4
M. Merz 1  · I. Herth 1  · J. Brandt 1  · M. Hundemer 1  · K. Neben 1  · H. Goldschmidt 1, 2  ·  C.P. Heußel 3, 4 1    Medizinische Klinik V, Abteilung für Hämatologie, Onkologie und  Rheumatologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg 2  Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg 3    Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie mit Nuklearmedizin,  Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg 4  Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Heidelberg Akute Dyspnoe, subfebrile  Temperaturen und Schüttelfrost  bei einem Patienten mit  multiplem Myelom Anamnese Ein 71-jähriger Patient mit bekanntem multiplen Myelom (MM) im Stadium IIIA nach Salmon und Durie stellte sich mit akuter Dyspnoe, subfebrilen Tempe- raturen und Schüttelfrost in der autolo- gen Transplantationsambulanz der Auto- ren vor. Drei Jahre zuvor war die Diagno- se eines behandlungspflichtigen MM ge- stellt worden. Die initiale Therapie um- fasste eine 3-monatige Induktionsthera- pie, Stammzellmobilisation, gefolgt von einer Hochdosischemotherapie mit au- tologer Stammzelltransplantation sowie Bestrahlung symptomatischer Osteoly- sen der Brustwirbelsäule und des Os sa- crum. Zuletzt erfolgte wegen eines sero- logischen Progress der Myelomerkran- kung eine Behandlung mit der immuno- modulatorischen Substanz (IMiD) Lena- lidomid in Kombination mit Dexametha- son. Hierunter konnte eine nahezu kom- plette Remission (nCR) der Erkrankung erzielt werden. An internistischen Begleit- erkrankungen waren eine koronare Herz- krankheit sowie ein seit 30 Jahren sistier- ter Nikotinabusus bekannt. Klinischer Befund Bei Aufnahme zeigte sich ein normoten- siver tachypnoeischer Patient mit subfe- brilen Temperaturen und Schüttelfrost in stark reduziertem Allgemeinzustand (Karnofsky-Index 50%). Angina-pec- toris-Beschwerden wurden ebenso ver- neint, wie neuaufgetretene Schmerzen im Tab. 1Lungenfunktionsprüfung des Patienten bei Aufnahme und 5 Wochen nach Absetzen  von Lenalidomid. Es zeigt sich ein Rückgang der eingeschränkten Kohlenmonoxid(CO)-Diffu- sionskapazität bei regelrechter statischer und dynamischer Lungenfunktionsprüfung Zeitpunkt der Auf- nahme Nach 5 Wochen Parameter Einheit Ist (% Soll) Ist (% Soll) VC MAX [l] 3,85 (97) 4,59 (115) TLC [l] 6,65 (98) 7,08 (104) FEV 1 [l] 3,12 (106) 3,59 (123) FEV 1/VC MAX [%] 81,1 (109) 78,1 (105) TLCOc SB [mmol/min/kPa] 3,75 (44) 5,87 (68) TLCOc/VA [mmol/min/kPa/l] 0,67 (53) 0,95 (75) VC MAX maximale Vitalkapazität, TLC totale Lungenkapazität, FEV 1 forcierte Einsekundenkapazität, TLCOc SB Single-breath-CO-Diffusionskapazität, TLCOc/VA volumennormierte Diffusionskapazität Med Klin Intensivmed Notfmed 2013  DOI 10.1007/s00063-013-0298-z Eingegangen: 18. Februar 2013 Überarbeitet: 16. September 2013 Angenommen: 17. September 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 1 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2013| Bild und Fall

Akute Dyspnoe, subfebrile Temperaturen und Schüttelfrost bei einem Patienten mit multiplem Myelom; Acute dyspnea, subfebrile temperatures and chills in a patient with multiple myeloma;

  • Upload
    cp

  • View
    215

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Akute Dyspnoe, subfebrile Temperaturen und Schüttelfrost bei einem Patienten mit multiplem Myelom; Acute dyspnea, subfebrile temperatures and chills in a patient with multiple myeloma;

M. Merz1 · I. Herth1 · J. Brandt1 · M. Hundemer1 · K. Neben1 · H. Goldschmidt1, 2 · C.P. Heußel3, 4

1  Medizinische Klinik V, Abteilung für Hämatologie, Onkologie und 

Rheumatologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg2 Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg3  Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie mit Nuklearmedizin, 

Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg4 Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Heidelberg

Akute Dyspnoe, subfebrile Temperaturen und Schüttelfrost bei einem Patienten mit multiplem Myelom

Anamnese

Ein 71-jähriger Patient mit bekanntem multiplen Myelom (MM) im Stadium IIIA nach Salmon und Durie stellte sich mit akuter Dyspnoe, subfebrilen Tempe-raturen und Schüttelfrost in der autolo-gen Transplantationsambulanz der Auto-ren vor. Drei Jahre zuvor war die Diagno-se eines behandlungspflichtigen MM ge-stellt worden. Die initiale Therapie um-fasste eine 3-monatige Induktionsthera-pie, Stammzellmobilisation, gefolgt von einer Hochdosischemotherapie mit au-tologer Stammzelltransplantation sowie Bestrahlung symptomatischer Osteoly-sen der Brustwirbelsäule und des Os sa-crum. Zuletzt erfolgte wegen eines sero-logischen Progress der Myelomerkran-

kung eine Behandlung mit der immuno-modulatorischen Substanz (IMiD) Lena-lidomid in Kombination mit Dexametha-son. Hierunter konnte eine nahezu kom-plette Remission (nCR) der Erkrankung erzielt werden. An internistischen Begleit-erkrankungen waren eine koronare Herz-krankheit sowie ein seit 30 Jahren sistier-ter Nikotinabusus bekannt.

Klinischer Befund

Bei Aufnahme zeigte sich ein normoten-siver tachypnoeischer Patient mit subfe-brilen Temperaturen und Schüttelfrost in stark reduziertem Allgemeinzustand (Karnofsky-Index 50%). Angina-pec-toris-Beschwerden wurden ebenso ver-neint, wie neuaufgetretene Schmerzen im

Tab. 1  Lungenfunktionsprüfung des Patienten bei Aufnahme und 5 Wochen nach Absetzen von Lenalidomid. Es zeigt sich ein Rückgang der eingeschränkten Kohlenmonoxid(CO)-Diffu-sionskapazität bei regelrechter statischer und dynamischer Lungenfunktionsprüfung

  Zeitpunkt der Auf-nahme

Nach 5 Wochen

Parameter Einheit Ist (% Soll) Ist (% Soll)

VC MAX [l] 3,85 (97) 4,59 (115)

TLC [l] 6,65 (98) 7,08 (104)

FEV 1 [l] 3,12 (106) 3,59 (123)

FEV 1/VC MAX [%] 81,1 (109) 78,1 (105)

TLCOc SB [mmol/min/kPa] 3,75 (44) 5,87 (68)

TLCOc/VA [mmol/min/kPa/l] 0,67 (53) 0,95 (75)VC MAX maximale Vitalkapazität, TLC totale Lungenkapazität, FEV 1 forcierte Einsekundenkapazität, TLCOc SB Single-breath-CO-Diffusionskapazität, TLCOc/VA volumennormierte Diffusionskapazität

Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 DOI 10.1007/s00063-013-0298-zEingegangen: 18. Februar 2013Überarbeitet: 16. September 2013Angenommen: 17. September 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

1Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2013  | 

Bild und Fall

Page 2: Akute Dyspnoe, subfebrile Temperaturen und Schüttelfrost bei einem Patienten mit multiplem Myelom; Acute dyspnea, subfebrile temperatures and chills in a patient with multiple myeloma;

Bereich der Wirbelsäule oder des Tho-rax. Die körperliche Untersuchung lie-ferte einen weitgehend unauffälligen Be-fund. Insbesondere waren die Herztöne rein, das Atemgeräusch vesikulär und es fand sich kein Hinweis auf das Vorliegen einer tiefen Beinvenenthrombose.

Labor

Die venöse Blutgasanalyse zeigte einen Abfall der Sauerstoffsättigung auf 56%. Laborchemisch konnte eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) auf 121 mg/l, des Prokalzitonins auf 17,8 ng/ml so-wie der Laktatdehydrogenase (LDH) auf 324 U/l gefunden werden. Im Blutbild zeigte sich eine im Verlauf konstante Leu-

kozytopenie (1,2/nl) und Anämie (Hb 9,6 g/dl), die sich im Zuge der Lenalido-midtherapie entwickelt hatten. Die peri-pher und zentral (aus Portsystem) ent-nommenen Blutkulturen lieferten kei-nen Erregernachweis. Die myelomspezi-fischen Laborparameter zeigten nach wie vor das Vorliegen einer nCR.

Apparative Diagnostik

In der Computertomographie (CT) des Thorax konnten eine Lungenarterien-embolie (LAE) und bronchopneumoni-sche Infiltrate ausgeschlossen werden. Es zeigte sich jedoch eine kortikal beton-te milchglasartige Dichteanhebung des Lungenparenchyms (. Abb. 1) im Sinne eines interstitiellen Infiltrates. Die Spiro-metrie und Bodyplethysmographie zeig-ten bei regelrechten dynamischen Funk-tionsparametern eine Einschränkung der Kohlenmonoxid(CO)-Diffusionskapa-zität (. Tab. 1). Eine akute Herzinsuffi-zienz sowie Anzeichen einer Endokardi-tis wurden echokardiographisch ausge-schlossen.

 D Wie lautet Ihre Diagnose?

Abb. 1 9 Computer-tomographie des Tho-rax mit Kontrastmit-tel am Tag der Vorstel-lung des Patienten, die primär zum Ausschluss einer Lungenarterie-nembolie und Pneu-monie durchgeführt wurde. Man beachte die kortikal betonten milchglasartigen Infilt-rate (Pfeile)

Therapie und Verlauf

Nach stationärer Aufnahme und Beginn einer empirischen Antibiotikatherapie mit Piperacillin und Tazobactam sowie Absetzen von Lenalidomid kam es zur ra-schen Symptomregredienz; die kapillä-re Sauerstoffsättigung besserte sich unter nasaler Applikation von Sauerstoff (2 l/min) auf 98%. Dies ließ zunächst infek-tiöse oder medikamententoxische Ursa-chen differenzialdiagnostisch offen, auch der fehlende Erregernachweis grenzte dies nicht ein. Innerhalb der möglichen Infektionen sprach das interstitielle Infil-trat für einen atypischen Erreger (z. B. Vi-rus), der schwerer zu identifizieren sein dürfte und eine längere Therapie erfor-dern würde bzw. nicht zu therapieren wä-re. Auch unter Deeskalation der Antibiose kam es nicht zur Symptomrekurrenz oder erneutem Fieber: der Patient konnte be-reits nach 7 Tagen entlassen werden. Da der Verlauf somit weder zu einem Infekt

durch einen typischen oder atypischen Erreger passte, wurden die infektiologi-schen Differenzialdiagnosen verworfen. Eine diesbezügliche weitere invasive Ab-klärung war bei zwischenzeitlicher Be-fundbesserung nicht zu verantworten. Es verblieb eine mit Lenalidomid assoziierte Lungentoxizität.

»  Diagnose: lenalidomidin-duzierte Pneumotoxizität

Die Wiedervorstellung in unserer auto-logen Transplantationsambulanz erfolg-te 5 Wochen nach Pausierung der The-rapie mit Lenalidomid und Dexametha-son. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich der Patient in gutem Allgemeinzustand (Kar-nofsky-Index 90%). Die CT des Tho-rax zeigte einen vollständigen Rückgang des intersitiellen Infiltrats (. Abb. 2). In der Lungenfunktionsprüfung wurde ein Rückgang der eingeschränkten CO-Diffu-

sionskapazität nachgeweisen (. Tab. 1). Bei unverändertem Vorliegen einer nCR der Myelomerkrankung wurde in Abspra-che mit dem Patienten die Therapie weiter pausiert und es wurden regelmäßige Ver-laufskontrollen vereinbart.

Differenzialdiagnosen

Die pulmonale Toxizität der IMiD, wie Thalidomid, Lenalidomid und des in kli-nischen Studien erprobten Pomalidomid, ist trotz der breiten Anwendung in der Primär- und Rezidivtherapie des MM eine seltene Nebenwirkung [1]. Aufgrund des-sen sollten bei respiratorischen Sympto-men während einer IMiD-basierten The-rapie zunächst häufigere Komplikationen diagnostisch abgeklärt werden. Hierzu ge-hören vor allem die Lungenarterienembo-lie (LAE), deren Auftreten durch die rou-tinemäßige Antikoagulation unter IMiD-Therapie effektiv reduziert werden konnte [2], sowie Infektionen. Die Frequenz letz-

2 |  Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2013

Bild und Fall

Page 3: Akute Dyspnoe, subfebrile Temperaturen und Schüttelfrost bei einem Patienten mit multiplem Myelom; Acute dyspnea, subfebrile temperatures and chills in a patient with multiple myeloma;

terer, insbesondere der Pneumonie, konn-te durch die Etablierung der IMiD-basier-ten Therapie in Kombination mit niedrig- anstatt hochdosiertem Dexamethason re-duziert werden [8]. Ferner sollte gerade bei Myelompatienten nach Bestrahlung symptomatischer Osteolysen die strah-leninduzierte Pneumonitis in Erwägung gezogen werden. Nach Ausschluss dieser Differentialdiagnosen sollte bei respirato-rischen Symptomen an die IMiD-indu-zierte pulmonale Toxizität gedacht wer-den.

Häufigkeit, Diagnosestellung und Pathogenese

Geyer et al. berichteten in einer Fallstudie mit Literaturübersicht über die IMiD-in-duzierte Pneumotoxizität [1]. Analog zur vorliegenden Fallgeschichte waren die am häufigsten geschilderten Symptome eine abrupte Verschlechterung des Allgemein-zustands, Dyspnoe, Fieber und Schüttel-frost. Laborchemisch wurden ebenfalls CRP-Erhöhungen und Hypoxämien ge-funden. Den richtungweisenden Befund lieferte jedoch stets die CT des Thorax, in der in fast allen Fällen milchglasarti-ge Veränderungen nachgewiesen wurden [1]. Das weitere diagnostische Vorgehen kann durch eine bronchoalveoläre Lava-ge (BAL) und transbronchiale Biopsie er-gänzt werden. Hierauf wurde in der ak-tuell beschriebenen Kasuistik aufgrund der raschen Symptombesserung verzich-tet. Während in der Literatur inkonsis-

tente BAL-Befunde berichtet wurden, kann in einer Biopsie im Zweifel der al-veoläre Schaden („diffuse alveolar dama-ge“, DAD) mit alveolärem Ödem, Fibrin-ablagerungen und Makrophageninfilt-ration nachgewiesen werden. Die so am häufigsten gestellte Diagnose ist die inter-stitielle Pneumonitis [1]. In einer Phase-II-Studie zur Behandlung des rezidivier-ten MM mit Lenalidomid und Dexame-thason wurde eine Pneumonitis bei etwa 6% der Patienten beobachtet [7]. Die Häu-figkeit der thalidomidinduzierten Pneu-motoxizität ist nicht bekannt. Pathophy-siologisch kommt eine direkte Schädi-gung der Alveolarmembran durch akti-vierte Immunzellen in Frage. Dies könn-te den Anstieg des Prokalzitonins erklä-ren, da in vergangenen Studien eine Erhö-hung nicht nur bei bakteriellen Infekten sondern auch im Zuge akuter nichtinfek-tiöser Lungenschädigungen beobachtet wurde [6]. Ferner wurden als Hinweis für eine Schädigung des Lungenparenchyms analog zur vorliegenden Fallstudie in ver-gangenen Berichten über lenalidomidin-duzierte Lungenschädigungen eine Erhö-hung der LDH und eine Einschränkung der Diffusionskapazität festgestellt [5].

Bei dem vorgestellten Patienten wur-de aufgrund der prompten Besserung der Symptomatik nach Absetzen von Lenali-domid, der mit vergangenen Fallberich-ten konsistenten klinischen Symptoma-tik sowie Ergebnissen der apparativen Di-agnostik (milchglasartige Verdichtungen in der CT bei Einschränkung der Diffu-

sionskapazität) von einer lenalidomidin-duzierten Pneumotoxizität ausgegangen. Ähnliche Befundkonstellationen sind des Weiteren für rheumatologische Patienten mit Methotrexat- oder leflunomidindu-zierter Pneumonitits beschrieben [3]. Da es sich hierbei um eine Ausschlussdiagno-se handelt, hätte zur endgültigen Diagno-sestellung eine weitere infektiologische (z. B. Erregersuche aus BAL) und inva-sive (transbronchiale Biopsie) Abklärung erfolgen müssen. Dies gilt insbesonde-re für onkologische Patienten mit Anzei-chen einer respiratorischen Insuffizienz [9], die gerade in den Wintermonaten be-sonders durch virale Infektionen gefähr-det sind [4]. Da in dem vorliegenden Fall jedoch bis auf akute Dyspnoe und subfe-brile Temperaturen keine weiteren respi-ratorischen Symptome bestanden, in der CT des Thorax keine bronchopneumo-nischen Infiltrate gefunden wurden und sich der Allgemeinzustand des Patienten unmittelbar nach Absetzen von Lenali-domid besserte, war eine weitere invasive Abklärung nicht vertretbar. Eine atypische Pneumonie ist damit bei dem vorgestell-ten Patienten nicht mit Sicherheit auszu-schließen.

Verlauf und therapeutische Konsequenzen

In vergangenen Fallberichten trat die IMiD-induzierte Pneumotoxizität zwi-schen 8 und 480 Tagen nach Therapiebe-ginn auf [1]. In der aktuell beschriebenen Kasuistik wurden die beschriebenen Be-funde 12 Monate nach Beginn der Thera-pie mit Lenalidomid erhoben. Die einzige wirksame Therapie scheint das Absetzen des IMiD zu sein. Dies führte in allen bis-her publizierten Fallberichten zum Rück-gang der Symptome [1]. In 2 Fällen, in de-nen die Therapie mit dem gleichen IMiD fortgesetzt wurde, traten die geschilderten Symptome wieder auf, während in einer Fallstudie der Wechsel von Thalidomid auf Lenalidomid nicht zu einem Wieder-auftreten der Symptomatik führte [1]. Im vorliegenden Fall wurde in Rücksprache mit dem Patienten bei Vorliegen einer nCR die Therapie bis auf Weiteres pau-siert. Im Falle eines Rezidivs der Erkran-kung wird eine Reexposition mit Lenali-domid erwogen werden oder ein Wechsel

Abb. 2 9 Computerto-mographie des Thorax (nativ) 5 Wochen nach Absetzen der Thera-pie mit Lenalidomid. Im Vergleich zum Vor-befund zeigen sich die Veränderungen des Lungenparenchyms vollständig rückläufig

3Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2013  | 

Page 4: Akute Dyspnoe, subfebrile Temperaturen und Schüttelfrost bei einem Patienten mit multiplem Myelom; Acute dyspnea, subfebrile temperatures and chills in a patient with multiple myeloma;

der Substanzklasse hin zu den Proteaso-minhibitoren evaluiert werden.

Fazit für die Praxis

F  Bei Patienten mit MM, Verschlechte-rung des Allgemeinzustands und re-spiratorischen Symptomen während immunomodulatorischer Therapie sollten zunächst die häufigsten Kom-plikationen, wie die LAE oder infek-tiöse Ursachen abgeklärt werden. 

F  Bei diesbezüglich unauffälligen Be-funden und pathologischer Lungen-funktionsprüfung sollte auch die IMiD-induzierte Pneumotoxizität in Erwägung gezogen werden. Eine transbronchiale Biopsie kann zur Dia-gnosestellung beitragen. 

F  Die effektive Therapie ist das Abset-zen des IMiD unter Berücksichtigung des Remissionsstatus der Erkrankung oder ein Wechsel der Substanzklasse.

Korrespondenzadresse

Dr. M. MerzMedizinische Klinik V, Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelbergmaximilian.merz@ med.uni-heidelberg.de

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  M. Merz, I. Herth, J. Brandt, M. Hundemer, K. Neben, H. Goldschmidt und C.P. Heußel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Geyer HL, Viggiano RW, Lacy MQ et al (2011) Acu-te lung toxicity related to pomalidomide. Chest 140:529–533

  2.  Klein U, Kosely F, Hillengass J et al (2009) Effec-tive prophylaxis of thromboembolic complicati-ons with low molecular weight heparin in relapsed multiple myeloma patients treated with lenalido-mide and dexamethasone. Ann Hematol 88:67–71

  3.  Lehmann P, Brunnler T, Salzberger B et al (2012) Rheumatic patients in the intensive care unit. Med Klin Intensivmed Notfmed 107:391–396

  4.  Lehners N, Schnitzler P, Geis S et al (2013) Risk fac-tors and containment of respiratory syncytial virus outbreak in a hematology and transplant unit. Bo-ne Marrow Transplant Epub ahead of print

  5.  Lerch E, Gyorik S, Feilchenfeldt J et al (2010) A ca-se of lenalidomide-induced hypersensitivity pneu-monitis. Onkologie 33:249–252

  6.  Nylen ES, Snider RH Jr, Thompson KA et al (1996) Pneumonitis-associated hyperprocalcitoninemia. Am J Med Sci 312:12–18

  7.  Rajkumar SV, Hayman SR, Lacy MQ et al (2005) Combination therapy with lenalidomide plus dexamethasone (Rev/Dex) for newly diagnosed myeloma. Blood 106:4050–4053

  8.  Rajkumar SV, Jacobus S, Callander NS et al (2010) Lenalidomide plus high-dose dexamethasone ver-sus lenalidomide plus low-dose dexamethaso-ne as initial therapy for newly diagnosed multip-le myeloma: an open-label randomised controlled trial. Lancet Oncol 11:29–37

  9.  Staudinger T, Schellongowski P (2013) Chronic cri-tically ill patients from the perspective of hema-tologists/oncologists. Med Klin Intensivmed Not-fmed 108:295–302

4 |  Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2013

Bild und Fall