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Abwehrklagen zur Sprache, wobei die Autoren einen Schwerpunkt auf den Dialysebereich legen. Sie befassen sich insbesondere mit einer Entscheidung des BSG vom 17. 8. 2011 – B 6 KA 27/10 R –, MedR 2012, 479, die mittlerweile zwar dem mit Konkurrentenklagen be- fassten Praktiker bekannt sein dürfte, deren Implikationen aber stets von einer näheren Klärung profitieren. Einen beachtlichen Stellenwert nimmt in dieser Festschrift das Thema der Zuweisungen gegen Entgelt ein. In einem Beitrag von Dahm findet der Leser neben einer umfangreichen Erläuterung der die Zuweisung betreffenden Normenkomplexe einen Anhang, in dem der Autor wichtige Judikate zusammengestellt hat. Ebenfalls mit Zuweisungen gegen Entgelt beschäftigt sich der Beitrag von Wollersheim. Die Autorin widmet sich insbesondere dem ärztlichen Berufsrecht und dem Zusammenspiel der §§ 30 ff. MBO-Ä mit sozi- alrechtlichen Vorschriften. Ein weiteres Themenfeld, das in der zu besprechenden Festschrift starke Beachtung findet, ist das ärztliche Honorar. Mit der Frage nach den rechtlichen Implikationen eines fehlerhaften Honorarbescheids setzt sich Plagemann auseinander. Um die Frage der Honorarverteilung geht es auch in einem Beitrag von Schiller, der sich mit den Möglichkeiten zur Konfliktlösung im Rahmen der Honorarverteilung im Benehmen mit den Krankenkas- sen auseinandersetzt. Von grundsätzlicher Natur ist ein Beitrag von Schnapp, der sich dem Honorarbescheid im Vertragsarztrecht und sei- ner Stellung im Gefüge administrativer Handlungsformen zuwendet. Aus dem Bereich des Arztstrafrechts finden sich in der Festschrift ebenfalls Beiträge zu aktuellen Themen, wobei die Nachlese des vielbeachteten Beschlusses des Großen Senats vom 29. 3. 2012 (BGH, Beschl. v. 29. 3. 2012 – GSSt 2/11 –, NJW 2012, 2530) zur Beauftrag- ten- und Amtsträgereigenschaft des Vertragsarztes im Vordergrund steht. Zu dieser Nachlese gehört bereits der in die erste Abteilung eingeordnete Beitrag von Imbeck, der sich vor dem Hintergrund dieses Beschlusses mit dem Verhältnis von Arzt und Krankenkassen aus sozialrechtlicher und historischer Perspektive beschäftigt. Einen wichtigen Aspekt verbannt der Autor – dem begrenzten Raum ge- schuldet – in eine Fußnote: Am Beispiel der Täuschung beim Ab- rechnungsbetrug macht er deutlich, dass vor einer Übertragung so- zialrechtlicher Befunde in das Strafrecht stets zu prüfen ist, welchem Zweck die avisierten Normen tatsächlich dienen. Auch ein Beitrag von Duttge greift den Beschluss des Großen Senats auf und geht der Frage nach, ob der Vertragsarzt als Amtsträger einzuordnen sei. In ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung konzi- piert Duttge den strafrechtlichen Begriff des Amtsträgers als Typus- begriff und resümiert auf dieser Grundlage, dass der Beschluss des Großen Senats im Ergebnis zutreffend sei. In einem Beitrag von Tsambikakis werden anschließend die Straf- barkeitsrisiken des korruptiven Verhaltens niedergelassener Ärzte näher beleuchtet. Der Autor legt insbesondere Wert auf die Fest- stellung, dass die zuvor in § 299 StGB lozierten Handlungskomplexe neuerdings in gewissem Umfang unter den §§ 263, 266 StGB abge- handelt werden. Dieser Erkenntnis folgend behandelt Tsambikakis zu- nächst den Untreuetatbestand des § 266 StGB, wobei er ein Augen- merk auf die Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes legt, der bereits kurz nach Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats im strafrechtlichen Schrifttum – jedoch ohne eine Resonanz aus der Rechtsprechung – ein Ablaufdatum verordnet wurde. Hierbei stellt der Autor insbesondere Änderungen der sozialrechtlichen Recht- sprechung dar und bezweifelt, ob die fortwährende Annahme ei- ner Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes noch haltbar ist. Anschließend widmet sich dieser Beitrag dem Betrugstatbestand des § 263 StGB und verweist auf eine besonders wichtige Entscheidung des BGH vom 25. 1. 2012 (BGH, Urt. v. 25. 1. 2012 – 1 StR 45/11 –, NJW 2012, 1377). Hier macht der Autor darauf aufmerksam, dass in der Rechtsprechung des BVerfG zum Betrugs- und Untreueschaden (BVerfGE 126, 170 ff.; BVerfG, NJW 2012, 907 ff.; BVerfG, NJW 2013, 365) spätestens seit Juni 2010 der Grundsatz herrscht, wonach normative Gesichtspunkte bei der Schadensfeststellung eine Rolle spielen können, die wirtschaftliche Betrachtungsweise aber niemals überlagern oder verdrängen dürfen. Zutreffend folgert der Autor, dass der BGH sich mit diesen Anforderungen in Bezug auf den Ab- rechnungsbetrug noch nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Ebenfalls kritisch mit der zunehmenden Relevanz der Vermögens- delikte im Arztstrafrecht setzt sich ein Beitrag von Ulsenheimer ausei- nander, der jedoch einen weiteren Schwerpunkt auf die Strafbarkeit des Arztes im Umfeld von Behandlungs- und Organisationsfehlern sowie auf den ärztlichen Aufklärungsfehler legt. Die materiell-recht- lichen Ausführungen Ulsenheimers sind stets mit Hinweisen auf straf- prozessuale Aspekte verknüpft und bieten auch aus diesem Grund eine sehr interessante Lektüre. Ein Beitrag von Weimer beklagt die in der Berichterstattung der Medien zum Teil anzutreffende Wahr- nehmung des Gesundheitswesens als „organisiert kriminell“ und die zunehmende Verwendung des Wirtschaftsstrafrechts „als Büttel des Sozialrechts“, der von Seiten der Verteidigung mit dem Hinweis auf die neuere Judikatur des BVerfG zum Vermögensschaden der §§ 266 und 263 StGB entgegengetreten werden müsse. Gegliedert nach den verschiedenen „Tatorten“ des Gesundheitswesens: Arztpraxis, standortübergreifende BAG, Krankenhaus und Honorararzt sowie Apotheke und ambulanter Pflegedienst werden die strafrechtlichen Risiken der Akteure näher in den Blick genommen. In der dritten Abteilung der Festschrift sind Beiträge von namhaf- ten Autoren aus dem Bereich der Kriminologie vertreten: Wolfgang Heinz beschäftigt sich mit dem System der deutschen Kriminal- und Strafrechtspflegestatistiken, wobei ein historischer Abriss seit dem 18. Jahrhundert und ein Überblick zur Theorie der Kriminalstatistik in das Thema einführen. Es folgen eine Bestandsaufnahme zu ge- genwärtig vorhandenen Kriminalstatistiken und eine auch für den praktisch tätigen Medizin(straf )rechtler interessante Analyse, welche Statistiken fehlen und welche Lücken es bei den derzeitigen Erhe- bungsmerkmalen gibt. Abschließend referiert der Beitrag zu den Re- alisierungschancen eines statistischen Datenbanksystems. Der nach- folgende Beitrag von Plewig beschäftigt sich mit der Frage, welche Maßnahmen zur Verringerung der Jugendkriminalität geeignet sind, und versucht, aus den „Nachhaltigkeitswissenschaften“ neue Per- spektiven für die Devianzpädagogik zu gewinnen. Ein Beitrag von Schwind widmet sich der Dunkelfeldforschung durch Opferbefragung. Schwind skizziert nicht nur die Anfänge dieser Forschungen, sondern auch die sog. Replikationsstudien Bochum II und III. Den Bereich der Kriminologie schließt ein Beitrag von Steffen zum Thema Sicher- heit und Prävention ab, der sich u. a. mit dem Spannungsfeld zwischen Kriminalprävention und Präventionsstaat auseinandersetzt. In der vierten Abteilung finden sich schließlich Beiträge, die der Festschrift einen persönlichen Einschlag verleihen. Hier finden drei Autoren ehrende Worte für den Jubilar, mal in Gedichtform, mal in Form einer persönlichen Notiz. Im Ergebnis offeriert die Festschrift für Gernot Steinhilper eine Fül- le interessanter Beiträge zu aktuellen Themen. Sowohl der an einer Einarbeitung in die referierten Themen interessierte Leser als auch der langjährig auf dem Gebiet des Medizinrechts tätige Praktiker wird in dieser Festschrift Weiterführendes finden. DOI: 10.1007/s00350-013-3566-2 Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte. Herausgegeben von Alexander Ehlers. Verlag C. H. Beck, 2. Aufl. München 2013, 436 S., kart., € 79,00 In der Reihe „Medizinrecht“ des Verlages C. H. Beck ist die 2. Auf- lage des von Ehlers herausgegebenen Werkes zum Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte erschienen. Bearbeitet ist das Disziplinarrecht von Praktikern, die als Richter (Hesral ) oder Anwälte (Reinhold, Steinhilper, von Strachwitz-Helmstatt) tätig sind. Im Vorwort heißt es zu Recht, dass sich die Rahmenbedingungen für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte verschärft und die gegen Ärzte eingeleiteten Disziplinarverfahren zugenommen haben. Anlass genug also, Betroffenen, Anwälten und Richtern einen weitgehend aktualisierten Leitfaden zur Verfügung zu stellen. Im ersten Kapitel, bearbeitet von Hesral, wird der Leser an die gesetzlichen Grundlagen herangeführt. Sie betreffen die verfahrens- rechtliche und die materiell-rechtliche Seite des Disziplinarrechts. Gem. § 81 Abs. 5 SGB V haben die als autonomes Recht erlassenen Satzungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder zu bestimmen, die ihre ver- tragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Ausführlich beschäftigt sich Hesral mit den Problemen des Fristbe- ginns, die vor allem bei Plausibilitätsprüfungen und beim Fortset- zungszusammenhang auftauchen. Bei der Plausibilitätsprüfung will er die Kenntnis einer Verfehlung weit nach vorn verlegen, indem das Verteidigungsvorbringen des Arztes schon ein Bekanntsein der VorsRiLSG a. D. Prof. Dr. iur. Volker Wahrendorf, Mülheim a. d. Ruhr, Deutschland Rezensionen MedR (2014) 32: 69–70 69

Alexander Ehlers (Hrsg.), Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte

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Page 1: Alexander Ehlers (Hrsg.), Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte

Abwehrklagen zur Sprache, wobei die Autoren einen Schwerpunkt auf den Dialysebereich legen. Sie befassen sich insbesondere mit einer Entscheidung des BSG vom 17. 8. 2011 – B 6 KA 27/10 R –, MedR 2012, 479, die mittlerweile zwar dem mit Konkurrentenklagen be-fassten Praktiker bekannt sein dürfte, deren Implikationen aber stets von einer näheren Klärung profitieren.

Einen beachtlichen Stellenwert nimmt in dieser Festschrift das Thema der Zuweisungen gegen Entgelt ein. In einem Beitrag von Dahm findet der Leser neben einer umfangreichen Erläuterung der die Zuweisung betreffenden Normenkomplexe einen Anhang, in dem der Autor wichtige Judikate zusammengestellt hat. Ebenfalls mit Zuweisungen gegen Entgelt beschäftigt sich der Beitrag von Wollersheim. Die Autorin widmet sich insbesondere dem ärztlichen Berufsrecht und dem Zusammenspiel der §§ 30 ff. MBO-Ä mit sozi-alrechtlichen Vorschriften. Ein weiteres Themenfeld, das in der zu besprechenden Festschrift starke Beachtung findet, ist das ärztliche Honorar. Mit der Frage nach den rechtlichen Implikationen eines fehlerhaften Honorarbescheids setzt sich Plagemann auseinander. Um die Frage der Honorarverteilung geht es auch in einem Beitrag von Schiller, der sich mit den Möglichkeiten zur Konfliktlösung im Rahmen der Honorarverteilung im Benehmen mit den Krankenkas-sen auseinandersetzt. Von grundsätzlicher Natur ist ein Beitrag von Schnapp, der sich dem Honorarbescheid im Vertragsarztrecht und sei-ner Stellung im Gefüge administrativer Handlungsformen zuwendet.

Aus dem Bereich des Arztstrafrechts finden sich in der Festschrift ebenfalls Beiträge zu aktuellen Themen, wobei die Nachlese des vielbeachteten Beschlusses des Großen Senats vom 29. 3. 2012 (BGH, Beschl. v. 29. 3. 2012 – GSSt 2/11 –, NJW 2012, 2530) zur Beauftrag-ten- und Amtsträgereigenschaft des Vertragsarztes im Vordergrund steht. Zu dieser Nachlese gehört bereits der in die erste Abteilung eingeordnete Beitrag von Imbeck, der sich vor dem Hintergrund dieses Beschlusses mit dem Verhältnis von Arzt und Krankenkassen aus sozialrechtlicher und historischer Perspektive beschäftigt. Einen wichtigen Aspekt verbannt der Autor – dem begrenzten Raum ge-schuldet – in eine Fußnote: Am Beispiel der Täuschung beim Ab-rechnungsbetrug macht er deutlich, dass vor einer Übertragung so-zialrechtlicher Befunde in das Strafrecht stets zu prüfen ist, welchem Zweck die avisierten Normen tatsächlich dienen. Auch ein Beitrag von Duttge greift den Beschluss des Großen Senats auf und geht der Frage nach, ob der Vertragsarzt als Amtsträger einzuordnen sei. In ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung konzi-piert Duttge den strafrechtlichen Begriff des Amtsträgers als Typus-begriff und resümiert auf dieser Grundlage, dass der Beschluss des Großen Senats im Ergebnis zutreffend sei.

In einem Beitrag von Tsambikakis werden anschließend die Straf-barkeitsrisiken des korruptiven Verhaltens niedergelassener Ärzte näher beleuchtet. Der Autor legt insbesondere Wert auf die Fest-stellung, dass die zuvor in § 299 StGB lozierten Handlungskomplexe neuerdings in gewissem Umfang unter den §§ 263, 266 StGB abge-handelt werden. Dieser Erkenntnis folgend behandelt Tsambikakis zu-nächst den Untreuetatbestand des § 266 StGB, wobei er ein Augen-merk auf die Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes legt, der bereits kurz nach Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats im strafrechtlichen Schrifttum – jedoch ohne eine Resonanz aus der Rechtsprechung – ein Ablaufdatum verordnet wurde. Hierbei stellt der Autor insbesondere Änderungen der sozialrechtlichen Recht-sprechung dar und bezweifelt, ob die fortwährende Annahme ei-ner Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes noch haltbar ist. Anschließend widmet sich dieser Beitrag dem Betrugstatbestand des § 263 StGB und verweist auf eine besonders wichtige Entscheidung des BGH vom 25. 1. 2012 (BGH, Urt. v. 25. 1. 2012 – 1 StR 45/11 –, NJW 2012, 1377). Hier macht der Autor darauf aufmerksam, dass in der Rechtsprechung des BVerfG zum Betrugs- und Untreueschaden ( BVerfGE 126, 170 ff.; BVerfG, NJW 2012, 907 ff.; BVerfG, NJW 2013, 365) spätestens seit Juni 2010 der Grundsatz herrscht, wonach normative Gesichtspunkte bei der Schadensfeststellung eine Rolle spielen können, die wirtschaftliche Betrachtungsweise aber niemals überlagern oder verdrängen dürfen. Zutreffend folgert der Autor, dass der BGH sich mit diesen Anforderungen in Bezug auf den Ab-rechnungsbetrug noch nicht hinreichend auseinandergesetzt habe.

Ebenfalls kritisch mit der zunehmenden Relevanz der Vermögens-delikte im Arztstrafrecht setzt sich ein Beitrag von Ulsenheimer ausei-nander, der jedoch einen weiteren Schwerpunkt auf die Strafbarkeit des Arztes im Umfeld von Behandlungs- und Organisationsfehlern sowie auf den ärztlichen Aufklärungsfehler legt. Die materiell-recht-lichen Ausführungen Ulsenheimers sind stets mit Hinweisen auf straf-prozessuale Aspekte verknüpft und bieten auch aus diesem Grund eine sehr interessante Lektüre. Ein Beitrag von Weimer beklagt die

in der Berichterstattung der Medien zum Teil anzutreffende Wahr-nehmung des Gesundheitswesens als „organisiert kriminell“ und die zunehmende Verwendung des Wirtschaftsstrafrechts „als Büttel des Sozialrechts“, der von Seiten der Verteidigung mit dem Hinweis auf die neuere Judikatur des BVerfG zum Vermögensschaden der §§ 266 und 263 StGB entgegengetreten werden müsse. Gegliedert nach den verschiedenen „Tatorten“ des Gesundheitswesens: Arztpraxis, standortübergreifende BAG, Krankenhaus und Honorararzt sowie Apotheke und ambulanter Pflegedienst werden die strafrechtlichen Risiken der Akteure näher in den Blick genommen.

In der dritten Abteilung der Festschrift sind Beiträge von namhaf-ten Autoren aus dem Bereich der Kriminologie vertreten: Wolfgang Heinz beschäftigt sich mit dem System der deutschen Kriminal- und Strafrechtspflegestatistiken, wobei ein historischer Abriss seit dem 18. Jahrhundert und ein Überblick zur Theorie der Kriminalstatistik in das Thema einführen. Es folgen eine Bestandsaufnahme zu ge-genwärtig vorhandenen Kriminalstatistiken und eine auch für den praktisch tätigen Medizin(straf )rechtler interessante Analyse, welche Statistiken fehlen und welche Lücken es bei den derzeitigen Erhe-bungsmerkmalen gibt. Abschließend referiert der Beitrag zu den Re-alisierungschancen eines statistischen Datenbanksystems. Der nach-folgende Beitrag von Plewig beschäftigt sich mit der Frage, welche Maßnahmen zur Verringerung der Jugendkriminalität geeignet sind, und versucht, aus den „Nachhaltigkeitswissenschaften“ neue Per-spektiven für die Devianzpädagogik zu gewinnen. Ein Beitrag von Schwind widmet sich der Dunkelfeldforschung durch Opferbefragung. Schwind skizziert nicht nur die Anfänge dieser Forschungen, sondern auch die sog. Replikationsstudien Bochum II und III. Den Bereich der Kriminologie schließt ein Beitrag von Steffen zum Thema Sicher-heit und Prävention ab, der sich u. a. mit dem Spannungsfeld zwischen Kriminalprävention und Präventionsstaat auseinandersetzt.

In der vierten Abteilung finden sich schließlich Beiträge, die der Festschrift einen persönlichen Einschlag verleihen. Hier finden drei Autoren ehrende Worte für den Jubilar, mal in Gedichtform, mal in Form einer persönlichen Notiz.

Im Ergebnis offeriert die Festschrift für Gernot Steinhilper eine Fül-le interessanter Beiträge zu aktuellen Themen. Sowohl der an einer Einarbeitung in die referierten Themen interessierte Leser als auch der langjährig auf dem Gebiet des Medizinrechts tätige Praktiker wird in dieser Festschrift Weiterführendes finden.

DOI: 10.1007/s00350-013-3566-2

Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte.

Herausgegeben von Alexander Ehlers. Verlag C. H. Beck, 2. Aufl. München 2013, 436 S., kart., € 79,00

In der Reihe „Medizinrecht“ des Verlages C. H. Beck ist die 2. Auf-lage des von Ehlers herausgegebenen Werkes zum Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte erschienen.

Bearbeitet ist das Disziplinarrecht von Praktikern, die als Richter (Hesral) oder Anwälte (Reinhold, Steinhilper, von Strachwitz-Helmstatt) tätig sind.

Im Vorwort heißt es zu Recht, dass sich die Rahmenbedingungen für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte verschärft und die gegen Ärzte eingeleiteten Disziplinarverfahren zugenommen haben. Anlass genug also, Betroffenen, Anwälten und Richtern einen weitgehend aktualisierten Leitfaden zur Verfügung zu stellen.

Im ersten Kapitel, bearbeitet von Hesral, wird der Leser an die gesetzlichen Grundlagen herangeführt. Sie betreffen die verfahrens-rechtliche und die materiell-rechtliche Seite des Disziplinarrechts. Gem. § 81 Abs. 5 SGB V haben die als autonomes Recht erlassenen Satzungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder zu bestimmen, die ihre ver-tragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Ausführlich beschäftigt sich Hesral mit den Problemen des Fristbe-ginns, die vor allem bei Plausibilitätsprüfungen und beim Fortset-zungszusammenhang auftauchen. Bei der Plausibilitätsprüfung will er die Kenntnis einer Verfehlung weit nach vorn verlegen, indem das Verteidigungsvorbringen des Arztes schon ein Bekanntsein der

VorsRiLSG a. D. Prof. Dr. iur. Volker Wahrendorf, Mülheim a. d. Ruhr, Deutschland

Rezensionen MedR (2014) 32: 69–70 69

Page 2: Alexander Ehlers (Hrsg.), Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte

Verfehlung bedeuten soll. Bei der Kenntnis gibt Hesral anders als das BSG die Richtung vor, dass es nicht nur auf die Kenntnis des antrags-berechtigten Vorstandes, sondern auf die gesamte KV ankommt, was meine Zustimmung findet.

Hilfreich ist die Bildung von Fallgruppen, in denen die wichtigs-ten vertragsärztlichen Pflichten und deren Verletzungen dargestellt werden. Hier finden sich auch Ausführungen zu Disziplinarmaßnah-men, die allgemeine berufs- und gesundheitspolitische Äußerungen und Betätigungen bei vertragsärztlicher Tätigkeit betreffen. Einen breiten Raum nehmen naturgemäß die Ausführungen zum dauern-den Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot ein.

Das Verhältnis von Berufsgerichten und Strafgerichten wird da-hin charakterisiert, dass die unterschiedlichen Zweckrichtungen ein Nebeneinander zulassen und es durchaus günstig sein kann, dass der Disziplinarausschuss im Hinblick auf ein Strafverfahren sein Verfah-ren aussetzt, um sich die nicht zu unterschätzenden präjudiziellen Wirkungen eines Strafurteils zunutze machen zu können.

Zu teilen ist die Auffassung Hesrals, dass Verstöße gegen Verfah-rens- und Formvorschriften im Gegensatz zu einer Entscheidung des LSG Nordrh.-Westf. aus dem Jahre 1996 als heilbar anzusehen sind. Diese Auffassung wird überzeugend mit einem Vergleich zu den Vor-schriften des förmlichen Verwaltungsverfahrens (§ 63 Abs. 2 VwVfG) begründet, die eine Heilung von Verfahrensmängeln zulassen.

Das 2. Kapitel zum Prozessrecht des Disziplinarverfahrens, be-arbeitet von Reinhold, will das sozialgerichtliche Verfahren syste-matisch unter Hervorhebung jener Besonderheiten darstellen, die sich in der gerichtlichen Auseinandersetzung um Disziplinarmaß-nahmen ergeben. Im prozessualen Teil wird weit ausgeholt. Von der Gerichtsverfassung über die einzelnen Sachurteilsvoraussetzungen und dem vorläufigen Rechtsschutz reichen die Ausführungen bis zu den Einzelheiten eines erstinstanzlichen Klageverfahrens. Rein-hold billigt der KV/KZV unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG eine Klagemöglichkeit gegen den Disziplinarausschuss zu, wo-hingegen meiner Meinung nach die besseren Argumente für einen nicht statthaften In-sich-Prozess sprechen. Die Systematisierung der die tatsächlichen Voraussetzungen betreffenden Prüftätigkeit ist in der Praxis, auch des Disziplinarausschusses, hilfreich. Das gilt auch für die bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen zu treffende Ermessensentscheidung. Die im Klageverfahren entstehenden Kos-ten werden ausführlich behandelt. Die Ausführungen schließen mit dem Berufungsverfahren und dem Revisionsverfahren ab. Deutlich wird gemacht, dass die Berufung in Disziplinarsachen nicht vom Beschwerdewert abhängig ist, weil selbst die Geldbuße keine Geld-leistung i. S. des § 144 SGG ist.

In Kapitel 3, Bearbeiter Hesral, stehen die Unterschiede und die Konkurrenz zwischen Disziplinar- und Zulassungsentziehungsver-fahren im Vordergrund. In der Tat sind Disziplinarmaßnahme und Entziehungsverfahren über den rechtsstaatlichen Verhältnismäßig-keitsgrundsatz miteinander verknüpft. Im Lichte des Art. 12 i. V. mit Art. 20 GG muss man über den Entzug der Statusentscheidung auch im Lichte des disziplinarrechtlich möglichen Ruhens der Zulassung entscheiden.

In Kapitel 4 zum Prozessrecht bei der Zulassungsentziehung, Be-arbeiter Reinhold, werden zunächst noch einmal im Einzelnen Ge-richtsverfassung, Klagesystem und die einzelnen Sachentscheidungs-voraussetzungen detailliert vorgestellt. Für die Praxis ein Gewinn ist die Darstellung des vorläufigen Rechtsschutzes. Das Kapitel wird durch eine eingehende Erläuterung eines erstinstanzlichen Verfah-rens abgeschlossen.

Das Disziplinarverfahren und das Entziehungsverfahren werden im 5. Kapitel von Steinhilper aus der Sicht der Kassenärztlichen Ver-einigungen betrachtet. Wie ein disziplinarischer Verstoß bekannt wird, kann auf vielfältige Art geschehen. Aber auch aus Gründen des Opportunitätsprinzips kann ein Disziplinarverfahren von Seiten der KV in Gang kommen. Wie schon im 1. Kapitel werden noch einmal die in einem Disziplinarverfahren zu ahndenden ärztlichen Pflichtverstöße genannt. Zutreffend geht Steinhilper auf die juristisch-professionelle versus ärztlich-kollegiale Leitung des Disziplinaraus-schusses ein. Die gerichtsähnliche Verhandlungsführung durch den Volljuristen stößt häufiger auf weniger Akzeptanz bei Ärzten, weil sie sich leicht als „Angeklagte“ fühlen. Im Hinblick auf die zu beach-tenden Verfahrensfragen stimme ich Steinhilper zu, dass die Verhand-lungsführung dennoch durch einen Juristen vorgenommen werden sollte.

Ruhen und Entziehung der Zulassung schließen das Kapitel ab.Im 6.Kapitel behandelt Gräfin von Strachwitz-Helmstatt anwaltliche

Strategien im Disziplinarverfahren. Auch sie geht auf das Verhält-nis zwischen dem Disziplinarverfahren und dem Verfahren über den

Entzug der Zulassung ein. In ihren Ausführungen spielen ebenfalls Kostenfragen und verfahrensrechtliches Vorgehen eine Rolle.

Der Leitfaden – als solcher versteht sich das Werk – beleuchtet die Probleme des Disziplinar- und Zulassungsrechts aus den verschiede-nen Blickwinkeln der jeweiligen Bearbeiter. Dieser Leitfaden wür-de gewinnen, wenn die einzelnen Kapitel besser aufeinander abge-stimmt wären, um Überschneidungen zu vermeiden.

Das Recht der anthroposophischen Medizin.

Von Rüdiger Zuck. Verlag Nomos, 2.  Aufl. Baden-Baden 2012, 267 S., kart., € 49,00

Die anthroposophische Medizin zählt neben der Phytotherapie und der Homöopathie zu den anerkannten besonderen Therapierichtun-gen i. S. des § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V. Von der Schulmedizin unterschei-det sie sich durch ein eigenständiges Therapiekonzept (mit eigenen Arznei- und Heilmitteln) und eine damit verbundene eigenständige Methodologie. Die Wirksamkeit der Untersuchungs- und Behand-lungsmethoden der anthroposophischen Medizin wird von schulme-dizinischer Seite überwiegend angezweifelt.

In seiner erstmals im Jahre 2007 erschienenen Schrift plädiert Rüdiger Zuck für den demokratischen Pluralismus i. S. einer zu ge-währleistenden Methodenpluralität. Ohne einen Anspruch auf Voll-ständigkeit zu erheben, stellt das Werk die gegenwärtige rechtliche Stellung der anthroposophischen Medizin dar. Darüber hinaus ist es dem Verfasser ein besonderes Anliegen, aufzuzeigen wie die anth-roposophische Medizin sich neben der Schulmedizin Geltung ver-schaffen kann.

Ausgehend von dem Selbstverständnis der anthroposophischen Me-dizin (2. Kap.) geht Zuck zunächst der in der Medizin umstrittenen, für die vertragsärztliche Versorgung aber zentralen Frage nach, wie die Wirksamkeit einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nachzuweisen ist (3. Kap.). Das Methodenverständnis der anthropo-sophischen Medizin beruht auf einer individuellen Wirksamkeitsbe-urteilung. Demgegenüber legt die Verfahrensordnung des Gemein-samen Bundesausschusses als Bewertungskriterium die Methoden der evidenzbasierten Medizin zugrunde. Weil eine Anerkennung der anthroposophischen Untersuchungs- und Behandlungsmetho-den durch den G-BA an diesen Vorgaben regelmäßig scheitern wird, erörtert der Verfasser die Voraussetzungen, unter denen eine „Nut-zenbewertung“ ausnahmsweise unabhängig von den Methoden der evidenzbasierten Medizin vorgenommen wird (Fall des Systemman-gels und des § 2 Abs. 1a SGB V). Letztlich aber ist Zuck der Ansicht, dass die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der anerkann-ten besonderen Therapierichtungen gar nicht auf eine Anerkennung durch den G-BA angewiesen sind; sie seien ihrerseits Standard und deshalb nicht „neu“ i. S. des SGB V. Nachdrücklich gefordert wird konsequenterweise eine Gleichsetzung der Erkenntnismethoden der anerkannten besonderen Therapierichtungen mit denen der Schul-medizin. Im Sinne der Theorie der Binnenanerkennung habe die an-throposophische Medizin selbst zu entscheiden, welche Therapien als Standard in Betracht kommen. Im Verhältnis zur Schulmedizin dürfe sich die anthroposophische Medizin nicht unterordnen (4. Kap.), sie stehe vielmehr gleichberechtigt neben der Schulmedizin.

Dieses Recht auf Gleichberechtigung leitet Zuck unter ausführli-cher Darstellung der die anthroposophische Medizin berührenden rechtlichen Regelungen her. Über die Menschenrechte (5. Kap.) und das Europäische Gemeinschaftsrecht (6. Kap.) gelangt er schließlich zum deutschen Recht (7. Kap.), dem die primäre Verantwortung für das Gesundheitswesen und seine sozialen Sicherungssysteme obliegt. Es wird dargelegt, inwiefern die Gleichsetzung mit der Schulmedizin i. S. einer gesetzgeberischen Anerkennung der besonderen Therapie-richtungen nicht nur verfassungsrechtlich geboten ist (insbes. durch die ärztliche Therapiefreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, und die Patienten-autonomie, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG), sondern vom deutschen Gesetzgeber auch tatsächlich einfachrechtlich umgesetzt worden ist. Dieser deutsche Standard dürfe auch nicht auf EU-Ebene unterschritten werden (8. Kap.).

Katrin Schumacher, Institut für Medizinrecht, Universität zu Köln, Deutschland

Rezensionen70 MedR (2014) 32: 70–71