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42 Ein Gespräch Nach mühevoller Bauzeit und manch zähem Ringen mit der kirchlichen Admi- nistration wird das Benediktiner-Kloster Le Barroux in der Provence im Jahr 1989 zur Abtei erhoben. Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer. Mit der Konsekration der Abteikirche am 2.Oktober 1989 durch Kardinal Gagnon findet die Geschichte der jungen Grün- dung ihren bisherigen Höhepunkt. Zu dieser Zeit zählt die Kommunität über fünfzig Mönche, darunter fünfzehn Priester und ebensoviele Novizen. Das Durchschnittsalter der Mönche beträgt dreißig bis fünfunddreißig Jahre. Die Berufungen kommen aus Frankreich, den USA, der Schweiz, aus Belgien, Spa- nien, Kanada, England, Schweden und Brasilien. Bis zum gegenwärtigen Zeit- punkt soll die Gemeinschaft auf über sechzig Mönche anwachsen, so daß die Abtei beinahe zu klein ist, um alle Po- stulanten aufzunehmen. Aber nicht nur das monastische Le- ben blüht in der jungen Gründung. Auch nach außen strahlt das Apostolat der benediktinischen Tradition - aber nicht nur praktische Seelsorge, sondern - gleich den Benediktinermissionaren, die im 6.Jahrhundert nach England entsandt wurden - allein durch die Strahlkraft des kontemplativen Lebens, die seit jeher die Stärke der Benediktiner ist, die dem Erbe des hl. Benedikt treu sind. Die Schönheit des liturgischen Of- fiziums, die Zeitlosigkeit in der Form seiner Verrichtung und der spürbare Atem der ungebrochenen kirchlichen Tradition sind es, die die Anziehungs- kraft der Abtei ausmachen. Seit 1990 haben die Kardinäle Stickler, Gagnon und die Bischöfe Defois, Séguy, Lagrange, Brincard und Guillaume in Le Barroux Weihen im tridentinischen Ritus gespendet. Im September 1995 besuchte Kardinal Ratzinger die Abtei und bekundete gegenüber der Kom- munität seine große Anerkennung ihrer Traditionsverbundenheit. Jedem, dem es um den Erhalt der ka- tholischen Kirche ernst ist, sollte be- herzigen, daß nur durch konsequentes Festhalten an der Tradition die Litur- gie im Geist und in der Wahrheit er- neuert werden kann. Allein darin liegt die Chance, der heillosen Verfahrenheit der heutigen Welt wirksam entgegen- zutreten. Hochwürdigster Vater Abt, mit der Gründung der Abtei Sainte- Madeleine haben Sie nicht nur ein Werk benediktinischer Nachfolge begonnnen, sondern auch durch die besondere Wertschätzung und Pflege der überlieferten Liturgie der Kirche in ihrem originären rö- mischen Ritus einen Ort wahrer li- turgischer Erneuerung geschaffen. Welche Gründe bewegen Sie zu ih- rem unbedingten Festhalten an der „alten“ Messe? „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ Ein Gespräch (1997) mit Dom Gérard Calvet OSB, dem ersten Abt des Klosters St. Madeleine in Le Barroux (Südfrankreich) Abdruck mit freundlicher Genehmigung der „Sinfonia Sacra – Gesellschaft zur Förderung katholischer Kirchenmusik“

„Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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Page 1: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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Ein Gespraumlch

Nach muumlhevoller Bauzeit und manch zaumlhem Ringen mit der kirchlichen Admi-nistration wird das Benediktiner-Kloster Le Barroux in der Provence im Jahr 1989 zur Abtei erhoben Dom Geacuterard Calvet empfaumlngt am 2 Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Haumlnden von Kardinal Mayer Mit der Konsekration der Abteikirche am 2Oktober 1989 durch Kardinal Gagnon findet die Geschichte der jungen Gruumln-dung ihren bisherigen Houmlhepunkt Zu dieser Zeit zaumlhlt die Kommunitaumlt uumlber fuumlnfzig Moumlnche darunter fuumlnfzehn Priester und ebensoviele Novizen Das Durchschnittsalter der Moumlnche betraumlgt dreiszligig bis fuumlnfunddreiszligig Jahre Die Berufungen kommen aus Frankreich den USA der Schweiz aus Belgien Spa-nien Kanada England Schweden und Brasilien Bis zum gegenwaumlrtigen Zeit-punkt soll die Gemeinschaft auf uumlber sechzig Moumlnche anwachsen so daszlig die Abtei beinahe zu klein ist um alle Po-stulanten aufzunehmenAber nicht nur das monastische Le-ben bluumlht in der jungen Gruumlndung

Auch nach auszligen strahlt das Apostolat der benediktinischen Tradition - aber nicht nur praktische Seelsorge sondern - gleich den Benediktinermissionaren die im 6Jahrhundert nach England entsandt wurden - allein durch die Strahlkraft des kontemplativen Lebens die seit jeher die Staumlrke der Benediktiner ist die dem Erbe des hl Benedikt treu sind Die Schoumlnheit des liturgischen Of-fiziums die Zeitlosigkeit in der Form seiner Verrichtung und der spuumlrbare Atem der ungebrochenen kirchlichen Tradition sind es die die Anziehungs-kraft der Abtei ausmachenSeit 1990 haben die Kardinaumlle Stickler Gagnon und die Bischoumlfe Defois Seacuteguy Lagrange Brincard und Guillaume in Le Barroux Weihen im tridentinischen Ritus gespendet Im September 1995 besuchte Kardinal Ratzinger die Abtei und bekundete gegenuumlber der Kom-munitaumlt seine groszlige Anerkennung ihrer TraditionsverbundenheitJedem dem es um den Erhalt der ka-tholischen Kirche ernst ist sollte be-herzigen daszlig nur durch konsequentes Festhalten an der Tradition die Litur-gie im Geist und in der Wahrheit er-

neuert werden kann Allein darin liegt die Chance der heillosen Verfahrenheit der heutigen Welt wirksam entgegen-zutreten

Hochwuumlrdigster Vater Abt mit der Gruumlndung der Abtei Sainte-Madeleine haben Sie nicht nur ein Werk benediktinischer Nachfolge begonnnen sondern auch durch die besondere Wertschaumltzung und Pflege der uumlberlieferten Liturgie der Kirche in ihrem originaumlren rouml-mischen Ritus einen Ort wahrer li-turgischer Erneuerung geschaffen Welche Gruumlnde bewegen Sie zu ih-rem unbedingten Festhalten an der bdquoaltenldquo Messe

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

Ein Gespraumlch (1997) mit Dom Geacuterard Calvet OSB dem ersten Abt des Klosters St Madeleine in Le Barroux (Suumldfrankreich)Abdruck mit freundlicher Genehmigung der bdquoSinfonia Sacra ndash Gesellschaft zur Foumlrderung katholischer Kirchenmusikldquo

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Weder Nostalgie noch systematische Opposition gegen jegliche homoge-ne und fortdauernde liturgische Ent-wicklung lassen uns auch weiterhin diesem klassischen roumlmischen Ritus wie ihn Kardinal Ratzinger angemes-sen bezeichnet verbunden fuumlhlen Der Begriff bdquoalteldquo Messe ist irrefuumlh-rend der klassische roumlmische Ritus ist so jung wie die Braut Christi Dieser Ritus paszligt auch zur heutigen Zeit Die Gruumlnde fuumlr unser Festhalten an die-sen liturgischen Formen sind

bull Zuerst eine tiefe Dankbarkeit die-ser Ritus ist das wertvolle Erbe ei-ner langen Tradition Die Apostel selbst haben um mit dem hl Am-brosius zu sprechen an seiner Ent-stehung mitgewirkt seine Vollen-dung erlangte er unter den heiligen Paumlpsten Damasus im 4 Jahrhundert und Gregor dem Groszligen im 6Jahr-hundert Seine Gestalt verbindet uns mit dem lebendigen Glauben der ersten christlichen Jahrhunder-te und bdquoverlaumlngert so die Vergan-genheit in die Gegenwart wie die Wurzeln sich in die Baumlume verlaumln-gernldquo wie Gustave Thibon sagt

bull Weiter ihr lehrmaumlszligiger Reichtum in unserer Zeit theologischer Un-klarheit bringen die Exaktheit des Lateins und die Praumlzision der Ge-sten auf vollkommene Weisen drei wichtige Punkte zum Ausdruck den Opfercharakter der Messe - be-sonders die Opferungsgebete he-ben den Suumlhnecharakter des Opfers deutlich hervor - das Wunder der Realpraumlsenz das durch alle Ge-sten der Anbetung und Verehrung und die Mundkommunion deutlich

gemacht wird sowie den hierar-chischen Aspekt des priesterlichen Dienstes im Verlauf der Zelebration der die priesterlichen Handlungen von den Handlungen der Glaumlubi-gen unterscheidet Dieser Ritus in seinem Aufbau und seinem Vollzug ist eine Verkuumlndi-gung des katholi-schen Glaubens er druumlckt den Glau-ben aus er lehrt ihn er schaumlrft ihn ein er hebt ihn in vollkommener Weise hervor

bull Schlieszliglich geist-liche Gruumlnde das heilige Schweigen waumlhrend des Ka-nons bdquodas eine wirklich tiefe per-soumlnliche Teilnah-me erlaubt indem es uns das inner-liche Anhoumlren des Wortes des Herrn ermoumlglichtldquo wie Kardinal Ratzinger bemerkt die Gebetsostung das heiszligt die gemeinsame Ausrichtung von Priester und Volk zum Herrn hin der der Ursprung und das Zen-trum aller liturgischen Handlungen ist der Gebrauch einer Sakralspra-che die die Einheit im Glauben in Zeit und Raum foumlrdert da sich Voumllker verschiedener Sprachen zu einem gemeinsamen Gotteslob zusammenschlieszligen koumlnnen die Reinheit des Gregorianischen Cho-rals sowie die ehrfuumlrchtige Haltung des Zelebranten machen unsere Liturgie zu einer hohen Schule der Kontemplation und des spirituellen

Lebens Deshalb wohnen zahlrei-che Jugendliche unseren Offizien bei treten in unsere Klosterfamilie ein weil sie sich nach dem fruumlhe-ren Meszlig ri tus sehnen nach einem Ritus den sie in jungen Jahren nie erlebt haben

bull Ich moumlchte einen letzten Grund hinzufuumlgen der Sie vielleicht uumlber-raschen wird dieses Festhalten am klassischen roumlmischen Ritus kann eine gesunde Oumlkumene foumlrdern Zu einer Zeit da der Heilige Va ter Europa einlaumldt mit beiden Lungen-fluumlgeln zu atmen dem lateinischen Abendland und dem griechisch- slawischen Orient darf ich Tatjana Goritschewa aus ihrem Reisetage-buch zitieren die zum Abschluszlig ei-nes Besuches in Le Barroux zum er-sten Mal in ihrem Leben dem fruumlhe-ren lateinischen Meszligritus beiwohn-te bdquoGuter Gott das habe ich gar nicht gewuszligt daszlig es im Westen eine solche

Liturgie in St Madeleine (Le Barroux)

Das heilige Schweigen waumlhrend des Kanonserlaubt eine wirklich tiefe persoumlnliche Teilnahmeindem es uns das innerliche Anhoumlren des Wortes des Herrn ermoumlglicht

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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Meszligfeier gibt Fuumllle Feinheit Ernst-haftigkeit Geheimnis Licht Erneue-rung - ja das ist ebenso wie unsere orthodoxe Liturgiefeier auch Sie kam aus dem himmlischen Jerusalem zu uns Wir hatten uns verspaumltet waren gerade angekommen und konnten so nur noch die letzten Minuten des Gottesdienstes miterleben Und die-se wenigen Minuten genuumlgten mich mit voumlllig neuem Leben zu erfuumlllen Wie lange schon bin ich auf der Suche nach aumlhnlicher kraumlftiger Speiseldquo

In der Tat wer Ihre Abtei besucht und an den Liturgien der Kommu-nitaumlt teilnimmt ist sofort umfangen von einer Atmosphaumlre der Sakrali-taumlt und Wuumlrde die die Transzendenz geradezu spuumlrbar werden laumlszligt Dies liegt nicht zuletzt an Ihrer Treue ge-genuumlber dem Ritus der Liturgie der die Personen der Feiernden in den Hintergrund ruumlckt und das Goumlttli-che aufscheinen laumlszligt Dem entge-gengesetzt wird heute von Flexibi-litaumlt und Situationsbezogenheit der liturgischen Formen gesprochen Was sagen Sie zur Frage nach der Bedeutung und Notwendigkeit ei-nes festen Ritus

Es ist gerade das Vergessen der goumltt-lichen Transzendenz das die Welt in eine dramatische Lage versetzt hat Die gegenwaumlrtige Welt stirbt am Ver-loumlschen des Uumlbernatuumlrlichen Kult um den Menschen Hypertrophie des Sozialen Durchsetzung des Ichs Wer kann da behaupten daszlig die-ser Naturalismus nicht in die Art und Weise des Betens des modernen Menschen eingedrungen ist Der

Naturalismus erscheint auf verschie-denste Art als Lust auf Neuheit und Anpassung als Eindringen populaumlrer Musik und der Volkssprachen als Un-kultur die das ewige Beten der Braut

Christi in der Flut der Tagesmoden ertraumlnkt als eine Form von Kreativi-taumlt schlieszliglich die eine subtile Form menschlichen Hochmuts darstellt Zusammenfassend kann man sagen Der moderne Mensch gibt der Versu-chung nach die Religion dem Men-schen anzupassen statt wie es die Kirche seit Jahrhunderten versucht die Menschen der Religion Wenn wir diesen naturalistischen Tendenzen entschlossen den Ruumlcken kehren wird es uns leicht fallen festzustellen daszlig ein fester liturgischer Ausdruck - weil er aus seinem Wesen und seiner Berufung heraus die Moden und Ta-geserscheinungen transzendiert - ge-nau zu dem paszligt was der Mensch an

Wesentlichstem und Tiefstem in sich traumlgt den Zug zum Sakralen hin den Durst nach Anbetung Was nie zu Gott hinaufkommt wird nie zu den Men-schen hinabsteigen bdquoWer von der

Erde stammt ist irdisch und irdisch ist auch seine Spracheldquo (Joh 331) Die liturgische Ausdrucksweise muszlig von Gott kommen wenn wir wollen daszlig sie uns zu ihm fuumlhrtErlauben Sie mir daszlig ich im folgen-den den Liturgiker Dom Botte zitiere bdquoSeien wir den Leuten des Mittelalters dafuumlr dankbar daszlig sie uns den rouml-mischen Kanon in seiner Reinheit auf-bewahrt haben und daszlig sie weder ihre persoumlnlichen Gefuumlhlsaumluszligerungen noch ihre theologischen Ideen darin einge-fuumlhrt haben Was fuumlr einen gemischten Salat haumltten wir heute wenn man jeder Generation erlaubt haumltte den Meszligka-non den theologischen Kontroversen oder neuen Froumlmmigkeitsformen anzu-

Altarinzens waumlhrend des Magnificat (Vesper)

Der moderne Mensch gibt der Versuchung nach die Religion dem Menschen anzupassen statt wie es die Kirche seit Jahrhunderten versucht die Menschen der ReligionDie liturgische Ausdrucksweise muszlig von Gott kommen wenn wir wollen daszlig sie uns zu ihm fuumlhrt

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passen Es ist zu wuumlnschen daszlig der ge-sunde Menschenverstand dieser Leute uumlbernommen wird die verstanden ha-ben daszlig der Meszligkanon fuumlr sie keinen Uumlbungsplatz darstellt Er war in ihren Augen der Ausdruck einer ehrwuumlrdigen Tradition und sie fuumlhlten daszlig man an ihm nicht ruumlhren konnte ohne Miszlig-staumlnden aller Art Tuumlr und Tor zu oumlffnenldquo Die heilige Kirche mit ihrem uumlberna-tuumlrlichen Sinn fuumlr die menschliche Seele und ihren wahren und tiefen Beduumlrfnissen sowie fuumlr das Mysteri-um Gottes hat gewuszligt unseren Lip-pen Gebetsformeln Melodien und Hymnen zu geben die uns vor dem Subjektivismus schuumltzen der oft nur ein Ausdruck der Vergoumlttlichung des Ichs ist Die Unflexibilitaumlt des liturgi-schen Gebets weit davon entfernt ein Halseisen zu sein bildet das Prin-zip einer groszligen inneren Freiheit und stellt einen Ehrenerweis an Gottes Transzendenz dar Die Unterwerfung unter ein Gesetz ist nicht nur eine Be-dingung fuumlr Kontinuitaumlt und fuumlr Treue eines Werkes zu sich selbst Sie ist nicht nur ein Schutz des Werkes vor der allen Dingen aneignenden Nei-gung zur Aufloumlsung Sie ist das Bild des Ewigen

Wer in der gegenwaumlrtigen Krise der Liturgie den Aspekt der Schoumlnheit betont muszlig sich aus dem Lager der Progressisten oft den Vorwurf der Weltfremdheit gefallen lassen Aber auch viele Traditionalisten aumlu-szligern in diesem Falle Bedenken und warnen vor der Gefahr des Aumlstheti-zismus Welche Bedeutung hat Ihrer Auffassung nach die Schoumlnheit der Liturgie

Die Schoumlnheit der sakralen Riten er-hebt die Seelen indem sie auf sie eine zarte Anziehungskraft zum Himmel ausuumlbt Die echte Tradition ist nicht trist Unsere sonntaumlglichen kloumlsterli-chen Gottesdienste die zwei Stunden dauern beweisen es niemand we-der Kinder noch Jugendliche zeigen Ungeduld Warum Der Religionshi-storiker Mc Nabb gibt die Antwort Er bemerkt daszlig man in der Kirche durch zwei Tuumlren eintritt durch die Tuumlr der Einsicht und die Tuumlr der Schoumlnheit Die enge Tuumlre sagt er das ist die-jenige der Einsicht Sie oumlffnet sich den Intellektuellen und den Wissen-schaftlern Die breiteste ist diejenige der Schoumlnheit Der Kuumlnstler Henri Charlier der 1975 verstorben ist fuumlhrt im selben Sinne aus bdquoMan sollte die Il-lusion verlieren daszlig die Wahrheit sich mit Erfolg mitteilen kann ohne den Glanz der ihr so natuumlrlich ist und den man das Schoumlne nenntldquo Ich wuumlrde so-gar sagen die Schoumlnheit umrahmt die Wahrheit Die Wahrheit der Dog-men wird haumlufiger verraten infolge ei-

ner Verkuumlmmerung des Sinns fuumlr die Schoumlnheit als durch rein verstandes- maumlszligige Irrtuumlmer Die Kirche in ihrem unergruumlndlichen Geheimnis als Braut Christi als Kyrios der Glorie benoumltigt auf Erden eine fuumlr alle zugaumlngliche Epiphanie das ist die Herrlichkeit ihrer Gotteshaumluser der Glanz ihrer Liturgie und die An-mut ihrer Gesaumlnge Die Liturgie ver-dient es Glanz des Wahren genannt zu werden sie oumlffnet den Kleinen wie den Groszligen die Schaumltze ihrer Herr-lichkeit die Schoumlnheit der Psalmen die sakralen Gesaumlnge und Texte das Licht die Harmonie der Bewegungen die Wuumlrde der Haltung Mit einer un-vergeszliglichen Kunst uumlbt die Liturgie einen echten anziehenden Reiz auf die Seelen aus die sie direkt be-ruumlhrt sogar bevor sie die geistigen Energien in Bewegung setzt Die Li-turgie aber ist eine feine Kunst sehr weit entfernt von einer gewissen postkonziliaren liturgischen Praxis bdquodie so undurchsichtig und so langwei-lig durch ihren Hang zum Banalen und Mittelmaumlszligigen ist daszlig e einen nur noch

Feierliche Ostervesper im Londoner Oratorium

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schaudertldquo wie Kardinal Ratzinger in seinem Buch bdquoZur Lage des Glaubensldquo formuliert Einige Worte zur Feierlichkeit Man sollte sie vor allem nicht mit der Etikette verwechseln Die Feierlich-keit der Riten bedeutet keine schwe-re Last sie will durch ihre Transparenz Ausdruck des Glanzes des Uumlberna-tuumlrlichen sein Jede sakrale Liturgie tendiert auf einer gewissen Houmlhe an-hand eines Rituals dazu uns aus dem Banalen und Alltaumlglichen herauszu-holen nicht zu einem aumlsthetischen Zweck sondern um den Glaumlubigen nahezulegen daszlig die Handlung die vor ihren Augen vollzogen wird von Gott kommt Die Herrlichkeit der liturgischen Entfaltung verfolgt kein anderes Ziel sie weist darauf hin daszlig etwas Goumlttliches hereinbricht um die Erde zu beruumlhren Der hl Gregor der Groszlige der benediktinische Papst des 6 Jahrhunderts hat es in seinen Dia-logen geschrieben bdquoIn der Stunde des Opfers oumlffnet sich der Himmel wenn der Priester spricht In diesem Geheim-nis Jesu Christi sind die Choumlre der Engel anwesend Was oben ist vereinigt sich mit dem dem was unten ist Himmel und Erde vereinigen sich das Sicht-bare und das Unsichtbare sind nun eins gewordenldquo Die Feierlichkeit des Gottesdienstes ist integraler Bestandteil der katholi-schen Liturgie und soll als ein Element ihrer eigenen Botschaft gepflegt wer-den unter der Bedingung jedoch daszlig diese Feierlichkeit nicht ins Pom-poumlse oder Manieristische abgleitet Der groumlszligte Erfolg des Ornamentes ist so vollkommen zu sein daszlig man es ganz vergessen kann Die An-

haumlufung von Gemaumllden Stuckarbeit und Ornamentik im Tempel allein schafft noch keine Harmonie eben-sowenig wie im Gottesdienst der Redefluszlig Dort brauchen wir Genau-igkeit und Zuruumlckhaltung die unsere Vorfahren Anstand beziehungsweise Dezenz nannten decere - sagen was notwendig ist und geziemend Somit ist die Liturgie das Vorbild der Kunst Schoumlnheit in der Liturgie ist kein Lu-xus sie ist selbst die Vorbedingung fuumlr deren Existenz Die Liturgie lei-stet mehr als uns die Schoumlnheit der himmlischen Heimat zu beschreiben Sie oumlffnet uns die Tore des Himmelrei-ches Der Mensch tritt dort hinein mit seinem Koumlrper und seiner Seele Se-hen houmlren Riechen alles spricht zu ihm von Gott Unser Herr selbst gab das Beispiel einer Erziehung durch die Schoumlnheit die Gleichnisse sind

Dichtungen von zeitloser Schoumlnheit und bewundernswerter Lauterkeit bdquoBetrachtet die Lilien der Felder und die Voumlgel des Himmelsldquo

Von vielen Liturgieprofessoren hin- gegen houmlrt man heute daszlig der Mensch und seine Probleme die Ge-stalt der Liturgie bestimmen muumls-sen Wie stehen Sie zu dieser These

Ich weise diese These die nicht neu ist voumlllig zuruumlck Schon 1975 mahnte Kardinal Ratzinger bdquoDaher muszlig weit entschiedener als es bisher geschehen ist rationalistischer Verflachung ge-schwaumltzigem Zerreden und pastoraler Infantilitaumlt entgegengetreten wer-den die die Liturgie zum Gemeinde-kraumlnzchen degradiert und sie auf Bild-Zeitungs-Verstaumlndlichkeit herunter-schrauben will Auch die geschehenen

Himmlische Liturgie Ioannis spaumltes 17 Jahrh (Byzantinisch-christliches Museum in Athen)

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Reformen besonders im Bereich der Rituale werden unter solchen Gesichts-punkten uumlberpruumlft werden muumlssen ldquo Die bdquoKreativitaumltldquo sagt Kardinal Ratzin-ger in dem Buch bdquoZur Lage des Glau-bensldquo hat bdquodie Liturgie in den Strudel des sbquoDo-it-yourselfrsquo hineingezogen und sie banalisiert weil man sie unserer Mittelmaumlszligigkeit angepaszligt hatldquo Zudem moumlchten einige Liturgieprofessoren eine erneute Anpassung weil sie mei-nen daszlig der Mensch und seine au-genblicklichen Probleme die Form der Liturgie bestimmen muumlssen Kardinal Ratzinger dagegen stellt uumlberzeugend fest daszlig die heute wirklich verbreitete Forderung nicht die nach einer saumlkularisierten Liturgie sei sondern im Gegenteil nach einer neuen Begegnung mit dem Sakralen durch einen Kult der die Gegenwart des Ewigen wiedererkennen lasse Fuumlrchten wir uns vor der Art von Ani-mateuren die sich einmischen um Neues in die Meszligfeier zu bringen nur um sie angeblich attraktiver machen zu wollen Kardinal Ratzinger stellt fest daszlig Liturgie keine Show sei kein Schauspiel fuumlr das geniale Regisseu-re und talentierte Schauspieler nouml-tig seien Die Liturgie lebe nicht von bdquoangenehmenldquo Uumlberraschungen von bdquogewinnendenldquo Einfaumlllen sondern von feierlichen Wiederholungen Sie koumlnne nicht Ausdruck des Aktuellen und seiner Vergaumlnglichkeit sein son-dern sie sei Ausdruck des Mysteri-ums des Heiligen So wird die Liturgie der Kirche die Definition realisieren die Dom Gueacuteranger for muliert bdquoDie Liturgie ist die Gesamtheit der Symbole der Gesaumlnge der Akte durch die die Kir-che ihre Religion gegenuumlber Gott aus-

druumlckt und kundtutldquo Diese Definition ist vergleichbar mit der von Papst Pius XII in seinem Rundschreiben bdquoMediator Deildquo die die koumlnigliche und priesterliche Rolle Christi bei jedem liturgischen Akt beleuchtet bdquoDie Li-turgie als Ganzes bildet deshalb den oumlffentlichen Kult den unser Erloumlser das Haupt der Kirche dem himmlischen Vater erweist Sie stellt den gesamten oumlffentlichen Kult des mystischen Leibes Jesu Christi dar seines Hauptes naumlm-lich und seiner Gliederldquo Diese beiden Definitionen lassen sich vereinen und in einer Kurzformel zusammenfassen die die braumlutliche Verbindung Christi mit seiner Kirche hervorhebt die Li-turgie ist der Gesang des Braumlutigams und der Braut

Von daher kann ja die Liturgie auch nur dann eine Schule christlicher Erziehung sein wenn sie die Heiligkeit Gottes abbildet Der Mensch unserer Tage aber der in der Regel von der Mediengesellschaft gepraumlgt wird ist manchmal nur schwer in der Lage die Schaumltze der Liturgie zu entdecken Wie kann man diesem Problem begegnen und wie muszlig heute eine Hinfuumlhrung zur Liturgie aussehen

Eine Hinfuumlhrung zur Liturgie muszlig nach zwei Methoden der Annaumlhe-rung geschehen Zuerst Den techni-sierten Barbaren der modernen Welt soll man sich mit der Geduld eines Raubtierjaumlgers naumlhern Man erweckt nicht gleich beim ersten Mal den Sinn fuumlr das Sakrale bei denjenigen die die Massenmedien manchmal hoff-nungslos im Geist deformiert haben

Daher muszlig man zuerst in das Schwei-gen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man ge-horcht bdquoDie Liturgieldquo sagt Mircea Elia-de bdquoist der Feind aller Improvisationldquo Dann Den ausgebildeten Glaumlubigen die einen festen Glauben haben aber mit dem Geist der Liturgie wenig ver-traut sind soll man die Symbolik der Gesten und Worte erklaumlren um auf-zuzeigen wie der Ritus den Glauben schult ihn beleuchtet ihn bereichert indem er der Seele den Sinn fuumlr die Anbetung erschlieszligt Die liturgische Bildung erwaumlchst aus der religioumlsen Bildung Man muszlig heute diesbe-zuumlglich ganz von vorne anfangen - in

der Familie im Freundeskreis - Zirkel bilden Magnetfelder des lebendigen Beispiels schaffen

Selbst bei Katholiken die noch den Glauben der Kirche vertreten herrscht manchmal die Meinung

Kardinal Ratzinger im Gespraumlch mit Dom Gerard

Man muszlig zuerst in das Schweigen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man gehorchtbdquoDie Liturgie ist der Feind aller Improvisationldquo

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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vor die Wahrheit der Dogmen sei unabhaumlngig von der Form wie sie in der Liturgie gefeiert werden So findet man beispielsweise auch bei rechtglaumlubigen Jugendbewegun-gen in Deutsch land die Verwen-dung von sogenanntem bdquoSacro-Popldquo in der Liturgie Warum und in welcher Weise muszlig der katholische Glaube die Form der Liturgie be-stimmen

Form und Inhalt bedingen und prauml-gen einander ob bewuszligt oder un-bewuszligt Deshalb gilt das alte Prinzip bdquoLex orandi lex credendildquo oder bdquoLe-gem credendi lex statuat supplican-dildquo das heiszligt das Gesetz des Ge-bets stellt das Gesetz des Glaubens fest und gliedert es die Kirche glaubt so wie sie betet Das Konzil hat in Artikel 59 der Liturgiekonstitution richtig bemerkt daszlig die Sakramente auf die Heiligung der Menschen hin-geordnet sind auf den Aufbau des Leibes Christi und schlieszliglich auf die Gott geschuldete Verehrung als Zeichen haben sie auch die Aufga-be der Unterweisung Den Glauben setzen sie nicht nur voraus sondern durch Wort und Ding naumlhren sie ihn auch staumlrken ihn und zeigen ihn an Ein Beispiel Hier ist ein Ehepaar das der sonntaumlglichen Pflicht zum Besuch der Heiligen Messe nicht mehr Folge leistet trotzdem moumlchten sie ihr Kind taufen lassen Der alte Taufritus - un-ter anderem mit den so zahlreichen eindrucksvollen Exorzismen - ist fuumlr sie ein Stuumlck lebendiger Theologie Eine Messe im klassischen roumlmi-

schen Ritus anlaumlszliglich einer Hochzeit oder eines Begraumlbnisses erweckt den Glauben an die Realpraumlsenz besser als einige Katechismusseiten Ein weiteres Beispiel Die Kirche Christi Braut und Leib ist die diffe-renzierteste strukturierteste hierar-chischste Gesellschaft die es gibt Welches Handbuch aber welche di-daktische Erklaumlrung wird uns die Ein-sicht in das Mysterium Ecclesiae er-schlieszligen Keine nur jenes lebendige Geheimnis das die liturgische Hand-lung vor unseren Augen entfaltet Der Vater Abt von Bec Helluin berichtet wie am Ende einer Pontifikalmes-se in den fuumlnfziger Jahren der auch protestantische Pastoumlre beiwohnten einer in einem Anfall von Begeiste-rung erschuumlttert ausgerufen habe bdquoIch habe die Kirche gesehenldquo Die geheimnisvolle Ursache fuumlr diesen ekstatischen Schrei ist nirgendwo an-ders zu suchen als in unserer Feier des Offiziums in ihrem Strom der voll ist von Religioumlsitaumlt von Gesaumlngen Wohl-geruumlchen erhabenen Formeln und Riten und der vom Altar durch die Diakone Subdiakone und alle ande-ren Ministranten herabflieszligt um im Kirchenschiff die Gemeinschaft der Glaumlubigen zu erfassen echte Akteure des liturgischen Dramas

Ein besonders gefaumlhrdetes Gebiet in der liturgischen Verwirrung un-serer Tage ist das der liturgischen Musik Welchen Stellenwert mes-sen Sie grundsaumltzlich der Musik im Hinblick auf die Liturgie bei

Der Vollzug der heiligen Liturgie draumlngt ihrer Natur nach zur Verklang-lichung weil die Liturgie vor allem Gesang des Himmels ist Als Kaiser Karl der Groszlige eines Tages seinen Minister Alkuin fragte bdquoSage mir was ist die Liturgieldquo da erhielt er die Ant-wort bdquoDie Liturgie das ist die Freude Gottesldquo Denn in der Heiligsten Drei-faltigkeit laumlszligt das Hin- und Zuruumlck-stroumlmen der Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater den geheimnisvollen Gesang der goumlttli-chen Gluumlckseligkeit aufsteigen bdquoDie ewige Zeugung des Wortes das ist der Lobgesang des sbquoOpus Deirsquo schlecht-hinldquo sagt Dom Romain Banquet Mit diesem unaussprechlichen Gesang vereinen sich die Auserwaumlhlten im Himmel in einem ununterbrochenen Lobpreis wie wir in der Geheimen Offenbarung des Johannes lesen bdquoDanach sah ich eine groszlige Schar aus allen Nationen und Staumlmmen Voumllkern und Sprachen niemand konnte sie zaumlh-len Sie standen in weiszligen Gewaumlndern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Haumlnden Sie riefen mit lauter Stimme Das Heil kommt von unserem Gott der auf dem Thron sitzt und von dem Lamm Und alle Engel standen rings um den Thron um die Aumlltesten und die vier Lebewesen Sie warfen sich vor dem Thron nieder beteten Gott an und sprachen Amen Lob und Herrlichkeit Weisheit und Dank Ehre und Macht und Staumlrke unse-rem Gott in alle Ewigkeitldquo (Apk 7 9-12) Die Liturgie der Erde ist keine andere als die des Himmels denn der Mysti-sche Leib Christi vereint die Kirche

Pontifikalamt in St Kunibert Koumlln (PMT-Hauptversammlung 2013)

49Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

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liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 2: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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Weder Nostalgie noch systematische Opposition gegen jegliche homoge-ne und fortdauernde liturgische Ent-wicklung lassen uns auch weiterhin diesem klassischen roumlmischen Ritus wie ihn Kardinal Ratzinger angemes-sen bezeichnet verbunden fuumlhlen Der Begriff bdquoalteldquo Messe ist irrefuumlh-rend der klassische roumlmische Ritus ist so jung wie die Braut Christi Dieser Ritus paszligt auch zur heutigen Zeit Die Gruumlnde fuumlr unser Festhalten an die-sen liturgischen Formen sind

bull Zuerst eine tiefe Dankbarkeit die-ser Ritus ist das wertvolle Erbe ei-ner langen Tradition Die Apostel selbst haben um mit dem hl Am-brosius zu sprechen an seiner Ent-stehung mitgewirkt seine Vollen-dung erlangte er unter den heiligen Paumlpsten Damasus im 4 Jahrhundert und Gregor dem Groszligen im 6Jahr-hundert Seine Gestalt verbindet uns mit dem lebendigen Glauben der ersten christlichen Jahrhunder-te und bdquoverlaumlngert so die Vergan-genheit in die Gegenwart wie die Wurzeln sich in die Baumlume verlaumln-gernldquo wie Gustave Thibon sagt

bull Weiter ihr lehrmaumlszligiger Reichtum in unserer Zeit theologischer Un-klarheit bringen die Exaktheit des Lateins und die Praumlzision der Ge-sten auf vollkommene Weisen drei wichtige Punkte zum Ausdruck den Opfercharakter der Messe - be-sonders die Opferungsgebete he-ben den Suumlhnecharakter des Opfers deutlich hervor - das Wunder der Realpraumlsenz das durch alle Ge-sten der Anbetung und Verehrung und die Mundkommunion deutlich

gemacht wird sowie den hierar-chischen Aspekt des priesterlichen Dienstes im Verlauf der Zelebration der die priesterlichen Handlungen von den Handlungen der Glaumlubi-gen unterscheidet Dieser Ritus in seinem Aufbau und seinem Vollzug ist eine Verkuumlndi-gung des katholi-schen Glaubens er druumlckt den Glau-ben aus er lehrt ihn er schaumlrft ihn ein er hebt ihn in vollkommener Weise hervor

bull Schlieszliglich geist-liche Gruumlnde das heilige Schweigen waumlhrend des Ka-nons bdquodas eine wirklich tiefe per-soumlnliche Teilnah-me erlaubt indem es uns das inner-liche Anhoumlren des Wortes des Herrn ermoumlglichtldquo wie Kardinal Ratzinger bemerkt die Gebetsostung das heiszligt die gemeinsame Ausrichtung von Priester und Volk zum Herrn hin der der Ursprung und das Zen-trum aller liturgischen Handlungen ist der Gebrauch einer Sakralspra-che die die Einheit im Glauben in Zeit und Raum foumlrdert da sich Voumllker verschiedener Sprachen zu einem gemeinsamen Gotteslob zusammenschlieszligen koumlnnen die Reinheit des Gregorianischen Cho-rals sowie die ehrfuumlrchtige Haltung des Zelebranten machen unsere Liturgie zu einer hohen Schule der Kontemplation und des spirituellen

Lebens Deshalb wohnen zahlrei-che Jugendliche unseren Offizien bei treten in unsere Klosterfamilie ein weil sie sich nach dem fruumlhe-ren Meszlig ri tus sehnen nach einem Ritus den sie in jungen Jahren nie erlebt haben

bull Ich moumlchte einen letzten Grund hinzufuumlgen der Sie vielleicht uumlber-raschen wird dieses Festhalten am klassischen roumlmischen Ritus kann eine gesunde Oumlkumene foumlrdern Zu einer Zeit da der Heilige Va ter Europa einlaumldt mit beiden Lungen-fluumlgeln zu atmen dem lateinischen Abendland und dem griechisch- slawischen Orient darf ich Tatjana Goritschewa aus ihrem Reisetage-buch zitieren die zum Abschluszlig ei-nes Besuches in Le Barroux zum er-sten Mal in ihrem Leben dem fruumlhe-ren lateinischen Meszligritus beiwohn-te bdquoGuter Gott das habe ich gar nicht gewuszligt daszlig es im Westen eine solche

Liturgie in St Madeleine (Le Barroux)

Das heilige Schweigen waumlhrend des Kanonserlaubt eine wirklich tiefe persoumlnliche Teilnahmeindem es uns das innerliche Anhoumlren des Wortes des Herrn ermoumlglicht

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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Meszligfeier gibt Fuumllle Feinheit Ernst-haftigkeit Geheimnis Licht Erneue-rung - ja das ist ebenso wie unsere orthodoxe Liturgiefeier auch Sie kam aus dem himmlischen Jerusalem zu uns Wir hatten uns verspaumltet waren gerade angekommen und konnten so nur noch die letzten Minuten des Gottesdienstes miterleben Und die-se wenigen Minuten genuumlgten mich mit voumlllig neuem Leben zu erfuumlllen Wie lange schon bin ich auf der Suche nach aumlhnlicher kraumlftiger Speiseldquo

In der Tat wer Ihre Abtei besucht und an den Liturgien der Kommu-nitaumlt teilnimmt ist sofort umfangen von einer Atmosphaumlre der Sakrali-taumlt und Wuumlrde die die Transzendenz geradezu spuumlrbar werden laumlszligt Dies liegt nicht zuletzt an Ihrer Treue ge-genuumlber dem Ritus der Liturgie der die Personen der Feiernden in den Hintergrund ruumlckt und das Goumlttli-che aufscheinen laumlszligt Dem entge-gengesetzt wird heute von Flexibi-litaumlt und Situationsbezogenheit der liturgischen Formen gesprochen Was sagen Sie zur Frage nach der Bedeutung und Notwendigkeit ei-nes festen Ritus

Es ist gerade das Vergessen der goumltt-lichen Transzendenz das die Welt in eine dramatische Lage versetzt hat Die gegenwaumlrtige Welt stirbt am Ver-loumlschen des Uumlbernatuumlrlichen Kult um den Menschen Hypertrophie des Sozialen Durchsetzung des Ichs Wer kann da behaupten daszlig die-ser Naturalismus nicht in die Art und Weise des Betens des modernen Menschen eingedrungen ist Der

Naturalismus erscheint auf verschie-denste Art als Lust auf Neuheit und Anpassung als Eindringen populaumlrer Musik und der Volkssprachen als Un-kultur die das ewige Beten der Braut

Christi in der Flut der Tagesmoden ertraumlnkt als eine Form von Kreativi-taumlt schlieszliglich die eine subtile Form menschlichen Hochmuts darstellt Zusammenfassend kann man sagen Der moderne Mensch gibt der Versu-chung nach die Religion dem Men-schen anzupassen statt wie es die Kirche seit Jahrhunderten versucht die Menschen der Religion Wenn wir diesen naturalistischen Tendenzen entschlossen den Ruumlcken kehren wird es uns leicht fallen festzustellen daszlig ein fester liturgischer Ausdruck - weil er aus seinem Wesen und seiner Berufung heraus die Moden und Ta-geserscheinungen transzendiert - ge-nau zu dem paszligt was der Mensch an

Wesentlichstem und Tiefstem in sich traumlgt den Zug zum Sakralen hin den Durst nach Anbetung Was nie zu Gott hinaufkommt wird nie zu den Men-schen hinabsteigen bdquoWer von der

Erde stammt ist irdisch und irdisch ist auch seine Spracheldquo (Joh 331) Die liturgische Ausdrucksweise muszlig von Gott kommen wenn wir wollen daszlig sie uns zu ihm fuumlhrtErlauben Sie mir daszlig ich im folgen-den den Liturgiker Dom Botte zitiere bdquoSeien wir den Leuten des Mittelalters dafuumlr dankbar daszlig sie uns den rouml-mischen Kanon in seiner Reinheit auf-bewahrt haben und daszlig sie weder ihre persoumlnlichen Gefuumlhlsaumluszligerungen noch ihre theologischen Ideen darin einge-fuumlhrt haben Was fuumlr einen gemischten Salat haumltten wir heute wenn man jeder Generation erlaubt haumltte den Meszligka-non den theologischen Kontroversen oder neuen Froumlmmigkeitsformen anzu-

Altarinzens waumlhrend des Magnificat (Vesper)

Der moderne Mensch gibt der Versuchung nach die Religion dem Menschen anzupassen statt wie es die Kirche seit Jahrhunderten versucht die Menschen der ReligionDie liturgische Ausdrucksweise muszlig von Gott kommen wenn wir wollen daszlig sie uns zu ihm fuumlhrt

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passen Es ist zu wuumlnschen daszlig der ge-sunde Menschenverstand dieser Leute uumlbernommen wird die verstanden ha-ben daszlig der Meszligkanon fuumlr sie keinen Uumlbungsplatz darstellt Er war in ihren Augen der Ausdruck einer ehrwuumlrdigen Tradition und sie fuumlhlten daszlig man an ihm nicht ruumlhren konnte ohne Miszlig-staumlnden aller Art Tuumlr und Tor zu oumlffnenldquo Die heilige Kirche mit ihrem uumlberna-tuumlrlichen Sinn fuumlr die menschliche Seele und ihren wahren und tiefen Beduumlrfnissen sowie fuumlr das Mysteri-um Gottes hat gewuszligt unseren Lip-pen Gebetsformeln Melodien und Hymnen zu geben die uns vor dem Subjektivismus schuumltzen der oft nur ein Ausdruck der Vergoumlttlichung des Ichs ist Die Unflexibilitaumlt des liturgi-schen Gebets weit davon entfernt ein Halseisen zu sein bildet das Prin-zip einer groszligen inneren Freiheit und stellt einen Ehrenerweis an Gottes Transzendenz dar Die Unterwerfung unter ein Gesetz ist nicht nur eine Be-dingung fuumlr Kontinuitaumlt und fuumlr Treue eines Werkes zu sich selbst Sie ist nicht nur ein Schutz des Werkes vor der allen Dingen aneignenden Nei-gung zur Aufloumlsung Sie ist das Bild des Ewigen

Wer in der gegenwaumlrtigen Krise der Liturgie den Aspekt der Schoumlnheit betont muszlig sich aus dem Lager der Progressisten oft den Vorwurf der Weltfremdheit gefallen lassen Aber auch viele Traditionalisten aumlu-szligern in diesem Falle Bedenken und warnen vor der Gefahr des Aumlstheti-zismus Welche Bedeutung hat Ihrer Auffassung nach die Schoumlnheit der Liturgie

Die Schoumlnheit der sakralen Riten er-hebt die Seelen indem sie auf sie eine zarte Anziehungskraft zum Himmel ausuumlbt Die echte Tradition ist nicht trist Unsere sonntaumlglichen kloumlsterli-chen Gottesdienste die zwei Stunden dauern beweisen es niemand we-der Kinder noch Jugendliche zeigen Ungeduld Warum Der Religionshi-storiker Mc Nabb gibt die Antwort Er bemerkt daszlig man in der Kirche durch zwei Tuumlren eintritt durch die Tuumlr der Einsicht und die Tuumlr der Schoumlnheit Die enge Tuumlre sagt er das ist die-jenige der Einsicht Sie oumlffnet sich den Intellektuellen und den Wissen-schaftlern Die breiteste ist diejenige der Schoumlnheit Der Kuumlnstler Henri Charlier der 1975 verstorben ist fuumlhrt im selben Sinne aus bdquoMan sollte die Il-lusion verlieren daszlig die Wahrheit sich mit Erfolg mitteilen kann ohne den Glanz der ihr so natuumlrlich ist und den man das Schoumlne nenntldquo Ich wuumlrde so-gar sagen die Schoumlnheit umrahmt die Wahrheit Die Wahrheit der Dog-men wird haumlufiger verraten infolge ei-

ner Verkuumlmmerung des Sinns fuumlr die Schoumlnheit als durch rein verstandes- maumlszligige Irrtuumlmer Die Kirche in ihrem unergruumlndlichen Geheimnis als Braut Christi als Kyrios der Glorie benoumltigt auf Erden eine fuumlr alle zugaumlngliche Epiphanie das ist die Herrlichkeit ihrer Gotteshaumluser der Glanz ihrer Liturgie und die An-mut ihrer Gesaumlnge Die Liturgie ver-dient es Glanz des Wahren genannt zu werden sie oumlffnet den Kleinen wie den Groszligen die Schaumltze ihrer Herr-lichkeit die Schoumlnheit der Psalmen die sakralen Gesaumlnge und Texte das Licht die Harmonie der Bewegungen die Wuumlrde der Haltung Mit einer un-vergeszliglichen Kunst uumlbt die Liturgie einen echten anziehenden Reiz auf die Seelen aus die sie direkt be-ruumlhrt sogar bevor sie die geistigen Energien in Bewegung setzt Die Li-turgie aber ist eine feine Kunst sehr weit entfernt von einer gewissen postkonziliaren liturgischen Praxis bdquodie so undurchsichtig und so langwei-lig durch ihren Hang zum Banalen und Mittelmaumlszligigen ist daszlig e einen nur noch

Feierliche Ostervesper im Londoner Oratorium

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schaudertldquo wie Kardinal Ratzinger in seinem Buch bdquoZur Lage des Glaubensldquo formuliert Einige Worte zur Feierlichkeit Man sollte sie vor allem nicht mit der Etikette verwechseln Die Feierlich-keit der Riten bedeutet keine schwe-re Last sie will durch ihre Transparenz Ausdruck des Glanzes des Uumlberna-tuumlrlichen sein Jede sakrale Liturgie tendiert auf einer gewissen Houmlhe an-hand eines Rituals dazu uns aus dem Banalen und Alltaumlglichen herauszu-holen nicht zu einem aumlsthetischen Zweck sondern um den Glaumlubigen nahezulegen daszlig die Handlung die vor ihren Augen vollzogen wird von Gott kommt Die Herrlichkeit der liturgischen Entfaltung verfolgt kein anderes Ziel sie weist darauf hin daszlig etwas Goumlttliches hereinbricht um die Erde zu beruumlhren Der hl Gregor der Groszlige der benediktinische Papst des 6 Jahrhunderts hat es in seinen Dia-logen geschrieben bdquoIn der Stunde des Opfers oumlffnet sich der Himmel wenn der Priester spricht In diesem Geheim-nis Jesu Christi sind die Choumlre der Engel anwesend Was oben ist vereinigt sich mit dem dem was unten ist Himmel und Erde vereinigen sich das Sicht-bare und das Unsichtbare sind nun eins gewordenldquo Die Feierlichkeit des Gottesdienstes ist integraler Bestandteil der katholi-schen Liturgie und soll als ein Element ihrer eigenen Botschaft gepflegt wer-den unter der Bedingung jedoch daszlig diese Feierlichkeit nicht ins Pom-poumlse oder Manieristische abgleitet Der groumlszligte Erfolg des Ornamentes ist so vollkommen zu sein daszlig man es ganz vergessen kann Die An-

haumlufung von Gemaumllden Stuckarbeit und Ornamentik im Tempel allein schafft noch keine Harmonie eben-sowenig wie im Gottesdienst der Redefluszlig Dort brauchen wir Genau-igkeit und Zuruumlckhaltung die unsere Vorfahren Anstand beziehungsweise Dezenz nannten decere - sagen was notwendig ist und geziemend Somit ist die Liturgie das Vorbild der Kunst Schoumlnheit in der Liturgie ist kein Lu-xus sie ist selbst die Vorbedingung fuumlr deren Existenz Die Liturgie lei-stet mehr als uns die Schoumlnheit der himmlischen Heimat zu beschreiben Sie oumlffnet uns die Tore des Himmelrei-ches Der Mensch tritt dort hinein mit seinem Koumlrper und seiner Seele Se-hen houmlren Riechen alles spricht zu ihm von Gott Unser Herr selbst gab das Beispiel einer Erziehung durch die Schoumlnheit die Gleichnisse sind

Dichtungen von zeitloser Schoumlnheit und bewundernswerter Lauterkeit bdquoBetrachtet die Lilien der Felder und die Voumlgel des Himmelsldquo

Von vielen Liturgieprofessoren hin- gegen houmlrt man heute daszlig der Mensch und seine Probleme die Ge-stalt der Liturgie bestimmen muumls-sen Wie stehen Sie zu dieser These

Ich weise diese These die nicht neu ist voumlllig zuruumlck Schon 1975 mahnte Kardinal Ratzinger bdquoDaher muszlig weit entschiedener als es bisher geschehen ist rationalistischer Verflachung ge-schwaumltzigem Zerreden und pastoraler Infantilitaumlt entgegengetreten wer-den die die Liturgie zum Gemeinde-kraumlnzchen degradiert und sie auf Bild-Zeitungs-Verstaumlndlichkeit herunter-schrauben will Auch die geschehenen

Himmlische Liturgie Ioannis spaumltes 17 Jahrh (Byzantinisch-christliches Museum in Athen)

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Reformen besonders im Bereich der Rituale werden unter solchen Gesichts-punkten uumlberpruumlft werden muumlssen ldquo Die bdquoKreativitaumltldquo sagt Kardinal Ratzin-ger in dem Buch bdquoZur Lage des Glau-bensldquo hat bdquodie Liturgie in den Strudel des sbquoDo-it-yourselfrsquo hineingezogen und sie banalisiert weil man sie unserer Mittelmaumlszligigkeit angepaszligt hatldquo Zudem moumlchten einige Liturgieprofessoren eine erneute Anpassung weil sie mei-nen daszlig der Mensch und seine au-genblicklichen Probleme die Form der Liturgie bestimmen muumlssen Kardinal Ratzinger dagegen stellt uumlberzeugend fest daszlig die heute wirklich verbreitete Forderung nicht die nach einer saumlkularisierten Liturgie sei sondern im Gegenteil nach einer neuen Begegnung mit dem Sakralen durch einen Kult der die Gegenwart des Ewigen wiedererkennen lasse Fuumlrchten wir uns vor der Art von Ani-mateuren die sich einmischen um Neues in die Meszligfeier zu bringen nur um sie angeblich attraktiver machen zu wollen Kardinal Ratzinger stellt fest daszlig Liturgie keine Show sei kein Schauspiel fuumlr das geniale Regisseu-re und talentierte Schauspieler nouml-tig seien Die Liturgie lebe nicht von bdquoangenehmenldquo Uumlberraschungen von bdquogewinnendenldquo Einfaumlllen sondern von feierlichen Wiederholungen Sie koumlnne nicht Ausdruck des Aktuellen und seiner Vergaumlnglichkeit sein son-dern sie sei Ausdruck des Mysteri-ums des Heiligen So wird die Liturgie der Kirche die Definition realisieren die Dom Gueacuteranger for muliert bdquoDie Liturgie ist die Gesamtheit der Symbole der Gesaumlnge der Akte durch die die Kir-che ihre Religion gegenuumlber Gott aus-

druumlckt und kundtutldquo Diese Definition ist vergleichbar mit der von Papst Pius XII in seinem Rundschreiben bdquoMediator Deildquo die die koumlnigliche und priesterliche Rolle Christi bei jedem liturgischen Akt beleuchtet bdquoDie Li-turgie als Ganzes bildet deshalb den oumlffentlichen Kult den unser Erloumlser das Haupt der Kirche dem himmlischen Vater erweist Sie stellt den gesamten oumlffentlichen Kult des mystischen Leibes Jesu Christi dar seines Hauptes naumlm-lich und seiner Gliederldquo Diese beiden Definitionen lassen sich vereinen und in einer Kurzformel zusammenfassen die die braumlutliche Verbindung Christi mit seiner Kirche hervorhebt die Li-turgie ist der Gesang des Braumlutigams und der Braut

Von daher kann ja die Liturgie auch nur dann eine Schule christlicher Erziehung sein wenn sie die Heiligkeit Gottes abbildet Der Mensch unserer Tage aber der in der Regel von der Mediengesellschaft gepraumlgt wird ist manchmal nur schwer in der Lage die Schaumltze der Liturgie zu entdecken Wie kann man diesem Problem begegnen und wie muszlig heute eine Hinfuumlhrung zur Liturgie aussehen

Eine Hinfuumlhrung zur Liturgie muszlig nach zwei Methoden der Annaumlhe-rung geschehen Zuerst Den techni-sierten Barbaren der modernen Welt soll man sich mit der Geduld eines Raubtierjaumlgers naumlhern Man erweckt nicht gleich beim ersten Mal den Sinn fuumlr das Sakrale bei denjenigen die die Massenmedien manchmal hoff-nungslos im Geist deformiert haben

Daher muszlig man zuerst in das Schwei-gen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man ge-horcht bdquoDie Liturgieldquo sagt Mircea Elia-de bdquoist der Feind aller Improvisationldquo Dann Den ausgebildeten Glaumlubigen die einen festen Glauben haben aber mit dem Geist der Liturgie wenig ver-traut sind soll man die Symbolik der Gesten und Worte erklaumlren um auf-zuzeigen wie der Ritus den Glauben schult ihn beleuchtet ihn bereichert indem er der Seele den Sinn fuumlr die Anbetung erschlieszligt Die liturgische Bildung erwaumlchst aus der religioumlsen Bildung Man muszlig heute diesbe-zuumlglich ganz von vorne anfangen - in

der Familie im Freundeskreis - Zirkel bilden Magnetfelder des lebendigen Beispiels schaffen

Selbst bei Katholiken die noch den Glauben der Kirche vertreten herrscht manchmal die Meinung

Kardinal Ratzinger im Gespraumlch mit Dom Gerard

Man muszlig zuerst in das Schweigen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man gehorchtbdquoDie Liturgie ist der Feind aller Improvisationldquo

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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vor die Wahrheit der Dogmen sei unabhaumlngig von der Form wie sie in der Liturgie gefeiert werden So findet man beispielsweise auch bei rechtglaumlubigen Jugendbewegun-gen in Deutsch land die Verwen-dung von sogenanntem bdquoSacro-Popldquo in der Liturgie Warum und in welcher Weise muszlig der katholische Glaube die Form der Liturgie be-stimmen

Form und Inhalt bedingen und prauml-gen einander ob bewuszligt oder un-bewuszligt Deshalb gilt das alte Prinzip bdquoLex orandi lex credendildquo oder bdquoLe-gem credendi lex statuat supplican-dildquo das heiszligt das Gesetz des Ge-bets stellt das Gesetz des Glaubens fest und gliedert es die Kirche glaubt so wie sie betet Das Konzil hat in Artikel 59 der Liturgiekonstitution richtig bemerkt daszlig die Sakramente auf die Heiligung der Menschen hin-geordnet sind auf den Aufbau des Leibes Christi und schlieszliglich auf die Gott geschuldete Verehrung als Zeichen haben sie auch die Aufga-be der Unterweisung Den Glauben setzen sie nicht nur voraus sondern durch Wort und Ding naumlhren sie ihn auch staumlrken ihn und zeigen ihn an Ein Beispiel Hier ist ein Ehepaar das der sonntaumlglichen Pflicht zum Besuch der Heiligen Messe nicht mehr Folge leistet trotzdem moumlchten sie ihr Kind taufen lassen Der alte Taufritus - un-ter anderem mit den so zahlreichen eindrucksvollen Exorzismen - ist fuumlr sie ein Stuumlck lebendiger Theologie Eine Messe im klassischen roumlmi-

schen Ritus anlaumlszliglich einer Hochzeit oder eines Begraumlbnisses erweckt den Glauben an die Realpraumlsenz besser als einige Katechismusseiten Ein weiteres Beispiel Die Kirche Christi Braut und Leib ist die diffe-renzierteste strukturierteste hierar-chischste Gesellschaft die es gibt Welches Handbuch aber welche di-daktische Erklaumlrung wird uns die Ein-sicht in das Mysterium Ecclesiae er-schlieszligen Keine nur jenes lebendige Geheimnis das die liturgische Hand-lung vor unseren Augen entfaltet Der Vater Abt von Bec Helluin berichtet wie am Ende einer Pontifikalmes-se in den fuumlnfziger Jahren der auch protestantische Pastoumlre beiwohnten einer in einem Anfall von Begeiste-rung erschuumlttert ausgerufen habe bdquoIch habe die Kirche gesehenldquo Die geheimnisvolle Ursache fuumlr diesen ekstatischen Schrei ist nirgendwo an-ders zu suchen als in unserer Feier des Offiziums in ihrem Strom der voll ist von Religioumlsitaumlt von Gesaumlngen Wohl-geruumlchen erhabenen Formeln und Riten und der vom Altar durch die Diakone Subdiakone und alle ande-ren Ministranten herabflieszligt um im Kirchenschiff die Gemeinschaft der Glaumlubigen zu erfassen echte Akteure des liturgischen Dramas

Ein besonders gefaumlhrdetes Gebiet in der liturgischen Verwirrung un-serer Tage ist das der liturgischen Musik Welchen Stellenwert mes-sen Sie grundsaumltzlich der Musik im Hinblick auf die Liturgie bei

Der Vollzug der heiligen Liturgie draumlngt ihrer Natur nach zur Verklang-lichung weil die Liturgie vor allem Gesang des Himmels ist Als Kaiser Karl der Groszlige eines Tages seinen Minister Alkuin fragte bdquoSage mir was ist die Liturgieldquo da erhielt er die Ant-wort bdquoDie Liturgie das ist die Freude Gottesldquo Denn in der Heiligsten Drei-faltigkeit laumlszligt das Hin- und Zuruumlck-stroumlmen der Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater den geheimnisvollen Gesang der goumlttli-chen Gluumlckseligkeit aufsteigen bdquoDie ewige Zeugung des Wortes das ist der Lobgesang des sbquoOpus Deirsquo schlecht-hinldquo sagt Dom Romain Banquet Mit diesem unaussprechlichen Gesang vereinen sich die Auserwaumlhlten im Himmel in einem ununterbrochenen Lobpreis wie wir in der Geheimen Offenbarung des Johannes lesen bdquoDanach sah ich eine groszlige Schar aus allen Nationen und Staumlmmen Voumllkern und Sprachen niemand konnte sie zaumlh-len Sie standen in weiszligen Gewaumlndern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Haumlnden Sie riefen mit lauter Stimme Das Heil kommt von unserem Gott der auf dem Thron sitzt und von dem Lamm Und alle Engel standen rings um den Thron um die Aumlltesten und die vier Lebewesen Sie warfen sich vor dem Thron nieder beteten Gott an und sprachen Amen Lob und Herrlichkeit Weisheit und Dank Ehre und Macht und Staumlrke unse-rem Gott in alle Ewigkeitldquo (Apk 7 9-12) Die Liturgie der Erde ist keine andere als die des Himmels denn der Mysti-sche Leib Christi vereint die Kirche

Pontifikalamt in St Kunibert Koumlln (PMT-Hauptversammlung 2013)

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auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

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liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 3: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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Meszligfeier gibt Fuumllle Feinheit Ernst-haftigkeit Geheimnis Licht Erneue-rung - ja das ist ebenso wie unsere orthodoxe Liturgiefeier auch Sie kam aus dem himmlischen Jerusalem zu uns Wir hatten uns verspaumltet waren gerade angekommen und konnten so nur noch die letzten Minuten des Gottesdienstes miterleben Und die-se wenigen Minuten genuumlgten mich mit voumlllig neuem Leben zu erfuumlllen Wie lange schon bin ich auf der Suche nach aumlhnlicher kraumlftiger Speiseldquo

In der Tat wer Ihre Abtei besucht und an den Liturgien der Kommu-nitaumlt teilnimmt ist sofort umfangen von einer Atmosphaumlre der Sakrali-taumlt und Wuumlrde die die Transzendenz geradezu spuumlrbar werden laumlszligt Dies liegt nicht zuletzt an Ihrer Treue ge-genuumlber dem Ritus der Liturgie der die Personen der Feiernden in den Hintergrund ruumlckt und das Goumlttli-che aufscheinen laumlszligt Dem entge-gengesetzt wird heute von Flexibi-litaumlt und Situationsbezogenheit der liturgischen Formen gesprochen Was sagen Sie zur Frage nach der Bedeutung und Notwendigkeit ei-nes festen Ritus

Es ist gerade das Vergessen der goumltt-lichen Transzendenz das die Welt in eine dramatische Lage versetzt hat Die gegenwaumlrtige Welt stirbt am Ver-loumlschen des Uumlbernatuumlrlichen Kult um den Menschen Hypertrophie des Sozialen Durchsetzung des Ichs Wer kann da behaupten daszlig die-ser Naturalismus nicht in die Art und Weise des Betens des modernen Menschen eingedrungen ist Der

Naturalismus erscheint auf verschie-denste Art als Lust auf Neuheit und Anpassung als Eindringen populaumlrer Musik und der Volkssprachen als Un-kultur die das ewige Beten der Braut

Christi in der Flut der Tagesmoden ertraumlnkt als eine Form von Kreativi-taumlt schlieszliglich die eine subtile Form menschlichen Hochmuts darstellt Zusammenfassend kann man sagen Der moderne Mensch gibt der Versu-chung nach die Religion dem Men-schen anzupassen statt wie es die Kirche seit Jahrhunderten versucht die Menschen der Religion Wenn wir diesen naturalistischen Tendenzen entschlossen den Ruumlcken kehren wird es uns leicht fallen festzustellen daszlig ein fester liturgischer Ausdruck - weil er aus seinem Wesen und seiner Berufung heraus die Moden und Ta-geserscheinungen transzendiert - ge-nau zu dem paszligt was der Mensch an

Wesentlichstem und Tiefstem in sich traumlgt den Zug zum Sakralen hin den Durst nach Anbetung Was nie zu Gott hinaufkommt wird nie zu den Men-schen hinabsteigen bdquoWer von der

Erde stammt ist irdisch und irdisch ist auch seine Spracheldquo (Joh 331) Die liturgische Ausdrucksweise muszlig von Gott kommen wenn wir wollen daszlig sie uns zu ihm fuumlhrtErlauben Sie mir daszlig ich im folgen-den den Liturgiker Dom Botte zitiere bdquoSeien wir den Leuten des Mittelalters dafuumlr dankbar daszlig sie uns den rouml-mischen Kanon in seiner Reinheit auf-bewahrt haben und daszlig sie weder ihre persoumlnlichen Gefuumlhlsaumluszligerungen noch ihre theologischen Ideen darin einge-fuumlhrt haben Was fuumlr einen gemischten Salat haumltten wir heute wenn man jeder Generation erlaubt haumltte den Meszligka-non den theologischen Kontroversen oder neuen Froumlmmigkeitsformen anzu-

Altarinzens waumlhrend des Magnificat (Vesper)

Der moderne Mensch gibt der Versuchung nach die Religion dem Menschen anzupassen statt wie es die Kirche seit Jahrhunderten versucht die Menschen der ReligionDie liturgische Ausdrucksweise muszlig von Gott kommen wenn wir wollen daszlig sie uns zu ihm fuumlhrt

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passen Es ist zu wuumlnschen daszlig der ge-sunde Menschenverstand dieser Leute uumlbernommen wird die verstanden ha-ben daszlig der Meszligkanon fuumlr sie keinen Uumlbungsplatz darstellt Er war in ihren Augen der Ausdruck einer ehrwuumlrdigen Tradition und sie fuumlhlten daszlig man an ihm nicht ruumlhren konnte ohne Miszlig-staumlnden aller Art Tuumlr und Tor zu oumlffnenldquo Die heilige Kirche mit ihrem uumlberna-tuumlrlichen Sinn fuumlr die menschliche Seele und ihren wahren und tiefen Beduumlrfnissen sowie fuumlr das Mysteri-um Gottes hat gewuszligt unseren Lip-pen Gebetsformeln Melodien und Hymnen zu geben die uns vor dem Subjektivismus schuumltzen der oft nur ein Ausdruck der Vergoumlttlichung des Ichs ist Die Unflexibilitaumlt des liturgi-schen Gebets weit davon entfernt ein Halseisen zu sein bildet das Prin-zip einer groszligen inneren Freiheit und stellt einen Ehrenerweis an Gottes Transzendenz dar Die Unterwerfung unter ein Gesetz ist nicht nur eine Be-dingung fuumlr Kontinuitaumlt und fuumlr Treue eines Werkes zu sich selbst Sie ist nicht nur ein Schutz des Werkes vor der allen Dingen aneignenden Nei-gung zur Aufloumlsung Sie ist das Bild des Ewigen

Wer in der gegenwaumlrtigen Krise der Liturgie den Aspekt der Schoumlnheit betont muszlig sich aus dem Lager der Progressisten oft den Vorwurf der Weltfremdheit gefallen lassen Aber auch viele Traditionalisten aumlu-szligern in diesem Falle Bedenken und warnen vor der Gefahr des Aumlstheti-zismus Welche Bedeutung hat Ihrer Auffassung nach die Schoumlnheit der Liturgie

Die Schoumlnheit der sakralen Riten er-hebt die Seelen indem sie auf sie eine zarte Anziehungskraft zum Himmel ausuumlbt Die echte Tradition ist nicht trist Unsere sonntaumlglichen kloumlsterli-chen Gottesdienste die zwei Stunden dauern beweisen es niemand we-der Kinder noch Jugendliche zeigen Ungeduld Warum Der Religionshi-storiker Mc Nabb gibt die Antwort Er bemerkt daszlig man in der Kirche durch zwei Tuumlren eintritt durch die Tuumlr der Einsicht und die Tuumlr der Schoumlnheit Die enge Tuumlre sagt er das ist die-jenige der Einsicht Sie oumlffnet sich den Intellektuellen und den Wissen-schaftlern Die breiteste ist diejenige der Schoumlnheit Der Kuumlnstler Henri Charlier der 1975 verstorben ist fuumlhrt im selben Sinne aus bdquoMan sollte die Il-lusion verlieren daszlig die Wahrheit sich mit Erfolg mitteilen kann ohne den Glanz der ihr so natuumlrlich ist und den man das Schoumlne nenntldquo Ich wuumlrde so-gar sagen die Schoumlnheit umrahmt die Wahrheit Die Wahrheit der Dog-men wird haumlufiger verraten infolge ei-

ner Verkuumlmmerung des Sinns fuumlr die Schoumlnheit als durch rein verstandes- maumlszligige Irrtuumlmer Die Kirche in ihrem unergruumlndlichen Geheimnis als Braut Christi als Kyrios der Glorie benoumltigt auf Erden eine fuumlr alle zugaumlngliche Epiphanie das ist die Herrlichkeit ihrer Gotteshaumluser der Glanz ihrer Liturgie und die An-mut ihrer Gesaumlnge Die Liturgie ver-dient es Glanz des Wahren genannt zu werden sie oumlffnet den Kleinen wie den Groszligen die Schaumltze ihrer Herr-lichkeit die Schoumlnheit der Psalmen die sakralen Gesaumlnge und Texte das Licht die Harmonie der Bewegungen die Wuumlrde der Haltung Mit einer un-vergeszliglichen Kunst uumlbt die Liturgie einen echten anziehenden Reiz auf die Seelen aus die sie direkt be-ruumlhrt sogar bevor sie die geistigen Energien in Bewegung setzt Die Li-turgie aber ist eine feine Kunst sehr weit entfernt von einer gewissen postkonziliaren liturgischen Praxis bdquodie so undurchsichtig und so langwei-lig durch ihren Hang zum Banalen und Mittelmaumlszligigen ist daszlig e einen nur noch

Feierliche Ostervesper im Londoner Oratorium

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schaudertldquo wie Kardinal Ratzinger in seinem Buch bdquoZur Lage des Glaubensldquo formuliert Einige Worte zur Feierlichkeit Man sollte sie vor allem nicht mit der Etikette verwechseln Die Feierlich-keit der Riten bedeutet keine schwe-re Last sie will durch ihre Transparenz Ausdruck des Glanzes des Uumlberna-tuumlrlichen sein Jede sakrale Liturgie tendiert auf einer gewissen Houmlhe an-hand eines Rituals dazu uns aus dem Banalen und Alltaumlglichen herauszu-holen nicht zu einem aumlsthetischen Zweck sondern um den Glaumlubigen nahezulegen daszlig die Handlung die vor ihren Augen vollzogen wird von Gott kommt Die Herrlichkeit der liturgischen Entfaltung verfolgt kein anderes Ziel sie weist darauf hin daszlig etwas Goumlttliches hereinbricht um die Erde zu beruumlhren Der hl Gregor der Groszlige der benediktinische Papst des 6 Jahrhunderts hat es in seinen Dia-logen geschrieben bdquoIn der Stunde des Opfers oumlffnet sich der Himmel wenn der Priester spricht In diesem Geheim-nis Jesu Christi sind die Choumlre der Engel anwesend Was oben ist vereinigt sich mit dem dem was unten ist Himmel und Erde vereinigen sich das Sicht-bare und das Unsichtbare sind nun eins gewordenldquo Die Feierlichkeit des Gottesdienstes ist integraler Bestandteil der katholi-schen Liturgie und soll als ein Element ihrer eigenen Botschaft gepflegt wer-den unter der Bedingung jedoch daszlig diese Feierlichkeit nicht ins Pom-poumlse oder Manieristische abgleitet Der groumlszligte Erfolg des Ornamentes ist so vollkommen zu sein daszlig man es ganz vergessen kann Die An-

haumlufung von Gemaumllden Stuckarbeit und Ornamentik im Tempel allein schafft noch keine Harmonie eben-sowenig wie im Gottesdienst der Redefluszlig Dort brauchen wir Genau-igkeit und Zuruumlckhaltung die unsere Vorfahren Anstand beziehungsweise Dezenz nannten decere - sagen was notwendig ist und geziemend Somit ist die Liturgie das Vorbild der Kunst Schoumlnheit in der Liturgie ist kein Lu-xus sie ist selbst die Vorbedingung fuumlr deren Existenz Die Liturgie lei-stet mehr als uns die Schoumlnheit der himmlischen Heimat zu beschreiben Sie oumlffnet uns die Tore des Himmelrei-ches Der Mensch tritt dort hinein mit seinem Koumlrper und seiner Seele Se-hen houmlren Riechen alles spricht zu ihm von Gott Unser Herr selbst gab das Beispiel einer Erziehung durch die Schoumlnheit die Gleichnisse sind

Dichtungen von zeitloser Schoumlnheit und bewundernswerter Lauterkeit bdquoBetrachtet die Lilien der Felder und die Voumlgel des Himmelsldquo

Von vielen Liturgieprofessoren hin- gegen houmlrt man heute daszlig der Mensch und seine Probleme die Ge-stalt der Liturgie bestimmen muumls-sen Wie stehen Sie zu dieser These

Ich weise diese These die nicht neu ist voumlllig zuruumlck Schon 1975 mahnte Kardinal Ratzinger bdquoDaher muszlig weit entschiedener als es bisher geschehen ist rationalistischer Verflachung ge-schwaumltzigem Zerreden und pastoraler Infantilitaumlt entgegengetreten wer-den die die Liturgie zum Gemeinde-kraumlnzchen degradiert und sie auf Bild-Zeitungs-Verstaumlndlichkeit herunter-schrauben will Auch die geschehenen

Himmlische Liturgie Ioannis spaumltes 17 Jahrh (Byzantinisch-christliches Museum in Athen)

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Reformen besonders im Bereich der Rituale werden unter solchen Gesichts-punkten uumlberpruumlft werden muumlssen ldquo Die bdquoKreativitaumltldquo sagt Kardinal Ratzin-ger in dem Buch bdquoZur Lage des Glau-bensldquo hat bdquodie Liturgie in den Strudel des sbquoDo-it-yourselfrsquo hineingezogen und sie banalisiert weil man sie unserer Mittelmaumlszligigkeit angepaszligt hatldquo Zudem moumlchten einige Liturgieprofessoren eine erneute Anpassung weil sie mei-nen daszlig der Mensch und seine au-genblicklichen Probleme die Form der Liturgie bestimmen muumlssen Kardinal Ratzinger dagegen stellt uumlberzeugend fest daszlig die heute wirklich verbreitete Forderung nicht die nach einer saumlkularisierten Liturgie sei sondern im Gegenteil nach einer neuen Begegnung mit dem Sakralen durch einen Kult der die Gegenwart des Ewigen wiedererkennen lasse Fuumlrchten wir uns vor der Art von Ani-mateuren die sich einmischen um Neues in die Meszligfeier zu bringen nur um sie angeblich attraktiver machen zu wollen Kardinal Ratzinger stellt fest daszlig Liturgie keine Show sei kein Schauspiel fuumlr das geniale Regisseu-re und talentierte Schauspieler nouml-tig seien Die Liturgie lebe nicht von bdquoangenehmenldquo Uumlberraschungen von bdquogewinnendenldquo Einfaumlllen sondern von feierlichen Wiederholungen Sie koumlnne nicht Ausdruck des Aktuellen und seiner Vergaumlnglichkeit sein son-dern sie sei Ausdruck des Mysteri-ums des Heiligen So wird die Liturgie der Kirche die Definition realisieren die Dom Gueacuteranger for muliert bdquoDie Liturgie ist die Gesamtheit der Symbole der Gesaumlnge der Akte durch die die Kir-che ihre Religion gegenuumlber Gott aus-

druumlckt und kundtutldquo Diese Definition ist vergleichbar mit der von Papst Pius XII in seinem Rundschreiben bdquoMediator Deildquo die die koumlnigliche und priesterliche Rolle Christi bei jedem liturgischen Akt beleuchtet bdquoDie Li-turgie als Ganzes bildet deshalb den oumlffentlichen Kult den unser Erloumlser das Haupt der Kirche dem himmlischen Vater erweist Sie stellt den gesamten oumlffentlichen Kult des mystischen Leibes Jesu Christi dar seines Hauptes naumlm-lich und seiner Gliederldquo Diese beiden Definitionen lassen sich vereinen und in einer Kurzformel zusammenfassen die die braumlutliche Verbindung Christi mit seiner Kirche hervorhebt die Li-turgie ist der Gesang des Braumlutigams und der Braut

Von daher kann ja die Liturgie auch nur dann eine Schule christlicher Erziehung sein wenn sie die Heiligkeit Gottes abbildet Der Mensch unserer Tage aber der in der Regel von der Mediengesellschaft gepraumlgt wird ist manchmal nur schwer in der Lage die Schaumltze der Liturgie zu entdecken Wie kann man diesem Problem begegnen und wie muszlig heute eine Hinfuumlhrung zur Liturgie aussehen

Eine Hinfuumlhrung zur Liturgie muszlig nach zwei Methoden der Annaumlhe-rung geschehen Zuerst Den techni-sierten Barbaren der modernen Welt soll man sich mit der Geduld eines Raubtierjaumlgers naumlhern Man erweckt nicht gleich beim ersten Mal den Sinn fuumlr das Sakrale bei denjenigen die die Massenmedien manchmal hoff-nungslos im Geist deformiert haben

Daher muszlig man zuerst in das Schwei-gen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man ge-horcht bdquoDie Liturgieldquo sagt Mircea Elia-de bdquoist der Feind aller Improvisationldquo Dann Den ausgebildeten Glaumlubigen die einen festen Glauben haben aber mit dem Geist der Liturgie wenig ver-traut sind soll man die Symbolik der Gesten und Worte erklaumlren um auf-zuzeigen wie der Ritus den Glauben schult ihn beleuchtet ihn bereichert indem er der Seele den Sinn fuumlr die Anbetung erschlieszligt Die liturgische Bildung erwaumlchst aus der religioumlsen Bildung Man muszlig heute diesbe-zuumlglich ganz von vorne anfangen - in

der Familie im Freundeskreis - Zirkel bilden Magnetfelder des lebendigen Beispiels schaffen

Selbst bei Katholiken die noch den Glauben der Kirche vertreten herrscht manchmal die Meinung

Kardinal Ratzinger im Gespraumlch mit Dom Gerard

Man muszlig zuerst in das Schweigen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man gehorchtbdquoDie Liturgie ist der Feind aller Improvisationldquo

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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vor die Wahrheit der Dogmen sei unabhaumlngig von der Form wie sie in der Liturgie gefeiert werden So findet man beispielsweise auch bei rechtglaumlubigen Jugendbewegun-gen in Deutsch land die Verwen-dung von sogenanntem bdquoSacro-Popldquo in der Liturgie Warum und in welcher Weise muszlig der katholische Glaube die Form der Liturgie be-stimmen

Form und Inhalt bedingen und prauml-gen einander ob bewuszligt oder un-bewuszligt Deshalb gilt das alte Prinzip bdquoLex orandi lex credendildquo oder bdquoLe-gem credendi lex statuat supplican-dildquo das heiszligt das Gesetz des Ge-bets stellt das Gesetz des Glaubens fest und gliedert es die Kirche glaubt so wie sie betet Das Konzil hat in Artikel 59 der Liturgiekonstitution richtig bemerkt daszlig die Sakramente auf die Heiligung der Menschen hin-geordnet sind auf den Aufbau des Leibes Christi und schlieszliglich auf die Gott geschuldete Verehrung als Zeichen haben sie auch die Aufga-be der Unterweisung Den Glauben setzen sie nicht nur voraus sondern durch Wort und Ding naumlhren sie ihn auch staumlrken ihn und zeigen ihn an Ein Beispiel Hier ist ein Ehepaar das der sonntaumlglichen Pflicht zum Besuch der Heiligen Messe nicht mehr Folge leistet trotzdem moumlchten sie ihr Kind taufen lassen Der alte Taufritus - un-ter anderem mit den so zahlreichen eindrucksvollen Exorzismen - ist fuumlr sie ein Stuumlck lebendiger Theologie Eine Messe im klassischen roumlmi-

schen Ritus anlaumlszliglich einer Hochzeit oder eines Begraumlbnisses erweckt den Glauben an die Realpraumlsenz besser als einige Katechismusseiten Ein weiteres Beispiel Die Kirche Christi Braut und Leib ist die diffe-renzierteste strukturierteste hierar-chischste Gesellschaft die es gibt Welches Handbuch aber welche di-daktische Erklaumlrung wird uns die Ein-sicht in das Mysterium Ecclesiae er-schlieszligen Keine nur jenes lebendige Geheimnis das die liturgische Hand-lung vor unseren Augen entfaltet Der Vater Abt von Bec Helluin berichtet wie am Ende einer Pontifikalmes-se in den fuumlnfziger Jahren der auch protestantische Pastoumlre beiwohnten einer in einem Anfall von Begeiste-rung erschuumlttert ausgerufen habe bdquoIch habe die Kirche gesehenldquo Die geheimnisvolle Ursache fuumlr diesen ekstatischen Schrei ist nirgendwo an-ders zu suchen als in unserer Feier des Offiziums in ihrem Strom der voll ist von Religioumlsitaumlt von Gesaumlngen Wohl-geruumlchen erhabenen Formeln und Riten und der vom Altar durch die Diakone Subdiakone und alle ande-ren Ministranten herabflieszligt um im Kirchenschiff die Gemeinschaft der Glaumlubigen zu erfassen echte Akteure des liturgischen Dramas

Ein besonders gefaumlhrdetes Gebiet in der liturgischen Verwirrung un-serer Tage ist das der liturgischen Musik Welchen Stellenwert mes-sen Sie grundsaumltzlich der Musik im Hinblick auf die Liturgie bei

Der Vollzug der heiligen Liturgie draumlngt ihrer Natur nach zur Verklang-lichung weil die Liturgie vor allem Gesang des Himmels ist Als Kaiser Karl der Groszlige eines Tages seinen Minister Alkuin fragte bdquoSage mir was ist die Liturgieldquo da erhielt er die Ant-wort bdquoDie Liturgie das ist die Freude Gottesldquo Denn in der Heiligsten Drei-faltigkeit laumlszligt das Hin- und Zuruumlck-stroumlmen der Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater den geheimnisvollen Gesang der goumlttli-chen Gluumlckseligkeit aufsteigen bdquoDie ewige Zeugung des Wortes das ist der Lobgesang des sbquoOpus Deirsquo schlecht-hinldquo sagt Dom Romain Banquet Mit diesem unaussprechlichen Gesang vereinen sich die Auserwaumlhlten im Himmel in einem ununterbrochenen Lobpreis wie wir in der Geheimen Offenbarung des Johannes lesen bdquoDanach sah ich eine groszlige Schar aus allen Nationen und Staumlmmen Voumllkern und Sprachen niemand konnte sie zaumlh-len Sie standen in weiszligen Gewaumlndern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Haumlnden Sie riefen mit lauter Stimme Das Heil kommt von unserem Gott der auf dem Thron sitzt und von dem Lamm Und alle Engel standen rings um den Thron um die Aumlltesten und die vier Lebewesen Sie warfen sich vor dem Thron nieder beteten Gott an und sprachen Amen Lob und Herrlichkeit Weisheit und Dank Ehre und Macht und Staumlrke unse-rem Gott in alle Ewigkeitldquo (Apk 7 9-12) Die Liturgie der Erde ist keine andere als die des Himmels denn der Mysti-sche Leib Christi vereint die Kirche

Pontifikalamt in St Kunibert Koumlln (PMT-Hauptversammlung 2013)

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auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

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liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 4: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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passen Es ist zu wuumlnschen daszlig der ge-sunde Menschenverstand dieser Leute uumlbernommen wird die verstanden ha-ben daszlig der Meszligkanon fuumlr sie keinen Uumlbungsplatz darstellt Er war in ihren Augen der Ausdruck einer ehrwuumlrdigen Tradition und sie fuumlhlten daszlig man an ihm nicht ruumlhren konnte ohne Miszlig-staumlnden aller Art Tuumlr und Tor zu oumlffnenldquo Die heilige Kirche mit ihrem uumlberna-tuumlrlichen Sinn fuumlr die menschliche Seele und ihren wahren und tiefen Beduumlrfnissen sowie fuumlr das Mysteri-um Gottes hat gewuszligt unseren Lip-pen Gebetsformeln Melodien und Hymnen zu geben die uns vor dem Subjektivismus schuumltzen der oft nur ein Ausdruck der Vergoumlttlichung des Ichs ist Die Unflexibilitaumlt des liturgi-schen Gebets weit davon entfernt ein Halseisen zu sein bildet das Prin-zip einer groszligen inneren Freiheit und stellt einen Ehrenerweis an Gottes Transzendenz dar Die Unterwerfung unter ein Gesetz ist nicht nur eine Be-dingung fuumlr Kontinuitaumlt und fuumlr Treue eines Werkes zu sich selbst Sie ist nicht nur ein Schutz des Werkes vor der allen Dingen aneignenden Nei-gung zur Aufloumlsung Sie ist das Bild des Ewigen

Wer in der gegenwaumlrtigen Krise der Liturgie den Aspekt der Schoumlnheit betont muszlig sich aus dem Lager der Progressisten oft den Vorwurf der Weltfremdheit gefallen lassen Aber auch viele Traditionalisten aumlu-szligern in diesem Falle Bedenken und warnen vor der Gefahr des Aumlstheti-zismus Welche Bedeutung hat Ihrer Auffassung nach die Schoumlnheit der Liturgie

Die Schoumlnheit der sakralen Riten er-hebt die Seelen indem sie auf sie eine zarte Anziehungskraft zum Himmel ausuumlbt Die echte Tradition ist nicht trist Unsere sonntaumlglichen kloumlsterli-chen Gottesdienste die zwei Stunden dauern beweisen es niemand we-der Kinder noch Jugendliche zeigen Ungeduld Warum Der Religionshi-storiker Mc Nabb gibt die Antwort Er bemerkt daszlig man in der Kirche durch zwei Tuumlren eintritt durch die Tuumlr der Einsicht und die Tuumlr der Schoumlnheit Die enge Tuumlre sagt er das ist die-jenige der Einsicht Sie oumlffnet sich den Intellektuellen und den Wissen-schaftlern Die breiteste ist diejenige der Schoumlnheit Der Kuumlnstler Henri Charlier der 1975 verstorben ist fuumlhrt im selben Sinne aus bdquoMan sollte die Il-lusion verlieren daszlig die Wahrheit sich mit Erfolg mitteilen kann ohne den Glanz der ihr so natuumlrlich ist und den man das Schoumlne nenntldquo Ich wuumlrde so-gar sagen die Schoumlnheit umrahmt die Wahrheit Die Wahrheit der Dog-men wird haumlufiger verraten infolge ei-

ner Verkuumlmmerung des Sinns fuumlr die Schoumlnheit als durch rein verstandes- maumlszligige Irrtuumlmer Die Kirche in ihrem unergruumlndlichen Geheimnis als Braut Christi als Kyrios der Glorie benoumltigt auf Erden eine fuumlr alle zugaumlngliche Epiphanie das ist die Herrlichkeit ihrer Gotteshaumluser der Glanz ihrer Liturgie und die An-mut ihrer Gesaumlnge Die Liturgie ver-dient es Glanz des Wahren genannt zu werden sie oumlffnet den Kleinen wie den Groszligen die Schaumltze ihrer Herr-lichkeit die Schoumlnheit der Psalmen die sakralen Gesaumlnge und Texte das Licht die Harmonie der Bewegungen die Wuumlrde der Haltung Mit einer un-vergeszliglichen Kunst uumlbt die Liturgie einen echten anziehenden Reiz auf die Seelen aus die sie direkt be-ruumlhrt sogar bevor sie die geistigen Energien in Bewegung setzt Die Li-turgie aber ist eine feine Kunst sehr weit entfernt von einer gewissen postkonziliaren liturgischen Praxis bdquodie so undurchsichtig und so langwei-lig durch ihren Hang zum Banalen und Mittelmaumlszligigen ist daszlig e einen nur noch

Feierliche Ostervesper im Londoner Oratorium

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schaudertldquo wie Kardinal Ratzinger in seinem Buch bdquoZur Lage des Glaubensldquo formuliert Einige Worte zur Feierlichkeit Man sollte sie vor allem nicht mit der Etikette verwechseln Die Feierlich-keit der Riten bedeutet keine schwe-re Last sie will durch ihre Transparenz Ausdruck des Glanzes des Uumlberna-tuumlrlichen sein Jede sakrale Liturgie tendiert auf einer gewissen Houmlhe an-hand eines Rituals dazu uns aus dem Banalen und Alltaumlglichen herauszu-holen nicht zu einem aumlsthetischen Zweck sondern um den Glaumlubigen nahezulegen daszlig die Handlung die vor ihren Augen vollzogen wird von Gott kommt Die Herrlichkeit der liturgischen Entfaltung verfolgt kein anderes Ziel sie weist darauf hin daszlig etwas Goumlttliches hereinbricht um die Erde zu beruumlhren Der hl Gregor der Groszlige der benediktinische Papst des 6 Jahrhunderts hat es in seinen Dia-logen geschrieben bdquoIn der Stunde des Opfers oumlffnet sich der Himmel wenn der Priester spricht In diesem Geheim-nis Jesu Christi sind die Choumlre der Engel anwesend Was oben ist vereinigt sich mit dem dem was unten ist Himmel und Erde vereinigen sich das Sicht-bare und das Unsichtbare sind nun eins gewordenldquo Die Feierlichkeit des Gottesdienstes ist integraler Bestandteil der katholi-schen Liturgie und soll als ein Element ihrer eigenen Botschaft gepflegt wer-den unter der Bedingung jedoch daszlig diese Feierlichkeit nicht ins Pom-poumlse oder Manieristische abgleitet Der groumlszligte Erfolg des Ornamentes ist so vollkommen zu sein daszlig man es ganz vergessen kann Die An-

haumlufung von Gemaumllden Stuckarbeit und Ornamentik im Tempel allein schafft noch keine Harmonie eben-sowenig wie im Gottesdienst der Redefluszlig Dort brauchen wir Genau-igkeit und Zuruumlckhaltung die unsere Vorfahren Anstand beziehungsweise Dezenz nannten decere - sagen was notwendig ist und geziemend Somit ist die Liturgie das Vorbild der Kunst Schoumlnheit in der Liturgie ist kein Lu-xus sie ist selbst die Vorbedingung fuumlr deren Existenz Die Liturgie lei-stet mehr als uns die Schoumlnheit der himmlischen Heimat zu beschreiben Sie oumlffnet uns die Tore des Himmelrei-ches Der Mensch tritt dort hinein mit seinem Koumlrper und seiner Seele Se-hen houmlren Riechen alles spricht zu ihm von Gott Unser Herr selbst gab das Beispiel einer Erziehung durch die Schoumlnheit die Gleichnisse sind

Dichtungen von zeitloser Schoumlnheit und bewundernswerter Lauterkeit bdquoBetrachtet die Lilien der Felder und die Voumlgel des Himmelsldquo

Von vielen Liturgieprofessoren hin- gegen houmlrt man heute daszlig der Mensch und seine Probleme die Ge-stalt der Liturgie bestimmen muumls-sen Wie stehen Sie zu dieser These

Ich weise diese These die nicht neu ist voumlllig zuruumlck Schon 1975 mahnte Kardinal Ratzinger bdquoDaher muszlig weit entschiedener als es bisher geschehen ist rationalistischer Verflachung ge-schwaumltzigem Zerreden und pastoraler Infantilitaumlt entgegengetreten wer-den die die Liturgie zum Gemeinde-kraumlnzchen degradiert und sie auf Bild-Zeitungs-Verstaumlndlichkeit herunter-schrauben will Auch die geschehenen

Himmlische Liturgie Ioannis spaumltes 17 Jahrh (Byzantinisch-christliches Museum in Athen)

47Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

Reformen besonders im Bereich der Rituale werden unter solchen Gesichts-punkten uumlberpruumlft werden muumlssen ldquo Die bdquoKreativitaumltldquo sagt Kardinal Ratzin-ger in dem Buch bdquoZur Lage des Glau-bensldquo hat bdquodie Liturgie in den Strudel des sbquoDo-it-yourselfrsquo hineingezogen und sie banalisiert weil man sie unserer Mittelmaumlszligigkeit angepaszligt hatldquo Zudem moumlchten einige Liturgieprofessoren eine erneute Anpassung weil sie mei-nen daszlig der Mensch und seine au-genblicklichen Probleme die Form der Liturgie bestimmen muumlssen Kardinal Ratzinger dagegen stellt uumlberzeugend fest daszlig die heute wirklich verbreitete Forderung nicht die nach einer saumlkularisierten Liturgie sei sondern im Gegenteil nach einer neuen Begegnung mit dem Sakralen durch einen Kult der die Gegenwart des Ewigen wiedererkennen lasse Fuumlrchten wir uns vor der Art von Ani-mateuren die sich einmischen um Neues in die Meszligfeier zu bringen nur um sie angeblich attraktiver machen zu wollen Kardinal Ratzinger stellt fest daszlig Liturgie keine Show sei kein Schauspiel fuumlr das geniale Regisseu-re und talentierte Schauspieler nouml-tig seien Die Liturgie lebe nicht von bdquoangenehmenldquo Uumlberraschungen von bdquogewinnendenldquo Einfaumlllen sondern von feierlichen Wiederholungen Sie koumlnne nicht Ausdruck des Aktuellen und seiner Vergaumlnglichkeit sein son-dern sie sei Ausdruck des Mysteri-ums des Heiligen So wird die Liturgie der Kirche die Definition realisieren die Dom Gueacuteranger for muliert bdquoDie Liturgie ist die Gesamtheit der Symbole der Gesaumlnge der Akte durch die die Kir-che ihre Religion gegenuumlber Gott aus-

druumlckt und kundtutldquo Diese Definition ist vergleichbar mit der von Papst Pius XII in seinem Rundschreiben bdquoMediator Deildquo die die koumlnigliche und priesterliche Rolle Christi bei jedem liturgischen Akt beleuchtet bdquoDie Li-turgie als Ganzes bildet deshalb den oumlffentlichen Kult den unser Erloumlser das Haupt der Kirche dem himmlischen Vater erweist Sie stellt den gesamten oumlffentlichen Kult des mystischen Leibes Jesu Christi dar seines Hauptes naumlm-lich und seiner Gliederldquo Diese beiden Definitionen lassen sich vereinen und in einer Kurzformel zusammenfassen die die braumlutliche Verbindung Christi mit seiner Kirche hervorhebt die Li-turgie ist der Gesang des Braumlutigams und der Braut

Von daher kann ja die Liturgie auch nur dann eine Schule christlicher Erziehung sein wenn sie die Heiligkeit Gottes abbildet Der Mensch unserer Tage aber der in der Regel von der Mediengesellschaft gepraumlgt wird ist manchmal nur schwer in der Lage die Schaumltze der Liturgie zu entdecken Wie kann man diesem Problem begegnen und wie muszlig heute eine Hinfuumlhrung zur Liturgie aussehen

Eine Hinfuumlhrung zur Liturgie muszlig nach zwei Methoden der Annaumlhe-rung geschehen Zuerst Den techni-sierten Barbaren der modernen Welt soll man sich mit der Geduld eines Raubtierjaumlgers naumlhern Man erweckt nicht gleich beim ersten Mal den Sinn fuumlr das Sakrale bei denjenigen die die Massenmedien manchmal hoff-nungslos im Geist deformiert haben

Daher muszlig man zuerst in das Schwei-gen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man ge-horcht bdquoDie Liturgieldquo sagt Mircea Elia-de bdquoist der Feind aller Improvisationldquo Dann Den ausgebildeten Glaumlubigen die einen festen Glauben haben aber mit dem Geist der Liturgie wenig ver-traut sind soll man die Symbolik der Gesten und Worte erklaumlren um auf-zuzeigen wie der Ritus den Glauben schult ihn beleuchtet ihn bereichert indem er der Seele den Sinn fuumlr die Anbetung erschlieszligt Die liturgische Bildung erwaumlchst aus der religioumlsen Bildung Man muszlig heute diesbe-zuumlglich ganz von vorne anfangen - in

der Familie im Freundeskreis - Zirkel bilden Magnetfelder des lebendigen Beispiels schaffen

Selbst bei Katholiken die noch den Glauben der Kirche vertreten herrscht manchmal die Meinung

Kardinal Ratzinger im Gespraumlch mit Dom Gerard

Man muszlig zuerst in das Schweigen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man gehorchtbdquoDie Liturgie ist der Feind aller Improvisationldquo

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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vor die Wahrheit der Dogmen sei unabhaumlngig von der Form wie sie in der Liturgie gefeiert werden So findet man beispielsweise auch bei rechtglaumlubigen Jugendbewegun-gen in Deutsch land die Verwen-dung von sogenanntem bdquoSacro-Popldquo in der Liturgie Warum und in welcher Weise muszlig der katholische Glaube die Form der Liturgie be-stimmen

Form und Inhalt bedingen und prauml-gen einander ob bewuszligt oder un-bewuszligt Deshalb gilt das alte Prinzip bdquoLex orandi lex credendildquo oder bdquoLe-gem credendi lex statuat supplican-dildquo das heiszligt das Gesetz des Ge-bets stellt das Gesetz des Glaubens fest und gliedert es die Kirche glaubt so wie sie betet Das Konzil hat in Artikel 59 der Liturgiekonstitution richtig bemerkt daszlig die Sakramente auf die Heiligung der Menschen hin-geordnet sind auf den Aufbau des Leibes Christi und schlieszliglich auf die Gott geschuldete Verehrung als Zeichen haben sie auch die Aufga-be der Unterweisung Den Glauben setzen sie nicht nur voraus sondern durch Wort und Ding naumlhren sie ihn auch staumlrken ihn und zeigen ihn an Ein Beispiel Hier ist ein Ehepaar das der sonntaumlglichen Pflicht zum Besuch der Heiligen Messe nicht mehr Folge leistet trotzdem moumlchten sie ihr Kind taufen lassen Der alte Taufritus - un-ter anderem mit den so zahlreichen eindrucksvollen Exorzismen - ist fuumlr sie ein Stuumlck lebendiger Theologie Eine Messe im klassischen roumlmi-

schen Ritus anlaumlszliglich einer Hochzeit oder eines Begraumlbnisses erweckt den Glauben an die Realpraumlsenz besser als einige Katechismusseiten Ein weiteres Beispiel Die Kirche Christi Braut und Leib ist die diffe-renzierteste strukturierteste hierar-chischste Gesellschaft die es gibt Welches Handbuch aber welche di-daktische Erklaumlrung wird uns die Ein-sicht in das Mysterium Ecclesiae er-schlieszligen Keine nur jenes lebendige Geheimnis das die liturgische Hand-lung vor unseren Augen entfaltet Der Vater Abt von Bec Helluin berichtet wie am Ende einer Pontifikalmes-se in den fuumlnfziger Jahren der auch protestantische Pastoumlre beiwohnten einer in einem Anfall von Begeiste-rung erschuumlttert ausgerufen habe bdquoIch habe die Kirche gesehenldquo Die geheimnisvolle Ursache fuumlr diesen ekstatischen Schrei ist nirgendwo an-ders zu suchen als in unserer Feier des Offiziums in ihrem Strom der voll ist von Religioumlsitaumlt von Gesaumlngen Wohl-geruumlchen erhabenen Formeln und Riten und der vom Altar durch die Diakone Subdiakone und alle ande-ren Ministranten herabflieszligt um im Kirchenschiff die Gemeinschaft der Glaumlubigen zu erfassen echte Akteure des liturgischen Dramas

Ein besonders gefaumlhrdetes Gebiet in der liturgischen Verwirrung un-serer Tage ist das der liturgischen Musik Welchen Stellenwert mes-sen Sie grundsaumltzlich der Musik im Hinblick auf die Liturgie bei

Der Vollzug der heiligen Liturgie draumlngt ihrer Natur nach zur Verklang-lichung weil die Liturgie vor allem Gesang des Himmels ist Als Kaiser Karl der Groszlige eines Tages seinen Minister Alkuin fragte bdquoSage mir was ist die Liturgieldquo da erhielt er die Ant-wort bdquoDie Liturgie das ist die Freude Gottesldquo Denn in der Heiligsten Drei-faltigkeit laumlszligt das Hin- und Zuruumlck-stroumlmen der Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater den geheimnisvollen Gesang der goumlttli-chen Gluumlckseligkeit aufsteigen bdquoDie ewige Zeugung des Wortes das ist der Lobgesang des sbquoOpus Deirsquo schlecht-hinldquo sagt Dom Romain Banquet Mit diesem unaussprechlichen Gesang vereinen sich die Auserwaumlhlten im Himmel in einem ununterbrochenen Lobpreis wie wir in der Geheimen Offenbarung des Johannes lesen bdquoDanach sah ich eine groszlige Schar aus allen Nationen und Staumlmmen Voumllkern und Sprachen niemand konnte sie zaumlh-len Sie standen in weiszligen Gewaumlndern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Haumlnden Sie riefen mit lauter Stimme Das Heil kommt von unserem Gott der auf dem Thron sitzt und von dem Lamm Und alle Engel standen rings um den Thron um die Aumlltesten und die vier Lebewesen Sie warfen sich vor dem Thron nieder beteten Gott an und sprachen Amen Lob und Herrlichkeit Weisheit und Dank Ehre und Macht und Staumlrke unse-rem Gott in alle Ewigkeitldquo (Apk 7 9-12) Die Liturgie der Erde ist keine andere als die des Himmels denn der Mysti-sche Leib Christi vereint die Kirche

Pontifikalamt in St Kunibert Koumlln (PMT-Hauptversammlung 2013)

49Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

51Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 5: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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schaudertldquo wie Kardinal Ratzinger in seinem Buch bdquoZur Lage des Glaubensldquo formuliert Einige Worte zur Feierlichkeit Man sollte sie vor allem nicht mit der Etikette verwechseln Die Feierlich-keit der Riten bedeutet keine schwe-re Last sie will durch ihre Transparenz Ausdruck des Glanzes des Uumlberna-tuumlrlichen sein Jede sakrale Liturgie tendiert auf einer gewissen Houmlhe an-hand eines Rituals dazu uns aus dem Banalen und Alltaumlglichen herauszu-holen nicht zu einem aumlsthetischen Zweck sondern um den Glaumlubigen nahezulegen daszlig die Handlung die vor ihren Augen vollzogen wird von Gott kommt Die Herrlichkeit der liturgischen Entfaltung verfolgt kein anderes Ziel sie weist darauf hin daszlig etwas Goumlttliches hereinbricht um die Erde zu beruumlhren Der hl Gregor der Groszlige der benediktinische Papst des 6 Jahrhunderts hat es in seinen Dia-logen geschrieben bdquoIn der Stunde des Opfers oumlffnet sich der Himmel wenn der Priester spricht In diesem Geheim-nis Jesu Christi sind die Choumlre der Engel anwesend Was oben ist vereinigt sich mit dem dem was unten ist Himmel und Erde vereinigen sich das Sicht-bare und das Unsichtbare sind nun eins gewordenldquo Die Feierlichkeit des Gottesdienstes ist integraler Bestandteil der katholi-schen Liturgie und soll als ein Element ihrer eigenen Botschaft gepflegt wer-den unter der Bedingung jedoch daszlig diese Feierlichkeit nicht ins Pom-poumlse oder Manieristische abgleitet Der groumlszligte Erfolg des Ornamentes ist so vollkommen zu sein daszlig man es ganz vergessen kann Die An-

haumlufung von Gemaumllden Stuckarbeit und Ornamentik im Tempel allein schafft noch keine Harmonie eben-sowenig wie im Gottesdienst der Redefluszlig Dort brauchen wir Genau-igkeit und Zuruumlckhaltung die unsere Vorfahren Anstand beziehungsweise Dezenz nannten decere - sagen was notwendig ist und geziemend Somit ist die Liturgie das Vorbild der Kunst Schoumlnheit in der Liturgie ist kein Lu-xus sie ist selbst die Vorbedingung fuumlr deren Existenz Die Liturgie lei-stet mehr als uns die Schoumlnheit der himmlischen Heimat zu beschreiben Sie oumlffnet uns die Tore des Himmelrei-ches Der Mensch tritt dort hinein mit seinem Koumlrper und seiner Seele Se-hen houmlren Riechen alles spricht zu ihm von Gott Unser Herr selbst gab das Beispiel einer Erziehung durch die Schoumlnheit die Gleichnisse sind

Dichtungen von zeitloser Schoumlnheit und bewundernswerter Lauterkeit bdquoBetrachtet die Lilien der Felder und die Voumlgel des Himmelsldquo

Von vielen Liturgieprofessoren hin- gegen houmlrt man heute daszlig der Mensch und seine Probleme die Ge-stalt der Liturgie bestimmen muumls-sen Wie stehen Sie zu dieser These

Ich weise diese These die nicht neu ist voumlllig zuruumlck Schon 1975 mahnte Kardinal Ratzinger bdquoDaher muszlig weit entschiedener als es bisher geschehen ist rationalistischer Verflachung ge-schwaumltzigem Zerreden und pastoraler Infantilitaumlt entgegengetreten wer-den die die Liturgie zum Gemeinde-kraumlnzchen degradiert und sie auf Bild-Zeitungs-Verstaumlndlichkeit herunter-schrauben will Auch die geschehenen

Himmlische Liturgie Ioannis spaumltes 17 Jahrh (Byzantinisch-christliches Museum in Athen)

47Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

Reformen besonders im Bereich der Rituale werden unter solchen Gesichts-punkten uumlberpruumlft werden muumlssen ldquo Die bdquoKreativitaumltldquo sagt Kardinal Ratzin-ger in dem Buch bdquoZur Lage des Glau-bensldquo hat bdquodie Liturgie in den Strudel des sbquoDo-it-yourselfrsquo hineingezogen und sie banalisiert weil man sie unserer Mittelmaumlszligigkeit angepaszligt hatldquo Zudem moumlchten einige Liturgieprofessoren eine erneute Anpassung weil sie mei-nen daszlig der Mensch und seine au-genblicklichen Probleme die Form der Liturgie bestimmen muumlssen Kardinal Ratzinger dagegen stellt uumlberzeugend fest daszlig die heute wirklich verbreitete Forderung nicht die nach einer saumlkularisierten Liturgie sei sondern im Gegenteil nach einer neuen Begegnung mit dem Sakralen durch einen Kult der die Gegenwart des Ewigen wiedererkennen lasse Fuumlrchten wir uns vor der Art von Ani-mateuren die sich einmischen um Neues in die Meszligfeier zu bringen nur um sie angeblich attraktiver machen zu wollen Kardinal Ratzinger stellt fest daszlig Liturgie keine Show sei kein Schauspiel fuumlr das geniale Regisseu-re und talentierte Schauspieler nouml-tig seien Die Liturgie lebe nicht von bdquoangenehmenldquo Uumlberraschungen von bdquogewinnendenldquo Einfaumlllen sondern von feierlichen Wiederholungen Sie koumlnne nicht Ausdruck des Aktuellen und seiner Vergaumlnglichkeit sein son-dern sie sei Ausdruck des Mysteri-ums des Heiligen So wird die Liturgie der Kirche die Definition realisieren die Dom Gueacuteranger for muliert bdquoDie Liturgie ist die Gesamtheit der Symbole der Gesaumlnge der Akte durch die die Kir-che ihre Religion gegenuumlber Gott aus-

druumlckt und kundtutldquo Diese Definition ist vergleichbar mit der von Papst Pius XII in seinem Rundschreiben bdquoMediator Deildquo die die koumlnigliche und priesterliche Rolle Christi bei jedem liturgischen Akt beleuchtet bdquoDie Li-turgie als Ganzes bildet deshalb den oumlffentlichen Kult den unser Erloumlser das Haupt der Kirche dem himmlischen Vater erweist Sie stellt den gesamten oumlffentlichen Kult des mystischen Leibes Jesu Christi dar seines Hauptes naumlm-lich und seiner Gliederldquo Diese beiden Definitionen lassen sich vereinen und in einer Kurzformel zusammenfassen die die braumlutliche Verbindung Christi mit seiner Kirche hervorhebt die Li-turgie ist der Gesang des Braumlutigams und der Braut

Von daher kann ja die Liturgie auch nur dann eine Schule christlicher Erziehung sein wenn sie die Heiligkeit Gottes abbildet Der Mensch unserer Tage aber der in der Regel von der Mediengesellschaft gepraumlgt wird ist manchmal nur schwer in der Lage die Schaumltze der Liturgie zu entdecken Wie kann man diesem Problem begegnen und wie muszlig heute eine Hinfuumlhrung zur Liturgie aussehen

Eine Hinfuumlhrung zur Liturgie muszlig nach zwei Methoden der Annaumlhe-rung geschehen Zuerst Den techni-sierten Barbaren der modernen Welt soll man sich mit der Geduld eines Raubtierjaumlgers naumlhern Man erweckt nicht gleich beim ersten Mal den Sinn fuumlr das Sakrale bei denjenigen die die Massenmedien manchmal hoff-nungslos im Geist deformiert haben

Daher muszlig man zuerst in das Schwei-gen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man ge-horcht bdquoDie Liturgieldquo sagt Mircea Elia-de bdquoist der Feind aller Improvisationldquo Dann Den ausgebildeten Glaumlubigen die einen festen Glauben haben aber mit dem Geist der Liturgie wenig ver-traut sind soll man die Symbolik der Gesten und Worte erklaumlren um auf-zuzeigen wie der Ritus den Glauben schult ihn beleuchtet ihn bereichert indem er der Seele den Sinn fuumlr die Anbetung erschlieszligt Die liturgische Bildung erwaumlchst aus der religioumlsen Bildung Man muszlig heute diesbe-zuumlglich ganz von vorne anfangen - in

der Familie im Freundeskreis - Zirkel bilden Magnetfelder des lebendigen Beispiels schaffen

Selbst bei Katholiken die noch den Glauben der Kirche vertreten herrscht manchmal die Meinung

Kardinal Ratzinger im Gespraumlch mit Dom Gerard

Man muszlig zuerst in das Schweigen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man gehorchtbdquoDie Liturgie ist der Feind aller Improvisationldquo

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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vor die Wahrheit der Dogmen sei unabhaumlngig von der Form wie sie in der Liturgie gefeiert werden So findet man beispielsweise auch bei rechtglaumlubigen Jugendbewegun-gen in Deutsch land die Verwen-dung von sogenanntem bdquoSacro-Popldquo in der Liturgie Warum und in welcher Weise muszlig der katholische Glaube die Form der Liturgie be-stimmen

Form und Inhalt bedingen und prauml-gen einander ob bewuszligt oder un-bewuszligt Deshalb gilt das alte Prinzip bdquoLex orandi lex credendildquo oder bdquoLe-gem credendi lex statuat supplican-dildquo das heiszligt das Gesetz des Ge-bets stellt das Gesetz des Glaubens fest und gliedert es die Kirche glaubt so wie sie betet Das Konzil hat in Artikel 59 der Liturgiekonstitution richtig bemerkt daszlig die Sakramente auf die Heiligung der Menschen hin-geordnet sind auf den Aufbau des Leibes Christi und schlieszliglich auf die Gott geschuldete Verehrung als Zeichen haben sie auch die Aufga-be der Unterweisung Den Glauben setzen sie nicht nur voraus sondern durch Wort und Ding naumlhren sie ihn auch staumlrken ihn und zeigen ihn an Ein Beispiel Hier ist ein Ehepaar das der sonntaumlglichen Pflicht zum Besuch der Heiligen Messe nicht mehr Folge leistet trotzdem moumlchten sie ihr Kind taufen lassen Der alte Taufritus - un-ter anderem mit den so zahlreichen eindrucksvollen Exorzismen - ist fuumlr sie ein Stuumlck lebendiger Theologie Eine Messe im klassischen roumlmi-

schen Ritus anlaumlszliglich einer Hochzeit oder eines Begraumlbnisses erweckt den Glauben an die Realpraumlsenz besser als einige Katechismusseiten Ein weiteres Beispiel Die Kirche Christi Braut und Leib ist die diffe-renzierteste strukturierteste hierar-chischste Gesellschaft die es gibt Welches Handbuch aber welche di-daktische Erklaumlrung wird uns die Ein-sicht in das Mysterium Ecclesiae er-schlieszligen Keine nur jenes lebendige Geheimnis das die liturgische Hand-lung vor unseren Augen entfaltet Der Vater Abt von Bec Helluin berichtet wie am Ende einer Pontifikalmes-se in den fuumlnfziger Jahren der auch protestantische Pastoumlre beiwohnten einer in einem Anfall von Begeiste-rung erschuumlttert ausgerufen habe bdquoIch habe die Kirche gesehenldquo Die geheimnisvolle Ursache fuumlr diesen ekstatischen Schrei ist nirgendwo an-ders zu suchen als in unserer Feier des Offiziums in ihrem Strom der voll ist von Religioumlsitaumlt von Gesaumlngen Wohl-geruumlchen erhabenen Formeln und Riten und der vom Altar durch die Diakone Subdiakone und alle ande-ren Ministranten herabflieszligt um im Kirchenschiff die Gemeinschaft der Glaumlubigen zu erfassen echte Akteure des liturgischen Dramas

Ein besonders gefaumlhrdetes Gebiet in der liturgischen Verwirrung un-serer Tage ist das der liturgischen Musik Welchen Stellenwert mes-sen Sie grundsaumltzlich der Musik im Hinblick auf die Liturgie bei

Der Vollzug der heiligen Liturgie draumlngt ihrer Natur nach zur Verklang-lichung weil die Liturgie vor allem Gesang des Himmels ist Als Kaiser Karl der Groszlige eines Tages seinen Minister Alkuin fragte bdquoSage mir was ist die Liturgieldquo da erhielt er die Ant-wort bdquoDie Liturgie das ist die Freude Gottesldquo Denn in der Heiligsten Drei-faltigkeit laumlszligt das Hin- und Zuruumlck-stroumlmen der Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater den geheimnisvollen Gesang der goumlttli-chen Gluumlckseligkeit aufsteigen bdquoDie ewige Zeugung des Wortes das ist der Lobgesang des sbquoOpus Deirsquo schlecht-hinldquo sagt Dom Romain Banquet Mit diesem unaussprechlichen Gesang vereinen sich die Auserwaumlhlten im Himmel in einem ununterbrochenen Lobpreis wie wir in der Geheimen Offenbarung des Johannes lesen bdquoDanach sah ich eine groszlige Schar aus allen Nationen und Staumlmmen Voumllkern und Sprachen niemand konnte sie zaumlh-len Sie standen in weiszligen Gewaumlndern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Haumlnden Sie riefen mit lauter Stimme Das Heil kommt von unserem Gott der auf dem Thron sitzt und von dem Lamm Und alle Engel standen rings um den Thron um die Aumlltesten und die vier Lebewesen Sie warfen sich vor dem Thron nieder beteten Gott an und sprachen Amen Lob und Herrlichkeit Weisheit und Dank Ehre und Macht und Staumlrke unse-rem Gott in alle Ewigkeitldquo (Apk 7 9-12) Die Liturgie der Erde ist keine andere als die des Himmels denn der Mysti-sche Leib Christi vereint die Kirche

Pontifikalamt in St Kunibert Koumlln (PMT-Hauptversammlung 2013)

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auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

51Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 6: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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Reformen besonders im Bereich der Rituale werden unter solchen Gesichts-punkten uumlberpruumlft werden muumlssen ldquo Die bdquoKreativitaumltldquo sagt Kardinal Ratzin-ger in dem Buch bdquoZur Lage des Glau-bensldquo hat bdquodie Liturgie in den Strudel des sbquoDo-it-yourselfrsquo hineingezogen und sie banalisiert weil man sie unserer Mittelmaumlszligigkeit angepaszligt hatldquo Zudem moumlchten einige Liturgieprofessoren eine erneute Anpassung weil sie mei-nen daszlig der Mensch und seine au-genblicklichen Probleme die Form der Liturgie bestimmen muumlssen Kardinal Ratzinger dagegen stellt uumlberzeugend fest daszlig die heute wirklich verbreitete Forderung nicht die nach einer saumlkularisierten Liturgie sei sondern im Gegenteil nach einer neuen Begegnung mit dem Sakralen durch einen Kult der die Gegenwart des Ewigen wiedererkennen lasse Fuumlrchten wir uns vor der Art von Ani-mateuren die sich einmischen um Neues in die Meszligfeier zu bringen nur um sie angeblich attraktiver machen zu wollen Kardinal Ratzinger stellt fest daszlig Liturgie keine Show sei kein Schauspiel fuumlr das geniale Regisseu-re und talentierte Schauspieler nouml-tig seien Die Liturgie lebe nicht von bdquoangenehmenldquo Uumlberraschungen von bdquogewinnendenldquo Einfaumlllen sondern von feierlichen Wiederholungen Sie koumlnne nicht Ausdruck des Aktuellen und seiner Vergaumlnglichkeit sein son-dern sie sei Ausdruck des Mysteri-ums des Heiligen So wird die Liturgie der Kirche die Definition realisieren die Dom Gueacuteranger for muliert bdquoDie Liturgie ist die Gesamtheit der Symbole der Gesaumlnge der Akte durch die die Kir-che ihre Religion gegenuumlber Gott aus-

druumlckt und kundtutldquo Diese Definition ist vergleichbar mit der von Papst Pius XII in seinem Rundschreiben bdquoMediator Deildquo die die koumlnigliche und priesterliche Rolle Christi bei jedem liturgischen Akt beleuchtet bdquoDie Li-turgie als Ganzes bildet deshalb den oumlffentlichen Kult den unser Erloumlser das Haupt der Kirche dem himmlischen Vater erweist Sie stellt den gesamten oumlffentlichen Kult des mystischen Leibes Jesu Christi dar seines Hauptes naumlm-lich und seiner Gliederldquo Diese beiden Definitionen lassen sich vereinen und in einer Kurzformel zusammenfassen die die braumlutliche Verbindung Christi mit seiner Kirche hervorhebt die Li-turgie ist der Gesang des Braumlutigams und der Braut

Von daher kann ja die Liturgie auch nur dann eine Schule christlicher Erziehung sein wenn sie die Heiligkeit Gottes abbildet Der Mensch unserer Tage aber der in der Regel von der Mediengesellschaft gepraumlgt wird ist manchmal nur schwer in der Lage die Schaumltze der Liturgie zu entdecken Wie kann man diesem Problem begegnen und wie muszlig heute eine Hinfuumlhrung zur Liturgie aussehen

Eine Hinfuumlhrung zur Liturgie muszlig nach zwei Methoden der Annaumlhe-rung geschehen Zuerst Den techni-sierten Barbaren der modernen Welt soll man sich mit der Geduld eines Raubtierjaumlgers naumlhern Man erweckt nicht gleich beim ersten Mal den Sinn fuumlr das Sakrale bei denjenigen die die Massenmedien manchmal hoff-nungslos im Geist deformiert haben

Daher muszlig man zuerst in das Schwei-gen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man ge-horcht bdquoDie Liturgieldquo sagt Mircea Elia-de bdquoist der Feind aller Improvisationldquo Dann Den ausgebildeten Glaumlubigen die einen festen Glauben haben aber mit dem Geist der Liturgie wenig ver-traut sind soll man die Symbolik der Gesten und Worte erklaumlren um auf-zuzeigen wie der Ritus den Glauben schult ihn beleuchtet ihn bereichert indem er der Seele den Sinn fuumlr die Anbetung erschlieszligt Die liturgische Bildung erwaumlchst aus der religioumlsen Bildung Man muszlig heute diesbe-zuumlglich ganz von vorne anfangen - in

der Familie im Freundeskreis - Zirkel bilden Magnetfelder des lebendigen Beispiels schaffen

Selbst bei Katholiken die noch den Glauben der Kirche vertreten herrscht manchmal die Meinung

Kardinal Ratzinger im Gespraumlch mit Dom Gerard

Man muszlig zuerst in das Schweigen einfuumlhren dann in die nuumlchterne Kunst der liturgischen Sprache in die Strenge eines Ritus dem man gehorchtbdquoDie Liturgie ist der Feind aller Improvisationldquo

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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vor die Wahrheit der Dogmen sei unabhaumlngig von der Form wie sie in der Liturgie gefeiert werden So findet man beispielsweise auch bei rechtglaumlubigen Jugendbewegun-gen in Deutsch land die Verwen-dung von sogenanntem bdquoSacro-Popldquo in der Liturgie Warum und in welcher Weise muszlig der katholische Glaube die Form der Liturgie be-stimmen

Form und Inhalt bedingen und prauml-gen einander ob bewuszligt oder un-bewuszligt Deshalb gilt das alte Prinzip bdquoLex orandi lex credendildquo oder bdquoLe-gem credendi lex statuat supplican-dildquo das heiszligt das Gesetz des Ge-bets stellt das Gesetz des Glaubens fest und gliedert es die Kirche glaubt so wie sie betet Das Konzil hat in Artikel 59 der Liturgiekonstitution richtig bemerkt daszlig die Sakramente auf die Heiligung der Menschen hin-geordnet sind auf den Aufbau des Leibes Christi und schlieszliglich auf die Gott geschuldete Verehrung als Zeichen haben sie auch die Aufga-be der Unterweisung Den Glauben setzen sie nicht nur voraus sondern durch Wort und Ding naumlhren sie ihn auch staumlrken ihn und zeigen ihn an Ein Beispiel Hier ist ein Ehepaar das der sonntaumlglichen Pflicht zum Besuch der Heiligen Messe nicht mehr Folge leistet trotzdem moumlchten sie ihr Kind taufen lassen Der alte Taufritus - un-ter anderem mit den so zahlreichen eindrucksvollen Exorzismen - ist fuumlr sie ein Stuumlck lebendiger Theologie Eine Messe im klassischen roumlmi-

schen Ritus anlaumlszliglich einer Hochzeit oder eines Begraumlbnisses erweckt den Glauben an die Realpraumlsenz besser als einige Katechismusseiten Ein weiteres Beispiel Die Kirche Christi Braut und Leib ist die diffe-renzierteste strukturierteste hierar-chischste Gesellschaft die es gibt Welches Handbuch aber welche di-daktische Erklaumlrung wird uns die Ein-sicht in das Mysterium Ecclesiae er-schlieszligen Keine nur jenes lebendige Geheimnis das die liturgische Hand-lung vor unseren Augen entfaltet Der Vater Abt von Bec Helluin berichtet wie am Ende einer Pontifikalmes-se in den fuumlnfziger Jahren der auch protestantische Pastoumlre beiwohnten einer in einem Anfall von Begeiste-rung erschuumlttert ausgerufen habe bdquoIch habe die Kirche gesehenldquo Die geheimnisvolle Ursache fuumlr diesen ekstatischen Schrei ist nirgendwo an-ders zu suchen als in unserer Feier des Offiziums in ihrem Strom der voll ist von Religioumlsitaumlt von Gesaumlngen Wohl-geruumlchen erhabenen Formeln und Riten und der vom Altar durch die Diakone Subdiakone und alle ande-ren Ministranten herabflieszligt um im Kirchenschiff die Gemeinschaft der Glaumlubigen zu erfassen echte Akteure des liturgischen Dramas

Ein besonders gefaumlhrdetes Gebiet in der liturgischen Verwirrung un-serer Tage ist das der liturgischen Musik Welchen Stellenwert mes-sen Sie grundsaumltzlich der Musik im Hinblick auf die Liturgie bei

Der Vollzug der heiligen Liturgie draumlngt ihrer Natur nach zur Verklang-lichung weil die Liturgie vor allem Gesang des Himmels ist Als Kaiser Karl der Groszlige eines Tages seinen Minister Alkuin fragte bdquoSage mir was ist die Liturgieldquo da erhielt er die Ant-wort bdquoDie Liturgie das ist die Freude Gottesldquo Denn in der Heiligsten Drei-faltigkeit laumlszligt das Hin- und Zuruumlck-stroumlmen der Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater den geheimnisvollen Gesang der goumlttli-chen Gluumlckseligkeit aufsteigen bdquoDie ewige Zeugung des Wortes das ist der Lobgesang des sbquoOpus Deirsquo schlecht-hinldquo sagt Dom Romain Banquet Mit diesem unaussprechlichen Gesang vereinen sich die Auserwaumlhlten im Himmel in einem ununterbrochenen Lobpreis wie wir in der Geheimen Offenbarung des Johannes lesen bdquoDanach sah ich eine groszlige Schar aus allen Nationen und Staumlmmen Voumllkern und Sprachen niemand konnte sie zaumlh-len Sie standen in weiszligen Gewaumlndern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Haumlnden Sie riefen mit lauter Stimme Das Heil kommt von unserem Gott der auf dem Thron sitzt und von dem Lamm Und alle Engel standen rings um den Thron um die Aumlltesten und die vier Lebewesen Sie warfen sich vor dem Thron nieder beteten Gott an und sprachen Amen Lob und Herrlichkeit Weisheit und Dank Ehre und Macht und Staumlrke unse-rem Gott in alle Ewigkeitldquo (Apk 7 9-12) Die Liturgie der Erde ist keine andere als die des Himmels denn der Mysti-sche Leib Christi vereint die Kirche

Pontifikalamt in St Kunibert Koumlln (PMT-Hauptversammlung 2013)

49Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

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liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 7: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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vor die Wahrheit der Dogmen sei unabhaumlngig von der Form wie sie in der Liturgie gefeiert werden So findet man beispielsweise auch bei rechtglaumlubigen Jugendbewegun-gen in Deutsch land die Verwen-dung von sogenanntem bdquoSacro-Popldquo in der Liturgie Warum und in welcher Weise muszlig der katholische Glaube die Form der Liturgie be-stimmen

Form und Inhalt bedingen und prauml-gen einander ob bewuszligt oder un-bewuszligt Deshalb gilt das alte Prinzip bdquoLex orandi lex credendildquo oder bdquoLe-gem credendi lex statuat supplican-dildquo das heiszligt das Gesetz des Ge-bets stellt das Gesetz des Glaubens fest und gliedert es die Kirche glaubt so wie sie betet Das Konzil hat in Artikel 59 der Liturgiekonstitution richtig bemerkt daszlig die Sakramente auf die Heiligung der Menschen hin-geordnet sind auf den Aufbau des Leibes Christi und schlieszliglich auf die Gott geschuldete Verehrung als Zeichen haben sie auch die Aufga-be der Unterweisung Den Glauben setzen sie nicht nur voraus sondern durch Wort und Ding naumlhren sie ihn auch staumlrken ihn und zeigen ihn an Ein Beispiel Hier ist ein Ehepaar das der sonntaumlglichen Pflicht zum Besuch der Heiligen Messe nicht mehr Folge leistet trotzdem moumlchten sie ihr Kind taufen lassen Der alte Taufritus - un-ter anderem mit den so zahlreichen eindrucksvollen Exorzismen - ist fuumlr sie ein Stuumlck lebendiger Theologie Eine Messe im klassischen roumlmi-

schen Ritus anlaumlszliglich einer Hochzeit oder eines Begraumlbnisses erweckt den Glauben an die Realpraumlsenz besser als einige Katechismusseiten Ein weiteres Beispiel Die Kirche Christi Braut und Leib ist die diffe-renzierteste strukturierteste hierar-chischste Gesellschaft die es gibt Welches Handbuch aber welche di-daktische Erklaumlrung wird uns die Ein-sicht in das Mysterium Ecclesiae er-schlieszligen Keine nur jenes lebendige Geheimnis das die liturgische Hand-lung vor unseren Augen entfaltet Der Vater Abt von Bec Helluin berichtet wie am Ende einer Pontifikalmes-se in den fuumlnfziger Jahren der auch protestantische Pastoumlre beiwohnten einer in einem Anfall von Begeiste-rung erschuumlttert ausgerufen habe bdquoIch habe die Kirche gesehenldquo Die geheimnisvolle Ursache fuumlr diesen ekstatischen Schrei ist nirgendwo an-ders zu suchen als in unserer Feier des Offiziums in ihrem Strom der voll ist von Religioumlsitaumlt von Gesaumlngen Wohl-geruumlchen erhabenen Formeln und Riten und der vom Altar durch die Diakone Subdiakone und alle ande-ren Ministranten herabflieszligt um im Kirchenschiff die Gemeinschaft der Glaumlubigen zu erfassen echte Akteure des liturgischen Dramas

Ein besonders gefaumlhrdetes Gebiet in der liturgischen Verwirrung un-serer Tage ist das der liturgischen Musik Welchen Stellenwert mes-sen Sie grundsaumltzlich der Musik im Hinblick auf die Liturgie bei

Der Vollzug der heiligen Liturgie draumlngt ihrer Natur nach zur Verklang-lichung weil die Liturgie vor allem Gesang des Himmels ist Als Kaiser Karl der Groszlige eines Tages seinen Minister Alkuin fragte bdquoSage mir was ist die Liturgieldquo da erhielt er die Ant-wort bdquoDie Liturgie das ist die Freude Gottesldquo Denn in der Heiligsten Drei-faltigkeit laumlszligt das Hin- und Zuruumlck-stroumlmen der Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater den geheimnisvollen Gesang der goumlttli-chen Gluumlckseligkeit aufsteigen bdquoDie ewige Zeugung des Wortes das ist der Lobgesang des sbquoOpus Deirsquo schlecht-hinldquo sagt Dom Romain Banquet Mit diesem unaussprechlichen Gesang vereinen sich die Auserwaumlhlten im Himmel in einem ununterbrochenen Lobpreis wie wir in der Geheimen Offenbarung des Johannes lesen bdquoDanach sah ich eine groszlige Schar aus allen Nationen und Staumlmmen Voumllkern und Sprachen niemand konnte sie zaumlh-len Sie standen in weiszligen Gewaumlndern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Haumlnden Sie riefen mit lauter Stimme Das Heil kommt von unserem Gott der auf dem Thron sitzt und von dem Lamm Und alle Engel standen rings um den Thron um die Aumlltesten und die vier Lebewesen Sie warfen sich vor dem Thron nieder beteten Gott an und sprachen Amen Lob und Herrlichkeit Weisheit und Dank Ehre und Macht und Staumlrke unse-rem Gott in alle Ewigkeitldquo (Apk 7 9-12) Die Liturgie der Erde ist keine andere als die des Himmels denn der Mysti-sche Leib Christi vereint die Kirche

Pontifikalamt in St Kunibert Koumlln (PMT-Hauptversammlung 2013)

49Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

51Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 8: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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auf Erden mit der im HimmelbdquoDas Wort Gottes hat bei seiner Menschwerdung in dieses Verban-nungsdasein hier auf Erden den Lob-gesang gebracht der alle Ewigkeit hindurch in den Houmlhen des Himmels erklingtldquo schreibt Papst Pius XII in der Enzyklika bdquoMediator Deildquo So emp-faumlngt die Kirche also ihren Gesang von Gott bevor sie ihn zum Himmel aufsteigen laumlszligt Die Kirche sieht im Gesang den vollkommensten Wider-schein der himmlischen Liturgie Da-her verstand sich die Liturgie fuumlr die Alten auch nie ohne Gesang Sie ist die Teilnahme an diesem Gesang der Auserwaumlhlten bei dem die Verschie-denheit der Stimmen sich in der Ein-stimmigkeit desselben Lobes vereint Gott ist unaussprechlich und die irdi-schen Worte allein reichen nicht um ihn zu loben Der Gesang uumlbersteigt in gewissem Sinn die Worte und ver-leiht ihnen eine houmlhere Dimension indem er versucht sie auf die unend-liche Groumlszlige Gottes abzustimmen Der hl Papst Pius X ergaumlnzt diesen Gedanken wenn er in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitudinildquo sagt daszlig der eigentliche Zweck des Gesanges ist dem Text selbst eine groumlszligere Wirk-samkeit zu verleihen Wir finden hier das alte Wort wieder bdquoQui bene can-tat bis oratldquo bdquoWer gut singt betet doppeltldquo Was sagt dazu die Kirche bdquoIhre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang ge-halten wirdldquo (SC 113) In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierung die dem loumlblichen Verlangen ent-springt den Kult zu verschoumlnern

Der Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kul-tes Bis zum 12Jahrhundert war die bdquoFeier der heiligen Geheimnisseldquo so bezeichnete man die Messe stets begleitet vom Gesang und vom Weihrauch weil die Darbringung des Opfers Vergegenwaumlrtigung des Kreuzesopfers und Teilnahme an der Liturgie des Himmels ist Und was ist wahre Kirchenmusik Welche Eigen-schaften muszlig der liturgische Gesang haben Der hl Papst Pius X fuumlhrt in seinem Motu proprio bdquoTra le sollecitu-dini drei Eigenschaften an Er muszlig die drei der Liturgie eigentuumlmlichen Qua-litaumlten besitzen die Heiligkeit und die Guumlte der Form aus der von selbst sein weiteres Merkmal erwaumlchst die Uni-versalitaumlt Diese Eigenschaften finden sich im houmlchsten Maszlige im Gregoria-nischen Gesang Kein anderes Konzil hat den Gregorianischen Choral so geadelt wie das IIVatikanum wenn es in Artikel 116 der Liturgiekonsti-

tution sagtbdquoDie Kirche betrachtet den Gregoria-nischen Choral als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesang demgemaumlszlig soll er in ihren liturgischen Handlun-gen wenn im uumlbrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind den ersten Platz einnehmenldquo Der Grego-rianische Choral ist als gesungenes Gebet mehr als eine Musik die zur Verschoumlnerung des Kultes bestimmt ist Bei groumlszligeren liturgischen Feier-lichkeiten koumlnnen auch der mehr-stimmige Gesang der Volksgesang und die Orgel einen Platz einnehmen unter der Voraussetzung daszlig der Kult nicht Scheingrund fuumlr ein Konzert wird wie Papst Pius XII in der Enzykli-ka bdquoMediator Deildquo betont

Wie koumlnnte es zu einer Wiederver-breitung des uumlberlieferten Schat-zes der Musica sacra kommen und welche Rolle faumlllt dabei dem Grego-rianischen Choral zu

Zunaumlchst eine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe in seinem juumlngsten Rundbrief berichtet der deutsche Franziskanerpater Gereon Goldmann einst der bdquoLumpensamm-ler von Tokioldquo uumlber eine Studienreise des Chores des Kirchenmusik-Institu-tes St Gregorius das er vor siebzehn Jahren in Tokio ge gruumlndet hat Ich darf Ihnen zitieren was er zu einem der Houmlhepunkte der Reise im Fran-ziskanerkloster zu Fulda schreibt bdquoEin zweiter Houmlhepunkt war dann die heilige Messe in unserer uumlberfuumlllten Klo-sterkirche Denn da erlebten die vielen Teilnehmer etwas was fuumlr alle wohl absolut neu war Der japanische Chor

Apokalypse des Johannes

In der Messe und beim goumlttlichen Offizium ist der Gesang keine beliebige Verzierungdie dem loumlblichen Verlangen entspringt den Kult zu verschoumlnernDer Gesang ist eine wesentliche Komponente des katholischen Kultes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

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liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 9: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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sang eine Messe in lateinischer Spra-che Choral und Motetten Das ist ja eine Kirchenmusik wie sie in Deutsch-land wohl nur ganz ganz selten es sei denn in einigen Kloumlstern noch zu houmlren ist Dazu war die Darbietung dieser Choumlre in der festlichen heiligen Messe so meisterhaft daszlig Fachleute der Kirchenmusik mir sagten es gaumlbe wohl keinen Chor weit und breit der so etwas singen und so vollkommen singen koumlnne Aber fast noch oumlfter wurde mir gesagt Wie diese Christen sich in Haltung und Benehmen im Gottesdienst und beim Empfang der heiligen Kommunion zeigten das habe noch tiefer beruumlhrt als die Musik Sie verstehen daszlig diese heilige Messe mit diesen zum groszligen Teil von mir selbst Getauften ein kleines geistliches Ernte-fest warldquo Ziehen wir eine Lehre daraus Unsere Glaumlubigen sollen und koumlnnen wieder zum Gregorianischen Gesang hinge-fuumlhrt und darin ausgebildet werden besonders hinsichtlich der Stuumlcke die dem Volk zukommen So koumlnnen sie ihre Stimmen im Wechselgesang mit dem Priester und dem Kirchen-chor ertoumlnen lassen denn dieser Gesang soll - wie gesagt ndash den er-sten Platz in der Liturgie einnehmen Die Hinfuumlhrung der Glaumlubigen zum Gregorianischen Choral muszlig uumlber die Responsorien beim Hochamt stufenweise hin zu den Meszligordina-rien erfolgen Bei einer Sakraments-andacht koumlnnen die Glaumlubigen zum Beispiel Tantum ergo Adoro te Ave verum Salve Regina ua una voce et corde singen Die Kirchenchoumlre soll-ten den Sinn fuumlr die Schoumlnheit bei allen Glaumlubigen erwecken indem

sie die Meisterwerke der klassischen Vokalpolyphonie zum Beispiel von Palestrina oder Vittoria in der Liturgie auffuumlhren Die Glaubenswahrheiten finden in einer durch die klassische Kirchenmusik verfeinerten Empfind-samkeit eine unersetzliche Reso-nanz Die Haltung und das Beneh-men der Glaumlubigen im Gottesdienst werden entsprechend sein

Heute ist die These weitverbreitet der Gregorianische Choral sei ein kulturelles Produkt vergangener Zeiten das zwar in Ehren gehalten werden muumlsse aber fuumlr die heutige Liturgie keinen Maszligstab mehr ab-geben koumlnne Was sagen Sie dazu

Dieser These ist energisch zu wider-sprechen Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch

- egal welcher Zeit und Kultur - an Tiefem und Universalem in sich traumlgt Die Musikforscher haben festgestellt daszlig der Gregorianische Choral dem Urgesang der Menschen verwandt ist den man zum Beispiel bei den afrikani-schen Staumlmmen noch erkennen kann Der Gesang der Paddelnen im Kongo ist hier zu nennen Sehr uumlberrascht hat Dom Gajard den beruumlhmten Chor-meister von Solesmes die Leichtigkeit mit der die Schwarzen die Gesaumlnge des Gregorianischen Chorals im Dom von Dakar ausfuumlhrten Das war na-tuumlrlich vor der nachkonziliaren Litur-giereform Der Gregorianische Choral ist die Musik keiner Epoche Er ist der tiefe Gesang der christlichen Seele Er druumlckt das besser aus als alle uumlbri-gen irdischen Gesaumlnge weil er uns in eine zeitlose Welt hineinfuumlhrt aus der jede naturalistische Ausdrucksweise verbannt ist Selbst in der Karwoche beeintraumlchtigen das Flehen und der Schmerz nicht die Ausgeglichenheit ei-nes Gesanges der uumlber dem Schmerz schwebt aumlhnlich wie der wunderbare griechisch-slawische Gesang Hinzu kommt beim Gregorianischen Choral noch ein verhaltendes Frohlocken das nur seinen Melodien eigen ist Die Mu-sik der Renaissance hat ein Feuer von unbestreitbarer Schoumlnheit entfacht Aber das ist nicht die der lateinischen Kirche gemaumlszlige Musik Die Romantik hat uns eine irrige Auffassung von der Kirchenmusik hinterlassen weil sie diese den Rhythmus der menschli-chen Leidenschaften ausdruumlcken lieszlig Die Braut Christi vermag sich auch nicht im Expressionismus wiederzu-erkennen der auf emotionale Ausbruuml-che Wert legt In Wirklichkeit muszlig die

bdquoTe Deumldquo in einer alten Handschrift

Der Gregorianische Choral druumlckt alles das aus was der Mensch - egal welcher Zeit und Kultur ndash an Tiefem und Universalem in sich traumlgt

51Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 10: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

51Dominus Vobiscum Nr 12 Maumlrz 2016

liturgische Musik anders beschaffen sein Andreacute Charlier schreibt bdquoDas Ziel der Kunst ist nicht die Leidenschaften zu erregen Wir erwarten von einem religioumlsen Kunstwerk daszlig es uns die Wirklichkeit der Mysterien wahrnehm-bar macht und uns das Tor zum Him-melreich oumlffnetldquo Zwei Jahrhunderte zuvor sagte Jean-Jacques Rousseau bdquoDie sakralen Gesaumlnge duumlrfen nicht den Aufruhr der menschlichen Leiden-schaften vergegenwaumlrtigen sondern die Majestaumlt dessen an den sie sich richten und die seelische Ausgegli-

chenheit derer die sie vortragenldquo Die Spirituals der Schwarzen atmen eine melancholische Traurigkeit Der binauml-re synkopierte Rhythmus gemahnt an die Ketten die die schwarzen Saumlnger von Lousiana fesselten Was dieser reli-gioumlsen Ausdrucksweise abgeht ist das Osterlicht die Freude des Himmels die Herrlichkeit der Freiheit der Kinder

Gottes die Eingang gefunden haben in das Reich der Liebe

Fuumlr die meisten Vertreter kirchen-musikalischer Gremien und Ver-baumlnde gilt heute eine Sicht der In-kulturation der Liturgie nach der die Formen die jahrhundertelang die Liturgie der Kirche auf der gan-zen Welt gepraumlgt haben nicht mehr uumlberall verwendet werden koumlnnen Wie beurteilen Sie diese Vorstel-lung innerhalb derer die jeweilige Kultur die Kirche und ihre Liturgie praumlgt und nicht umgekehrt

Wir haben es immer gesagt und sa-gen es heute wieder mit einer noch festeren Uumlberzeugung Strukturaumln-derungen werden uns nicht retten sondern nur die Erneuerung unseres tiefen Blickes So befolgen wir die Mahnung des hl Paulus im Roumlmer-brief bdquoMacht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen sondern wandelt euch

durch Erneuerung eures Denkensldquo (Roumlm 122)[hellip]Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines leben-digen Schatzes von dem zahlreiche Christen-Generationen zwanzig Jahr-hunderte hindurch gelebt haben und von dem auch die heutige Generati-on leben kann Denn diese liturgische Tradition ist missionarisch Schauen wir zum Beispiel auf die Jugendbe-wegung bdquoJeune Chreacutetienteacuteldquo oder die Bewegung fuumlr die Ausbildung und Heiligung junger Ehepaare Dies sind franzoumlsische Bewegungen die wegen der eben erwaumlhnten Gruumlnde an den fruumlheren Riten festhalten Denken Sie an die groszlige dreitaumlgige Pfingst-wallfahrt von Paris nach Chartres die jedes Jahr mehrere tausend Pilger an-zieht und versammelt Auch dort wird die heilige Messe nach dem klassi-schen roumlmischen Ritus zelebriert Kar-dinal Journet hat uns anlaumlszliglich seines Besuches 1972 gesagt bdquoMacht weiter so Ihr seid Zeugen ihr seid Orientie-rungspunkte und spaumlter wird man einmal erfahren was die groszlige katho-lische Liturgie warldquo Frankreich zaumlhlt auszliger unseren bei-den Abteien sechs bluumlhende Bene-diktinerabteien von Moumlnchen und Schwestern die fuumlr die taumlglichen Meszligfeiern wieder den klassischen rouml-mischen Ritus eingefuumlhrt haben Vie-le Dioumlzesanpriester sind uns fuumlr das Festhalten am fruumlheren Ritus dank-bar Unser Beispiel dieser Zelebration fuumlhrt vielfach dazu daszlig in Pfarreien

bdquoSanctusldquo in einer alten Handschrift

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin daszlig wir Zeugen und Huumlter der echten Liturgie sind nicht Huumlter einer fuumlr immer vergangenen liturgischen Tradition sondern Huumlter eines lebendigen Schatzes

bdquoLiturgie ist vor allem Gesang des Himmelsldquo

52

nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)

Page 11: „Liturgie ist vor allem Gesang des Himmels“ · Dom Gérard Calvet empfängt am 2. Juli desselben Jahres als erster Abt des Klosters die Weihe aus den Händen von Kardinal Mayer

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nach und nach eine wuumlrdige Zelebra-tion des neuen Ordo erfolgt Priester kommen zu uns um den klassischen roumlmischen Ritus zu erlernen oder wiederzuentdecken [hellip] Die Liturgie ist wesentlich Anbetung Die bdquodem Volk zugewandte Messeldquo ist eine Dummheit bdquoDie Gefahrldquo sagt Kardi-nal Ratzinger in seinem Buch bdquoDas Fest des Glaubensldquo bdquobesteht darin daszlig das Kommunitaumlre die Gemeinde zum geschlossenen Kreis macht der die aufsprengende trinitarische Dy-namik nicht mehr wahrnimmt die der Eucharistie ihre Groumlszlige gibt Dieser Vorstellung die sich mit der Idee einer autonomen sich selbst genuumlgenden Gemeinde trifft wird liturgische Erzie-hung mit allen Kraumlften entgegenwir-ken muumlssen Die Gemeinde dialogisiert nicht mit sich selbst sondern sie ist im gemeinsamen Aufbruch zum wieder-kommenden Herrn hinldquo [hellip] Sobald der sakrale Teil beginnt soll-te der Priester zum Altar steigen um dem dreimal heiligen Gott zuge-wandt das versoumlhnende Opfer dar-zubringen Beim bdquoTe igiturldquo hebt der Priester die Augen zum Kreuz und beugt sich tief in einer Haltung der Anbetung und Ehrerbietung Er wen-det sich dem Osten zu zum gekreu-

zigten Herrn der auch der Herr der Glorie ist denn aus dem Osten wird der Menschensohn zuruumlckkehren umgeben von seinen Engeln und mit groszliger Macht und Herrlichkeit Der zweite Aspekt einer solchen Orientie-rung ist der Jeden Morgen wendet sich der Priester der aufgehenden Sonne als schoumln stem kosmischen Bild des auferstandenen Christus zu Er ist ewig geboren aus dem Vater

und unaufhoumlrlich wiedergeboren und siegreich in den Herzen der Ge-tauften Das Schweigen waumlhrend des Kanons nach dem Gesang des Chores ist ein Schweigen der Anbetung in dem jedes geschaffene Wort vor dem Schoumlpfer verstummt Pater Bouyer bemerkt in seinem Buch vom bdquoGeist des Moumlnchstumsldquo dazu bdquoWie waumlre es zu wuumlnschen daszlig die Christenheit diesen ersten Sinn der Messe wiederfin-de diesen theozentrischen Sinn diese Ruumlckwendung der ganzen Menschheit des ganzen Universums zur einzigen wahren Heimat diese universelle im gekreuzigten und zum Himmel aufge-fahrenen Christus vollzogene Umkehr diese Zuruumlckholung aller Dinge in die unendliche Flut der goumlttlichen Liebe die als Liebe des Kindes wieder in die vaumlterliche Quelle einmuumlndetldquo [hellip]

Verkuumlndigungsengel (franzoumlsische Nationalbibliothek)

bdquoDisputa del Sacramentoldquo Stanzen des Raffael (Vatikanische Museen)