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Als Student im Seniorenheim Wohnungsnot macht kreativ: In Saarbrücken zahlen Studierende für ihr Zimmer im Seniorenheim eine günstige Miete. Dafür betreuen sie die Alten. Vor allem ausländische Studierende interessieren sich für das Wohnmodell. " Was sind Eisblumen?" - Eigentlich eine einfache Frage, aber es dauert lange, bis Oliver Siegemund die richtige Antwort bekommt. Wenn der Student mit den Senioren des Saarbrücker Altenheims "Am Steinhübel" das "Spiel des Wissens" spielt, braucht er Geduld. Doch die hat er mittlerweile. Seit vier Jahren betreut er regelmäßig die alten Menschen, spielt mit ihnen Gesellschaftsspiele, liest ihnen vor oder geht mit ihnen spazieren. Dafür wohnt er günstig auf dem Gelände des Saarbrücker Altenheims. "Für ein Zimmer mit 20 Quadratmetern und Balkon zahle ich nur 215 Euro", sagt er.

Als Student Im Seniorenheim

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Description of life in Senior Houses in Germany

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Page 1: Als Student Im Seniorenheim

Als Student im SeniorenheimWohnungsnot macht kreativ: In Saarbrücken zahlen Studierende für ihr Zimmer im Seniorenheim eine günstige Miete. Dafür betreuen sie die Alten. Vor allem ausländische Studierende interessieren sich für das Wohnmodell.

"Was sind Eisblumen?" - Eigentlich eine einfache Frage, aber es dauert

lange, bis Oliver Siegemund die richtige Antwort bekommt. Wenn der

Student mit den Senioren des Saarbrücker Altenheims "Am Steinhübel"

das "Spiel des Wissens" spielt, braucht er Geduld. Doch die hat er

mittlerweile. Seit vier Jahren betreut er regelmäßig die alten Menschen,

spielt mit ihnen Gesellschaftsspiele, liest ihnen vor oder geht mit ihnen

spazieren. Dafür wohnt er günstig auf dem Gelände des Saarbrücker

Altenheims. "Für ein Zimmer mit 20 Quadratmetern und Balkon zahle

ich nur 215 Euro", sagt er.

Page 2: Als Student Im Seniorenheim

Oliver Siegemund lebt seit vier Jahren im Altenheim

Der Lehramtsstudent gehört zu den ersten Studierenden, die sich beim

Saarbrücker"Generationenprojekt" beworben haben. So nennt sich das

vom Studentenwerk organisierte "Wohnen-für-Hilfe"-Programm, das

Studierenden preiswerte Wohnungen vermittelt. Dafür müssen sie alte

Menschen, kinderreiche Familien oder Behinderte in ihrem Alltag

unterstützen. Das Projekt gibt es in vielen deutschen Studentenstädten.

Dass Seniorenheime dabei selbst Zimmer vermieten, ist allerdings

ungewöhnlich. In Saarbrücken leben inzwischen 19 junge Leute in

Appartements auf dem Gelände des Seniorenheims. Auf den ersten

Blick könnte man die Wohnanlage für ein kleines, aber gewöhnliches

Studentenwohnheim halten.

Der Anfang ist oft schwierig

Acht Stunden im Monat betreut Oliver Siegemund die Senioren des

Altenheims. Eine Arbeit, die ihm inzwischen Freude macht. Vor vier

Jahren aber, so gibt er offen zu, hatte er Probleme im Umgang mit den

alten Menschen, die oft abwesend da saßen oder sich nicht mehr an ihn

erinnern konnten. Es fiel ihm schwer, auf sie zuzugehen. "Am Anfang

wusste man nicht, wie man sich integrieren soll", sagt der Student. "Es

war mehr ein Zuschauen und Dasitzen, damit man die Zeit rumkriegt."

Heute ist seine Einsatzbereitschaft deutlich größer. Der Student traut

sich mittlerweile auch schwierige Aufgaben zu, zum Beispiel alte

Menschen zu betreuen, die bettlägerig sind. "Das ist emotional nicht

ganz einfach, wenn man merkt, dass es bei den Leuten abwärts geht",

gibt er zu. "Früher hatte ich davor Angst."

Warteliste für ein Zimmer

Page 3: Als Student Im Seniorenheim

Das Ehepaar Erdmann freut sich über das Engagement und die Hilfsbereitschaft

der Studierenden

So wie Oliver Siegemund geht es den meisten Studierenden. Erst sind

sie unsicher im Umgang mit den alten Menschen. Schließlich kennen

viele ein Seniorenheim nur aus Erzählungen. Später aber gefällt ihnen

die Arbeit. Das jedenfalls beobachtet Dieter Horn vom Studentenwerk.

Er ist für die Auswahl der Teilnehmer zuständig. In den Vorgesprächen

versucht er, vor allem darauf zu achten, dass die Bewerber nicht nur

Geld sparen wollen, sondern auch ein wirkliches Interesse für das

Projekt mitbringen. Auswahl genug hat er, denn auf einen Platz

kommen rund zehn Bewerber. Es gibt eine lange Warteliste.

Dennoch macht sich Horn keine Illusionen: Er weiß, dass sich

angesichts der teuren Mieten viele Studierende aus finanzieller Not

bewerben. Das zeigt auch, dass circa drei Viertel der bereits

vermittelten Teilnehmer aus dem Ausland stammen. "Die haben einen

besonderen Bedarf", meint er. "Sie müssen mit wenig Geld auskommen

und haben wahrscheinlich noch keinen Job hier."

Senioren werden zu Freunden

Eine der ausländischen Studierenden ist die 23-jährige Ludmilla Banaru

aus Moldawien. Sie vermutet, dass nicht nur die finanziellen Nöte der

Grund für die vielen ausländischen Bewerber sind, sondern auch eine

größere Neugier und Offenheit für ältere Menschen. Schließlich

kommen viele ausländische Studierende aus Familien, in denen das

Zusammenleben der verschiedenen Generationen noch

selbstverständlicher ist als in Deutschland.

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Ludmilla Banaru will auch nach ihrem Auszug aus dem Seniorenheim den Kontakt

zu den Bewohnern halten

Für Ludmilla Banaru geht die Zeit im Generationenprojekt nun nach

drei Jahren zu Ende. Die Studentin der Kulturwissenschaften zieht in

eine Wohngemeinschaft mit anderen jungen Leuten. Die Zeit im

Seniorenheim möchte sie aber nicht missen, denn die alten Menschen

sind ihr ans Herz gewachsen. Vor allem mit einer Heimbewohnerin, zu

der sie ein besonders enges Verhältnis aufgebaut hat, möchte sie auch

weiterhin in Kontakt bleiben. "Zwischen uns ist schon eine Art

Freundschaft entstanden", erzählt Ludmilla.

Die Senioren profitieren

Die meisten Senioren freuen sich über das Engagement der jungen

Leute. Frau Erdmann wohnt mit ihrem Mann seit sechs Jahren im

Seniorenheim "Am Steinhübel" und hat das Projekt von Anfang an

mitbekommen. Sie schwärmt von der Hilfsbereitschaft der Studenten.

"Sie gehen auf uns ein und erfüllen auch schon mal einen Wunsch",

berichtet sie. So sei sie neulich von zwei Studentinnen zum Geldinstitut

gefahren worden. Ob es auch mal Probleme gab? Da winkt sie ab. "Wir

haben uns vom ersten Tag an gut verstanden."