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MPR Medizin Produkte Recht Herausgeber Dr. Michael Banz Peter v. Czettritz Dr. Peter Dieners Wilfried Reischl Joachim M. Schmitt 5/2010 Jahrgang 10 | Seiten 145–180 ISSN 1618-9027 Nomos www.nomos.de Aus dem Inhalt: MPR Aktuell II Aufsätze Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche – die Reichweite des Fehlerbegriffs bei Medizinprodukten Marc Oeben 145 Im Fokus des Bundeskartellamtes: Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des Abnehmers Heidi Wrage-Molkenthin 151 Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB V Oliver Esch 156 Rechtsprechung Zweifelsregelung nicht auf Produkte anwendbar, die auf Grund ihrer Wirkungsweise eindeutig dem Medizinprodukterecht unterliegen Oberverwaltungsgericht NRW, 13. Senat, Beschl. v. 15.03.2010 – 13 A 2612/09 161 Preisabstimmung zwischen Händler und Lieferanten Bundeskartellamt, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3 - 123/08 168 Aus den Verbänden Die Verbände stellen sich vor – Teil 6: vfa – Die forschenden Pharma-Unternehmen Holger Diener 175 ZVEI mahnt irreführende Darstellung zur CE-Kennzeichnung ab Marcus Wenzel 176 Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht

Aktuelle Neuerscheinungen MP R Produkte Recht - mpr.nomos.de · II. MPR 5/2010. Eine regionale Ärzteumfrage im Auf-trag des BVMed hat ergeben, dass Ärzte die Leistungsfähigkeit

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Page 1: Aktuelle Neuerscheinungen MP R Produkte Recht - mpr.nomos.de · II. MPR 5/2010. Eine regionale Ärzteumfrage im Auf-trag des BVMed hat ergeben, dass Ärzte die Leistungsfähigkeit

MP R Medizin Produkte Recht

HerausgeberDr. Michael Banz

Peter v. Czettritz

Dr. Peter Dieners

Wilfried Reischl

Joachim M. Schmitt

5/2010Jahrgang 10 | Seiten 145–180ISSN 1618-9027

Nomoswww.nomos.de

Aus dem Inhalt:

MPR Aktuell II

Aufsätze

Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche – die Reichweite des Fehlerbegriffs bei Medizinprodukten Marc Oeben 145

Im Fokus des Bundeskartellamtes: Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des Abnehmers Heidi Wrage-Molkenthin 151

Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB V Oliver Esch 156

Rechtsprechung

Zweifelsregelung nicht auf Produkte anwendbar, die auf Grund ihrer Wirkungsweise eindeutig dem Medizinprodukterecht unterliegen Oberverwaltungsgericht NRW, 13. Senat, Beschl. v. 15.03.2010 – 13 A 2612/09 161

Preisabstimmung zwischen Händler und Lieferanten Bundeskartellamt, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3 - 123/08 168

Aus den Verbänden

Die Verbände stellen sich vor – Teil 6: vfa – Die forschenden Pharma-Unternehmen Holger Diener 175

ZVEI mahnt irreführende Darstellung zur CE-Kennzeichnung ab Marcus Wenzel 176

Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht

Bitte bestellen Sie im Buchhandel oder versandkostenfrei unter www.nomos-shop.de

Der Patient im nationalen und europäischen Gesundheitswesen13. Symposium zum PharmarechtHerausgegeben von Prof. Dr. Wolfgang Voit2010, 208 S., brosch., 48,– €, ISBN 978-3-8329-6060-5(Marburger Schriften zum Gesundheits-wesen, Bd. 13)Erscheint ca. November 2010

Die Marburger Gespräche thematisierten aktuellen Themen und Probleme des Phar-marechts. Die Beiträge des neuen Sammel-bandes untersuchen die Stellung des Pati-enten in der Arzneimittelversorgung und die Entscheidungsspielräume, die dem au-tonomen Patienten bleiben.

Der Schadensausgleich des Probanden im Rahmen klinischer ArzneimittelprüfungenVon Dr. Angela Metzmacher, LL.M.2010, 264 S., brosch., 69,– €, ISBN 978-3-8329-5445-1(Düsseldorfer Rechtswissenschaftliche Schriften, Bd. 85)

Das Werk bietet einen aktuellen sowie kom-pakten Überblick über die Ansprüche des im Rahmen einer klinischen Arzneimittel-prüfung geschädigten Probanden. Die Haf-tung der an der Studie beteiligten Personen und Institutionen wird ebenso umfassend erörtert wie die besondere Rolle der zugun-sten der Versuchsperson abzuschließenden Probandenversicherung.

Erkenntnisse zur Arzneimittel­therapie im Zeitverlauf: Frühe Ergebnisse und späte Umsetzung?Retrospektive Untersuchung für ausge-wählte Arzneimittel-WirkstoffgruppenVon Dr. Holger Gothe, Silvia Klein, Philipp Storz, Dr. Ariane Höer, Christine Haag, Peter Marx und Prof. Dr. Bertram Häusslerunter Mitarbeit von Prof. Dr. Martin Middeke und Prof. Dr. Hans-Konrad Selbmann2010, 190 S., brosch., 34,– €, ISBN 978-3-8329-5252-5(Forschung und Entwicklung im Gesund-heitswesen, Bd. 2)

Wie werden neue Arzneimittel in den Ver-sorgungsalltag integriert und welche Aus-wirkungen hat dieser Prozess auf die Ge-sundheit der Bevölkerung? Die Autoren untersuchen, wie lange es dauert, bis Wirk-stoffgruppen als überlegen betrachtet werden können, ob sich dies im Verbrauch widerspiegelt und inwiefern sich durch die Zeitverzögerung Gesundheitseffekte auf Bevölkerungsebene ergeben.

Aktuelle Neuerscheinungen

Marburger Schriften zum Gesundheitswesen

Der Patient im nationalen und europäischen Gesundheitswesen

Wolfgang Voit (Hrsg.)

13. Symposium zum Pharmarecht

13

Nomos

Der Schadensausgleich des Probanden im Rahmen klinischer Arzneimittelprüfungen

Angela Metzmacher

Düsseldorfer Rechtswissenschaftliche Schriften 85

Nomos Nomos

Erkenntnisse zur Arzneimitteltherapie im Zeitverlauf: Frühe Ergebnisse und späte Umsetzung?

Retrospektive Untersuchung für ausgewählte Arzneimittel­Wirkstoffgruppen

Gothe | Klein | Storz | Höer | Haag | Marx | Häussler

Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen | 2

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MPR 5/2010 I

IMPRESSUM

Schriftleitung:RA Dr. Peter Dieners (ViSdP) RAin Maria Heil (M.C.L) RAin Dr. Andrea Mayer-Sandrock Manuskripte erbeten an:RA Dr. Peter Dieners, Clifford Chance, Königsallee 59, 40215 Düsseldorf Tel. 0211/4355-5463 Fax 0211/4355-5600 E-Mail: [email protected] Erscheinungsweise: 6-mal jährlichBezugspreise 2010:Jährlich 239,– €, Einzelheft 42,– €. Alle Preise zzgl. Vertriebs-/Direkt-beorderungsgebühren inkl. MwSt. Bestellungen nehmen entgegen: Der Buchhandel und der Verlag; Abbestellungen mit Drei-Monats-Frist zum Kalenderjahresende. Zahlungen jeweils im Voraus an: Nomos Verlagsgesellschaft, Post-bank Karlsruhe, Konto 73636-751 (BLZ 660 100 75) und Stadt-sparkasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ 662 500 30).Druck und Verlag:Nomos Verlagsgesellschaft Waldseestr. 3-5 76530 Baden-Baden Tel.: (07221) 21 04-0 Fax: (07221) 21 04-27Anzeigen:sales friendly Verlagsdienstleistungen Siegburger Str. 123, 53229 Bonn Tel.: (0228) 978 98-0 Fax: (0228) 978 98-20 E-Mail: [email protected] und Verlagsrechte:Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwer-tung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustim-mung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Heraus-geber/Redaktion wiedergeben. Unverlangt eingesandte Manu-skripte – für die keine Haftung übernommen wird – gelten als Veröffentlichungsvorschlag zu den Bedingungen des Verlages. Es werden nur unveröffentlichte Originalarbeiten angenommen. Die Verfasser erklären sich mit einer nicht sinnentstellenden redaktionellen Bearbeitung ein-verstanden.ISSN 1618-9027

MPR Aktuell II

AufsätzeMaßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche – die Reichweite des Fehlerbegriffs bei MedizinproduktenRechtsanwalt Marc Oeben� 145

Im Fokus des Bundeskartellamtes:Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des AbnehmersRechtsanwältin Dr. Heidi Wrage-Molkenthin� 151

Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB VRechtsanwalt Dr. Oliver Esch� 156

RechtsprechungZweifelsregelung nicht auf Produkte anwendbar, die auf Grund ihrer Wirkungsweise eindeutig dem Medizinprodukterecht unterliegenOberverwaltungsgericht NRW, 13. Senat, Beschl. v. 15.03.2010 – 13 A 2612/09� 161

Preisabstimmung zwischen Händler und LieferantenBundeskartellamt, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3 - 123/08� 168

Aus den VerbändenDie Verbände stellen sich vor – Teil 6:vfa – Die forschenden Pharma-UnternehmenDr. Holger Diener� 175

ZVEI mahnt irreführende Darstellung zur CE-Kennzeichnung abMarcus Wenzel� 176

VDGH: Förderprogramm erschließt Nutzen der Prävention� 177

BerichtEin Bericht der Europäischen Kommission über die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten in der Europäischen Union vorgelegtRechtsanwalt und Arzt Dr. Christian Jäkel� 177

Buchbesprechung 178

AKTUELL

Page 3: Aktuelle Neuerscheinungen MP R Produkte Recht - mpr.nomos.de · II. MPR 5/2010. Eine regionale Ärzteumfrage im Auf-trag des BVMed hat ergeben, dass Ärzte die Leistungsfähigkeit

MPR 5/2010II

Eine regionale Ärzteumfrage im Auf-trag des BVMed hat ergeben, dass Ärzte die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems in Gefahr sehen. Während die überwiegende Mehrheit der Ärzte die gegenwärtige Situation noch positiv bewertet, befürchten 78 Prozent, dass sich die Leistungsfähig-keit des Gesundheitssystems in den kommenden vier Jahren deutlich ver-schlechtern wird. Das Pessimisten-La-ger bilden dabei mit 86 Prozent die Ärzte aus Nordrhein-Westfalen. Die Stimmungslage der Ärzteschaft und weitere Ergebnisse zu Fragen aus dem Gesundheitswesen zeigt die regionale Befragung von 400 Ärzten unterschied-licher Fachrichtungen durch Kantar Health im Auftrag des Bundesverban-des Medizintechnologie (BVMed).

Aktuelle Versorgungssituation:Nach Ansicht der Ärzte weist die aktuel-le Versorgungssituation große Lücken auf. Dies zeige sich vor allem darin, dass nur 70 Prozent der Ärzte ihren Patienten immer die benötigten medizinischen

Therapien anbieten können. Bei den Ärzten aus Baden-Württemberg sind es sogar nur 60 Prozent, während in Schles-wig-Holstein und Hamburg 87 Prozent der Patienten die notwendigen Thera-pien verordnet bekommen können.

Qualität der Patientenversorgung:95 Prozent der Befragten fordern weni-ger Bürokratie, dies sei ein Hemmnis bei der Qualität der Patientenversor-gung. Bessere sektorenübergreifende Versorgungskonzepte fordern 70 Pro-zent der Ärzte, außerdem noch den stärkeren Einsatz innovativer Medizin-technologien (55 Prozent). Diese sind bei mehr als zwei Drittel der Ärzte hoch im Kurs, besonders die Kardiologen sprachen sich für die Wichtigkeit von medizintechnologischen Innovationen für Ihre Tätigkeit aus.

Dabei sehen ein Drittel der deutschen Ärzte eine deutliche Verschlechterung des Zugangs gesetzlich Versicherter zu innovativen medizintechnologischen Untersuchungs- und Behandlungs-

methoden im Vergleich zu den vergan-genen fünf Jahren. Bei den baden- württembergischen Medizinern glau-ben dies sogar 44 Prozent.

Die Ergebnisse der Umfrage seien ein klares Signal für die Notwendigkeit einer innovationsfreundlichen Gesund-heitspolitik, bewertete BVMed-Ge-schäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt die Befragung: „Zur Verbesserung der Patientenver-sorgung müssen das Innovationsklima in Deutschland weiter optimiert, die bürokratischen Hürden verringert und die Wahlmöglichkeiten der Versicherten gestärkt werden.“

Die Ärztebefragung ist Teil der Informa-tionskampagne „Der Mensch als Maß-stab. Medizintechnologie“ des BVMed. Das Ziel ist die Wertigkeit, Innovations-kraft und Faszination von Medizintech-nologien zu verdeutlichen. Information zu der Kampagne gibt es im Intenet unter: www.massstab-mensch.de.

(Quelle: BVMed)

Herz-Kreislauf-Krankheiten sind mit rund 364.000 Toten jährlich nach wie vor Todesursache Nummer 1 in Deutsch-land; pro Jahr sterben rund 63.000 Men-schen an einem Herzinfarkt. Der vfa (Verband Forschender Arzneimittelher-steller) kümmert sich intensiv um neue Herz schützende Medikamente und gab bekannt, dass zwei Präparate gegen Vor-hofflimmern in diesem Jahr die Zulas-sung erhalten haben. „In den nächsten drei Jahren sollen weitere Mittel gegen Arteriosklerose, Herzinfarkte, Herzinsuf-fizienz und den Herz schädigenden Lun-genhochdruck folgen“, erklärte Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des vfa.

„Gerade für die Entwicklung neuer Herzmedikamente ist Deutschland ein

bedeutender Standort“, so Yzer weiter. „Mehrere forschende Pharma-Unter-nehmen unterhalten hierzulande ihre Herz-Kreislauf-Labors; und es gibt in-ternational kaum ein Herzmedikament, das nicht unter Mitwirkung zahlreicher deutscher Kliniken entwickelt wird.“

Zwar kann eine gesunde Lebensweise dazu beitragen das Risiko, einen Herz-infarkt zu erleiden, zu mindern, doch er kann auch von Faktoren bestimmt wer-den, die davon unabhängig sind. Derzeit wird von Pharmaunternehmen erprobt, ob sich ein Infarkt mit Medikamenten vorbeugen lässt, die den gefährlichen Gefäßablagerungen – der Arteriosklero-se – entgegen wirken. Dabei sorgen eini-ge Präparate für mehr HDL im Blut –

oft als das „gute Cholesterin“ bezeich-net. HDL, das jeder Mensch in seiner Leber bildet, vermag Cholesterin aus den Ablagerungen wieder zu entfernen.

Für Patienten, die bereits einen Infarkt hatten und vor einem zweiten geschützt werden sollen, wird an anderen Medika-menten geforscht. Es sind vor allem Mit-tel, die verhindern sollen, dass Blutge-rinnsel die Herzkranzgefäße verstopfen.

Auch für Patienten mit einer Herzinsuf-fizienz – das Herz ist infolge eines Infarktes oder anderer Erkrankungen geschwächt und verformt – sind neue Medikamente in Erprobung.

(Quelle: vfa)

(Fortsetzung auf Seite III nach Seite 180)

AKTUELL

Pessimistische Zukunftsaussichten: Ärzte aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sehen mit Sorge der künftigen medizinischen Versorgung entgegen

Forschung für‘s Herz

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Autor, Titel | AUFSÄTZE

MPR 5/2010 145

Rechtsprechung | NJ

Herausgeber: Dr. Michael Banz, Paul Hartmann AG, Heidenheim | Peter v. Czettritz, Rechtsanwalt, München | Dr. Peter Dieners, Rechtsanwalt, Düsseldorf | Wilfried Reischl, Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit, Bonn | Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), Berlin

Herausgeberbeirat: Dr. rer. nat. Ehrhard Anhalt, Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), Bonn | Maximilian Guido Broglie, Rechtsanwalt, Wiesbaden | Hans-Peter Bursig, ZVEI-Fachverband Elektromedizinische Technik, Frankfurt | Carsten Clausen, B. Braun Melsungen AG, Melsungen | Dr. med. vet. Volker Daum, B. Braun Melsungen AG, Melsungen | Dr. Holger Diener, Rechtsanwalt, Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Berlin | Prof. Dr. med. Dr. jur. Alexander P.F. Ehlers, Rechtsanwalt, München | Dr. Christian Fitsch, Medtronic, Tolochenaz, Schweiz | Prof. Dr. Ulrich M. Gassner, Forschungsstelle für Medizinprodukterecht, Universität Augsburg | Rainer Hill, Rechtsanwalt, Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), Berlin | Dr. med Christian Jäkel, Rechtsanwalt, Berlin | Dr. med. Dr. jur. Adem Koyuncu, Rechtsanwalt, Köln | Dr. Ulrich Reese, Rechtsanwalt, Düsseldorf | Dr. Axel Sander, Rechtsanwalt, Frankfurt | Prof. Dr. Jochen Taupitz, Universität Mannheim | Dr. Martin Walger, Geschäftsführer, Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH), Berlin | Herbert Wartensleben, Rechtsanwalt, Stolberg | Dr. Tobias Weiler, SPECTARIS, Berlin

Schriftleitung: Rechtsanwalt Dr. Peter Dieners | Rechtsanwältin Maria Heil | Rechtsanwältin Dr. Andrea Mayer-Sandrock, alle Königsallee 59, 40215 Düsseldorf

5 | 201010. Jahrgang, Seiten 145 - 180

MPRZeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht

Die Auswirkungen von Maßnahmenempfehlungen bzw. Sicherheitsinformationen auf eine Haftung des Herstellers oder Vertreibers von Medizinprodukten ist immer wieder Thema von Zivilprozessen. Kommt es zu einem Schaden beim Patienten im Zusammenhang mit einem Medizinpro-dukt, rekurrieren die Patientenanwälte auf etwaige Maßnah-menempfehlungen zu dem betroffenen Produkt und begrün-den damit das Vorliegen eines haftungsbegründenden Pro-duktfehlers. In zunehmenden Maße versuchen Patientenan-wälte und Krankenkassen das Vorliegen von Sicherheitsin-formationen und Maßnahmenempfehlungen weiter für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Es wird außergerichtlich wie in gerichtlichen Verfahren vorgetragen, allein die Tatsache, dass ein Patient ein Produkt implantiert habe, für das eine Maßnahmenempfehlung herausgegeben worden sei, genüge für die Annahme eines Produktfehlers und könne daher Schmerzensgeldansprüche begründen. Krankenkassen stellen sich auf den Standpunkt, aufgrund einer Sicherheitsinforma-

tion sei eine Revision eines Produktes bei Versicherten not-wendig geworden, für deren Kosten der Hersteller aufzu-kommen habe. Dies obwohl das Produkt nachweislich kom-plikationslos funktioniert. Die wirtschaftliche Dimension einer solchen Sichtweise für Hersteller und Vertreiber von Medizinprodukten wäre enorm. Der folgende Beitrag be-leuchtet die damit im Zusammenhang stehende rechtliche Problematik.

I. EinleitungSämtliche am Markt erhältlichen Medizinprodukte, insbe-sondere implantierbare Medizinprodukte, weisen trotz ihrer heilenden oder sogar lebenserhaltenden Funktion gewisse Risiken für die Betreiber und Anwender auf. Diese Nutzen-

* Der Verfasser ist Rechtsanwalt in der Sozietät Clifford Chance, Düssel-dorf. Der Verfasser dankt Herrn Tim Schneider für die Unterstützung bei der Erstellung des Manuskriptes zu diesem Beitrag.

AUFSÄTZE

Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche – die Reichweite des Fehlerbegriffs bei MedizinproduktenRechtsanwalt Marc Oeben, LL.M*

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MPR 5/2010146

AUFSÄTZE | Oeben, Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche

Schaden aufgrund eines Funktionsausfalls kommt. Darüber kann das Vorliegen von solchen Maßnahmenempfehlungen in der gerichtlichen Praxis dann zur Sprache kommen, wenn ein Patient Schmerzensgeld verlangt, allein aufgrund der Tat-sache, dass er ein Produkt implantiert hat, welches zu einer Serie gehört, für die der Hersteller eine Sicherheitsinformati-on herausgegeben hat. Schließlich spielt eine Maßnahmen-empfehlung dann eine Rolle, wenn etwa die Krankenkasse Ersatz der Behandlungskosten verlangt, die für einen rein prophylaktischen Austausch eines Produktes angefallen sind (bei tatsächlich vorliegender Funktionsfähigkeit).

1. Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen von Herstellern als Haftungsgrundlage?

Unabhängig von der prozessualen Situation und dem jeweili-gen Anspruchsgegner kann ein Schmerzensgeld- bzw. Scha-densersatzanspruch im Rahmen der produkthaftungsrecht-lichen Betrachtung nur dann in Frage kommen, wenn ein haftungsbegründender Produktfehler vorliegt. Nach dem Fehlerbegriff in § 3 Abs. 1 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berück-sichtigung aller Umstände, insbesondere a) seiner Darbie-tung, b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet wer-den kann, c) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr ge-bracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. Für das Vorliegen eines Fehlers im Sinne des § 3 ProdHaftG trägt gemäß § 1 Abs. 4 ProdHaftG der Geschädigte (Patient oder Krankenkassen) die Beweislast.

Der Nachweis des Vorliegens eines Produktfehlers ist in der Praxis nicht ohne Weiteres zu führen. Insbesondere im Hin-blick auf Produkte, die Gegenstand einer Maßnahmenemp-fehlung sind, stellt sich bei der Begutachtung nach der Ex-plantation durch den Hersteller oder einen Sachverständigen in einem Prozess nicht selten heraus, dass das Produkt ein-wandfrei funktioniert. Die Risiken, die in den Sicherheitsin-formationen aufgeführt sind, betreffen regelmäßig nur eine geringe Anzahl von tatsächlich implantierten Produkten. Aber auch wenn es im Zusammenhang mit dem Produkt tat-sächlich zu Komplikationen gekommen ist, bedeutet dies nicht sogleich das Vorliegen eines Produktfehlers. Denn die Gefahrenpotentiale, die Medizinprodukten grundsätzlich in-newohnen, wurden im Rahmen des Konformitätsbewer-tungsverfahrens zu Gunsten des überwiegenden Nutzens für Patienten und Anwender abgewogen. Insoweit wird eine 100%ige Sicherheit auch im Rahmen des ProdHaftG nicht verlangt.3 Die bestehenden Gefahrenpotenziale sind daher auch bei den berechtigten Sicherheitserwartungen zu berück-sichtigen, die Anwender und Patienten an ein Medizinpro-dukt haben können.

Risiko-Abwägung wird durch eine sog. Benannte Stelle im Rahmen der Durchführung eines Konformitätsbewertungs-verfahrens geprüft, nach dessen erfolgreichem Abschluss das Medizinprodukt mit einer CE-Kennzeichnung versehen wer-den darf. In Deutschland und der gesamten Europäischen Gemeinschaft dürfen Medizinprodukte nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer solchen CE-Kennzeich-nung versehen sind und insoweit die sog. Grundlegenden Anforderungen erfüllen (§ 7 MPG i.V.m. den Anhängen der einschlägigen Europäischen Richtlinien).

Als Spiegelbild zu dem Konformitätsbewertungsverfahren, welches die Nutzen-Risiko-Bewertung vor Inverkehrbringen eines Medizinproduktes zum Gegenstand hat, steht das sog. Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem, welches die Risiken überwacht und ggfs. erfasst, die nach Inverkehr-bringen bei einem Medizinprodukt auftreten können.1 Ziel dieses Systems ist der Schutz von Patienten, Anwendern und sonstigen Personen vor Gefahren durch Medizinprodukte, die im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens noch nicht bekannt waren. Die Ursachen für etwaige Komplikati-onen oder Funktionsstörungen bei Medizinprodukten sind vielfältig und regelmäßig für die Hersteller bei der Entwick-lung nicht vorhersehbar. Konkret betroffen von den bekannt gewordenen Risiken sind jeweils nur einige wenige Produkte einer Produktserie oder Charge.

In Übereinstimmung mit den regulatorischen Pflichten der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (insbesondere §§ 14 ff. MPSV) veröffentlichen Hersteller und Vertreiber von Medizinprodukten regelmäßig Sicherheitsinformationen bzw. Maßnahmenempfehlungen. Der Begriff der Maßnah-menempfehlung ist in § 2 Nr. 4 MPSV definiert. Danach ist eine "Maßnahmenempfehlung" eine Mitteilung des Verant-wortlichen nach § 5 MPG, mit der eine korrektive Maßnah-me veranlasst wird. Ziel der Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen ist die Beseitigung, Verringerung oder Verhinderung des erneuten Auftretens eines von einem Medizinprodukt ausgehenden Risikos.2

Als Folge von Sicherheitsinformationen und Maßnahmen-empfehlungen explantieren Ärzte mitunter auch beschwer-defreien Patienten deren bisher völlig komplikationslos funktionierenden Implantate. Spätestens nach der Explanta-tion stellt sich dann häufig im Rahmen der Analyse des be-troffenen Produktes heraus, dass das Produkt einwandfrei funktionierte. In den meisten Fällen ist jedoch das Risiko einer Revision der Produkte höher, als das Risiko, dass mit dem Belassen des Produkts verbunden ist. In diesen Fällen informieren die Ärzte gemäß der ihnen obliegenden Aufklä-rungspflicht die Patienten über die Maßnahmenempfehlun-gen und Sicherheitsinformationen und besprechen mit den Patienten das weitere Vorgehen.

In der zivilgerichtlichen Praxis stellt sich dann die Frage, welche Auswirkungen das Vorliegen von Sicherheitsinfor-mationen und Maßnahmenempfehlungen auf die Annahme eines haftungsbegründenden Produktfehlers hat, wenn es bei einem betroffenen Produkt einmal tatsächlich zu einem

1 Hierzu Will in Anhalt/Dieners: Handbuch des Medizinprodukterechts, Kap. 11, Rn. 1 ff.

2 Siehe hierzu die Begriffsdefinition zu „korrektive Maßnahme“ in § 2 Nr. 2 MPSV.

3 v. Westphalen in MüKo, ProdHaftG, § 3 Rn. 6.

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Oeben, Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche | AUFSÄTZE

kann. In jedem Fall aber muss der ursächliche Zusammen-hang durch einen Erfahrungssatz der medizinischen Wissen-schaft vermittelt werden.8

Überträgt man diese sachnahen Grundsätze auf die Haf-tungsgrundlagen nach dem Produkthaftungsgesetzt so lässt sich aus dem Vorliegen einer Sicherheitsinformation nicht die Vermutung herleiten, dass das betreffende Medizinpro-dukt einen haftungsbegründenden Produktfehler aufweist. Es fehlt insoweit an einem typischen Geschehensablauf, der auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. In Sicherheitsinformationen und Maßnahmenempfehlungen werden vielmehr Risiken aufgeführt, die für ein Medizinpro-dukt untypisch sind und nur in wenigen Ausnahmefällen überhaupt auftreten.

Insgesamt lässt sich aus dem bloßen Vorliegen einer Sicher-heitsinformation oder Maßnahmenempfehlung für ein be-stimmtes Produkt weder eine Haftungsgrundlage für einen Anspruch aus dem Produkthaftungsgesetz entnehmen, noch ergeben sich aus solchen Maßnahmen von Herstellern Be-weiserleichterungen für die klagende Partei.

II. Produktfehler bei Fehlerhaftigkeit einzelner Produkte einer Serie?

Obwohl die von der Maßnahmenempfehlung betroffenen Produkte in der weit überwiegenden Zahl komplikationslos funktionieren und ihren medizinischen Nutzen voll erfüllen, sehen sich die Medizinproduktehersteller bzw. die Vertreiber der Produkte in der Praxis Schmerzensgeld- und Schadenser-satzforderungen auf der Grundlage des ProdHaftG ausge-setzt. Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob ein Produkt-fehler im Sinne der §§ 1, 3 ProdHaftG auch in der vorge-nannten Konstellation bei tatsächlich voll funktionstüchtigen Medizinprodukten dann vorliegt, wenn lediglich einzelne Produkte derselben Serie den befürchteten Fehler aufweisen.

In den letzten Jahren versuchen Gerichte vereinzelt, einen Produktfehler auch bei tatsächlich voll funktionstüchtigem Produkt anzunehmen, freilich mit verschiedenen Begründun-gen. Eine höchstrichterliche Klärung steht noch aus, ist aber vor dem Hintergrund der hierzu ergangenen Entscheidungen in naher Zukunft zu erwarten.

1. Enttäuschung von Sicherheitserwartungen?

In einer Entscheidung des LG Gießen9 vertritt das Gericht die Auffassung, dass ein Fehler im Sinne des § 3 ProdHaftG auch dann angenommen werden könne, wenn es sich um ein voll funktionsfähiges Produkt handelt, das aus einer Pro-duktserie mit nur wenigen fehlerhaften Geräten stammt. In

Die rechtlichen und tatsächlichen Hürden für die Darlegung und den Nachweis eines Produktfehlers sind für Medizinpro-dukte bei der prozessualen Risikobewertung nicht zu unter-schätzen. Aufgrund der Beweisschwierigkeiten wird im Pro-zess daher klägerseits auf das Vorliegen von Maßnahmen-empfehlungen oder Sicherheitsinformationen verwiesen. Vereinzelt greifen erstinstanzliche Gerichte die Argumentati-on auf und kommen zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitsin-formation die Patienten nach Abstimmung mit den Ärzten dazu veranlasst hat, das Implantat zu revidieren und dass aufgrund dieser nachvollziehbaren Reaktion des Patienten der Herausgeber dieses Informationsschreibens für die mate-riellen und immateriellen Folgen zu haften habe.4 Eine solche Sichtweise findet allerdings keine Stütze im Gesetz und ist insoweit contra legem. Aus einer Sicherheitsinformation lässt sich keine Haftungsgrundlage entnehmen. Die Produkt-haftung setzt ausschließlich die Fehlerhaftigkeit des konkre-ten Produktes voraus und nicht das Vorliegen einer Sicher-heitsinformation.5 Der Fehlerbegriff ist in §§ 1, 3 ProdHaftG hinreichend genau umschrieben, das Vorliegen eine Sicher-heitsinformation wird dort weder genannt noch lässt sich aus dem Wortlaut eine solche Haftungsgrundlage "herein-lesen".

Eine Haftung des Herstellers oder Vertreibers im Zusam-menhang mit einer Maßnahmenempfehlung oder Sicher-heitsinformation kommt allenfalls im Rahmen einer ver-schuldensabhängigen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung der Produktbeobachtungspflicht) in Betracht, nämlich dann, wenn die Sicherheitsinformation oder Maß-nahmenempfehlung nicht ausreichend, nicht rechtzeitig oder fehlerhaft erfolgt ist. Dies setzt allerdings ein Verschulden voraus, für dessen Nachweis nach den allgemeinen Beweis-lastregeln der Kläger verantwortlich ist. Aufgrund der hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen haben die Unter-nehmen der Medizinprodukteindustrie heutzutage ein stren-ges Produktbeobachtungs- und Meldesystem etabliert, wel-ches ein frühzeitiges und effizientes Reagieren auf etwaige Vorfälle ermöglicht. Der Nachweis der schuldhaften Verlet-zung von Produktbeobachtungspflichten dürfte vor diesem Hintergrund schwer zu führen sein.

Vereinzelt wird im Zusammenhang mit Sicherheitsinforma-tionen und Maßnahmenempfehlungen der Ruf nach der An-wendbarkeit der Regeln des Anscheinsbeweises zu Lasten des Herstellers laut. Ein solcher Anscheinsbeweis kommt immer dann zum Tragen, wenn sich ein für die zu beweisen-de Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Gesche-hensablauf ergibt.6 Die Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises zugunsten des beweisbelasteten Patienten kann im Bereich des Haftungsgrundes im Rahmen von Arzt-haftungsprozessen in Betracht kommen mit Blick auf die Frage, ob aus einem festgestellten Behandlungsfehler typi-scherweise auf das Vorliegen eines Verschuldens und/oder auf die ursächliche Zuordnung des Primärschadens geschlos-sen werden kann.7 Umgekehrt kann in Betracht stehen, dass eine feststehende Primärschädigung typischerweise nur durch einen schuldhaften Behandlungsfehler verursacht sein

4 Siehe hierzu instruktiv: Backmann/Wagner, Sicherheitsinformationen zu Herzschrittmachern und implantierbaren Defibrillatoren, KHR 2007, 57.

5 Backmann/Wagner, a.a.O.6 Wagner in MüKo , BGB, § 823 Rn 804-806.7 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Auflage 2009, Rn. 231.8 Geiß/Greiner a.a.O.9 LG Gießen, Urt. v. 6.5.2009, Az. 2 O 347/08 (unveröffentlicht).

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MPR 5/2010148

AUFSÄTZE | Oeben, Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche

10 Palandt, ProdHaftG, § 3, Rn. 6.11 BGH NJW 2009, 2952; MPR 2009, 191; dazu auch Klindt/Handorn, NJW

2010, 1105.12 v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, Bd. 2, § 62, Rn. 61 f.13 Staudinger-Oechsler, Rn. 47.14 Wagner in MüKo, ProdHaftG, § 3 Rn. 30.; Staudinger-Oechsler, Rn. 48.15 Kullmann, ProdHaftG, § 1, Rn. 65.

der Frage der Haftung dogmatisch korrekt ebenfalls auf das Inverkehrbringen desjenigen individuellen Exemplars der Produktreihe abgestellt, welches schadensversursachend den konkreten Prozess auslöste.11 Im Rahmen der Haftungsaus-schlüsse des § 1 Abs. 2 Nr. 1-5 ProdHaftG wird bei den ein-zelnen Ausschlusstatbeständen jeweils ausdrücklich auf „das Produkt“ abgestellt. Bei der Frage, ob „das Produkt“ in den Verkehr gebracht wurde, stellt sich das Problem, ob damit das einzelne Werkstück oder etwa der gesamte Produkttyp gemeint ist.12 Bei Produktserien ist eine einheitliche Beurtei-lung der Produktserie als „fehlerhaft“ oder „fehlerfrei“ sys-tematisch nicht begründbar, denn hinsichtlich des Inverkehr-bringens müsste dann entweder an den Zeitpunkt der Auslie-ferung des ersten oder des letzten Fabrikats aus der Pro-duktserie als Bezugspunkt angeknüpft werden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut kann indes nur der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fabrikats gemeint sein. Dafür spricht letztlich auch, dass sich nach § 3 Abs. 1 Prod-HaftG die Sicherheitserwartungen und letztlich auch etwaige Risiken für jedes einzelne Produkt gerade im Zeitpunkt des Inverkehrbringens konkretisieren.13 Die Rechtsgutverletzung muss danach durch den Fehler eines Produkts entstanden sein, nämlich des konkreten Produkts beim Geschädigten und nicht eines anderen Produktes aus der Serie oder aus einer insgesamt für fehlerhaft erachteten Serie.14

Auch kann, sobald bei einem Serienprodukt tatsächlich ein Fehler erkennbar geworden ist, sich der Hersteller nur be-züglich der künftig in den Verkehr gegebenen Produkte nicht auf § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG berufen.15 Danach kann sich der Hersteller mit dem Einwand entlasten, dass der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeit-punkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. Der Weg zur Entlas-tung steht dem Hersteller im Rahmen dieser Vorschrift für alle bis dahin in Verkehr gebrachten Produkte weiter offen. Dies spricht ebenfalls für die Annahme, dass nicht „automa-tisch“ sämtliche Produkte einer Serie als (praktisch unwider-leglich) fehlerhaft zu betrachten sind, wenn ein Fehler an einzelnen Produkten auftritt und dies im Rahmen einer Sicherheitsinformation oder Maßnahmenempfehlung Ärzten gegenüber kommuniziert wird. Für die bereits in Verkehr ge-brachten Produkte steht dem Hersteller der Entlastungsbe-weis weiterhin offen. Die Entlastung darf dann jedoch nicht nur formell bestehen, eine Entlastung muss auch praktisch möglich sein.

Im Ergebnis überspannt das Gericht in der oben zitierten Entscheidung die Anforderungen an die berechtigten Sicher-heitswartungen, da dem Hersteller faktisch keine Möglich-keit bleibt, die tatsächlich vorliegende Fehlerfreiheit der kon-kret betroffenen Produkte im Prozess zu belegen.

diesem Verfahren machte eine Krankenversicherung gegen eine deutsche Vertriebsgesellschaft eines US-amerikanischen Herstellers von Herzschrittmachern Schadensersatzansprü-che wegen der Behandlungskosten im Zusammenhang mit der Revision von Herzschrittmachern bei ihren Versicherten geltend. Die beklagte Vertriebsgesellschaft hatte zuvor im Rahmen einer Sicherheitsinformation auf mögliche Funk-tionsstörungen bei einer geringen Anzahl von Herzschritt-machern einer bestimmten Serie hingewiesen. Dabei handel-te es sich um einen sukzessiven Verfall eines Bauteils des Herzschrittmachers, der zu einem Ausfall des Systems führen konnte. Insoweit wurden u.a. engmaschige Kontrollen emp-fohlen, um die Funktionstüchtigkeit zu überwachen. Ein prophylaktischer Austausch wurde nicht empfohlen. Die be-handelnden Ärzte sollten unter Berücksichtigung der patien-tenindividuellen Bedürfnisse erwägen, ob ein Austausch not-wendig ist. In der Folge wurden bei verschiedenen Versicher-ten der klagenden Krankenversicherung die Herzschrittma-cher revidiert.

Nach Ansicht des Gerichts liege in diesem Fall ein Produkt-fehler deshalb vor, weil es zu den berechtigten Sicherheitser-wartungen, die an einen Herzschrittmacher gerichtet wer-den, auch gehöre, dass bestimmte, an anderen gleichartigen Geräten bereits aufgetretene Funktionsfehler, die zu Beein-trächtigungen und einem Ausfall führen können, an dem be-treffenden Gerät nicht auftreten. Diese Erwartungen seien enttäuscht worden, denn es müsse jederzeit mit dem Auftre-ten der im Sicherheitshinweis genannten Beeinträchtigungen gerechnet werden, auch wenn das konkrete im Streit stehen-de Gerät nachweislich störungsfrei sei.

Die Argumentation des Gerichts überzeugt allerdings nicht und greift zu kurz. Denn bei einer solchen Sichtweise werden Sicherheitserwartungen aufgestellt, die vom Hersteller prak-tisch nicht erfüllt werden können. Eine solche Hürde für den Hersteller von Medizinprodukten ist mit dem Sinn und Zweck des ProdHaftG nicht vereinbar. Dem Hersteller blie-be faktisch keine Möglichkeit, die tatsächlich vorliegende Fehlerfreiheit der konkret betroffenen Produkte im Prozess zu belegen. Die Tatsache der vollständigen Funktionstüch-tigkeit des Produktes ist indes der maximal mögliche Beleg dafür, dass kein Fehler vorliegt.

Ist das konkrete Medizinprodukt vollumfänglich nutzbar und funktionstüchtig, erfüllt es gerade die Sicherheitserwar-tungen, auch wenn es bei einzelnen Produkten einer Serie in einem geringen Umfang möglicherweise zu Ausfällen kom-men kann. Zwar werden die Sicherheitserwartungen der Verbraucher bei risikoreichen Produkten regelmäßig hoch sein. Eine absolute Sicherheit kann jedoch auch im Rahmen des ProdHaftG nicht verlangt werden.10

Zudem sprechen gesetzessystematische Gründe dafür, hin-sichtlich des Bezugspunktes der berechtigten Sicherheitser-wartungen auf das konkrete Produkt (das einzelne Fabrikat oder Werkstück), nicht aber auf die Produktserie als solche, abzustellen. Der Bundesgerichtshof hat in der viel zitierten und häufig fehlinterpretierten „Airbag“-Entscheidung bei

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MPR 5/2010 149

Oeben, Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche | AUFSÄTZE

16 OLG Frankfurt, Urt. v. 20.05.2010 – 1 U 99/09, GesR 2010, S. 440.17 LG München I, Urt. v. 1.12.2008, Az. 3 O 9161/08 (unveröffentlicht).18 LG München I, Urt. v. 1.12.2008, Az. 3 O 9161/08 (unveröffentlicht).19 Palandt, BGB, § 434, Rn. 5.20 BGH, Urt. v. 7. Februar 2003, V ZR 25/02, S. 772.21 Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der

Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haf-tung für fehlerhafte Produkte, Amtsblatt Nr. L  210 v. 7.8.1985, S. 29-33.

22 EuGH, Slg. 2002, I-3827 Rn. 24 und Slg. 2002, I-3901 Rn. 20.23 EuGH Slg. 2006, I-199 Rn.. 31 ff., 41 ff.; MüKo-Wagner, ProdHaftG, Einl.,

Rn. 3.

Die Argumentation des Gerichts vermag in vielerlei Hinsicht nicht zu überzeugen. Zunächst hätte das Gericht nicht den bloßen Begriff des „Verdachts“ verwenden dürfen, sondern sich mit den konkreten Voraussetzungen auseinandersetzen müssen, die im Gewährleistungsrecht einen Mangel wegen eines Verdachts begründen. Zudem wäre zu fragen gewesen, ob die Übertragung eines solchen „Verdachtsmangelbe-griffs“ auf das Produkthaftungsrecht überhaupt rechtsdog-matisch zu begründen ist.

a) Kein Vorliegen eines „Verdachts“

Der Verdacht eines (gewährleistungsrechtlichen) Mangels muss der Sache offenkundig anhaften und unter einen der Mangeltatbestände fallen.19 Ein Verdacht liegt vor, wenn die begründete Annahme der Mangelhaftigkeit einer Sache be-steht. Ist der Eintritt der Mangelhaftigkeit jedoch lediglich für die Zukunft (wenn auch jederzeit) möglich, liegt gerade kein Verdacht vor, sondern nur die Möglichkeit einer Ge-fahr, dass eine Mangelhaftigkeit eintritt.20 Einem Medizin-produkt, das ggf. sogar über einen erheblichen Zeitraum, völlig störungsfrei arbeitet bzw. verwendet werden kann und zu keinerlei Beschwerden beim Patienten führt, kann ein sol-cher (hypothetischer) Verdacht nicht offenkundig anhaften. Im Gegenteil, es fehlt an der Sache selbst an jedem Anhalts-punkt für einen insoweit konkreten Verdacht.

b) Systematische und teleologische Bedenken

Darüber hinaus bestehen aber auch erhebliche rechtsdogma-tische Bedenken gegen die Übertragung der Grundsätze der Sachmängelhaftung auf den Fehlerbegriff.

Die Anwendung dieses „Verdachtsmangelbegriffs“ auf Pro-dukthaftungsfälle ist unter systematischen Aspekten zweifel-haft. Denn dadurch werden systemfremde Elemente in das ProdHaftG eingeführt und vom Gesetzgeber nicht beabsich-tigte Ergebnisse geschaffen.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bezweckt die Produkthaftungsrichtlinie21 eine vollständige Harmonisie-rung der in ihr geregelten Punkte für die Rechts- und Ver-waltungsvorschriften der Mitgliedstaaten.22 Folgerichtig ist es den Mitgliedstaaten untersagt, im Interesse des Verbrau-cherschutzes von der Richtlinie abzuweichen und die Haf-tung über den europarechtlich definierten Standard auszu-dehnen.23

Verbraucherschutz ist nur eines der Ziele der Produkthaf-tungsvorschriften neben anderen wie etwa der Warenver-

Mit ähnlichen – wenngleich stark verkürzten – Erwägungen hat das OLG Frankfurt als Berufungsinstanz das Urteil des LG Gießen aufgehoben und im Ergebnis einen Anspruch ab-gelehnt.16 Denn die konstruktive Schwachstelle könne nur dann einen Fehler im Sinne einer Enttäuschung der objektiv berechtigten Sicherheitserwartungen darstellen, wenn sie im Ergebnis zu häufigeren Funktionsstörungen führen würde als bei vergleichbaren Geräten zum Zeitpunkt der Implanta-tionen und nach dem damals zu erwartenden Standard, d.h. wenn das Risiko bei der Verwendung der streitgegenständli-chen Geräte nennenswert erhöht gewesen wäre. Wenn eine Produktserie in ihrer Gesamtheit aber den Sicherheitsstan-dard der Vergleichsgruppe einhält, wird die berechtigte Si-cherheitserwartung des Verkehrs erfüllt und nicht enttäuscht. Eine Sicherheit im Sinne von 100%, d.h. den völligen Aus-schluss jeglicher Defekte während der üblichen Nutzungszeit kann der Verkehr auch bei derart wichtigen Produkten nicht erwarten.

2. Anwendung von Grundsätzen der Sachmangelhaftung?

In einer anderen Entscheidung des LG München hat der Ge-richt zur Beurteilung des Vorliegens eines Produktfehlers die Grundsätze der Sachmängelhaftung herangezogen.17

Die Beklagte, die deutsche Vertriebsgesellschaft eines ameri-kanischen Medizinprodukteunternehmens, veröffentlichte zu einem von ihr vertriebenen Defibrillator (ICD) eine Si-cherheitsinformation, in der von 28 Fällen (bei 26.000 rele-vanten Produkten) berichtet wird, bei denen wegen einer Güteminderung eines Geräteteils ein Ausfall der Schockthe-rapie bzw. der Stimulation aufgetreten sei. Den behandeln-den Ärzten wurde geraten, die Patienten wie gewohnt zu überwachen. Ausdrücklich nicht empfohlen wurde der Aus-tausch der implantierten Geräte vor Ablauf der üblichen Laufzeit. Ein solcher Austausch verringere das Risiko des Pa-tienten wohl nicht in Relation zu den Risiken eines invasiven Eingriffs. Ärzte sollten von Fall zu Fall unter Berücksichti-gung der jeweiligen Patientenhistorie entscheiden, ob eine Explantation dennoch geboten sei. Aufgrund dieser Informa-tion nahmen die behandelnden Ärzte bei einem Versicherten der klagenden Krankenkasse eine Revision des ICDs vor. Die Krankenkasse verlangte von der Beklagten Ersatz der hierfür entstandenen Behandlungskosten.

In der Entscheidung vertritt das Gericht die Ansicht, es käme auf die tatsächliche Fehlerhaftigkeit des bei dem Versicher-ten der Klägerin explantierten Geräts nicht an. Für die An-nahme eines Produktfehlers gemäß § 3 ProdHaftG genüge nach den zur Sachmangelhaftung entwickelten Grundsätzen für die Fehlerhaftigkeit schon der Verdacht eines Mangels. Diese Grundsätze seien auf diesen Sachverhalt übertragbar, denn ein Patient erwarte berechtigterweise, dass sein ICD nicht zu einer Produktserie mit fehlerhaften Geräten gehöre, sodass schon der Verdacht, sein ICD könne ebenfalls fehler-haft sein oder dies in nächster Zeit werden, zur Annahme eines Produktfehlers genüge.18

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MPR 5/2010150

AUFSÄTZE | Oeben, Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche

24 Produkthaftungsrichtlinie, Erwägungsgrund Nr. 2.25 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom

25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Amtsblatt Nr. L 171 v. 7.7.1999, S. 12-16.

26 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, Erwägungsgründe Nr. 4-6.27 BT-Drucks. 11/2447, 13.28 v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, Bd. 2, § 74, Rn. 1.

Ansatz, ein Produkt, das einer Serie angehört, für die eine Maßnahmenempfehlung herausgegeben worden ist, erfülle nicht die berechtigten Sicherheitserwartungen, überzeugt nicht. Denn auf diese Weise würden Sicherheitserwartungen aufgestellt, die vom Hersteller praktisch nicht erfüllt werden können. Dem Hersteller bliebe faktisch keine Möglichkeit, die tatsächlich vorliegende Fehlerfreiheit der konkret betrof-fenen Produkte im Prozess zu belegen. Im Ergebnis zutref-fend hat daher die Berufungsinstanz des OLG Frankfurt auch das Vorliegen eines Produktfehlers abgelehnt.

Ebenso wenig kann unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der (verschuldensunabhängigen) Produkthaftung eine Übertragung der Grundsätze der Sachmängelhaftung auf den Fehlerbegriff des Produkthaftungsgesetztes ange-nommen werden. Beide Ansätze bedeuten letztlich, dass der Hersteller eines Produktes für ein tatsächlich voll funktions-tüchtiges und damit fehlerfreies Produkt haftet. Damit würde das ProdHaftG in die Nähe einer rechtspolitisch unange-messenen und vom Gesetzgeber nicht gewollten reinen Kau-salhaftung für das bloße Inverkehrbringen von Produkten rücken.

In der Konsequenz würden die Hersteller und Vertreiber von Medizinprodukten mit einem Haftungsrisiko belastet wer-den, das in erheblicher Weise auf die wirtschaftlichen Belan-ge der Unternehmen Einfluss nimmt. Die Forschungsmög-lichkeiten und Innovationen werden erheblich beeinträch-tigt. Würde die bloße Möglichkeit der Gefährdung durch ein Medizinprodukt einen haftungsbegründenden Produktfehler darstellen, so müssten aufgrund wirtschaftlicher Erwägun-gen zahlreiche zum Teil lebenserhaltende oder lebensretten-de Medizinprodukte vom Markt genommen werden. Unter Berücksichtigung des hohen Haftungsrisikos und der wirt-schaftlichen Folgen würden manche Produkte erst gar nicht entwickelt werden.

Hinzu kommt, dass eine produkthaftungsrechtliche Überbe-wertung von Maßnahmenempfehlungen und Sicherheitsin-formationen nicht im Sinne der Patientensicherheit liegen dürfte. Denn letztlich würde derjenige Hersteller begünstigt, der keine Sicherheitsinformationen zu seinen Produkten her-ausgibt. Medizinprodukteunternehmen mit einem insoweit geringeren Qualitätsanspruch könnten zunächst darauf hof-fen, dass die befürchtete Komplikation bei den Produkten der Serie nicht auftritt. Selbst wenn die Funktionsstörung eintritt, müsste der Patient einen Rückschluss von der Funk-tionsstörung auf das Vorliegen eines Produktfehlers ziehen und im Rahmen eines Prozesses darlegen und beweisen.

Besonders patientenfreundliche Unternehmen mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein, die bereits bei einem äu-

kehrsfreiheit.24 Übertragen werden soll der „Verdachtsman-gelbegriff“ aber aus dem Gewährleistungsrecht, welches auf den Vorschriften der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie25 be-ruht, die vor allen anderen Zielen den Verbraucherschutz nennt.26 Die Schutzzwecke der Regelungen sind also nur in Teilbereichen kongruent.

Die Ansprüche aus dem ProdHaftG stehen zudem gem. § 15 Abs. 2 ProdHaftG neben den Ansprüchen aus Vertrag und Delikt. Ein solches zusätzlich installiertes und abschließend gestaltetes Haftungsregime kann nur in äußerst engen Gren-zen weiter unter Zuhilfenahme systemfremder Erwägungen erweitert werden, zumal mit § 3 ProdHaftG bereits ein sehr weiter Fehlerbegriff geschaffen wurde.

c) Rechts- und wirtschaftspolitische Erwägungen

Schließlich sprechen auch rechts- und wirtschaftspolitische Erwägungen gegen eine solche Übertragung. Die Produkt-haftungsrichtlinie und das ihre Bestimmungen in Deutsch-land umsetzende ProdHaftG wurden als zusätzliches Haf-tungsregime geschaffen, um die mit einer modernen tech-nischen Produktion verbundenen Risiken einer gerechten Zuweisung im Rechtsverkehr zuzuführen. Damit trägt der Gesetzgeber der zunehmenden Herausbildung von Liefer-ketten in der Industrie Rechnung. Die Bestimmungen des ProdHaftG sollen die meist fehlende vertragliche Beziehung von Hersteller und Verbraucher kompensieren. Die Einfüh-rung einer verschuldensunabhängigen Haftung ging hierbei klar zu Lasten des Herstellers. In einem Interessenausgleich wurde dies durch den Gesetzgeber unter anderem mit den im Wortlaut eindeutigen § 1 Abs. 4 ProdHaftG insofern gemil-dert, dass den Geschädigten die Beweislast für die Fehler-haftigkeit des Produkts trifft. Der Gesetzgeber hat dies ausdrücklich mit dem „Prinzip der Waffengleichheit“ be-gründet.27 Im Falle eines „Fehlerverdachts“ wird dieser Inte-ressenausgleich jedoch aufgehoben, da der Geschädigte den Beweis für die Fehlerhaftigkeit des konkreten Produkts praktisch nicht mehr antreten muss. Damit würde das ProdHaftG in die Nähe einer rechtspolitisch unangemes-senen und vom Gesetzgeber nicht gewollten reinen Kausal-haftung für das bloße Inverkehrbringen von Produkten rücken.28 Der Hersteller würde letztlich für ein fehlerfreies Produkt haften.

Insgesamt sprechen daher erhebliche Bedenken gegen die Übertragung der Grundsätze der Sachmängelhaftung auf die Bestimmung eines Produktfehlers.

III. ZusammenfassungDie Annahme eines Fehlers im Sinne des Produkthaftungsge-setzes für ein Produkt, allein aus dem Grund, weil es einer Serie von Produkten angehört, für die der Hersteller eine Maßnahmenempfehlung oder Sicherheitsinformation her-ausgegeben hat, ist rechtsdogmatisch wie rechtspolitisch be-denklich. Die hierzu ergangenen Urteile in den unteren Ins-tanzen sind in ihrer Begründung wenig überzeugend. Der

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Wrage-Molkenthin, Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des Abnehmers | AUFSÄTZE

* Die Verfasserin ist Rechtsanwältin in der Sozietät CMS Hasche Sigle in Hamburg.

1 Der Beschluss des Bundeskartellamts ist auf S. 168 ff. in diesem Heft ver-öffentlicht.

2 Beschluss vom 14. Oktober 2009, B 3 -69/08 „Phonak“, abrufbar unter www.bundeskartellamt.de (Kartellverbot/ArchivEntscheidungen).

3 Siehe Pressemeldung des Bundeskartellamtes vom 14. Januar 2010, ab-rufbar unter www.bundeskartellamt.de(Presse/Pressemeldungen 2010).

4 Der Begriff „Lieferant“ wird hier im Sinne von „Warenlieferant“ verwen-det. „Lieferant“ können sowohl der Hersteller als auch Großhändler in ihrer Funktion als Warenlieferant von Einzelhändlern sein.

5 Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen § 1 GWB stellt eine Ord-nungswidrigkeit dar, die mit Geldbuße bedroht ist. Das Höchstmaß der Geldbuße gegen eine natürliche Person beträgt 1 Mio. Euro. Die Geldbu-ße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen kann bis zu 10 % seines im vorausgegangenen Geschäftsjahres erzieltes Gesamt-umsatzes betragen (§ 81 Abs. 4 GWB).

Es bleibt im Rahmen etwaiger Revisionsverfahren abzuwar-ten, welchen Stellenwert der Bundesgerichtshof Maßnah-menempfehlungen und Sicherheitsinformationen im Kontext produkthaftungsrechtlicher Ansprüche zuschreiben wird.

Anschrift des Verfassers:Rechtsanwalt Marc Oeben LL.M.Clifford ChanceKönigsallee 5940215 Dü[email protected]

ßerst geringen Verdacht eines Sicherheitsrisikos eine Maß-nahmenempfehlung herausgeben, tragen ein ungleich höhe-res Haftungsrisiko und wären insoweit benachteiligt. Wenn bereits die Zugehörigkeit zu einer Produktserie, für die eine Sicherheitsinformation vorliegt, ausreicht, um einen haf-tungsbegründenden Produktfehler zu bejahen, würden ver-antwortungsbewusste Unternehmen für ihren hohen Sicher-heitsanspruch gleichsam abgestraft. Dies wird besonders deutlich in den Fällen, in denen Unternehmen aufgrund der eigenen Qualitätsanforderungen ein Produkt sogar vom Markt nehmen.

Mit Beschluss vom 25. September 2009 verhängte das Bun-deskartellamt ein Bußgeld von 11,5 Mio. Euro gegen einen Kontaktlinsenhersteller, dem neben einer unzulässigen Be-schränkung des Internethandels für bestimmte Kontaktlinsen der eigenen Marke unzulässige Einflussnahmen auf den Wie-derverkaufspreis des Handels vorgeworfen wurde. Nur kurze Zeit darauf erlegte das Bundeskartellamt ein Bußgeld in Höhe von 4,2 Mio. Euro einem Hörgerätehersteller auf, der einem Abnehmer Nachteile in Form von Liefersperren ange-droht und zugefügt hatte, um ihn zur Einhaltung eines ge-wissen Preisniveaus beim Wiederverkauf seiner Hörgeräte zu veranlassen2. Wiederum nur drei Monate später ging das Bundeskartellamt durch eine groß angelegte Durchsuchungs-aktion bei elf Lebensmittelhandelsunternehmen und vier Markenartikelherstellern dem Verdacht nach, dass sich Her-steller und Handel über die Endverbraucherpreise für Kaffee, Süßwaren und Tierfutter abgestimmt haben könnten3.

Einflussnahmen des Lieferanten4 auf die Wiederverkaufs-preise seines Abnehmers, seien sie einvernehmlich abge-stimmt oder Konsequenz einer einseitigen Androhung von Nachteilen wie einer Liefersperre, stehen also im Blickpunkt des Bundeskartellamtes, und es besteht in Anbetracht der Bußgeldbescheide in Sachen „Ciba Vision“ und „Phonak“ nicht zuletzt für die Medizinproduktebranche aller Anlass, sich die geltenden kartellrechtlichen „Spielregeln“ und die bei Verstößen drohenden Sanktionen5 zu vergegenwärtigen.

I. Die gesetzlichen RahmenbedingungenEs gehört zu den zentralen Elementen von Preiswettbewerb im Handel mit Gütern, dass die Unternehmen des Groß- und Einzelhandels ihre Wiederverkaufspreise auf der Grundlage der verhandelten Abgabepreise des Lieferanten und der eige-nen Preispolitik selbst festsetzen und das wirtschaftliche Risiko ihrer Preispolitik selbst tragen. Bei jeder Verständi-gung zwischen Lieferant und Abnehmer, die sich auf den Wiederverkaufspreis des Abnehmers bezieht, handelt es sich um eine so genannte Kernbeschränkung des Wettbewerbs. Solche sog. vertikalen Preisabstimmungen sind kartellrecht-lich ebenso verboten wie horizontale Preiskartelle.

Im Fokus des Bundeskartellamtes: Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufs-preise des Abnehmers– Zugleich Anmerkung zu dem Beschluss des Bundeskartellamtes vom 25. September 2009 „Ciba Vision“1 – Rechtsanwältin Dr. Heidi Wrage-Molkenthin*

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AUFSÄTZE | Wrage-Molkenthin, Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des Abnehmers

6 BGBl. I 2005, Seite 2114. 7 § 14 GWB a.F.; sog. Preisbindung der zweiten Hand. 8 Sog. vertikale Verhaltensabstimmungen. Die ebenfalls verbotenen Ver-

haltenskoordinierungen zwischen Wettbewerbern werden als horizon-tale Verhaltensabstimmungen bezeichnet.

9 So der Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 47 mit Hinweis auf das eine Verhaltensabstimmung zwischen Wettbewerbern betreffende Ur-teil des EuGH vom 4. Juni 2009, C-8/08, T-Mobile Netherlands.

10 § 1 GWB erfasst Vereinbarungen und Verhaltensabstimmungen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken: Der wettbe-werbsschädliche Erfolg muss, wenn er bezweckt war, nicht eingetreten sein, und er muss, wenn er bewirkt wurde, nicht bezweckt gewesen sein.

11 §§ 22, 23 GWB a.F. 12 C-8/08, T-Mobile Netherlands, Slg. der Rechtsprechung des EuGH 2009,

S. I – 04529.13 Durch eine Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) werden bestimmte

typisierte Gruppen von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen unter den in der GVO im einzelnen genannten Voraussetzungen vom Kartellverbot ausgenommen.

14 Im Folgenden so genannte Vertikal-GVO; Verordnung (EU) Nr. 330/2010, Amtsblatt der Europäischen Union L 102/1 vom 23. April 2010. Die Europä-ische Kommission hat in diesem Zusammenhang auch neue Leitlinien für vertikale Beschränkungen verabschiedet; s. Amtsblatt der Europäi-schen Union C 130/1 vom 19. Mai 2010.

15 Dies gilt unbeschadet der Möglichkeit des Anbieters, Höchstverkaufs-preise festzusetzen oder Preisempfehlungen auszusprechen, sofern sich diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von An-reizen durch eines der beteiligten Unternehmen wie Fest- oder Mindest-verkaufspreise auswirken, Art. 4 lit. a) der Vertikal-GVO.

ten Leitlinien der Kommission vom 13. Oktober 2000 zu-grunde. Auch nach der neuen Vertikal-GVO muss es jedem Händler prinzipiell erlaubt sein, das Internet für den Verkauf von Produkten zu nutzen. Während nach der alten Vertikal-GVO eine Marktanteilsschwelle von 30 % nur für den Anbie-ter galt, kommt es nach der neuen Vertikal-GVO sowohl auf den Marktanteil des Anbieters als auch des Abnehmers an. Eine Freistelllung wettbewerbsbeschränkender Abstimmun-gen (wenn auch nicht sog. Kernbeschränkungen) kommt da-nach nur in Betracht, wenn der Anteil des Anbieters an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder Dienst-leistungen anbietet, und der Anteil des Abnehmers an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienst-leistungen bezieht, jeweils nicht mehr als 30 % beträgt.

3. Verboten: Anwendung von Droh- und Lockmitteln

Die Androhung von Nachteilen mit dem Ziel, Abnehmer zu einem Verhalten zu veranlassen, das als Gegenstand einer ver-traglichen Bindung unter § 1 GWB fallen würde, erfüllt als einseitige Maßnahme zwar nicht den Tatbestand des Kartell-verbots. Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinba-rungen und Verhaltensabstimmungen wird aber durch § 21 Abs. 2 GWB gegen eine Umgehung durch die Anwendung von Druck- oder Lockmittel geschützt: Unternehmen dürfen ande-ren Unternehmen keine Nachteile androhen oder zufügen und auch keine Vorteile versprechen oder gewähren, um sie zu einem Verhalten zu veranlassen, das nach dem GWB nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Bindung gemacht werden darf. Die Anwendung von Druck- oder Lockmitteln ist also auch dann wettbewerbswidrig, wenn der Einsatz dieser Mittel nicht zu einer nach § 1 GWB unzulässigen Verhaltensabstim-mung führt. Wie der Bußgeldbescheid vom 25. Septem-ber 2009 zeigt, liegt die Schwelle von der nur einseitigen unzu-lässigen Maßnahme zur unzulässigen Verhaltensabstimmung aus der Sicht des Bundeskartellamtes allerdings sehr niedrig.

1. Verboten: Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensabstimmungen „zwischen Unternehmen“

Bis zur 7. Gesetzesnovelle im Jahre 20056 enthielt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (im Folgenden kurz: GWB) ein ausdrückliches Verbot von Verträgen zwischen Un-ternehmen, die einen Vertragsbeteiligten in der Freiheit der Gestaltung von Preisen bei solchen Vereinbarungen be-schränkte, die er mit Dritten über die gelieferten Waren schloss7. Mit der im Zuge der 7. GWB-Novelle erfolgten An-gleichung des deutschen an das europäische Kartellrecht wurde § 14 GWB aufgehoben. Zugleich wurde das Tatbe-standsmerkmal „zwischen miteinander im Wettbewerb ste-henden Unternehmen“ im Kartellverbot (§ 1 GWB) gestri-chen. Seitdem sind alle wettbewerbsbeschränkenden Verein-barungen „zwischen Unternehmen“ und damit auch solche zwischen Angehörigen unterschiedlicher Wirtschaftsstufen8 grundsätzlich verboten. Gleiches gilt für abgestimmte Verhal-tensweisen, d.h. jede Form der Koordinierung, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrages gediehen ist, die aber be-wusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt9. Auch Kon-taktaufnahmen zwischen einem Lieferanten und einem Ab-nehmer, die eine Verständigung auf das künftige Preisverhal-ten des Abnehmers bezwecken oder bewirken10, sind danach am allgemeinen Kartellverbot zu messen. Dasselbe gilt für Preisempfehlungen, nachdem auch die früheren Vorschriften zu den zulässigen und unzulässigen Formen von Empfehlun-gen11 im Zuge der 7. GWB-Novelle gestrichen wurden. Dass selbst eine nur einmalige Kontaktaufnahme ausreichen kann, um es den beteiligten Unternehmen zu ermöglichen, die Unsi-cherheit über das künftige Marktverhalten des oder der ande-ren (sog. Geheimwettbewerb) zu reduzieren und damit ihr Marktverhalten abzustimmen, hat der Europäische Gerichts-hof in einem Urteil vom 4. Juni 200912 entschieden.

2. Keine Freistellung vom Kartellverbot für „Kernbeschränkungen“

Eine Freistellung von dem Verbot des § 1 GWB kommt auch für vertikale Verhaltensabstimmungen nur in Betracht, wenn die in § 2 GWB genannten Voraussetzungen erfüllt sind, die fraglichen Verhaltensweisen also etwa unter eine europäische Gruppenfreistellungsverordnung13 fallen (§ 2 Abs. 2 GWB). Eine neue Gruppenfreistellungsverordnung, die vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zugute kommt, hat die Europäische Kommission im April 2010 er-lassen14. Die Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, stellt allerdings auch danach grundsätzlich eine Kernbeschränkung dar, die zum Ausschluss des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung führt15. Auch die Beschränkung des Internehandels wertet das Bundeskartellamt in dem Ciba Vision-Beschluss als eine schwerwiegende (Kern-)Wettbewerbsbeschränkung, für die eine Freistellung nach § 2 GWB nicht in Betracht kommt. Das Bundeskartellamt legte seiner Entscheidung noch die Verti-kal-GVO (EG) Nr. 2790/1999 sowie die hierzu verabschiede-

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Wrage-Molkenthin, Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des Abnehmers | AUFSÄTZE

16 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 57.17 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 40.18 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 39.19 Beschluss vom 25. September 2009, Tzn. 56 ff., insbesondere Tz. 60.20 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 47.21 Dass es auch nach der Streichung des § 23 GWB a.F. kein generelles Ver-

bot unverbindlicher Preisempfehlungen gibt, hält das Bundeskartellamt in Tz. 43 des Beschlusses ausdrücklich fest. Gemäß § 23 GWB a.F. galt das Empfehlungsverbot des § 22 GWB a.F. nicht für unverbindliche Preisemp-fehlungen eines Unternehmens für die Weiterveräußerung seiner Mar-kenwaren, die mit gleichartigen Waren anderer Hersteller im Preiswett-bewerb stehen, wenn die Empfehlungen (1) ausdrücklich als unverbind-lich bezeichnet sind, ausschließlich eine bestimmte Preisangabe enthal-ten und zu ihrer Durchsetzung kein wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder sonstiger Druck angewendet wird, und (2) in der Erwartung ausge-sprochen werden, dass der empfohlene Preis dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis entspricht.

22 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 56.23 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 44, Tz. 53.24 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 45; entsprechend auch schon im

Bußgeldbescheid vom 8. April 2009 gegen die Microsoft Deutschland GmbH (siehe Pressemeldung vom 8. April 2009, abrufbar unter www.bundeskartellamt.de(Presse/Pressemeldungen/Archiv).

25 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 48.

eines Vertrages im eigentlichen Sinne gediehen ist, die aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt“20.

3. Erneute Thematisierung der UVP

Den Einwand der Verteidigung, dass unverbindliche Preis-empfehlungen als lediglich einseitige Handlungen für sich ge-nommen nicht den Tatbestand des § 1 GWB erfüllen und dass allein die Befolgung einer unverbindlichen Preisempfehlung durch die Adressaten keinen ausreichenden Nachweis einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise darstellen kann, ließ das Bundeskartellamt ungeachtet der auch im Be-schluss vom 25. September 2009 anerkannten grundsätzli-chen Zulässigkeit unverbindlicher Preisempfehlungen21 nicht gelten. Wenn eine unverbindliche Preisempfehlung mit der Ausübung von Druck verbunden wird, so sei dies ein Indiz dafür, dass eine nach dem GWB verbotene Vereinbarung oder Verhaltensabstimmung vorliegt oder zumindest herbeigeführt werden soll22. Die Schwelle für die Annahme einer Druckaus-übung legt das Bundeskartellamt dabei sehr niedrig: Jede Kontaktaufnahme, die über die reine Übermittlung von un-verbindlichen Preisempfehlungen hinausgeht und diesen durch nachträgliche und erneute Thematisierung – insbeson-dere mit Blick auf das bisherige Preissetzungsverhaltens des Händlers – Nachdruck verleiht, bilde einen Versuch der Ein-flussnahme, welcher die Unverbindlichkeit der Empfehlung und damit die Preissetzungsfreiheit des Abnehmers in Frage stellt und als unzulässige Druckausübung zu qualifizieren sei23. Kommt es durch eine solche Kontaktaufnahme zu einer Abstimmung in der Weise, dass sich der Lieferant um die Ko-ordinierung der Preisgestaltung des Händlers bemüht und sich Händler und Lieferant auf diese Weise über das künftige Vorgehen des Händlers verständigen, so liege eine verbotene Vereinbarung oder Verhaltensabstimmung vor24.

Dass es die Nebenbetroffene nicht bei einer einmaligen blo-ßen Herausgabe von unverbindlichen Preisempfehlungen be-lassen wollte, indiziere im übrigen bereits der intern verwen-dete Begriff der „Preispflege“: „Pflege“ beinhalte „notwen-dig ein Element der aktiven Einflussnahme“25.

II. Die mit dem Beschluss vom 25. September 2009 sanktionierten Einflussnahmen auf den Wiederverkaufspreis

1. „Preispflegemaßnahmen zur VK-Preisstabilisierung“

Das von dem Bußgeldbescheid vom 25. September 2009 be-troffene Unternehmen (im Bußgeld bezeichnet als „die Ne-benbetroffene“) betrieb ein Überwachungssystem, in dessen Rahmen mehrere Mitarbeiter damit befasst waren zu kont-rollieren, zu welchen Preisen Hörgeräte der eigenen Marke von Händlern im Internet (weiter-)verkauft wurden. Interne Dokumente zur Internetstrategie des Unternehmens sahen „Preispflege“-Maßnahmen zur „VK-Preisstabilisierung im Internetkanal“ vor, darunter „klare empfohlene Verkaufs-preise“ und zeitlich begrenzte Aktionspreisempfehlungen an die Internethändler, diese verbunden mit dem Hinweis, „nach der Aktion die Preise wieder hochzunehmen“. Internethänd-lern, die sich ausdrücklich oder konkludent dazu bereit er-klärt hatten, eine „Hochpreisstrategie“ einzuschlagen, d.h. nur in gewissem Umfang von den praktizierten unverbindli-chen Preisempfehlungen abzuweichen, wurden Vorteile wie besondere Einkaufskonditionen oder Unterstützung bei Marketing-Maßnahmen zugesagt bzw. gewährt. Entspra-chen die Wiederverkaufspreise hingegen nicht dem ge-wünschten Niveau, nahmen Mitarbeiter des Unternehmens das Gespräch mit den „Preisabweichlern“ auf. Ziel dieser Gespräche war es jeweils, die Händler zu einer Annäherung ihrer Abgabepreise an die unverbindliche Preisempfehlung und zur Einhaltung eines gewissen Preisniveaus zu bewegen. Als „Maßnahme der Preispflege“ wurde in diesem Zusam-menhang eine Rohertragsargumentation angeführt sowie auf die Erfolgsstory erfolgreicher – hochpreisiger – Internet-Shops hingewiesen. Im Anschluss an solche Gespräche hat-ten Abnehmer nach den Feststellungen des Bundeskartellam-tes ihre Preise für Produkte heraufgesetzt und so an die un-verbindliche Preisempfehlung angenähert16.

2. Anhebung der VK-Preise: Nachweis der Verhaltensabstimmung

Das Bundeskartellamt bewertete die geschilderten „Preispflege“-Maßnahmen als ein gegen das Kartellverbot verstoßendes – nicht nach § 2 GWB freistellungsfähiges17 – „Bündel von Maßnahmen zur Preisstabilisierung“18. Das Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltens-weise sah das Bundeskartellamt unmittelbar dadurch belegt, dass Abnehmer im Anschluss an Gespräche mit Mitarbeitern der Nebenbetroffenen ihre Preise heraufgesetzt und so an die unverbindliche Preisempfehlung angenähert hatten. Allein hierin liege ein hinreichender Nachweis für das Vorliegen einer – auch stillschweigend möglichen – Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise19, die das Bundeskar-tellamt entsprechend der eingangs schon erwähnten gängi-gen Formel des Europäischen Gerichtshofes in jeder Form der Koordinierung sieht, „die zwar nicht bis zum Abschluss

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AUFSÄTZE | Wrage-Molkenthin, Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des Abnehmers

26 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 56. 27 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 61.28 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 62.29 Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 63.30 Siehe Pressemeldung des Bundeskartellamtes vom 25. September 2009

(www.bundeskartellamt.de[Presse/ArchivPressemeldungen/Pressemel-dungen 2009).

31 Siehe Fußnote 2.32 Siehe Pressemeldung des Bundeskartellamtes vom 14. Januar 2010, ab-

rufbar unter: www.bundeskartellamt.de(Presse/Pressemeldungen2010). 33 Eine solche Koordination im Dreiecksverhältnis bezeichnet das Bundes-

kartellamt auch mit dem Begriff „Hub & Spoke“. Gemeint sind damit Fälle, in denen eine unmittelbare Kommunikation zwischen Handelsun-ternehmen und Lieferanten (dem Zentralknoten bzw. der Nabe = Hub) mittelbar eine horizontale Abstimmung über Preise zwischen den Han-delsunternehmen (= den durch Speichen [=Spoke] verbundenen Endkno-ten) bewirkt. Beispiel: Ein Händler teilt dem Lieferanten auf eine Thema-tisierung seiner Wiederverkaufspreise mit, dass er zur Anhebung seiner Preise bereit ist, wenn seine Wettbewerber X und Y dies ebenfalls tun. Der Lieferant setzt sich auch bei X und Y entsprechend ein. Es kommt zu einer horizontalen (Kern-) Wettbewerbsbeschränkung, ohne dass die Händler unmittelbar miteinander kommuniziert haben.

34 Siehe etwa Lebensmittelzeitung vom 19. Februar 2010 „Branche im Stress“. Siehe auch das „Handelsblatt“ vom 15. Januar 2010: „Razzien er-schüttern den Handel“ sowie die Süddeutsche Zeitung vom 16. Januar 2010: „Eine Branche unter Verdacht“ und Der Tagesspiegel vom 15. Januar 2010: „Handel unter Generalverdacht“.

worden. Auch der kurz darauf von dem Bundeskartellamt er-lassene Bußgeldbescheid in Sachen „Phonak“, in dem es eben-falls um den Vorwurf einer rechtswidrigen – dort durch die Ausübung von Druck in Form der Androhung von Liefersper-ren veranlassten – Einflussnahme auf die Wiederverkaufsprei-se von Händlern ging31, wurde ohne weiteres rechtskräftig.

Die schon danach begründete Erwartung, dass das Verhältnis zwischen Lieferanten und Händlern in Bezug auf den Wieder-verkaufspreis weiterhin im Visier des Bundeskartellamtes ste-hen würde, bestätigte sich alsbald: Nur wenige Wochen nach Eintritt der Rechtskraft der Bußgeldbescheide in Sachen „Ciba Vision“ und „Phonak“ kam es am 14. Januar 2010 zu einer groß angelegten Durchsuchungsaktion des Bundeskar-tellamtes bei Einzelhandelsunternehmen und Herstellern von Markenartikeln32. Auch in dem dadurch eingeleiteten Ermitt-lungsverfahren geht das Bundeskartellamt dem Verdacht von vertikal abgestimmten Preisen und von Verstößen gegen § 21 Abs. 2 GWB nach und ermittelt, ob es durch Einflussnahmen auf den Wiederverkaufspreis zugleich zu einer Koordination von Endverbraucherpreisen zwischen Unternehmen des Le-bensmitteleinzelhandels gekommen ist33.

Im Blickpunkt des Interesses des Bundeskartellamtes in die-sem Verfahren stehen auch vertragliche Klauseln und Prakti-ken, die zwischen Lebensmittelhandelsunternehmen und Lie-feranten bisher durchaus üblich waren. Die Verfahrenseinlei-tung führte deshalb zu erheblicher Verunsicherung in der Branche34. Klärungsbedarf entstand insbesondere bei denje-nigen von dem Verfahren betroffenen Unternehmen, die sich zu einer Kooperation mit dem Bundeskartellamt entschlos-sen hatten und deshalb sicherstellen wollten, ein von dem Bundeskartellamt als unrechtmäßig angesehenes Verhalten unverzüglich zu beenden.

Der von diesen Unternehmen geäußerten Bitte um eine recht-liche Einschätzung zu bestimmten Verhaltensweisen hat das

Auch das praktizierte System zur Überwachung der Verkaufspreise im Internet wirkte sich zu Lasten des betroffe-nen Unternehmens aus. Das Monitoring war Teil der „Preispflege“-Strategie, da es der Nebenbetroffenen eine Identifizierung der „Preisabweichler“ überhaupt erst ermög-lichte. Wer aber nicht plane, auf Einhaltung einer Abrede zu dringen bzw. in sonstiger Weise koordinierenden Einfluss zu nehmen, brauche – so das Bundeskartellamt – kein umfassen-des Überwachungs- und Interventionssystem, und er brauche mit dem Abnehmer auch nicht zu kommunizieren, dass seine Weiterverkaufspreise beobachtet werden und dass und warum eine Anhebung dieser Preise für ihn vorteilhaft wäre26.

4. Abstimmung des Preisverhaltens der Händler untereinander

Auch der Verweis der Verteidigung darauf, dass Händler, die ihre Verkaufspreise im Anschluss an eine Kontakt aufnahme heraufgesetzt hatten, sich lediglich von der Erfolgsstory hochpreisiger Shops hatten überzeugen lassen bzw. erst durch das Gespräch die Möglichkeit der Gewinnmaximie-rung erkannt und daraufhin autonom genutzt hätten, über-zeugte das Bundeskartellamt nicht. Er gab dem Bundeskar-tellamt vielmehr Anlass zu betonen, dass sich aus Einwirkun-gen der Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise von Ab-nehmern zugleich eine Abstimmung des Preisverhaltens der Händler untereinander ergeben kann. So könnten hochprei-sige Shops naturgemäß insbesondere dann erfolgreich sein, wenn der Preiswettbewerb auch im Horizontalverhältnis der Händler untereinander außer Kraft gesetzt ist27.

Darauf, dass die Nebenbetroffene Anlass hatte, sich um ein ab-gestimmtes Preisverhalten auch im Horizontalverhältnis der Händler untereinander zu bemühen, wiesen nach dem Be-schluss vom 25. September 2009 einige Beweismittel hin: So hatten sich Händler zu einer Anhebung ihrer Preise nur unter der Bedingung bereit erklärt, dass bestimmte andere Hersteller dies ebenfalls tun. Andere hatten sich über niedrige Internet-preise anderer Händler beschwert und gegenüber dem Hörge-rätehersteller damit gedroht, ihre eigenen Preise ebenfalls zu senken, wenn der andere Händler die seinen nicht anhebe28. Jedenfalls soweit die von dem Hersteller angesprochenen Händ-ler im Bewusstsein gemeinsamen Handels einer Preisempfeh-lung folgten, habe die Nebenbetroffene durch ihre „Preispfle-ge“ mithin auch eine abgestimmte Verhaltensweise im Hori-zontalverhältnis der Händler untereinander bewirkt, ohne dass diese selbst miteinander Kontakt aufnehmen mussten29.

III. Jüngste Äußerungen des Bundeskartellamtes zu vertikalen Preisabstimmungen

1. Das Bußgeldverfahren „vertikale Preisbindung“ in der Lebensmittelbranche

Gegen den Bußgeldbescheid vom 25. September 2009 ist, ob-wohl CibaVision den erhobenen Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestritten hat30, kein Einspruch eingelegt

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Wrage-Molkenthin, Einflussnahmen des Lieferanten auf die Wiederverkaufspreise des Abnehmers | AUFSÄTZE

35 Das Bundeskartellamt nimmt in diesem Schreiben Bezug auf die sog. Bo-nusregelung (Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Re-duktion von Geldbußen in Kartellsachen vom 7. März 2010; abrufbar unter www.bundeskartellamt.de[Merkblätter/Bonusregelung]). Die Bo-nusregelung stellt Kartellteilnehmern, die durch ihre Kooperation dazu beitragen, ein Kartell aufzudecken, einen vollständigen Erlass oder – je nach dem Zeitpunkt des Bonusantrags und der Bedeutung des Koopera-tionsbeitrags für das weitere Verfahren – einen Erlass oder eine Reduzie-rung der Geldbuße in Aussicht. Der Antragsteller muss mit dem Bundes-kartellamt während der gesamten Dauer des Verfahrens ununterbro-chen und uneingeschränkt zusammen arbeiten und insbesondere seine Teilnahme an dem Kartell nach Aufforderung durch das Bundeskartell-amt unverzüglich beenden. Ob die Bonusregelung unmittelbare Anwen-dung auch in Fällen vertikaler Verhaltensabstimmungen findet, soll hier nicht weiter vertieft werden. In jedem Fall spielt das „Nachtat-Verhalten“ im Rahmen des Opportunitätsprinzips (§ 47 OWiG) eine Rolle.

36 Vgl. Beschluss vom 25. September 2009, Tz. 62.37 Anders als die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren unterliegt das Bun-

deskartellamt nicht dem Legalitätsprinzip (§ 170 Abs. 2 StPO), sondern kann nach Maßgabe des Opportunitätsgrundsatzes (§ 47 Abs. 1 OWiG) über die Einleitung eines Kartellbußgeldverfahrens entscheiden.

nungen) gleichermaßen. Vorteile zur Durchsetzung von unzu-lässigen Preisbindungen können beispielsweise Marken- oder Preispflegerabatte, Aktionspreisunterstützungen und Rück-vergütungen sein, die der Lieferant für die Einhaltung seiner Vorstellungen zum Wiederverkaufspreis an den Händler zahlt. Auch die Zusage und Gewährung von Spannenaus-gleichszahlungen, die bei Erhöhung der Abgabepreise des Lie-feranten eine gleichzeitige Erhöhung der Wiederverkaufsprei-se bezwecken, fällt in diese Kategorie, während umgekehrt die von dem Abnehmer gegebenenfalls erhobene Forderung eines Spannenausgleichs im Rahmen einer Gesamtbetrach-tung die Androhung eines Nachteils zur Durchsetzung einer Abstimmung über den Wiederverkaufspreis darstellt.

3. „Riskantes Verhalten“

Vorsicht ist nach dem Schreiben vom 13. April 2010 aber auch geboten bei Praktiken, die für sich genommen nicht ausreichen mögen, eine Preisbindung oder horizontale Ab-stimmung herbeizuführen. Auch solche Praktiken können Indizien sein und in einem Gesamtkontext und einer Ge-samtbetrachtung durchaus unter das Verbot der vertikalen Preisbindung oder unzulässigen Druckausübung bzw. Vor-teilsgewährung fallen. In jedem Fall zu unterlassen sind sol-che Maßnahmen, wenn sie verbotene Maßnahmen verstär-ken und unterstützen oder zu deren Durchsetzung dienen. Gleiches gilt, wenn sie in Bündelung auftreten.

Als Beispiel für ein jedenfalls „riskantes“ Verhalten nennt das Schreiben des Bundeskartellamtes eine Thematisierung des Wiederverkaufspreises durch den Lieferanten, die über die erstmalige Übermittlung von unverbindlichen Preisempfeh-lungen und die grundsätzliche Erklärung der Strategie im Hin-blick auf die Positionierung und Vermarktung von Produkten hinausgeht. Es bleibt mithin auch nach dem Beschluss vom 25. September 2009 bei der Einschätzung des Bundeskartell-amtes, dass jede auf den Wiederverkaufspreis bezogene Kon-taktaufnahme des Lieferanten zum Händler, die über die reine Übermittlung von unverbindlichen Preisempfehlungen hinaus-geht und diesen durch eine nachträgliche und erneute Thema-tisierung Nachdruck verleiht, ein erhebliches Risiko birgt, dies insbesondere, wenn dabei (ausdrücklich oder konkludent) auf das bisherige Preissetzungsverhalten des Händlers Bezug ge-nommen wird. Im Rahmen einer Gesamtschau können nach der im Schreiben vom 13. April 2010 mitgeteilten Auffassung

Bundeskartellamt mit einem Schreiben vom 13. April 201035 entsprochen. Das Bundeskartellamt betont hierin die Vorläu-figkeit der vorgenommenen Bewertung, die im übrigen nicht ohne weitere Prüfung auf andere Verfahren und andere Bran-chen übertragbar sei. Unverkennbar ist allerdings, dass das Bundeskartellamt die insbesondere in dem Verfahren „Ciba Vision“ eingeschlagene strikte Bewertung von Einflussnah-men auf den Wiederverkaufspreis konsequent fortentwickelt. Auch für Unternehmen außerhalb der Lebensmittelbranche ist eine Beachtung der in dem Schreiben vorgenommenen Be-wertung deshalb unbedingt sinnvoll. Dabei richtet sich der Rat des Bundeskartellamtes, dass die im einzelnen aufgeführ-ten Praktiken von den Unternehmen und ihren Anwälten sorgfältig auf ihre kartellrechtliche Zulässigkeit überprüft werden sollten, für Lieferanten und Abnehmer gleicherma-ßen. Das Verbot wettbewerbsrechtlicher Vereinbarungen und Verhaltensabstimmungen gilt für jeden daran Beteiligten, und Verhaltensweisen, die (mittelbar) eine Preisabstimmung auf horizontaler Ebene bezwecken oder bewirken, begründen na-turgemäß ein besonderes rechtliches Risiko der Handelsun-ternehmen. Dass es in der Sache „Ciba Vision“ nicht zu einer Bußgeldverhängung gegen solche Händler gekommen ist, die sich bei dem Hersteller über niedrige Preise anderer Händler beschwert und damit gedroht hatten, ihre eigenen Preise ebenfalls zu senken, wenn der andere Händler nicht zu einer Anhebung seiner Preise veranlasst wird36, dürfte lediglich den Umständen des Einzelfalles geschuldet sein37. So war Initiator der vertikalen Preisabstimmungen praktisch ausschließlich die im Vergleich zu den Internethändlern wirtschaftlich über-mächtige Lieferantin. Dies ändert aber nichts daran, dass ins-besondere die Androhung von Nachteilen zur Durchsetzung einer Preisabstimmung durchaus auch von dem Abnehmer ausgehen kann. Naheliegend ist dies insbesondere in Fällen, in denen ein Händler die Einhaltung eines bestimmten Wie-derverkaufspreises davon abhängig macht, dass sich auch seine Wettbewerber an diesen Preis halten, oder etwa eine Senkung seines Verkaufspreises, eine Auslistung oder eine einseitige Kürzung von Rechnungen für den Fall ankündigt, dass der Lieferant nicht für „Preisdisziplin“ sorgt.

2. „In der Regel unzulässig“

In dem Schreiben vom 13. April 2010 benennt das Bundes-kartellamt eine Reihe von Praktiken, die nach vorläufiger Be-wertung kartellrechtlich in der Regel unzulässig sind, weil sie für sich genommen die Vereinbarung oder Abstimmung von Wiederverkaufspreisen oder eine nach § 21 Abs. 2 GWB un-zulässige einseitige Druckausübung oder Vorteilsgewährung darstellen. Hierzu zählen die einvernehmliche Festsetzung des Wiederverkaufspreises ebenso wie Abmachungen über die Handelsmarge oder die Gewährung von Spannengarantien als Ausgleich für eine Erhöhung der Wiederverkaufspreise. Gleiches gilt für die Unterstützung von Werbeaktionen des Handels, wenn diese mit einer Abstimmung über konkrete Aktionspreise einhergeht. Als Nachteile zur Durchsetzung von unzulässigen Preisbindungen nennt das Schreiben des Bundeskartellamtes Maßnahmen des Herstellers (z.B. Auslis-tungen, Konditionsverschlechterungen und die Beendigung, Verzögerung, Aussetzung oder Beschränkung von Lieferun-gen) und des Abnehmers (z.B. einseitige Kürzung von Rech-

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AUFSÄTZE | Esch, Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB V

Dass Verbot der Preisbindung der zweiten Hand hat in jüngs-ter Zeit in der Praxis des Bundeskartellamtes erheblich an Be-deutung gewonnen. Zentraler Aspekt der hierzu von dem Bundeskartellamt bereits abgeschlossenen als auch der noch laufenden Verfahren ist, die Freiheit des Handels bei der Ge-staltung des Verkaufspreises zu gewährleisten. Es ist zu er-warten, dass das Bundeskartellamt die mit den bisherigen Entscheidungen und Einschätzungen eingeschlagene ver-schärfte Praxis konsequent fortsetzen wird, wenn es zu Ein-flussnahmen auf die Preisgestaltungsfreiheit des Handels kommt, sei es durch – nach § 1 GWB verbotene – abgestimm-te Verhaltensweisen, sei es durch – nach § 21 Abs. 2 GWB verbotene - einseitige Druckmaßnahmen, die sowohl vom Lieferanten als auch vom Abnehmer ausgehen können. Liefe-ranten und Abnehmer müssen deshalb in Konditionsverhand-lungen und im sonstigen Umgang miteinander außerordentli-che Vorsicht walten lasen und sich der Preissetzungsfreiheit des Handels unbedingt bewusst sein. Verhaltensweisen fort-zuführen, deren Praktizierung nach Einschätzung des Bun-deskartellamtes jedenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrach-tung bedenklich sein könnten, kann in Anbetracht der enor-men Bußgeldrisiken im Fall von Kartellverstößen existenzge-fährdende Folgen haben. Der Rat des Bundeskartellamtes, dass solche Verhaltensweisen von den Unternehmen und ihren Anwälten sorgfältig auf ihre kartellrechtliche Zulässig-keit hin zu prüfen ist, sollte deshalb dringend befolgt und der auf sonstige marktbezogene Verhaltensabstimmungen bezo-gene „Warn“-Hinweis unbedingt beachtet werden.

Anschrift der Verfasserin:Rechtsanwältin Dr. Heidi Wrage-MolkenthinCMS Hasche Sigle(Ab 07.06.2010 vorübergehend neue Anschrift:Millerntorplatz 1, 20359 Hamburg)Stadthausbrücke 1 - 3 20355 [email protected]

des Bundeskartellamtes selbst vom Lieferanten stammende Aufdrucke der unverbindlichen Preisempfehlung auf den Pro-dukten oder auf Verkaufshilfen „bedenklich“ sein.

Die Erstellung von Preisspiegeln durch Mitarbeiter des eigenen Unternehmens oder der Erwerb entsprechender Übersichten bei darauf spezialisierten Dienstleistern ist für sich genommen nicht unzulässig. Auch diese Übersichten dürfen nach Auffassung des Bundeskartellamtes aber weder von Lieferanten noch von Händlern anderen zur Verfügung gestellt werden, um z.B. ein bestimmtes „Marktpreisniveau“ zu belegen oder einzufordern.

Breiten Raum nimmt in dem Schreiben vom 13. April 2010 das auch in dem Ciba Vision-Beschluss angesprochene Thema ein, dass vertikale Preisbindungen „regelmäßig“ auch eine (horizontale) Auswirkung auf das Preissetzungsverhalten der Händler untereinander haben. Sofern hiermit eine Preisverein-heitlichung zwischen den Handelsunternehmen bezweckt oder auch nur bewirkt wird, ist insbesondere die teilweise oder voll-ständige Offenlegung der Konditionen, die ein Lieferant mit einem konkurrierenden Handelsunternehmen vereinbart hat, in der Regel unzulässig. Gleiches gilt für Meistbegünstigungs-klauseln oder vergleichbare Übereinkünfte, die auf ein einheit-liches Preisniveau im Groß- bzw. Einzelhandel abzielen.

4. Abstimmung des Sortiments

Mit dem Hinweis darauf, dass Handelsunternehmen mit ihren Lieferanten auch nicht „das Sortiment, die Verkaufs-strategie oder die Werbung“ abstimmen dürfen, soweit dies dem Zweck der mittelbaren oder unmittelbaren Abstim-mung solcher Maßnahmen mit anderen Handelsunterneh-men dient, verlässt das Schreiben vom 13. April 2010 den Bereich der auf den Wiederverkaufspreis bezogenen Abstim-mungen. Gleichwohl sollten insbesondere Lieferanten, die das Category Management für (konkurrierende) Abnehmer betreiben bzw. Abnehmer, die einen Lieferanten als Category Captain für eine bestimmte Warengruppe eingesetzt haben, auch diesem Hinweis unbedingt Beachtung schenken.

Das zugrunde liegende Verfahren1 hat im Nachgang zum In-krafttreten der Neufassung von § 127 SGB V2 in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstruk-turen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Org-WG)3 im Markt erhebliche Aufmerksamkeit erregt. Am Ver-fahren selbst waren neben Antragstellerin und zehn gesetzli-chen Krankenkassen als Antragsgegnerinnen insgesamt 65 Beigeladene beteiligt. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob sog. Verhandlungsverträge mit Beitrittsmöglichkeit

* Der Verfasser ist Rechtsanwalt bei Osborne Clarke, Köln.1 Der Beschluss ist in der Ausgabe MPR 4/2010 auf S. 125 ff. veröffentlicht. 2 Vorschriften des SGB V, die nicht durch den Zusatz „a.F.“ als in der Fas-

sung des GKV-WSG gekennzeichnet sind, entsprechen der geltenden Fas-sung gemäß GKV-OrgWG.

3 Gesetz vom 15. Dezember 2008, BGBl. I 2626.

i.S.v. § 127 Abs. 2 und 2a SGB V ebenso der Ausschreibungs-pflicht nach dem EU-Vergaberechtsregime unterliegen wie die Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V. Die Entscheidung des

Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsver-trägen nach § 127 SGB V – Anmerkung zum Beschluss des LSG NRW vom 14.4.2010 – L 21 KR 69/09 SFBRechtsanwalt Dr. Oliver Esch*

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Esch, Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB V | AUFSÄTZE

4 Gesetz vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378, siehe dort Art. 1 Nr. 93. 5 Mit Inkrafttreten der geänderten Fassung der VgV durch Art. 1 der Verord-

nung vom 7.6.2010 (BGBl. I, S. 724) zum 11.6.2010 gilt nunmehr die Verga-be- und Vertragsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A) in der Fassung vom 20.11.2009 (Banz Nr. 196a vom 29.12.2009). Nachfolgend mit dem Zusatz „EG“ zitierte Bestimmungen der VOL/A entsprechen Abschnitt 2 der VOL/A in der Fassung vom 20.11.2009 (Bestimmungen für die Vergabe im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG).

6 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, Abl. EU Nr. L 134/114 vom 30.4.2004.

7 Vgl. BSG, Beschluss v. 22.4.2009, B 3 KR 2/09; LSG NRW, Beschluss v. 16.2.2009, L 21 KR 2/09 SFB; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.7.2008, VII-Verg 16/08; Beschluss v. 17.4.2008, VII-Verg 15/08; 3. Vergabekammer des Bundes, Beschluss v. 18.12.2008, VK 3-164/08; Beschluss v. 9.6.2008, VK 3-11/08; Beschluss v. 7.2.2008, VK 3-169/07; Beschluss v. 5.2.2008, VK 3-8/08; 2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss v. 8.2.2008, VK 2-156/07 und Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 25.1.2008, 2 VK 5/07.

8 Gesetz vom 15. Dezember 2008, BGBl. I S. 2426, vgl. dort Art. 1 Nr. 2c. 9 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit,

BT-Drs. 16/10609, S. 72.10 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit,

BT-Drs. 16/10609, S. 66.

„Kann-Vorschrift“ umzuwandeln und damit deutlich zu ma-chen, dass die Krankenkassen nicht zur vorrangigen Durch-führung von Ausschreibungen verpflichtet sind, sondern eine wirtschaftliche Versorgung mit Hilfsmitteln auch über Ver-träge nach § 127 Abs. 2 oder 3 SGB V sichergestellt werden kann9. Im Hinblick auf den Ausschluss des Eingreifens von förmlichem Vergaberecht bezüglich der (Verhandlungs-) Verträge nach § 127 Abs. 2 SGB V stellte der Gesetzgeber dabei ausdrücklich darauf ab, dass das nunmehr in Abs. 2a normierte Beitrittsrecht nicht zu einer exklusiven Versor-gungsberechtigung bestimmter Leistungserbringer führt, weshalb für eine Auswahlentscheidung und damit letztlich ein Eingreifen einer Ausschreibungspflicht letztlich kein Raum sei10.

II. Gegenstand und Inhalt der Entscheidung Gerade diese Rechtsfrage, also die Frage, ob im Falle eines gesetzlich vorgesehenen Beitrittsrechts eines jeden geeigneten Leistungserbringers, wie es § 127 Abs. 2a SGB V – zumal mit vorgeschalteter öffentlicher Bekanntmachung der Vertrags-abschlussabsicht nebst Informationsrecht über abgeschlosse-ne Verträge – vorsieht, eine Ausschreibungspflicht nach den Bestimmungen des EU-Vergaberechts besteht, war letztlich auch Hauptgegenstand der Entscheidung des LSG NRW; dies anhand des Begriffs des öffentlichen Auftrages i. S. v. § 99 Abs. 1 GWB bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG. Dem Verfahren lag hier zusammengefasst fol-gender Sachverhalt zugrunde:

Insgesamt zehn gesetzliche Krankenkassen veröffentlichten auf Grundlage der gesetzlichen Neuregelung durch das GKV-OrgWG auf der Website der verhandlungsführenden Kasse gemeinsam die Bekanntmachung ihrer Absicht zum Abschluss von sowohl bundesweiten als auch regionalen Verträgen gem. § 127 Abs. 2 SGB V. Gegenstand waren un-terschiedliche Produktgruppen gem. Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V. Die Bekanntmachung enthielt eine Ange-botsabgabefrist, Angebote waren für sämtliche Produktgrup-pen zulässig.

LSG NRW markiert hier einen jedenfalls vorläufigen End-punkt und sorgt bis auf weiteres für Rechtssicherheit.

I. Problemstellung Der Gesetzgeber hatte mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG)4 im Zuge der Ersetzung des bisherigen Zulassungs- durch ein Vertrags-prinzip Hilfsmittelversorgungsverträge nach § 127 SGB V einer grundsätzlichen Ausschreibungspflicht unterworfen. Die Gesetzesformulierung, wonach die Krankenkassen, ihre Verbände oder Arbeitsgemeinschaften im Wege der Aus-schreibung Verträge mit Leistungserbringern über die Hilfs-mittelversorgung schließen sollten, war insoweit als grund-sätzlich bindende Pflicht zum Vertragsschluss im Ausschrei-bungswege zu verstehen. Dies galt bereits auf Grundlage des Gesetzeswortlautes, ungeachtet der im Übrigen eine Aus-schreibungspflicht nach förmlichem Vergaberecht statuie-renden Bestimmungen des EU-Vergaberechtsregimes nach Maßgabe der §§ 97 ff. GWB i.V.m. den Bestimmungen der Vergabeverordnung (VgV), der seinerzeit noch geltenden Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A) in der Fassung von 20065 und ergänzend den Bestimmungen der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG6. In der Folge-zeit hat dementsprechend die Rechtsprechung überwiegend auch eine Anwendbarkeit der vergaberechtlichen Vorgaben und damit einer Ausschreibungspflicht nach förmlichem Vergaberecht für Hilfsmittelversorgungsverträge im Rahmen von § 127 SGB V a. F. bejaht7.

Mit dem zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der ge-setzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG)8 hat der Ge-setzgeber nachjustiert. Die Bestimmungen des § 127 SGB V in der Fassung des GKV-OrgWG sind dabei bis heute gelten-des Recht. Im Rahmen des GKV-OrgWG wurde zunächst in § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V das Wort „sollen“ durch das Wort „können“ ersetzt. Weiter wurde der ursprünglich in § 127 Abs. 2 SGB V a.F. vorgesehene sog. Zweckmäßigkeits-vorbehalt durch eine Formulierung ersetzt, die darauf ab-stellt, ob die Krankenkasse tatsächlich eine Ausschreibung durchführt und der Kasse für den Fall, dass dies nicht er-folgt, flankierend die Möglichkeit eingeräumt, mit Leis-tungserbringern bzw. deren Landesverbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen von Leistungserbringern Verträge im Verhandlungswege zu schließen. Eine entsprechende Absicht zum Vertragsschluss ist dabei gem. § 127 Abs. 2 Satz 3 SGB V in geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen, andere Leistungserbringer sind zudem gem. Satz 4 auf Anfrage über die Inhalte abgeschlossener Verträge zu informieren. Darü-ber hinaus sieht § 127 Abs. 2a SGB V ein Beitrittsrecht von Leistungserbringern dergestalt vor, dass diese bestehenden Versorgungsverträgen nach Abs. 2 Satz 1 zu den gleichen Be-dingungen als Vertragspartner beitreten können.

Der Gesetzgeber verfolgte mit der Neuregelung ausdrücklich die Intention, das bisherige Ausschreibungsgebot in eine

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AUFSÄTZE | Esch, Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB V

11 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. Juni 2009, Rs. C-300/07, Oymanns ./. AOK Rhld./Hamburg, auszugsweise abgedruckt in: MPR 4/2009, S. 131 ff. mit Anm. Amelung und Banz. Siehe hierzu auch Esch, Zur Reichweite der Aus-schreibungspflicht gesetzlicher Krankenkassen, in: MPR 5/2009, S. 149 ff.

12 Siehe Verordnung Nr. 1177/2009, Abl. EU Nr. L 314/64 vom 1.12.2009.13 3. Vergabekammer des Bundes, Beschluss v. 12.11.2009, VK 3-193/09.14 Entspricht § 4 Abs. 1 EG VOL/A in der Fassung vom 20.11.2009.15 Entspricht § 4 EG VOL/A in der Fassung vom 20.11.2009.16 ABl.-S.17 EuGH, Urt. v. 11. Juni 2009, Rs. C-300/07, Oymanns ./. AOK Rhld./Ham-

burg, auszugsweise abgedruckt in: MPR 4/2009, S. 131 ff. mit Anm. Ame-lung und Banz. Siehe hierzu auch Esch, Zur Reichweite der Ausschrei-bungspflicht gesetzlicher Krankenkassen, in: MPR 5/2009, S. 149 ff.

18 Vgl. LSG NRW, Beschluss v. 14. April 2010, L 21 KR 69/09 SFB, in: MPR 4/2010, S. 125 ff., 129 m.w.N.).

19 LSG NRW, a.a.O., unter Hinweis auf LSG NRW, Beschluss v. 10. Septem-ber 2009, L 21 KR 53/09 SFB, in: Vergaberecht 2010, 135.

lichen Auftrages gemeinschaftsrechtswidrig über die Vorga-ben der Richtlinie hinaus ein. Zudem würde die Veröffentli-chung einer Vertragsabsicht, wie sie § 127 Abs. 2 Satz 3 SGB V vorsieht, zumal lediglich auf der eigenen Homepage des öffentlichen Auftraggebers, nicht den Anforderungen an Be-kanntmachungen entsprechen, wie sie das EU-Vergabe-rechtsregime in Form einer Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union16 für öffentliche Aufträge im Oberschwellenwertbereich vorsieht.

Auf die gegen den Beschluss der Vergabekammer gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerinnen sowie einer Beigelade-nen hat der Senat den angefochtenen Beschluss der 3. Verga-bekammer des Bundes aufgehoben und den Nachprüfungs-antrag zurückgewiesen.

Der Senat hat den Nachprüfungsantrag für unzulässig erach-tet. Zwar seien die Antragsgegnerinnen im Nachgang zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 11.6.200917 öffentliche Auftraggeber i.S.v. § 98 Nr. 2 GWB und auch der maßgebende Schwellenwert sei überschritten. Bei den hier verfahrensgegenständlichen Verträgen handele es sich jedoch, anders als von der Vergabekammer angenom-men, nicht um öffentliche Aufträge i.S.d. § 99 Abs. 1 und 2 GWB. Tragender Gesichtspunkt der Entscheidungsbegrün-dung war hier letztlich die Auffassung des Senates, dass eine Auswahlentscheidung der Krankenkassen mit der daraus re-sultierenden Einräumung von Exklusivität und der Begrün-dung einer Sonderstellung im Wettbewerb konstitutiver Be-standteil für die Annahme eines öffentlichen Auftrages sei18. Hierbei komme es, so der Senat weiter, nicht darauf an, ob eine Exklusivität ausdrücklich durch den Auftraggeber ver-traglich zugesichert werde, vielmehr sei es für die Annahme eines öffentlichen Auftrages grundsätzlich ausreichend, wenn sich für den Leistungserbringer faktisch ein Wettbe-werbsvorteil ergebe19. Ob hiermit zusätzlich eine Lenkungs- und Steuerungswirkung verbunden sein muss, um einen öf-fentlichen Auftrag anzunehmen, hat der Senat indes aus-drücklich offen gelassen. Für eine demnach erforderliche Auswahlentscheidung, und damit gleichzeitig die Annahme eines öffentlichen Auftrages, sei demgegenüber dann kein Raum, wenn Verträge gem. § 127 Abs. 2 SGB V geschlossen werden. Insoweit stünde einer Ausschreibungspflicht das in § 127 Abs. 2a SGB V gesetzlich normierte Beitrittsrecht, d.h. die Möglichkeit zum gleichberechtigten Marktzugang und

Nach vorangegangener, erfolgloser Rüge, dass vor Vertrags-schluss kein förmliches, europaweites Vergabeverfahren durchgeführt wurde, stellte die Antragstellerin, ein Sanitäts-handelsunternehmen, bei der Vergabekammer des Bundes einen Nachprüfungsantrag gem. §§ 107 ff. GWB. Kern der rechtlichen Argumentation und Gegenstand des Antrages war, dass die Antragsgegnerinnen in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Krankenkassen und damit öffentliche Auftrag-geber11 die entsprechenden Versorgungsverträge nach Ver-gaberecht EU-weit ausschreiben müssten. Die gesetzliche (Neu-) Regelung in § 127 Abs. 2 SGB V stehe dem nicht ent-gegen, da die Vorschrift mit höherrangigem EU-Vergabe-recht nicht vereinbar sei, weshalb sich ihr Anwendungs-bereich bei europarechtskonformer Auslegung lediglich auf den Unterschwellenwertbereich, d. h. Aufträge unterhalb e ines Netto-Auftragswertes von seinerzei t noch EUR 206.000,00, nunmehr EUR 193.000,0012, erstrecken könne.

Die 3. Vergabekammer des Bundes hatte daraufhin mit Be-schluss vom 12.11.2009 festgestellt, dass die auf Grundlage der bekannt gemachten Vertragsabsicht gem. § 127 Abs. 2 SGB V geschlossenen Versorgungsverträge mangels vorheri-ger Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfah-rens nichtig seien. Den Antragsgegnerinnen wurde überdies aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ein ordnungsgemäßes, förmliches Vergabeverfahren durchzu-führen13. Zur Begründung hatte die Kammer im wesentli-chen ausgeführt, dass es sich beim Abschluss der entspre-chenden Verträge um öffentliche Lieferaufträge i.S.v. § 99 Abs. 1 und 2 GWB handele, dies in Form von Rahmenver-einbarungen gemäß der Regelung des § 3a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A14, die auf Art.  1 Abs. 5, Art.  32 der Richtlinie 2004/18/EG zurückgeht und den Begriff des öffentlichen Auftrages erweitert. Die mit dem GKV-OrgWG in Kraft ge-tretenen Vorschriften des § 127 Abs. 1, 2 und 2a SGB V stünden dem nicht entgegen. Soweit der Gesetzgeber den Krankenkassen eine freie Entscheidung darüber zugestehen wollte, ob eine Ausschreibung durchgeführt wird oder nicht, sei dies mit höherrangigem EU-Vergaberecht nicht verein-bar. Für ein Absehen von der Durchführung eines förmli-chen Vergabeverfahrens sei bei richtlinienkonformer Ausle-gung lediglich dann Raum, wenn sich das Beschaffungsvolu-men unterhalb des maßgebenden Schwellenwertes bewege. Das gesetzlich vorgesehene Beitrittsrecht in § 127 Abs. 2a SGB V ändere hieran nichts. Zwar könne dieses faktisch dazu führen, dass eine unüberschaubare Anzahl von Leis-tungserbringern Vertragspartner der Kasse wird, so dass es letztlich keine exklusiven Verträge gibt. Dies sei jedoch für die Einordnung als öffentlicher Auftrag rechtlich unerheb-lich. Denn weder § 3a VOL/A15 noch die dieser Vorschrift zugrunde liegende Bestimmung des Art. 32 der Richtlinie 2004/18/EG stelle für die Qualifizierung als öffentlichem Auftrag auf die Vereinbarung einer Exklusivität oder die Durchführung einer Auswahlentscheidung ab. Die Forde-rung von Exklusivität der Rahmenvereinbarung zugunsten eines oder mehrerer Unternehmen bzw. eine Auswahlent-scheidung des Auftraggebers schränke den Begriff des öffent-

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Esch, Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB V | AUFSÄTZE

20 LSG NRW, a.a.O., unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 28. Juli 2008, B 1 KR 4/08 R, BSGE 101, 161 - Doc Morris.

21 Vgl. 3. Vergabekammer des Bundes, Beschluss v. 12.11.2009, VK 3-193/09 sowie 1. Vergabekammer des Bundes, Beschlüsse v. 18.12.2009, VK 1-209 u. 218/08 und Beschluss v. 21.12.2009, VK 1-212/08.

22 Vgl. BT-Drs. 16/10609, S. 65.

was unmittelbar zur Annahme einer Ausschreibungspflicht führte.

Dabei blieb jedoch der Umstand unberücksichtigt, dass nicht jeder Beschaffungsvorgang öffentlicher Auftraggeber dem (EU-) Vergaberecht unterliegt und auch nicht unterliegen soll. Maßgebender Anknüpfungspunkt ist vielmehr stets die Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen. Dies macht in Ergänzung der §§ 97 ff. GWB und der entsprechenden Vor-gaben der Richtlinie 2004/18/EG der Wortlaut des § 69 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V nochmals deutlich, wonach die Regelungen der §§ 97 bis 115 sowie 128 GWB Anwendung finden, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Entsprechend führt auch der Gesetzgeber in der Geset-zesbegründung zum GKV-OrgWG aus, die Ausschreibungs-pflicht sei stets davon abhängig, dass die konkrete Vertrags-gestaltung im Einzelfall die tatbestandlichen Voraussetzun-gen des Vergaberechts erfüllt, d.h. es sich insbesondere um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags handelt22. Dass es für die Geltung der Ausschreibungspflicht stets auf die jewei-lige Vertragsgestaltung im Einzelfall ankommt, findet weite-re Bestätigung in der vergaberechtlichen Behandlung von Dienstleistungskonzessionen. Gemäß Art. 1 Abs. 4 i.V.m. Art. 17 der Richtlinie 2004/18/EG finden die vergaberechtli-chen Vorgaben auf den Abschluss von Verträgen öffentlicher Auftraggeber, die als Dienstleistungskonzession ausgestaltet sind, keine Anwendung. Dies trotz der inhaltlichen Nähe zu den vollumfänglich ausschreibungspflichtigen Dienstleis-tungsaufträgen. Ergänzend kann hierzu auf die Systematik der Richtlinie sowie der VOL/A bezüglich prioritären und nicht-prioritären Dienstleistungen gemäß Anhang I Teil A bzw. Teil B (VOL/A) verwiesen werden. Öffentliche Dienst-leistungsaufträge über nicht-prioritäre Dienstleistungen sind einzig aufgrund ihres Gegenstands nicht dem vollständigen Regelwerk des (EU-) Vergaberechts unterworfen.

Es ist mithin ausschlaggebend, ob die konkrete vertragliche und verfahrensmäßige Ausgestaltung alle Tatbestandsmerk-male eines öffentlichen Auftrags i.S.d. §§ 99 Abs. 1 und 2 GWB, 4 Abs. 1 EG VOL/A erfüllt. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der öffentliche Auftraggeber, sofern er den Versorgungsvertrag anders – beispielsweise exklusiv – ausge-staltet hätte, für den Vertragsschluss dem Anwendungsbe-reich des (EU-) Vergaberechts unterworfen wäre. Maßge-bend ist vielmehr ausschließlich der konkrete Beschaffungs-vorgang des Auftraggebers, wonach kein (exklusiver) Ver-trag i.S.v. § 127 Abs. 1 SGB V, sondern ein Rahmenvertrag mit einer unbegrenzten Anzahl an Rahmenvertragspartnern i.S.v. §§ 127 Abs. 2, Abs. 2a SGB V geschlossen werden soll. Zu prüfen war also, ob der Abschluss einer Rahmenverein-barung i.S.v. § 127 Abs. 2 SGB V über die Versorgung von GKV-Versicherten mit Hilfsmitteln, zu der kraft Gesetzes ein

entsprechender Teilnahme an der Versorgung der Versicher-ten, entgegen. Zwar gelte der im nationalen Recht in § 97 Abs. 1 GWB umgesetzte Wettbewerbsgrundsatz, der zum Ziel hat, sämtlichen potentiellen Bewerbern einen freien Zu-gang zu den Beschaffungsmärkten der öffentlichen Hand zu ermöglichen, als tragendes Prinzip der Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand. Die aus dem Wettbewerbsprinzip re-sultierenden Ge- und Verbote könnten jedoch erst dann zur Anwendung gelangen, wenn durch den öffentlichen Auftrag-geber eine Auswahlentscheidung irgendeiner Art getroffen wird. Dass öffentliche Auftraggeber indes bei Erfüllung der weiteren, ausdrücklich in § 99 Abs. 1 und 2 GWB normier-ten Voraussetzungen gehalten wären, bei sämtlichen Be-schaffungen eine Auswahlentscheidung zu treffen und Auf-träge jedweder Art im Wettbewerb zu vergeben, könne dem Regelungsprinzip des primären und sekundären Gemein-schaftsrechts nicht entnommen werden. Immerhin habe sich auch die Europäische Kommission im Rahmen eines Ver-tragsverletzungsverfahrens dahingehend geäußert, dass mit der erfolgten Änderung der §§ 69, 127 SGB V mit Inkrafttre-ten des GKV-OrgWG Zweifel an der Gemeinschaftsrechts-konformität der Regelungen zum Vertragsschluss im Hilfs-mittelbereich nicht mehr bestünden und ein Wahlrecht der Krankenkassen zwischen § 127 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V nicht gegen das EU-Vergaberechtsregime verstoße. Schließ-lich sei den Vorgaben der Bestimmungen über die gemein-schaftsrechtlichen Grundfreiheiten des EU-Primärrechts da-durch entsprochen, dass es Leistungserbringern aus anderen Mitgliedsstaaten auf Basis der §§ 127 Abs. 2 und 2a SGB V diskriminierungsfrei möglich sei, sich mit Angeboten in die Vertragsverhandlungen einzubringen bzw. das gesetzlich normierte Beitrittsrecht auszuüben20.

III. Bewertung Der Entscheidung des Senates ist zuzustimmen. Der Senat hat rechtssystematisch einwandfrei zunächst die grundlegen-den Anwendungsvoraussetzungen des (EU-) Vergaberechts-regimes: Öffentlicher Auftraggeber, Öffentlicher Auftrag und Überscheitung des maßgebenden Schwellenwertes ge-prüft, dies anhand des konkreten, vollständigen Sachver-halts, also unter Berücksichtigung sowohl der Vertrags- und Verfahrensausgestaltung durch den öffentlichen Auftragge-ber als auch der mit dem gewählten Verfahren verbundenen gesetzlichen Folgen – hier der Bekanntmachungspflicht nach § 127 Abs. 2 Satz 3 SGB V und dem Beitrittsrecht nach Abs. 2a.

Diese notwendige Differenzierung zwischen der Ebene des Prüfungsmaßstabs einerseits, hier den §§ 97 ff. GWB, und dem zu prüfenden Sachverhalt, also Vertragsschluss i.S.v. § 127 Abs. 2, Abs. 2a SGB V, ließen die bisherige Auseinan-dersetzung ebenso wie die zum Bestehen einer Ausschrei-bungspflicht von Verhandlungsverträgen gemäß den §§ 127 Abs. 2, Abs. 2a SGB V zuvor ergangenen Vergabekammer-entscheidungen indes vermissen21. Stattdessen wurde bereits der Beschaffungsvorgang als zu prüfender Sachverhalt aus dem Blickwinkel des (EU-) Vergaberechts heraus bestimmt,

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AUFSÄTZE | Esch, Zur Ausschreibungspflicht von Hilfsmittelversorgungsverträgen nach § 127 SGB V

23 § 4 Abs. 2 EG VOL/A in der Fassung vom 20.11.2009.24 Vgl. Mitteilung der EU-Kommission zu Rahmenvereinbarungen vom

14.07.2005, CC/2005/03_rev1.25 Vgl. § 4 Abs. 5 EG VOL/A.26 Vgl. Gesetzentwurf, BT-Drs. 17/2413, dort S. 10, Art. 2.

Abs. 2 SGB V keine Kontroll- oder Einflussmöglichkeit dar-über zur Verfügung, welche Leistungserbringer den beste-henden Verträgen nachfolgend beitreten und sodann auto-matisch ebenfalls zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Vielmehr können demnach sämtliche Leistungserbrin-ger, die die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 SGB V erfül-len, mittels Beitrittserklärung an der Versorgungsberechti-gung partizipieren. Der Krankenkasse wäre im Umkehr-schluss die Ausschreibung eines Rahmenvertrags nach den Vorgaben des § 4 Abs. 1 EG VOL/A auf Grundlage von § 127 Abs. 2, 2a SGB V in rechtlich zulässiger Weise auch nicht möglich. Denn zum einen setzt eine Rahmenvereinba-rung im Sinne von § 4 EG VOL/A wie dargelegt voraus, dass die Zahl der partizipierenden Vertragspartner von Anbeginn an fest steht und nur an diejenigen Vertragspartnern, die von Anbeginn beteiligt sind, Einzelaufträge erteilt werden kön-nen. Zudem dürfte auch eine Festlegung von Auswahlkriteri-en zwischen mehreren an einer Rahmenvereinbarung betei-ligten Leistungserbringern kaum umsetzbar sein. Die Festle-gung von Auswahlkriterien für die Einzelauftragsvergabe wäre jedoch bei der Ausschreibung einer Rahmenvereinba-rung mit mehreren Vertragspartnern im vergaberechtlichen Sinne ebenfalls vorzugeben, dies nicht zuletzt, um den künf-tigen Vertragspartnern eine kalkulierbare Größe zur Verfü-gung zu stellen25.

IV. Ausblick Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers des GKV-Org-WG besteht nunmehr auf Seiten der gesetzlichen Kranken-kassen auch auf Basis obergerichtlicher Rechtsprechung ein Wahlrecht, ob sie Verträge zur Versorgung ihrer Versicher-ten mit Hilfsmitteln gemäß § 127 Abs. 1 SGB V im Aus-schreibungswege oder im Wege von Verhandlungsverfahren mit Beitrittsmöglichkeit nach Maßgabe von § 127 Abs. 2 und 2a SGB V schließen. Ob diese Rechtsprechung auch für den Fall, dass gemäß dem aktuellen Entwurf für ein Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG)26 mittels Änderung der §§ 51 und207 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eine (Rück-) Übertragung der Zuständigkeit für die Beschwerdeinstanz in Vergabesachen im Rahmen der §§ 69 ff. SGB V von den Landessozialgerichten auf die Vergabesenate der Oberlan-desgerichte erfolgen sollte, Bestand haben wird, bleibt abzu-warten. Hierfür sprechen, zumindest bei der derzeitigen Ge-setzesfassung, jedoch gute Argumente.

Anschrift des Verfassers:Rechtsanwalt Dr. Oliver EschOsborne ClarkeInnere Kanalstr. 15 50823 Kö[email protected]

unbegrenztes und jederzeitiges Beitrittsrecht aller interessier-ten Leistungserbringer besteht, als öffentlicher Auftrag i.S.v. § 99 GWB i.V.m. Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18/EG zu qualifizieren ist.

Gemäß § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltli-che Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unterneh-men über die Beschaffung von Leistungen. Ergänzend heißt es in Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18/EG zu Rahmenver-einbarungen, dass es sich hierbei um Vereinbarungen zwi-schen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern mit dem Ziel handelt, die Bedingungen für Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen; dies insbesondere in Bezug auf den Preis und die in Aussicht genommene Menge. Demnach setzen Beschaffungen, die in den Anwendungsbereich des (EU-) Vergaberechts fallen sol-len, stets einen Vertragsschluss bestimmter Parteien voraus, die nach dem Zuschlag verbindlich und unverändert für die Dauer der Vertragslaufzeit feststehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vergabe von Einzelaufträgen auf der Grund-lage einer Rahmenvereinbarung nur an die von Beginn an daran beteiligten Vertragspartner erfolgen darf23.

Unabhängig von der Frage, ob ein öffentlicher Auftrag eine Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers als konstitutives Element voraussetzt oder diese nur eine natür-liche Folge eines im Wege eines Vergabeverfahrens vergebe-nen öffentlichen Auftrags ist, ist jedenfalls festzustellen, dass faktisch mit dem Zuschlag ein bestimmter Kreis (Auswahl) sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite festgelegt ist, der an dem Vertrag partizipiert. Bereits dies markiert einen Wettbewerbsvorteil des Vertragspartners im Sinne einer exklusiven Vertragsbeziehung zwischen den Be-teiligten, wobei es sich bei Rahmenvereinbarungen durchaus um mehrere (Rahmen-) Vertragspartner handeln kann, § 4 Abs. 1 EG VOL/A. Der Wettbewerbsvorteil wird bei einer Rahmenvereinbarung wie gesagt dadurch erreicht, dass gemäß § 4 Abs. 2 EG VOL/A die Erteilung von Einzelaufträ-gen immer nur zwischen den zu Beginn verbindlich festgeleg-ten Vertragspartnern erfolgen darf24. Dementsprechend sieht § 4 Abs. 1 Satz 3 EG VOL/A ausdrücklich ein Verbot des Abschlusses weiterer paralleler Rahmenvereinbarungen über denselben Leistungsgegenstand vor.

An einem auf die Exklusivität der Vereinbarung gem. § 127 Abs. 2, 2a SGB V zurückzuführenden Wettbewerbsvorteil fehlt es, was der Senat zutreffend festgestellt hat, in der vor-liegenden Vertragsgestaltung jedoch. Denn der Vertragskon-stellation gem. § 127 Abs. 2, 2a SGB V ist gerade immanent, dass keine Begrenzung auf einen bestimmten Kreis von ver-sorgungsberechtigten Leistungserbringern erfolgt bzw. erfol-gen soll. Vielmehr sind sämtliche interessierten Leistungser-bringer berechtigt, bestehenden Verträgen jederzeit gem. § 127 Abs. 2a SGB V beizutreten. Die Offenheit der Ver-tragskonstruktion bewirkt, dass seitens der Auftraggeberin keine Auswahlentscheidung zu Gunsten eines oder weniger Leistungserbringer getroffen wird. Den gesetzlichen Kran-kenkassen steht im Fall des Vertragsschlusses gem. § 127

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RECHTSPRECHUNG

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RECHTSPRECHUNG

Leitsatz

Voraussetzung für die Anwendung des § 2 Abs. 3a AMG n. F. (AMG 1976) ist die positive Feststellung der Arzneimittel-eigenschaft des betreffenden Präparats sowie, dass es unter die Definition etwa eines Lebensmittels oder Medizin-produktes fallen kann.

Oberverwaltungsgericht NRW, 13. Senat, Beschl. v. 15.03.2010 – 13 A 2612/09 [vorhergehend VG Köln, Urt. v. 14. 10. 2009 – 24 K 4394/08]

Aus dem SachverhaltDie Klägerin stellt die Präparate „D. 000 J. Tabletten“ und „D. 000 Gurgellösung“ her. Diese bestehen im Wesentlichen aus einem Extrakt der Pflanze Cistus Incanus, der „Graube-haarten Zistrose“, einem 30-100 cm hohen Strauch aus dem Mittelmeerraum. Beide Produkte werden im internet-Auftritt www.Q. .de mit den Angaben

„– Schutz vor Erkältung, insbesondere grippalen Infekten

– bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum

– aufgrund der physikalischen Wirkung keine Resistenz-bildung“

beschrieben. In der in Gestalt eines Beipackzettels beigefüg-ten Produktinformation heißt es unter „Zweckbestimmung“ bzw. „Anwendung und Dosierung“ der Tabletten:

„D. 000 J. ® ist eine Lutschtablette zur Anwendung im Mund-Rachenraum und dient der Vorbeugung sowie der be-gleitenden Behandlung von Erkältungskrankheiten, Virus-erkrankungen und bakteriellen Infektionen der oberen Atemwege, insbesondere solcher, die durch Grippe- und Er-kältungserreger verursacht werden. ... Vorbeugend bei erhöhtem Infektrisiko, insbesondere kurz vor und während des Aufenthalts in gut besuchten öffentlichen Bereichen (z.B. in der Schule, im Kaufhaus, in öffentlichen Verkehrsmitteln), im Abstand von 60 bis 90 Minuten 1-2 Tabletten langsam im Mund zergehen lassen. Zur unterstützenden Therapie bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum gleichmäßig über den Tag verteilt 6 x täglich 1-2 Tabletten langsam im Mund zergehen lassen.“

sowie unter „Eigenschaften“:„Bakterien und Viren (u.a. Streptococcus pneumoniae, Haemophilius influenza, Mycoplasma pneumoniae, Staphy-lococcus aureus, Clamydia pneumoniae, Rhinoviren, Adeno-viren, Influenza A Viren, Influenza B Viren, Parainfluenza-viren, RS-Viren) werden physikalisch weitgehend gebunden und so am Eindringen in die Körperzellen gehindert.“

Bei der Gurgellösung lautet die Formulierung unter „Zweck-bestimmung“ bzw. „Anwendung und Dosierung“:„D. 000 ® Gurgellösung ist ein polyphenolreiches Pflanzen-konzentrat für die Behandlung von Entzündungen im Mund- und Rachenraum ... Bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum (z.B. Mandelentzündung) bis zum völligen Ab-klingen der Beschwerden mindestens 3x täglich und vor dem Schlafengehen mit der unverdünnten Lösung zwei Minuten lang den Mund spülen und gurgeln.“

sowie unter Eigenschaften“:„D. 000 ® Gurgellösung ist ein reines Pflanzenkonzentrat, reich an hochpolymeren Polyphenolen. Diese Naturstoffe können Bakterien und Viren (u.a. Streptokokken, Grippe- und Erkältungsviren) durch Anlagerung unspezifisch binden und dadurch am Eindringen in die Körperzellen hindern.“.

Die Beipackzettel sind jeweils mit dem Hinweis „Medizin-produkt/Bitte Gebrauchsinformation sorgfältig lesen!“ ver-sehen.

Beide Präparate werden mit einer Umverpackung in Form einer Papp-Faltschachtel angeboten, die den Hinweis „Nur in Apotheken“ trägt.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2006 wandte sich das für die Klägerin zuständige Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Olden-burg erstmals an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und bat um „Stellungnahme gemäß § 21 Abs. 4 AMG“, da die verschiedenen zuständigen Landesbehörden bei der arzneimittelrechtlichen Beurteilung von Cistus incanus-Präparaten zu unterschiedlichen Einstu-fungen gelangten. Unter dem 26. Februar 2007 trat die Behörde erneut und unter Bezugnahme auf ein vorheriges Telefonat sowie einen die Firma O. Q. GmbH & Co. KG und das Präparat „D. - Lutschtabletten“ betreffenden Be-scheid der Landesbehörde an das BfArM heran und bat „gemäß § 13 Abs. 3 MPG“ um Stellungnahme zur Klassifi-

Zweifelsregelung nicht auf Produkte anwendbar, die auf Grund ihrer Wirkungsweise eindeutig dem Medizinprodukterecht unterliegen§ 21 Abs. 4 AMG; § 2 Abs. 3a AMG; RL 83/2001 Art. 1 Nr. 2 lit. b

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RECHTSPRECHUNG

werden müssten, erzeugten sie dort auch eine, wenngleich unspezifische, Wirkung. Die von der Klägerin vorgelegten Untersuchungen zeigten keine Ergebnisse, die eine Reaktion mit körpereigenen Proteinen ausschlössen, zielten darauf aber auch nicht ab. Nach telefonischer und schriftlicher Aus-kunft von Prof. Planz (Institut für Immunologie des Fried-rich-Löffler-Instituts/Bundesforschungsinstitut für Tierge-sundheit) bänden die Polyphenole der Cystus-Zubereitungen an das virale Hemagglutinin und verhinderten dadurch die Anheftung an die Wirtszelle. Hemagglutinin sei eines der drei Membranproteine des Influenzavirus A. Die beiden an-deren seien der protonleitende Kanal M2 und das Enzym Neuramidase. Sollte dieser Mechanismus entscheidend für die gewünschte Wirkung sein, so wäre er ebenso pharma-kologisch. Auch Inhibitoren der viralen Neuramidase (Osel-tamvir, Zanamvir) und des viralen M2-Ionenkanals (Aman-tadin, Rimantadin) seien als Arzneimittel eingestuft und besäßen teilweise eine Arzneimittelzulassung mit der Indika-tion „Chemoprophylaxe und Chemotherapie der Virusgrip-pe Typ A (echte Grippe, Influenza-A)“. Die Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf die Präparate „Infectoflu 50mg/5 ml Sirup®“, „Adekin 100 mg®“, „Tamiflu®“ und „Relenza®“.

Die Klägerin erhob hiergegen unter dem 14. Februar 2008 Widerspruch. Der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, weil die erforderliche Anhörung unterblieben sei. Er sei aber auch materiell rechtswidrig, weil die Entscheidung nach § 21 Abs. 4 AMG nur die Zulassungspflicht eines Arzneimittels zum Gegenstand habe. Zur Zulassungspflicht verhalte sich der Bescheid jedoch nicht. Eine Zuständigkeit des BfArM be-stehe nicht, wenn das Produkt als Medizinprodukt in den Verkehr gebracht werde. Die Marktüberwachung obliege in diesem Fall nur der zuständigen Landesbehörde. Gemäß § 13 Abs. 3 MPG bestehe nur die Möglichkeit einer nicht verbindlichen Stellungnahme.

Eine Bescheidung des Widerspruches unterblieb.

Die Klägerin hat am 1. Juli 2008 Klage erhoben.

Es fehle bereits an einem erforderlichen Antrag der Landes-behörde für eine Entscheidung nach § 21 Abs. 4 AMG. Auch bestehe weiterhin der formelle Mangel einer fehlenden An-hörung. Hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft als solcher stehe dem BfArM keine Feststellungskompetenz zu. Anhalts-punkte zu der Frage, ob das Präparat der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 1 AMG unterliege und warum keine Freistel-lung nach § 36 AMG oder Registrierung nach § 38 AMG vorliege, seien dem Bescheid nicht zu entnehmen. Zudem sei das AMG insgesamt nicht anwendbar, weil sie – die Klägerin – ihre Produkte entsprechend ihrer Zweckbestimmung als Medizinprodukte in den Verkehr bringe. Die Marktüberwa-chung obliege insoweit den Landesbehörden. Die Frage nach einem „Schein-Medizinprodukt“ sei gemäß § 27 Abs. 2 MPG durch diese zu entscheiden. Das BfArM sei lediglich zu einer Stellungnahme berufen. In materieller Hinsicht sei der Bescheid rechtswidrig, weil es sich bei den streitbefangenen Präparaten nicht um Arzneimittel handele. Aus der gesetz-

zierung bzw. Einstufung des Präparats „D. 000 J. Tablet-ten“. Mit weiterem Schreiben vom 12. April 2007 an das BfArM bezog sie sich auf beide hier streitgegenständliche Produkte und bat „um Stellungnahme gem. § 13 MPG zu der Frage ob es sich bei den genannten Präparaten „... um Medizinprodukte im Sinne des § 3 MPG handelt“. Mit einem weiteren Schreiben vom 12. Dezember 2007 bat das Gewerbeaufsichtsamt unter Bezugnahme auf ein Schreiben des BfArM vom 21. November 2007 schließlich „gemäß § 21 Abs. 4 AMG ... um Entscheidung ..., ob die ... Präpara-te gemäß § 21 Abs. 1 AMG der Zulassungspflicht unter-liegen“.

Unter Hinweis auf das Schreiben vom 12. Dezember 2007 stellte das BfArM mit Bescheid vom 11. Februar 2008 fest, dass es sich sowohl bei dem Präparat „D. ® -000 J. Tablet-ten“ als auch bei dem Präparat „D. ® -000 Gurgellösung“ um zulassungspflichtige Arzneimittel handele. In der Begrün-dung verwies das BfArM auf den Arzneimittelbegriff des Arzneimittelgesetzes und der RL 2001/83/EG in der gültigen Fassung in Abgrenzung zum Begriff des Medizinprodukts in § 3 MPG. Entscheidend komme es in diesem Zusammen-hang darauf an, ob die bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel bzw. durch Metabolis-mus erzielt werde. Als pharmakologische Wirkung werde dabei eine Wechselbeziehung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem zellulären Bestandteil, der gewöhnlich als Rezeptor bezeichnet werde, verstanden, wobei diese entweder in einer direkten Reaktion bestehe oder Reaktion eines anderen Agens blockiere. Das Vorhan-densein einer Dosis-Wirkungs-Beziehung stelle dabei einen Hinweis auf einen pharmakologischen Effekt dar. Traditio-nell würden Zubereitungen aus Cystrose vor allem bei Ent-zündungen des Mund- und Rachenraums und des Zahn-fleisches, als Epithelschutz im Magen-Darm-Bereich, bei Entzündungen der Haut, Hämorrhoiden und Neurodermitis eingesetzt. Dies decke sich zu einem großen Teil mit den An-wendungsbieten medizinisch verwendeter Gerbstoffdrogen wie Eichenrinde, Hamamelisrinde bzw. -blätter und Ratha-niawurzel. Dabei seien Gerbstoffe wirksamkeitsbestimmend. Für niedermolekulare Gerbstoffe werde von einer systemi-schen Wirkung ausgegangen, sie würden also resorbiert, während höhermolekulare Gerbstoffe nur topische Effekte hervorriefen. Ihre Wirkung entfalteten Gerbstoffe durch „Gerbung“ von (Schleim-)häuten, sie regierten also mit Eiweißen der oberen Haut- und Schleimhautschichten. In dem Gutachen Prof. Stephan Ludwig, auf das sich die Kläge-rin vor allem beziehe, werde ausgeführt, dass die Cystus- Extrakte vermutlich über die proteinbindenden Eigenschaf-ten von Polyphenolen und die unspezifische Bindung an virale Proteine an der Virusoberfläche wirkten. Es werde ausgeführt, dass somit auch Proteine geblockt werden könn-ten, die für das „Andocken“ der Viren verantwortlich seien und damit die Infektiosität der Viren abnehme. In dem Gut-achten werde jedoch die andere Seite - die Schleimhäute des Organismus - mit keinem Wort angesprochen. Da aber Cys-tusextrakte zur Virenabwehr auf die Schleimhäute gebracht

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RECHTSPRECHUNG

Aus einer klinische Prüfung durch Prof. Siegers) vom 29. Au-gust 2008 des Produkts „D. -000-Sud“ sei zu folgern, dass das Produkt trotz direkter Einnahme in den Magen-Darm-Trakt nicht im Wege der pharmakologischen Reaktion vom Körper aufgenommen werde, sondern ausschließlich physi-kalische Bindungswirkung an den dort befindlichen freien Substanzen entfalte. Eine Verstoffwechselung finde nicht statt. Zu einer vergleichbaren Feststellung komme – bezogen auf das hier streitgegenständliche Produkt – der Abschluss-bericht einer klinischen Prüfung durch Prof. Kiesewetter vom 31. Juli 2008. Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medi-zinprodukte vom 11. Februar 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und trägt über die Begründung des angefochtenen Bescheides hinaus vor:

Die Zuständigkeit des BfArM zur Feststellung der Arznei-mitteleigenschaft ergebe sich aus § 21 Abs. 4 AMG. Da mit der Entscheidung über die Zulassungspflicht auch über die Arzneimitteleigenschaft befunden werde, könne sich die Prü-fung nicht auf die Zulassungsbedürftigkeit von Fertigarznei-mitteln beschränken.

Der Entscheidung liege auch ein wirksamer Antrag der zu-ständigen Landesbehörde zugrunde. Sie sei auch inhaltlich zutreffend. Gemäß der sog. Zweifelsfallregelung des Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG fänden in Fällen, in denen ein Er-zeugnis sowohl unter die Definition des Arzneimittels als auch unter die eines gemeinschaftsrechtlich anderweitig ge-regelten Erzeugnisses fallen kann, die Richtlinie Anwendung. Diese Regelung sei durch die 15. AMG-Novelle nunmehr durch § 2 Abs. 3a AMG in nationales Recht transformiert worden.

Die Produkte der Klägerin stellten zulassungsbedürftige Fertigarzneimittel dar. Eine adstringierende, also Proteine denaturierende Wirkung, wie sie auch von anderen gerb-stoffhaltigen Pflanzenextrakten ausgehe, sei auch für die darin enthaltenen Polyphenole anzunehmen. Die Beklagte legt in diesem Zusammenhang ein Interview mit Prof. Dingermann, Prof. Schubert-Zsilavecz, Prof. Winckler und Dr. Zündorf aus der Deutschen Apotheker Zeitung Nr. 28/09, S. 48 vor. Angesichts des in vitro vergleichbaren Wirkverhaltens auf Viren sei hiernach der Vergleich mit an-derem Gerbstoffdrogen durchaus statthaft. Dass die Poly-phenole im Gegensatz zu niedermolekularen Gerbstoffen nicht bioverfügbar seien und somit nicht systemisch wirkten, stehe der Annahme einer pharmakologischen Wirkung nicht entgegen. Eine pharmakologische dürfe nicht mit einer syste-mischen Wirkung gleichgesetzt werden.

Es sei nicht belegt, dass die Cystusgerbstoffe nur spezifisch auf die Virushülle wirkten, ohne mit den körpereigenen Pro-teinen Komplexe einzugehen. Es sei davon auszugehen, dass Proteinkomplexe auch an den Schleimhäuten der Nase, des Mund-/Rachenraums und der unteren Atemwege gebildet

lichen Systematik des § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG i.V.m. § 2 Abs. 5 MPG ergebe sich, dass dem Medizinprodukterecht im Wesentlichen ein Vorrang gegenüber dem Arzneimittelrecht zukomme. Ein Produkt, das nach der Definition des MPG Medizinprodukt sei, könne auch dann nicht gleichzeitig Arz-neimittel sein, wenn es die Arzneimitteldefinition erfülle. Nach der Definition des Medizinprodukts in § 3 Nr. 1 MPG komme es entscheidend darauf an, ob die Hauptwirkung eine pharmakologische sei, also eine Wechselwirkung zwi-schen den Molekülen der Substanz und einen zellulären menschlichen Bestandteil bestehe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Extrakt der Pflanze enthalte Polyphenole, die den virushemmende Effekt als Hauptzielbestimmung des Produkts auslösten. Dieser werde durch eine rein chemisch-physikalische Blockade vermittelt. Die Produkte der Kläge-rin gingen einen anderen Weg als z.B. „Tamiflu“, da sie – bildlich gesprochen – die Oberfläche des Virus mit der Kon-sequenz überdeckten, dass dieser nicht mehr an einer menschlichen Zelle andocken könne. Die Viruszellen wür-den mit einer „Seifenschicht“ oder „Seifenblase“ umgeben und damit an einem Andocken gehindert. Dieser Mechanis-mus sei im wesentlichen physikalischer Natur. Er werde durch die Studien von Prof. Planz und Prof. Ludwig bestä-tigt. Der Bescheid des BfArM gehe von dem falschen Schluss aus anderen Substanzen auf die streitgegenständlichen Zube-reitungen aus. Eine Übertragung der Erkenntnisse zu Gerb-stoffen, insbesondere der Eichenrinde, allein aufgrund zum großen Teil gleicher Anwendungsgebiete, sei nicht statthaft. Beide enthielten zwar Polyphenole, die jedoch in verschie-denster Ausgestaltung existierten. Die Produkte der Klägerin enthielten sog. große Polyphenole („polymere Polypheno-le“), während die Eichenrinde sog. kleine Polyphenole enthielten („oligomere Polyphenole“). Während es zu letzte-ren einige Hinweise auf pharmakologische Wirkungen gebe, sei dies bei großen Polyphenolen gerade nicht der Fall. Fer-ner verweist die Klägerin auf schriftliche Stellungnahmen der genannten Professoren. Eine gezielte Steuerung von Körper-funktionen, wie sie das BVerwG in seinem Urteil vom 25. Juli 2007 als Voraussetzung der Annahme einer pharmakologi-schen Wirkung annehme, finde durch D. 0 nicht statt. Auch reiche es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht aus, dass eine solche Wirkung nicht ausgeschlossen werden könne. Schließlich sei für eine pharmakologische Wirkung typisch, dass sie nicht zu revidieren sei, da sie eine pharmakologische Reaktion ausgelöst habe. Der Pflanzenextrakt habe sich je-doch als reversibel herausgestellt. Die bewirkte Umhüllung der Viren, die die Interaktion mit dem menschlichen Körper blockiere, könne ausgewaschen werden, sodass die Viren nach dieser Auswaschphase wieder ihre ursprüngliche Akti-vität entfalten könnten.

Auch werde die Einschätzung des BfArM vom Vorsitzenden des Ausschusses Analytik beim BfArM, Prof. Melzig nicht geteilt. Dieser habe eine klinische Bewertung eines vergleich-baren Konkurrenzproduktes erstellt und den beschriebenen Wirkmechanismus bestätigt.

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RECHTSPRECHUNG

Die von der Klägerin genannten Zulassungsgründe, die gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO nur im Rahmen der Darlegung der Klägerin zu prüfen sind, liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Präparate „D. J. U. „ und „D.      H.           „ zulassungspflichtige Arzneimittel. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medi-zinprodukte (BfArM) sei gemäß § 21 Abs. 4 AMG zur Fest-stellung befugt, ob ein Präparat ein Arzneimittel sei, auch wenn es als Medizinprodukt vermarktet werde. Die fragli-chen Produkte seien sog. Präsentationsarzneimittel, da es sich um Stoffzubereitungen handele, die zur Anwendung im menschlichen Körper als Mittel mit Eigenschaften zur Hei-lung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt seien. Die Produkte seien auch Arzneimittel gemäß § 2 Abs. 3a AMG.

Die dagegen erhobenen Einwände zeigen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht auf.

Dies gilt zum einen für die Befugnis des BfArM nach § 21 Abs. 4 AMG, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels zu entschei-den. Hiervon ist die Feststellung umfasst, ob ein Produkt ein Arzneimittel ist. Einer weiteren Ermächtigungsnorm bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Ausgehend von Wortlaut und erkennbarem Sinn und Zweck von § 21 Abs. 4 AMG ist die Ermächtigung zur Feststellung der Arz-neimitteleigenschaft aus dem Arzneimittelgesetz ableitbar. Darf das BfArM als zuständige Bundesoberbehörde die Zu-lassungspflicht eines Arzneimittels bundesweit verbindlich klären, so darf sie auch eine Entscheidung dazu treffen, ob es sich bei dem zu beurteilenden Produkt überhaupt um ein Arzneimittel handelt.

Vgl. auch Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2010, § 21 AMG Rn. 73.

Sinn und Zweck von § 21 Abs. 4 AMG ist die Schaffung bundeseinheitlicher Rechtsklarheit. Es soll vermieden wer-den, dass es aufgrund regionaler Zuständigkeiten der Lan-desbehörden bei der Beurteilung von Arzneimitteln zu unter-schiedlichen Bewertungen über die Zulassungspflicht von Arzneimitteln kommt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Stellung von § 21 Abs. 4 AMG im Abschnitt über die „Zulassung der Arzneimittel“ nicht systemwidrig und spricht nicht gegen eine Ermächtigung des BfArM zur Fest-stellung der Arzneimitteleigenschaft. Abgesehen von der ge-ringen Bedeutung der systematischen Stellung dieser Norm steht die Feststellung der Eigenschaft als Fertigarzneimittel in einem sinnhaften Zusammenhang mit § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG, woraus die Zulassungspflicht eines solchen Präparats folgt.

Dass nach Inkrafttreten der Änderung des Medizinprodukte-gesetzes mit Wirkung zum 21. März 2010 (Art. 1 Nr. 10 lit. b des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2326) –

würden. Diese Wirkung sei, wenngleich unspezifisch, als pharmakologisch zu bezeichnen, da es zu Interaktionen zwi-schen Stoff und Körperzelle komme. Zahlreiche Antibiotika aber auch Antimykotika und Virustatika schädigten idealer-weise die Erregerzelle, ohne die körpereigene Zelle zu beein-trächtigen. Eine pharmakologische Wirkung sei hier gleich-wohl gegeben. Das von der Klägerin herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beziehe sich auf die Abgren-zung zu Lebensmitteln. Das Kriterium der gezielten Steue-rung von Körperfunktionen treffe auch auf zahlreiche Medi-zinprodukte, z.B. Herzschrittmacher, zu. Es sei für die Abgrenzung von Medizinprodukten und Arzneimitteln folg-lich nicht brauchbar. Auch das herangezogene Urteil des Europäischen Gerichtshofes beziehe sich auf die Abgrenzung zu Lebensmitteln („Weihrauch“). Danach sei ein Produkt nicht als Funktionsarzneimittel einzustufen, wenn es auf-grund der Dosierung und bei normalem Gebrauch die menschlichen physiologischen Funktionen nicht in nennens-werter Weise wiederherstelle, korrigiere oder beeinflusse. Auch diese Aspekt sei für die Abgrenzung zu Medizinpro-dukten unbrauchbar. Entscheidend sei vielmehr die Wir-kungsweise (pharmakologisch oder physikalisch). Medizin-produkte wirkten durch physikalische Mittel, etwa eine mechanische Wirkung oder eine physikalische Barriere. Eine pharmakologische Wirkung werde nach einem Leitlinien-papier der EU-Kommission als Wechselwirkung zwischen den Molekülen der Substanz und einem zellulären Bestand-teil. Diese Interaktion könne direkt (Agonist) oder blockie-rend (Antagonist) verlaufen. Hierbei sei es unerheblich, ob überwiegend menschliche Zellbestandteile oder Bestandteile von Krankheitserregern in Wechselwirkung mit dem Stoff träten. Dass die Erregerzellen nur „umhüllt“ würden, sei durch nichts belegt und aufgrund der Größenverhältnisse zwischen Erregerzellen und Polyphenolen unmöglich. Die zwingende Behandlung der Zellen vor Zugabe des Virus lasse vermuten, dass es zu Wechselwirkungen zwischen Zell-bestandteilen und Polyphenol komme. Die vorgelegten prä-klinischen Daten zum Wirkmechanismus wiesen deutliche Mängel auf. Aus den von der Klägerin vorgelegten Studien ergäben sich zudem deutliche Hinweise auf Wechselwirkun-gen zwischen Cistus-Polyphenolen und Zellbestandteilen. Vergleichbares gelte auch für die sonstige Literatur.

Die Klägerin ist dem mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2009 entgegen getreten und vertieft ihre bisherigen Ausführungen. Sie äußert die Befürchtung, dass sich das BfArM vor den Karren bestimmter Pharmaunternehmen spannen lasse und im Zusammenhang mit bestehenden Influenza-Epidemien versucht werde, ein alternatives Produkt vom Markt zu drängen.

[Das VG Köln – 24 K 4394/08 wies die Klage als unbegrün-det zurück. Die Klägerin legte Berufung ein]

Aus den Gründen

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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RECHTSPRECHUNG

nose zu erstellen (lit. b). Nach dieser Vorrangregelung könn-ten die streitbefangenen Präparate nicht als Arzneimittel be-handelt werden.

Allerdings sind nach § 2 Abs. 3a AMG n. F. Arzneimittel auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigen-schaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können. Mit dieser Bestimmung wurde die sog. Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG i. d. F. der Änderungs-richtlinie 2004/27/EG in deutsches Recht umgesetzt (vgl. Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 16.  März 2009, BT-Drucks. 16/12256 S. 41). Aus der „Zweifelsfall“-Regelung folgt, dass stoffliche Medizinpro-dukte aufgrund ihrer medizinischen Zweckbestimmung in der Regel auch unter die Definition des Präsentationsarznei-mittels in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG n. F. fallen.

Es ist nicht zu entscheiden, ob Produkte, die von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG n. F. erfasst und aufgrund ihrer Wirkungsweise bislang als Medizinprodukt eingestuft wurden, nach Maßga-be des § 2 Abs. 3a AMG n. F. nunmehr stets als Arzneimittel zu qualifizieren sind. Denn nach dem Erwägungsgrund 7 zu den Richtlinien 2004/27/EG und 2004/28/EG, die die Richt-linien 2001/83/EG und 2001/82/EG ändern, soll die Arznei-mittel-Richtlinie nicht gelten, wenn ein Produkt eindeutig unter die Definition anderer Produktgruppen, insbesondere von Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Produkten der Medizintechnik, Bioziden oder kosmetischen Mitteln fällt. Art. 1 Abs. 5 lit. c der Richtlinie 93/42/EWG i. d. F. der Änderungsrichtlinie 2007/47/EG schließt Arzneimittel i. S. d. Richtlinie 2001/83/EG aus dem Anwendungsbereich der Medizinprodukte-Richtlinie zwar aus, sieht aber vor, dass die Entscheidung darüber, unter welche Richtlinie ein Pro-dukt fällt, insbesondere unter Berücksichtigung der haupt-sächlichen Wirkungsweise des Produkts zu erfolgen hat.

Vgl. Tolle, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittel-recht, Handbuch für die pharmazeutische Rechtspraxis, 2010, § 2 Rn. 139; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 2007 – 13 A 3903/06 –, PharmR 2008, 83.

Demnach wird die Auffassung zutreffend sein, dass die Zweifelsregelung auf Produkte, die aufgrund ihrer Wir-kungsweise eindeutig dem Medizinprodukterecht zuzuord-nen sind, (grundsätzlich) keine Anwendung findet

Vgl. Tolle, a. a. O., Rn. 142.

Hiervon ist offensichtlich auch der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 2 Abs. 3a AMG n. F. ausgegangen. Die Arz-neimittel-Richtlinie soll nämlich nicht gelten, wenn ein Pro-dukt eindeutig unter die Definition anderer Produktgruppen fällt (BT-Drucks. 16/12246, a. a. O.). Voraussetzung für die Anwendung des § 2 Abs. 3a AMG n. F. ist danach die posi-tive Feststellung der Arzneimitteleigenschaft des betreffen-den Präparats sowie, dass es unter die Definition etwa eines

MPG n. F.) die zuständige Landesbehörde beim BfArM einen Antrag auf Einstufung eines Produkts gemäß § 13 Abs. 3 MPG n. F. stellen kann, ändert an der Richtigkeit der obigen Überlegung nichts. Im Unterschied zu § 13 Abs. 3 MPG in der bisherigen Fassung, wonach die zuständige Be-hörde zur Klassifizierung von Medizinprodukten und zur Abgrenzung von Medizinprodukten zu anderen Produkten das BfArM um eine Stellungnahme ersuchen konnte, sieht § 13 Abs. 3 MPG n. F. nunmehr vor, dass das BfArM auf Antrag über die Klassifizierung einzelner Medizinprodukte oder über die Abgrenzung von Medizinprodukten zu ande-ren Produkten entscheidet. Hiervon unabhängig ist freilich die seit dem 8. AMG-Änderungsgesetz vom 7. September 1998 (BGBl. I, S. 2649) bestehende Feststellungsbefugnis des BfArM gemäß § 21 Abs. 4 AMG.

Es kann daher unerörtert bleiben, ob der angefochtene Be-scheid ein sog. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, so dass für die Zeit ab Inkrafttreten von § 13 Abs. 3 MPG n. F. ein von der Klägerin geltend gemachter Mangel im Hinblick auf die Feststellungskompetenz des BfArM ohnedies nicht mehr gegeben wäre. Bei der Beurteilung eines Dauerverwal-tungsakts ist nämlich nicht auf die Sach- und Rechtslage der letzten Behördenentscheidung abzustellen, sondern auf die der letzten mündlichen Verhandlung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2009 – 13 A 235/09 –, juris, m. w. N.

Dass die streitbefangenen Produkte die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i. F. d. der 15. AMG-Novelle (Art. 1 des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und ande-rer Vorschriften vom 17. Juli 2009, BGBl. I, S. 1990 – AMG n. F. –) erfüllen, hat die Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Der Senat kann daher auf die Ausführungen des Verwal-tungsgerichts zur Eigenschaft der Präparate als sog. Präsen-tationsarzneimittel Bezug nehmen. Es handelt sich um Stoff-zubereitungen, die zur Anwendung im menschlichen Körper als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Be-schwerden bestimmt sind.

Es ändert an der erfolgten Einordnung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG n. F. nichts, dass die Definition des Präsentationsarz-neimittels nach dem Arzneimittelgesetz mit der stofflichen Definitionsvariante eines Medizinprodukts in § 3 Nr. 1 MPG zum Teil deckungsgleich ist. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG n. F. sind Medizinprodukte i. S. d. § 3 MPG allerdings keine Arzneimittel, es sei denn, es handelt sich um solche Arzneimittel i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG n. F., das heißt, es muss sich um sog. Funktionsarzneimittel handeln. Dies sind Stoffe, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verab-reicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigie-ren oder zu beeinflussen (lit. a) oder eine medizinische Diag-

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RECHTSPRECHUNG

klärungsbedürftig und klärungsfähig sind, werden nicht vor-gebracht und sind auch nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass die Klägerin sich nicht explizit, sondern ggf. lediglich der Sache nach auf das Vorliegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) berufen hat, liegen diese Zulassungsvo-raussetzungen nicht vor. Die im vorliegenden Verfahren auf-geworfenen Rechtsfragen lassen sich – wie dargelegt – ohne größere Auslegungsaufwendungen aus den nationalen Geset-zen und europarechtlichen Bestimmungen beantworten und übersteigen nicht das Normalmaß vergleichbarer Streitigkei-ten.

Anmerkung für die PraxisMit diesem Beschluss hat das OVG NRW in relativ kurzer Zeit das Urteil des VG Köln vom 14.10.2009 (Az. 24 K 4394/08) zur Einstufung von Cystus bestätigt1. Zur allge-meinen Überraschung in Literatur und Praxis bestätigt das OVG NRW mit seiner Entscheidung die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil nicht zuzulassen die Einstufung der als Medizinprodukte in den Verkehr gebrachten Produkte als Präsentationsarzneimittel. Nachvollziehbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden, ist die Feststellung des Senats, dass das Bundesinstitut nach § 21 Abs. 4 AMG auf Antrag einer zu-ständigen Landesbehörde befugt ist, über die Zulassungs-pflicht eines Arzneimittels und somit auch die Feststellung, ob ein Produkt ein Arzneimittel ist, zu entscheiden. Dies be-darf insofern auch keiner weiteren Vertiefung als mit der am 21.03.2010 in Kraft getretenen MPG-Novelle das BfArM gemäß § 13 Abs. 3 MPG die ausdrückliche Befugnis hat, ver-bindlich festzustellen, ob ein Produkt ein Medizinprodukt ist oder nicht.

Fraglich erscheint allerdings die nachfolgende Feststellung - wenngleich insoweit die Beurteilung für einen nicht am Ver-fahren Beteiligten schwierig ist - dass die Klägerin die Vor-aussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, d.h. die Aufma-chung als Präsentationsarzneimittel nicht in Zweifel gezogen habe. Denn auch ein Medizinprodukt hat nach § 3 Nr. 1 MPG eine therapeutische Zweckbestimmung und dient der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten. Ebenso wie für ein Arzneimittel ist für ein Medizinprodukt eine Kennzeichnung nach Ab-schnitt I, 13.3 des Anhang I der Medizinprodukterichtlinie 93/42/EG vorgeschrieben und weiterhin schreibt § 11 Abs. 2 MPG vor, dass Medizinprodukte mit einer Gebrauchsinfor-mation versehen sein müssen. Als Folge der gesetzlichen Vorschriften kann sich daher ein stoffliches Medizinprodukt in seiner Aufmachung und Kennzeichnung praktisch nicht von einem Fertigarzneimittel unterscheiden, außer dass auf der Verpackung an Stelle einer Zulassungsnummer das CE-Kennzeichen, gegebenenfalls mit der Kennziffer der einbe-zogenen Benannten Stelle, angegeben ist. Es darf wohl zu

Lebensmittels oder Medizinproduktes fallen kann. Demnach ist die Vorschrift des § 2 Abs. 3a AMG n. F. insbesondere anwendbar, wenn die vom Hersteller angenommene Haupt-wirkung aus wissenschaftlicher Sicht nicht hinreichend gesi-chert ist, vorrangige arzneiliche Wirkungen aber auch nicht ausgeschlossen sind, so dass ein solches Produkt nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden kann. Dieses Ergeb-nis bestätigt auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach sind Funktionsarzneimittel i. S. d. De-finition in Art. 1 Nr. 2 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG sol-che Erzeugnisse, deren Arzneimitteleigenschaften wissen-schaftlich nachgewiesen sind.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009, Rs.C 140/07, NVwZ 2009, 439.

§ 2 Abs. 3a AMG n. F. ist daher anwendbar, wenn das Prä-parat unter die Definition des Präsentationsarzneimittels fällt und unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach § 2 Abs. 3 AMG n. F. fallen kann. Das Verwaltungsge-richt brauchte deshalb die Wirkungsweise der streitbefange-nen Präparate nicht abschließend zu klären. Vielmehr durfte das Verwaltungsgericht mit Rücksicht auf die „Zweifelsfall“-Regelung des § 2 Abs. 3a AMG n. F. von einer weiteren Sachverhaltsermittlung absehen.

Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Eine Divergenz mit tragenden Rechtssät-zen in Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfas-sungsgerichts hat die Klägerin nicht schlüssig aufgezeigt. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts weicht insbe-sondere nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2009 (– 3 C 5.09 –, NVwZ 2009, 1038) ab. Dort ging es um die Frage der Einordnung eines Präparats als Funktionsarzneimittel i. S. d. Art. 1 Nr. 2 lit. b der Richt-linie 2001/83/EG. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichts-hofs (Urteil vom 15. Januar 2009 – RS C 140/07 –, a. a. O.) ausgeführt, dass die Einordnung als Funktionsarzneimittel im Sinne dieser Bestimmung ungeachtet der Zweifelsrege-lung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie den wissenschaftlichen Nachweis erfordert, dass die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder meta-bolische Wirkung des Produkts wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden. Diese Fragen sind indes nicht Ge-genstand des vorliegenden Verfahrens.

Soweit die Klägerin sich auf eine Divergenz mit der ange-führten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs beruft, liegt bereits eine divergenzfähige Entscheidung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht vor.

Die Berufung ist bei Berücksichtigung des Vorbringens auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu-zulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende verallgemeinerungsfähige Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Rechtsfortbildung und/oder -vereinheitlichung dienlich und in der Berufung

1 PharmaR 2010, 35, vgl. die kritische Anmerkung von v. Czettritz/Strelow MPR 2010, 1 sowie Natz, PharmaR 2010, 40; Fulda, MPJ 2010, 94 und Schenkewitz, MPJ 2010, 43

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RECHTSPRECHUNG

des EuGH sollte das Kriterium der Bezeichnung nicht nur Erzeugnisse erfassen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten ausdrücklich auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich als solche bezeichnet wor-den sind, sondern auch Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind und nicht die Wirkung haben, die der Ver-braucher nach ihrer Bezeichnung von ihnen erwarten darf. Dadurch sollte der Verbraucher nicht nur vor schädlichen oder giftigen Arzneimittel als solchen geschützt werden, son-dern auch vor Erzeugnissen, die an Stelle geeigneter Heilmittel verwendet werden. In Umsetzung der ständigen Rechtsprechung des EuGH hat die Richtlinie 2001/83/EG in Artikel 1 Nr. 2 a und b die heutige Unterscheidung in Prä-sentationsarzneimittel (entspricht der Bezeichnung) und Funktionsarzneimittel vorgenommen. Vor dem Hintergrund dieser Historie wird deutlich, dass das Kriterium des Präsen-tationsarzneimittels nicht auf Medizinprodukte angewendet werden kann, denn auch Medizinprodukte sind nach ihrer Definition Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten, so dass der Schutzgedanke, der der Rechtspre-chung des EuGH zur Bezeichnung zugrunde lag, nicht greift.3

Die Feststellung des OVG NRW am Ende der Entscheidung, dass die Berufung auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeu-tung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu-zulassen sei, ist in jedem Fall unzutreffend, denn bei diesem Verfahren handelte es sich um das erste Verfahren, in dem die konkrete Frage der Einstufung Arzneimittel oder Medi-zinprodukt zur Entscheidung anstand, da alle bis dahin er-gangenen Entscheidungen sowohl des OVG NRW als auch des Bundesverwaltungsgerichts und des EuGH sich lediglich auf die Abgrenzung Arzneimittel zu Lebensmitteln oder Kos-metika bezogen und nicht auf Medizinprodukte die gleicher-maßen wie Arzneimittel einen therapeutischen Zweck erfül-len. Interessanterweise hat sich das OVG NRW im Rahmen der gegen den vorliegenden Beschluss erhobenen Anhörungs-rüge noch einmal veranlasst gesehen, die hier besprochene Entscheidung noch einmal mit weitergehenden Argumenten zu verteidigen4.

Anschrift des Verfassers:Rechtsanwalt Peter v. CzettritzPreu Bohlig & PartnerLeopoldstraße 11a80802 München www.preubohlig.de

Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie auf das CE-Kennzeichen und seine Bedeutung auf der Verpackung hingewiesen hat, so dass die Feststellung des Senats die Prä-sentationsarzneimitteleigenschaft sei nicht in Zweifel gezo-gen worden, mit einem Fragezeichen zu versehen ist.

In den weiteren Entscheidungsgründen stellt das OVG NRW dann fest, dass Art. 1 Abs. 5 Lit. c der Richtlinie 93/42/EG i.d.F. der Änderungsrichtlinie 2007/47/EG vorsieht, dass die Entscheidung darüber, unter welche Richtlinie ein Produkt fällt insbesondere unter Berücksichtigung der hauptsächli-chen Wirkungsweise des Produktes zu erfolgen hat, was zu-treffend ist. Des weiteren stellt der Senat noch zutreffend fest, dass die Zweifelsfallregelung des § 2 Abs. 3 a AMG die positive Feststellung der Arzneimitteleigenschaft des betref-fenden Präparates ebenso voraussetzt, wie dass es unter die Definition eines Medizinproduktes fallen kann. Der Fehler der Entscheidung liegt dann darin, dass der Senat die Auffas-sung vertritt, dass die während des bisherigen Verfahrens nicht hinreichend aufgeklärte Wirkung des Präparates zu Lasten des Herstellers ginge und es hierauf auch nicht weiter ankomme, da ja die Präsentationsarzneimitteleigenschaft po-sitiv feststehe2. Wie das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 26.05.2009 (Az.: 3 C 5.09 – Red Rice) festgehal-ten hat “hat der Europäische Gerichtshof geklärt, dass die Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG nicht auf ein Produkt anzuwenden ist, dessen Eigenschaft als Funktionsarzneimittel wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist”. Dementsprechend hätte nach der hier vertretenen Auf-fassung der Senat die Berufung zulassen und im Rahmen eines von Amts wegen einzuholenden Sachverständigengut-achtens die wissenschaftliche Klärung herbeiführen müssen. Nach der Gesetzessystematik verbietet es sich, bei der Frage der Einstufung, ob ein Produkt ein Arzneimittel oder ein Me-dizinprodukt ist, auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG zurückzugreifen, da in § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG nur auf Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 (Funktionsarzneimittel) und nicht auch auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 (Präsentationsarzneimittel) verwiesen wird. Diese Einschränkung muss nach der hier vertretenen Auffassung auch bei Anwendung der Zweifelsfallregelung des § 2 Abs. 3 AMG berücksichtigt werden.

Bestätigt wird diese Auffassung, wenn man sich in Erinne-rung ruft, dass die mittlerweile in § 2 Abs. 1 AMG übernom-mene europarechtliche Unterscheidung in Präsentationsarz-neimittel einerseits und Funktionsarzneimittel andererseits Ausfluss der Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung von Arzneimitteln und anderen Produkten ist. Nach der Recht-sprechung des EuGH zur Abgrenzung von Arzneimitteln zu Lebensmitteln, die bekanntlich nicht den Zweck haben, bei Krankheiten angewendet zu werden, sollen Produkte, denen der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird, auch als sol-che behandelt werden.

Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinie 65/65/EG, der Vorgängerrichtlinie zur Richtlinie 2001/83/EG waren Erzeugnisse, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten bezeichnet wurden, Arzneimittel. Nach der ständigen Rechtsprechung

2 vgl. v. Czettritz/Strelow, MPR 2010, 1, 3 vgl. v. Czettritz PharmaR 2010, 3444 vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.04.2010, Az.: 13 A 6622/10, PharmaR

2010, 342 mit kritischer Anmerkung von v. Czettritz, PharmaR 2010, 344

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RECHTSPRECHUNG

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Orientierungssätze

1. Eine Kontaktaufnahme zwischen Lieferant und Händler betreffend den Wiederverkaufspreis stellt dann eine ver-botene Vereinbarung oder Verhaltensabstimmung im Verti-kalverhältnis im Sinne von § 1 GWB dar, wenn es dabei zu einer Abstimmung in der Weise kommt, dass sich der Liefe-rant konkret um die Koordinierung der Preisgestaltung des Händlers bemüht und sich Händler und Lieferant auf diese Weise über das künftige Vorgehen des Händlers verstän-digen.

2. Jede Kontaktaufnahme, die über die reine Übermittlung von UVP hinausgeht und diesen durch nachträgliche und er-neute Thematisierung – insbesondere mit Blick auf das bis-herige Preissetzungsverhalten des Händlers – Nachdruck verleiht, stellt deren Unverbindlichkeit in Frage und ist als Druckausübung in diesem Sinne zu werten.

Bundeskartellamt, Beschl. v. 25.9.2009 – B 3 - 123/08

Aus dem Sachverhalt Den Mitarbeitern der Nebenbetroffenen wird zur Last ge-legt, gegen § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun-gen (GWB) in der ab dem 15. Juli 2005 geltenden Fassung sowie gegen Art. 81 EG verstoßen zu haben, indem sie sich an Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltenswei-sen zwischen der Nebenbetroffenen und deren Abnehmern beteiligt haben, welche eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Markt für den Handel mit Kontaktlinsen bezweckten oder bewirkten.

Dies betrifft im Einzelnen die folgenden Sachverhalte:

1. Vereinbarungen mit Abnehmern über einen Ausschluss des Internethandels mit Kontaktlinsen des Typs [...], später [...], im Zeitraum 15.07.2005 bis 19.07.2006 (sog. „Einver-ständniserklärungen“ bei Erstbestellung) bzw. im Zeitraum Januar - Dezember 2006 (sog. „Jahreskonditionen 2006“).

2. Verhinderung des Ebay-Handels mit Kontaktlinsen des Typs […] und […] im Wege einer generellen Löschungsabre-de mit Ebay im Zeitraum 01.01.2006 bis 30.07.2007.

3. Vereinbarung mit mindestens vier großen Internethänd-lern über Großhandelsverbot mit Kontaktlinsen der Neben-betroffenen im Zeitraum 10.02.2006 bis 31.12.2006.

4. Maßnahmen der „Preispflege“ im Zeitraum 01.01.2006 – 13.11.2008:

a. Druckausübung auf Internethändler, deren Abgabepreise beim Weiterverkauf von Kontaktlinsen der Nebenbetroffe-nen nicht dem gewünschten Niveau entsprachen

b. Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen mit diesen Internethändlern betreffend die Anhebung ihrer Ab-gabepreise

c. In-Aussicht-Stellen oder Gewähren von Vorteilen an sol-che Internethändler, die ein dauerhaft hohes Preisniveau beim Weiterverkauf der Kontaktlinsen der Nebenbetroffe-nen gewährleisten

d. Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweisen mit diesen Internethändlern über Wahrung eines gewissen Preis-niveaus beim Weiterverkauf von Kontaktlinsen der Neben-betroffenen.

– Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag, § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Ver-bindung mit § 1 GWB und §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, 14 Abs. 1, 30, 130 OWiG –.

I. Hintergrund

(1) Die Nebenbetroffene ist im Großhandel mit Kontaktlin-sen, Kontaktlinsen-Pflegemitteln und optischen Erzeugnissen aller Art tätig. Sie gehört zu 100% der [...], ihrerseits eine Tochter der [...].

(2) Die Gesamtumsätze der Nebenbetroffenen in Deutsch-land beliefen sich im Geschäftsjahr 2008 (Angaben nur für Januar bis Oktober vorhanden) auf etwa [...] €, davon wur-den [...] € mit Kontaktlinsen und [...] € mit Kontaktlinsen-Pflegemitteln erzielt.1 Die [...] erzielte im Geschäftsjahr 2008 Umsätze von insgesamt [...].

(3) Das Volumen des Gesamtmarktes für Kontaktlinsen in Deutschland belief sich nach Schätzungen der GfK im ersten Halbjahr 2008 auf […] Mio. €; die Nebenbetroffene hatte danach einen Marktanteil von [...].

II. Vorgeworfenes Verhalten

1. Einverständniserklärungen

(4) Mitarbeiter der Nebenbetroffenen haben mindestens im Zeitraum vom 15. Juli 2005 bis zum 19. Juli 2006 Abneh-mern der Nebenbetroffenen bei der Erstbestellung von [...]- Kontaktlinsen (später [...]) eine schriftliche Einverständniser-klärung abverlangt, mit der diese sich verpflichteten, die [...] bzw. [...] nicht im Internet zu vertreiben2.

(5) Soweit mit Abnehmern sog. „Jahreskonditionen 2006“ schriftlich vereinbart wurden, enthielten diese ebenfalls den Zusatz, dass der jeweilige Abnehmer die [...] nicht aktiv im Internet anbieten werde.3 Diese Jahreskonditionen blieben

Preisabstimmung zwischen Händler und Lieferanten

§§ 1, 2, 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB, Art. 4 a) Vertikal-GVO

1 IT-Ass.Nr. 205586.2 Ass. Nr. 20, S. 174; Ass. Nr. 13, S. 1 ff.; Ass. Nr. 25, S. 36, 40.3 Ass. Nr. 33, S. 8, 12, 14, 30.

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RECHTSPRECHUNG

regelmäßig nicht mehr als 10-15% unterhalb der UVP, bei Produktneueinführungen maximal 10% unterhalb der UVP der Nebenbetroffenen lagen, und zwar bezüglich sämtlicher bedeutender Kontaktlinsen12. Die Einhaltung der maximal zulässigen Preisabweichung, des sog. „price grid“ durch diese Top-10 oder Top-11 wurde durch das Team „Emer-ging Channels“ kontinuierlich beobachtet und analysiert13

(15) Diese Händler, bei denen es sich um zehn bis elf „hoch-preisige Shops“ handelte, welche „auch mit uns kooperieren und mit unserer (Preis/Produkt)Politik übereinstimmen“14 zeigten sich als „konstante und professionelle Gruppe mit überproportionalem Wachstum“15. Sie vereinten im Jahr 2007 bereits ca. [...] %, im Jahr 2008 etwa [..] % des Inter-netumsatzes der Nebenbetroffenen auf sich16.

(16) Im Gegenzug für ihre besondere Kooperation wurden die Top-Kunden gegenüber anderen Internethändlern bevor-zugt, indem ihnen besondere Einkaufskonditionen und Un-terstützung etwa bei Marketingmaßnahmen zugesagt bzw. gewährt wurden17.

Aus den Gründen(17) Die dargestellten Verhaltensweisen verstoßen gegen § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag, § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 1 GWB und §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, 14 Abs. 1, 30, 130 OWiG. Im Einzel-nen:

1. Einverständniserklärungen

(18) Das Einfordern schriftlicher Einverständniserklärungen bzw. die Vereinbarung von Jahreskonditionen, mit denen Kunden sich verpflichteten, die [...]- bzw. [...]-Kontaktlinse nicht im Internet zu vertreiben, verstößt gegen § 1 GWB (und Art. 81 EG). Es handelt sich um eine Vereinbarung, die eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs auf der Ebene des Einzelhandels mit Kontaktlinsen der Nebenbetroffenen bezweckt und bewirkt.

(19) Eine Freistellung nach § 2 GWB i.V.m. den Vorschriften der Vertikal-GVO18 kommt nicht in Betracht. Die Beschrän-kung des Internethandels stellt eine Kernbeschränkung

ungeachtet der Abschaffung der Einverständniserklärungen bis zum Ende des Jahres 2006 gültig.

2. Löschungsabrede Ebay

(6) Mindestens in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30.07.2007 haben Mitarbeiter der Nebenbetroffenen den Verkauf der Kontaktlinsen [...] und [...] über Ebay im Wege einer generellen Löschungsabrede mit Ebay verhindert.4

3. Großhandelsverbot

(7) Mitarbeiter der Nebenbetroffenen haben mindestens mit Wirkung vom 10. Februar 2006 bis zum 31.12.2006 mit mindestens vier – großen – Abnehmern/Internethändlern5 vereinbart, dass diese die von der Nebenbetroffenen erwor-benen Kontaktlinsen ausschließlich zum Weiterverkauf an Endverbraucher verwenden (Großhandelsverbot)6.

4. Preispflege

(8) Mitarbeiter der Nebenbetroffenen haben mindestens im Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 13. November 2008 ein Bündel von Maßnahmen unterhalten, welche intern als „Preispflege“ bezeichnet wurden:

(9) Die Nebenbetroffene betrieb ein Überwachungs- und In-terventionssystem. Mehrere Personen waren mit der Beob-achtung und Kontrolle von Verkaufspreisen der Händler im Internet befasst.

(10) Zuständig hierfür war u.a. das im Jahr 2006 neu aufge-stellte Team „Emerging Channels“7, zu dessen Aufgaben die Kontaktaufnahme mit Händlern, deren Preise nicht dem gewünschten Niveau entsprachen, sowie die interne „Ab-sprache der Argumente, die zur Preispflege beitragen“, ge-hörten8.

(11) Als Folge von beobachteten Händlerabgabepreisen, welche nicht dem gewünschten Niveau entsprachen, haben Mitarbeiter der Nebenbetroffenen in zahlreichen Fällen mit den entsprechenden Internethändlern Kontakt aufgenom-men. Ziel der Gespräche war es jeweils, die Händler dazu zu bewegen, ihre Abgabepreise anzuheben. In vielen Fällen ge-lang dies auch. Dies wird durch interne Emails belegt9.

(12) Diese Form der „Preispflege“ betraf sämtliche wichtigen Kontaktlinsen der Nebenbetroffenen, also insbesondere die [...], die [...], die [...] und die [...]10.

(13) Zwei interne Dokumente zur geplanten Internetstrate-gie der Nebenbetroffenen vom September 200811 sahen Maßnahmen zur “VK-Preisstabilisierung im Internetkanal“ vor, u.a. „klare empfohlene Verkaufspreise“ und zeitlich be-grenzte Aktionspreisempfehlungen, verbunden „mit dem Hinweis, nach der Aktion die Preise wieder hochzunehmen“. Als „Maßnahme der Preispflege“ wurde hier die Rohertrags-argumentation angeführt sowie auf die Erfolgsstory erfolg-reicher hochpreisiger Shops hingewiesen.

(14) Zu einigen Internethändlern, den sog. Top-Kunden, un-terhielt die Nebenbetroffene ein besonderes Kooperations-verhältnis. Diese zeichneten sich durch besonders hohe Um-sätze sowie dadurch aus, dass ihre Verkaufspreise im Netz

4 Ass. Nr. 19, S. 312, 339, S. 409-450; Ass. Nr. 22 S. 96; Ass. Nr. 30, S. 82.5 [...].6 Ass. Nr. 33 S. 1-2, 26-27, 28-29, Ass. Nr. 25, S. 40, 44. 45, 64.7 7 Ass. Nr. 18, S. 20.8 IT-Ass. Nr. 253122.9 z.B.: IT-Ass. Nr. 219317; IT-Ass. Nr. 219317; Ass. Nr. 31, S. 529; Ass. Nr. 31,

S. 204; Ass. Nr. 31, S. 201; Ass. Nr. 31 S. 198; Ass. Nr. 31, S. 519; IT-Ass. Nr. 243933.

10 Vgl. Ass. Nr. 29, S. 1-4; Ass. Nr. 36, S. 32-34.11 „Internet Strategy 2008“, Ass. Nr. 18, S. 13 ff.; PP-Präsentation „Außen-

dienstinformation Internet 2008“, Ass. Nr. 28, S. 143 ff..12 Ass. Nr. 18, S. 24 ff.13 Ass. Nr. 14, S.5 ff.14 Ass. Nr. 26. S. 35.15 Ass. Nr. 22, S. 91.16 Ass. 28, S. 192.17 Ass. Nr. 28, S. 151; Ass. Nr. 27, S. 214; Ass. Nr. 18 S. 23 ff.18 Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission über die Anwendung

von Art. 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarun-gen aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen.

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RECHTSPRECHUNG

nischen Anpassung erwerben. Weshalb die Augengesundheit des Kunden bei diesem Vertriebsweg besser geschützt sein sollte, ist daher nicht ersichtlich.

(26) Die Nebenbetroffene beliefert überdies, wie die meisten anderen Hersteller auch, mindestens seit 2005 auch Droge-rien und Supermärkte ([...])20,), obwohl auch dort eine fach-männische Anpassung nicht erfolgt.

(27) Im Ergebnis hält die Beschlussabteilung das Argument des Gesundheitsschutzes daher nicht für überzeugend. Tat-sächlich geht es nach Auffassung der Beschlussabteilung darum, mit dem Internethandel einen besonders kompetiti-ven Vertriebskanal möglichst weitgehend einzuschränken, um so einem allgemeinen Preisverfall vorzubeugen. Dies ge-schieht zum einen im Interesse der stationären Augenoptiker, die sich von den Internetpreisen unter Druck gesetzt sehen, dient aber zum anderen auch der Sicherung der eigenen Ge-winnmarge der Nebenbetroffenen. Die Beschlussabteilung sieht sich in dieser Auffassung durch die vorliegend gesichte-ten Beweismittel bestärkt.

(28) Die Balance Internethandel-Fachhandel stellte für die Nebenbetroffene ein zentrales Thema dar, und Mitarbeiter wurden in ihrer Argumentation gegenüber dem stationären Handel entsprechend geschult21. Pflege und Ausbau des Internetgeschäfts sollten nur in Abstimmung mit dem tradi-tionellen Markt vonstattengehen22.

Keine Rechtfertigung durch Gesichtspunkt des Schutzes vor „free riding“

(29) Laut Verteidigung war die Monatslinse [...] ein neues und neuartiges Produkt, das in den Markt erst eingeführt werden musste. Für solche Fälle lasse auch der Entwurf2323 der neuen Leitlinien zur Vertikal-GVO in Rz. 56 weiterge-hende Beschränkungen zu24

(30) Rz. 56 betrifft, obgleich in den Leitlinien zur Vertikal-GVO verortet, keinen Fall der Gruppenfreistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG, sondern eine Konstellation, die nach Auf-

gemäß Art. 4 b) bzw. Art. 4 c) Vertikal-GVO dar. Auch lagen die Marktanteile der Nebenbetroffenen im Tatzeit-raum über der Schwelle von 30% nach Art. 3 Abs. 1 Verti-kal-GVO.

Keine Rechtfertigung durch Argument des Gesundheits-schutzes

(20) Eine ausnahmsweise sachliche Rechtfertigung19 liegt nicht vor. Insbesondere ist der Ausschluss des Internethan-dels nicht zur Sicherstellung eines richtigen Gebrauchs oder zum Schutz der Gesundheit der Träger von [...] bzw. [...]-Kontaktlinsen erforderlich.

(21) Die Nebenbetroffene trägt vor, dass sie für den Großteil ihrer Kontaktlinsen beim Vertrieb über das Internet lediglich qualitative Vorgaben (Sicherstellung einer Erstanpassung sowie von Nachkontrollen durch einen Fachmann im statio-nären Fachgeschäft/-abteilung) gemacht habe, die jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt und auf Basis der damals vorlie-genden Erkenntnisse (z.B. Ausstattung der Internethändler, klinische Studien, gesetzliche Regelungen, und Entschei-dungspraxis) notwendig gewesen seien, um unkontrollierba-re Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Vor dem Hintergrund des damaligen Diskussionsstandes zu den mit dem Internet-vertrieb verbundenen Gesundheitsrisiken, dem gesetzlichen „Totalverbot“ des Internetverkaufs mit Kontaktlinsen in einigen Ländern wie z.B. in Frankreich, Italien und Öster-reich, sei eine Beschränkung des Internethandels insbesonde-re für die neue Über-Nacht-Monatslinse [...], bei der sich für die Verbraucher ein erhöhtes Gesundheitsrisiko ergebe, sachlich gerechtfertigt gewesen.

(22) Die Beschlussabteilung überzeugt diese Argumentation nicht. Kontaktlinsen, selbst 24h-Linsen, wie die hier in Rede stehenden, sind in Deutschland laut Medizinproduktegesetz frei verkäuflich, unterliegen also keinerlei Verschreibungs-pflicht, Vertriebsbeschränkungen oder Vorgaben bei der Warenpräsentation.

(23) Eine fachmännische Erstanpassung, Beratung und regel-mäßige Kontrollen mögen wünschenswert sein, unterliegen aber der Eigenverantwortung des Kontaktlinsenträgers. Je-denfalls dem Nachkauf von fachmännisch angepassten Kon-taktlinsen im Internet stehen sie nicht entgegen.

(24) Wollte man die Gesundheit der Konsumenten ernsthaft schützen, gäbe es mildere und zugleich geeignetere Mittel als ein Komplett-Verbot des Internethandels. Zu denken wäre z.B. an Beipackzettel oder aber an die Verpflichtung – an Internethändler wie an stationäre Händler – sich den Nach-weis einer nicht länger als eine bestimmte Zeit zurückliegen-den Anpassung vorlegen zu lassen. Diese Mittel werden von der Nebenbetroffenen nicht genutzt.

(25) Es wäre auch lebensfremd, anzunehmen, dass stationäre Optiker in der Praxis von sich aus einen Nachweis über eine fachmännische Anpassung, ein Spezifikation des Augenarz-tes o.ä. verlangten. Vielmehr kann der Konsument die von ihm gewünschten Kontaktlinsen auch im stationären Handel jederzeit ohne Nachweis einer vorausgegangenen fachmän-

19 Rz. 51 der Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen, Mit-teilung der Kommission vom 13.10.2000, Amtsblatt C 291/1.

20 Ass. Nr. 25, S. 220, 223, 243 f., 156-157, 183 ff.21 Vgl. exemplarisch Ass. Nr. 22 S. 79 f., S. 86 ff, S. 99 ff., Ass. Nr. 26, S. 35, 36.22 Ass. Nr. 22, S. 87.23 http://ec.europa.eu/competition/consultations/2009_vertical_agree-

ments/draft_notice_de.pdf.24 Rz. 56 des Entwurfs der Leitlinien lautet: „Ein Händler, der als Erster eine

neue Marke verkauft oder als Erster eine bestehende Marke auf einem neuen Markt verkauft, so dass von einem echten Eintritt in den rele-van-ten Markt gesprochen werden kann, muss möglicherweise beträchtliche Mittel aufwenden, um den neuen Markt zu erschließen bzw. aufzubau-en, wenn für das betreffende Produkt im Allgemeinen oder für das be-treffende Produkt von diesem Hersteller vorher kein Bedarf bestand. Diese Aufwendungen gehen häufig verloren, so dass es durchaus mög-lich ist, dass ein Händler die Vertriebsvereinbarung nicht schließen würde, wenn er nicht für einen bestimmten Zeitraum vor (aktiven und) passiven Verkäufen durch andere Händler in sein Gebiet oder an seine Kundengruppe geschützt wird. Wenn der Händler beträchtliche Mittel aufwenden muss, um den neuen Markt zu erschließen bzw. aufzubauen, fallen Beschränkungen passiver Verkäufe durch andere Händler in dieses Gebiet oder an diese Kundengruppe in den ersten zwei Jahren, in denen der Händler die Vertragswaren oder -dienstleistungen in diesem Gebiet oder an diese Kundengruppe verkauft, im Allge-meinen nicht unter Arti-kel 81 Absatz 1 EG-Vertrag.“

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RECHTSPRECHUNG

(36) Die besonders lange Aufrechterhaltung des Ebay-Ver-bots dürfte vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass von diesem Vertriebsmedium generell ein besonderer Preisdruck und damit ein gesteigertes Risiko des allgemeinen Preisver-falls ausgeht, und dass Markenhersteller generell ihre Pro-dukte ungern dort „verschleudert“ sehen.

(37) Dass, wie die Verteidigung vorträgt, im relevanten Tat-zeitraum über Ebay nur knapp 2% der Umsätze im Markt für Kontaktlinsen erzielt worden seien, bestätigt diese Ten-denz. Ein Argument gegen die Spürbarkeit der vorgewor-fenen Wettbewerbsbeschränkung liegt darin gerade nicht.

3. Großhandelsverbot

(38) Das mindestens mit Wirkung vom 10. Februar bis 31. Dezember 2006 mit mindestens vier Internethändlern schriftlich im Rahmen von Jahreskonditionen vereinbarte Großhandelsverbot stellt ebenfalls eine gegen § 1 GWB (und Art. 81 EG) verstoßende, wettbewerbsbeschränkende Ver-einbarung dar.

4. Preispflege

(39) Die „Preispflege“ der Nebenbetroffenen im Internet in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum Zeitpunkt der Durch-suchung am 13. November 2008 stellt sich als Verstoß gegen § 1 GWB bzw. Art. 81 EG dar. Die Preispflege umfasst ein Bündel von Maßnahmen zur Preisstabilisierung, welches die Grenze zulässiger UVP deutlich überschreitet.

(40) Der Beweis einer Vereinbarung oder eines abgestimm-ten Verhaltens i.S.d. § 1 GWB (bzw. Art. 81 Abs. 1 EG) ist vorliegend jedenfalls in den (zahlreichen) Fällen erbracht, in denen im Anschluss an Kundengespräche eine Preisanhe-bung erklärtermaßen stattgefunden hat bzw. in denen sich Kunden dazu im Einzelfall bereit erklärt haben. Gleiches gilt für die Fälle, in denen sich Kunden (Top-Kunden) von vorn-eherein (konkludent) dazu bereit erklärt hatten, eine „Hoch-preisstrategie“ einzuschlagen, d.h. nur in gewissem Umfang von den UVP abzuweichen. Ob schließlich auch in den Fäl-len, in denen sich nur die Kontaktaufnahme als solche, nicht aber deren Ergebnis im Einzelfall aus den Beweismitteln er-gibt, ein abgestimmtes Verhalten anzunehmen ist, kann inso-fern dahingestellt bleiben“.

(41) Eine Freistellung kommt nach § 2 GWB i.V.m. Art. 4 a) Vertikal-GVO nicht in Betracht.

(42) Die Verteidigung trägt dagegen vor, die Tatbestands-voraussetzungen des § 1 GWB seien nicht erfüllt. UVP seien als einseitige Handlungen für sich genommen unproblema-tisch. Gleiches gelte für das Monitoring der Endverbraucher-preise. Auch die Erläuterung der Preisempfehlung sei nicht von § 1 GWB erfasst, wenn und soweit der Händler in seiner Entscheidungsfreiheit bei der Preissetzung frei bleibe. Aner-kannt sei auch, dass allein der Umstand, dass sich die Adres-saten in der Praxis u.U. an diesen UVP orientierten und

fassung der KOM schon nicht unter Art. 81 Abs. 1 EG fällt, wohl weil ein beschränkbarer Wettbewerb noch nicht be-steht. So heißt es in Rz. 56 ausdrücklich, dass diese auf Fälle beschränkt sein soll, in denen .

„Ein Händler, der als Erster eine neue Marke verkauft oder als Erster eine bestehende Marke auf einem neuen Markt verkauft, so dass von einem echten Eintritt in den relevanten Markt gesprochen werden kann […]“.

Ein Optiker, der die [...]-Kontaktlinse in sein bestehendes Kontaktlinsen-Sortiment aufnimmt, ist aber kein solcher Händler. Weder tritt er neu in einen Markt ein, noch muss er „beträchtliche Mittel aufwenden, um den neuen Markt zu erschließen bzw. aufzubauen“ i.S.v. Rz. 56. Vielmehr muss er nur diejenige Anpass- und Beratungsleistung erbringen, die – nach dem Vorbringen der Verteidigung selbst – für jeden Erstverkauf einer neuen Kontaktlinse erforderlich ist. Der Markt für Kontaktlinsen, auf dem die neue Linse in den Wettbewerb eintritt, ist aber schon vorher erschlossen, und der Optiker hier mit seinem stationären Ladenlokal bereits fest etabliert, ohne dass nennenswerte neue Investitionen auf ihn zukämen. Die Vereinbarung eines Verbots der Konkur-renz aus dem Internet schränkt diesen Wettbewerb ein und ist insofern als klassischer Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu werten.

(32) Eine Freistellung dieses Verstoßes sieht die Vertikal-GVO und sehen die Leitlinien – auch unter dem Gesichts-punkt des Schutzes vor free-riding – gerade nicht vor25. Auch eine Einzelfreistellung wird regelmäßig bereits daran schei-tern, dass es an der angemessenen Verbraucherbeteiligung i.S.d. § 2 Abs. 2 GWB bzw. Art. 81 Abs. 3 EG fehlen dürfte, wenn alle Konsumenten gezwungen werden, für eine Leis-tung (Beratung im stationären Handel) zu bezahlen, die sie u.U. gar nicht wollen.

2. Löschungsabrede Ebay

(33) Die Verhinderung des Verkaufs der Kontaktlinsen [...] und [...] über Ebay in den Jahren 2006 und 2007 (bis 30.07.07), die auf einer Löschungsabrede zwischen der Nebenbetroffenen und Ebay, also einer Vereinbarung zwi-schen Unternehmen beruhte, verstößt ebenfalls gegen § 1 GWB (und Art. 81 EG).

(34) Dass Argumente des Gesundheitsschutzes für die Be-schränkung des Ebay-Handels ausschlaggebend gewesen wären, wie die Verteidigung vorträgt, hält die Beschlussab-teilung aus den oben genannten Gründen für nicht überzeu-gend.

(35) Dies gilt zumal deshalb, weil die Nebenbetroffene den Ebay-Handel noch zu einem Zeitpunkt unterband (bis Juli 2007), als sie den Internethandel mit ihren Kontaktlinsen generell (nach eigenen Angaben bereits seit 2003) und den Internethandel mit den hier in Rede stehenden 24-Stunden-Linsen speziell (seit Juli 2006) bereits seit geraumer Zeit zu-ließ. Denn es ist nicht dargetan, dass und inwiefern der Ebay-Handel schwerwiegendere Gesundheitsrisiken aufwer-fen würde als der sonstige Internethandel mit Kontaktlinsen.

25 Art. 4 b) bzw. Art. 4 c) Vertikal-GVO; Rz. 52 ff. des Entwurfs der Leitlinien zur Vertikal-GVO.

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eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risi-ken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Sie ist eine prak-tische Zusammenarbeit, die zu Wettbewerbsbedingungen führt, die [...] nicht den normalen Marktbedingungen ent-sprechen30. Der Europäische Gerichtshof hat jüngst darauf hingewiesen, dass eine einmalige Kontaktaufnahme ausrei-chen kann, um es den beteiligten Unternehmen zu ermögli-chen, ihr Markt-verhalten abzustimmen31.

b. Kontaktaufnahme als unzulässige Druckausübung

(48) Dass die Nebenbetroffene es bei der einmaligen und ein-seitigen Herausgabe von UVP nicht belassen wollte, indiziert bereits der intern verwendete Begriff der „Preispflege“. Denn „Pflege“ beinhaltet notwendig ein Element aktiver Einfluss-nahme.

(49) Entsprechend war bei der Nebenbetroffenen ein Team u.a. damit beauftragt, mit denjenigen Kunden Kontakt auf-zunehmen, deren „Abgabepreise nicht dem gewünschten Niveau entspr[a]chen“ bzw. eine solche Kontaktaufnahme über andere interne Stellen („VL, ADM, Vertriebsleitung“) zu veranlassen – unter „Absprache der Argumente, die zur Preispflege beitragen“.

(50) Eine solche Kontaktaufnahme mit Händlern, die das ge-wünschte Preisniveau unterschritten, hat auch tatsächlich stattgefunden.

(51) Das seitens der Nebenbetroffenen betriebene Monito-ring der Händlerabgabepreise war Teil dieser Strategie, da es die Identifizierung der Preisabweichler überhaupt erst er-möglichte. Die Frage, ob das Monitoring „für sich genom-men unproblematisch“ gewesen wäre, stellt sich daher nicht.

(52) Wenn ein Lieferant sich nicht auf die reine Kommunika-tion seiner UVP beschränkt, sondern darüber hinaus mit sei-nen Abnehmern Kontakt aufnimmt und das Gespräch über deren Preisgestaltung sucht, so macht allein dieser Umstand den Abnehmern deutlich, dass ihre Weiterverkaufspreise be-obachtet werden, und dass es nicht ohne Konsequenz bleibt, wenn diese nicht dem gewünschten Niveau entsprechen.

(53) Allein die nachträgliche und nachdrückliche erneute Thematisierung der UVP bildet mithin einen über die eigent-liche UVP hinausgehenden Versuch der Einflussnahme, wel-cher die Unverbindlichkeit der Empfehlung und damit die Preissetzungsfreiheit des Abnehmers in Frage stellt und als

ihnen ggf. auch folgten, keinen ausreichenden Beleg für den Nachweis einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhal-tensweise darstellen könne. Eine Preisveränderung eines Händlers falle nicht schon deshalb unter das Kartellverbot, weil sich der Händler an die zuvor erläuterte UVP des Händ-lers annähere. Dies überdehne den Tatbestand des § 1 GWB. Im Übrigen habe es hier auch tatsächlich erheblich Abwei-chungen von den UVP der Nebenbetroffenen gegeben.

a. Grundsätzliche Beurteilung von UVP

(43) Die einseitige Vorgabe von UVP ist nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig. Ein generelles Empfehlungsver-bot gibt es nicht. Unzulässig sind jedoch UVP, die sich in-folge von Druck oder Anreizen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken (Art. 4 a) Vertikal-GVO), sofern sie als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltens-weise unter Art. 81 Abs. 1 EG bzw. § 1 GWB fallen.

(44) Jede Kontaktaufnahme, die über die reine Übermittlung von UVP hinausgeht und diesen durch nachträgliche und er-neute Thematisierung – insbesondere mit Blick auf das bis-herige Preissetzungsverhalten des Händlers – Nachdruck verleiht, stellt deren Unverbindlichkeit in Frage und ist ent-gegen der Auffassung der Nebenbetroffenen als Druckaus-übung in diesem Sinne zu werten (s.u., Rz. (48) ff.).

(45) Eine Kontaktaufnahme zwischen Lieferant und Händler betreffend den Wiederverkaufspreis stellt dann eine verbote-ne Vereinbarung oder Verhaltensabstimmung im Vertikal-verhältnis im Sinne von § 1 GWB dar, wenn es dabei zu einer Abstimmung in der Weise kommt, dass sich der Lieferant konkret um die Koordinierung der Preisgestaltung des Händ-lers bemüht und sich Händler und Lieferant auf diese Weise über das künftige Vorgehen des Händlers verständigen (s.u. Rz. (56) ff.). Hierdurch kann zugleich eine abgestimmte Ver-haltensweise im Horizontalverhältnis der Händler unterein-ander bewirkt werden, ohne dass diese selbst miteinander Kontakt aufnehmen müssten, jedenfalls dann, wenn die Un-ternehmen im Bewusstsein gemeinsamen Handelns die Emp-fehlung befolgen (s.u. Rz. (61) ff.).26

(46) Der Beweis für eine Vereinbarung muss auf der direkten oder indirekten Feststellung des subjektiven Elements beru-hen, das den Begriff der Vereinbarung kennzeichnet, d. h. auf einer Willensübereinstimmung27. Im Adalat-Urteil hat das EuG aber festgestellt, dass auch ein „anscheinend einsei-tiges Verhalten eines Unternehmens im Rahmen seiner ver-traglichen Beziehungen zu seinen Handelspartnern in Wirk-lichkeit Grundlage einer Vereinbarung zwischen Unterneh-men im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG sein kann, wenn er-wiesen ist, dass diese Partner dem Verhalten des Unterneh-mens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt haben“28. Das Vorliegen einer ausdrücklichen oder still-schweigenden Zustimmung muss aber nachgewiesen wer-den29.

(47) Eine abgestimmte Verhaltensweise liegt in jeder Form der Koordinierung, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, die aber bewusst

26 Vgl. auch Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht, 10. Aufl., Art. 81 Rn. 34 a und Rn. 227 der Leitlinien der KOM zur Vertikal-GVO.

27 EuG, 26.10.2000, T-41/96, Adalat, Leitsatz 3, zitiert nach juris.28 EuG, 26.10.2000, T-41/96, Adalat, Leitsatz 1, zitiert nach juris.29 EuG, 26.10.2000, T-41/96, Adalat, Leitsatz 4, zitiert nach juris.30 Loewenheim/Meessen/Riesenkampf, Art. 81 Abs. 1 EG Rn. 95 m.w.N. .31 EuGH, 04.06.2009, C-8/08, T-Mobile Netherlands, Leitsatz 3, lt. ABl.

C180/12, 01.08.2009 und Presse-mitteilung des EuGH.

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die Zustimmung der Händler von Volkswagen zu deren wettbewerbswidrigen Maßnahmen dort „außer Frage“ ge-standen habe, da die italienischen Hersteller sich ihnen ge-fügt und nicht an ausländische Kunden verkauft hätten. Das Urteil Volkswagen, in dem der für die Nichtigerklärung der Entscheidung der KOM vorgebrachte Klagegrund der an-geblichen Einseitigkeit der Maßnahmen zurückgewiesen wurde, beruhe somit auf der „Feststellung einer Zustim-mung, die sich aus der Umsetzung der Maßnahmen des Her-stellers ergibt“37. Umgekehrt wurde die „nicht seltene“ Nicht-Einhaltung von UVP im Fall JCB vom EuG als Indiz gegen eine Abstimmung der Weiterverkaufspreise herange-zogen38. Etwas anderes ergibt sich – entgegen dem Vortrag der Verteidigung – auch nicht aus dem Urteil des EuGH in Sachen Bundesverband der Arzneimittelimporteure (Rechts-mittel Adalat) bzw. aus der Adalat-Rechtsprechung des EuG. Denn dort ging es um die Frage, ob allein die Fortsetzung von Geschäftsbeziehungen zu einem Hersteller – also ein rei-nes Nichtstun – wenn dieser einseitig eine neue Politik ein-führt, einer stillschweigenden Zustimmung der Großhändler zu dieser Politik gleichkommt. Diese Fallkonstellation ist mit dem Fall des Befolgens von UVP jedoch nicht vergleichbar. Denn die Einhaltung von UVP verlangt eine Umsetzung, also ein aktives Tun, zumal dann, wenn der ursprünglich gewähl-te Verkaufspreis nachträglich an die UVP angenähert werden muss.

(61) Der Verweis der Verteidigung darauf, die Händler, die ihre Preise im Anschluss an die Kontaktaufnahme heraufge-setzt hätten, hätten sich lediglich von der „Erfolgsstory hochpreisiger Shops“ überzeugen lassen, bzw. hätten erst durch das Gespräch ihre Möglichkeiten der Gewinnmaxi-mierung erkannt und daraufhin autonom genutzt, spricht dabei eher für als gegen eine unzulässige Verhaltensabstim-mung i.S.d. § 1 GWB. Denn hochpreisige Shops können na-turgemäß insbesondere dann erfolgreich sein, wenn der

unzulässige Druckausübung i.S.d. Art. 4 a) Vertikal-GVO zu qualifizieren ist32.

(54) Diese Definition der Druckausübung hat das Bundes-kartellamt schon vor der 7. GWB-Novelle in seinem „Infor-mationsblatt des BKartA zu den Verwaltungsgrundsätzen bei UVP für Markenwaren“33 zu § 23 Abs. 1 Nr. 1 GWB vertreten. Dort heißt es:

„I.7. Auf Wiederverkäufer darf kein wirtschaftlicher, gesell-schaftlicher oder sonstiger Druck ausgeübt werden, um sie zu veranlassen, von den unverbindlich empfohlenen Preisen nicht oder nur geringfügig abzuweichen. Eine über die Preis-angabe hinausgehende Einflussnahme des preisempfehlen-den Unternehmens auf die Preisgestaltung seiner Abnehmer ist grundsätzlich als unzulässige Druckausübung anzuse-hen34“.

(55) Auch nach den Leitlinien der KOM zur Vertikal-GVO ist eindeutig unproblematisch nur der Umstand – „für sich genommen“ –, dass der Lieferant dem Käufer eine Liste mit Preisempfehlungen übergibt35.

c) Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhal-tensweise

(56) Die Druckausübung als solche unterfällt als einseitige Maßnahme nicht dem Tatbestand des § 1 GWB bzw. Art. 81 Abs. 1 EG. Sie ist aber deutliches Indiz dafür, dass eine abge-stimmte Verhaltensweise hier vorlag oder zumindest herbei-geführt werden sollte. Denn wer nicht plant, auf Einhaltung einer Abrede zu dringen, bzw. in sonstiger Weise koordinie-renden Einfluss zu nehmen, braucht kein umfassendes Über-wachungs- und Interventionssystem zu unterhalten. Er braucht dem Abnehmer nicht zu kommunizieren, dass seine Weiterverkaufspreise (und die seiner Konkurrenten) genau-estens beobachtet werden und dass und warum eine Anhe-bung derselben für ihn (und für alle) vorteilhaft wäre36.

(57) Hier wird entgegen der Auffassung der Nebenbetroffe-nen das Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise letztlich unmittelbar dadurch belegt, dass Abnehmer im Anschluss an Gespräche mit Mitarbeitern der Nebenbetroffenen ihre Preise für Produkte der Nebenbetrof-fenen heraufgesetzt und so den UVP angenähert haben (Bsp. s.o.).

(58) Ob die Belege dabei in Gestalt von E-Mails der Abneh-mer selbst vorliegen, in denen diese ihre Preisheraufsetzung bestätigen, oder ob es sich um interne E-Mails der Nebenbe-troffenen handelt, in denen von erfolgreichen Preisverhand-lungen berichtet wird, ist für deren Beweiskraft unerheblich.

(59) Die Verteidigung trägt demgegenüber vor, es sei aner-kannt, dass allein die Befolgung einer UVP keinen hinrei-chenden Nachweis für das Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise darstelle.

(60) Dem ist nicht zuzustimmen. Das EuG hat – ganz im Gegenteil – am 03.12.2003 in der Rs. T-208/01, „VW-Händlerverträge“ in Abgrenzung zu EuGH v. 08.09.2003, Rs. C-338/00 P, „Volkswagen AG./.KOM“, festgestellt, dass

32 Vgl. auch Baron in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Europ. u. dt. Kartellrecht, 2. Aufl., 2009, Vertikal-GVO, Rn. 169: „Eine Ausübung von Druck liegt dann vor, wenn Sanktionen des Lieferanten den Käufer daran hindern, den festgesetzten Höchstpreis oder die Preisempfehlung tatsäch-lich zu unterschreiten. Erfasst sind dabei alle Vorkehrungen, die dem Käu-fer für diesen Fall Nachteile auferlegen. Auch eine bloße Preisbeobachtung bzw. –überwachung durch den Verkäufer rechnet dazu, falls (unausgespro-chen) dem Käufer bei einer Preisunterbietung Konsequenzen drohen“.

33 Abgedruckt bei Langen/Bunte, 9. Auflage, Bd. 2, S. 2858 ff.34 Unterstreichung hinzugefügt.35 Rz. 47 d. Leitlinien zur Vertikal-GVO a.E.36 Vgl. auch EuGH, Adalat, 06.01.2004, C-2/01 P und C-3/01 P, Rn. 83, zitiert

nach juris: „Das Vorliegen einer nach Art. 81 Abs. 1 EG verbotenen [...] Ver-einbarung setzt nicht notwendig voraus, dass ein System nachträglicher Kontrollen und von Sanktionen besteht, auch wenn die Einführung eines solchen Systems doch ein Indiz für das Vorliegen einer solchen Vereinba-rung darstellen kann“, Vgl. auch Vertikal-Leitlinien der KOM, Rz. 47: „Der Umstand, dass der Lieferant dem Käufer eine Liste mit Preisempfehlungen übergibt, wird für sich genommen nicht als Tatbestand gesehen, der eine vertikale Preisbindung bewirkt. Das Aussprechen von Preisempfehlungen kann aber auf eine vertikale Preisbindung hinauslaufen, wenn hierauf in-direkt „unterstützende“ Maßnahmen angewandt werden. […] Direkte oder indirekte Maßnahmen zur Preisfestsetzung sind noch wirksamer, wenn sie mit Maßnahmen zur Ermittlung von Vertriebshändlern kombiniert wer-den, die die Preise unterbieten, wie z.B. Preisüberwachungssystemen“. Un-terstreichungen hinzugefügt.

37 EuG aaO, Rz. 53, 54, vgl. auch Wagner-von-Papp, „Empfiehlt sich das Emp-fehlungsverbot?“, WuW 2005, S. 379, 383.

38 EuG, 13.01.2004, T-67/01, „JCB“, Rz. 129.

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RECHTSPRECHUNG

gewährt wurden, liegt hierin zugleich ein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 GWB, der hier aber zurücktritt.)

II.

Subjektiver Tatbestand

(67) Die vorgeworfenen Verhaltensweisen wurden vorsätz-lich verübt.

III.

Rechtswidrigkeit und Vorwerfbarkeit

(68) Gründe, welche die Rechtswidrigkeit oder Vorwerfbar-keit ausschließen, sind nicht ersichtlich.

IV.

Zurechnung

(69) Die vorgeworfenen Verhaltensweisen sind dem Ge-schäftsführer der Nebenbetroffenen nach § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG, der Nebenbetroffenen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzurechnen.

C.

Bußgeldbemessung

(71) Bei der Bemessung der Geldbuße war zu berücksichti-gen, dass es sich bei Maßnahmen der vertikalen Preisbin-dung um besonders schwerwiegende Wettbewerbsbeschrän-kungen handelt, die bereits für sich genommen die Annahme eines Grundbetrages von 15% des tatbezogenen Umsatzes recht-fertigen.

(72) Tatbezogener Umsatz war hier, da es um die Wahrung der Preisstabilität auf dem Markt für Kontaktlinsen insge-samt ging, nicht etwa nur der Internetumsatz der Nebenbe-troffenen, sondern deren gesamter mit dem Verkauf von Kontaktlinsen an Einzelhändler (Internet und stationär) er-zielter Umsatz.

(73) Zugunsten der Nebenbetroffenen wurden u.a. die frei-willige Aufgabe mehrerer der vorgeworfenen Verhaltenswei-sen noch vor Verfahrenseinleitung sowie ihre Kooperation während des Verfahrens berücksichtigt.

[Anmerkung der Redaktion: Eine Anmerkung von Rechtsan-wältin Dr. Heidi Wrage-Molkenthin ist unter der Rubrik Aufsätze in diesem Heft veröffentlicht.]

Preiswettbewerb insgesamt – bspw. aufgrund erfolgreicher Bemühungen des Herstellers um eine Koordinierung der Preisstabilität im Horizontalverhältnis der Händler unterein-ander – außer Kraft gesetzt ist.

(62) Entsprechend verweisen einige der Beweismittel aus-drücklich darauf, dass sich ein Händler nur unter der Bedin-gung bereit erklärt habe, die Preise heraufzusetzen, dass be-stimmte andere Wettbewerber dies auch tun39 bzw. umge-kehrt darauf, dass Händler sich bei der Nebenbetroffenen über niedrige Internetpreise anderer Händler beschwert und damit gedroht hätten, ihre eigenen Preise ebenfalls zu sen-ken, wenn der andere Händler die seinen nicht anhebe40.

(63) Durch ihre Preispflege bewirkte die Nebenbetroffene mithin eine abgestimmte Verhaltensweise auch im Horizon-talverhältnis der Händler untereinander, ohne dass diese selbst miteinander Kontakt aufnehmen mussten, jedenfalls dann, wenn die betroffenen Händler im Bewusstsein gemein-samen Handelns die Empfehlung befolgten. Ob dies hier der Fall war, kann offenbleiben.

(64) Ob auch da, wo das Ergebnis der Verhandlungen nach Lage der Akten offenbleibt, ein Verstoß gegen § 1 GWB im Sinne eines abgestimmten Verhaltens bejaht werden kann, weil das Gespräch jedenfalls die Unsicherheit über das Ver-halten des jeweils anderen – und ggf. über konkurrierende Händler – durch Koordination ersetzt hat und nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH41 zu vermuten ist, dass beide Parteien die ausgetauschten Informationen bei ihrem weiteren Marktverhalten berücksichtigt haben, kann hier dahingestellt bleiben.

(65) Dass die Bemühungen der Nebenbetroffenen um die Einhaltung ihrer UVP insgesamt erfolgreich waren, ergibt sich entgegen der Auffassung der Nebenbetroffenen aus deren eigenen Marktbeobachtungen42. Danach sind nur ca. [...]% (bei der Linse [...]) bzw. [...]% der Kunden (bei der Linse [...]) um mehr als 15% von der UVP abgewichen. Die „Top 11 Kunden“ haben hingegen nur „moderate Abwei-chungen“ gezeigt (von einer Ausnahme abgesehen blieben sie im Wesentlichen innerhalb des für „strategische Partner“ zu-lässigen Rahmens von 0-15% Abweichung). Allein diese Top-Kunden standen aber im Bezugszeitraum nach eigenen Berechnungen der Nebenbetroffenen für [...]% ihres Inter-netumsatzes43. Die von der Verteidigung dagegen vorge-brachten Abweichungen von der UVP laut GfK-Statistik mögen zwar im Einzelfall erheblich gewesen sein, nehmen sich jedoch im Lichte des Vorstehenden unbedeutend aus. Im Übrigen ist unbestritten, dass es regelmäßig Abweichungen gab – diese waren schließlich der Anlass für das vorgeworfe-ne Einschreiten der Nebenbetroffenen.

(66) Dass die Top-Kunden die an sie gestellten Erwartungen im Hinblick auf die maximale Abweichung von den UVP der Nebenbetroffenen nach deren eigenen Beobachtungen erfüllt haben, belegt entgegen der Auffassung der Nebenbetroffe-nen das Vorliegen einer (konkludenten) Willensübereinstim-mung i.S.d. § 1 GWB bzw. Art. 81 Abs. 1 EG auch in dieser Beziehung. (Soweit den Top-Kunden im Gegenzug Vorteile

39 Ass. Nr. 31, S. 204, s.o. unter A.II.4. 40 Vgl. z.B. Ass. Nr. 31, S. 204 und S. 205, oben zitiert unter A.II.4.,41 EuGH, 04.06.2009, C-8/08, T-Mobile Netherlands. 42 Ass. Nr. 18, S. 29 ff.43 Ass. 28, S. 192

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Aus den Verbänden

Der vfa ist der Wirtschaftsverband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 46 weltweit führenden forschenden Pharma-Unternehmen und über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesund-heits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik.

Die Mitglieder des 1994 in Bonn gegründeten vfa repräsen-tieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arznei-mittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 90.000 Mitarbeiter. Sie gewährleisten den therapeutischen Fort-schritt bei Arzneimitteln und sichern das hohe Niveau der Arzneimitteltherapie. Mehr als 17.000 ihrer Mitarbeiter sind in Deutschland für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln tätig. Allein in Deutschland investieren die forschenden Pharma-Unternehmen jährlich 4,5 Milliarden Euro in die Arzneimittelforschung für neue und bessere Medikamente.

In der Gesundheitspolitik ist Hauptanliegen des vfa, dass moderne Arzneimittel nach der Zulassung möglichst schnell allen Patienten zur Verfügung stehen und erstattet werden. An diesem Ziel muss sich die Gesundheitspolitik messen las-sen. In der Wirtschaftpolitik gilt es, die sehr guten Voraus-setzungen für High-Tech-Branchen wie die pharmazeutische Industrie zu erhalten und durch entsprechende Rahmenbe-dingungen zu festigen. Diesbezüglich sind aus Sicht des vfa ein innovationsoffenes Klima, eine investitionsfreundliche Steuergesetzgebung und vor allem hochqualifizierte Mitar-beiter unabdingbare Grundvoraussetzungen. Die Entwick-lung innovativer Arzneimittel wird entscheidend von der Forschungspolitik beeinflusst. Die guten Rahmenbedingun-gen haben etwa dazu geführt, dass in Deutschland im euro-päischen Vergleich die meisten klinischen Prüfungen durch-führt werden. Der vfa setzt sich dafür ein, dass diese Bedin-gungen für Forschung und Entwicklung noch weiter verbes-sert werden, um im internationalen Wettbewerb der Stand-orte die Position Deutschlands weiter zu stärken.

Dabei ergeben sich in verschiedenen Bereichen auch Berüh-rungspunkte zur und gemeinsame Interessen mit der Medi-zintechnologie. Dies folgt zum einen aus der Angleichung der Genehmigungsverfahren für Arzneimittel und Medizin-produkte. Beispiel für gemeinsame Themen sind in diesem Kontext etwa Verzögerungen bei klinischen Prüfungen mit radiologischer Begleitdiagnostik, da in Deutschland diesbe-züglich eine Doppelgenehmigung gefordert wird. Zum ande-ren ergeben sich Überschneidungen etwa im Bereich der Applikationshilfen (Pens, Spritzen etc.) für innovative Arz-neimittel, welche in der Regel Medizinprodukte sind. Des

AUS DEN VERBÄNDEN

Weiteren wurde erst jüngst eine gemeinsame Projektgruppe zu „Molecular Imaging“ eingerichtet, in der auch die Her-steller der zur Beobachtung notwendigen Geräte mitarbei-ten.

Unter dem Dach des vfa haben sich auch 32 Unternehmen zu vfa bio zusammengeschlossen, um den Nutzen von Biophar-mazeutika stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und um zu erreichen, dass Deutschland auch weiterhin eine füh-rende Rolle in dieser Schlüsseltechnologie spielt. Schwer-punktmäßig beschäftigt sich vfa bio mit folgenden Themen: Medizinischer Fortschritt durch Biopharmazeutika, Nutzen für Ärzte und Patienten Verfügbarkeit von Biopharmazeuti-ka für die Patienten Biosimilars (einem Biopharmazeutikum ähnliche Nachfolgeprodukte) inklusive Innovationsschutz Orphan Medicinal Products (Medikamente gegen seltene Krankheiten), neuen Therapieformen wie Gen- und Zellthe-rapie sowie Gewebezüchtung.

Die Mitgliedsunternehmen des vfa arbeiten nicht nur an der Erforschung von Wirkstoffen gegen Krankheiten, die in den Industrieländern bedeutsam sind. Auch Krankheiten in den Entwicklungsländern stehen in ihrem Fokus. Malaria, Tuberkulose, Lungenentzündungen und gefährliche Durchfall erkrankungen sind neben HIV/AIDS die größten Geißeln der Menschen in diesen Ländern. Auch hier suchen die forschenden Arzneimittelhersteller nach erfolgreichen Impfstoffen oder wirksamen Medikamenten, die den ärme-ren Ländern zu günstigen Konditionen, oftmals zum Selbst-kostenpreis zur Verfügung gestellt werden. Die zahlreichen Initiativen der forschenden Pharma-Unternehmen und „Pub-lic-Private Partnerships“ helfen, die Situation in den betrof-fenen Ländern zu verbessern – auch dort, wo es bisher keine funktionierenden Gesundheitssysteme gibt.

Ziel der Mitgliedsunternehmen des vfa ist zudem, die For-schung und Entwicklung innovativer Arzneimittel und Be-handlungsmethoden voranzutreiben, sowie die Qualität des medizinischen Therapiestandards zum Nutzen der Patienten zu erhöhen. Sie sind dabei an Rahmenbedingungen interes-siert, die Vertrauen zwischen Unternehmern, Medizinern, Apothekern und Patienten schaffen und dieses stärken. Dies ist die notwendige Voraussetzung für die Entwicklung neuer und die Verbesserung vorhandener Arzneimittel und Be-handlungsmöglichkeiten. Deshalb stehen Mitgliedsunterneh-men des vfa in vielfältigen Beziehungen u.a. zu Wissenschaft-lern, Ärzten in Klinik und Praxis, Apothekern und Patienten-organisationen.

Die Verbände stellen sich vor – Teil 6:vfa – Die forschenden Pharma-Unternehmen

Dr. Holger Diener

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Aus den Verbänden

dem 2008 verabschiedeten „FSA-Kodex Patientenorganisa-tionen“ wurden zudem erstmals klare Regelungen für die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Industrie mit diesen Kooperationspartnern vorgegeben und die notwendige Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit geschaffen.

Beide FSA-Kodices sind kein „zahnloser Tiger“. Verstöße gegen die Bestimmungen der beiden Kodices werden von der Schiedsstelle des FSA verfolgt. Diese besteht aus zwei Instan-zen: Bei Verstößen gegen kann der so genannte Spruchkör-per 1. Instanz Geldstrafen bis zu 50.000 Euro gegen Unter-nehmen verhängen. Der Spruchkörper 2. Instanz, in dem Ärzte, Patientenvertreter und ein unabhängiger Richter ge-genüber der Industrie die Mehrheit haben, kann Geldstrafen bis zu 250.000 Euro verhängen, bei besonders gravierenden Fällen ist eine öffentliche Rüge möglich. Verstöße gegen den Vereinskodex können bei der Schiedsstelle von Jedermann und jeder Institution angezeigt werden, etwa von Patienten, Ärzten, Unternehmen, Krankenkassen oder Behörden. Die seit Gründung des Vereins erreichten Erfolge werden inzwi-schen von der Politik und vormals kritischen Stimmen in der Öffentlichkeit anerkannt und gewürdigt.

Anschrift des Verfassers:Rechtsanwalt Dr. Holger Dienervfa – Verband forschender PharmaunternehmenHausvogteiplatz 1310117 BerlinTel.: 030 206 04 – 0Fax: 030 206 04 – [email protected]

Über die selbstverständliche Beachtung der gesetzlichen An-forderungen in diesem Bereich hinaus hat sich der vfa früh mit der Frage beschäftigt, wie die Zusammenarbeit mit Ärz-ten und anderen Angehörigen der Fachkreisen, etwa auf dem Gebiet der klinischen Forschung oder der Unterstützung von Fortbildungsveranstaltungen, ausgestaltet werden sollte, um bereits dem Vorwurf eines gesetzwidrigen Verhaltens vor-beugen zu können. Für den Bereich der Zusammenarbeit mit Klinikärzten war die Verabschiedung des von führenden Verbänden der Gesundheitsbranche, auch der Medizintech-nologie, getragenen „Gemeinsamen Standpunkts“ im Jahre 2000 hierbei ein erster wichtiger Schritt.

Die Mitgliedsunternehmen des vfa sind diesen Weg in den zurückliegenden zehn Jahren konsequent weitergegangen. Mit den 2003 zusammen mit dem Bundesverband der Arz-neimittelhersteller (BAH) und dem Bundesverband der Phar-mazeutischen Industrie (BPI) herausgegebenen „Verhaltens-empfehlungen“ wurden wichtige Grundsätze des Gemeinsa-men Standpunkts auf die Zusammenarbeit mit niedergelas-senen Ärzten übertragen. Als weiterer Schritt wurde 2004 von den Mitgliedsunternehmen des vfa der Verein „Freiwilli-ge Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA) gegründet und ein Verhaltenskodex basierend auf den „Ver-haltensempfehlungen“ entwickelt. Um dem Anspruch nach hohen ethischen Standards gerecht zu werden und unter Be-rücksichtigung der Entwicklungen auf internationaler und europäischer Ebene, wurden die Regelungen des „FSA- Kodex Fachkreise“ in den vergangenen Jahren stetig fortent-wickelt und inhaltlich ausgeweitet. Sie gehen heute deutlich über die bestehenden gesetzlichen Vorgaben hinaus. Mit

Der ZVEI informiert seit vielen Jahren gezielt über die Be-deutung der CE-Kennzeichnung auf Medizinprodukten und setzt sich für die Einhaltung der damit verbundenen um-fassenden gesetzlichen Qualitätsanforderungen ein. Diese garantieren einen hohen Grad an Gesundheitsschutz, Leis-tungsfähigkeit und Sicherheit für Patienten, Anwender oder Dritte.

In diesem Zusammenhang hat der ZVEI nun durch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung gegen die deutsche Nie-derlassung eines amerikanischen Herstellers von automati-sierten externen Defibrillatoren (AEDs) die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erreicht. Das Unter-nehmen hatte mit seiner Darstellung zur CE-Kennzeichnung in einem an Fachhändler gerichteten, aber auch im Internet

veröffentlichten Informationsblatt die für Medizinprodukte erforderliche CE-Kennzeichnung mit der Zulassung durch die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) verglichen.

Bei den in Rede stehenden AEDs handelt es sich um Medizin-produkte der Klasse IIa oder IIb. Für die Erlangung der CE-Kennzeichnung ist daher die Einschaltung einer unabhängi-gen Benannten Stelle mit turnusmäßigen Kontrollen vorge-schrieben. Das Informationsblatt beinhaltete aber die Dar-stellung, bei der CE-Kennzeichnung handele sich um eine – unzureichende – „Form der Selbstzertifizierung“. Die CE-Herstellererklärung könne sich zudem darauf beschränken, dass das Gerät elektrisch und mechanisch funktionstüchtig sei, Energie abgebe, keine Kurzschlüsse verursache, den

ZVEI mahnt irreführende Darstellung zur CE-Kennzeichnung abMarcus Wenzel

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BERICHT

che Behauptungen künftig in Zusammenhang mit Medizin-produkten der Klassen IIa und IIb zu unterlassen.

Kontakt:ZVEI-Fachverband Elektromedizinische TechnikMarcus WenzelLyoner Straße 9 60528 Frankfurt am MainTel.: 069 6302 302Fax: 069 6302 [email protected]/medtech

Stromkreisunterbrecher nicht auslöse und keinen Schock an den Benutzer abgebe. Rückrufe von unsicheren Produkten würden im Gegensatz zu solchen, die eine FDA-Zulassung vorweisen, stets freiwillig erfolgen, stünden im alleinigen Er-messen des Herstellers und könnten nicht erzwungen werden. Diese unrichtigen Behauptungen erweckten den irrigen Ein-druck, Medizinprodukte, die auf dem europäischen Markt ordnungsgemäß nur mit dem CE-Kennzeichen versehen sind, seien unsicherer als solche, die eine Zulassung der FDA auf-weisen. Das Unternehmen hat sich gegenüber dem ZVEI ver-pflichtet, bei Meidung einer empfindlichen Vertragsstrafe sol-

Am 27.8.2010 hat die Europäische Kommission ihren Be-

richt über die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten in

der Europäischen Union gemäß Art. 12a der Richtlinie

93/42/EWG vorgelegt (KOM(2010) 443 endgültig). Der

Bericht ist abrufbar unter: http://ec.europa.eu/consumers/

sectors/medical-devices/files/pdfdocs/reprocessing_report_

BERICHT

de.pdf. Dieser Bericht wurde mit Spannung erwartet, da es in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen zur Aufbe-reitung von Einmal-Medizinprodukten gibt.

Im Ergebnis kommt die Europäische Kommission nicht zu dem Schluss, dass die Aufbereitung von Einmal-Medizinpro-dukten untersagt werden müsste. Vielmehr komme es darauf

Bericht der Europäischen Kommission über die Wiederauf-bereitung von Medizinprodukten in der Europäischen Union vorgelegtRechtsanwalt und Arzt Dr. Christian Jäkel

Der Verband der Diagnostica-Industrie e.V. (VDGH) be-grüßt die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Förderung der gesundheitsbezogenen epidemiologischen Forschung an Hochschulen. Die sei ein sinnvoller Schritt zur Stärkung der Krankheitsvorbeugung und -früh erkennung. Die neue Initiative biete, so VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger, eine hervorragende Grundlage, den Nutzen präventiver Maßnahmen datenge-stützt nachweisen zu können.

Ziel des auf sechs Jahre angelegten Förderprogramms ist es, die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten besser zu verstehen. Aus dem BMBF heißt es dazu: „Durch verstärkte Prävention werden die Gesundheit des Einzelnen verbessert, die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft gesteigert und die Kosten reduziert.“ Die Erkenntnisse des Förderprogramms

wollen Politik und Wissenschaft für die Individualisierung der medizinischen Versorgung und die Prävention nutzbar machen.

Durch den Ausbau der Epidemiologie werde auch der Ver-gleich zwischen Primärprävention, die auf Verhaltensände-rungen der Menschen setze, und Sekundärprävention, also der Früherkennung von Krankheiten, möglich, meint der VDGH. Mit dem Förderprogramm gehe die Bundesregie-rung einer im Koalitionsvertrag angekündigten Absicht nach, für ihre erwartete Präventionsstrategie bestehende Vorsorgemaßnahmen zu analysieren und zu bewerten. „Die Chance, den Nutzen der Krankheitsfrüherkennung anhand konkreter Berechnungen nachzuweisen, sollte hier aufgegrif-fen werden“, so Walger.

(Quelle: VDGH)

VDGH: Förderprogramm erschließt Nutzen der Prävention

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BUCHBESPRECHUNG

für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (RKI) und des BfArM zu den Anforde-rungen an die Hygiene für die Aufbereitung von Medizin-produkten beachtet wird, gibt es eine gesetzliche Vermutung für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufbereitung, § 4 Abs. 2 Satz 3 MPBetreibV. Diese Vorschriften gelten für die Aufbereitung sowohl von Mehrfach- als auch von Ein-mal-Medizinprodukten. Die gemeinsame Empfehlung von RKI und BfArM enthält Vorgaben, die unter anderem auch die oben genannten Risiken berücksichtigen, und die sicher-stellen, dass von einem aufbereiteten Medizinprodukt bei der folgenden Anwendung keine Gefahr von Gesundheitsschä-den ausgeht.

Im Fazit ihres Berichts kommt die Europäische Kommission zu dem Schluss, dass sie prüfen wird, welche Maßnahmen in Bezug auf die Wiederaufbereitung von Einmal-Medizinpro-dukten geeignet sind, damit ein hohes Schutzniveau für die Patienten sichergestellt wird. Diese Maßnahmen sollen im Rahmen der Neufassung der Medizinprodukterichtlinie vor-geschlagen werden. Soweit die Europäische Union überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz für das Betreiben von Medi-zinprodukten hat, wäre sie gut beraten, die deutschen Rege-lungen als Vorbild zu nehmen. Denn die gemeinsame Emp-fehlung von RKI und BfArM stellt die Beherrschung gerade der oben genannten Risiken bei der Aufbereitung sowohl von Mehrfach- als auch von Einmal-Medizinprodukten sicher.

Anschrift des Verfassers:Rechtsanwalt und Arzt Dr. Christian JäkelFachanwalt für MedizinrechtKanzlei Dr. JäkelBerliner Str. 37 Lübben (Spreewald)www.jaekel-law.de

an, mögliche Risiken dieser Aufbereitung zu erkennen und zu verhindern und damit ein hohes Schutzniveau für die Pa-tienten sicherzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, „muss der gesamte Wiederaufbereitungszyklus von der Einsamm-lung dieser Einmal-Medizinprodukte nach dem (ersten) Ge-brauch bis zur endgültigen Sterilisation und Auslieferung ebenso wie die funktionelle Leistung des Produkts bewertet und validiert werden.“

Die Europäische Kommission lehnt sich in ihrem Bericht eng an die Stellungnahme ihres Fachbeirats, des Scientific Com-mittee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR), an1. Die Empfehlung des SCENIHR zur Aufbe-reitung von Einmal-Medizinprodukten wurde dem Bericht als Anhang beigelegt. Der Bericht stellt im Wesentlichen auf folgende Risiken ab:– Restkontamination, einschließlich einer möglichen Konta-

mination mit Prionen,– Rückstände chemischer Stoffe, die im Wiederaufberei-

tungsverfahren zum Einsatz kommen,– Leistungsveränderung von Einmal-Medizinprodukten

durch die Wiederaufbereitung.

Darüber hinaus enthält der Bericht Informationen zur Praxis der Wiederaufbereitung von Einmal-Medizinprodukten auf EU- und auf internationaler Ebene sowie ethische, haftungs-rechtliche, wirtschaftliche und ökologische Erwägungen (ausführlichere Darstellung des Berichts unter: www.jaekel-law.de/visioncontent/mediendatenbank/jaekel_ec_bericht_aufbereitung_mp_100914.pdf).

In Deutschland sind die Forderungen der Europäischen Kommission bereits umgesetzt. So muss gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) die Aufbereitung mit geeigneten validierten Verfahren so durchgeführt werden, dass der Erfolg dieser Verfahren nach-vollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesund-heit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission

Medizinprodukterecht – Nationale Maßstabsbildung im Lichte der europäischen Harmonisierung (Schriften zum Gesundheitsrecht, Bd. 20). Von Dirk J. Webel – Berlin, Duncker & Humblot 2009, 479 S. ISBN: 978-3-428-13044-3

Das Medizinprodukterecht ist neben dem Arzneimittelrecht das wichtigste Rechtsgebiet für Produkte, die im medizini-schen Bereich zum Einsatz kommen. Aufgrund der besonde-ren gemeinschaftsrechtlichen Konzeption hat das Europa-recht hier einen ganz besonders prägenden Einfluss auf das nationale Recht. Der Autor setzt in seiner äußerst gelungenen und sehr anspruchsvollen Dissertation hier an, um die das na-

BUCHBESPRECHUNG

tionale Medizinprodukterecht prägenden Maßstäbe heraus-zuarbeiten, aktuelle Detailfragen zu untersuchen und hieraus Verbesserungsvorschläge für den Gesetzgeber zu entwickeln.Die von dem Kölner Universitätsinstitut für Staatsrecht be-treute Dissertation geht von den harmonisierten europäischen Vorschriften und der sich daran anschließenden national-ge-setzlichen Umsetzung aus, wobei sich der Verfasser auch in-tensiv mit der Entstehungsgeschichte der deutschen Regel-werke, insbesondere des MPG befasst. Dass die Arbeit von der 4. MPG-Novelle gleichsam überholt wurde und diese nicht mehr behandelt werden konnte, ist etwas unglücklich, schmälert ihren Wert aber keineswegs.

1 Siehe zu dieser Stellungnahme auch MPR 2010, 79.

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MPR 5/2010 179

BUCHBESPRECHUNG

Der Autor hat mit seiner Dissertation ein Werk vorgelegt,

dass dem Wunsch nach einer stärkeren rechtsdogmatischen

Durchdringung der Materie Rechnung trägt, die in ihrem All-

tag fast ausschließlich von Praktikern wie Anwälten, Firmen-

syndizi oder Verwaltungsvertretern bedient wird. Wie sehr

sich eine solche dogmatische Durchdringung, die über den

Tellerrand kleinteiliger Tagesfragen hinausschaut, auch für

Behandlung aktueller Fragen und Diskussionen lohnt, zeigen

die von dem Verfasser aus seinen dogmatischen Ausführun-

gen abgeleiteten Vorschläge.

Kontakt des Verfassers:Rechtsanwalt Dr. Peter Dieners Clifford ChanceKönigsallee 5940215 Dü[email protected]

zel treffsicher kommentierte Querelle éternelle der Pro-duktabgrenzung (§ 3 MPG) oder die von Hans-Dieter Lip-pert luzide bearbeiteten Verbotstatbestände des § 4 MPG. Zum Autorenteam neu hinzugestoßen ist die Züricher Ordi-naria Brigitte Tag. Ihre Kommentierung der Straf- und Buß-geldvorschriften (§§ 40 – 43 MPG) verdient zweifelsohne das Prädikat „äußerst gelungen“.Auf einen gewissen Mehrwert gerade dieses Kommentars sei noch besonders hingewiesen, da er in seinem Titel nicht sicht-bar wird: Kommentiert wird nicht nur das MPG, sondern auch die MPBetreibV sowie das HWG, das PatG und das Ge-brMG, soweit im hier gegebenen Kontext von Interesse.Insgesamt erweist sich das Werk als unverzichtbarer Standard-kommentar zum Medizinprodukterecht, den der Praktiker in der täglichen Arbeit sicher oft und gerne heranziehen wird.

Anschrift des Verfassers:Univ.-Prof. Dr. Ulrich M. Gassner, Mag. rer. publ., M. Jur. (Oxon.), AugsburgUniversitätsstraße 2 86135 AugsburgTel: 0 821 598 – [email protected]

Der Autor macht besonders deutlich, wie sehr die Regelungen der Materie durch die Aspekte der Sicherheit und des Patien-ten- und Anwenderschutzes geprägt sind, wobei dies die be-sondere Ausformung eines staatlichen Handlungsgebots zur Gewährleistung des Rechts auf Leben und körperliche Unver-sehrtheit bedeute. Die Bewertung und Einbeziehung der Schutzpflichten der einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber den mit Medizinprodukten in Berührung kommenden Personen zieht sich als roter Faden durch das gesamte Werk. Dabei stellt der Autor auch die Frage, inwieweit die Rechtsordnung und der Gesetzgeber der ständig fortschreitenden technischen und medizinischen Entwicklung Rechnung tragen können. Ein eigenes Kapitel widmet der Verfasser den fehlenden nationalen Definitionen für „Betreiber“ und „Anwender“, wobei er eigene Vorschläge entwickelt. Schließlich geht der Autor auch auf eine Reihe von Spezialfragen wie die Wieder-aufbereitung und Widerverwendung von Einmalprodukten bzw. die (Re-)Sterilisation von Medizinprodukten ein.

Deutsch, Erwin / Lippert, Hans-Dieter / Ratzel, Rudolf / Tag, Brigitte (Hrsg.), Kommentar zum Medizinproduktegesetz (MPG), 2. Aufl. 2010, XVI, 665 S., Geb., 79,95 €.

Kairos war mit den Verfassern. Die Zweitauflage des 2002 erstmalig veröffentlichten Kommentars ist zur rechten Zeit erschienen. Das am 21. März 2010 in Kraft getretene Vierte Gesetz zur Änderung des Medizinproduktegesetzes (4. MPG-ÄndG) vom 28. Mai 2009 (BGBl. I S. 2326) wird gebührend berücksichtigt. Das gilt namentlich für die durchgreifende Neuordnung der klinischen Bewertung von Medizinproduk-ten (vgl. dazu etwa Gassner, Klinische Prüfung von Medizin-produkten – von der Differenzierung zur Uniformierung, DZKF Heft 11/12 2009, S. 69 ff.). Altmeister Erwin Deutsch kommentiert diesen Abschnitt (§§ 19 – 24 MPG) mit ge-wohnter analytischer Schärfe und sensiblem Blick für den ge-botenen Probanden- und Patientenschutz, den er nach wie vor nicht für optimal hält. Auch die sonstigen – weniger be-deutenden – Neuerungen sind unter Verwertung der einschlä-gigen Literatur eingearbeitet und auf gelungene Weise praxis-gerecht aufbereitet. Das gilt etwa für die die von Rudolf Rat-

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Eine Schlüsseltechnologie der Medizin-technik sind optische Gläser. Ohne op-tische Gläser gäbe es keine Beamer, keine moderne Mikroskopie, keine En-doskopie. Außerdem könnten Aufklä-rungssatelliten nicht ihre Funktion er-füllen und aufklären, in Kinos wären keine Filme zu sehen, und U-Boote könnten nicht durch die Meere navigie-ren, weil sie blind wären. Diese Techno-logie ist aus der Unterhaltungsbranche, der Medizin, der Umwelt oder auch der Sicherheitsbranche nicht mehr weg zu denken – in allen diesen Bereichen funktioniert ohne optische Gläser fast nichts mehr.

Die Produktion optischer Gläser ver-teilt sich derzeit auf nur vier Ländern der Welt – neben Deutschland noch auf China, Japan und USA.

Der Photonik-Branchenverband SPEC-TARIS ist der Ansicht, dass die EU durch die Verschärfung einer Richtlinie, mit der sich Mitte September eine Rats-gruppensitzung in Brüssel beschäftigt hatte, die deutschen Standorte für diese Schlüsseltechnologie aufs Spiel setzen könnte. Die Richtlinie heißt RoHS (Re-striction on the Use of Hazardous Sub-stances) und hat zum Ziel, die Verwen-dung bestimmter Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten zu beschränken, um den Schutz von Verbrauchern und Um-

welt vor Gefahren durch chemische Substanzen zu gewährleisten.

SPECTARIS zu Folge bedeute die RoHS-Neufassung, die in Brüssel vor-genommen wird, eine erhebliche Ver-schärfung der Richtlinie. Künftig sollen 37 neue Stoffe in einer „Kandidatenlis-te“ (Annex III) für zukünftige Stoffver-bote aufgelistet werden, darunter bei-spielsweise Arsen und Antimon. Davon betroffen sind auch Bauteile aus opti-schem Glas. SPECTARIS warnt, dass ohne diese Materialen optisches Glas seine zentralen Eigenschaften verliere und zu Fensterglas würde. „Ausge-wählte Schwermetalle sind ein unver-zichtbarer Bestandteil von optischen Gläsern, für die es keine Alternative gibt“, so SPECTARIS-Geschäftsführer Sven Behrens.

Das Verbot bringe zudem weder Ver-brauchern noch der Umwelt irgendei-nen Vorteil: „In optischem Glas sind die chemischen Substanzen, deren Um-gang die RoHS-Richtlinie regeln soll, fest gebunden und damit unbedenklich – sowohl für die Umwelt als auch für die menschliche Gesundheit“, so Beh-rens. Auch deshalb gelte seit 2005 auch auf Initiative von SPECTARIS bereits für „Blei und Cadmium in optischem Glas und Filterglas“ eine Ausnahmere-gelung.

SPECTARIS befürchtet massive Nach-teile für Unternehmen, sollten jetzt wei-tere Stoffe verboten werden, die in Glä-sern der Photonik-Industrie enthalten sind. Europäische Nutzer von optischen Systemen müssten mit minderwertiger Qualität vorlieb nehmen, da die Spit-zenqualitäten wegen der inkriminierten Inhaltsstoffe nicht mehr zulässig wären, so Behrens.

Es bestehe zwar die Möglichkeit Einzel-genehmigungen zu beantragen, darüber werde aber erfahrungsgemäß oft erst nach Jahren entschieden. „Die High-tech-Produkte der Photonik haben eine Entwicklungszeit von mehreren Jahren und noch längere Einsatzzeiten. Die Unternehmen benötigen daher Pla-nungssicherheit. Sonst werden wir in Deutschland und in Europa diese Schlüsseltechnologie auf Dauer verlie-ren und begeben uns in die Abhängig-keit von Asien“, betonte Behrens.

SPECTARIS appelliert daher, optische Gläser ohne zeitliche Begrenzung von den neuen RoHS-Regelungen auszu-nehmen und der RoHS-Stoffverbotslis-te keine weiteren Stoffe hinzuzufügen. Außerdem soll keine Kandidatenliste für zukünftige Stoffverbote aufgestellt werden.

(Quelle: SPECTARIS)

Risiko: Europa könnte Schlüsseltechnologie verlieren

– Neue EU-Richtlinie kann zum Verschwinden von High-Tech-Produkten führen – Warnung vor der Abhängigkeit von China

(Fortsetzung von Seite II) MPR Aktuell

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MPR Aktuell

„Die im BVMed vereinten Hersteller von Hüft- und Knieimplantaten unter-stützen eine schnelle Einrichtung eines Endoprothesenregisters als weiteren Baustein zur Sicherstellung und Opti-mierung der Qualität der Patientenver-sorgung“, sagte BVMed-Geschäftsfüh-rer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt über die bevorstehende Ein-richtung eines Registers.

Um ein Endoprothesenregister einrich-ten zu können, ist zunächst die Zusam-menführung von drei unterschiedlichen Datensätzen erforderlich: die Routine-daten der Krankenhäuser, die pseudo-nymisierten Patientendaten der Kran-kenkassen sowie die Produktdaten der Implantatehersteller. Die erforderlichen Herstellerdaten würden die BVMed-Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stellen. Außerdem wollen sie den Auf-bau der Implantate-Referenzdatenbank inhaltlich begleiten und entsprechend finanzieren. Der BVMed verwies dar-

auf, dass seit mehreren Jahren entspre-chende Zusagen der Industrie schrift-lich vorliegen.

Eine essentielle Grundlage für den Er-folg eines Registers ist aus Sicht der In-dustrie dessen Unabhängigkeit. Die Si-cherstellung der Neutralität führe zu einer entsprechenden Aussagekraft der ausgewerteten Daten. Daher ist die Zu-sammenführung der Daten, das Betrei-ben und die Auswertung des Endopro-thesenregisters von den anderen Betei-ligten zu finanzieren.

Nach Angaben des BVMed gibt es ge-genwärtig in 19 Ländern, darunter Schweden und Australien, Endoprothe-senregister, die in der Regel von den na-tionalen orthopädischen Fachgesell-schaften verwaltet und über die Regie-rung, in Ausnahmefällen zusätzlich von den Fachgesellschaften finanziert wer-den. „Sie sind nicht nur für die Medizin und die Kostenträger, sondern auch für

die forschende Implantateindustrie ein wichtiges Zusatzinstrument zur Quali-tätssicherung der jeweiligen Technolo-gie und verfügen über ein großes Nut-zenpotential hinsichtlich der Verlänge-rung der Überlebensrate von Implanta-ten – zum Wohle der Patienten“, so der BVMed.

Wichtig sei auch eine angemessene Ein-bindung der medizinischen Fachgesell-schaften und der Expertise der Herstel-ler in die Entwicklung der Qualitätspa-rameter und Auswertungen der Regis-terdaten. Darüber hinaus müssten die Ergebnisse den meldenden Firmen und Krankenhäusern umfänglich und zeit-nah zur Verfügung gestellt werden, rät der BVMed. Nur so könne sicherge-stellt werden, dass etwaige Auffälligkei-ten frühzeitig erkannt und schnell die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden könnten.

(Quelle: BVMed)

In einer Stellungnahme zum Arzneimit-telmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) fordert der BVMed, dass die Sozialge-richte weiterhin bei vergaberechtlichen Streitigkeiten in der Hilfsmittelversor-gung zuständig bleiben sollten. Auch der Bundesrat sprach sich während einer Sit-zung Ende September für die Beibehal-tung der Zuständigkeit der Sozialgerichte aus. Der Gesetzentwurf sieht derzeit bei vergaberechtlichen Streitigkeiten die Zu-ständigkeit der Zivilgerichte vor.

Anfang 2009 wurde durch das GKV-OrgWG die Zuständigkeit für vergabe-rechtliche Streitigkeiten in der Hilfsmit-telversorgung in der zweiten Instanz den Landessozialgerichten zugewiesen. „Aus Sicht des BVMed hat sich diese Regelung bewährt. Die Landessozialge-richte haben sich zwischenzeitlich die notwendige vergaberechtliche Kompe-tenz angeeignet. Außerdem haben sie in

der Praxis bewiesen, dass sie die Beson-derheiten des deutschen Gesundheits-wesens in ihre Rechtsprechung mit ein-fließen lassen“, heißt es in der BVMed-Stellungnahme. Dies gäbe den Landes-sozialgerichten den politisch gewünsch-ten Freiraum, nationale Besonderheiten zu berücksichtigen, ohne das EU-Ver-gaberecht zu missachten.

Ein positives Beispiel ist, nach Ansicht des BVMed, das Landessozialgericht (LSG) Essen. Das LSG entschied im April 2010 (MAKO gegen Knapp-schaft, MPR 2010, 125 ff.), dass Bei-trittsverträge nach § 127 Abs. 2 SGB V keine öffentlichen Aufträge im Sinne des Vergaberechts seien. Diese Ent-scheidung gab den beteiligten Leis-tungserbringern und Kostenträgern in Bezug auf die Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsabschluss endlich Rechtssicherheit. „Die Erfah-

rungen mit den Landessozialgerichten haben gezeigt, dass diese das Vergabe-recht unter dem Aspekt der Patienten-versorgung in Deutschland sehr gut be-rücksichtigen.“

Der Bundesrat begründete seinen Zu-spruch zur Zuständigkeit der Sozialge-richte damit, dass die Zuweisung des Rechtsschutzes in sozialrechtlichen Ver-gabestreitigkeiten zur Sozialgerichtsbar-keit sich als sinnvoll und effektiv erwie-sen habe und daher beibehalten werden sollte. So heißt es: „Die Landessozialge-richte haben es verstanden, den gesetzli-chen Versorgungsauftrag mit den Rech-ten der Bieter in Einklang zu bringen.“ Die Verlagerung auf die Zivilgerichte würde die durch die stringente Recht-sprechung der Sozialgerichte erreichte Rechtssicherheit in Frage stellen.

(Quelle: BVMed)

Schnelle Einrichtung eines Endoprothesenregisters wünschenswert

„Sozialgerichte haben sich beim Vergaberecht im Hilfsmittelbereich bewährt“