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AllesLeben

istYoga

„All life is Yoga.“ - Sri Aurobindo

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Sri Aurobindos Yoga

Sri AurobindoDie Mutter

Verlag Wilfried SchuhSri Aurobindo Digital Edition

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ALLES LEBEN IST YOGASri Aurobindos Yoga

Eine Zusammenstellung aus den Werken Sri Aurobindos und der Mutter

1. Ausgabe Februar 2016

ISBN 978-3-937701-47-9

© 2016 Verlag und FachbuchversandWilfried Schuh

Sri Aurobindo Digital Editionwww.auro.media

[email protected]

© Fotos und Textauszüge Sri Aurobindos und der Mutter:Sri Aurobindo Ashram Trust, Puducherry, Indien

Blume auf dem Cover:Nelumbo nucifera. Rosarot

Die von der Mutter gegebene spirituelle Bedeutung:Avatar – der Höchste auf Erden in einem Körper manifestiert.

Der rote Lotus ist Sri Aurobindos Blüte.

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Anmerkung des VerlagsEinfache Auszüge aus den Werken Sri Aurobindos und der Mutter sollen für die Sadhana eine praktische Orientierung zu bestimmten Themen geben. Die Themen behandeln das gesamte Feld menschlicher Aktivitäten, denn wahre Spiritualität ist nicht eine Abkehr vom Leben, sondern die Kunst, das Leben zu vervollkommnen.

Die Übersetzung der Textstellen von Sri Aurobindo erfolgte aus dem ur-sprünglichen Englisch, während die meisten Passagen der Mutter bereits Über-setzungen aus dem Französischen waren. Fast alle Texte der Mutter wurden ihren Gesprächen, die sie mit Kindern und Erwachsenen führte, entnommen, einige ihren Schriften. Wir müssen außerdem berücksichtigen, dass die Auszü-ge ihrem ursprünglichen Zusammenhang entnommen wurden und dass jede Zusammenstellung ihrer Natur nach möglicherweise einen persönlichen und subjektiven Charakter hat. Es wurde jedoch der aufrichtige Versuch unternom-men, der Vision Sri Aurobindos und der Mutter treu zu bleiben.

Die Textauszüge sind vom Verlag zum Teil mit Kapiteln und Überschrif-ten versehen worden, um das Thema der Textauszüge hervorzuheben. Sofern es möglich war, wurden sie in Anlehnung eines Satzes aus dem Text selbst gewählt.

Sri Aurobindo und die Mutter machen von der in der englischen Sprache gegebenen Möglichkeit, Worte groß zu schreiben, um ihre Bedeutung hervor-zuheben, häufig Gebrauch. Mit dieser Großschreibung bezeichnen sie meist Begriffe aus übergeordneten Daseinsbereichen, doch auch allgemeine Worte wie Licht, Friede, Kraft usw., wenn sie ihnen einen vom üblichen Gebrauch verschiedenen Sinn zuordnen. Diese Worte und Begriffe wurden in diesem Buch kursiv hervorgehoben, um dem Leser zu einer leichteren Einfühlung in diese subtilen Unterscheidungen zu verhelfen.

Eckige Klammern bezeichnen Einfügungen des Übersetzers, die um des besseren Verständnisses willen angebracht erschienen. Einige wenige Sanskrit-worte wie Sadhana, Sadhaka, Yoga usw. wurden eingedeutscht, da sie durch ih-ren häufigen Gebrauch bereits als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden können. Alle anderen Sanskritworte sind kursiv hervorgehoben, wobei auf diakritische Transskriptionszeichen verzichtet wurde.

Die kursiv geschriebenen Textpassagen vor den Worten Sri Aurobindos oder der Mutter sind Fragen bzw. Antworten von Schülern oder sonstige er-läuternde Texte.

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Teil I – Erläuterung grundlegender Begriffe

Sri Aurobindos MissionEvolution – Das langsame Werden einer GottheitDie Manifestation – Der Körper GottesDefinition einer göttlich gewordenen MenschheitDas Göttliche und das SupramentalDas seelische WesenDas Seelische und das Spirituelle

Teil II – Sri Aurobindos Lehre & praktische Methode

Sri Aurobindos LehreDas Neue in Sri Aurobindos YogaDie TransformationDie Öffnung der Tore des Supramentals für das Erd-BewusstseinDie Bedingungen für die VerwirklichungSpiritualität – die einzige Hoffnung auf Vollendung des MenschenDie praktische Methode des Yoga – Drei AspekteÜberantwortung – Das einzige wirksame MittelDie wichtigste ÜberantwortungDie Überantwortung von Angesicht zu AngesichtDas erste und das letzte Wort des Integralen Yoga

Literaturangabe

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Inhaltsverzeichnis

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Der Menschheit muss Yoga vermittelt werden, denn ohne ihn kann sie nicht den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung machen.

– Sri Aurobindo

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Teil I

Erläuterung grundlegender Begriffe

Sri Aurobindos Mission

Worte der Mutter

In der Natur gibt es eine aufsteigende Evolution vom Stein zur Pflanze, von der Pflanze zum Tier, vom Tier zum Menschen. Da der Mensch zur Zeit die letzte Sprosse am Gipfel der aufsteigenden Evolution ist, betrachtet er sich als die letzte Phase in diesem Anstieg und ist der Mei-nung, es kann auf Erden nichts geben, was über ihm stünde. Hierin hat er unrecht. In seiner physischen Natur ist er beinahe noch ein Tier, ein denkendes und sprechendes Tier zwar, doch in seinen körperlichen Gewohnheiten und Instinkten nichtsdestoweniger ein Tier. Zweifellos kann die Natur mit einem so unvollkommenen Ergebnis nicht zufrie-den sein; sie strebt danach, ein Wesen hervorzubringen, welches für den Menschen das sein wird, was der Mensch für das Tier ist, ein Wesen, das seiner äußeren Form nach ein Mensch bleiben wird, dessen Bewusstsein sich jedoch weit über das Mental und seine Versklavung an die Unwissenheit erhebt.

Sri Aurobindo kam auf die Erde, um den Menschen diese Wahr-heit zu lehren. Er sagte ihnen, der Mensch sei nur ein vergängliches Geschöpf, das in einem mentalen Bewusstsein lebe, jedoch die Mög-lichkeit besitze, ein neues Bewusstsein zu erlangen, das Wahrheits-Bewusstsein, und dass er ein Leben zu leben vermag, das vollkommen harmonisch sei, gut und schön, glücklich und voll bewusst. Während seines ganzen Lebens auf Erden widmete sich Sri Aurobindo der Gewinnung jenes Bewusstseins in sich, das er supramental nannte, sowie der Aufgabe, den um ihn versammelten Menschen dabei zu hel-fen, es zu verwirklichen.

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Evolution – Das langsame Werden einer Gottheit

Worte Sri Aurobindos

Alles Leben hier ist ein Stadium oder ein Umstand der fortschreiten-den Evolution eines Geistes, der sich in der Materie involviert hat und nun darauf hinarbeitet, sich in dieser widerstrebenden Substanz zu manifestieren. Dies ist das ganze Geheimnis des irdischen Daseins.

Doch der Schlüssel zu diesem Geheimnis ist nicht im Leben selbst oder im Körper zu suchen; das Schlüsselwort findet sich weder im Embryo noch im Organismus, denn diese sind nur physische Hilfs-mittel oder Grundlagen: das einzige wahrhaft bedeutsame Rätsel dieser Welt ist das Auftreten und Wachsen des Bewusstseins in der ungeheu-ren stummen Gedankenlosigkeit der Materie. Das Entweichen von Bewusstsein aus einer scheinbaren anfänglichen Unbewusstheit – ver-hüllt und latent war es stets zugegen, denn sogar die Unbewusstheit der Materie ist nur ein verkapptes Bewusstsein –, sowie das Ringen des Bewusstseins nach Selbstfindung, sein Streben nach der ihm ein-geborenen Ganzheit, Vollkommenheit, Freude, Stärke, Meisterschaft, Harmonie, Freiheit und nach seinem inhärenten Licht: dies ist das anhaltende Wunder und doch das natürliche und alles erklärende Phä-nomen, dessen Beobachter, Bestandteil, Werkzeug und Vermittler wir alles in einem sind.

Ein Bewusstsein, ein Sein, eine Macht, eine Freude waren hier von Anbeginn eingesperrt in dieser scheinbaren Leugnung ihrer selbst, dieser ursprünglichen Nacht, dieser Dunkelheit und Unwissenheit der materiellen Natur. Jenes, das ist und immer war, das für immer frei, vollkommen, ewig und unendlich ist, Jenes, das alles ist, Jenes, das wir Gott, Brahman oder Geist nennen, hat sich hier in sein eige-nes selbstgeschaffenes Gegenteil eingeschlossen. Der Allwissende ist in ein Nichtwissen untergetaucht, der Allbewusste in eine Unbewusstheit, der Allweise in eine fortwährende Unwissenheit. Der Allmächtige hat sich in einer unermesslichen kosmischen Trägheit verkörpert, die nur

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ihrem eigenen Antrieb gehorcht und nur durch Auflösung erschafft. Der Unendliche hat sich durch eine grenzenlose Zersplitterung zum Ausdruck gebracht. Der Allselige hat eine ungeheure Empfindungs-losigkeit angelegt, aus der er sich mit Kummer, Schmerz, Hunger und Begehren als seinen Mitteln freikämpft. Woanders ist das Göttli-che; hier im körperlichen Leben, in dieser düsteren materiellen Welt, scheint es beinahe so zu sein, als wäre das Göttliche noch nicht, son-dern sei erst im Werden, Theos ouk estin alla gignetai. Dieses allmähli-che Werden des Göttlichen aus seinen eigenen, phänomenal gegebenen Gegensätzen ist der Sinn und der Zweck der irdischen Evolution.

Das Wesen der Evolution besteht nicht in der Entwicklung eines immer besser organisierten Körpers oder eines immer leistungsfähi-geren Lebens – diese stellen nur die Maschinerie und die äußeren Umstände. Die Evolution ist das Ringen eines in der Materie schlaf-wandelnden Bewusstseins nach äußerstem Erwachen, nach höchster Freiheit, letzter und weitester Selbstfindung und nach völligem Besitz seiner selbst und aller seiner Möglichkeiten. Die Evolution ist die Emanzipation einer in Form und Kraft verborgenen Seele, die sich offenbart; sie ist das langsame Werden einer Gottheit, das Wachsen eines Geistes.

Der mentale Mensch ist weder das Ziel noch der Zweck, weder die Erfüllung noch der letzte und höchste Sinn dieser Evolution; er ist zu unbedeutend und zu unvollkommen, um das Endergebnis aller die-ser Geburtswehen der Natur zu sein. Der Mensch ist nicht endgültig; er ist ein Übergangswesen, ein instrumentales Provisorium.

Dieser Charakter der Evolution und diese überleitende Rolle des Menschen sind nicht sogleich offensichtlich. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte es so aussehen, als wäre die Evolution – zumindest die physische Evolution – mit dem Menschen als ihrem besten und doch so ärmlichen Ergebnis an ihrem Ende angelangt, als wären keine neuen Wesen, keine höheren Schöpfungen mehr zu erwarten. Dieser Anschein kann jedoch nur solange bestehen, wie wir unseren Blick auf die äußeren Formen richten statt auf die innere Bedeutung des gan-zen Vorgangs. Im Grunde sind nämlich die Materie, die körperliche

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Existenz und das Leben nichts anderes als die notwendigen Vorbedin-gungen der zu vollbringenden Aufgabe. Wenn es zutrifft, dass neue lebende Formen nicht länger spontan auftreten, dann nur deshalb nicht, weil die evolutionäre Kraft jetzt entweder überhaupt nicht oder nicht in erster Linie mit der Evolution solcher Formen beschäftigt ist, sondern vielmehr mit der Entfaltung neuer Fähigkeiten des Bewusst-seins. Sobald die Natur, die Göttliche Macht, einen aufrechten Körper geformt hatte, der zu denken und zu planen vermochte, der in der Lage war, sich selbst und die äußere Welt zu erforschen und bewusst auf die Welt und sich selbst einzuwirken, hatte sie, was sie zum Errei-chen ihres geheimen Ziels benötigte. Sie verwies alles andere auf den zweiten Rang und richtete alle ihre höheren Kräfte auf dieses lange verborgene Ziel. Bis dahin bestand alles in einer langen, sorgfältigen und beharrlichen Vorbereitung; die ganze Zeit hindurch war jedoch die Entwicklung des Bewusstseins mit dem Auftreten des Menschen als dem entscheidenden Wendepunkt in ihr eingehüllt als ihr letztes Anliegen und ihr wahres Ziel....

Die Natur mühte sich für ungezählte Millionen von Jahren, ein mit lodernden Sonnen und Sternsystemen erfülltes Weltall zu schaffen: für eine geringere, aber immer noch unabsehbare Anzahl von Jahrmillionen konzentrierte sie sich darauf, diese Erde zu einem bewohnbaren Planeten zu machen. Während dieser ganzen Zeit war sie allein mit der Evolution der Materie beschäftigt, zumindest dem Anschein nach; das Leben und das Mental blieben in einem schein-baren Nichtsein verborgen. Doch es kam die Zeit, da das Leben sich manifestieren konnte, zuerst als eine Schwingung im Metall, dann als ein Wachsen und Suchen, ein sich nach innen Zurückziehen und ein auswärts Fühlen in der Pflanze, schließlich als instinktmäßiges Verhal-ten und als Sinneswahrnehmung, als eine Verflechtung von Freude, Schmerz, Hunger, Empfindung, Angst und Kampf im Tier – ein ers-tes organisiertes Bewusstsein und der Anfang des so lange vorberei-teten Wunders. Von da an war sie nicht mehr ausschließlich mit der Materie um ihrer selbst willen beschäftigt, sondern vor allem mit dem pulsierenden, für die Lebensentfaltung geeigneten Protoplasma. Die

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Evolution des Lebens wurde zu ihrem einzigen mit Eifer verfolgten Ziel. Langsam manifestierte sich dann auch das Mental im Leben, erst als ein intensiv fühlendes, ein unfertiges denkendes und planen-des vitales Mental im Tier, im Menschen dann jedoch voll organisiert und ausgestattet als das zwar noch unvollkommene, aber sich ständig weiter entwickelnde mentale Wesen, als der Manu, das denkende, sin-nende, sich sehnende und bereits selbstbewusste Geschöpf. Und von diesem Zeitpunkt an war weniger eine tiefgreifende Veränderung des Lebens als vielmehr das Wachstum des Mentals – dieses wunderbare Abenteuer – ihre vorrangige Beschäftigung. Die Evolution des Kör-pers schien damit an ihrem Ende angelangt zu sein. Das Leben selbst evolvierte nur noch wenig und nur so weit, wie es dem Ausdruck des Mentals dienlich war, welches nun im lebenden Körper eine Erhöhung und Ausweitung erfuhr. Eine unsichtbare innere Evolution wurde die große Absicht und Leidenschaft der Natur....

Das Mental ist nicht alles; jenseits des Mentals gibt es ein grö-ßeres Bewusstsein; es gibt ein Supramental und einen Geist. So wie die Natur im Tier, dem vitalen Wesen, darum bemüht war, aus ihm heraus den Menschen zu manifestieren, den Manu, den Denker, so müht sie sich hart im Menschen, dem mentalen Wesen, um aus ihm heraus eine spirituelle und supramentale Gottheit zu manifestieren, den wahrheitsbewussten Seher, den durch Wesenseinheit Erkennen-den, das verkörperte Transzendente und Universale in der individuellen Natur.

Von der Scholle und dem Metall zur Pflanze, von der Pflanze zum Tier, vom Tier zum Menschen – soweit hat ihre Reise sie bisher geführt; ein gewaltiger Abschnitt oder ein riesiger Sprung steht ihr noch bevor. Wie einst von der Materie zum Leben und vom Leben zum Mental, so muss sie nun vom Mental zum Supramental überge-hen, vom Menschen zum Übermenschen. Dies ist der Abgrund, den sie zu überbrücken hat, das äußerste Wunder, das sie zu vollbringen hat, ehe sie sich von ihrem Kampf und ihrer Unzufriedenheit erholen und verherrlicht und verwandelt im Glanz jenes höchsten Bewusst-seins stehen kann, zufrieden mit ihrer Arbeit....

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Die Manifestation – Der Körper Gottes

Worte Sri Aurobindos

Die Involution eines überbewussten Geistes in die unbewusste Materie ist der geheime Grund für diese sichtbare und augenscheinliche Welt. Das Schlüsselwort des Erdenrätsels ist die schrittweise Evolution einer verborgenen grenzenlosen Bewusstheit und Macht aus der scheinbar trägen, jedoch unbändig getriebenen Kraft der empfindungslosen Natur. Das Erdenleben ist die auserwählte Heimstatt einer mächtigen Gottheit, deren Wille seit Äonen darauf gerichtet ist, es aus einem fins-teren Gefängnis in ein prächtiges Schloss und einen hoch zum Him-mel strebenden Tempel zu verwandeln....

Diese Gottheit – ob nun in unserem Innern oder außerhalb in Gegenständen, Kräften und Geschöpfen – nahm ihren Anfang in einer Involution in die Unbewusstheit der Natur und begann mit der Mani-festation ihrer scheinbaren Gegensätze. Der Geist in der Materie hat sich dafür entschieden, seine Macht, sein Licht, seine Unendlichkeit und seine Seligkeit aus einer unermesslichen kosmischen Unbewusst-heit, Trägheit und Empfindungslosigkeit heraus zu entfalten, einer anfänglichen Verkleidung, die an Nichtsein grenzt, und sie allmählich wie aus einem widerstrebenden und nur langsam nachgebenden Mate-rial herauszuarbeiten.

Die Bedeutung der irdischen Evolution liegt in dieser allmähli-chen Befreiung eines latenten, der Natur innewohnenden Geistes. Der Kernpunkt ihres Geheimnisses ist das beschwerliche in Erscheinung Treten, das zögernde Werden eines göttlichen Etwas oder Jemand, das oder der bereits in der physischen Natur involviert ist. Der Geist ist mit all seinen potentiellen Kräften in einer ersten geformten Grundlage seiner eigenen formbaren, zugleich aber auch widerstrebenden Subs-tanz zugegen. Seine größeren, später und mit Bedacht in Erscheinung tretenden Ausdrucksweisen – Leben, Mental, Intuition, Seele, Sup-ramental und das Licht der Gottheit – sind bereits vorhanden, wenn

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auch in das anfängliche Vermögen und die zuerst offenbarten Eigen-schaften der Materie eingeschlossen und darin bis zur Unkenntlichkeit verdichtet.

Ehe irgendeine Art von Evolution vor sich gehen konnte, musste notwendigerweise diese Involution der zu offenbarenden Göttlichen Gesamtheit stattgefunden haben. Sonst wäre keine geordnete und sinnvolle Evolution erfolgt, sondern eine sukzessive Schöpfung unvor-hersehbarer Dinge, die weder im Vorausgegangenen enthalten noch dessen unausweichliche Konsequenzen oder Nachfolger (entsprechend einer bestimmten Reihenfolge) hätten sein können.

Diese Welt ist keine von einem unerklärlichen Zufall regierte Scheinordnung. Ebensowenig ist sie ein imposanter Mechanismus, den eine von einem Glücksfall zum anderen stolpernde unbewusste Kraft oder mechanische Notwendigkeit auf wundersame Weise aus-geklügelt hat. Sie ist nicht einmal eine von einem außerhalb seiner Schöpfung stehenden und darum notwendig begrenzten Schöpfer nach seiner Laune oder Willkür errichtete Struktur. Jede dieser mögli-chen Theorien kann eine Seite oder Ansicht der Dinge erklären; aber nur einer größeren Wahrheit wird es gelingen, alle Seiten des Rätsels zusammenzufügen und sie als Gesamtheit zu erhellen.

Wenn alles tatsächlich das Ergebnis eines kosmischen Zufalls wäre, bestünde keinerlei Notwendigkeit zu einem weiteren Schritt nach vorn. Nichts dem Mental Überlegenes bräuchte in der materi-ellen Welt zu erscheinen, so wie ja dann auch schon für das Mental keine Notwendigkeit bestanden hätte, aus dem blinden und sinnlosen materiellen Wirbel aufzutauchen. Das Bewusstsein wäre eine zufällige Begleiterscheinung, eine sonderbare sinnestäuschende Reflexion oder ein bloßer Spuk der Materie.

Wenn sich andererseits alles auf das Wirken einer mechanischen Kraft zurückführen ließe, dann hätte das Mental ebensowenig als ein Teil der riesigen knirschenden Maschinerie zu erscheinen brauchen; nichts hätte diese feinere und noch weniger kompetente, diese unge-schickte mechanische Vorrichtung erforderlich gemacht. Kein anfälli-ges denkendes Gehirn wäre vonnöten gewesen, sich zusätzlich zu den

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völlig ausreichenden Zahnrädern, Federn und Kolben der ursprüng-lich fehlerfreien Maschine abzumühen. In noch höherem Maße wäre es überflüssig und eine edle Unverschämtheit, zu dieser bereits genü-gend schmerzhaft-genialen Komplikation noch ein Supramental hin-zuzufügen. Dabei könnte es sich um nichts anderes handeln als den ungerechtfertigten Anspruch des vergänglichen Bewusstseins, über die größere unbewusste Kraft zu verfügen, die sein Schöpfer ist.

Wenn schließlich ein experimentierender, außerweltlicher und deshalb in seiner Macht begrenzter Schöpfer der Erfinder des leidvol-len Lebens der Tiere, des unbeholfenen Mentals der Menschen und dieses riesigen, so gut wie ungenutzten und unnützen Weltalls wäre, dann gäbe es keinen Grund, weshalb er sich nicht mit der einzigar-tigen Genialität seiner Arbeit zufrieden gegeben und mit einer men-talen Intelligenz in seinen Geschöpfen begnügt hätte. Selbst wenn er allmächtig und in Besitz absoluter Weisheit wäre, könnte er durch-aus an dieser Stelle haltmachen. Ginge er nämlich weiter, so liefe sein Geschöpf Gefahr, dem Rang seines Schöpfers zu nahe zu rücken.

Wenn es aber wahr ist, dass ein unendlicher Geist, eine ewige Göttliche Gegenwart, ein Bewusstsein und eine Kraft und Seligkeit hier involviert und verborgen ist und langsam hervortritt, dann ist es unausweichlich, dass ihre Mächte – oder die verschiedenen Grade ihrer einen Macht – ebenfalls eine um die andere hervortreten, bis die ganze Herrlichkeit manifestiert und ein göttliches Faktum verkörpert, dynamisch und sichtbar ist.

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Worte Sri Aurobindos

Das Göttliche, das wir verehren, ist nicht nur eine ferne außerkosmi-sche Wirklichkeit, sondern eine halbverhüllte Manifestation, die uns hier im Universum gegenwärtig und nahe ist. Das Leben ist das Feld für eine noch nicht vollendete göttliche Offenbarung: wir müssen hier im Leben, auf der Erde, im Körper – ihaiva [selbst hier], wie die Upa-nishaden betonen –, die Gottheit enthüllen; hier müssen wir unserem

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Bewusstsein ihre transzendente Größe, ihr Licht und ihre wunderbare Lieblichkeit zu etwas Wirklichem machen. Hier müssen wir das Gött-liche besitzen und, soweit das möglich ist, zum Ausdruck bringen.

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Definition einer göttlich gewordenen Menschheit

Worte Sri Aurobindos

Bei unserem Yoga nehmen wir uns vor, das begrenzte, nach außen schauende Ego zu verbannen und an seiner Stelle Gott als den Gebieter der Natur auf den Thron zu erheben. Das bedeutet in erster Linie, dass wir das Begehren enterben und den Genuss der Begierden nicht länger als das vorherrschende menschliche Motiv anerkennen. Das spirituelle Leben wird das, was es zu seiner Förderung benötigt, nicht aus dem Begehren beziehen, sondern aus einem reinen und selbstlo-sen spirituellen Entzücken einer essentiellen Existenz. Nicht nur die vitale Natur in uns, die durch das Begehren geprägt wird, sondern ebenso das mentale Wesen muss sich einer neuen Geburt und einer Umwandlung unterziehen. Unser zerteiltes, egoistisches, begrenztes und unwissendes Denken mit seiner Intelligenz muss verschwin-den; an seine Stelle muss das allumfassende fehlerlose Spiel einer schattenlosen göttlichen Erleuchtung einströmen, die schließlich die Vollendung in einem natürlichen, aus dem Selbst existierenden Wahr-heits-Bewusstsein finden soll, das von der tastenden Halbwahrheit und dem strauchelnden Irrtum frei ist. Unser verworrenes und gehemmtes, im Ego zentriertes, von kleinlichen Motiven getriebenes Wollen und Handeln muss aufhören und einer göttlich motivierten und gelenk-ten Kraft Platz machen, damit diese total, rasch, mächtig und licht-voll automatisch wirken kann. Es muss in all unser Tun ein höchster, apersonaler, unerschrockener und unbeirrbarer Wille eingepflanzt und dort aktiviert werden, der in spontanem und harmonischem Einklang mit dem Willen des Göttlichen steht. Wir müssen das unbefriedigende

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oberflächliche Spiel unserer schwachen egoistischen Gemütsbewe-gungen ausschalten. Statt ihrer muss sich ein weites seelisches Herz aus seinen geheimen Tiefen offenbaren, das im Innern, hinter jenen Gefühlen, auf seine Stunde wartet. Dann werden alle unsere Gefühle, die von diesem innersten Herzen, dem Sitz des Göttlichen, angeregt werden, in die ruhigen und intensiven Regungen einer Zwillingslei-denschaft des göttlichen und vielfältigen Ananda umgewandelt wer-den. Auf diese Weise lässt sich eine göttlich gewordene Menschheit oder ein supramentales Menschentum definieren.

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Das Göttliche und das Supramental

Worte Sri Aurobindos

Das Göttliche hat für uns drei Aspekte:1. Das Kosmische Selbst, der Kosmische Geist, der in und hinter

allen Dingen und Wesen steht, von dem und in dem alles im Univer-sum manifestiert ist – obwohl es jetzt noch eine Manifestation in der Unwissenheit ist.

2. Es ist der Geist und Meister unseres innersten Wesens, dem zu dienen und dessen Willen in all unseren Bewegungen auszudrücken wir lernen müssen, damit wir aus der Unwissenheit in das Licht wachsen.

3. Das Göttliche ist das transzendente Wesen, der transzendente Geist, es ist ganz Seligkeit und Licht, göttliches Wissen und göttliche Macht; zu jenem höchsten göttlichen Dasein und seinem Licht müs-sen wir uns erheben und seine Wirklichkeit mehr und mehr in unser Bewusstsein und Leben herabbringen.

In der gewöhnlichen Natur leben wir in der Unwissenheit und kennen das Göttliche nicht. Die Kräfte der gewöhnlichen Natur sind ungöttliche Kräfte, denn sie weben einen Schleier aus Ego, Begehren und Unbewusstheit, der uns das Göttliche verbirgt. Um in das höhere

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und tiefere Bewusstsein einzutreten, welches das Göttliche erkennt und lichthaft im Göttlichen lebt, müssen wir uns von den Kräften der niederen Natur befreien, wir müssen uns dem Wirken der Göttli-chen Shakti öffnen, die unser Bewusstsein in das der Göttlichen Natur umwandeln wird.

Das ist die Auffassung des Göttlichen, von der wir auszugehen haben; die Verwirklichung seiner Wahrheit kann erst mit dem Sich-Öffnen des Bewusstseins und dessen Wandlung eintreten.

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Worte Sri Aurobindos

Dieses Selbst und diesen Geist hier in allen Existenzen zu sehen, zu fühlen, zu empfinden, in jeder Art zu berühren – ihn also nicht allein begrifflich zu erfassen – und mit derselben Lebhaftigkeit alle Existen-zen in diesem Selbst und Geist zu fühlen, ist die fundamentale Erfah-rung, die alles andere Wissen umfassen muss.

Dieses unendliche und ewige Selbst der Dinge ist eine allgegen-wärtige Wirklichkeit, es ist überall ein einziges Da-sein; es ist eine einzige alles vereinende Gegenwart, die in verschiedenen Geschöpfen nicht verschiedenartig ist. Man kann ihm in seiner Vollständigkeit in jeder Seele oder Gestaltung im Universum begegnen, es sehen oder fühlen. Denn seine Unendlichkeit ist geistig und wesenhaft; sie ist nicht nur eine Grenzenlosigkeit im Raum oder eine Endlosigkeit in der Zeit; man kann das Unendliche im unendlich kleinen Atom oder in einer Zeitsekunde ebenso überzeugend fühlen wie in der Ausdehnung der Äonen oder der erschreckenden Unermesslichkeit der Räume zwi-schen den Gestirnen. Das Wissen oder die Erfahrung dieses unend-lichen und ewigen Selbsts kann an einem beliebigen Punkt beginnen und sich durch irgendetwas zum Ausdruck bringen; denn das Göttliche ist in allem, und alles ist das Göttliche.

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Worte Sri Aurobindos

Das Göttliche und die Wahrheit haben immer eine persönliche und eine unpersönliche Seite, und es ist ein Fehler anzunehmen, dass allein die unpersönliche wahr oder wichtig ist; denn wenn man nur einer Seite Genüge tut, führt das in einem Teil des Wesens zu einer leeren Unvollkommenheit. Das Unpersönliche ist Sache des intellektuellen Mentals und des statischen Selbsts, das Persönliche hingegen ist Sache der Seele, des Herzens und des dynamischen Wesens. Jene, die das persönliche Göttliche außer acht lassen, übersehen etwas, das tief und wesentlich ist.

*

Worte Sri Aurobindos

Das Göttliche kann überall sein und ist überall, verhüllt oder offenbart oder im Begriff, sich zu offenbaren, auf allen Ebenen des Bewusstseins; im Supramental beginnt es, sich ohne Maske oder Verhüllung in seiner eigenen, wahren Form, svarupa, zu offenbaren.

*

Worte Sri Aurobindos

Dieses Supramental, das alles in sich enthält, alles verursacht und alles auf das Höchste erfüllt, müssen wir als die Natur des Göttlichen Wesens erkennen, und zwar nicht in seinem absoluten Selbst-Sein, sondern in seinem Wirken als Herr und Schöpfer seiner eigenen Welten. Das ist die Wahrheit dessen, was wir Gott nennen.

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Das seelische Wesen

Worte Sri Aurobindos

1Das Seelische kann nicht als derjenige Teil bezeichnet werden, der sich in direkter Berührung mit der supramentalen Ebene befindet –, doch ist einmal die Verbindung mit dem Supramental hergestellt, dann ist sie es, die am unmittelbarsten darauf reagiert. Unser seelischer Wesensteil stammt direkt vom Göttlichen und steht in Kontakt mit dem Göttlichen. Seinem Ursprung nach ist er ein Zentrum voller gött-licher Möglichkeiten, das diese niedere dreifache Manifestation von Mental, Leben und Körper trägt. Es gibt dieses göttliche Element in allen lebenden Wesen, doch ist es hinter dem gewöhnlichen Bewusst-sein verborgen, ist zunächst nicht entwickelt, und selbst wenn es ent-wickelt ist, tritt es nicht immer hervor; es verleiht sich in dem Maße Ausdruck, wie es die Unvollkommenheit seiner Instrumente erlaubt, und ist an deren Mittel und Begrenzungen gebunden. Es wächst an Bewusstsein durch die auf Gott gerichtete Erfahrung und gewinnt jedes Mal Kraft, wenn eine höhere Regung in uns ist; schließlich wird durch die Anhäufung dieser tieferen und höheren Regungen eine seeli-sche Individualität entwickelt – das, was wir meist das seelische Wesen nennen. Das seelische Wesen ist immer die wahre, doch oft verborgene

1 Jemand hatte gefragt, was das seelische Wesen sei, ob es als derjenige Teil des We-sens bezeichnet werden könne, der immer in direktem Kontakt mit dem Supramental stehe. Ich antwortete, dass man es nicht so formulieren könne. Denn das seelische We-sen in Tieren oder in den meisten Menschen steht nicht in direktem Kontakt mit dem Supramental, daher könne man es auch nicht derart ausdrücken. Doch ist einmal die Verbindung zwischen dem Supramental und dem menschlichen Bewusstsein hergestellt, dann ist es das seelische Wesen, das am bereitwilligsten darauf reagiert – bereitwilliger als Mental, Vital oder Körper. Man könnte hinzufügen, dass es auch eine reinere Reaktion sei; Mental, Vital und Körper erlauben anderen Dingen, sich in ihre Empfangsbereit-schaft für den supramentalen Einfluss zu mischen und seine Wahrheit zu entstellen. Die Seele ist rein in ihrer Reaktion und lässt eine derartige Vermischung nicht zu. Die supramentale Veränderung kann nur dann stattfinden, wenn die Seele wach ist und zur hauptsächlichen Stütze der herabkommenden supramentalen Macht wird.

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Ursache dafür, dass sich ein Mensch dem spirituellen Leben zuwendet, und ist für diesen Schritt seine größte Hilfe. Aus diesem Grund müs-sen wir es im Yoga aus dem Hintergrund hervortreten lassen.

Das Wort „Seele“ wie auch das Wort „seelisch“ werden in der englischen Sprache sehr unbestimmt und mit ganz unterschiedli-cher Bedeutung gebraucht. Sehr häufig wird in der gewöhnlichen Umgangssprache kein deutlicher Unterschied zwischen Mental und Seele gemacht, und ein noch ernster zu nehmendes Durcheinander entsteht dadurch, dass mit den Worten „Seele“ und „seelisch“ das vitale Begierdenwesen – die falsche Seele oder Begierdenseele – bezeichnet wird und nicht die wahre Seele, das seelische Wesen. Das seelische Wesen ist vom Mental oder Vital völlig verschieden; es steht hinter ihnen, dort wo diese sich im Herzen treffen. Dies ist sein zentraler Ort, doch eher hinter dem Herzen als im Herzen; denn was die Menschen gewöhnlich das Herz nennen, ist der Sitz des Gefühls, und mensch-liche Gefühle sind mental-vitale Impulse und im Allgemeinen nicht von seelischer Natur. Diese meist verborgene Macht im Hintergrund ist von Mental und Lebenskraft verschieden, sie ist die wahre Seele, das seelische Wesen in uns. Die Macht des Seelischen besteht darin, auf Mental, Vital und Körper einzuwirken, sie vermag das Denken, die Wahrnehmung, das Gefühl (welches dann ein seelisches Gefühl wird) sowie die Empfindung und Tat und alles Übrige in uns zu läutern und sie auf diese Weise darauf vorbereiten, zu göttlichen Regungen zu werden.

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Worte der Mutter

Wie kann man seine seelische Personalität wachsen lassen?

Durch alle Erfahrungen des Lebens formt sich die seelische Personali-tät, sie wächst, entwickelt sich und wird schließlich ein vollständiges, bewusstes und freies Wesen.

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Dieser Entwicklungsprozess setzt sich unermüdlich durch unzäh-lige Leben fort, und wenn man sich dessen nicht bewusst ist, so des-halb, weil man sich seines seelischen Wesens nicht bewusst ist, denn das ist der unerlässliche Ausgangspunkt. Durch Verinnerlichung und Konzentration muss man in bewussten Kontakt mit seinem seelischen Wesen treten. Dieses seelische Wesen hat stets einen Einfluss auf das äußere Wesen, doch ist dieser Einfluss beinahe immer verborgen, er wird weder gesehen noch gefühlt, es sei denn bei wahrhaft außerge-wöhnlichen Gelegenheiten.

Um den Kontakt zu stärken und, wenn möglich, die Entwick-lung der bewussten seelischen Personalität zu fördern, sollte man sich während der Konzentration ihr zuwenden und danach streben, sie zu erkennen und zu fühlen, man sollte sich öffnen, um ihren Einfluss zu empfangen, und große Sorge tragen, dass man jedes Mal, wenn man einen Hinweis von ihr empfängt, ihm sehr genau und gewissenhaft folgt. In großer Aspiration zu leben, dafür zu sorgen, dass man inner-lich möglichst ruhig wird und bleibt, eine vollkommene Aufrichtig-keit in allen Tätigkeiten seines Wesens zu kultivieren – dies sind die wesentlichen Voraussetzungen für das Wachsen des seelischen Wesens.

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Das Seelische und das Spirituelle

Worte der Mutter

Besteht ein Unterschied zwischen dem „Spirituellen“ und dem „Seelischen“? Sind es verschiedene Ebenen?

Ja, die seelische Ebene gehört zur persönlichen Manifestation; das Seelische ist das, was göttlich in dir ist, herausgestellt, um dynamisch im Spiel [der Natur] zu sein. Doch wenn wir vom Spirituellen spre-chen, denken wir an etwas, das eher im Göttlichen als in der äußeren

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Literaturangabe

Zitat nach dem Foto Sri AurobindosCWSA, Vol. 13, S. 14

I. Erläuterung grundlegender Begriffe

Sri Aurobindos MissionCWM, Vol. 12, S. 116

Evolution – Das langsame Werden einer GottheitCWSA, Vol. 12, S. 165-168

Die Manifestation – Der Körper GottesCWSA, Vol. 12, S. 161-63CWSA, Vol. 23, S. 74

Definition einer göttlich gewordenen MenschheitCWSA, Vol. 23, S. 90-91

Das Göttliche und das SupramentalCWSA, Vol. 28, S. 7-8CWSA, Vol. 23, S. 115-16CWSA, Vol. 28, S. 11CWSA, Vol. 28, S. 12CWSA, Vol. 21, S. 141

Das seelische WesenCWSA, Vol. 28, S. 103CWM, Vol. 16, S. 221-22

Das Seelische und das SpirituelleCWM, Vol. 3, S. 63-64CWM, Vol. 4, S. 164-65CWSA, Vol. 28, S. 105

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II. Sri Aurobindos Lehre & praktische Methode

Sri Aurobindos LehreCWSA, Vol. 36, S. 547-50

Das Neue in Sri Aurobindos YogaCWSA, Vol. 29, S. 399-401CWSA, Vol. 13, S. 87-88

Die TransformationCWSA, Vol. 29, S. 398-99

Die Öffnung der Tore des Supramentals für das Erd-BewusstseinCWSA, Vol. 35, S. 283-84

Die Bedingungen für die VerwirklichungCWSA, Vol. 32, S. 3CWSA, Vol. 32, S. 6

Spiritualität – die einzige Hoffnung auf Vollendung des MenschenCWSA, Vol. 13, S. 536CWSA, Vol. 25, S. 182

Die praktische Methode – Drei AspekteCWSA, Vol. 29, S. 5-8

Überantwortung – Das einzige wirksame MittelCWSA, Vol. 12, S. 169-71

Die wichtigste ÜberantwortungCWM, Vol. 4, S. 372CWM, Vol. 3, S. 126

Die Überantwortung von Angesicht zu AngesichtCWSA, Vol. 23, S. 110-11

Das erste und das letzte Wort des Integralen YogaBulletin, Nov. 1978, S. 14CWSA, Vol. 32, S. 36

CWM: Collected Works of the Mother. 2nd ed., Vols. 1-17CWSA: Collected Works of Sri Aurobindo Vols. 1-37SABCL: Sri Aurobindo Birth Centenary Library, edition 1971-73

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