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Herausgegeben von Juni 2011 Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558 Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB 6 DIE MAPUCHE: MIT WAFFEN NICHT ZU BESIEGEN BOMBENGESCHÄFT BANKENRETTUNG • BÜCHERVERNICHTUNG IN WIEN

Alternative Juni

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Monatszeitschrift der Unabhängigen Gewerkschafter_innen im ÖGB

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Page 1: Alternative Juni

Herausgegeben von

Juni 2011

Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro

P.b.b., Verlagspostamt 1040

02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558

UnabhängigeGewerkschafterInnenim ÖGB

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MIT WAFFEN NICHT ZU BESIEGENBOMBENGESCHÄFT BANKENRETTUNG• BÜCHERVERNICHTUNG IN WIEN

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daten & taten

Früherer stellvertretender APA-Chefredakteur Altschul gestorben

Heinz Altschul, früherer stellver-tretender Chefredakteur und Chefvom Dienst der APA – AustriaPresse Agentur, ist in der Nacht aufDienstag im 91. Lebensjahr gestor-ben. Altschul erwarb sich in 19

Dienstjahren in der Redaktion und danach im „Ruhestand“auch als Berater der Geschäftsführung für Aktivitäten der APAin Osteuropa große Verdienste um die Weiterentwicklung derAgentur.„Heinz Altschul war über viele Jahre einer der profiliertestenAgenturjournalisten des Landes. Er war kritischer Geist undväterlicher Freund in einer Person. Altschul wird der APA-Fami-lie fehlen“, bedauerte APA-Chefredakteur Michael Lang dasAbleben des Journalisten. APA-Geschäftsführer Peter Kropsch:„Heinz Altschul hatte stets ein tiefes Verständnis für die APAals Ganzes und für ihre Rolle in der österreichischen Öffentlich-keit. Er hat sich außerordentliche Verdienste um die APA erwor-ben und wird untrennbar mit der Geschichte des Hauses ver-bunden bleiben.“Altschul war von 1969 bis 1988 in der APA-Redaktion tätig,zunächst im Auslandsressort, ab Mai 1982 als CvD. Drei Jahrespäter wurde er zum Stellvertreter des damaligen Chefredak-teurs Otto Schönherr bestellt. Wertvolle Dienste leistete er indieser Funktion auch Josef A. Nowak bei dessen Start als Chef-redakteur. Auf Altschuls Initiative ging unter anderem der Auf-bau des APA-Mitarbeiternetzes in den osteuropäischen Nach-barländern zurück.Altschul wurde am 11. Dezember 1920 in Wien geboren. In den30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war er vor derMachtübernahme der Nationalsozialisten bereits im Wider-stand gegen die Austrofaschisten tätig. Im Kreis von Jung-sozialisten und -kommunisten produzierte er Flugblätter undnahm an politischen Aktionen teil, die ihm auch Gefängnisstra-fen einbrachten. Unmittelbar nach dem Einmarsch der deut-

schen Truppen in Österreich hatte er aufgrund seiner jüdi-schen Abstammung seinen Arbeitsplatz verloren und musste1939 nach England emigrieren. Bei Kriegsausbruch wurde erdort interniert und schließlich 1940 mit tausenden anderenÖsterreichern nach Australien deportiert. Nach eineinhalb Jah-ren Internierung meldete er sich freiwillig zum Dienst in deraustralischen Armee.Nach der Demobilisierung 1946 wurde Altschul gemeinsam mitseiner Frau, einer Australierin, nach England repatriiert, die bri-tischen Behörden ermöglichten ihm die Weiterreise nach Öster-reich. Nur wenige Mitglieder seiner Familie hatten den Holo-caust überlebt. In den Nachkriegsjahren bekleidete Altschul ver-schiedene Funktionen in der „Freien Österreichischen Jugend“.Ab 1952 war er für den „Österreichischen Friedensrat“ tätig,von 1954 bis 1968 als dessen Sekretär. Rund um den PragerFrühling und dessen Niederschlagung durch die WarschauerPakt-Truppen wurde Altschul nach parteiinterner Kritik amVorgehen der Sowjets aus der KPÖ ausgeschlossen. EinigeMonate später fand Altschul dann in der APA eine neue beruf-liche Heimat. 1988 trat er in den „Ruhestand“, war aber auchdanach weiterhin journalistisch und beratend tätig. So berich-tete Altschul für seine Agentur etwa rund um den Fall derBerliner Mauer im Herbst 1989 aus Berlin oder stand Chef-redakteuren beratend zur Verfügung.Altschuls Credo nach dem Zweiten Weltkrieg war es, über alleweltanschauliche Grenzen am Aufbau eines demokratischenund freien Österreich und seiner journalistischen Entsprechungmitzuwirken. Totalitäre Systeme – egal welcher Ideologie –lehnte er ab. So legte Altschul etwa im Jahr 1998 auch konse-quent sein Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Repu-blik Österreich zurück, nachdem bekannt geworden war, dassRobert Haider die Goldene Verdienstmedaille für Verdienste umdie Republik erhalten hatte. Der Vater von Ex-FPÖ-Chef JörgHaider habe als illegales NS-Mitglied und Angehöriger der„Österreichischen Legion“ aktiv an der „Untergrabung derdamals noch unabhängigen Republik Österreich“ mitgewirkt,so Altschuls Begründung. Es sei für ihn deshalb unmöglich, imBesitz einer auch nur ähnlichen Auszeichnung zu bleiben.

Betriebsratswahlen bei Siemens CMT:

BRalternativ gewinnt –und wie!Trotz vieler Umstrukturierungen wurdedie Mehrheit nicht verloren, sondernausgebaut: 79,18 Prozent, das sindneun von elf Mandaten. KonsequenterEinsatz und Arbeitskämpfe lohnen sichalso doch. Wir gratulieren.

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IM JUNI

HERR TREICHL UND DIE KRISE

Hier soll nicht auf die Pöbeleien des HerrnTreichl eingegangen werden, der jüngstsich eine Brandrede gegen „die blödenund feigen Politiker“ leistete, obwohlgerade sie es waren, die, als die weltweiteFinanzmarktkrise auf ihrem Höhepunktwar, seine Bank mit billigem Eigenkapitalversorgte. Nein, hier soll auch nicht näherauf sein letztes Jahresgehalt von 2,8 Mil-lionen Euro eingegangen werden.

Was bei der Aufregung völlig untergingwaren Herrn Treichls Aussagen, dass seineBranche aus der Krise nichts gelernthätte, dass die nächste Krise noch vielärger sein würde als die jetzige und dasssie über die Rohstoffe kommen werde.Wahrlich prophetische Worte eines wild-gewordenen Bankers.

Der Preis für ein Barrel Öl der MarkeBrent erhöhte sich von seinem Tief Ende2008 um fast 240 Prozent Anfang Mai.Gleichzeitig spitzt sich die europäischeVerschuldungskrise dramatisch zu. DieRegierungen in Spanien, Irland, Portugalund Griechenland wälzen die Krisenkostenauf diejenigen Teile ihrer Bevölkerung ab,die diese Krise nicht verschuldet haben.Die griechische Bevölkerung muss Lohn-kürzungen und Steuererhöhungen inunvorstellbarem Ausmaß erdulden. Undsie wehrt sich, und auch die spanischeJugend besetzt die zentralen Plätze derStädte. Ein Schuldenerlass für Griechen-land erscheint unausweichlich mit unab-sehbaren Folgen für das griechische undeuropäische Bankwesen. Im Zusammen-hang mit der Überbewertung der Roh-stoffe kann (wird?) das der Auslöser dernächsten Krise sein.

Bleibt übrig Herrn Treichl zu fragen, aufwen er dann schimpfen wird.

EDITORIAL von Friedrich Schiller

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen(AUGE/UG) Herausgeber: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB)Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Franz Wohl-könig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22,E-Mail: [email protected] (Abonnement), [email protected] (Redaktion), internet:www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775 Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oderdes Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitelfallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnach-druck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler.DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

Magazin

„Bombengeschäft“ Bankenrettung . . . . . . . . . . . . Seite 4Büchervernichtung in Wien . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7Arbeitsmarktservice: Im Kurs 50+ . . . . . . . . . . . . Seite 10

Gewerkschaft & Betrieb

UG-Bundeskonferenz: Investitionen statt Spardiktat . . . Seite 14UG: Bildungsmilliarden bereitstellen . . . . . . . . . . . Seite 16Mobilising for social Europe . . . . . . . . . . . . . . . Seite 24

International

Studie: Deutsche Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18Mapuche: Revolutionen für Mächtige . . . . . . . . . . Seite 20

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12

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Magazin

Mit 1,4 Milliarden in der Miese. Von Markus Koza.

„BOMBENGESCHÄFT“BANKENRETTUNG

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Ein „Bombengeschäft“ für die Repu-blik Österreich würde sie werden,die Bankenrettung, sagte da annodazumal der inzwischen in Polit-pension gegangene Ex-ÖVP-Finanz-minister Josef Pröll. Die Bankenmüssten schon ordentlich zahlen,wollten sie das schwerverdienteSteuergeld der Österreicherinnenund Österreicher haben, mein Lie-ber, da sei der Herr Finanzministerschon dahinter, darauf könnemensch sich verlassen.

Dass es das Bombengeschäft sonicht werden würde, konnten Beob-achterInnen schon lange vermuten.Sagten doch sowohl VolksbankenAG als auch Hypo Alpe Adria – wasjetzt die Zinszahlungen für dasgeleistete Partizipationskapital ausSteuergeldern betrifft – bedauerli-cherweise ab.

Das Bankenrettungspaket istauch so intelligent geschnürt – denCheflobbyisten von Raiffeisen undErste Bank, Maier und Ikrath, beideÖVP-Abgeordnete, wie könnte esanders auch sein, sei’s gedankt –dass diese „Zinsschuld“ auch nie-mals beglichen wird. Also auchnicht in den fetten Jahren.

Na, dass sollten wir Privatiers unseinmal erlauben: Sorry, haben heuerkein Geld, wissens eh, die Kinder,der Lebensstil, alles wird teurer, Jes-sas … darum zahlen wir die Zinsenfür den Häuslkredit heuer nicht,gell, aber nächstes Jahr sind wirvielleicht etwas besser bei Kasse, dakanns schon sein, dass wir wiederZinsen zahlen. Nein, nein, Missver-ständnis, nicht für heuer, das Jahrist ja dann schon vorbei, net wahr,für nächstes Jahr.

BANKENRETTUNG –EINE BILANZNun wird aus der Vermutung

Gewissheit. Das „Bombengeschäft“stellt sich nun nämlich für die Steu-erzahlerIn als ausgesprochen teuresVerlustgeschäft dar.

Das europäische Statistische Zen-tralamt „Eurostat“ untersuchte überden Zeitraum 2007 bis 2010, wiedenn nun die Staaten aus ihrenBankenrettungsmaßnahmen finan-

ziell so aussteigen würden. Öffent-lichen Einnahmen – aus Gebührenfür Garantien, Zinsen, Dividenden-zahlungen wurden Ausgaben fürZinsen, Kapitaltransfers, abgerufeneGarantien und Partizipationskapitalgegenübergestellt. Und das für dieStaaten Europas. Was kam da inbetrachtetem Zeitraum 2007 bis2010 nun unter dem Strich raus?

DIE WINNER •Verdient hat zum Beispiel Frank-

reich, nämlich immerhin 2,4 Milli-arden Euro,

•Spanien stieg mit einem Plus von1,5 Milliarden Euro aus, Däne-mark immerhin mit plus sieben-hundert Millionen Euro,

•Ja, selbst das leidgeprüfte undvielgescholtene Griechenland istendlich einmal im grünen Bereich– nämlich mit plus vierhundertMillionen Euro.

DIE LOSER•da ist einmal Portugal zu nennen

– mit einem Verlust von 2,4 Milli-arden Euro,

•weiters die Niederlande, miteinem Minus von 3,4 MilliardenEuro,

•teuer ist die Bankenrettung auchden Deutschen gekommen – mit16,6 Milliarden Euro fällt da dieBilanz besonders negativ aus,

•heftig erwischt hat es auch Groß-britannien mit einem Verlust vonfünfzehn Milliarden Euro,

•und das ehemalige EU-„Muster-land“ Irland, das ja inzwischenauch unter dem Euro-Rettungs-schirm steht – Einnahmen minusAusgaben stürzt den zum Bett-vorleger mutierten „keltischenTiger“ in eine Miese von 35,7 Mil-liarden Euro.

ÖSTERREICH: DIE REPUBLIKALS LOSERUnd unsere Alpenrepublik? Das

vielgeprüfte Österreich? Da hat sichdas angekündigte „Bombenge-schäft“ inzwischen als ziemlichePleite herausgestellt.

Fangen wir mit dem Erfreulichenan: Wir stehen hinsichtlich des ein-gefahrenen Verlusts besser alsIrland und Portugal da.

Und jetzt das Unerfreuliche: DieBankenrettung hat uns uneinbring-liche 1,4 Milliarden Euro gekostet!

Die Zwangsverstaatlichung derHypo Alpe Adria und der Kommu-nalkredit haben doch einiges gekos-tet. Immerhin ein Minus von rund0,5 Prozent des Bruttoinlandspro-duktes (2010: 284 Milliarden Euro),während •Dänemark ein Plus von 0,3 Pro-

zent und •Frankreich, Belgien, Spanien,

Slowenien, Schweden zumindest0,1 Prozent des Bruttoinlands-produktes verdient haben. Im europäischen Vergleich fallen

die Verluste Österreichs in Relationzur Größe des Landes in etwa gleichhoch aus wie jene Deutschlands.

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ÖSTERREICHS BANKENWIEDER DICK DAÜbrigens: die Erste Bank erzielte

2010 mit 1,015 Milliarden Euro den„höchsten Nettogewinn“ (Erste-BossAndreas Treichl) seit 2007 – trotzBankensteuer in Österreich undUngarn.

Die „Raiffeisen Bank International“(nach der Fusion von RZB und Raiffei-sen International Holding) fuhr 2010einen Nettogewinn von 1,087 Milliar-den Euro ein. Zum Vergleich: NachPro-Forma-Rechnung hätte die „Raiff-eisen Bank International“ im Jahrdavor einen Gewinn von 450 Millio-nen Euro gehabt.

Dafür drohen die Banken an, dieBankenabgabe an die Kunden abzu-wälzen. Dafür hat Österreichs Ban-kensektor angekündigt, die Vermö-genszuwachssteuer – nicht zuletztwegen behaupteter überbordenderKosten für die Bankhäuser – vor demVerfassungsgerichtshof zu beeinspru-chen. Angekündigt hat das unteranderemübrigens ein gewisser HerrIkrath, ÖVP-Abgeordneter.

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Topmanager imGagenhimmelEine Studie der Arbeiterkammerkommt zum Schluss, dass dieDividenden wieder auf Vorkrisen-niveau sind.

Die Arbeiterkammer Wien hat wie-der einmal die im Börsenindex ATXvertretenen österreichischen Unterneh-men analysiert.

Die Kurzfassung: Österreichs Topma-nager dürfen jubeln, selbstverständlichauch jene, die in den Vorstandsetagenvon Banken sitzen. Also jenen Finanz-instituten, die den öffentlichen Schul-denstand um rund 1,4 Milliarden Euroerhöht haben.

Freuen dürfen sich auch die Aktio-närInnen – die ausgeschüttetenGewinne erreichen bereits heuer wie-der Vorkrisenniveau.

Durchschnittliches Top-Manager-gehalt: 1,15 Millionen Euro

1,15 Millionen Euro verdiente eindurchschnittlicher ATX-Vorstand 2010.Damit liegen auch die Spitzenmana-gereinkommen bei Vorkrisenniveau,und um rund zwanzig Prozent überden traurigen Managerbezügen desJahres 2009. Ein Top-Vorstand ver-dient heute das 41-fache des Einkom-mens eines „normalen“, durchschnittli-chen Beschäftigten. Vor zehn Jahrenwar es noch das „nur“ 20-fache.

Grundgehalt bei Managern: +20 Prozent

Um Realeinkommensverluste auf-grund steigender Inflation müssen sichTop-Manager nur geringe Sorgenmachen. Stiegen die Bonizahlungenauch nur um „bescheidene“ fünf Pro-zent (Gehaltszuwächse von denenArbeitnehmerInnen schon nur träumenkönnen), wurden die Grundgehälter inden Vorstandsetagen gleich um saf-tige zwanzig Prozent erhöht.

Am meisten verdienen dabei

• Vorstände der OMV (nämlich 2,2Millionen Euro pro Kopf und Jahr),

• Vorstände der Semperit (2,1 Millio-nen, vor allem aufgrund von Abferti-gungen und Abfindungen),

• Topmanager von Andritz (1,9 Millionen),

• Vorstandsmitglieder von RaiffeisenBank International (1,5 Millionen)und

• der Erste Group (1,4 Millionen)Unter den Top-15-Managern (hin-

sichtlich Einkommenshöhe) liegenalleine fünf Erste-Group Manager (Topist hier Andreas Treichl, der im Jahr2010 2,795 Millionen Euro abcashte,im Jahr davor 1,484 Millionen) sowiesechs OMV-Manager. Frauen findensich unter den Top-47 doch immerhinzwei, also ganze 4,26 Prozent. Wenigverwunderlich daher die Angst der(Vorstands-)Männer vor Frauenquoten– bei dem Einkommen.

Dividenden auf Vorkrisenniveau

Auch die AktionärInnen profitierenordentlich von der wirtschaftlichenErholung. 2,1 Milliarden Euro, rundzwanzig Prozent der gesamten Lohn-und Gehaltssumme, gehen an dieEigentümerInnen (die Aktienbesitzer-Innen). Bei den Dividendenausschüt-tungen führen• die Telekom Austria mit 332 Millio-

nen Euro,• die OMV mit 299 Millionen Euro• und die Erste Group mit 265 Millio-

nen Euro.

Steigende Dividenden, sinkendeBeschäftigungszahlen

Während die Ausschüttungen stei-gen, sinken die Beschäftigtenzahlen:2009 verloren 20.000 Beschäftigte inATX-Konzernen ihren Job, 2010 wur-den noch einmal 4000 „freigesetzt“.Übrigens: würden Gewinnausschütt-ungen um nur 25 Prozent gekürzt,könnten damit rund 13.000 Arbeits-plätze finanziert werden, schätzt dieArbeiterkammer. ❚

Kurzfassung der Ergebnisse der Arbeiter-kammer-Studie und Forderungen derArbeiterkammer auf http://wien.arbeiter-kammer.at/online/managergehaelter-115-millionen-euro-55682.html

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Ein Anlass zur Unruhe in den Wiener Büchereien. Von Wolfgang Kauders.

BÜCHER-VERNICHTUNG

Mit Befremden reagierten die Bibliothe-karInnen der Wiener Büchereien aufdie Ankündigung der Bibliothekari-schen Leitung im Herbst 2010, dassdie Zweigstellen zu viele Bücher hättenund daher zirka 200.000 aus denRegalen zu entfernen seien. Die nach-gelieferten Begründungen überzeugtenniemanden und erwiesen sich zumeistals Schutzbehauptungen ohne inhalt-liche Relevanz. Eine einzige Begrün-dung war nachvollziehbar, warf abernoch mehr Fragen auf:

RFID …Durch die geplante Umstellung aller

Zweigstellen auf RFID-Verbuchung,welche seit einiger Zeit von Haupt-bücherei und etlichen größeren Büche-reien verwendet wird, sollen die Medi-en der umzustellenden Zweigstellenaus Einsparungsgründen drastischreduziert werden, denn die Kosten fürdie Verknüpfung eines Mediums miteinem RFID-Chip sind immer nocherheblich. Es fragt sich allerdings, obangesichts der angespannten Budget-

lage der Büchereien die Umstellungauf RFID-Verbuchung, deren tatsächli-cher Effekt für die Zweigstellen immerwieder kritisch hinterfragt wird, wirk-lich das unmittelbar Notwendigste ist,wofür Geld ausgegeben werden sollte.

… ODER ZWEIGSTELLEN-SANIERUNG?Hier nur einige der seit Jahren immer

wieder von BibliothekarInnen undBenutzerInnen beklagten Mängel,deren Behebung die Attraktivität derBüchereien um einiges steigern könnte: •das Raumklima in vielen Zweig-

stellen ist unzumutbar, da oft Som-mertemperaturen von über 30 Graderreicht werden;

•oft unzulängliche Ausstattung mitMobiliar und jahrelang nicht ausge-malten Wänden;

•leider nur in Eigenregie, mit unzu-länglichen Mitteln, erstellte Orien-tierunghinweise innerhalb derBüchereien;

•kaum Hinweistafeln zu Büchereien inden Straßen oder Haltestellen;

•ein Online-Katalog, der nicht malden Anforderungen eines Web 0.9genügt, die aus Kostengründen

deaktivierte Möglichkeit, sich perKatalog Medien in die gewünschteZweigstelle schicken zu lassen, undvieles andere mehr. Doch der Zug ist abgefahren – es

mangelt zwar an Vielem, doch dafürwird es ein Verbuchungssystem geben,dessen tatsächlichen Vorteile sich aller-dings in engen Grenzen halten.

EINE ABSURDE NORMEnde März wurde den MitarbeiterIn-

nen der Büchereien dann der Rohent-wurf eines Büchereikonzepts1) zurKenntnis gebracht, der zwar keine überdas heutige Sosein hinausreichendePerspektive enthielt, in der darin ent-haltenen Vorgabe über die Zahl derzweihunderttausend abzuschreibendenMedien aber noch hinausging: „Redu-zierung des Bestands anhand biblio-thekarischer Standards auf 1000–1500Medieneinheiten pro 30 m2“.

Umgerechnet auf die real vorhan-denen Grundflächen würde dies eineReduktion des Gesamtbestandes derMedien um zirka die Hälfte bedeuten.Wobei auch die Hauptbücherei undgroße Zweigstellen betroffen wären,während kleine Zweigstellen nochweit über fünfzig Prozent abzuschrei-ben hätten.

In manchen Zweigstellen wären auf-grund der durchschnittlich entliehenenMedien überhaupt keine Medien mehrin den Regalen zu finden.

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Magazin

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Wolfgang Kaudersist pensionierterBibliothekar und KIV-Personalvertreter beiden Wiener Büchereien.

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Dass eine solche Vorgehensweisekeinerlei bibliothekarischem Standardentspricht, war allen BibliothekarInnenund Bibliothekaren klar – nur derBibliothekarischen Leitung nicht undauch nicht der Abteilungsleitung, beider die intervenierende Personalvertre-tung auf Beton stieß.

STANDARDS HIERUND ANDERSWOIn einer umfassenden Analyse des

Rohkonzepts zeigte ein Kollege derBüchereien auf2), dass die wesentlicheninternationalen bibliothekarischenStandards, wie Anzahl von Medien proEinwohnerIn, das erforderliche Gesamt-ausmaß von Bibliotheksflächen, diefinanziellen Aufwendungen für Büche-reien, überhaupt nicht angesprochenwurden. Denn bei all diesen Kennzif-fern hat Wien erbärmliche Werte: DasBudget entspricht dem eines Entwick-lungslandes, die Medien pro Kopf sinddeutlich unter dem internationalenSchnitt und auch die Bibliotheksflä-chen sind nur ein Bruchteil dessen, wasaufgrund langjähriger Praxis als Min-destmaß angenommen wird. Von alldem wird im Rohkonzept nur auf dieBibliotheksflächen Bezug genommen.Allerdings nicht in der Weise, dass eineVergrößerung der Flächen gefordertwird, sondern die Reduzierung derMedien! Damit „eine erhöhte Aufent-haltsqualität sowie mehr Platz für Lern-plätze und lesefördernde Maßnahmengeschaffen“ werden könne.

LESEFÖRDERUNG UNDBÜROKRATIEWas die „lesefördernden Maßnah-

men“ betrifft, die nun vor allem medialim Zusammenhang mit den Büchereienpropagiert werden, so gibt es dieselängst – auf Initiative der Bibliothekar-Innen, auf höchst professioneller(selbst und im Kollektiv erarbeiteter)Grundlage. Das Ausmaß dieser Arbeitmit schulpflichtigen Kindern und Kin-dern im Vorschulalter wäre noch grö-ßer, wenn die Leitung der MA 13 dieseInitiativen vor etlichen Jahren nicht perWeisung brutal eingeschränkt hätte.

Inzwischen ist der Bedarf auch anaußerschulischen Leseförderungsmaß-nahmen ins Bewusstsein der Politikgetreten – die Büchereienleitung setzt

dies auf ihre Weise vorerst mit demAusräumen der Büchereilokale um.Übersehen wird dabei, dass es in allen,auch den kleinsten Büchereien, seitjeher an den Vormittagen regelmäßigeBesuche von Schulklassen und Kinder-gruppen gibt, sowohl mit lesefördern-den Animationsprogrammen als auch„nur“ zur Rückgabe und Ausleihe vonMedien. Dazu bedurfte es für dieBibliothekarInnen keiner Weisungenvon oben, und auch keiner Bücherver-nichtung. Das einzige Problem warenin diesem Zusammenhang – wie obenerwähnt – die engstirnigen formalisti-schen und bürokratischen Vorgabender Abteilungsleitung.

PROTEST DER IG-AUTORINNENAUTORENNachdem der Rohentwurf des

Büchereikonzepts „nach draußen“gelangt war und kritische Stellungnah-men in einigen Blogs veröffentlichtwurden, verfasste die „IG-AutorinnenAutoren“ einen Offenen Brief3) an denzuständigen Stadtrat Oxonitsch, indem es unter anderem heißt:

Aktion Besenrein? Die Büchereien Wien schmeißen die

Hälfte ihrer Bücher ersatzlos weg.Mit Bestürzung haben wir erfah-

ren, dass die Leitung der BüchereienWien plant, den Medienbestand inihren Büchereien radikal zu vermindern– wenn sie ihr Konzept konsequentumsetzt, von derzeit 1,5 Millionen auf800.000 Medien. Daß als Grund dafürdie zu geringen Büchereiflächengenannt werden, an die der Bestandanzupassen wäre, grenzt an blankenZynismus.(…)Weiters ist zu befürchten,daß bei einer massiven Aussortierungvon Büchern gerade solche Titel ausden Büchereien verschwinden werden,die nicht im Mainstream des Bestseller-Literaturgeschäfts liegen. Solche Werkealso, für welche die Büchereien einewichtige Institution zur Verbreitungunter nichtkommerziellen Gesichts-punkten darstellen. Das gilt besondersauch für den zukünftigen Bestand derBüchereien, wenn solche Werke unterdem Diktat der Quote überhaupt nichtmehr angekauft werden können.

Statt weniger Bücher verlangen wirmehr und größere Büchereien, einegroßzügige Förderung des Bibliotheks-wesens und ein Angebot, in dem auch

literarische Nischen ihren Platz haben.Leseförderung und ein großes Medien-angebot sind kein Widerspruch, son-dern bedingen einander.

Der Offene Brief wurde in ORFonline und in anderen Medien zitiert,zusammen mit einer Stellungnahmedes Bibliothekarischen Leiters derBüchereien, welcher nun behauptete:„Wir müssen nachholen, was überJahre nicht wirklich gemacht wurde“

PROTEST DERPERSONALVERTRETUNGAuf diese offenkundig falsche Dar-

stellung erfolgte umgehend ein Protestder KIV-PersonalvertreterInnen derBüchereien4):

… jede und jeder von uns weiß, dasswir alle gewissenhaft gearbeitet haben– auch was das Abschreiben vonBüchern betrifft.

Es trifft eher das Gegenteil zu: Dieletzten Jahre waren eine Erfolgsge-schichte für die Büchereien Wien:Medienbestand, Qualität, Ausleihzah-len und Freundlichkeit und vieles

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andere mehr sind toll, dass uns in kei-ner Weise nachzusagen ist, dass wiretwas „nicht wirklich gemacht“ haben.

Dieser Satz ist zweierlei: einmal sug-geriert er, dass die MitarbeiterInnen derBüchereien Wien nicht ordentlich gear

beitet hätten und zweitens, dass dieBüchereien keinen ordentlichen Bestandaufwiesen – beides ist nachweislich(statistisch) falsch und darauf ist sach-lich ruhig und deutlich hinzuweisen.

Seither herrscht Schweigen von Sei-ten der Bibliothekarischen Leitung, wel-che derweilen von Bücherei zu Büchereigeht und die BibliothekarInnen zumAbschreiben mehr oder weniger großerTeile des Buchbestandes „anregt“.

ZUKUNFT DER BÜCHEREIENDamit werden deutliche Wegmarken

für die Zukunft gesetzt: Gewünscht istMainstream-Literatur, die sich raschumsetzt, tiefergehende und umfassen-dere Information verschwindet aus denRegalen der Zweigstellen (und in derHauptbücherei ist sie dann zumeistentlehnt), Spezialbestände könnennicht mehr gepflegt werden. Alles läuft

auf eine „Eventarisierung“5) des Büche-reiwesens hinaus: viele Veranstaltun-gen, viel Medienwirksames, dabei Ver-zicht auf Nachhaltigkeit.

Ausnahmen werden vielleicht nebender Hauptbücherei ein, zwei (für Wien-verhältnisse) große Büchereien sein,

doch auch dies kommt im Kon-zept nicht vor.

Sinnvoll und notwendig wäreneine offene Diskussion über dieZukunft des Wiener Büchereiwe-sens, in die sowohl die Bibliothe-karInnen als auch die Bevölkerungeingebunden sind, eine Große Aus-sprache über einen bedürfnisorien-tierten Bestandsaufbau und einesinnvolle Bestandsverteilung,wobei das Wiener Büchereisystemals Ganzes gesehen werden sollte,weiters Gespräche über das, wasgewünscht wird, was machbar istund wohin es gehen soll. Und natür-lich auch über Geld, welches not-wendig ist, damit Wien einen Biblio-theksstandard wie in vergleichbarenStädten erlangt. Es gäbe viel zu über-legen und viel zu tun.

SCHWÄCHUNG DERDEMOKRATIE

Unausgegorene und feige Kon-zepte wie das vorliegende bringen dieBüchereien aber nur in eine Sack-gasse. Die ad hoc Fokussierung aufeinzelne Anforderungen gefährdet –bei gleichzeitiger Vernachlässigung

anderer wesentlicher Aufgaben derBüchereien – das vor allem durch dievielen Initiativen und die langjährigeprofessionelle Arbeit der Bibliotheka-rInnen gewonnene Ansehen der Büche-reien in der Öffentlichkeit.

Und nicht zuletzt: Die Verringerungdes Informationsangebots bedeutetauch eine Schwächung der Demokra-tie. Denn bekanntlich rennen vor allemschlecht Informierte rechtsextremenSchreiern nach.

AKTUELLER NACHTRAG:In einer Antwort an die „IG-Autorin-

nen Autoren“ stellt der zuständigeStadtrat Oxonitsch fest:

Genauso wie Sie bin ich überzeugtdavon, dass man umgekehrt bei derBereinigung des Medienbestandesnicht wahllos vorgehen darf, was ja

auch nicht passiert. Deshalb bedienensich die Büchereien Wien zur Beurtei-lung der benötigten Bestandsreduktionmodernster bibliothekarischer Instru-mente. Nur wenn über diesen Prozessersichtlich wird, dass ein bestimmtesMedium über fünf Jahre hinweg keineinziges Mal entlehnt worden ist, istaus fachlicher Sicht eine Reduktion –z.B. Von 15 auf 5 Exemplare durchausgerechtfertigt. So wird zwar dieGesamtanzahl einzelner Medien gerin-ger, die Titelvielfalt verringert sichdabei aber keineswegs. Überdies wirdfür jede einzelne Zweigstelle – nach derGesamtbeurteilung – nochmals indivi-duell geprüft, in welchem Ausmaß eineBestandsreduktion sinnvoll umgesetztwerden kann. (zitiert nach: „Autorenso-lidarität“, Zeitschrift der IG AutorinnenAutoren Nr. 2/11)

Damit scheint der Stadtrat den wil-den Vernichtungswünschen des Biblio-thekarischen Leiters offenbar sinnvolleZügel angelegt zu haben, der, um jetztim Reiterjargon zu bleiben, das Pferdmangels bibliothekarischer Kompetenzvom Schwanz aufgezäumt hatte, näm-lich von den einzelnen Zweigstellenohne Blick fürs Ganze. Gefragt ist nun-mehr eine durchdachte Analyse desGesamtbestands aller Zweigstellen unddanach eine sinnvolle Reorganisationund Diversifikation der Angebote.Womit das Lektorat gefragt ist, insbe-sonders das Zweigstellenlektorat. Aller-digns gibt es ein solches nicht. Womitwir beim nächsten Problem sind …

Wolfgang Kauders betreibt den Blog„http://haftgrund.net“ und die Facebook-Seite „Wiener Büchereien – Ein Anlass zurUnruhe“ http://on.fb.me/anlassunruhe

1) http://haftgrund.net/rohentwurf-eines-entwicklungskonzept-der-wiener-buechereien/2) http://haftgrund.net/eine-heillose-flucht-nach-hinten-das-entwicklungskon-zept-der-wiener-buechereien/3) http://haftgrund.net/offener-brief-der-ig-autorinnen-autoren-zur-aktion-besen-rein-der-wiener-buechereien/4) http://haftgrund.net/protest-der-bibliothekarinnen-nach-stellungnahme-ihres-leiters/5) http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=8791

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Z

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Magazin

wei Projektförderungen abgelehnt,einige kleine Jobs auf Honorarnote –so sieht das vergangene Jahr aus derSicht des Arbeitsmarktservice aus, alsoab in einen Kurs.

Den soll ich mir selbst aussuchen.Ich brauche eine Website, also sucheich mir einen Kurs aus, in dem ich dieWebsite nicht nur erstelle, sondernauch lerne, wie ich sie administrierenkann. Das Institut hat schon oft mitdem Arbeitsmarktservice zusammen-gearbeitet. Nur: ab dem 1. Jänner 2011darf ein Kurs nur noch unter 1500Euro kosten. Und da ist „mein“ Kursnicht drin … Ich werde also in einenanderen Kurs geschickt: „Als Vorberei-tung auf die Pension“, so meineBetreuerin. Das sitzt. Pension? Wiebitte? Ich mache Filme.

Nach einer „Orientierungswoche“,die im Rückblick eigentlich dasSchlimmste am ganzen Kurs war, fol-gen vier Wochen 4-stündige Work-shops zu verschiedenen Themen: Pensi-onsrecht, Selbstständigkeit (ab 50?),Rhetorik, Bewerbungstraining, aberauch Alternativmedizin oder richtigeErnährung und ein wohltuend kriti-scher Vortrag über die Leiharbeit. Wiemir eine Frau von 54 erzählte, habe siein den fünf Wochen viel gehört, was sie

bisher nicht wusste (ohne Ironie). DasProblem lag nicht in den Inhalten, dievermittelt werden sollten, sondern ander Zusammensetzung der Gruppe.

Wahllos zusammengewürfelt – vomArbeitsmarktservice so geschickt, ohneeine Möglichkeit der Einflussnahmedurch das Institut – Männer undFrauen im Alter von 50 bis 63, ehema-lige Arbeiter und Angestellte, Leutemit akademischer Bildung und Leute,die nicht lesen und schreiben können,wie sich schon am ersten Tag heraus-stellt, als wir diverse Formulare ausfül-len sollen.

Das Institut beschäftigt viele Trainer,die Deutsch nicht als Muttersprachehaben – das soll sich positiv auf dieTeilnehmer aus unterschiedlichen Län-dern auswirken. Wie sinnvoll ist aberein Rhetorikkurs für jemanden, der wieein 62-jähriger Herr aus Polen, ganzteilnahmslos in der letzten Reihe sitztund beim Nachfragen, ob er alles ver-standen hat, nur sagt: „Nix verstehen“.Ob er wirklich nichts versteht, oder nurseine Ruhe haben will, bleibt unge-klärt. Ein anderer Teilnehmer, 63 Jahreund aus Bosnien, geht nach 35 Jahrenbei einer Firma, die Asbestverkleidun-gen herstellt, in Juni in Pension.Warum muss er jetzt in einem Kurs sit-zen und Bewerbungstraining machen?

Die meisten Trainer waren nett, mehroder weniger bemüht, und manche klarsehr gut qualifiziert, andere Umsteigeraus anderen Berufen (beispielweiseAnimateurin im Tourismus). Beim Ein-zelcoaching, als ich mit meinem Trainerüber den Kurs spreche und sexistischeBemerkungen der Teilnehmer beklage,wird mir aber auch vermittelt, wieschwierig es für die Trainer ist, sich täg-lich zu motivieren und auch noch moti-

vierend vor einer Gruppe aufzu-treten, die, wenn man ehrlichist, eigentlich keine Chancenauf dem Arbeitsmarkt hat. MeinEinzelcoach quält mich nicht,und findet sogar einen Website-kurs, den das Arbeitsmarktser-vice auch noch zahlt, und andessen Ende ich eine schöneWebsite habe*) Was hat sichdas Arbeitsmarktservice eigent-lich erspart, warum konnte ichnicht gleich den angestrebtenKurs machen?

Einige Trainer sind allerdingsso professionell optimistisch,dass es unerträglich ist. Besonders eineTrainerin kommt jeden Tag „superdrauf“, versprüht gute Laune, undzeichnet sich durch Bemerkungen aus,wie: „Wenn man arbeitslos oder in Pen-sion ist, muss man ja nicht das 45tePaar Schuhe kaufen“, oder sie erzähltvoller Begeisterung von diversen Sozi-almärkten. Besonders ins Herzgeschlossen habe ich sie für die Bemer-kung (Kurs „Richtige Ernährung“):„Wenn man kein Geld hat, muss manja nicht Bio essen.“ Die gleiche Traine-rin fällt mir immer wieder auch durchandere Äußerungen auf: „Diese Frau,die eigentlich ein Mann ist, diese wieheißt sie doch – Alice Schwarzer – diefindet, dass Frauen im Berufslebenbenachteiligt sind. Ich finde das nicht.Wieso gehen eigentlich Frauen schonmit 60 in Pension?“ Und sie erinnertdaran, dass Frauen schon ab sechzigbei den Wiener Linien einen Pensionis-tenfahrschein bekommen (Workshop„Pensionsrecht“). Nicht nur Männerpflichten ihr bei, und eine Frau meint:„Wir haben uns jetzt lang genug nurmit Frauen beschäftigt, es ist an der

Zuzana Brejchaist Filmschaffende undKIV-Mitarbeiterin.

Fünf Wochen Kurs mit Leuten, die auf die Pension vorbereitet werden, ab fünfzig Jahren.

Wie sinnvoll ist das? Von Zuzana Brejcha.

IM KURS 50+

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Zeit, dass wir uns auch um die armenMänner kümmern“.

Als ich mich als Feministin dekla-riere, ernte ich seltsame Blicke. Ich binaber auch so schon durch meine Kritikan diversen Äußerungen aufgefallen.Ich habe versucht zu thematisieren,dass eine so reiche Gesellschaft wieÖsterreich Menschen vor der Armutbewahren sollte und die von unseremTrainer in der „Orientierungswoche“ sohoch gepriesene super soziale Absiche-rung so toll nicht ist.

Der Trainer – ein Russe – vergleichtdann Österreich mit Russland und dasteigen wir deutlich besser aus … auchmit der bedarfsorientierten Mindestsi-cherung. 744 Euro zwölfmal im Jahr –die Armutsgrenze liegt irgendwo bei950 Euro … Man sagt mir, dass ich mitmeiner pessimistischen Einstellungnicht weiter komme und dass ich ver-bittert bin. Ich nenne das gesellschafts-kritisch und realistisch.

Auch wenn sich das Institut eigent-lich um ein abwechslungsreiches Pro-gramm bemüht und die Stimmung inder Gruppe meist gut ist, bleibt natür-

lich die Frage nach der Sinnhaftigkeitsolcher Kurse. Für viele TeilnehmerIn-nen – wenn es schon ein Kurs seinmuss – würde ein Deutsch- oder Alpha-betisierungskurs mehr Sinn machen.Die Trainer tun alle so, als ob die Teil-nehmer nur die richtige Einstellung,den richtigen Lebenslauf, das gutgeführte Bewerbungsgespräch brau-chen würden, und dann hätten dieLeute noch eine Chance auf einenguten Job. Sie erwähnen nicht, dass eszu diesem Bewerbungsgespräch garnicht kommt.

Und viele der Teilnehmer, vor allemdie aus „höheren“ Positionen, könnensich schwer damit abfinden, dass sienicht gebraucht werden und erzählen,wie wichtig ihre Positionen waren oderwie groß die eigene Firma war. Überra-schenderweise sind ja etliche da, diefrüher selbstständig waren. Es fälltauch auf, dass anwesende Frauen ihre– durchwegs schlechter bezahlten Jobs– schon lang vor dem Fünfziger verlo-ren, während die Männer erst so umdie 55 nicht mehr gebraucht werden.Und dass Frauen mit dem Verlust des

Jobs lockerer umgehen („Ich kann michjetzt mehr um meinen Mann küm-mern“). Als Hobbys angesprochen wer-den und der Einwand kommt, dassman für fast alles Geld braucht, wirdman angewiesen, dass man ja auch imWald spazieren kann. Statt Urlaub inÄgypten ab auf die Donauinsel.

Ich habe meine fünf Wochen nunhinter mir. Man war von der Seite desInstituts bei der Einteilung der Work-shops nett zu mir und ich konnte sogarzur Diagonale fahren. Während dieanderen TeilnehmerInnen entweder amVormittag oder am Nachmittag imKurs waren, holte ich die Zeit dann anganzen Tagen auf. Ich habe nichtsNeues gehört, und keine Freundschaf-ten geschlossen. Als jemand aus demKunstbereich war ich eine klare Aus-senseiterin. Wie sagte ein Teilnehmerin Anzug und Krawatte so schön?„Künstler sind immer dann am krea-tivsten, wenn sie hungern … unserenKünstlern geht es zu gut“.

50+ absolviert. Eine nette Frauerzählte mir am Gang, als wir auf dieTrainerin warteten, dass ihre Betreuerinvom Arbeitsmarktservice ihr den Kurswie folgt schmackhaft machte: „Siesind arbeitslos, geschieden und 55.Vielleicht lernen sie im Kurs jemandenkennen.“ Natürlich einen Arbeitslosen,damit frau schön dort bleibt, wo frauhingehört. Nur keine Ansprüche. Esmuss nicht Bio sein.

Und fünf sinnlose Wochen meinesLebens? Mein Gott, ich bin ja arbeitslos.

*) www.zuzana-brejcha.at

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Bundeskonferenz 2011 der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB.

INVESTITIONEN STATTSPARDIKTAT

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Rahmen der von 20. bis 22. Mai inSalzburg stattgefundenen Bundeskon-ferenz der Unabhängigen Gewerk-schafterInnen im ÖGB wurden nichtnur die UG-Gremien neu gewählt, son-dern auch eine zufriedene Bilanz überdie Entwicklung der UG in den letztenJahren gezogen.

„Die Unabhängigen Gewerkschafter-Innen haben im ÖGB ihre Position als‚Größte unter den Kleinen’ klar festigenund ausbauen können. Die Unabhän-gigen sind besonders im Sozial- undBildungsbereich stark verankert undgewinnen auch in für die UG bislang‚neuen’ Branchen wie Banken und Ver-sicherungen zunehmend an Stärke,“freut sich Lisa Langbein, scheidende

UG-Vorsitzende und Vertreterin der UGim ÖGB-Vorstand, dem ehemaligenPräsidium. „Die inhaltlichen Schwer-punkte der UG bleiben auch in Zukunftdie Stärkung der sozialen und öffentli-chen Dienste und die Bildungspolitik,sowie Fragen der Verteilungs- undSteuergerechtigkeit. Und wir sind undbleiben im ÖGB die parteiunabhän-gige und ‚bunte’ Kraft, die sich ent-schieden für eine Demokratisierung derGewerkschaften, die Stärkung der Mit-gliederrechte, sowie ein gemeinsames,gewerkschaftliches Miteinander, stattverzetteln in einzelgewerkschaftlichenInteressen, sowie gegen falsche Rück-sichtnahme auf Partei- und Regie-rungsinteressen, stark macht.“

Gewählt wurde ein neues Vorsitz-team, nachdem sich Lisa Langbein –langjährige geschäftsführende Vorsit-zende der UG – in den wohlverdientenRuhestand verabschiedet.

Das neu gewählte Vorsitzteambesteht aus Beate Neunteufel-Zechner,Betriebsratsvorsitzende bei derÖsterreichischen Nationalbibliothek,Fritz Schiller, Betriebsratsvorsitzenderbei Raiffeisen Capital Managementund Markus Koza, bislang Vertreter der

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UG im ÖGB-Bundesvorstand, der alsneuer geschäftsführender Vorsitzenderkünftig auch das UG-Mandat von LisaLangbein im ÖGB-Vorstand überneh-men wird. Ihm folgt Ulrike Stein,Betriebsrätin an der Med-Uni Wien, inden ÖGB-Bundesvorstand nach, Ersatz-mitglied wird Christine Rudolf, Sozial-pädagogin, politische Sekretärin in derKIV und ehemalige Betriebsrätin undBeschäftigte in der Behindertenbetreu-ung. Neu beschickt wurde auch derKoordinationsausschuss der Unabhän-gigen GewerkschafterInnen, das nebender Bundeskonferenz wichtigste politi-sche Gremium der Unabhängigen, dasfür die Koordinierung der politischenArbeit und Schwerpunkte zuständig ist.

Die Herausforderungen für dieGewerkschaftsbewegung sind gewal-tig: „Auf europäischer Ebene droht eineweitere Verschärfung des Stabilitäts-und Wachstumspakts und ein nochschärferer neoliberaler Kurs mit massi-ven Einschnitten ins Pensions- undGesundheitssystem, sowie der Versuch,in nationale Lohnfindungsprozessesowie Arbeitsrechte einzugreifen. Ausder Finanz- und Wirtschaftskrise wer-den auf europäischer Ebene vollkom-men falsche Schlüsse gezogen. Es wer-

den nicht die Ursachen der Krise beho-ben – nämlich die massive Ungleich-verteilung bei Einkommen, Vermögenund Chancen sowie vollkommen dere-gulierte und liberalisierte Finanz-märkte, mit entsprechend riskantenund spekulativen Produkten, sondernes gibt ‚more of the same’. Diesen dro-henden Entwicklungen müssen dieGewerkschaften die Vision eines demo-kratisch-solidarischen Wirtschaftssys-tems, sozialer Sicherheit, von einer Ent-machtung der Finanzmärkte – kurz voneinem ‚guten Leben für Alle’ entgegen-setzen,“ so Markus Koza.

Der Klimawandel und die sich ver-knappenden Ressourcen bringen mas-sive Auswirkungen auf Beschäftigung,Produktionsweise und Lebensstil mitsich. „Damit müssen sich Gewerkschaf-ten intensiver auseinandersetzen, umden notwendigen und ohnehin unver-meidlichen Umbau unseres Industrie-systems im Sinne der ArbeitnehmerIn-nen und des gesellschaftlichen Zusam-menhaltes entsprechend sozial zugestalten. Dafür werden wir uns auchweiterhin im ÖGB stark machen,“ergänzt Fritz Schiller.

Beate Neunteufel-Zechner wiederumsieht es als eine der zentralen Aufga-

ben der Unabhängigen im ÖGB „Ver-teilungsgerechtigkeit in ihrer ganzenBreite“ zu thematisieren: „Die Frage‚Öffentlich oder Privat?’ ist letztlichauch eine Frage der Verteilungsgerech-tigkeit – wer nämlich Zugang zu sozia-len Diensten, Bildung, zu Gesundheits-versorgung, zu Kultur, zu Mobilität etc.hat. Die Verteilungsfrage läuft nichtnur entlang der WiderspruchspaareArbeit und Kapital, sondern auch zwi-schen Männern und Frauen, MigrantIn-nen und NichtmigrantInnen, Arbeit-nehmerInnen und ‚atypisch’ Beschäf-tigten hinsichtlich gesellschaftlicherPartizipation, Arbeit und damit Ein-kommen, Chancen, sozialer Sicherheit.In diesem Sinne stehen Forderungennach umfassender Arbeitszeitverkür-zung, gleichen sozialen Rechten unab-hängig von Herkunft und Staatsbür-gerInnenschaft, ‚guter Arbeit’, einekonsequente Gleichstellungspolitik,sowie eine Stärkung öffentlicher undsozialer Dienste statt Privatisierungganz oben auf unserer politischenAgenda.“

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Auf dem Weg in die Pension habe ichnicht mehr für den Vorstand oder denKoordinationsausschuss kandidiert.Ich will mich bei Euch für die solidari-sche Zusammenarbeit herzlich bedan-ken und wünsche alles Gute! Wennich noch einen Wunsch äussern darf:Bitte um viele viele Artikel aus allenEuren Bereichen für die Alternative!Lisa Langbein

UG in Salzburg

52 unabhängige GewerkschafterInnen trafen einander zur Konferenz.

Die Generalversammlung entlastete den alten Vorstand, wählte einen neuenund bestimmte die Zusammensetzung des Koordinationsausschusses.

Dann zu den Inhalten – heuer gings um die Rolle unabhängiger Gewerkschaf-terInnen in Gewerkschaftsbewegung und Gesellschaft.

Markus Koza hat zusammengefasst, wo es uns überall gibt und in welcherStärke. Ziemlich klar war, dass wir im Gesundheits- und Sozialbereich stark sind,im „Arbeiterbereich“ weniger. In manchen Bundesländern haben wir nochSchwächen und insgesamt sind wir klar dritte Kraft im Österreichischen Gewerk-schaftsbund. Zugegeben, der Abstand zu den beiden grossen Fraktionen ist aller-dings beträchtlich. Anschliessend referierte Sandra Stern über Rolle und Funk-tion der Gewerkschaften und Auswege aus den Dilemmas. Ein Video einerAktion in den USA schloss diesen Teil.

Es folgte eine Stärken-Schwächen-Analyse der UG. Gerade unsere Vielfalt, dieBuntheit und Verbundenheit mit den Menschen stellt eine grosse Stärke derUnabhängigen GewerkschafterInnen dar. Unabdingbar dabei ist die Partei-unabhängigkeit.

Aber all die informellen und menschlichen Stärken stellen auch eine Schwächedar, denn unsere Strukturen sind nicht immer klar. Und Ressourcenmangelbestimmt unser Dasein. Das führt unter anderem vielfach zu Selbstausbeutung.

Es gibt Bedarf an mehr Information und Kontakt, speziell zwischen den Bun-desländern. Auch eine stärkere Betonung des gemeinsamen Daches „Unabhän-gige GewerkschafterInnen“ war häufig gewünscht.

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WERNER AMON BLEIBTBILDUNGSSPRECHER Die glücklose Beatrix Karl mit ihrer

gesamtschul- und schulreform-offenenMinderheitenposition in der ÖVP ver-läßt das Wissenschaftsministerium.Damit verliert UnterrichtsministerinSchmied eine Gesprächspartnerin, dieallerdings schon Anfang März als ÖVP-Bildungsverhandlerin durch WernerAmon abgelöst worden ist.

LOPATKA NICHT MEHRDIENSTRECHTSVERHANDLERGrad als Verhandler des Finanzminis-

teriums für das LehrerInnendienst- undBesoldungsrecht nominiert, wechseltReinhold Lopatka in den Nationalrat.Allerdings rückt er nicht auf Kosten desÖVP-Bildungssprechers Amon nach,sondern statt des Steirers Jochen Pack(Jahrgang 1981, Wirtschaftsbündler).

Für die anstehenden Dienstrechtsver-handlungen ist unklar, ob mangelsÖVP-Staatssekretär Ministerin MariaFekter für das Finanzministerium in dasVerhandlungsteam der Regierunggehen wird (derzeit Schmied, Heinisch-Hosek, Lopatka, Amon).

Lässt sich Fekter durch einen Beam-ten vertreten, schwächt das die koalito-näre Verhandlungsposition der Regie-rung, denn die beiden verbleibendenSPÖ-Ministerinnen haben kein Budget-kompetenz und ein Finanzbeamter keinpolitisches Mandat. Für fcg.GÖD undÖVP würde diese Konstellation verloren

geglaubte parteipolitische Spielräumewieder aufmachen.

Wie und ob das bei der Vertretungvon ArbeitnehmerInnen-, LehrerInnen-interessen Vorteile bringen könnte, istmehr als ungewiss.

SCHULREFORMSTILLSTANDPROLONGIERT?fcg.GÖD-Vorsitzender Fritz Neuge-

bauer gibt das Amt des zweiten Natio-nalratspräsidenten nicht an den beider Regierungsumbildung nichtberücksichtigten Bauernbundpräsiden-ten Fritz Grillitsch ab. Mit dem AbgangKarls ins Justizressort sind mit Vize-kanzler Spindelegger, BildungssprecherAmon und dem GÖD-Chef nur mehrBewahrer des differenzierten Schul-systems Ansprechpartner der SPÖ-Bildungsministerin, Schulreformorien-tierte in der Volkspartei und im Wirt-schaftsbund haben bis auf weiteresdas Nachsehen.

Gestärkt durch die Regierungsbil-dung sehen sich nicht nur Gesamt-schulgegner, sondern auch die Landes-partei-Mächtigen in Niederösterreich,Oberösterreich und Tirol.

Sie sind in der Dienstrechts- undVerwaltungsreform offen •gegen ein gemeinsames Bundes-

Dienstrecht aller LehrerInnen, weildas den Landespartei-Einfluss aufdie LandeslehrerInnen gefährdet,

•gegen den Abbau von landesherr-lichen Mehrgleisigkeiten und Seil-schaften in der Schulverwaltung und

•gegen das Abgeben von Verantwor-tung an die dadurch landespartei-unabhängigeren Schulen. Bei der neuen LehrerInnenbildung,

bei der es auch um den Landespartei-Einfluss auf die Pädagogischen Hoch-schulen und LandeslehrerInnen geht,halten sich diese Landeshauptleutenoch eher im Hintergrund.

HOFFNUNGSTRÄGERTÖCHTERLEFür Forschende, Lehrende, Studie-

rende und allgemeines Personal derUniversitäten ist ihr neuer MinisterKarlheinz Töchterle aufgrund seiner als

Unabhängige GewerkschafterInnen und ÖLI/UG zur Regierungsumbildung und anderen Rochaden der ÖVP und zur aktuellen

Bildungs- und Budgetpolitik.

BILDUNGSMILLIARDENBEREITSTELLEN

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konstruktiv erlebten Rektoratsarbeit inInnsbruck ein Hoffnungskandidat. Dasgilt auch für die von Schmied und Karlbegonnene Neugestaltung einergemeinsamen universitären LehrerIn-nen- und PädagogInnenbildung.

Allerdings ist sein Rückhalt in denBünden und bei den Landeshauptleu-ten der ÖVP gering und seine Verhand-lungsposition mit dem Finanzministe-rium mit der seiner Vorgängerin ver-gleichbar. Er ist zwar wie Karl für durchStipendien sozial abgefederte Studien-gebühren, diese seien aber „kein zen-trales Thema“ (OberösterreichischeNachrichten). Österreichische Hoch-schülerschaft, RektorInnenkonferenzund Gewerkschaftsbund werden ihnunterstützen.

KRISE DER ÖVP ALS CHANCEDie ÖVP will aus ihrem Umfragetief

heraus. Dazu muss sie ihre Reform-bereitschaft unter Beweis stellen undreformorientierte Regierungspolitikauch in der Bildungs- und Verwal-tungsreform zulassen. Eine zukunftsori-entierte Bildungspolitik braucht aberdeutlich mehr Budgetmittel für Wissen-schafts- und Bildungsministerium unddas geht nicht ohne Abgehen vomPröll-Faymann-Budgetpfad, den dieneue Finanzministerin bewacht, abervielleicht auch überprüfen und nach-bessern wird.

Die Unabhängige Gewerkschafter-Innen der österreichischen LehrerIn-neninitiative werden sich am Noten-verteilen und Parteisudlesen nichtbeteiligen. Wir sind keine Besserwisserwie Muppets Sattler und Waldorf, dieBildungspolitik der SPÖ-ÖVP-Koalitionist auch keine Muppetshow zumZurücklehnen und Zuschauen. Wieunsere SchülerInnen sind wir vomreformbedürftigen Zustand des Bil-dungswesens unmittelbar betroffen.Zuschauen und abwarten ist unsereSache nicht.

Vielleicht bringt die Regierungsum-bildung Bewegung in die österrei-chische Innenpolitik.

REFORMEN UMSETZEN – HERMIT DEN BILDUNGSMILLIARDENIn den nächsten Monaten stehen

wichtige Entscheidungen über dieZukunft des Bildungswesens an, vomKindergarten bis zu den Universitätenund zur chronisch vernachlässigtenErwachsenenbildung.

Als LehrerInnen arbeiten wir mitunseren SchülerInnen alltäglich inimmer noch verkrusteten, unzurei-chend budgetierten Strukturen. AlsArbeitnehmerInnen sind wir in derGewerkschaft Öffentlicher Dienst undim ÖGB aktiv für eine kinder- undmenschenfreundlichere, eine sozial-integrative, weltoffene und demokrati-sche Schule. Weil Bildung kostet,machen wir auch ihre Finanzierungzum Thema: Es ist höchste Zeit ist fürein Konjunkturpaket Bildung, Sozialesund öffentliche Dienste. Aus diesemGrund unterstützt die ÖLI/UG dasauch von der Reformblockade der ÖVPprovozierte Bildungsvolksbegehren.

Für die Unabhängigen GewerkschafterInnender ÖLI/UG: Reinhart Sellner, Ingrid Kalch-mair, Wilfried Mayr, Gaby Bogdan, DietmarMühl, Katharina Bachmann, Gary Fuchs-bauer. Rückfragehinweis: Reinhart Sellner,[email protected], (0676) 343 75 21,ugoed.at, Gary Fuchsbauer, [email protected], (0680) 212 43 58, oeli-ug.at.

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ie StudienautorInnen unterscheidendabei vier Stadien der Krise, die ineiner bestimmten zeitlichen Abfolgeablaufen, wobei ein Krisenbereich dennächsten „infiziert“:1. die Finanzkrise mit ihren dramati-schen Auswirkungen auf die Banken-welt, die Debatten über die im Banken-beziehungsweise Finanzsystem herr-schenden Risken ausgelöst hat2. die Wirtschaftskrise, welche in derFolge die arbeitende Bevölkerungerfasst hat und hier vor allem jene, dievon Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oderanderen prekären Arbeitsverhältnissen(zum Beispiel Leiharbeit) betroffenwaren und sind3. die Fiskalkrise – also der deutlicheAnstieg der Verschuldung öffentlicherHaushalte – mit weitreichenden Fol-gen auf die Aufrechterhaltung kommu-naler Infrastrukturen und sozialerTransfers für beispielsweise Hartz-4EmpfängerInnen.4. die Gesellschaftskrise, in der dieökonomischen Probleme möglicher-weise auf den gesellschaftlichenZusammenhalt durchschlagen undeine Haltung der Entsolidarisierungbefördern.

Dieses „Stadienkonzept“ beinhaltetzwei wichtige Überlegungen: 1. Es impliziert eine zeitliche Abfolge,ein Krisenbereich „infiziert“ den ande-ren (so ist zum Beispiel die Fiskalkriseeine Folge der Bankenkrise – StichwortBankenrettungspakete – und der Wirt-schaftskrise – beispielsweise höhere,über Kredite finanzierte Konjunktur-pakete bei gleichzeitig steigenden Aus-gaben für Arbeitslosigkeit und sinken-

den Einnahmen aus Lohn- und Unter-nehmenssteuern).2. Die Entwicklungen in jeder Phaseder Krise bedrohen beziehungsweiseerfassen direkt oder indirekt immerweitere Kreise der Bevölkerung. Beson-ders leiden darunter aufgrund ihrersozialen und ökonomischen Stellung inder Gesellschaft „schwache“ Gruppen,die durch politische Entscheidungs-und Umverteilungsprozesse von untennach oben (zum Beispiel Bankenret-tungspakete zur Vermögenssicherungbei folgenden Kürzungen im Sozial-und Pensionsbereich) belastet werden.

Wie Menschen mit Krise(n) undderen Folgen umgehen beziehungs-weise sie verarbeiten hängt dabeiwenig überraschend von der sozialenLage und dem Ausmaß der subjektivwahrgenommenen Bedrohung (z.B. wiesicher ist mein Arbeitsplatz?) sowie vonder tatsächlichen Betroffenheit (zumBeispiel Arbeitslosigkeit, „Abrutschen“in Hartz IV) ab. Auffallend ist aller-dings dass die „GruppenbezogeneMenschenfeindlichkeit“ – also die Ver-achtung, die Abwertung, ja beinaheschon der Hass auf „schwache“ Grup-pen, wie AusländerInnen und Langzeit-arbeitslose – signifikant und drama-tisch zugenommen hat: und zwar beiden finanzkräftigen ökonomischen undgesellschaftlichen Eliten.

DISPARATE ENTWICKLUNGENDie wirtschaftliche Erholung sowie

der von der Politik gefeierte Rückgangder Arbeitslosigkeit verschleiert aller-

dings das eigentliche Problem, näm-lich „... die sozialen Folgen der quan-titativen Veränderungen der Arbeits-verhältnisse (insbesondere die wach-sende Prekarisierung und die Auswei-tung des Niedriglohnsektors), die sichin den letzten Jahren beobachten lie-ßen … Vor allem daran zeigt sichnämlich, wie sehr die Wirtschaftskrisein die Lebensverhältnisse der Men-schen eindringt, ihre Ängste bestimmtund soziale Mentalitäten infiziert.“

KRISENBEDROHUNG UNDEROSION SOZIALER WERTEWie bereits erwähnt ist die Art und

Weise, wie Menschen die Krise subjek-tiv wahrnehmen und inwiefern sie(sich) betroffen oder bedroht sind (füh-len), für die Frage, wie diese individuellverarbeitet wird, entscheidend.

Hinsichtlich der Krisenbedrohungund -betroffenheit sehen sich 2010(2009) in der BRD ...•durch aktuelle wirtschaftliche Ent-wicklungen bedroht: 53 Prozent (47,4)•durch Krise persönlich betroffen:40 Prozent (37,9)•durch Krise in bisheriger Lebenspla-nung bedroht: 40,4 Prozent (46,2)Die Bedrohung beziehungsweiseBetroffenheit durch die Krise, mit dersich Ängste verbinden, kann sich mitAggressionen „aufladen“. So geben …•40,3 Prozent jener, die eine hoheKrisenbetroffenheit aufweisen, an, „indiesen Zeiten gereizt“ zu sein (niedrigeKrisenbetroffenheit: 15,3 Prozent, hoheKrisenbedrohung: 37,3, niedrige Kri-senbedrohung: 9,5),

Eine Studie untersuchte, ob in Krisenzeiten Abwertungen, Diskriminierungen oder Ausgrenzungsmechanismen zunehmen.

DEUTSCHEZUSTÄNDE

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•37,3 Prozent jener, die eine hohe Kri-senbetroffenheit aufweisen, an, „zornigzu sein, da ich so unter Druck stehe“(niedrige Krisenbetroffenheit: 19,5 Pro-zent, hohe Krisenbedrohung: 33,5,niedrige Krisenbedrohung: 10,3).

„Dem sozialen Zusammenleben dürf-ten solche „Mischungen“ aus Ängstenund Aggressivität eher abträglich sein,“nehmen die AutorInnen an. Tatsäch-lich: Werden für den sozialen Zusam-

menhalt zentrale Kernnormen wie Soli-darität, Gerechtigkeit und Fairnessabgefragt, so erleben diese in Krisen-zeiten einen Erosionsprozess. Die abge-fragten Ergebnisse haben sich 2010 imVergleich zum Krisenjahr 2009 (Ergeb-nisse in Klammer) nur unwesentlichverschoben.

Der Aussage …•„Die Bedrohung des Lebensstandardsverringert die Solidarität mit denSchwachen“ stimmten 2010 76,2 Pro-zent der Befragten (2009: 75,2) zu.•„Bemühungen um Gerechtigkeit sindin diesen Zeiten nicht mehr erfolgreich“stimmten 56,7 Prozent (59,3) zu•„In Krisenzeiten kann man nicht mehrmit Fairness durch andere rechnen“wurde von 60,4 Prozent (62,8) derBefragten recht gegeben.

Krisenbetroffene bzw. von der KriseBedrohte wiesen dabei signifikanthöhere Zustimmungsraten zur Erosionsozialer Werte auf, als solche, die nichtbedroht oder betroffen sind.

DIE VERACHTUNG DERREICHEN FÜR DIE ARMENEine Krise-Auswirkung auf die Gesell-

schaft ist damit eine fortschreitendeEntsolidarisierung, die sich weniger in

den „unteren“ sozialen Schichten alsin den gesellschaftlich und ökonomischstarken Gruppen bemerkbar macht:1. Trotz einer beispiellosen Umvertei-lung von unten nach oben (beispiels-weise Bankenrettungspakete zur Ver-mögensrettung, Steuerpolitik etc.), füh-len sich immer mehr Personen mithohen Einkommen ungerecht behan-delt: seit dem Jahr 2005 ist der Pro-zentsatz der BezieherInnen hoher Ein-kommen (ab 2598 Euro monatlich),die der Meinung sind, sie erhieltenweniger als ihren gerechten Anteil (Fra-gestellung: Im Vergleich dazu, wieandere hier in Deutschland leben: Wieviel glauben Sie, erhalten Sie persön-lich? Antwortmöglichkeiten: mehr alsIhren gerechten Anteil, Ihren gerechtenAnteil, weniger als Ihren gerechtenAnteil), von 9,1 Prozent auf 22,7 Pro-zent 2010 gestiegen. Zum Vergleich: •mittlere Einkommen (1200 bis2598 Euro) von 25,5 Prozent auf32,9 Prozent, •niedriges Einkommen (650 bis1299 Euro) von 42 Prozent auf49,9 Prozent, •Arme (unter 650 Euro) von 58,7 Pro-zent auf 60,3 Prozent).2. Unter Personen mit hohen Einkom-men war beziehungsweise ist einegeringere Bereitschaft zur Unterstüt-zung schwacher Gruppen da, als beiPersonen mit niedrigen Einkommenbeziehungsweise Armen. Die Bereit-schaft der HöherverdienerInnen, in Zei-ten der Wirtschafts- und Fiskalkriseeinen solidarischen Beitrag zu leisten,ist verhältnismäßig geringer als beianderen Einkommensgruppen. So wol-len etwa nur 43,4 Prozent der Einkom-mensstärksten den Arbeitslosen einhöheres Arbeitslosengeld zugestehen(bei den mittleren Einkommen siehtsmit lediglich 42,4 Prozent nicht vielbesser aus), allerdings immerhin58,8 Prozent der Niedrigeinkommens-bezieherInnen und 87,7 Prozent derArmen. Mehr Unterstützung fürObdachlose wollen 90,9 Prozent derArmen, 83,3 Prozent der BezieherInnenmittlerer Einkommen, aber schon nurmehr 70,8 Prozent der Höherverdiener-Innen und überhaupt nur noch60,8 Prozent der Reichen.3. Mit der Entsolidarisierung geht –quasi als Legitimation und zur Verteidi-gung der eigenen Privilegien – eineStigmatisierung der schwachen Grup-

pen einher („fauler Arbeitsloser“, „Aus-länder, die den Sozialstaat ausnutzen“etc.). Signifikant hat daher auch in derGruppe der BezieherInnen hoher Ein-kommen die „gruppenbezogene Men-schenfeindlichkeit“ zugenommen.Konnte in bisherigen Untersuchungeneine besondere Verbreitung von „Grup-penbezogener Menschenfeindlichkeit“verortet werden, ist die Zunahme vonFremdenfeindlichkeit, des Einfordernsvon Etabliertenvorrechten, sowie dieAbwertung sozial benachteiligter Grup-pen – wie etwa Obdachloser – auf die„Gutverdienenden“ zurückzuführen.

Die StudienautorInnen zusammen-fassend: „Auch im Jahr 2010 haben dieMenschen in den unteren Einkom-mens- und Statusgruppen eher dasGefühl, von der ökonomischen Krisestärker bedroht oder betroffen zu sein,als die Angehörigen anderer Gruppen.Hinzu kommen politische Entscheidun-gen, die die Umverteilung von untennach oben weiter vorantreiben, sowieeine Tendenz der sozialen Entsolidari-sierung, die vor allem von den oberenEinkommens- und Statusgruppen aus-geht – und zwar obwohl die Verteilungdes gesellschaftlichen Reichtums sichin den letzten Jahren zu ihren Gunstenverschoben hat. Hinzu kommt, dassdiese Gruppe sich gleichzeitig oftmalsnicht gerecht behandelt fühlt und feh-lende Sensibilität gegenüber der offen-kundigen sozialen Spaltung der Gesell-schaft zeigt.“

„Deutsche Zustände“heißt eine in der edi-tion suhrkamp her-ausgegebene Reihe.Sie publiziert die For-schungsergebnisseeiner seit 2002 lau-fenden Langzeitstu-die, welches Ausmaßund Ursachen „Grup-penbezogene Men-schenfeindlichkeit“haben. Diese Studie

analysiert gesellschaftliche Entwicklungenund Zustände, die subjektive Verarbeitungderselben durch die Menschen, sowie dieAuswirkungen auf „schwache“ Gruppen.

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Die Bereitschaft der HöherverdienerInnen, inZeiten der Wirtschafts- und Fiskalkrise einensolidarischen Beitrag zu leisten ist geringerals bei anderen Einkommensgruppen

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Die Mapuche1): Mit Waffen waren sie nicht zu besiegen. Von Luis Stabauer, Chile.

REVOLUTIONEN FÜRMÄCHTIGE

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ährend sich die ursprünglichen Bewohner Afrikas und Asiensmehr oder weniger selbst von den Kolonialstaaten befreiten,oder immer noch dabei sind, sich zu befreien, gibt es inLateinamerika eine Besonderheit: Die in Lateinamerika ent-standenen europastämmigen Machtzentren lehnten sichgegen die iberischen Kolonialreiche auf. Auf ihre Art undmit ihren Interessen setzten sie die Entkolonialisierungdurch. Die neuen Nationalstaaten übernahmen die europä-ischen, beziehungsweise US-amerikanischen Ideen des indi-viduellen Liberalismus und adaptierten diese zur Aufrechter-haltung der Oligarchien, des Großgrundbesitzes und der kul-turellen Dominanz in Lateinamerika.

Die Besonderheiten der indigenen Völker sollten mög-lichst aufgelöst, die Menschen in die nationale Wirtschafteingebunden und von der neuen staatlichen Ordnungerfasst werden. Eine der wichtigsten Formen war dieAbschaffung des Gemeinschaftsbesitzes als juristische Son-derform. Sie war und ist es teilweise noch immer, die öko-soziale Basis in den allermeisten indigenen Gemeinschaften.

Die Individualisierung des Gemeinschaftslandes wurdevorangetrieben. Die Nationalstaaten konnten sich auf dietatkräftige Unterstützung der katholischen Missionsgesell-schaften verlassen. Wo sich indigene Völker dieser Integra-tion widersetzten, wurden sie militärisch vertrieben und teil-weise vernichtet. Meines Wissens hat in Lateinamerika nurein Volk erfolgreichen Widerstand geleistet.

Die Mapuche im Süden Chiles und Argentiniens wurdenvon den Spanischen Eroberern zwar zurückgedrängt, abernie besiegt. Daher musste die spanische Krone 1641 dieFreiheit und Selbstbestimmung der Mapuche vom Fluss BioBio bis zum Fluss Tolten festlegen. Nach der „Befreiung“ derim heutigen Chile lebenden „Europäer“ von Spanienerkannte der neue Staat diesen Vertrag an. Allerdings nichtlange, die Großgrundbesitzer und deren mächtige Erfül-lungsgehilfen wollten das Land der Mapuche okkupieren.Der grausame Krieg wurde „Befriedung Araukaniens“genannt, die Mapuche in Reservate gedrängt. Es bliebenihnen zirka fünf Prozent ihres Landes. Unter den PräsidentenEduardo Frei und Salvador Allende bekamen die Mapuchelangsam Ländereien zurück.

Nach dem von der US-Regierung eingefädelten Militär-putsch am 11. September 1973 wurde unter anderem derkollektive Landbesitz verboten. Die Mapuche sollten alsKleinbauern in das kapitalistische System integriert werden,ihre Sprache „Mapudungu“ wurde in den Schulen verboten.

MIT DEM SCHIFF ÜBER DIE ANDENMit diesem Vorwissen überqueren wir mit Schiffen und

Bussen die Anden. Um 9 Uhr holt uns ein Bus von San Car-los de Bariloche in Argentinien ab und bringt uns zum„Halstuchhafen“ (Puerto Pañuelo). Vorbei an schroffen Ber-gen – trotz Spätsommer sind noch immer große Schneefle-cken zu sehen – fahren wir mit einem Motor-Katamaranmehr als eine Stunden über den Lago Nahuel Huapi (so sag-ten die Mapuche und so heißt er noch immer) zur westli-chen Bucht Puerto Blest. Das riesige Trinkwasserreservoirhat eine Tiefe, die schon beinahe wieder die Meeresspiegel-höhe erreicht. Eine Dimensionen, nach der mir der Atterseeals Badewanne erscheint. Auch die Wassertemperatur desNahuel Huapi lässt meine Gedanken eher zu den österrei-chischen Gletscherseen wandern.

Die Tour entpuppt sich immer mehr als riesiger Touristen-transport. Das gesamte Gepäck wird wie auf Flughäfen mitFörderbändern auf die Transportmittel Bus-Schiff-Bus-Schiff-Bus-Schiff-Bus verladen. Leichte Zweifel kommen auf, ob dasdie Form des Reisens sein sollte, die ich mir für diese spe-zielle Andenüberquerung ausgesucht hatte. Egal, nach kur-zer Busfahrt nach Puerto Alegre besteigen wir bis PuertoFrías wieder ein Schiff. Der Cerro Tronador mit seinen siebenGletschern lenkt meine Gedanken wieder zu den Natur-schönheiten – wenn die Gletscher talwärts sausen, dröhntes angeblich im ganzen Gebiet, daher der „Tronador“.

Wieder warten wir bis ein Bus kommt, der uns über diewahrscheinlich niedrigste Andenüberquerung (976 Höhen-meter) nach Peulla in Chile bringt. Vielleicht sind es dieübergroßen Kappen der chilenischen Polizisten, oder die Tat-sache, dass Erich Honecker nach Chile geflüchtet war, viel-leicht aber auch nur die zwei Stunden Wartezeit an derGrenzstation, ich kann meine Erinnerungen an die ehemali-

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gen Grenzübertritte nach Ungarn, die CSSR oder die DDRnicht verdrängen.

Es dauert nochmals eine Stunde, bis das Schiff nachPetrohué ablegt, der besonders schöne Vulkan Osorno lässtsich ob unserer Verspätung nur mehr mit Wolkenhaube undschwach erkennbaren Schneefeldern sehen. Es ist aber zuverstehen, warum er auch der kleine Fuji genannt wird. Derletzte große Lago auf unserer Tour, der Allerheiligensee(Lago Todos Los Santos), liegt mitten im NationalparkVicente Pérez Rosales. Trotzdem leben um den See etwazweihundert Siedlerfamilien, teilweise als Großgrundbesitzerund Großunternehmer. Sie seien eben schon vor der Grün-dung des Parks 1926 von der Regierung hergeholt worden,damit sie das Land bebauen, beantwortet der Tour-Begleitermeine Frage. Das Land und die notwendigen Schiffe beka-men sie als Unterstützung.

Der Gemeinschaftsbesitz der Mapuche hatte in diesemSystem keinen Platz mehr. Die große Insel Margarita gehörtzur Gänze einem dieser Siedler. Der Allerheiligensee wird sogenannt, weil er von europäischen Okkupanten am erstenNovember „entdeckt“ wurde.

Die Mapuche hatten ihn natürlich längst als Wasserwegfür den andinen Warenaustausch mit den Völkern Ostpata-goniens benutzt (haben nicht viele AfrikanerInnen in denletzten Jahren Europa für sich entdeckt, ohne Eroberer seinzu wollen? Kein einziger See wurde nach einem Namen die-ser „EntdeckerInnen“ benannt.)

OSTERSTOLLEN UND STREUSELKUCHENZur nächtlichen Ankunft in Puerto Varas konnten wir die

alemannischen Holzhäuser nicht mehr sehen. Am nächstenTag staunten wir dafür nicht schlecht. Ein kulinarischer Pro-spekt preist Fotos und Rezepte von Schokoladetorte, Apfel-mus, Biskuitroulade, Schwarzbrot, Apfelstrudel, Mohntorte,Topfentorte, Osterstollen und Streuselkuchen an. Im Früh-ling gibt es dann noch ein Oktoberfest.

Klar, meinte der befragte Kellner, die größte Siedlung hierin Puerto Varas sei eine deutsche. Die klaren Seen, die

Berge, die rauschenden Bäche und die grünen Wiesen wer-den bei den Siedlern aus Deutschland, Österreich und derSchweiz Heimatgefühle ausgelöst haben. Als Gäste in einembesiedelten Land fühlen sie sich auch heute nicht. Siedleraus dem 18. und 19. Jahrhundert wurden im 20. Jahrhun-dert zuerst von Flüchtenden vor den Nazis und später vondiesen selbst ergänzt. Die Einen blieben, weil sie eineschöne neue Heimat gefunden hatten, oder weil ihnen dasDeutschtum die Rückkehr emotional unmöglich machte, dieAnderen konnten bleiben, weil Chile kein Auslieferungsab-kommen mit Österreich und Deutschland hatte.

Gemeinsam ist vielen der Geflohenen leider das herr-schaftliche Verhalten der spanischstämmigen ChilenInnengegenüber indigener BewohnerInnen. Nicht nur Seen,Nationalparks, Berge, Schulen, Feuerwehren, Bäume undBlumen wurden nach europäischen „Entdeckern“ benannt.Nach meiner Beobachtung tragen auch sehr viele Straßenderen Namen. Eine Buschmann Straße in Osorno, nach demersten Bierbrauer Anwandter in Valdivia wird die deutscheSchule benannt, das Kunstmann Bier der gleichen Stadtwirbt auf den Werbeflächen mit „Kunstmann, das guteBier“ und vieles mehr. In Familien mit erkennbaren indige-nen Wurzeln wird oft schon nach kurzem Kontakt betont,dass sie aus spanischen, deutschen, schweizer, oder, …Familien stammen.

SOY CHE, PERO SIN MAPU NO SOY MAPUCHE2)

Ich bin ein Mensch, aber ohne Land bin ich kein MapucheVillarrica mussten wir sehen. Jene Stadt mit dem gleichna-

migen See und ebenfalls gleichlautenden und rauchendenVulkan ist heute ein sehr netter Touristenort zum Baden,Surfen, Segeln und für Ausflüge in Nationalparks und Ther-men. Bereits zwischen 1554 und 1559 und dann für längereZeit nach 1602 mussten die Spanier die Stadt aufgeben. Siekonnten die Angriffe der Mapuche nicht abwehren. Erst1882 kam es zu einem Treffen der chilenischen Regierung

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Vulkan Villarrica in Chile

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mit dreihundert Führern der Mapuche. Die daraus resultie-rende Vereinbarung wurde durch unklare Formulierungenzum Bumerang für die Mapuche. Sie wurden in Reservate anden Hängen des Vulkans verbannt.

In den 1960ern und den ersten 1970ern und vor allemunter Präsident Salvador Allende konnten sie auf Landrück-gabe und die Erfüllung der Abkommen hoffen. Die DiktaturPinochets beendete die sanften Fortschritte. Sie hielten indieser Zeit ihre Gemeinschaften mit geheimen Treffen auf-recht. Ihre Präsenz veranlasste den ersten Präsidenten nachder Diktatur die Forderungen der Mapuche in das Regie-rungsprogramm aufzunehmen.

Noch vor der Wahl gab es einen großzügigen Pakt zwi-schen Aylwin und den Mapuche, der nach der Wahl imParlament immerhin noch die Anerkennung indigener Grup-pen3) in Chile zur Staatshaltung machte. Wieder einmal kames zu einem Abkommen mit der Regierung, nach dem unteranderem alle Streitigkeiten im Dialog beigelegt werden soll-ten. Nachdem die nächste Regierung eine Kraftwerksketteam Oberlauf des Bio Bio erlaubte und unter anderem Fried-höfe der Mapuche überschwemmt wurden, sahen die Mapu-che dieses Abkommen de facto aufgelöst.

Die Wechselbäder für die Mapuche setzten sich fort. Eineneue Wahrheitskommission forderte Landrückgaben, die

Regierung ignorierte den Bericht der Kommission. DieMapuche reagierten mit Protesten gegen die internationa-len Holzmultis und mit Landbesetzungen. Die Repressionender Polizei nahmen zu und die Aktivitäten der Mapuchewurden nach einem Antiterrorgesetz aus der Zeit Pinochetsals terroristisch eingestuft.

Unter der vorletzten Präsidentin Michelle Bachelet wurdezwar eine Resolution der „International Labour Organisa-tion“ über das Verfügungsrecht natürlicher Ressourcen ihresSiedlungsgebietes unterzeichnet, aber auch diese Verpflich-tung wird nicht umgesetzt.

Der aktuelle und offen neoliberale Präsident SebastiánPinera zeigt wenig Interesse, die Lage der Mapuche zu ver-bessern. Mit Scheinlösung durch das Einbinden von ange-passten Mapuche – zwei Führer von Gemeinschaften vertra-ten angeblich die Mapuche, doch der Eine war Unteroffizierder Streitkräfte, der andere stand in Verbindungen zu Kon-zernen, die Interesse am Land der Mapuche haben – sollendie Initiativen der Regierung positiv dargestellt werden.Gleichzeitig setzt die Polizei scharfe Munition gegen protes-tierende Mapuche ein. Es gibt Tote, viele Verletzte und beiHausdurchsuchungen werden auch alte Menschen und Kin-der geschlagen. Die Anwendung eines Antiterrorgesetz mitMilitärgerichtsverfahren der Pinochet- Diktatur wurde nachnationalen und internationalen Protesten vom neuen Präsi-denten für einige Häftlinge beendet, für andere wird es wei-terhin angewendet.

Erst ein 2008 begonnener Hungerstreik brachte interna-tionale Aufmerksamkeit. Nach einer Vermittlung durchBischof Goic beendete Patricia Troncoso ihren Streik nach103 Tagen. Sie und vier Mapuche wurden neben Gefängnis-strafen zu einer Geldstrafe von 925.000 US-Dollar verurteilt.Laut Senator Alejandro Navarro seien 2008 in der Mapu-che-Region für die Bewachung der Wälder der Holzkonzerneelf Millionen Dollar ausgegeben worden, aber nur etwasmehr als fünf Millionen für den versprochenen Landankauf.Noch immer sind mehr als hundert Mapuche in Haft.

Viele Mapuche fordern Autonomie innerhalb des Zentral-staates, andere fordern politische Autonomie und meinenvor allem die Anerkennung der Lonkos4). Sie wollen ihreeigenen, zweisprachigen Schulen und selbst über die Res-sourcen ihres Landes verfügen können.

2,5 Busstunden westlich von Temuco, am Lago Budi, liegtdie Mapuche-comunidad (Dorfgemeinschaft) Llaguepulli.Wir haben ihr sanftes Tourismusangebot5) in Anspruchgenommen und konnten zwei Tage lang in die Kultur derMapuche eintauchen. Sie bieten Cabanas und Rukas6) zumNächtigen an. Kulturelle Aktivitäten bis hin zum Besucheines medizinischen Kräutergartens und vor allem derWunsch, mit den Gästen zu reden, zu diskutieren und ihnenauch die Situation der Mapuche näher zu bringen, kenn-zeichnen dieses Tourismusprojekt der Mapuche. In Llague-pulli hat die comunidad die Forderung nach eigener Bil-dung umgesetzt. Nach zähen und konfliktreichen Verhand-lungen haben sie 2006 die damals katholisch geführte, ein-klassige Schule mit fünfzehn Kindern zwischen sechs undvierzehn Jahren übernommen. Heute verwalten sie dieSchule selbst. Achtzig SchülerInnen in acht Klassen werdenvon acht LehrerInnen, einer Psychologin und fünf Teilzeit-kräften (Fahrer, Küche, …) betreut. Selbstverständlich wird

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Mapuche-Kriegeram Hauptplatz

von Temuco

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neben Spanisch auch Mapudungu gelehrt und gesprochen.Die Kultur und die Religion der Mapuche sind so etwas wieein Unterrichtsprinzip in ihrer Schule.

Die Mapuche nennen die Weißen huincas. Auf unsereFrage, was für sie in der Zeit der Diktatur besondersschlimm war, bekamen wir zur Antwort, dass die huincasihre Sprache verboten hätten und sie sich nicht versammelndurften. Letzteres stufen sie besonders schlimm ein. Diezwangsweise Aufteilung der ohnehin kleinen Gemein-schaftsbesitze an Familien seien bis heute sehr negativ, dasie diese in die Armut treiben.

Im neoliberalen Weg Chiles (seit Pinochet) werden sowohldie Natur, als auch kulturelle Werte dem Wirtschaftswachs-

tum und Massenkonsum untergeordnet. Urwälder werdengerodet, Holzplantagen angelegt. Eine Grundhaltung, dieden Werten der Mapuche diametral entgegensteht: DieEinheit von Natur und Mensch, das Leben und Arbeiten inGemeinschaft, ohne Privateigentum. Doch die Hoffnunglebt. Viele Mapuche sind überzeugt, Autonomie für ihr Volkerreichen zu können.

Mir hat sich diese Hoffnung in Temuco gezeigt: EineStraße, die Avenida Lautaro im Zentrum, wurde nach einemder wichtigsten Mapuche-Krieger benannt. Lautaro wurdevon den Spaniern gefangen genommen, konnte flüchtenund hat im 16. Jahrhundert viele erfolgreiche Schlachtengegen die Spanier geführt.

1) Mapu = Erde, im Sinne von Land; Che = der Mensch, Menschen2) Mauricio Painefil in einem Gespräch in der comunidad Llaguepulli,im März 20113) Die Mapuche wollen als Volk anerkannt werden. Mit 10 Prozent derchilenischen Bevölkerung, einem zugesprochenem Land und einereigenen Sprache sind sie keine ethnische Minderheit, sondern wollenAutonomie.4) Lonko bedeutet Kopf. Der Lonko ist die politische und moralischeAutorität (gewählt) der comunidad.5) Kontaktdaten: lagobudi.cl/general/proyecto.htm, E-Mail vonNadia: [email protected]) Ruka: Haus aus Stroh und Schilf mit offenen Feuerstellen, wurdenteilweise wieder aufgebaut, einige Familien leben auch noch in die-sen Häusern.

Ruka: Haus der Mapuche

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Zeichen der Mapuche-Schule in

Llaguepulliin Mapudungu

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war durchaus Absicht, dassder Kongress ausgerechnet inAthen stattfand und der Soli-

darität mit den Menschen inGriechenland galt auch gleich einedringliche Resolution gegen die Spar-politik der Europäischen Union. EinThema, das sich durch alle Papiere undDebatten zog, eines war wirklich allenklar: Wird der Euro-Pakt samt Spar-massnahmen weitergeführt, dannbedeutet das nicht nur Verelendungfür viele Menschen, sondern auch dasAus für das Europäische Projekt.

In Athen waren zunächst nicht allevon diesem Kongress begeistert. Teile

der griechischen GewerkschafterInnenplakatierten („Bürokraten, geht heim“)und demonstrierten gegen den Euro-päischen Gewerkschaftsbund. Das hatgleich dazu geführt, dass am erstenTag der gesamte Kongress unter Poli-zeischutz stattfand und am Eintrittstrenge Sicherheitskontrollen waren.Das hat sich im Laufe der Zeit gelegt.Aber Polizei ist sehr stark präsent inAthen, und Armut deutlich sichtbar.

Im EGB (international heißt er etuc,European Trade Union Confederation)sind über achtzig Gewerkschaften aus36 Ländern organisiert. Dementspre-chend groß war der Kongress, über

Der große Kongress des

Europäischen Gewerk-

schaftsbundes hat dreiein-

halb Tage gedauert. In der

Österreichischen Delegation

war erstmals die UG dabei.

Von Lisa Langbein.

ES

Lisa Langbeinist UG-Vertreterin imÖGB-Vorstand undarbeitet in der KIV.

tausend Delegierte. Dementsprechendkompliziert waren wahrscheinlich dieVorbereitungen zu den zentralen Doku-menten und Resolutionen, die danneinstimmig beschlossen wurden.

Die Abhandlung der Kapitel desPlanes für die nächsten Jahre wurdeimmer wieder durch kleine Podiumsdis-kussionen unterbrochen. Bei einerwaren GewerkschafterInnen aus Tune-sien und Algerien geladen, durchausauch mit der Frage, was wir für sie tunkönnten und wie glaubwürdig die EUin ihren Ländern noch sei. Glaubwür-dig? Nein. Aber trotz bestehenderGewerkschaften in Tunesien kam dieRevolte überraschend. Die Gewerk-schafterInnen haben sie dann sehrunterstützt. In Ägypten gabs zuvor nur„Staatsgewerkschaften“ mit Pflichtmit-gliedschaft. Der Neuaufbau ist schwie-rig, die Lage unübersichtlich.

In einer anderen Debatte an denKommissar der EU, Laszlo Andor,gerichtet: „Ihr redet von Krise, ihr redetvom Sparen, wir reden von den Men-schen“. Kollege Foglar forderte vehe-ment die Einführung einer Finanztrans-aktionssteuer. Eine Forderung, die hiervon allen mitgetragen und begeistertunterstützt wird.

Am letzten Tag des Kongresseshaben die Delegierten das „AthenerManifest“ einstimmig beschlossen. DieResolution macht deutlich: Der EGBwird kompromisslos gegen antisozialePraktiken in der Europäischen Unionund damit auch gegen die gegenwär-tig geplante Form der Wirtschaftsregie-rung kämpfen. „Die Alternative zurSparpolitik lautet: Entwicklung einerWachstums- und Beschäftigungsstrate-gie, strengere Regulierung der Finanz-märkte und die Einführung einerSteuer auf Finanztransaktionen“, sagtedie neu gewählte Generalsekretärindes Europäischen Gewerkschaftsbun-des, Bernadette Ségol.

Der Kongress war recht klar unddeutlich in Worten. Was das aber dannfür die Taten bedeuten wird, mussabgewartet werden.

Wer es genauer wissen will: www.oegb-eu.at