Alles neu? Welche Änderungen bringt die Reform der ... · PDF fileMaterielle Änderungen I Definition der europäischen Marke - Art. 4 E-GMV, Art. 3 E-MRL • Anerkennung nicht-konventioneller

Alles neu? – Welche Änderungen bringt die

Reform der Gemeinschafts- markenverordnung und der

Markenrechtsrichtlinie

Dr. Ulrike Grübler

Bird & Bird LLP, Hamburg

05. Juni 2014

Übersicht

● Grundlagen und Ziele der Reform

● Gemeinsame Änderungen von Verordnung und Richtlinie

● Änderungen Verordnung

● Änderungen Richtlinie

● Ausblick

Marken- und Wettbewerbsrecht

Page 2 © Bird & Bird LLP 2014

Europäisches Markensystem

● Markenrichtlinie (MRL)

• Erste Teilharmonisierung 1988 (89/104/EWG)

• Änderung 2008 (2008/95/EG)

Richtlinie: Umsetzung in nationales Recht durch nationalen Gesetzgeber = MarkenG (DE)

Umsetzungsspielraum

Regelungsinhalt: Nationale Markensysteme

● Gemeinschaftsmarkenver-ordnung (GMV)

• Erste 1993 (EG) Nr. 40/94

• Änderung 2009 (EG) Nr. 207/2009

Verordnung: keine weitere Umsetzung - ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar

Regelungsinhalt: Gemeinschaftsmarkensystem

Page 3 Marken- und Wettbewerbsrecht © Bird & Bird LLP 2014

Europäisches Markensystem - Reformdiskussion

● Ab 2009 umfassende Evaluierung des Markensystems durch Studie (Max-Planck-Institut, GRUR Int. 2012, 197) und öffentliche Konsultation

● Folgenabschätzung: Europaweit einheitliches Markengesetzbuch zu weit gehend

● Teilweise Ausweitung der Rechtsangleichung und stärkere Annäherung des nationalen Markenrechts an das Gemeinschaftsmarkensystem

● Umsetzung der in der Rechtspraxis gewonnen Erfahrung



Ziele der Reform

● Straffung und Harmonisierung der Eintragungsverfahren, auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten

● Modernisierung und Verbesserung bestehender Vorschriften

● Stärkung Rechtssicherheit

● Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Ämtern und dem HABM



Stand der Dinge

Vorschlag Kommission

(EK)

1. Lesung Parlament

(EP)

1. Lesung Rat



Verordnung

Richtlinie

27. März 2013 25. Februar 2014

Steht noch aus

11.07.2013 - Stellungnahme Datenschutzbeauftragter

11.07.2013 - Stellungnahme Datenschutzbeauftragter und Wirtschafts- und Sozialausschuss

20.05.2014 - Standpunkt der Europäischen Kommission zu Änderungsanträgen des Europäischen Parlaments

20.05.2014 - Standpunkt der Europäischen Kommission zu den Änderungsanträgen des europäischen Parlaments

Verordnung und Richtlinie

Materielle Änderungen I

● Definition der europäischen Marke - Art. 4 E-GMV, Art. 3 E-MRL

• Anerkennung nicht-konventioneller Markenformen (!)

- Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit der Marke wird durch eindeutige Bestimmbarkeit ersetzt

- EP: Billigung, solange über allgemein verfügbare Technologie und im Register klar, eindeutig, in sich geschlossen, leicht zugänglich, dauerhaft und objektiv darstellbar

• Auswirkungen:

- Neue Hinterlegungsformen: MP3-Dateien/Filmsequenzen

- Markenfähigkeit bislang nicht eintragungsfähiger Zeichen/neue Markenformen (?) – Geruchsmarken, Bewegungsmarken, amelodische Hörmarken



Materielle Änderungen II

● Art. 7 I lit. j und k E-GMV, Art. 4 I lit. j, lit. k E-MRL

• Angleichung EU-Vorschriften über geografische Angaben und traditionelle Bezeichnungen sowie Integration in MRL (bislang in VO geregelt)

• Ausweitung um geschützte traditionelle Bezeichnungen für Weine und garantiert traditionelle Spezialitäten abzudecken

- EP: Ergänzung für Spirituosen

● Bösgläubige Markenanmeldung – Art. 5 III lit. c E-MRL, Art. 4 III lit. b E-GMV

• Bösgläubige Markenanmeldung = relatives Schutzhindernis auch bei außerhalb der EU geschützten Marken



Materielle Änderungen III

● Einrede Nichtbenutzung – Art. 46 I E-MRL, Art. 42 II E-GMV

• Ablauf Benutzungsschonfrist sowie Ende für 5-Jahres-Frist wird vorverlegt

- Anmelde- bzw. Prioritätstag

● Rechtserhaltende Benutzung – Art. 16 IV lit. a E-MRL, Art. 15 II 2 lit. a E-GMV

• Abweichung der benutzter Form der Marke in Bestandteilen unabhängig von Eintragung

• Umsetzung Protifit/PROTI-Urteil des EuGH (GRUR 2012, 1257)



Materielle Änderungen IV

● Regelungen zur Produktpiraterie - Art. 10 IV, V E-MRL, Art. 9 E-GMV

• Recht, Einfuhr in das Zollgebiet der Union zu verbieten, unabhängig davon, ob sie dort in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden

- Konsequenz EuGH-Entscheidung: Philips/Nokia, GRURInt 2012, 134

• Einfuhrverbot für rechtsverletzenden Waren, wenn nur Versender aus kommerziellen Beweggründen handelt

• EP: Billigung insb. wg. Internetverkäufen; Verbraucher soll über Markenrechtsverl. und Rechte gegen Verkäufer aufgeklärt werden

● Verbot von Vorbereitungshandlungen für Produktpiraterie – Art. 11 E-MRL, Art. 9a E-GMV – (Einfuhr Etiketten etc.)



Materielle Änderungen V

● Nutzung Handelsname/Unternehmensbezeichnung als Marke – Art. 10 III lit. d E-MRL, Art. 9 III lit. d E-GMV

• „Céline“ (EuGH, GRURInt 2007, 1007)

● Vergleichende Werbung – Art. 10 III lit. f E-MRL, Art. 9 III lit. f E-GMV

• Benutzung einer Marke kann dann untersagt werden, wenn die Werbung nicht den Erfordernissen der Richtlinie 2006/114/EG über vergleichende Werbung entspricht



Formelle Änderungen I

● Klassifizierung von Waren und Dienstleistungen – Art. 28 E-GMV, Art. 40 E-MRL

• Konsequenz aus "IP-Translator" (EuGH GRUR 2012, 822)

• Gebot der klaren und eindeutigen Angabe der Waren und Dienstleistungen durch Anmelder

• Verwendung von Oberbegriffen oder allgemeinen Begriffen ist zulässig

• Auslegung: Alle Waren und Dienstleistungen umfasst, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung des Ausdrucks erfasst sind

• Markenanmeldungen vor dem 22.06.2012 können angepasst werden (Art. 28 VIII E-GMV)



Formelle Änderungen II

● Neue Gebührenstruktur – Art. 44 E-MRL/Entwurf GebVO

• EU-weite Angleichung Gebührenstruktur

• Ziel: Verhinderung "Verstopfung" Markenregister

• Bislang: Anmeldegebühr deckt automatisch bis zu drei Waren- und Dienstleistungsklassen ab

• Zukünftig: (Klassen-)Gebühr für jede Klasse:

- HABM: Anmeldung 1. Klasse 775,– €, 2. Klasse + 50,– €, 3. Klasse 75,–, jede weitere weiterhin 150,– €

- EP: Statt Überarbeitung in Gebührenverordnung (EG) Nr. 2869/95, direkt in GMV (Art. 44a E-GMV)



Formelle Änderungen III

● Zusammenarbeit von HABM und nationalen Markenämtern – Art. 52, 53 E-MRL, Art. 123c E-GMV

• Einfache und verpflichtende Zusammenarbeit

• Abstimmung Verfahren/Entwicklung gemeinsamer Instrumente und Arbeitsmittel (z.B. gemeinsame Prüfstandards)

• Finanzierung durch den HABM Haushalt

- EP: Keine Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der Projektergebnisse



Verordnung

Materielle Änderungen

● Europäische Gewährleistungsmarke – Art. 74b-74k E-GMV (!)

• Marken, für die Inhaber die geografische Herkunft, das Material, die Art und Weise der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen, der Qualität, Genauigkeit oder andere Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen gewährleisten

• Vorlage Markensatzung erforderlich

- Prüfung der zu gewährleistenden Eigenschaften einschließlich Sanktionierung

• Auswirkungen:

- Absicherung z.B. für Gütesiegel

- Möglicher Zusammenschluss im Verband




● Terminologie – Art. 1 E-GMV

• "Gemeinschaftsmarke" wird zu "Europäischer Marke"

- EP: "Unionsmarke"

● "Das Amt" (HABM) – Art. 2 E-GMV

• „Agentur der Europäischen Union für Marken, Muster und Modelle"

- EP: "Agentur der Europäischen Union für geistiges Eigentum"

- Einigkeit über Kurzform: "Die Agentur"

● Einreichung der Anmeldung nur noch bei HABM – Art. 25 E-GMV




● Prioritätsfrist: Zuerkennung nur bei (sofortiger) Entrichtung der Anmeldegebühr – Art. 27 E-GMV

• Monatsfrist entfällt

• EP: Zahlungsfrist von 21 Tagen nach Antragseingang

● Abschaffung Amtsrecherche – Art. 38 und 155 E-GMV

• Ämter erstellen bei Anmeldungen keine Berichte mehr, die Prioritätsrecherchen ermöglichen

● Bemerkungen Dritter bzgl. Markenanmeldungen – Art. 40 E- GMV

• Frist verlängert




● Widerspruch bei Internationalen Registrierungen – Art. 156 E-GMV

• Frist beginnt statt bislang sechs bereits einen Monat nach dem Datum der Veröffentlichung des Datums der Eintragung einer Marke



Richtlinie

Materielle Änderungen

● Absolute Schutzversagungsgründe – Art. 4 II E-MRL

• Absolutes Eintragungshindernisse auch bei Entstehung von Eintragungshindernis durch Übersetzung oder Transkription in eine der Amtssprachen der

Mitgliedsstaaten (!)

- EP: kommentarlos gestrichen

● Schutz bekannter Marken – Art. 5 III lit. a und 10 II lit. c E-MRL

• Angleichung Schutzhöhe

● Marken als Vermögensgegenstand – Art. 22, 23, 24, 25, 26 und 27 E-MRL

● Kollektivmarken – Art. 28 ff. E-MRL




● Priorität/Anmeldetag – Art. 39 E-MRL

• Mitgliedsstaaten können Zuerkennung der Priorität von Gebührenzahlung abhängig machen

• Anmeldetag ist für Priorität entscheidend (Uhrzeit unerheblich –bisherige Praxis einiger Länder)

● Prüfung von Amts wegen auf absolute Eintragungshindernisse beschränkt – Art. 41 E-MRL

• Gestrichen durch EP: Entscheidung hierzu soll den Mitgliedsstaaten obliegen

● Bemerkungen Dritter – Art. 43 E-MRL

• Obligatorische Einführung auf nationaler Ebene wegen guter Erfahrungen vor HABM




● Widerspruchsverfahren – Art. 45 E-MRL

• Verfahrensbeschleunigung

• Obligatorische Cooling-off-Frist von 2 Monaten

● Ablauf Widerspruchsfrist für Beginn 5-Jahres-Schonfrist entscheidend, soweit kein Widerspruchsverfahren (Abweichung zu § 26 V MarkenG)

● Einrede der Nichtbenutzung in Widerspruchsverfahren und

Nichtigkeitsverfahren – Art. 46 und 48 E-MRL (!)

• Einrede nur bei Ablauf der Frist am Anmelde- oder Prioritätstag der jüngeren Marke

- Ende der "wandernden Benutzungsfrist" (§ 43 I Satz 2 MarkenG)

• IR-Marken: Beginn 5-Jahres-Frist ab Zeitpunkt, in dem keine Zurückweisung oder Widerspruch mehr möglich




● Verfalls-/Nichtigkeitsverfahren – Art. 47 E-MRL (!)

• Obligatorische Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren vor den nationalen Markenämtern

• Nichtigkeit bei absoluten und einzelnen relativen Eintragungshindernissen

• Ende der Bestandsschutzregelung des § 50 II Satz 2 MarkenG (10-Jahresfrist)?



Ausblick

Wie geht es weiter?



1. Lesung Rat - Keine Frist -

Billigung = Rechtsakte erlassen

Änderungen

VO wirkt unmittelbar

RL

Umsetzung in MarkenG

Bei Ablauf Frist ggf. unmittelbare Wirkung

2 Jahre Frist

2. Lesung Parlament / danach Rat

Billigung Änderungen: Vermittlung/ 3. Lesung

Gescheitert

Billigung

6 Monate

12 Wochen

Wie geht es weiter?

● Nach Ratsentscheidung werden Rechtsakte entweder sofort oder in spätestens knapp 9 Monaten erlassen

● E-GMV

• Tritt 90 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft

• Ausnahme: Einzelne Vorschriften gelten erst nach 18 Monaten

● E-MRL – Art. 56 E-MRL

• E-MRL tritt am 20. Tag nach Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft

• 2 Jahre Umsetzungsfrist für E-MRL



Dr. Ulrike Grübler

Bird & Bird LLP, Hamburg

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