1
TREFFPUNKT FORSCHUNG | 308 | © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 308 – 309 Seit 1819 fanden Goldwäscher in Russland Platin, dessen Gewinnung alsbald zum Staatsmonopol erklärt wurde. Seit 1828 prägte Russland Münzen aus etwa 10,3 Gramm Platin im Wert von drei Rubeln. Später ka- men Münzen des doppelten und vier- fachen Werts, und entsprechenden Gewichts hinzu. Damals entsprach der Wert des Geldes noch dem Mate- rialwert. Deshalb wurde die Platin- währung auch im Jahre 1846 aus dem Verkehr gezogen,als die Verfüg- barkeit billigeren Platins aus Südame- rika die russischen Münzen zur Ziel- scheibe für Fälscher machten. Auf Anregung von Christoph Raub, dem ehemaligen Leiter des For- schungsinstituts für Edelmetalle und Metallchemie in Schwäbisch-Gmünd, wurden nun mehrere Platinrubel ein- gehend mit modernsten Verfahren untersucht, um Einblicke in die Her- stellungsmethoden und Unterschei- dungsmöglichkeiten zwischen Origi- nalen und Fälschungen zu gewinnen. Die Ergebnisse wurden in einer drei- teiligen Serie publiziert [1-3]. Die Hanauer Firma Heraeus be- sitzt vier Münzen (3, 3, 6 und 12 Ru- bel) sowie eine Medaille, die zur Fei- er der Krönung von Zar Nikolas I. im Jahre 1826 geprägt wurde (Abbil- dung). Die Untersuchung dieser fünf Exemplare ergab durchweg Dichte- werte zwischen 20,4 und 21,2 g/ml, während reines Platin 21,45 g/ml auf die Waage bringen sollte. Neben an- deren Edelmetallen (Au, Ir, Rh) gilt Ei- sen als die häufigste Verunreinigung in russischen Platinmünzen. Deshalb untersuchten die Heraeus-Mitarbeiter under Leitung von David Lupton nicht nur die Feinstruktur der Münz- oberflächen mittels optischer und Tunnelmikroskopie, sondern ermittel- ten auch die magnetischen Eigen- schaften des Inneren mit Hilfe eines SQUID-Mikroskops (superconducting quantum interference device) [2]. Die Ergebnisse der Untersuchun- gen weisen darauf hin, dass die Her- stellung der Münzen nach folgendem Muster ablief: Nach Ausfällung aus einer gelösten Phase lag das Edel- metall zunächst als „Schwamm“ vor, welcher durch Schmieden und Aus- rollen verdichtet wurde.Aus dem ausgerollten Blech wurden dann die Münzen geprägt. Die auf Edelmetalle und Katalysa- toren spezialisierte britische Firma Johnson Matthey besitzt ebenfalls vier Platinrubel aus dem Zarenreich. METALLURGIE | Als der Platin-Rubel rollte Das Edelmetall Platin findet sich heutzutage vor allem in Katalysatoren, in Laborgeräten (Tiegel, Netzelektroden für die Elektrolyse), und in Schmuck. Vor 175 Jahren hingegen fand sich dieses Metall in den Kassen russischer Händler, denn es diente fast zwei Jahrzehnte lang als Münzmetall. LICHTWELLEN SICHTBAR GEMACHT | Unser Auge kann zwar die Intensität des Lichtes, nicht aber die Lichtwellen selbst wahrnehmen, weil diese viel zu schnell schwingen. Mit Hilfe ultraschneller Rönt- genpulse ist es jetzt gelungen, das instan- tane elektrische Feld von rotem Licht mit einer Auflösung von 100 Attosekunden aufzuzeichnen und Lichts – ähnlich wie Töne in Sinusschwingungen – direkt sichtbar zu machen [1]. Seit den berühmten Experimenten von Heinrich Hertz Ende des 19. Jahrhunderts ist bekannt, dass Licht – ebenso wie Ra- diowellen oder Mikrowellen – eine elek- tromagnetische Welle ist. Der einzige Un- terschied ist die Frequenz: Für Radio- und Mikrowellen beträgt sie ungefähr 10 5 bis 10 11 . Die Änderung des Feldes dieser Wel- len kann man durch Wandlung in elek- trischen Strom und dessen Darstellung mit Oszilloskopen messen. Doch das Feld von Lichtwellen schwingt ungefähr 10 15 mal pro Sekunde, dies ist einige zehntau- sendmal schneller als man mit heute ver- fügbaren Geräten messen kann. Um die Abb. Entstehen und Verschwinden des elektrischen Feldes des 4,3 Femtosekun- den langen Pulses aus rotem Licht, auf- gezeichnet mit dem Attosekunden-Oszil- loskop. Die Kurve zeigt das elektrische Feld des nur wenige Femtosekunden lan- gen Lichtpulses. [Bild: Max-Planck-Institut für Quantenoptik/TU Wien] Abb. Die russi- schen Platinvor- kommen wurden unter Zar Nikolas I. zum Prägen von Münzen im Wert von 3, 6 und 12 Ru- beln verwendet. [Bilder: Heraeus, Hanau] Da deren genaue Vorgeschichte un- klar ist, behandelt die dritte Publika- tion in der Serie eingehende Untersu- chungen zur Zusammensetzung die- ser Münzen, mit dem Ziel, ihre Echt- heit zu überprüfen [3]. Es stellte sich heraus, dass zwei der vier Münzen er- heblich reineres Platin enthalten als die anderen bekannten Platinrubel, und somit vermutlich Fälschungen sind. (Man beachte, dass diese beson- ders dummen Fälscher in ihre Mün- zen mehr Edelmetall investierten als nötig gewesen wäre – durch Beimi- schung von 3-4 % praktisch kostenlo- sen Eisens hätten sie authentischere und billigere Falschmünzen prägen können!). Immerhin zwei der Londo- ner Münzen entsprechen allerdings genau der Zusammensetzung anderer bekannter Platin-Rubel und werden deshalb als echt eingestuft. [1] C. J. Raub, Platinum Metals Rev. 2004, 48, 66. [2] D. F. Lupton, Platinum Metals Rev. 2004, 48, 72. [3] D. B. Willey, A. S. Pratt, Platinum Metals Rev. 2004, 48, 134. Michael Groß Änderung des Lichtfeldes darstellen zu können, bedarf es eines Oszilloskops mit einer Auflösung von nur wenigen hundert Attosekunden (1 Attosekunde = 10 –18 s). Eine solche Messanordnung haben nun Forscher der Technischen Universität

Als der Platin-Rubel rollte

Embed Size (px)

Citation preview

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

308 | © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 308 – 309

Seit 1819 fanden Goldwäscher inRussland Platin, dessen Gewinnungalsbald zum Staatsmonopol erklärtwurde. Seit 1828 prägte RusslandMünzen aus etwa 10,3 Gramm Platinim Wert von drei Rubeln. Später ka-men Münzen des doppelten und vier-fachen Werts, und entsprechendenGewichts hinzu. Damals entsprachder Wert des Geldes noch dem Mate-rialwert. Deshalb wurde die Platin-währung auch im Jahre 1846 ausdem Verkehr gezogen, als die Verfüg-barkeit billigeren Platins aus Südame-rika die russischen Münzen zur Ziel-scheibe für Fälscher machten.

Auf Anregung von ChristophRaub, dem ehemaligen Leiter des For-schungsinstituts für Edelmetalle undMetallchemie in Schwäbisch-Gmünd,wurden nun mehrere Platinrubel ein-gehend mit modernsten Verfahrenuntersucht, um Einblicke in die Her-stellungsmethoden und Unterschei-dungsmöglichkeiten zwischen Origi-nalen und Fälschungen zu gewinnen.Die Ergebnisse wurden in einer drei-teiligen Serie publiziert [1-3].

Die Hanauer Firma Heraeus be-sitzt vier Münzen (3, 3, 6 und 12 Ru-bel) sowie eine Medaille, die zur Fei-er der Krönung von Zar Nikolas I. imJahre 1826 geprägt wurde (Abbil-dung). Die Untersuchung dieser fünfExemplare ergab durchweg Dichte-werte zwischen 20,4 und 21,2 g/ml,während reines Platin 21,45 g/ml aufdie Waage bringen sollte. Neben an-deren Edelmetallen (Au, Ir, Rh) gilt Ei-sen als die häufigste Verunreinigungin russischen Platinmünzen. Deshalbuntersuchten die Heraeus-Mitarbeiterunder Leitung von David Luptonnicht nur die Feinstruktur der Münz-oberflächen mittels optischer undTunnelmikroskopie, sondern ermittel-

ten auch die magnetischen Eigen-schaften des Inneren mit Hilfe einesSQUID-Mikroskops (superconductingquantum interference device) [2].

Die Ergebnisse der Untersuchun-gen weisen darauf hin, dass die Her-stellung der Münzen nach folgendemMuster ablief: Nach Ausfällung aus einer gelösten Phase lag das Edel-metall zunächst als „Schwamm“ vor,welcher durch Schmieden und Aus-rollen verdichtet wurde.Aus demausgerollten Blech wurden dann dieMünzen geprägt.

Die auf Edelmetalle und Katalysa-toren spezialisierte britische FirmaJohnson Matthey besitzt ebenfallsvier Platinrubel aus dem Zarenreich.

M E TA L LU RG I E|Als der Platin-Rubel rollteDas Edelmetall Platin findet sich heutzutage vor allem in Katalysatoren,in Laborgeräten (Tiegel, Netzelektroden für die Elektrolyse), und inSchmuck. Vor 175 Jahren hingegen fand sich dieses Metall in den Kassen russischer Händler, denn es diente fast zwei Jahrzehnte lang alsMünzmetall.

L I C H T W E L L E N S I C H T BA R G E M AC H T |Unser Auge kann zwar die Intensität desLichtes, nicht aber die Lichtwellen selbstwahrnehmen, weil diese viel zu schnellschwingen. Mit Hilfe ultraschneller Rönt-genpulse ist es jetzt gelungen, das instan-tane elektrische Feld von rotem Licht miteiner Auflösung von 100 Attosekundenaufzuzeichnen und Lichts – ähnlich wieTöne in Sinusschwingungen – direktsichtbar zu machen [1].

Seit den berühmten Experimenten vonHeinrich Hertz Ende des 19. Jahrhundertsist bekannt, dass Licht – ebenso wie Ra-diowellen oder Mikrowellen – eine elek-tromagnetische Welle ist. Der einzige Un-terschied ist die Frequenz: Für Radio- undMikrowellen beträgt sie ungefähr 105 bis1011. Die Änderung des Feldes dieser Wel-len kann man durch Wandlung in elek-trischen Strom und dessen Darstellungmit Oszilloskopen messen. Doch das Feldvon Lichtwellen schwingt ungefähr 1015

mal pro Sekunde, dies ist einige zehntau-sendmal schneller als man mit heute ver-fügbaren Geräten messen kann. Um die

Abb. Entstehen und Verschwinden deselektrischen Feldes des 4,3 Femtosekun-den langen Pulses aus rotem Licht, auf-gezeichnet mit dem Attosekunden-Oszil-loskop. Die Kurve zeigt das elektrischeFeld des nur wenige Femtosekunden lan-gen Lichtpulses. [Bild: Max-Planck-Institutfür Quantenoptik/TU Wien]

Abb. Die russi-schen Platinvor-kommen wurdenunter Zar Nikolas I.zum Prägen vonMünzen im Wertvon 3, 6 und 12 Ru-beln verwendet.[Bilder: Heraeus,Hanau]

Da deren genaue Vorgeschichte un-klar ist, behandelt die dritte Publika-tion in der Serie eingehende Untersu-chungen zur Zusammensetzung die-ser Münzen, mit dem Ziel, ihre Echt-heit zu überprüfen [3]. Es stellte sichheraus, dass zwei der vier Münzen er-heblich reineres Platin enthalten alsdie anderen bekannten Platinrubel,und somit vermutlich Fälschungensind. (Man beachte, dass diese beson-ders dummen Fälscher in ihre Mün-zen mehr Edelmetall investierten alsnötig gewesen wäre – durch Beimi-schung von 3-4 % praktisch kostenlo-sen Eisens hätten sie authentischereund billigere Falschmünzen prägenkönnen!). Immerhin zwei der Londo-ner Münzen entsprechen allerdingsgenau der Zusammensetzung andererbekannter Platin-Rubel und werdendeshalb als echt eingestuft.

[1] C. J. Raub, Platinum Metals Rev. 2004, 48, 66.[2] D. F. Lupton, Platinum Metals Rev. 2004,

48, 72.[3] D. B. Willey, A. S. Pratt, Platinum Metals

Rev. 2004, 48, 134.

Michael Groß

Änderung des Lichtfeldes darstellen zukönnen, bedarf es eines Oszilloskops miteiner Auflösung von nur wenigen hundertAttosekunden (1 Attosekunde = 10 –18 s).

Eine solche Messanordnung haben nunForscher der Technischen Universität