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Aktuelle Erkenntnisse aus der Pflegeforschung zur Kontrakturprophylaxe
Tut sich etwas?
Gabriele Bartoszek(MscN), Stephan Nadolny (BA), Michael Laschober (BSc)
UNI – WH.DE/ Department für Pflegewissenschaft
UNI – WH.DE/
Department für Pflegewissenschaft
Kontrakturenprophylaxe: Die Relevanz ist unbestritten!
Die Bewegungsfähigkeit der Gelenke
sowie die allgemeine physiologische
Mobilität ist insbesondere im höheren
Alter ein entscheidendes Kriterium für
Selbstständigkeit und
autonomes Handeln! [Gnass, Bartoszek, Thiesemann & Meyer 2010]
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Funktions- und Bewegungseinschränkung von Gelenken durch - Verkürzung von Muskeln, Sehnen, Bändern und/oder - Schrumpfung der Gelenkkapsel und/oder - Verwachsung der Gelenkflächen
Merkmale einer Kontraktur
Reduktion der Gelenkbeweglichkeit! „Gefühl von Steifheit“
[Gnass et al. 2010]
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Kontrakturrisiko
Wer ist betroffen?
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Kontrakturrisiko: Altersdegenerative Veränderungen § Gelenke und Bandscheiben
Ab dem 30. Lebensjahr treten die ersten Verschleißerscheinungen auf. Grund: Zunehmende Dehydration & einseitige Belastung reduzieren
die Stoßdämpferfunktion des Knorpels Folge: Die Belastung der Gelenke führt zu Schmerzereignissen
§ Knochen, dynamischer Auf- und Abbau Ab dem 50. Lebensjahr wird mehr Knochenmasse ab als auf gebaut Grund: Wechseljahre, hormonelle Umstellung
(Östrogen- und Testosteronspiegel) Folge: Eine löchrige, poröse Knochenarchitektur bricht leicht.
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Kontrakturrisiko: Altersdegenerative Veränderungen § Es ist anzunehmen, dass verschiedene Alterskohorten
völlig verschiedene „Normalbewegungsumfänge“ in einzelnen Gelenken haben,
§ die wiederum von der Inzidenz und Prävalenz muskulärer und skeletaler Erkrankungen und dem Funktionsstatus abhängig sind und
§ im Alter von einer Abnahme der Gelenkbewegungsumfänge von bis zu 20 - 25% reichen. [Loeser 2009]
§ Hierbei sind gegenwärtig normale Alterungsvorgänge von krankheitsspezifischen Folgen nicht zu trennen. [Gnass et al. 2010 ]
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§ Liegepathologie Ursache: individuelle Anpassung an die Lage im Raum Folge: nach ca. 48 - 72 Stunden wird das Liegen dem
Sitzen/Stehen vorgezogen
§ Veränderungen an Knochen, Gelenken und Muskeln nach ca. 10 Tagen
Ursache: Das Kapselgewebe erschlafft Folge: Instabilität im Gelenk > Stand-/Gangunsicherheit
„wackelig auf den Beinen“ (Tabary 1972)
Kontrakturrisiko: Auswirkung von Mobilitätseinschränkung
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§ Veränderungen an Knochen, Gelenken und Muskeln nach ca. 30 Tagen Ursache: Fehlender Zug auf Sehnen
Fehlender Druck auf die Knochensubstanz
Folge: Die Belastbarkeit der Sehen nimmt um 20% ab (Tabary 1972) „das Bein rutscht Weg“, „mein Knie gibt nach“, Angst „zu fallen“ oder „umgestoßen zu werden“
Ursache: Adhäsion der Gelenkkapsel/des Knorpels
Folge: Knorpel baut sich ab (Mink et al. 2001) „Schmerzen im Stand, beim Gehen“
Kontrakturrisiko: Auswirkung von Mobilitätseinschränkung
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§ Veränderungen an Knochen, Gelenken und Muskeln nach ca. 60 Tagen
Ursache: massiver Knorpelabbau
Folge: Drucknekrose an den Gelenkflächen Entzündungen, Schmerzen in den Gelenken, Vermeidung von Aktivitäten im Stehen/Gehen zunehmende Ortsfixierung (Bewegungsradius reduziert)
Ursache: Abbau von Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen, Knorpel & Gelenkkapsel (biochemische/strukturelle Veränderungen)
Folge: Die elastischen Strukturen werden statischer „Kraft nimmt ab“, „Füße/Beine wollen nicht mehr“
Folge: Kontrakturen, zunehmende Versteifung & Verknöcherung der Gelenkstrukturen -> manifestierte Ortsfixierung (z.B. Rollstuhl)
Kontrakturrisiko: Auswirkung von Mobilitätseinschränkung
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Von der Risikobeschreibung zur Kontrakturerhebung
- nach welchen Vorgaben?
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Erfassung und Analyse der
aktuell verwendeten Assessmentinstrumente zum Kontrakturrisiko
in deutschen Altenpflegeeinrichtungen
Michael Laschober (BScN)
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Fragestellung
1. Mit welchen Erhebungs-/ Assessmentinstrumenten wird in Deutschland das Kontrakturrisiko von Bewohnern stationärer Altenpflegeeinrichtungen gegenwärtig erfasst?
2. Wie gut sind diese Erhebungs-/ Assessmentinstrumente wissenschaftlich fundiert?
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Datenerhebung
Datenerhebung
Telefonsurvey (NRW)
250 Einrichtungen n=250
Onlinesurvey (bundesweit)
3000 Einrichtungen n=147
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Genannte Verfahren/ Instrumente: Telefonsurvey (n=250)
7
6
22
12
15
21
20
27
51
69
0 10 20 30 40 50 60 70 80
AVG-‐Checkliste
C&S Risikoassessment
DAN Checkliste
Goniometer
GRIGO-‐Skala
RIP
Vivendi Checkliste
Eigenes Assessment
Klinische ExperMse
Kein Assessment
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Genannte Verfahren/ Instrumente: Onlinesurvey (n=147)
• ProfSys • Godo • HDS Bewegungsanalyse • Vega • RAI • SIC Pflegeassisstent • Senso 7 • Medifox • Swing • .............
• C&S • COPpro • Sinfonie • Dan • Standard • Klinische Einschätzung • Eigenes Assessment • Kein Assessment • Praxis Pflege
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Ergebnisse I Aufbau der Instrumente
• Personenbezogene Daten – Name, Geburtsdatum, Wohnbereich, Datum
• Risikofaktoren
• Gelenkbeweglichkeit der einzeln aufgeführten Gelenke
• Ursachen
• Abfrage: Besteht zur Zeit Kontrakturgefahr (Ja/ Nein)?
• Datum und Handzeichen des Mitarbeiters
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Ergebnisse II Schulungsbedarf ?
Schürzengriff ??
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Ergebnisse III Schulungsbedarf ?
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Ergebnisse IV Schulungsbedarf ?
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Ergebnisse V Wissenschaftliche Fundierung der Instrumente I
• Validität
• Reliabilität
• Objektivität
• Relevanz
• Klinische Wirksamkeit
• Praktikabilität und Akzeptanz
• Ökonometrische Bedeutung
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Ergebnisse VI Wissenschaftliche Fundierung der Instrumente II
• Validität
• Reliabilität
• Objektivität
• Relevanz
• Klinische Wirksamkeit
• Praktikabilität und Akzeptanz
• Ökonometrische Bedeutung
Praktikabilität und Akzeptanz: „Wir stellen jedoch aufgrund der hohen Nutzungs‐ und Prüfungsakzeptanz fest, dass bei sachgerechter Nutzung mit diesem Hilfsmittel eine systematische und initiale Erhebungshilfe an die Hand gegeben werden konnte.“
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Ergebnisse VII Wissenschaftliche Fundierung der Instrumente III
Es muss in Frage gestellt werden, ob die
gefundenen Assessmentinstrumente tatsächlich
in der Lage sind, zwischen solchen Bewohnern,
die kontrakturgefährdet sind und denen, die
nicht gefährdet sind, zu diskriminieren.
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Diskussion I • Limitation der Ergebnisse
⇒ geringe Rücklaufquote
• große Variationsbreite bei der Verwendung von Instrumenten/ Verfahren zur Kontraktur-risikoerfassung
• geringe wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Verfahren zur Risikoerfassung ⇒ pflegefachliche Einschätzung oder
Assessmentinstrument – Überlegenheit unklar
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Diskussion I
Also müssen die vorhandenen Assessmentinstrumente
wissenschaftlich genauer untersucht werden?!
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Diskussion II Die Bedingungen und Risikofaktoren einer Kontrakturentstehung sind bislang noch nicht vollständig geklärt. Müller et al. 2013; Offenbächer et al. 2013; Huhn 2011
Eine einheitliche Definition von Kontraktur existiert bislang nicht. Gnass et al. 2010; Huhn 2011; Scheffel und Hantikainen 2011
Bei prophylaktischen Maßnahmen steht der Nachweis eines Nutzens in vielen Fällen aus . Huhn 2011; Scheffel und Hantikainen 2011; Wingenfeld und Engels 2011
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Diskussion II
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Diskussion IV Was ist zu tun?
• Entwicklung von ⇒ Assessmentinstrumenten, die die Auswirkungen
von Gelenkkontrakturen auf die individuelle Funktionsfähigkeit und die Teilnahme am sozialen Leben berücksichtigen
⇒ Mobilitätsfördernden Konzepten
• Schulungen und Fortbildungen zum aktuellen Wissen um das Thema Kontraktur
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Diskussion IV
Was ist zu tun? • Publikation und Förderung von initiativen
Konzepten
⇒ Austausch und Diskussion innovativer Ideen
• konsequente Risikoerfassung ⇒ pflegefachliche Einschätzung ⇒ Checkliste mit
• physiologischen Bewegungsfähigkeiten • Risikofaktoren
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Und bei einem Kontrakturrisiko…
… müssen Prophylaxen folgen!
Aber welche?
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Vorweg zu klärende Fragestellung:
§ Ist die Gelenkskontraktur durch spezifische pflegerische Prophylaxe zu beeinflussen?
§ Ist die Wirkung & der Nutzen nachgewiesen?
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Entwurf des Expertenstandards Erhalt und Förderung der Mobilität in der Pflege Zentrales Ziel
… Ausgerichtet an einer evidenzbasierten und bedürfnisgerechten Pflege. [DNQP, S.14]
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[Huhn 2011]
Keine auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüften Maßnahmen
Schaden möglich: Beim passiven Durchbewegen der Gelenke können Kontrakturen entstehen, durch Überdehnung und ggf. die damit verbundenen Mikrotraumen
Ergebnisse. Es wurden 35 Bücher mit Beitrag zu Gelenkkontrakturen idenMfiziert. Davon enthalten 25 eine DefiniMon. Ursachen und Risikofaktoren sind in 32 Büchern angegeben, Assessments sind in 5 Büchern angeführt. Bei den passiven Prophylaxen stehen die Lagerung in physiologischer bzw. funkMonaler Mi\elstellung und das passive Durchbewegen im Vordergrund. TherapeuMsche und prophylakMsche Maßnahmen unterscheiden sich nicht. Keines der Bücher reflekMert die unsicheren wissenscha`lichen Ansichten des Themas.
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Expertenstandard zur Konktrakturprophylaxe?
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Expertenstandard zur Konktrakturprophylaxe?
§ Aus heutiger Sicht: Die pflegerischen Interventionen zur
Kontrakturprophylaxe sind dem Bereich der „Mobilisationsangebote“ zuzuordnen und bedürfen daher keines eigenständigen Expertenstandards.
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Forschung
Maßnahmen zur Prävention
der Gelenkkontraktur
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Instrumentenentwicklung Einschätzung zu Kontrakturen
Auswirkung von Gelenkkontrakturen auf - Funktionsfähigkeit und - soziale Teilhabe älterer Menschen in geriatrischen Settings (Teilprojekt 1 - UWH)
Health professionals‘perspectiveExpert survey
C linical perspectiveCross-‐sectional study
Researchers‘ perspective
Systematic literature review
Patients‘ perspectiveIndividual interviewsFocus groups
Consensusconference
ÈIC F Core Set
Modelling functioning based on the ICF Core S ets
Development of specific measures of functioning based on the ICF Core Sets and models of functioning
Health professionals‘perspectiveExpert survey
C linical perspectiveCross-‐sectional study
Researchers‘ perspective
Systematic literature review
Patients‘ perspectiveIndividual interviewsFocus groups
Consensusconference
ÈIC F Core Set
Modelling functioning based on the ICF Core S ets
Development of specific measures of functioning based on the ICF Core Sets and models of functioning
Auswirkung von Gelenkkontrakturen Studienverlauf
Sicht der Praktiker
Sicht der Betroffenen
Klinische Erhebung - Prävalenz
Stand der Forschung
Einshätzungs- ínstrument - Kontraktur -
JointConFuncMonSet (2012-‐2015) Auswirkung von Gelenkkontrakturen auf FunkMonsfähigkeit und soziale Teilhabe älterer Menschen in geriatrischen Sefngs
JointCon-‐Improve (2014-‐2016) Improving quality of life and parMcipaMon of persons with joint contractures in nursing homes: Development and piloMng of a mulMfactorial intervenMon
KooperaMon: LMU, UWH, MLU
Der Blick zurück!
Anpassung der Transparenzkriterien
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Autonomie und Würde erhalten!
…
• Alle Übungen werden so gewählt, dass sie die Kräfte und Fähigkeiten der Bewohner nicht überfordern.
• Bei der Wahl der Lagerungen berücksichtigen wir stets die Vorlieben des Bewohners. Wenn dieser eine bestimmte Körperhaltung nicht wünscht, so verzichten wir auf diese.
• Gelenke werden niemals bewegt, wenn ein starker Widerstand spürbar ist oder der Bewohner starke Schmerzen hat. Auch auf ruckartige Bewegungen wird verzichtet.
• Wir versuchen stets, Maßnahmen zur Kontrakturenprophylaxe in andere Pflegemaßnahmen zu integrieren.
• Mitunter können die Anforderungen an eine Kontrakturenprophylaxe der [anderen Prophylaxen, wie der] Dekubitusprophylaxe zuwiderlaufen. In diesem Fall werden Vor- und Nachteile genau gegeneinander abgewogen.
[Auszug: http://www.pqsg.de/seiten/openpqsg/hintergrund-standard-kontrakturen.htm]
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Department für Pflegewissenschaft
©Universität Witten/Herdecke gGmbH, Department für Pflegewissenschaft
Neuer Bachelor: Innovative Pflegepraxis
Neuer Master: Versorgung von Menschen mit Demenz
www.uni-wh.de/pflege