIII. La validation de l’élection par le Conseil nationalIX. Conclusion

I. Introduction

En Suisse, le Tribunal fédéral est compétent depuis plus de cent ans pour traiter en dernière instance des recours por-tant sur les élections cantonales et communales1. Ce n’est en revanche que depuis janvier 2007 qu’il est possible de déposer des recours en matière d’élections fédérales auprès de la plus haute instance judiciaire suisse. Avant cette date, les citoyens disposaient de deux instances pour former un recours touchant les élections fédérales, la pre-mière devant le gouvernement cantonal (art. 77 al. 1 let. c LDP) et la seconde devant le Conseil national (art. 82 aLDP2)3. Les autorités politiques statuaient ainsi en pre-

1 L’art. 180 ch. 5 de la loi fédérale modifiant l’organisation judiciaire fédérale du 6 octobre 1911 (aOJ ; RO 1912, 46), entré en vigueur le 12 janvier 1912, a attribué la compétence au Tribunal fédéral pour « les recours concernant le droit de vote des citoyens et ceux ayant trait aux élections et aux votations cantonales ».

2 RO 1978, 688.3 Les recours au Conseil national étaient rares : entre 1982 et 2006,

le Conseil national a rendu quatre arrêts : arrêt du 1er décembre 2003, in : JAAC 68.64 (portant sur la candidature d’une personne transsexuelle sous un nom correspondant à son nouveau sexe alors que celui-ci n’avait pas encore pu être enregistré, ni dans le registre d’état civil, ni dans le registre des habitants, ni dans le registre des

Seit zehn Jahren besteht die Zuständigkeit des Bundesgerichts für die Beurteilung von Beschwerden zu eidgenössischen Wahlen. Dieser Bei-trag geht anhand von Beispielen aus der Rechtsprechung auf die pro-zeduralen Besonderheiten dieser Beschwerde ein. Wie sich zeigt, sind verschiedene Aspekte des Verfahrens nicht hinreichend klar geregelt. Hier macht die Autorin Klärungsvorschläge de lege ferenda. Sie fordert das Parlament auf, Folgendes zu klären: die Frage nach der Zustän-digkeit der Kantonsregierung, bei der eine Beschwerde von überkan-tonaler Bedeutung anhängig gemacht wird; die Frage der Beschwer-delegitimation politischer Parteien sowie die Möglichkeit der Wähler, ausserhalb des Wohnsitzkantons Beschwerde zu erheben.

bénédicTe TornAy schAller*

* bénédicte toRnAy scHAlleR, Dr en droit, Greffière au Tribunal fédéral (Ire Cour de droit public).

Le présent article engage son auteur à titre personnel et ne reflète pas la position de l’institution qui l’emploie ; il se fonde sur le tra-vail de fin d’études effectué par l’auteur dans le cadre du CAS en magistrature 2015/2016. L’auteur remercie ici son superviseur, M. le Prof. PAscAl MAHon.

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D a n i e l J o s i t s c h / M a r t i n a C o n t e

AJP/PJA 3/2017

Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber KindernMedikament mit Nebenwirkungen

Das Sexualstrafrecht betrifft einen Rechtsbereich, der aufgrund des grossen öffentlichen Interesses und des höchst sensiblen Inhaltes stark von politischen Prozessen betroffen ist. Insbesondere bezüglich des ho-hen Unrechtsgehalts von sexuellen Handlungen gegenüber Kindern ist der gesellschaftliche Konsens zudem beträchtlich. Um glaubwürdig zu sein, müssen Strafen in einem angemessenen Verhältnis zum Delikts-unwert stehen. Strafverschärfungen stellen jedoch keineswegs immer die Lösung für ein Problem dar. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wes-halb Mindeststrafen im Bereich der Sexualstraftaten an Kindern trotz-dem vertretbar sind.

Inhaltsübersicht

I. EinleitungII. Geltendes Sexualstrafrecht

A. Hintergründe und EntwicklungenB. Begriff der sexuellen HandlungC. Sexualstraftaten an Kindern

1. Art. 187 StGB – Sexuelle Handlungen mit Kindern2. Art. 189 StGB – Sexuelle Nötigung3. Art. 190 StGB – Vergewaltigung4. Art. 191 StGB – Schändung

D. Die Harmonisierung der StrafrahmenE. Zwischenfazit

III. Wer sind die Täter?A. BegriffsabgrenzungB. TätertypologienC. Zwischenfazit

IV. Die Einführung von MindeststrafenA. Festsetzung des StrafrahmensB. Zweckmässigkeit von Mindeststrafen

1. Abschreckende Wirkung der Strafe2. Zweckmässigkeit bezüglich des geschützten Rechtsgutes

C. Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen mit Kindern1. Schaffung zweier Kategorien2. Art. 187 StGB – Sexuelle Handlungen mit Kindern3. Art. 189 ff. StGB – Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung

und SchändungV. Würdigung

I. Einleitung

Sexuelle Handlungen gegenüber Kindern und Jugendli-chen können gemäss Art. 187 StGB relativ mild bestraft

werden. Zwar öffnet sich in Kombination mit anderen Sexualdelikten der obere Strafrahmen, jedoch reicht die Strafuntergrenze nach geltendem Recht, unabhängig vom Alter des Opfers, bis zur Geldstrafe. Dies, obwohl der Un-rechtsgehalt von sexuellen Übergriffen auf Kinder durch die Gesellschaft als enorm eingestuft wird und der Wert des durch Art. 187 StGB geschützten Rechtsguts somit als sehr hoch geschätzt werden muss. Der vorliegende Aufsatz setzt sich einerseits mit der besonderen Schutz-würdigkeit des Rechtsguts der ungestörten Entwicklung von Unmündigen sowie der bei sexuellen Übergriffen auf Kinder besonders ausgeprägten Täter-Opfer-Diskrepanz auseinander und zeigt andererseits auf, dass Mindeststra-fen – obschon umstritten – in solchen Konstellationen als gerechtfertigte Massnahme erscheinen.

II. Geltendes Sexualstrafrecht

A. Hintergründe und Entwicklungen

Die strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität sind seit 1992 in den Art. 187 ff. StGB geregelt. Die gel-tenden Bestimmungen ersetzten die von den sozialethi­schen Auffassungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts1 geprägte Fassung aus dem Jahre 1937. Entgegen dieser stark moralisch geprägten früheren Normierung, sollte se-xuelles Verhalten nach moderner Auffassung in Zukunft nur dann strafbar sein, wenn es einen anderen schädigt

1 BSK StGB II-MAieR, vor Art. 187 N 1, in: Marcel A. Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Strafrecht II, Art. 111–392 StGB, Basler Kommentar, 3. A., Basel 2013 (zit. BSK StGB II-Bearbeiter/in).

Le droit pénal en matière sexuelle touche un domaine du droit forte-ment concerné par les dynamiques politiques en raison de son inté-rêt public prépondérant et de la grande sensibilité de son contenu. Concernant les actes d’ordre sexuel avec des enfants, le consensus au sein de la société est particulièrement large étant donné leur haut degré d’illicéité. Les peines doivent être adéquatement liées à la gravité du délit pour être crédibles. Durcir les peines ne constitue toutefois pas toujours la solution à un problème. La présente contribution démontre en quoi il est tout de même possible d’envisager des peines plancher dans le domaine des infractions sexuelles envers des enfants.

dAniel JosiTsch* MArTinA conTe**

* dAniel JositscH, Dr. iur., Rechtsanwalt, Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich.

** MARtinA conte, MLaw, Assistentin und Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Daniel Jositsch, Universität Zürich.