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Aktuelle Finanzprobleme eines Schwellenlandes Review by: Fritz Neumark FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 42, H. 2 (1984), pp. 367-375 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911950 . Accessed: 18/06/2014 07:10 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.76.48 on Wed, 18 Jun 2014 07:10:19 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Aktuelle Finanzprobleme eines Schwellenlandes

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Aktuelle Finanzprobleme eines SchwellenlandesReview by: Fritz NeumarkFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 42, H. 2 (1984), pp. 367-375Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911950 .

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Aktuelle Finanzprobleme eines Schwellenlandes

von

Fritz Neumark

I.

Die Rechtfertigung, das vorliegende Buch* einer verhältnismäßig ausführ- lichen Besprechung zu unterziehen, liegt darin, daß es eine der gründlichsten Untersuchungen darstellt, die bisher in deutscher Sprache den Finanzproble- men der Türkischen Republik gewidmet worden sind, daß es ferner von einer vorbildlichen Gründlichkeit ist, die auf einem sorgfaltigen Studium deutsch- und englischsprachiger sowie türkischer Materialien und Publikationen be- ruht, und daß es schließlich ungeachtet mancher Besonderheiten des türkischen Finanzwesens sich eingehend-kritisch mit Fragen befaßt, die in gleicher oder doch ähnlicher Weise in zahlreichen Entwicklungsländern der Bewältigung harren. Für die Fragen werden Lösungen vorgeschlagen, die zugleich rational und realitätsnahe sind und von denen nicht wenige mit Erfolg auch für andere LDCs in Betracht gezogen werden könnten.

Dank der Zusammensetzung des Verfasser-Teams wurden nicht nur die - erstaunlich umfassende, wenn auch im einzelnen nicht immer ein gleich hohes Niveau aufweisende - türkische Literatur, sondern auch die ausländische so gut wie vollständig genutzt, und dabei wurden naturgemäß auch die Unter- suchungen internationaler Gremien, wie des Internationalen Währungsfonds, der OECD und viele amtliche (türkische) erste Quellen verwertet (also nicht nur zitiert). Angesichts der außerordentlich großen Bedeutung, die die Türkei in ökonomischer wie politischer Beziehung für den Westen und nicht zuletzt für die Bundesrepublik Deutschland besitzt, ist es sehr begrüßenswert, daß wir nun eine Untersuchung über das Finanzwesen des Landes besitzen, wie sie in ähnlicher Vollkommenheit m.W. im wesentlichen nur in den bekannten „Reports" eines Carl S. Shoup und Richard A. Musgrave etwa für mittel- amerikanische Länder vorliegen. Die Verfasser des vorliegenden Türkei- Buches: Suphan Andic, eine amerikanische Professorin türkischer Herkunft und neben allgemein theoretischen (überwiegend zugleich empirisch fundier-

* Lutz Fischer, Suphan Andic und Manfred Burkhert: Finanzsysteme und Finanzverwaltung der Türkei. Forschungsberichte des Bundesministeriums für wirt- schaftliche Zusammenarbeit, Bd. 45. Weltforum Verlag. München - Köln - London 1983. 415 Seiten.

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ten) Arbeiten zu wirtschafts- und finanzwissenschaftlichen Problemen durch ihre Untersuchungen der Verhältnisse in weniger beachteten „less developed countries" wohlbekannt, einerseits, der in Deutschland zu den führenden Ver- tretern der betriebwirtschaftlichen Steuerlehre zählende und namentlich wegen seiner Arbeiten über internationale Steuerrechtsprobleme geschätzte Lutz Fischer, der in den vorwiegend von ihm bearbeitenen Abschnitten des hier zur Erörterung stehenden Buches von seinem Assistenten Manfred Burkert wirksam unterstützt wurde, andererseits, bildeten offensichtlich ein geradezu ideales „ Autorenduo4'.

Obwohl das Ganze Resultat von „teamwork" ist, läßt sich doch mit einiger Genauigkeit feststellen, was der Ökonomin, was dem Steuerbetriebswissen- schaftler (primär) zuzurechnen ist. So dürften die Abschnitte 2 und 3 (Ab- schnitt 1 besteht aus einer kurzen Zusammenfassung) Suphan Andic (S. 9-78: „Das Steuersystem der Türkei", S. 79-185: „Die Analyse des Steuersystems"), der umfangreiche 4. Abschnitt: „Die türkische Finanzverwaltung - Bestands- aufnahme und Analyse" (S. 187-407) L. Fischer zu verdanken sein.

II.

Das türkische Steuersystem hat gewiß mancherlei Ähnlichkeiten mit dem anderer wenig entwickelter Länder, doch zeigt sich der „Schwellenlandcharak- ter" der türkischen Volkswirtschaft besonders darin, daß die direkten Steuern, vor allem die Einkommensteuer, einen Platz einnehmen, wie er ähnlich sonst nur in entwickelten Ländern zu beobachten ist. Machte die Einkommensbe- steuerung (einschl. Körperschaftsteuer und einkommensteuerähnlicher klei- nerer Abgaben) anfangs der 70er Jahre noch wenig mehr als 1/3 der Staats- steuereinnahmen aus, so 1981 bereits reichlich 2/3. Bezogen auf das Brutto- sozialprodukt, stieg ihre relative Bedeutung im gleichen Zeitraum von 6,3% auf 14,2%. Es ist daher kaum verwunderlich, daß die Steigerung der gesamten Steuereinnahmen von 1 6,4 % auf 2 1 ,5 % des BSP entscheidend von der überpro- portionalen Erhöhung der Einnahmen aus der Einkommensbesteuerung her- rührte. Rechnet man, wie es u.a. in der vorliegenden Publikation geschieht, zu den „direkten" Steuern auch die sogenannten Vermögensteuern (hier: Grundsteuer, Kfz-Steuer sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer) hinzu, so ändert sich an dem Bilde wenig, da die genannten drei Steuern auch gegenwär- tig mit 0,4% des BSP fiskalisch nahezu belanglos sind, ganz abgesehen davon, daß die Kfz-Steuer nur mit großen Vorbehalten eine Vermögensteuer genannt werden kann, ebenso wie übrigens das (unvollkommene) Ertragsteuersystem, das durch die erste große Steuerreform der Republik 1924 geschaffen wurde, m.E. nicht als „Einkommensbesteuerung" zu qualifizieren ist (wie das jedoch S.9 geschieht). In Parenthese: Die reale, außerordentlich problematische Ver- mögensabgabe - die „varlik vergisi" -, die während des letzten Krieges er-

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hoben wurde, sollte nicht einfach als „Vermögensteuer mit bedeutendem Auf- kommen" ohne nähere Kennzeichnung charakterisiert werden.

Scheint es so, als sei das türkische Steuersystem mit seinem überraschend hohen Anteil der Einkommensteuer, wie sie 1950 in Kraft trat, sehr „modern" und „gerecht", so wird man seitens der gründlichen Analyse auf S. 13 ff. des Buches eines Besseren (oder Schlechteren) belehrt. Schon vor dem Wirksam- werden der progressiv ansteigenden Inflation der 70er und 80er Jahre war die Einkommensteuer durch eine Tarifübersteigerung und eine für alle nicht dem Quellenabzug unterliegenden Einkünfte unzulängliche Kontrolle gekenn- zeichnet, die sie in wachsendem Maße zu einer Lohn- und Gehaltsteuer machte. Das ist zwar tendenziell auch in den meisten entwickelten Ländern seit einiger Zeit der Fall, doch sind die diesbezüglichen Verhältnisse, wie von den Verfassern im einzelnen belegt wird, in der Türkei weit schlimmer. Jeden- falls wurde nur in völlig unzulänglicher Weise den Auswirkungen der Inflation auf die effektive Einkommensteuerbelastung Rechnung getragen, und die Folge war jene ständige Verschlechterung der Steuerlastverteilung, die in der vorliegenden Arbeit eingehend geschildert wird. Unabhängig davon aber ist durch die mehrfache Steigerung der Steuersätze dem zuwidergehandelt wor- den, was den Schöpfern der Einkommensteuer von 1950 vorschwebte. Die mit der Ausarbeitung des damaligen Gesetzentwurfs betraute dreiköpfige Kommission (der auch ich angehörte) wollte keinesfalls einen Spitzensatz von mehr als 40%, während man später nach und nach diesen Satz auf mehr als 66% erhöhte und auch den Eingangssatz des Tarifs stark heraufsetzte, was bei den real geradezu lächerlich niedrigen steuerlichen Existenzminima zu einer sozial und politisch unhaltbaren Überbelastung der Ärmsten führte. Kein Wunder, daß von einer solchen Besteuerung stärkste Anreize zum Arbei- ten in der „underground economy", zu Kapitalflucht sowie allgemein zu Steuerhinterziehung ausgingen. Die jüngsten Tarifsenkungen haben daran etwas, aber viel zu wenig geändert.

Die Kehrseite der herausragenden Bedeutungssteigerung der direkten Steuern war naturgemäß das Sinken der Quote indirekter Abgaben an den Gesamtsteuereinnahmen: Sie verringerte sich in den 70er Jahren auf die Hälfte, nämlich von 25,6% auf 12,7%, und der Anteil von Importsteuern und Zöllen kaum weniger. Zu den relativ ertragreichsten dieser Abgaben gehört die soge- nannte Produktionsteuer, die jedoch weit davon entfernt ist, einer der Wirkung nach allgemeinen Verbrauchsteuer wie der Mehrwertsteuer gleichzukommen. Daß im türkischen Steuersystem immer noch Überreste des alten (und veralte- ten) romanischen Steuerwesens vorhanden sind, ergibt sich aus dem Fortbe- stand der Stempelsteuern, die bemerkenswerterweise noch etwa 2/3 des Auf- kommens der Produktionsteuer erbringen.

Einer der wichtigsten Abschnitte der steuertheoretischen Untersuchungen ist den Wirkungen der Inflation auf Höhe und Zusammensetzung sowie Allo- kationswirkungen des Steueraufkommens gewidmet (vgl. insbesondere S. 117ff.). Weil die Inflation in der jüngeren Vergangenheit in der Türkei ein

24 Finanzarchiv N. F. 42 H. 2

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Maß erreichte, das weit über dem in den meisten westeuropäischen Ländern lag, und Gegenmaßnahmen - zumindest bis 1980 - nur höchst unzulänglich waren, zeigt sich besonders klar, welch gewaltigen Ungerechtigheiten sich in ihrem Gefolge ergaben. Die Verfasser schildern in aller Deutlichkeit (siehe namentlich S. 108 ff.) die „Gerechtigkeitsimplikationen des türkischen Steuer- systems". Hier werden drastisch (mit Einzelbegründungen) die verheerenden verteilungspolitischen Effekte aufgezeigt, die der Inflationsprozeß zur Folge hatte. Die diesbezüglichen Ausführungen können mit Nutzen auch im Hinblick auf die Verhältnisse in vielen entwickelten Ländern gelesen werden. Daß die jüngsten Reformmaßnahmen von 1981 immer noch unzulänglich sind, wird etwa S. 147 ff. nachdrücklich hervorgehoben. Ebenso ist zu erwähnen, daß die Entwicklung der türkischen Einkommensbesteuerung auch deshalb fiska- lisch unbefriedigende Ergebnisse gehabt hat, weil das Land die Besteuerung noch viel weitgehender, als das etwa in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich oder den Vereinigten Staaten der Fall ist, in den Dienst außerfiska- lischer Ziele gestellt hat, wobei protektionistische Bestrebungen eine ausschlag- gebende Rolle gespielt haben bzw. noch spielen. Daß speziell die Landwirt- schaft steuerliche Vergüngstigungen genoß und genießt (vgl. dazu beispiels- weise S. 106), ist gewiß nicht erstaunlich und erklärt sich zu einem erheblichen Teil aus spezifischen Eigenarten der türkischen Agrarverfassung und der bäuerlichen Bevölkerung. Ähnliches gilt auch für das Kleingewerbe. Daß die Besteuerung als solche - also ohne Berücksichtigung der Wirkungen steuerlich finanzierter öffentlicher Ausgaben - keine Redistributionswirkungen hatte, vielleicht sogar eher das Gegenteil derselben implizierte, ist eine Feststellung (siehe S. 101 f.), die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen dürfte. Das gilt nicht nur interpersonal, sondern auch intersektoral und hinsichtlich der Be- triebsformen, in bezug auf die eine in vieler Beziehung sehr fragwürdige starke Begüngstigung der Körperschaften gegenüber einkommensteuerpflichtigen Be- trieben (z.B. keine Vorauszahlungen) festzustellen ist (vgl. S. 95).

Nach den vorausgehenden Andeutungen ist es nicht verwunderlich, daß die vorliegende Untersuchung (S. 167 ff.) zu dem Ergebnis gelangt, das türki- sche Steuersystem sei „weder gerecht ..., noch effizient, noch (fördere es) das Wachstum der türkischen Wirtschaft wirksam". Es werden daher an mehreren Stellen der Arbeit hinsichtlich verschiedener Probleme Reformvorschläge er- örtert, so etwa im ökonomischen Steuerteil S. 171 ff. die Vor- und Nachteile der Einführung einer Mehrwertsteuer. Die Verfasser gelangen (S. 185) in die- sem Zusammenhange zu der von mir voll geteilten Ansicht, daß „in Anbe- tracht der großen administrativen Schwierigkeiten bei der Einführung der Mehrwertsteuer und der Probleme bei der Erhebung der übrigen Steuern . . . die Argumente (überwögen), nach denen die Einführung der Mehrwertsteuer auf einen Zeitpunkt verschoben werden sollte, zu dem die Rahmenbedigungen einen glatteren und wirkunsvolleren Übergang zulassen".

Alles in allem scheint mir die Entwicklung der Besteuerung in der Tür- kischen Republik zu zeigen, daß namentlich im Bereich der Einkommensbe-

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Steuerung zu viel zu rasch zu verwirklichen versucht worden ist. Einer der grundlegenden Fehler war sicherlich die übermäßige Steigerung der Steuersätze, die zwar auch in den meisten entwickelten Ländern erfolgte, in der Türkei aber besonders verhängnisvoll war, weil hier - wie schon erwähnt - die Inflation westeuropäische Maßstabe weit überstieg und daher katastrophale Folgen in allokationspolitischer wie namentlich auch gerechtigkeitspolitischer Hinsicht hatte. Nicht nur für Zeiten einer galoppierenden Inflation dürfte der Ansicht der Verfasser (S. 167), eine „drastische Senkung der Steuersätze" sei zu emp- fehlen, voll zuzustimmen sein; diese Maßnahme müßte freilich durch noch zu erörternde steuerrechtliche bzw. -technische Neuregelungen ergänzt werden. Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten ergaben sich überdies aus dem für ein Schwellenland typischen Bemühen, mit steuerpolitischen, vor allem einkom- mensteuerlichen Maßnahmen neben den fiskalischen wirtschaftspolitische, ge- nauer: protektionistische Ziele zu verfolgen (vgl. oben S. 370). All das wog um so schwerer, als die Steuerverwaltung - worauf sogleich zurückzukommen ist - ihren schwierigen Aufgaben nur unvollkommen gewachsen war. Daß man in gewissen Fällen auf Pauschalierungen zurückgriff, war weitgehend wohl unvermeidbar, doch muß in Zukunft stärker darauf geachtet werden, diese Maßnahmen allmählich zurückzudrängen oder sie effizienter und gerechter auszugestalten. Von einer Verstärkung der Verbrauchsbesteuerung ist bei Be- rücksichtigung der Reformvorschläge, die sich in der vorliegenden Arbeit fin- den, sicherlich einiges zu erwarten, aber doch nicht allzuviel; die Aufsplitterung auf zahllose kleine indirekte Einzelabgaben sollte möglichst bald beseitigt wer- den. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die Aufkommenselastizität der indirekten Steuern in bezug auf das Bruttosozialprodukt in neuerer Zeit meist nur etwa halb so groß war wie die der direkten Abgaben (siehe S. 82).

III.

Wie schon bemerkt, ist ein erheblicher, mehr als die Hälfte der Gesamt- seitenzahl des Buches umfassender Hauptabschnitt dem gewidmet, was unter dem Stichwort „Die türkische Finanzverwaltung" in Abschnitt 4 kritisch dar- gestellt worden ist. Die Untersuchung schildert die Institutionen im einzelnen, prüft sie auf ihre Rationalität und Effizienz und zieht dabei sowie besonders auch im Hinblick auf Reformmöglichkeiten Vergleiche mit den Regelungen in anderen Ländern, vor allem der Bundesrepublik Deutschland. In bezug auf diesen letzten Punkt ist lobend hervorzugeben, daß die Autoren nicht in den oft anzutreffenden Fehler verfallen sind, die Einrichtungen in ent- wickelten Ländern der westlichen Welt nun einfach tels quels als Vorbild für die Türkei hinzustellen, vielmehr werden die in letzterer gegebenen Bedingun- gen gebührend in das Kalkül einbezogen. In nicht wenigen Punkten liegen die Verhältnisse so, daß es sich um überall zu findende Schwächen und Fehler handelt, die allerdings in der Türkei in besonders gravierender Form und Stärke zu beobachten sind.

24*

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Auf die zahlreichen Einzelheiten, die in dem zur Erörterung stehenden Untersuchungsteil behandelt werden, kann hier nicht oder nur en passant eingegangen werden. Wohl aber erscheint es nützlich, an Einzelbeispielen, die nicht nur für die Türkei charakteristisch sind, zu zeigen, einmal wo die Schwachstellen liegen und sodann, wie diese beseitigt oder doch gemildert werden können. Die Reformvorschläge der Verfasser zeichnen sich im übrigen überwiegend dadurch aus, daß sie nicht irrealistische Ideallösungen ins Auge fassen, sondern eher behutsame, auch in weniger entwickelten Ländern durch- setzbare Maßnahmen empfehlen.

Im Rahmen der - sehr ausführlichen - Darstellung der türkischen Steuerver- waltung wird den Vorbildungs- bzw. Qualifikationsfragen im Zusammenhang mit der Besoldungspolitik mit Recht ein großes Gewicht beigemessen.

Sehe ich wegen ihres für einen Aufsatz wie den vorliegenden zu speziellen Charakters von der eingehenden Darstellung der Struktur der türkischen Fi- nanzverwaltung ab, so ist ganz allgemein der Bemerkung der Verfasser nach- drücklich zuzustimmen, daß „ausreichende Besoldung und adäquate Ausbil- dung zu den am weitesten verbreiteten und am schwierigsten zu lösenden Problemen der Finanzverwaltung in unterentwickelten Ländern" zählen (S. 189). Ihnen wird daher denn auch von Fischer und Andic eine eingehende Untersuchung gewidmet, und zwar an verschiedenen Stellen (vgl. etwa S. 220, 224, 236ff., 242). Wenn nicht nur die Zahl insbesondere jener öffentlichen Bediensteten, an die hohe Anforderungen hinsichtlich der Qualität ihrer Arbeit gestellt werden, vielfach zu gering und die Entlohnung bereits vor dem Beginn der Periode gallopierender Inflation kläglich war, so hat sich das, unter dem Druck der unzulänglichen Anpassung der Besteuerung an die progressive Geldentwertung, geradezu ins Groteske verzerrt. Ich habe meinerseits schon seit langem betont, das moralische Urteil über Trägheit und/oder „Bestech- lichkeit" von Beamten habe sich unter solchen Verhältnissen nicht sowohl gegen diese als vielmehr gegen Regierung und Parlament zu richten, die ihre Augen vor der Tatsache verschlössen, daß es vielen in der öffentlichen Verwal- tung Tätigen unmöglich sei, bei Strafe des Verhungerns mit einem Netto- einkommen „anständig" zu arbeiten und zu leben, das unterhalb des sozialen, ja oft des physiologischen Existenzminimums liegt.

Auf S. 224 heißt es zutreffend, daß die geringe Effizienz der türkischen Fi- nanzverwaltung - wie sie sich aus einem Vergleich mit den Verhältnissen etwa in der Bundesrepublik Deutschland ergibt - ihre Ursache u.a. „in dem beschei- denen Ausbildungsstand vieler Beamter und in dem ständigen Abgang qualifi- zierten Personals in die Privatwirtschaft" habe. Nimmt man den Tatbestand hinzu, daß an vielen Stellen auch die sachliche Ausstattung unzureichend ist, so wird man wohl kaum bestreiten können, daß die für den Fiskus, aber auch die Gesamtwirtschaft beste Umgestaltung der Besteuerung in einer ein- schneidenden Reform der Finanzverwaltung bestünde. Daß zu einer solchen Reform natürlich auch eine Verbesserung der technischen Ausstattung der Verwaltung gehört (vgl. dazu S. 251 ff.), versteht sich von selbst, wenngleich

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ich glaube, man sollte in dieser Hinsicht vielleicht nicht zu optimistisch sein und Fortschritte behutsam vorzunehmen suchen.

Ausführlich behandelt wird S. 161 auch die Technik des Besteuerungsverfah- rens, also namentlich die Methoden der Erfasung der Steuerpflichtigen. Hier wie auch in anderem Zusammenhang wird u. a. auf die Schwachstellen hinge- wiesen, die sich aus der gegenwärtigen Kompliziertheit und Unübersicht- lichkeit der steuerrechtlichen Regelungen ergeben. Gewisse Abhilfemöglichkei- ten sind auf S. 289 angedeutet. Ein zweites Gebiet, das steuertechnisch größte Bedeutung hat, ist das der Kontrolle der Besteuerungsgrundlagen (S. 292 ff.). Dabei ist zu unterscheiden zwischen den rechtlichen Regelungen als solchen und deren faktischer Befolgung bzw. Kontrolle (siehe dazu S. 301). Ein Punkt, bei dem eine größere Effizienz m.E. relativ schnell erreicht werden könnte, betrifft das Belegwesen (vgl. dazu S. 302ff.). Daß hinsichtlich der Steuerhinter- ziehung auch in der Türkei die freien Berufe offensichtlich mit an der Spitze stehen (S. 304), ist nach den Erfahrungen in den meisten entwickelten Ländern alles andere denn verwunderlich. Die seit einiger Zeit in der Türkei eingeführ- ten sogenannten „Kontrollerklärungen" (siehe S. 306ff.), speziell die über die gesamten Konsumausgaben, dürften praktisch kaum das angestrebte Ziel er- reichen, wie die Erfahrungen insbesondere in Frankreich, aber auch Deutsch- land (man denke an den alten §48 EStG!) gezeigt haben.

Bedenkt man, mit wie großen Schwierigkeiten selbst in „alten" entwickelten Volkswirtschaften die Ermittlung der „wirklichen" Gewinne und Verluste ver- bunden ist, so ist leicht einzusehen, daß in weniger entwickelten Ländern ein gewisser Rückgriff auf Pauschalierungen gegenwärtig noch unumgänglich ist. Man muß jedoch den Verfassern zustimmen, wenn sie meinen (S. 313), „pro- blematisch an den Abgrenzungskriterien (sc. bei der Pauschalbesteuerung) (er- scheine) die Tatsache, daß sie teilweise an Kriterien anknüpfen, die in der Praxis nicht vorhanden sind". Sowohl aus diesen als auch aus anderen Grün- den liefert die Pauschalierung de facto nicht annähernd adäquate, der Wirk- lichkeit leidlich gerecht werdende Ergebnisse. Offen gestanden sehe ich nicht, wie diesem Dilemma entronnen werden kann, jedenfalls nicht auf absehbare Zeit; man muß wohl in Geduld abwarten, daß die kulturellen und sonstigen Rahmenbedingungen der Mehrheit der Pflichtigen sich so entwickeln, daß man für diese die allgemeinen Bestimmungen in Kraft setzten kann. Erst dann kann die Kluft, die gegenwärtig zwischen den rechtlichen Regelungen (die die Verfasser wohl mit Recht als ausreichend betrachten; siehe S. 329) und der Realität besteht, verringert werden. Daß eine Verstärkung bzw. Ausdeh- nung der Buch- und Betriebsprüfung in diesem Zusammenhange unerläßlich - aber eben an die bereits angedeuteten Verbesserungen der Organisation ge- bunden - ist, wird von den Verfassern verschiedentlich betont.

Bemerkenswert ist, daß die Türkei schon relativ frühzeitig mit der Anwen- dung des weitgehend Hinterziehungen ausschließenden Quellenabzugsverfah- rens begonnen hat (vgl. dazu die Ausführungen S. 332 ff.). Anfanglich bezog es sich so gut wie ausschließlich auf Löhne und Gehälter, doch sind seit der

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Einführung der Einkommensteuer 1950 verschiedene Änderungen angeordnet worden, die das Anwendungsgebiet des Abzugs erweitert haben (siehe S. 339 ff.). Manche Lücken sind freilich auch gegenwärtig noch vorhanden.

Besonders kritisch sind die Verfasser gegenüber der derzeitigen Regelung von Steuerstreitigkeiten eingestellt (siehe S. 366 ff.), wozu allerdings ergänzend bemerkt sei, daß in neuerer Zeit (1982) bereits gewisse diesbezügliche Refor- men in Angriff genommen worden sind. In bezug auf sie wird es wesentlich darauf ankommen, wann und wie die gegenwärtige Überlastung der Entschei- dungsstellen verringert werden kann (S. 385). Wichtiger ist die Lage des Finanzprüfungswesens (siehe S. 387 ff.). Dieses befand sich bekanntlich selbst in als fortschrittlich angesehenen Ländern wie etwa dem Deutschen Reich bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts hinein noch in einer ziemlich kläg- lichen Lage, bis es, vor allem dank den Bemühungen des damaligen Ministe- rialrats im Reichsfinanzministerium Rolf Grabover, allmählich zu dem Buch- und Betriebsprüfungsdienst entwickelt wurde, wie wir ihn heute kennen. Die Verfasser schildern zunächst den gegenwärtigen Zustand in der Türkei, kritisie- ren ihn zutreffend und machen wohlerwogene Reformvorschläge (S. 395 ff.), die schon wegen der völlig unzulänglichen personellen Ausstattung der Prü- fungsstellen (S. 392) unerläßlich sind, will man die gegenwärtigen Unzuläng- lichkeiten mit ihren finanz- und gerechtigkeitspolitischen Problemen überwin- den. (Daß das seinerseits weitgehend erst nach Durchführung einer kräftigen Besoldungsreform möglich sein wird, versteht sich von selbst.)

S.212ff. wird - dem Thema der Untersuchung entsprechend, nur relativ kurz - auf die staatlichen Wirtschaftsunternehmen eingegangen, denen es „bis heute nicht gelungen (ist), wirtschaftlich lebensfähig zu sein". Sie haben in der Tat bis 1980 nahezu 70% des Staatsbudgetdefizits als Zuschüsse erhalten. Daran wird sich wohl inzwischen aufgrund gewisser Preiserhöhungsmaßnah- men etwas ändern, doch ist es daneben, wie die Verfasser (S. 397) mit Recht betonen, unbedingt erforderlich, sie einer turnusmäßigen Kontrolle zu unter- werfen, von der sie z.Zt. ausgenommen sind. Allgemein ist darüber hinaus zu untersuchen, inwieweit die betreffenden Unternehmen heute überhaupt noch als staatliche zu führen sind. Dabei soll nicht geleugnet werden, daß einige von ihnen, speziell auf dem Gebiete der Textilindustrie, bei ihrer Grün- dung durchaus ihre Berechtigung hatten und ihre Erzeugnisse eine beachtliche Qualität besaßen. Aber inzwischen ist ein privates Unternehmertum herange- wachsen, das staatlicher Vorbilder nicht mehr bedarf, wenn diese langfristig nicht einmal finanzielles Gleichgewicht, geschweige denn echte Überschüsse (Gewinne) zu realisieren vermögen.

IV.

Sucht man im Rückblick auf den im Vorhergehenden skizzierten Inhalt des Buches eine kurze Gesamtwürdigung desselben vorzunehmen, so wird diese

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sich im wesentlichen auf eine Wiederholung des eingangs gespendeten Lobs beschränken können. Es ist zu wünschen, daß die Untersuchung aufmerksam von den zuständigen türkischen Stellen bzw. Persönlichkeiten zur Kenntnis genommen werde, die für die Finanz- und insbesondere die Steuerpolitik des Landes verantwortlich sind. Daß dabei manche Feststellungen und/oder Vor- schläge der Verfasser auf Kritik stoßen dürften, muß unterstellt werden, doch habe ich unter diesen Vorschlägen kaum einen finden können, der in Unkennt- nis der wirklichen Verhältnisse im Untersuchungsland gemacht worden wäre und nicht zumindest ernsthafter Diskussion wert wäre. Auch die in der Bundesrepublik mit Fragen der Entwicklungshilfe befaßten Theoretiker und Praktiker bzw. Politiker könnten viel aus seiner Lektüre lernen, und zwar weitgehend nicht nur im Hinblick auf die Türkei, sondern auch auf andere weniger entwickelte Länder. Dabei wird freilich zu beachten sein, daß manche Reformen, die von den Verfassern als erforderlich angesehen werden, in zahl- reichen „less developped countries" nicht ohne weiteres durchführbar sein werden, schon deshalb, weil sie noch nicht, wie die Türkische Republik, den Stand eines „Schwellenlandes" erreicht haben, wie denn überhaupt für Wirt- schafts- und Finanzpolitik generell gilt, daß einfache Rezeptionen auslän- dischen Rechts vielfach nicht die gewünschten Erfolge zu zeitigen vermögen oder doch zumindest gewisse - teilweise zeitraubende - Anpassungen an über- kommene, andersartige Vorstellungen, Institutionen und Bräuche erfordern.

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