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Lasten in die Zukunft verschoben Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz Altersvorsorge ab

Altersvorsorge Las ten in die Zukunft verschoben · SAP-Nr. 84138D-1401 Inhalt 4 In Kürze 7 Kapitel 1 Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten? 11 Kapitel 2 Staatsverschuldung

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Lasten in die Zukunft verschoben

Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz

Altersvorsorge

ab

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StudieAltersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz – Lasten in die Zukunft verschoben

Diese Studie entstand aus dem Forschungs projekt des Forschungszentrums Generationenverträge (FZG) der Universität Freiburg im Breisgau und den Ökonomen des UBS Chief Investment Office WM zur Altersvorsorge und zur Schweizer Generationenbilanz.

HerausgeberUBS AG, Postfach, CH-8098 Zürich

AutorenStefan Moog, Ökonom, FZGVeronica Weisser, Ökonomin, UBS AGBernd Raffelhüschen, Ökonom, Leiter FZG

RedaktionPierre Weill

Redaktionsschluss14. April 2014

Desktop PublishingCIO Digital & Print Publishing

Titelbildtbradford | iStock

DruckNeidhart + Schön Group, Zürich

SprachenDeutsch, Französisch, Italienisch

Weitere Informationen unterwww.ubs.com/vorsorgeforum

HaftungsausschlussDiese Broschüre ist eine Marketing Publikation,welche nicht den gesetzlichen Bestimmungen bezüglichder Unabhängigkeit der Finanzanalyse unterliegt.

SAP-Nr. 84138D-1401

Inhalt

4 In Kürze

7 Kapitel 1 Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten?

11 Kapitel 2 Staatsverschuldung

ehrlich gerechnet – die Zukunft berücksichtigen

16 Kapitel 3 Implizite Lasten

im Vorsorgesystem

20 Kapitel 4 Szenarienanalysen – und

wenn es anders kommt?

22 Kapitel 5 Bevölkerungsszenarien –

der Streit um die Einwanderung

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 3

Editorial

Veronica Weisser

Bernd Raffelhüschen

Mit der Überalterung der Gesellschaft erlebt das Alter eine Renaissance: Das Alter gilt nicht mehr als Phase der Erkrankung und Verarmung. Im Gegenteil, wir sind im Alter heute länger aktiv, selbstbestimmt und kreativ als je zuvor. Zudem trägt die ältere Bevölkerung bedeutend zum politischen und gesellschaftlichen Leben bei. Unweigerlich entstehen aber auch Schwierigkeiten. Während sich die Gesellschaft schnell an die neue Realität eines längeren, gesünderen Lebens mit weniger Kin-dern angepasst hat, so haben dies die Sozialversicherungssysteme nicht. Im Gegen-teil, die Schweizer Altersvorsorge steckt in der Klemme.

Seit 2010, dem Jahr in dem die 11. AHV-Revision im Parlament endgültig scheiterte und die Herabsetzung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule in einer Volksabstim-mung abgelehnt wurde, ist der Zwiespalt zwischen Reformbedarf und Reformfähig-keit weiter angestiegen. Fachkreise zweifeln kaum an der Reformnotwendigkeit, während in weiten Teilen der Bevölkerung Unsicherheit herrscht. Dies ist nicht ver-wunderlich, liegt es doch in der Natur der Altersvorsorge, dass die komplexen Zusam-menhänge zwischen Rentenversprechen heute und Finanzierbarkeit morgen unüber-schaubar sind. Ist unsere Altersvorsorge langfristig finanzierbar? Wie hoch ist die Finanzierungslücke und wie verteilen sich die Lasten zwischen den Generationen?

Vor diesem Hintergrund haben das Forschungszentrum Generationenverträge (FZG) der Universität Freiburg im Breisgau und die Ökonomen des UBS Chief Investment Office WM in enger Kooperation die langfristigen Perspektiven der Schweizer Altersvorsorgesysteme und des öffentlichen Haushaltes auf Basis der aktuellen Wirtschaftsdaten analysiert. Der Zusammenhang zwischen der Altersvorsorge und dem öffentlichen Haushalt ist naheliegend – Rentenversprechen, die nicht aus dem Vorsorgesystem heraus finanziert werden können, sind schliesslich eine Verpflich-tung des Staates. Diese implizite Staatsverschuldung berechnet sich aus dem zukünftigen Missverhältnis der Ausgaben- und Einnahmenentwicklung des öffentli-chen Haushalts. In der AHV, aber auch in den übrigen Sozialversicherungen und in den Haushalten von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie im Gesundheitswesen, ist es unklar, wie heutige Leistungen angesichts des demografischen Wandels auch in Zukunft finanziert werden sollen.

Öffentliche Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Die niedrige Staats-verschuldung in der Schweiz bildet die Grundlage für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung, denn sie ermöglicht niedrige Steuersätze und ein wettbewerbsfähiges Umfeld, welches leistungsfähige Unternehmen und Arbeitskräfte anzieht. Deren Steuern bilden wiederum die Finanzierungsbasis für die Leistungen des Staates. Die Schweiz steht mit einer Staatsschuldenquote von nur 36 Prozent des Bruttoinland-produkts (BIP) im internationalen Vergleich vorbildlich dar. Damit aber auch kom-mende Generationen auf ähnlich gute Rahmenbedingungen zählen können, muss eine nachhaltige Finanzierung der öffentlichen Sozialsysteme und insbesondere der Altersvorsorge gesichert werden.

Veronica WeisserUBS Chief Investment Office WM

Prof. Bernd RaffelhüschenForschungszentrum Generationenverträge

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz4

In Kürze

Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten? Heutige Rentenversprechen in der AHV übersteigen den Barwert zukünftiger Einnahmen der AHV um 173,4 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Tatsächlich ver-spricht die derzeitige Gesetzgebung in der Schweiz jedem heute lebenden Altersjahrgang mehr Leistungen aus der AHV, als sie diesem im Gegenzug an Zahlungsverpflichtun-gen auferlegt. Unklar ist, wer die AHV-Finanzierungs lücke, also das Missverhältnis zwischen zukünftigen Rentenan-sprüchen und Zahlungsverpflichtungen, finanzieren wird.

Aktuell sind die Einnahmen der AHV noch höher als die Ausgaben. Das liegt an der derzeitigen Altersstruktur der Bevölkerung. Zwar erreichten die ersten geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge bereits im Jahr 2009 das Rentenalter, noch trägt aber der Grossteil der Baby-Boomer-Generation mit seinen Beiträgen zur Finanzierung der AHV bei. Diese Situation ist jedoch nicht von Dauer. Im Verlauf der kom-menden zehn Jahre werden fast eine Millionen Personen in der Schweiz das gesetzliche Rentenalter erreichen.

Lasten in die Zukunft verschobenNachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit in der AHV müssen stark in Frage gestellt werden. Schon heute belastet die AHV jüngere Generationen deutlich stärker

als Rentner und ältere Erwerbstätige. Hinzu kommen die Belastungen, um die AHV-Finanzierungslücke zu schlie-ssen. Für den Fall, dass diese Lücke durch eine Mehrwert-steuererhöhung ab 2025 geschlossen wird, beträgt der Barwert der Mehrbelastung in der AHV gegenüber einem heutigen 65-Jährigen für eine 2010 geborene Person etwa CHF 66 500 und für eine 1980 geborene Person etwa CHF 35 700. Für einen heute 85-Jährigen ergibt sich dage-gen eine Minderbelastung von etwa CHF 26 400. Der Vergleich zwischen einem 2010 Geborenen und einem heute 85-Jährigen ergibt also im Barwert eine Mehr-belastung der Generation der heute 4-Jährigen in der AHV von etwa CHF 93 000 pro Kopf.

Abbildung 1 zeigt die äquivalente Mehr- und Minder-belastung je Lebensjahr im Vergleich zum heutigen Neu-Rentner (Jahrgang 1949) in drei Szenarien. Erstens im Status Quo ohne Berücksichtigung der AHV-Finanzie-rungslücke, zweitens bei dauerhafter Erhöhung der Mehr-wertsteuer und drittens bei Erhöhung der AHV- Beitragssätze ab 2025 zur langfristigen Finanzierung der AHV. Die Mehr belastung der jüngeren Generationen kann als jährliche AHV-Zusatzsteuer gegenüber der Ver-gleichsgeneration der Neurentner verstanden werden, die Minderbelastung heutiger Rentner als AHV-Steuer-

1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030

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Jahrgang

Abb. 1: Fehlende Generationengerechtigkeit in der AHVRelative Mehr-/Minderbelastung je Lebensjahr in CHF (im Vergleich zum Jahrgang 1949), wachstums- und inflationsbereinigt

Quelle: EFD, BfS, BSV, HMD (Human Mortality Database), eigene Berechnungen

Status quobei Erhöhung der Mehrwertsteuer ab dem Jahr 2025bei Erhöhung des Beitragssatzes ab dem Jahr 2025

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In Kürze

geschenk. Die zentrale Herausforderung ist daher, wie die AHV reformiert werden kann, ohne die Sanierungs-kosten einseitig der jungen Generation aufzulasten.

Staatsverschuldung ehrlich gerechnet – die Zukunft berücksichtigenDer Zusammenhang zwischen der Altersvorsorge und dem öffentlichen Haushalt ist naheliegend – Renten-versprechen, die nicht aus dem Vorsorgesystem heraus finanziert werden können, sind schliesslich eine Verpflich-tung des Staates. Diese implizite Staatsverschuldung bezif-fert sich allein in der AHV auf 173,4 Prozent des BIP. Hinzu kommen die impliziten Schulden infolge der demografisch bedingten Zunahme der Aufwendungen für folgende Bereiche (Abb. 2):

u Gesundheit und Pflege in Höhe von 197,6 Prozent des BIP. Hiervon entfällt auf Bund, Kantone und Gemein-den ein Anteil von 100,0 Prozent des BIP, auf die Kranken-kassen dagegen ein Anteil in Höhe von 97,6 Prozent des BIP. Hierbei handelt es sich allein um die impliziten Ver-pflichtungen des demografisch bedingten Anstiegs der Gesundheits- und Pflegeausgaben. Der zusätzliche Aus-gabendruck infolge des medizinischen Fortschritts, also neuer Behandlungsmethoden und Medikamente, wurde dagegen noch nicht berücksichtigt.

u AHV/IV-Ergänzungsleistungen (EL) mit lediglich 17,6 Prozent des BIP. Im Vergleich fallen diese impliziten Lasten also kaum ins Gewicht. Dies spiegelt im Wesent-lichen die im Vergleich zur AHV geringeren Ausgaben für die Ergänzungsleistungen wider. Denn auch die Ausgaben für die Ergänzungsleistungen werden – relativ betrachtet – zukünftig in ähnlichem Umfang ansteigen wie die Aus-gaben der AHV.

u Invalidenversicherung (IV) mit einer negativen Finan-zierungslücke in Höhe von –22,8 Prozent des BIP. In der IV ist die demografische Herausforderung ein Problem der nahen Zukunft. Mit dem Altern der Baby-Boomer wer-den die Ausgaben in der IV in den kommenden Jahren zunächst noch steigen. Ab dem Jahr 2030 wird sich die Situation der IV jedoch deutlich entspannen. Langfristig ist die IV solide finanziert.

Schliesslich zeigt sich in der Gesamtbetrachtung (Abb. 2), dass die öffentlichen Haushalte von Bund, Kantonen und Gemeinden bei Fortschreibung ihrer gegenwärtig soliden Finanzsituation und bei Vernachlässigung des demografi-schen Ausgabendrucks langfristig einen Finanzierungs-überschuss erzielen würden. Dieser würde zur Finanzie-rung der AHV oder der Gesundheit und Pflege beitragen. Allerdings setzt dies voraus, dass die solide Finanzpolitik des vergangenen Jahrzehnts auf Dauer fortgesetzt wird.

Abb. 2: Der Beitrag des Vorsorgesystems zur Nachhaltigkeitslücke der öffentlichen HaushalteNachhaltigkeitslücken in Prozent des BIP, Basisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zinssatz = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen EL = Ergänzungsleistungen, IV = Invalidenversicherung

AHV EL IV

Summe(Nachhaltigkeitslücke

des öffentlichen Gesamthaushalts)

Gesundheit und Pflege(Bund, Kantone und Gemeinden)

Gesundheit und Pflege(Krankenkassen)

Bund, Kantone und Gemeinden(ohne Gesundheit, Pflege, EL)

173,4

100,0 97,6

17,6

–199,8

166,0

–22,8

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz6

In Kürze

Nachhaltigkeitslücke der SchweizRechnet man zu den expliziten Schulden in Höhe von 35,5 Prozent des BIP im Jahr 2011 die implizite Staats-schuld der Schweiz hinzu, so beläuft sich die tatsächliche Staatsverschuldung der Schweiz auf 202,9 Prozent des BIP. Abzüglich der bestehenden expliziten Vermögen in Höhe von 36,9 Prozent des BIP beziffert sich die Nachhaltigkeits-lücke der Schweiz auf 166,0 Prozent des BIP (Abb. 3).

Szenarienanalysen – und wenn es anders kommt?Langfristige Projektionen zur Entwicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben sind mit grossen Unsicherheiten hinsichtlich der demografischen, wirtschaftlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen behaftet. Als Folge des langfristigen Projektionszeitraums können die Ergebnisse der Generationenbilanzierung sensitiv auf Variationen der zugrunde gelegten Annahmen reagieren. Die Szenarien-analysen zum Produktivitätswachstum und zum realen Zinssatz zeigen auf, dass auch im Falle einer für den öffent-lichen Haushalt idealen Entwicklung der Parameter, die Nachhaltigkeitslücke des öffentlichen Haushalts dennoch beträchtlich ausfällt.

Einwanderung – gut oder schlecht für die AHV?Bei den Wanderungs- und Bevölkerungsszenarien ist fest-zuhalten, dass ein in sich nicht nachhaltiges System wie die AHV durch eine verstärkte Einwanderung nicht gesunden kann. Dies weil jedem heute lebenden Altersjahrgang (auch den Einwanderern) mehr Leistungen aus der AHV versprochen werden, als im Gegenzug an Zahlungsver-

pflichtungen auferlegt werden. Allerdings lassen sich die Lasten einer Sanierung der AHV und des öffentlichen Haushalts hierdurch auf mehr Schultern verteilen. Somit fällt die zur Sanierung des Staatshaushalts notwendige Mehrwertsteuererhöhung bei höherer Einwanderung nied-riger aus, da sie von mehr Personen getragen wird. Bei den Szenarien zur Alters struktur der Bevölkerung wird klar, dass eine verstärkte Alterung (geringere Fertilität, Wande-rungssaldo langfristig niedrig und stärkerer Anstieg der Langlebigkeit) zu einem weiteren Anstieg der Nachhaltig-keitslücke der Schweiz führen würde.

Abb. 3: Nachhaltigkeit der öffentlichen HaushalteÖffentlicher Gesamthaushalt inkl. Krankenkassen, Basisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zinssatz = 2%

Quellen: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

Basisjahr 2011

Nachhaltigkeitslücke166,0% des BIP

167,4% des BIP Implizite Staatsschuld

Explizite Staatsschuld

Explizites Vermögen

35,5% des BIP

–36,9% des BIP

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 7

1. Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten?

Was Rentner in Zukunft von der AHV an Altersrenten erwarten können, übersteigt deutlich die Beiträge, welche die jungen Erwerbstätigen in Zukunft an die AHV zahlen müssen. Unklar ist, wer die AHV-Finan-zierungslücke, also das Missverhältnis zwischen zukünftigen Renten ansprüchen und Zahlungsver-pflichtungen, finanzieren wird. Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit in der AHV müssen stark in Frage gestellt werden. Denn schon heute belastet die AHV jüngere Generationen deutlich stärker als Rentner und ältere Erwerbstätige.

Da die AHV im Umlageverfahren finanziert wird, stellt der Alterungsprozess der Gesellschaft die Finanzierung der AHV langfristig in Frage. Man spricht von einem dreifachen Alte-rungsprozess: Das Durchschnittsalter der schweizerischen Bevölkerung steigt erstens als Folge des Baby-Booms der 1940er bis 1960er Jahre an und zweitens als Folge des Ein-bruchs der Geburtenrate zu Beginn der 1970er Jahre, sowie drittens auch infolge der zunehmenden Lebens erwartung. Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der Bevölkerungspyra-mide über die Zeit (2010, 2030, 2060). Die geburtenstarken Jahrgänge erreichen im Verlauf der kommenden 20 Jahre das Rentenalter. Somit wird sich der Altersquotient, also die Anzahl der über 64-jährigen Personen pro 100 Personen im

Alter zwischen 20 und 64 Jahren, bis zum Jahr 2060 in etwa verdoppeln (Abb. 5). Statt derzeit fast vier Personen im erwerbsfähigen Alter werden im Jahr 2060 lediglich noch zwei Erwerbs personen auf einen über 64-Jährigen entfallen.

80 000 60 000 40 000 20 000 0 20 000 40 000 60 000 80 000

90

100

70

80

60

50

40

30

20

10

0

Rentenalter

Abb. 4: Bevölkerungspyramide der SchweizVergleich der Struktur der Bevölkerung in den Jahren 2010, 2030 und 2060

2010

Zuwachs an Personen im Rentenalter (2010–2060)

2030 2060Personen

Quelle: BfS, eigene Berechnungen

Alte

r

Männer Frauen

Abb. 5: Die demografische HerausforderungAltersquotient der Bevölkerung in verschiedenen Szenarien, über 64-Jährige je 100 Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren

Quelle: BfS, eigene BerechnungenFür das Referenzszenario wurden die Annahmen des «mittleren» Szenarios der Bevölkerungs-vorausberechnungen des Bundesamts für Statistik zugrunde gelegt.

2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060

80

60

70

50

40

30

20

10

0

Jahr

Szenario «verstärkte Alterung»

Szenario «abgeschwächte Alterung»

Referenzszenario

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1 Gemäss dem «mittleren» Szenario der Bevölkerungsvorausberechnun-gen des Bundesamts für Statistik (2010).

1 | Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten?

Alterung hat finanzielle KonsequenzenIn der AHV werden die Konsequenzen der Alterung in der Altersverteilung der Ausgaben und Einnahmen erkennbar (Abb. 6). Zwar tragen auch die älteren Jahrgänge mit ihren Steuerzahlungen über den Beitrag des Bundes indirekt zur Finanzierung der AHV bei. Im Wesentlichen finanziert sich die AHV jedoch durch die Beitrags- und Steuerzahlungen der Erwerbsbevölkerung im Alter zwischen 16 und 64 Jah-ren (Abb. 6, grüne Linie). Beim Berufseinstieg im Alter zwi-schen 16 und 25 Jahren liegen die durchschnittlichen pro Kopf Einzahlungen in die AHV (aus Beiträgen und Steuern) bei etwa CHF 5000 pro Jahr. Mit steigendem Erwerbs-einkommen nehmen auch die Einzahlungen in die AHV zu und erreichen ihren jährlichen Höchstwert von etwa CHF 8000 für die Altersgruppe zwischen 40 und 50 Jahren.

Dagegen entfallen die Ausgaben der AHV ihrem Zweck ent-sprechend nahezu ausschliesslich auf die über 64-Jährigen (Abb. 6, rote Linie). Beginnend ab dem gesetzlichen Renten-alter der Männer steigen die Ausgaben je Einwohner sprunghaft an. Sie belaufen sich für einen 65-Jährigen auf durchschnittlich etwa CHF 24 000 pro Jahr. Mit zunehmen-dem Alter steigen die Ausgaben weiter an, da zum einem nach dem Tod eines Ehepartners die Witwe oder der Witwer mehr als die Hälfte der AHV-Rente des Paares erhält. Zum anderen steigen auch die Ausgaben für Hilfl osen entschä di-gungen der AHV mit zunehmendem Alter stark an.

Auffällig ist, dass die durchschnittlichen pro Kopf Ausgaben ab einem Alter von 65 Jahren deutlich höher ausfallen, als die durchschnittlichen pro Kopf Einnahmen von der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren. Trotz dieser Diskrepanz sind die Einnahmen der AHV aktuell noch mehr als ausreichend, um die Ausgaben zu decken. Das liegt an der derzeitigen Altersstruktur der Bevölkerung (Abb. 6, blaue Fläche).

Noch zahlen die Babyboomer einZwar erreichten die ersten geburtenstarken Nachkriegsjahr-gänge bereits im Jahr 2009 das Rentenalter, noch trägt aber der Grossteil der Baby-Boomer-Generation mit seinen Beiträgen zur Finanzierung der AHV bei. Diese Situation ist jedoch nicht von Dauer. Bei einer annähernd konstanten Zahl von etwa 5 Millionen Personen im Erwerbsalter wird die Zahl der über 64-Jährigen in den kommenden Jahr-zehnten stetig zunehmen und sich von aktuell 1,3 Millionen Personen bis zum Jahr 2030 auf etwa 2 Millionen Personen erhöhen und sich bis zum Jahr 2060 auf etwa 2,6 Millionen Personen verdoppeln.1 Die in Abbildung 6 in blau darge-stellte Bevölkerungsstruktur verschiebt sich nach rechts und ein Grossteil der heute Einzahlenden in der Bevölkerung wird in der AHV zu Netto-Empfängern. Als Konsequenz

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100

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120

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0

5

Alter

Abb. 6: Die demografische Herausforderung in der AHVAltersstruktur der Bevölkerung, Altersverteilung der Einnahmen und Ausgaben der AHV (Referenzjahr 2011)

Bevölkerung 2014 (linke Skala)

Einnahmen je Einwohner (rechte Skala)

Bevölkerung 2030 (linke Skala)

Ausgaben je Einwohner (rechte Skala)

Bevölkerung 2060 (linke Skala)

Quelle: EFD, BfS, BSV, eigene Berechnungen

Bevö

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 9

Abb. 7: Generationenbilanz der AHVBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zinssatz = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, eigene Berechnungen

0 10 20 30 40 50 70 100908060

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–500

Alter

dieser Entwicklung werden die Einnahmen der AHV bereits ab dem Jahr 2019 nicht mehr ausreichen, um die Ausgaben zu decken.

Generationenbilanz der AHV: keiner zahlt für die AHVEine alternative Perspektive auf die zukünftigen Finanzie-rungprobleme der AHV ermöglicht die Generationenbilanz der AHV. Hierzu wird für jeden heute lebenden Altersjahr-gang der Betrag ermittelt, den ein durchschnittliches Mitglied dieses Jahrgangs über seine verbleibende Lebens-dauer zukünftig noch in die AHV einzahlen bzw. aus der AHV erhalten wird. Die Differenz zwischen den zukünfti-gen Einzahlungen und den zukünftigen Auszahlungen ent-spricht im Gegenwartswert der sogenannten Nettosteuer-schuld des Altersjahrgangs gegenüber der AHV. Ist die Nettosteuerschuld positiv, so wird ein Altersjahrgang über seine verbleibende Lebensdauer mehr in die AHV einzah-len, als er im Gegenzug an Leistungen empfangen wird.

Ist die Nettosteuerschuld dagegen negativ, so wird ein Altersjahrgang über seine verbleibende Lebensdauer weni-ger in die AHV einzahlen, als er im Gegenzug an Leistun-gen empfangen wird. Im Durchschnitt zählt der Altersjahr-gang dann zu den zukünftigen Nettoleistungsempfängern. Für das Basisjahr 2011 ist die Generationenbilanz der AHV in Abbildung 7 dargestellt.2 Die Generationenbilanz zeigt, dass unter der derzeitigen Gesetzgebung keiner der heute lebenden Jahrgänge eine positive Nettosteuerschuld gegenüber der AHV aufweist. Dies bedeutet, dass die geltende Gesetzgebung allen heute lebenden Altersjahr-gängen mehr Leistungen verspricht, als sie diesen im Gegenzug an Zahlungsverpflichtungen auferlegt.

2 Neben der Altersverteilung der AHV-Einnahmen und -Ausgaben im Jahr 2011 wurde für die Fortschreibung der Einnahmen und Ausgaben in die Zukunft entsprechend der Annahmen der Langfristperspektiven des Bundesamts für Statistik (2012) ein jährliches Produktivitätswachs-tum in Höhe von 1 Prozent und eine jährliche Inflation in Höhe von 1,5 Prozent unterstellt. Für die Berechnung der Gegenwartswerte zukünftiger Einzahlungen und Auszahlungen wurde ein realer Zinssatz in Höhe von 2 Prozent zugrunde gelegt.

Unrealistische GesetzgebungWenn aber alle in Zukunft mehr Rente erhalten, als sie zum Einzahlen verpflichtet sind, stellt sich die Frage, aus welchem Geld diese versprochenen Renten wohl bezahlt werden sollen. Ein solches Altersvorsorgesystem könnte nur dann funktionieren, wenn in der Vergangenheit Rück-lagen gebildet wurden, um die nicht durch Beiträge oder Steuern gedeckten zukünftigen Leistungsversprechen zu finanzieren. Allerdings ist dies in der AHV nicht der Fall. Zwar verfügte die AHV Ende des Jahres 2011 über eine Vermögensreserve (AHV-Kapital) von CHF 40 Milliarden oder 6,9 Prozent des BIP. Gemäss den Ergebnissen der Generationenbilanz standen dieser Vermögensreserve jedoch ungedeckte Leistungsversprechen sowohl der heute lebenden als auch der zukünftigen Generationen in Höhe von CHF 1060 Milliarden oder 180,3 Prozent des BIP gegen-über. Subtrahiert man hiervon die heutige Vermögens-reserve, so erhält man die AHV-Finanzierungslücke in Höhe von 173,4% des Schweizer BIP. Bei einer Finanzierungslücke in dieser Grössenordnung kann von einer nachhaltigen Finanzierung der AHV keine Rede sein. Junge Erwerbstätige heute und zukünftige Generationen werden sich daher auf deutlich höhere Belastungen einstellen müssen, als die, wozu sie die aktuelle Gesetz gebung verpflichtet.

Lasten in die Zukunft verschobenDabei haben die heutigen jüngeren Erwerbstätigen bereits jetzt deutlich höhere Lasten zu tragen. Stellt man die Bei-tragszahlungen und Rentenleistungen für alle Jahrgänge ab 1900 gegenüber, so zeigt sich ein starker Anstieg in der Belastung nach Jahrgängen (Abb. 8, blaue Balken). Im Vergleich zu einer Person, die heute mit 65 in Rente geht (Jahrgang 1949), beläuft sich die Mehrbelastung für ein 2010 geborenes Kind auf einen Betrag von mehr als CHF 920 pro Lebensjahr, für Jahrgang 1980 auf CHF 570 pro Lebensjahr; ohne Berücksichtigung der Lasten zur Deckung der AHV-Finanzierungslücke. Wird nun zusätzlich berücksichtigt, dass die AHV-Finanzierunglücke, z.B. durch eine Mehrwertsteuererhöhung ab 2025 geschlossen wer-den muss (Abb. 8, beige Balken), so erhöht sich die Mehr-belastung für eine Person des Jahrgangs 2010 auf CHF 1590 pro Lebensjahr und für eine Person des Jahrgangs

Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten? | 1

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz10

1980 auf CHF 860 pro Lebensjahr (jeweils im Vergleich zu einer Person des Jahrgangs 1949). Hingegen sind heutige Rentner höheren Alters noch deutlicher bessergestellt, z.B. hat eine heute 85-jährige Person (Jahrgang 1929) eine Minder belastung von etwa CHF 680 pro Lebensjahr gegenüber dem heute 65-jährigen Neurentner. Wird die Schliessung der Finan zierungs lücke durch eine Erhöhung der AHV-Beiträge ab 2025 angestrebt (Abb. 8, grüne Balken), so werden die heutigen Rentner und die älteren Erwerbstätigen entlastet, die späteren Generationen hin-gegen noch zusätzlich belastet: Gegenüber einer heute 65-jährigen Person (Jahrgang 1949), trägt der Jahrgang 1980 eine jährliche Mehrbelastung von CHF 850 und der Jahrgang 2010 eine jährliche Mehrbelastung von CHF 1660 pro Kopf. Die Mehr- und Minderbelastungen, als Barwert ausgedrückt, sind in Tabelle 1 dargestellt.

Generationenvertrag wanktNachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit in der AHV müssen stark in Frage gestellt werden. Doch in der Alters-vorsorge lauern weitere Umverteilungen zulasten der heute Erwerbstätigen und ihrer Kinder: Die Unterdeckung bei den öffentlich-recht lichen Pensionskassen beziffert sich auf etwa CHF 50 Milliarden. Auch für diese Verpflichtungen werden vor allem die jüngeren und zukünftigen Generatio-nen mit Steuerzahlungen aufkommen müssen. Gleichzeitig

1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030

2000

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–1500

Jahrgang

Abb. 8: Fehlende Generationengerechtigkeit in der AHVRelative Mehr-/Minderbelastung je Lebensjahr in CHF (im Vergleich zum Jahrgang 1949), wachstums- und inflationsbereinigt

Quelle: EFD, BfS, BSV, HMD (Human Mortality Database), eigene Berechnungen

Status quobei Erhöhung der Mehrwertsteuer ab dem Jahr 2025bei Erhöhung des Beitragssatzes ab dem Jahr 2025

Tabelle 1: Generationenbelastungen in der AHV Relative Mehrbelastung (+) und Minderbelastung (–) als Barwert in CHF (im Vergleich zum Jahrgang 1949), wachstums- und inflationsbereinigt

Status quo Erhöhung der Mehrwertsteuer ab

dem Jahr 2025

Erhöhung des Beitragssatzes ab

dem Jahr 2025

Jahrgang 1929 –26 453 –26 411 –26 453

Jahrgang 1980 +23 652 +35 723 +35 565

Jahrgang 2010 +38 834 +66 554 +69 712

Quelle: EFD, BfS, BSV, HMD (Human Mortality Database), eigene Berechnungen

werden diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ein höheres Rentenalter und niedrigere Umwandlungssätze in der 2. Säule hinnehmen müssen – nicht nur aufgrund der eige-nen höheren Rentenbezugsdauer, sondern auch wegen der aktuell zu hohen Umwandlungssätze für heutige Rentner.

Für die AHV bleibt die Feststellung, dass die Finanzierung der Renten in Zukunft ungeklärt ist. Ausserdem zeigt sich schon heute ein starker Anstieg in der Belastung der AHV nach Jahrgängen. Da das geltende Recht bezüglich der AHV nicht die demografische Entwicklung berücksichtigt, ist klar, dass diese auch nicht nachhaltig ist. Eine wichtige Frage wird sein, wie die AHV reformiert werden kann, ohne die Sanierungskosten einseitig der jungen Generation aufzulasten.

1 | Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten?

Page 11: Altersvorsorge Las ten in die Zukunft verschoben · SAP-Nr. 84138D-1401 Inhalt 4 In Kürze 7 Kapitel 1 Finanzierungslücke: Wer zahlt die AHV-Renten? 11 Kapitel 2 Staatsverschuldung

Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 11

2. Staatsverschuldung ehrlich gerechnet – die Zukunft berücksichtigen

Mit einer Staatsverschuldung von 36 Prozent des Bruttoinlandprodukts steht die Schweiz im internati-onalen Vergleich vorbildlich dar. Als Folge der demo-grafischen Alterung werden die Ausgaben für Gesundheit, Pflege und Altersvorsorge in den kom-menden Jahrzehnten jedoch stark zunehmen. Diese impliziten Lasten stellen auch in der Schweiz die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in Frage.

Die demografische Alterung stellt nicht nur die langfristige Finanzierbarkeit der AHV in Frage. Auch die Haushalte von Bund, Kantonen, Gemeinden und der anderen Sozialversi-cherungen sehen sich infolge der demografischen Entwick-lung einem erheblichen Ausgabendruck bei Leistungen für Gesundheit, Pflege und Altersvorsorge (Ergänzungsleistun-gen usw.) gegenüber. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter, die den Grossteil der Sozialversicherungsbeiträge wie auch der Steuern tragen. Als Konsequenz droht in allen (öffentlichen) Haushalten ein scherenförmiges Auseinanderlaufen der Ausgaben und Einnahmen. In dem Umfang, in dem künftige Staatsausga-ben nicht durch künftige Staatseinnahmen gedeckt sind,

spricht man von einer impliziten Staatsverschuldung. Sie ist ähnlich ernst zu nehmen wie die explizite Verschuldung, weil sie dazu führt, dass in Zukunft entweder Steuern und Sozialbeiträge steigen oder staatliche Leistungen gekürzt werden müssen. Dies würde wiederum die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz verringern. Die dritte Variante, dass zukünftige Defizite einfach über neue sichtbare Schulden finanziert werden, also aus impliziten Staatsschulden nach und nach explizite Staatsschulden werden, bedeutet wiederum ein Aufschieben der Ver-pflichtungen auf nachfolgende Generationen.

Demografie prägt Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand Der Schweizer Generationenbilanzierung liegt die in Abbil-dung 9 dargestellte Verteilung der Staatseinnahmen und -ausgaben nach Altersjahrgängen im Basisjahr 2011 zugrunde.3 Die Staatseinnahmen sind dabei als positive Zahlungen, die Staatsausgaben als negative Zahlungen der Bürger an den Staat dargestellt.4 Die erwerbsfähigen Per-sonen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren leisten infolge ihrer Sozialabgaben aber auch ihrer höheren Steuer-

Finanzvermögen

Nachhaltigkeitslücke

Zukun

Explizite Schulden(in der Vergangenheitangehäue Schulden)

Tatsächliche Staatsverschuldung

Implizite Schulden (Schulden, die durch ungedeckte Leistungsversprechen entstehen, wenn alles weiterläu wie bisher)

minus

gleich

plus

Bestandteile der Nachhaltigkeitslücke

Die drohende Schieflage der öffentlichen Finanzen ist nicht allein die Folge der demografischen Alterung. Vielmehr liegen die Ursachen dieser Entwicklung in der Vergangenheit und der Gegenwart: Neben laufenden Ausgaben geht der Staat jedes Jahr beträchtliche Verpflichtungen für die Zukun ein, welche in vielen Fällen jedoch erst viel später haushaltswirksam werden. Allerdings bilden die meisten Länder, darunter auch die Schweiz, für diese Zusagen weder entsprechende Rück-stellungen, noch sind die Zusagen in ausreichendem Masse an die zukünige demografische Entwicklung und deren fiska-lische Konsequenzen angepasst, um Staatseinnahmen und Staatsausgaben langfristig in Einklang zu halten. In dem Umfang, in dem künige Staatsausgaben nicht durch künige Staatseinnahmen gedeckt sind, spricht man von einer impliziten Staats-verschuldung. Für einen realistischen Blick auf die tatsächliche Staatsverschuldung müssen also zu den sichtbaren expliziten Schulden der Vergangenheit die heute noch unsichtbaren impliziten Schulden der Zukun addiert werden. Die Summe entspricht der tatsächlichen oder effektiven Staatsverschuldung. Zieht man hiervon die Finanzvermögen ab, so erhält man die sogenannte Nachhaltigkeits- oder Tragfähigkeitslücke.

heuteVergangenheit

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz12

zahlungen den grössten Beitrag zur Finanzierung des Staates. Allerdings tragen auch die Rentner über die Ein-kommens-, Vermögens- und Mehrwertsteuer sowie die Krankenkassenprämien einen nicht unwesentlichen Anteil zu den Staatseinnahmen bei. Bei den Staatsausgaben ist

0 10 155 20 25 30 35Alter

40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100

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–100

Abb. 9: Die Altersverteilung der öffentlichen Einnahmen und AusgabenEinnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte je Einwohner, in CHF 1000 pro Jahr

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

Sonstige EinnahmenSteuernSozialbeiträge (inkl. Kostenbeteiligung)

Sonstige AusgabenBildung Gesundheit und Pflege

Soziale Sicherheit (AHV/IV, EL, Arbeitslosengeld, Prämienverbilligung, Sozialhilfe, usw.)

die Altersverteilung hingegen durch ein gegensätzliches Muster charakterisiert. So leistet die erwerbsfähige Bevöl-kerung zwar den grössten Beitrag zur Finanzierung des Staates. Gleichzeitig entfallen auf diese Gruppe im Durch-schnitt aber die geringsten Ausgaben. Für die Älteren und die Jüngeren fallen die Ausgaben dagegen im Durchschnitt höher aus. Bei den Jüngeren dominieren insbesondere die Bildungsausgaben. Infolge der Rentenzahlungen der AHV, der Gesundheits- und Pflegeleistungen und der Ergän-zungsleistungen dominieren bei den Älteren hingegen die Ausgaben für soziale Sicherheit und Gesundheit. Nach Abzug der Ausgaben leistet damit lediglich die Bevölke-rung im Alter zwischen 25 und 60 Jahren einen positiven Beitrag zur Finanzierung des Staates. Hingegen entfallen auf die unter 25-Jährigen und die über 60-Jährigen im Durchschnitt höhere jährliche Ausgaben als Einnahmen. Daher führt die Zunahme des Altersquotienten zukünftig zu einem wachsenden Missverhältnis zwischen der Ein-nahmen- und Ausgabenentwicklung des Staates.

In der Schweizer Generationenbilanz (Abb. 10) für das Basisjahr 2011 werden alle zukünftigen Zahlungen pro Kopf jeder Generation über deren jeweils verbleibende Lebensdauer aufsummiert. Nach der aktuellen Gesetzge-bung würden somit nur die heute zwischen 15- und

3 Die Ergebnisse der hier ermittelten Schweizer Generationenbilanz beruhen auf einer langfristigen Projektion der Finanzentwicklung des öffentlichen Gesamthaushalts. Dieser umfasst neben den Gebiets-körperschaften, also dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden, auch die Sozialversicherungen. In der Abgrenzung der Finanzstatistik der Schweiz umfassen die Sozialversicherungen die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), die Invalidenversicherung (IV), die Arbeitslosenversicherung (ALV), die Erwerbsersatzordnung (EO), die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FL) sowie die Mutterschafts-versicherung Genf. Im Unterschied zur Finanzstatistik berücksichtigt die Schweizer Generationenbilanz auch die Krankenkassen als Teil der Sozialversicherungen. Langfristig dürfte aufgrund der Mehrkosten bei den Krankenkassen wegen des demografischen Wandels mit starken Prämienerhöhungen oder einer teilweisen Steuerfinanzierung gerechnet werden, da nicht genügend Reserven für die langfristige demografische Entwicklung vorhanden sind.

4 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für viele Einnahmen- und Ausga- benpositionen keine Daten zu deren Altersverteilung verfügbar sind bzw. aus praktischen Gründen nicht erhoben werden (können). In diesen Fällen werden die entsprechenden «sonstigen Einnahmen» und «sonstigen Ausgaben» gleichmässig auf die Bevölkerung verteilt.

2 | Staatsverschuldung ehrlich gerechnet – die Zukunft berücksichtigen

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 13

Staatsverschuldung ehrlich gerechnet – die Zukunft berücksichtigen | 2

45-Jährigen in Zukunft mehr zum gesamten Staatshaushalt beitragen, als sie erhalten. Aufgrund der grossen Baby-Boomer Generation der heute etwa 50- bis 70-Jährigen, die in Zukunft Netto-Empfänger sein werden, wird schnell deutlich, dass ein Missverhältnis zwischen zukünftigen Ein-nahmen und Ausgaben herrscht. Dieses Missverhältnis ist die implizite Staatsschuld der Schweiz – in Höhe von 167,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (Abb. 11). Zusammen mit den expliziten Schulden in Höhe von 35,5 Prozent des BIP im Jahr 2011 beläuft sich die tatsächliche Staatsverschul-dung der Schweiz auf 202,9 Prozent des BIP. Zieht man von der tatsächlichen Staatsverschuldung die bestehenden expliziten Vermögen in Höhe von 36,9 Prozent des BIP im Jahr 2011 ab, so beziffert sich die Nachhaltigkeitslücke der Schweiz auf 166,0 Prozent des BIP.5

Im Durchschnitt tragen Frauen netto nicht zum öffentlichen Haushalt beiDie Altersverteilung der öffentlichen Einnahmen und Aus-gaben zeigt, dass lediglich die Bevölkerung im Alter zwi-schen 25 und 60 Jahren in jedem Jahr einen positiven Bei-trag zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte leistet. Neben der Verteilung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben nach dem Alter berücksichtigt die Generatio-nenbilanz auch die in Abbildung 12 dargestellte Verteilung der Finanzierungslasten zwischen Männern und Frauen. Die Staatseinnahmen sind dabei wiederum als positive Zahlungen, die Staatsausgaben als negative Zahlungen der Bürger an den Staat dargestellt. Es zeigt sich eine deut-liche Diskrepanz zwischen Männern und Frauen. So tragen die Frauen insbesondere im erwerbsfähigen Alter in deut-lich geringerem Umfang zu den öffentlichen Einnahmen

Abb. 10: Schweizer GenerationenbilanzBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zinssatz = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 70 1009590858075656055

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–500

Alter

Abb. 11: Nachhaltigkeit der öffentlichen HaushalteÖffentlicher Gesamthaushalt inkl. Krankenkassen, Basisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zinssatz = 2%

Quellen: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

Basisjahr 2011

Nachhaltigkeitslücke166,0% des BIP

167,4% des BIP Implizite Staatsschuld

Explizite Staatsschuld

Explizites Vermögen

35,5% des BIP

–36,9% des BIP

bei als die Männer. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Frauen in Folge der geringeren Erwerbsbeteiligung, des höheren Anteils an Teilzeitbeschäftigten und auch der geringeren Erwerbseinkommen (Tabelle 2) im Vergleich zu den Männern durchschnittlich geringere Sozialabgaben und Steuern an den Staat abführen.

5 Das explizite Vermögen umfasst das Finanzvermögen des Staates in der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Neben den Finanzanlagen von Bund, Kantonen und Gemeinden oder dem AHV-Ausgleichsfonds zählen hierzu auch die Beteiligungen des Bundes, wie beispielsweise Post, SBB oder Swisscom.

Tabelle 2: Zentrale Arbeitsmarktindikatoren für Männer und Frauen

Männer Frauen

Erwerbquote in % 88,1 76,7(im Alter zwischen 15 und 64 Jahren)

Teilzeitquote in % 13,5 56,8(Beschäftigungsgrad < 90%)

Bruttoerwerbseinkommen(Median, Arbeitnehmende)

Vollzeit in CHF 84 500 68 900

Teilzeit in CHF 43 800 34 800

Quelle: BfS, eigene Berechnungen

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz14

Abb. 12: Die Verteilung der öffentlichen Einnahmen undAusgaben nach Alter und GeschlechtEinnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte je Einwohner, in CHF 1000 pro Jahr

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 70 1009590858075656055

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Alter

Einnahmen Männer Ausgaben MännerEinnahmen Frauen Ausgaben Frauen

Abb. 13: Die Generationenbilanz von Männern undFrauenBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zinssatz = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 70 1009590858075656055

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AlterMännerFrauen

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in 1

000

CHF

Bei den öffentlichen Leistungen sind dagegen nur geringe Unterschiede zwischen Frauen und Männern festzustellen (Abb. 12). Lediglich im hohen Alter empfangen Frauen durchschnittlich etwas höhere Leistungen als Männer. Nach Abzug aller Ausgaben steuern zwar auch Frauen im erwerbsfähigen Alter für das jeweilige Jahr einen positiven Beitrag zur Finanzierung des Staates bei. Im Wesentlichen werden die öffentlichen Leistungen jedoch durch die Sozial abgaben und Steuern der erwerbstätigen männlichen Bevölkerung finanziert.

Die ungleiche Verteilung der Lasten zur Finanzierung der öffentlichen Leistungen spiegelt sich auch in der Genera-tionenbilanz von Männern und Frauen (Abb. 13). Hierzu wurden wiederum alle Zahlungen zwischen dem Staat und den Bürgern für die heute lebenden Altersjahrgänge über deren jeweils noch verbleibende Lebensdauer aufsum-miert, diesmal jedoch getrennt für Männer und Frauen. Die lebenszyklusorientierte Perspektive der Generationen-bilanz zeigt, dass bei den Frauen alle heute lebenden Altersjahrgänge über ihre verbleibende Lebensdauer hin-weg im Durchschnitt Nettoempfänger staatlicher Leistun-gen sind. Im Vergleich dazu zählen bei den Männern alle Altersjahrgänge bis zu einem aktuellen Alter von 55 Jahren über ihre verbleibende Lebensdauer hinweg zu den Netto-zahlern. Beginnend mit den rentennahen Jahrgängen gehören jedoch auch die Männer zu den Nettoempfän-gern staatlicher Leistungen.

Längerer Rentenbezug der FrauenDie Diskrepanz zwischen der Generationenbilanz von Männern und Frauen ist jedoch nicht nur eine Folge der ungleichen Verteilung der Finanzierungslasten zwischen den Geschlechtern, sondern spiegelt auch die höhere Lebenserwartung, sowie das tiefere Rentenalter der Frauen wider. Zwar sind bei der Höhe der öffentlichen Leistungen nur geringe Unterschiede zwischen Frauen und Männern festzustellen. Weil sie aber früher Renten beziehen und ihre Lebenserwartung zudem höher ist als jene von Män-nern, beziehen die Frauen die öffentlichen Leistungen im Durchschnitt über einen längeren Zeitraum.

Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Generationenbilanz lediglich die tatsächlichen Zahlungsströme zwischen dem Staat und seinen Bürgern erfasst. Unberücksichtigt bleibt damit insbesondere der gesellschaftliche Beitrag, den Frauen in den Bereichen der Kinderbetreuung und Betreu-ung von Pflegebedürftigen leisten. Ganz im Gegenteil wer-den diese Betreuungsleistungen in der Generationenbilanz – beispielsweise als Folge der Gewährung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften in der AHV/IV – lediglich als «Kostenfaktoren» erfasst. Auch dürften die niedrigeren Steuer- und Abgabenzahlungen der Frauen als Folge ihrer geringeren Erwerbsbeteiligung und höheren Teilzeitquote zumindest teilweise auf den Mangel an (Kinder-)Betreu-ungsangeboten zurückzuführen sein. Anders gesagt spie-gelt die ungleiche Lastenverteilung zwischen Frauen und

2 | Staatsverschuldung ehrlich gerechnet – die Zukunft berücksichtigen

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 15

Männern aus der Perspektive des Staates auch das bisher noch ungenutzte (Einnahme-)Potenzial infolge der gerin-geren Beteiligung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt wider.

Für die AHV zeigt sich, dass keine Generation im Durch-schnitt mehr in die AHV einzahlt, als sie erwartet, ausbe-zahlt zu bekommen. Aber auch in der Gesamtbetrachtung der öffentlichen Haushalte der Schweiz zeigt die Genera-tionenbilanz, dass nur eine kleine Gruppe von Nettobeitra-

Staatsverschuldung ehrlich gerechnet – die Zukunft berücksichtigen | 2

genden existiert. Im Wesentlichen beruht die Finanzierung der öffentlichen Haushalte auf den Sozialabgaben und Steuern der erwerbstätigen männlichen Bevölkerung. Jedoch reichen diese nicht aus, um die heutigen staatli-chen Leistungen auch in Zukunft zu finanzieren. Dieses Missverhältnis ist die Nachhaltigkeitslücke der Schweiz.

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz16

3. Implizite Lasten im Vorsorgesystem

Die impliziten Schulden der öffentlichen Haushalte sind auf die demografisch bedingte Zunahme der Ausgaben für Gesundheit, Pflege und Altersvorsorge zurückzuführen. Allein die AHV trägt mit 173,4 Pro-zent des BIP bedeutend zur Nachhaltigkeitslücke der öffentlichen Haushalte bei. Mit ungedeckten Finan-zierungslasten von 196,7 Prozent des BIP steht das Gesundheits- und Pflegesystem vor einer grossen Herausforderung.

Im Jahr 2001 hat die Schweiz eine Verfassungsänderung zur Einführung einer Schuldenbremse beschlossen. Der Erfolg der Schuldenbremse ist offensichtlich. Seit der erst-maligen Anwendung im Jahr 2003 ist die Staatsverschul-dung der Schweiz von 53,4 Prozent des BIP auf 35,5 Pro-zent des BIP im Jahr 2012 gesunken. Insbesondere im Vergleich zu den Staaten der Europäischen Union steht die Schweiz damit mehr als vorbildlich dar. Die eigentliche Her-ausforderung für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finan-zen der Schweiz besteht jedoch weniger in den expliziten Schulden der Gegenwart als vielmehr in den demografisch bedingten impliziten Schulden der Zukunft. Mit einem Umfang von 167,4 Prozent des BIP belaufen sich diese auf mehr als das Vierfache der expliziten Schulden (siehe S. 13).

Im Unterschied zu den expliziten Schulden sind die implizi-ten Schulden der öffentlichen Haushalte auf die Konse-quenzen der demografischen Entwicklung vor allem für

das Vorsorgesystem zurückzuführen. Allein in der AHV beziffert sich die Nachhaltigkeitslücke infolge der unge-deckten Rentenversprechen auf 173,4 Prozent des BIP (siehe S. 9). Die Herausforderungen, die mit der Finanzie-rung der ersten Säule der Altersvorsorge verbunden sind, dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation in anderen Teilen des Vorsorgesystems nicht weniger problematisch ist (Abb. 14).

Finanzierung der Gesundheits- und Pflegeausgaben als grosse Herausforderung der ZukunftDie Nachhaltigkeitslücke infolge der demografisch beding-ten Zunahme der Aufwendungen für Gesundheit und Pflege beziffert sich auf einen Betrag von 197,6 Prozent des BIP. Hiervon entfällt auf Bund, Kantone und Gemein-den ein Anteil von 100,0 Prozent des BIP, auf die Kranken-kassen ein Anteil in Höhe von 97,6 Prozent des BIP. Hierbei ist der zusätzliche Ausgabendruck infolge des medizini-schen Fortschritts, d.h. neuer Behandlungsmethoden und Medikamente, noch nicht berücksichtigt. Die Ursache die-ser Nachhaltigkeitslücke spiegelt sich wiederum deutlich in der Altersverteilung der Einnahmen und Ausgaben des Gesundheits- und Pflegesystems wider (Abb. 15).

Im Unterschied zur AHV steuern alle Altersgruppen – mit Ausnahme der Kinder und Jugendlichen – einen ähnlichen Beitrag zur Finanzierung der Gesundheits- und Pflege-ausgaben bei. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein

Abb. 14: Der Beitrag des Vorsorgesystems zur Nachhaltigkeitslücke der öffentlichen HaushalteNachhaltigkeitslücken in Prozent des BIP, Basisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zinssatz = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen EL = Ergänzungsleistungen, IV = Invalidenversicherung

AHV EL IV

Summe(Nachhaltigkeitslücke

des öffentlichen Gesamthaushalts)

Gesundheit und Pflege(Bund, Kantone und Gemeinden)

Gesundheit und Pflege(Krankenkassen)

Bund, Kantone und Gemeinden(ohne Gesundheit, Pflege, EL)

173,4

100,0 97,6

17,6

–199,8

166,0

–22,8

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 17

Versicherter unabhängig von seinem Alter, Geschlecht und Einkommen eine identische Prämie zur Finanzierung der Krankenkassen abführen muss.6 Dagegen nehmen die Gesundheits- und Pflegeausgaben von CHF 3900 pro Jahr im Alter von 20 Jahren bereits bis zum Renteneintritt im Alter von 65 Jahren auf CHF 8900 zu, belaufen sich für einen heute 85-Jährigen schon auf CHF 24 000 und errei-chen für einen heute 100-Jährigen im Durchschnitt ein Niveau von CHF 46 000. Daher werden als Folge des zunehmenden Altenquotienten die Ausgaben für Gesund-heit und Pflege schneller ansteigen als die Einnahmen.

Im Vergleich zur AHV werden die Konsequenzen der Alte-rung für die Gesundheits- und Pflegeausgaben schleichen-der verlaufen, als Folge des beschleunigten Ausgabenan-stiegs ab einem Alter von 65 Jahren jedoch stärker und länger spürbar sein. Bisher fallen insbesondere die hohen Gesundheits- und Pflegeausgaben ab einem Alter von 85 Jahren kaum ins Gewicht. Aktuell beläuft sich der Anteil der über 85-Jährigen an der Gesamtbevölkerung auf ledig-lich 2,2 Prozent. Bis zum Jahr 2030 wird sich dieser Anteil bereits auf 3,8 Prozent erhöhen und sich bis zum Jahr 2060 auf 7,8 Prozent nahezu verdreifachen.

Wie gross die zukünftigen Herausforderungen für die Finanzierung der Gesundheits- und Pflegeausgaben sind, wird noch deutlicher, wenn man die Generationenbilanz des Gesundheits- und Pflegesystems betrachtet (Abb. 16). Wie für die AHV zeigt diese, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen alle heute lebenden Altersjahrgänge über ihre verbleibende Lebensdauer im Durchschnitt mehr Leistungen erhalten werden, als sie im Gegenzug an Prä-mien, Kostenbeteiligungen und Steuern zur Finanzierung des Gesundheits- und Pflegesystems beisteuern werden. Insbesondere fällt auf, dass die Unterdeckung sich bereits für einen heute Neugeborenen auf einen Betrag von CHF 29 000 beläuft. Im Vergleich dazu beträgt diese in der AHV lediglich CHF 5000. Diese Unterdeckung für einen heute Neugeborenen bedeutet, dass unter den derzeitigen Rahmenbedingungen selbst bei Vernachlässigung der Ver-änderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung weder die AHV noch das Gesundheits- und Pflegesystem auf Dauer zu finanzieren sind.

Ergänzungsleistungen nur BeiprogrammIm Vergleich dazu fällt die Nachhaltigkeitslücke infolge der zukünftigen Aufwendungen für die AHV/IV-Ergänzungs-leistungen (EL) mit lediglich 17,6 Prozent des BIP kaum ins Gewicht. Dies spiegelt im Wesentlichen die im Vergleich zur AHV und zum Gesundheits- und Pflegesystem deutlich geringeren Ausgaben für die Ergänzungsleistungen. Rela-tiv betrachtet werden die Ausgaben für die Ergänzungs-leistungen zukünftig jedoch in ähnlichem Umfang anstei-gen wie die Ausgaben für die AHV sowie für Gesundheit

Abb. 15: Einnahmen und Ausgaben des Gesundheits- und PflegesystemsEinnahmen und Ausgaben je Einwohner, in CHF 1000 pro Jahr

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

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Einnahmen Krankenkassen Einnahmen Bund, Kantone und GemeindenAusgaben Krankenkassen Ausgaben Bund, Kantone und Gemeinden

Abb. 16: Die Generationenbilanz des Gesundheits- undPflegesystemsBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zins = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

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Krankenkassen Bund, Kantone und Gemeinden

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6 Die Krankenkassenprämien variieren allerdings je nach Wohnort und Versicherungsmodell. Als Folge der mit dem Alter ansteigenden Kostenbeteiligung nehmen die Beiträge zur Finanzierung des Gesundheits- und Pflegesystems mit dem Alter leicht zu.

Implizite Lasten im Vorsorgesystem | 3

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz18

und Pflege. Denn auch für die Ergänzungs leistungen gilt, dass die Ausgaben mit dem Alter stetig zunehmen (Abb. 17). Auffällig ist, dass wie im Falle der Gesundheits- und Pflegekosten auch bei den Ergänzungsleistungen ein deut-licher Ausgabenanstieg ab einem Alter von 80 Jahren fest-zustellen ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Ergänzungsleistungen neben den reinen Existenzsiche-rungsleistungen bei Bedürftigkeit auch für den Eigenbei-trag zu den Pflegeaufwendungen aufkommen. Als Konse-quenz ergibt sich für die Generationen bilanz der Ergänzungsleistungen (Abb. 18) ein ähnlicher Verlauf wie für die AHV und das Gesundheits- und Pflegesystem. Dies bedeutet, dass alle heute lebenden Altersjahrgänge über ihre verbleibende Lebensdauer im Durchschnitt einen höheren Betrag an Ergänzungsleistungen erhalten werden, als sie im Gegenzug an Steuern zu deren Finanzierung beizusteuern verpflichtet sind.

Langfristig ist die Invalidenversicherung solide finanziertPositiver stellt sich die Situation in der Invalidenversiche-rung (IV) dar. Mit einer negativen Nachhaltigkeitslücke in Höhe von –22,8 Prozent des BIP ist die IV langfristig solide finanziert. Zwar hat die IV seit den 1990er Jahren mit chronischen Finanzierungsproblemen zu kämpfen. Gleichzeitig ist die demografische Herausforderung in der IV jedoch eher ein Problem der nahen Zukunft. Mit dem Altern der Baby-Boomer werden die Ausgaben in der IV daher in den kommenden Jahren zunächst noch steigen.

Ab dem Jahr 2030 wird sich die Situation der IV jedoch deutlich entspannen. Die Gründe hierfür sind wiederum aus der Altersverteilung der Ausgaben und Einnahmen der IV ersichtlich (Abb. 19). Wie im Falle der AHV wird auch die IV neben dem Beitrag des Bundes im Wesentlichen durch die Sozialabgaben der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren finanziert. Im Gegensatz zur AHV entfallen jedoch auch die Ausgaben der IV allein auf die Bevölkerung unter 65 Jahren. Zwar nehmen die Ausgaben der IV bis zum Alter von 64 Jahren stetig zu, so dass sich auch die IV als Folge des Alterns der Baby-Boo-mer in den kommenden Jahren einem gewissen Finanzie-rungsdruck gegenübersieht.

Die langfristige Zunahme des Altenquotienten hat jedoch keine negativen Auswirkungen auf die IV. Dieser positive Ausblick kommt auch in der Generationenbilanz der IV zum Ausdruck (Abb. 20). Im Unterschied zu den Generati-onenbilanzen der AHV, des Gesundheits- und Pflegesys-tems und der Ergänzungsleistungen werden im Falle der IV nahezu alle heute lebenden Altersjahrgänge über ihre ver-bleibende Lebensdauer im Durchschnitt geringere Leistun-gen erhalten, als sie im Gegenzug an Beiträgen und Steu-ern zu deren Finanzierung beisteuern.

In der Gesamtbetrachtung fällt schliesslich auf, dass die Nachhaltigkeitslücke des öffentlichen Gesamthaushalts deutlich geringer ist als die Summe der Finanzierungs-lücken des Vorsorgesystems (Abb. 14). Dies ist darauf

Abb. 17: Einnahmen und Ausgaben der ErgänzungsleistungenEinnahmen und Ausgaben je Einwohner, in CHF 1000 pro Jahr

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

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Alter

Bevölkerung 2014in 1000 Personen (linke Skala)

Einnahmen je Einwohner (rechte Skala)Ausgaben je Einwohner (rechte Skala)

Abb. 18: Die Generationenbilanz der ErgänzungsleistungenBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zins = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

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3 | Implizite Lasten im Vorsorgesystem

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 19

zurückzuführen, dass die öffentlichen Haushalte von Bund, Kantonen und Gemeinden bei Fortschreibung ihrer gegen-wärtig soliden Finanzsituation und bei Vernachlässigung des demografischen Ausgabendrucks langfristig einen

Implizite Lasten im Vorsorgesystem | 3

Abb. 19: Einnahmen und Ausgaben der InvalidenversicherungEinnahmen und Ausgaben je Einwohner, in CHF 1000 pro Jahr

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 70 1009590858075656055

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0

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Alter

Bevölkerung 2014in 1000 Personen (linke Skala)

Einnahmen je Einwohner (rechte Skala)Ausgaben je Einwohner (rechte Skala)

Abb. 20: Die Generationenbilanz der InvalidenversicherungBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = 1%, realer Zins = 2%

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 70 1009590858075656055

20

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–5

Alter

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HF 1

000

Finanzierungsüberschuss erzielen würden. Allerdings setzt dies voraus, dass die solide Finanzpolitik des vergangenen Jahrzehnts auf Dauer fortgesetzt wird.

Schweizer Vorsorgesystem: Lasten der demografischen Alterung in die Zukunft verschoben

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz20

4. Szenarienanalysen – und wenn es anders kommt?

Langfristige Projektionen zur Entwicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben sind mit grossen Unsicherheiten hinsichtlich der demografi-schen, wirtschaftlichen und fiskalischen Rahmenbe-dingungen behaftet. Als Folge des langfristigen Pro-jektionszeitraums können die Ergebnisse der Generationenbilanzierung sensitiv auf Variationen der zugrunde gelegten Annahmen zur Höhe des Pro-duktivitätswachstums und des realen Zinsniveaus reagieren.

Neben dem demografischen Wandel und sich ändernden politischen Rahmenbedingungen wird die Entwicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben im Zeitablauf im Wesentlichen durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung geprägt. Als Folge der steigenden Einkommen führt ein höheres Wirtschaftswachstum in Form höherer Steuern und Sozialabgaben zu einer Zunahme der Staatseinnah-men. Jedoch führt ein höheres Wirtschaftswachstum indi-rekt und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch zu höheren Staatsausgaben. Lohnsteigerungen der Privat-wirtschaft werden in aller Regel an die Beschäftigten des öffentlichen Sektors weitergegeben und führen so zu stei-genden Personalausgaben des Staates. Auch schlagen sich Lohnsteigerungen in der Privatwirtschaft in höheren Prei-sen für Waren und Dienstleistungen nieder und führen daher zu steigenden Sach- und Investitionsausgaben des Staates. Schliesslich ist auch die Höhe vieler staatlicher Sozialleistungen, ob nun AHV/IV-Renten, Ergänzungsleis-

tungen, Arbeitslosengeld oder die Sozialhilfe, an die Lohn- und Preisentwicklung geknüpft, so dass auch die Ausga-ben des Staates für Sozialleistungen zunehmen. Aus diesen Gründen liegt der Generationenbilanzierung die vereinfa-chende Annahme zugrunde, dass die öffentlichen Einnah-men und Ausgaben je Einwohner im Zeitablauf mit der Lohnentwicklung ansteigen. Hierbei unterstellt das Refe-renzszenario der Generationenbilanz ein langfristiges Pro-duktivitäts- und Reallohnwachstum in Höhe von 1 Prozent pro Jahr. Eine Ausnahme bilden die AHV/IV-Renten und die Ergänzungsleistungen. Entsprechend der aktuellen Geset-zeslage wurde für diese Ausgaben unterstellt, dass sie im Zeitablauf entsprechend dem Durchschnitt der Lohn- und Preisentwicklung (Misch- oder Rentenindex) zunehmen werden. Der Mischindex bedeutet, dass die AHV/IV-Renten und die Ergänzungsleistungen im Zeitablauf zwar schneller ansteigen als die Konsumentenpreise (Inflation), aber weni-ger stark zunehmen als die Reallöhne. Dies hat eine dämp-fende Wirkung auf die demografisch bedingte Zunahme der Rentenausgaben.

Welchen Einfluss hat nun das unterstellte Produktivitäts-wachstum auf die Ergebnisse der Generationenbilanzie-rung? Zur Beantwortung dieser Frage ist in Abbildung 21 für alternative Szenarien sowohl zur Höhe des Produktivi-tätswachstums als auch des Zinsniveaus die jeweils resul-tierende Höhe der Nachhaltigkeitslücke dargestellt. Als mögliche Szenarien werden ein Produktivitätswachstum von 0,5 Prozent, 1 Prozent und 1,5 Prozent mit realen

Abb. 21: Nachhaltigkeitslücke (in % des BIP) für alternative Produktivitätswachstums- und ZinsszenarienBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = g, realer Zins = r

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

g = 1,5 %

g = 1,0 %

g = 0,5 %

r = 2% r = 3% r = 4%

102,0

80,4

49,0

166,0

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99,9

60,3

Abb. 22: Nachhaltiger Mehrwertsteuersatz für alternativeProduktivitätswachstums- und ZinsszenarienBasisjahr 2011, Produktivitätswachstum = g, realer Zins = r

Quelle: EFD, BfS, BSV, BAG, eigene Berechnungen

g = 1,5 %

g = 1,0 %

g = 0,5 %

r = 2% r = 3% r = 4%

9,1

11,4

13,7

10,5

11,7

13,1

10,5

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12,1

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 21

Szenarienanalysen – und wenn es anders kommt? | 4

Zinssätzen von 2 Prozent, 3 Prozent und 4 Prozent kombi-niert. Das Referenzszenario entspricht dabei der Kombina-tion aus einer Wachstumsrate der Produktivität von 1 Pro-zent und einem realen Zinssatz von 2 Prozent (Abb. 21, rote Säule).

Produktivitätssteigerungen reduzieren die Nachhaltigkeitslücke der öffentlichen HaushalteObwohl ein höheres Produktivitätswachstum sowohl zu einer stärkeren Zunahme der öffentlichen Einnahmen als auch der öffentlichen Ausgaben führt, ergibt sich in der Gesamtbetrachtung – unabhängig vom unterstellten Zins-niveau – ein Rückgang der Nachhaltigkeitslücke. Anders ausgedrückt bedeutet ein höheres Produktivitätswachstum aus Sicht des Staates eine im Vergleich zu den Ausgaben günstigere Entwicklung der Einnahmen. Ein niedrigeres Produktivitätswachstum führt dagegen zu einer Zunahme der Nachhaltigkeitslücke bzw. einer vergleichsweise ungünstigeren Einnahmenentwicklung. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Nachhaltigkeitslücke sich ver-gleichsweise robust verhält bei Variation der Annahme bezüglich der Höhe des Produktivitätswachstums.

Wesentlich sensitiver reagiert die Nachhaltigkeitslücke dagegen auf Variationen des unterstellten Zinsniveaus. In der Gesamtbetrachtung führt ein höheres Zinsniveau – unabhängig vom unterstellten Produktivitätswachstum – zu einem Rückgang der Nachhaltigkeitslücke. Doch wie erklärt sich dieser Einfluss des Zinssatzes auf die Nachhal-tigkeitslücke? Hierzu ist es hilfreich, sich zu vergegen-wärtigen, dass die Nachhaltigkeitslücke bzw. die impliziten Staatsschulden den Umfang der zukünftig ungedeckten Leistungsversprechen für Gesundheit, Pflege und Alters-vorsorge widerspiegeln. Wäre der Staat ein privates Unter-nehmen oder eine Pensionskasse, so hätte er für diese Leistungsversprechen bereits in der Vergangenheit entspre-chende Rückstellungen oder Vorsorgekapital bilden müs-sen. In diesem Sinne entspricht die implizite Staatsschuld dem Rückstellungsbedarf des Staates und der unterstellte Zinssatz dem technischen Zinssatz einer Pen sionskasse. In dieser Interpretation wird klar, warum ein höherer Zinssatz zu einem Rückgang der Nachhaltigkeits lücke führt: Für einen gegebenen Umfang an Leistungs versprechen fällt der Rückstellungs bedarf umso geringer aus, je höher der unterstellte Zinssatz bzw. die Verzinsung des Vorsorgekapi-tals ist. Beispielsweise hätte man zur Erfüllung eines Leis-tungsversprechens in Höhe von CHF 1000 im Jahr 2030 bei einem realen Zins niveau von 2 Prozent zu Beginn dieses Jahres einen Betrag von CHF 728 zurücklegen müssen, während hierzu bei einem Zinsniveau von 4 Prozent ein Betrag von CHF 534 ausreichend wäre.

Ein höherer Zins reduziert augenscheinlich den Rückstellungsbedarf des Staates, nicht jedoch den KonsolidierungsbedarfEine alternative Perspektive auf die Frage der Nachhaltigkeit ist schliesslich in Abbildung 22 dargestellt. Für verschiedene Produktivitäts-Zins-Szenarien wird aufgezeigt, auf welches Niveau der Mehrwertsteuersatz sofort angehoben werden müsste, um langfristig ein Gleichgewicht zwischen der Ent-wicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben sicher-zustellen. Unter den Annahmen des Referenzszenarios (Abb. 22, rote Säule) wäre hierzu eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes von aktuell 8 Prozent auf ein Niveau von 11,4 Prozent erforderlich. Für ein höheres Produktivi-tätswachstum ist dagegen entsprechend der günstigeren Entwicklung der öffentlichen Finanzen eine geringe, für ein schwächeres Produktivitätswachstum hingegen eine stär-kere Anhebung der Mehrwertsteuer erforderlich. Im Gegensatz dazu ergibt sich bei Variation des Zinssatzes kein einheitliches Bild. Insgesamt reagiert der nachhaltige Mehr-wertsteuersatz im Vergleich zur Nachhaltigkeitslücke weni-ger stark auf Variationen des Zinssatzes.

Die Szenarienanalysen zum Produktivitätswachstum und zum realen Zinssatz zeigen auf, dass die Ergebnisse bei veränderten Annahmen aufgrund des langen Projektions-zeitraums stark vom Referenzszenario abweichen können. Allerdings kann die Nachhaltigkeitslücke des öffentlichen Haushalts auch im Falle einer für den öffentlichen Haushalt idealen Entwicklung der Parameter beträchtlich ausfallen.

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz22

5. Bevölkerungsszenarien – der Streit um die Einwanderung

Projektionen der Bevölkerungsentwicklung sind mit Unsicherheit behaftet, da die Treiber der Bevöl-kerungsstruktur von gesellschaftspolitischen aber auch ökonomischen Entwicklungen abhängen. Die Annahme der Initiative «Gegen Masseneinwande-rung» am 9. Februar 2014 bedeutet einen System-wechsel in der Zuwanderungspolitik, welcher die Zuwanderung in die Schweiz in Zukunft dämpfen könnte.

Die Annahmen über die zukünftige Bevölkerungsentwick-lung fliessen in die Generationenbilanzierung und in die Berechnung der AHV-Finanzierungslücke mit ein. In der Schweiz bestimmen langfristig drei Faktoren die Entwick-lung der Grösse der ständigen Wohnbevölkerung und deren Altersstruktur.

uDie Geburtenhäufigkeit pro Frau ist seit Beginn der 1970er Jahre stark gesunken, hat sich in den letzten Jahren aber um die 1,5 Kinder pro Frau stabilisiert. Dabei liegt die Fertilität der Schweizerinnen heute unter der der Ausländerinnen aus dem Europäischen Wirt-schaftsraum (EWR) und deutlich unter der Fertilität der Nicht-EWR-Ausländerinnen.

uDie Lebenserwartung steigt weiter an. Die für die Alters-vorsorge bedeutende Rentenbezugsdauer, die seit Ein-führung der AHV im Jahre 1948 schon um mehr als 50 Prozent angestiegen ist, dürfte in Zukunft aufgrund des medizinischen Fortschritts weiter ansteigen.

uDer Wanderungssaldo (= Einwanderungen abzüglich Auswanderungen) schwankt stark. So wurde schon 1960 ein Wanderungsüberschuss von 100 000 Personen ver-zeichnet, ein Niveau welches 2008 nach Einführung der Personenfreizügigkeit wieder erreicht wurde. Allerdings gab es auch immer wieder Jahre, in denen mehr Perso-nen die Schweiz verliessen, als einwanderten, beispiels-weise 1965, Anfang und Mitte der 1970er Jahre sowie zuletzt Mitte der 1990er Jahre. Seit der schrittweisen Einführung der Personenfreizügigkeit ist der Wande-rungsüberschuss bis auf einen Höchststand von fast 100 000 Personen im Jahr 2008 gestiegen. Seither ist jedoch wieder ein Rückgang zu beobachten. Mit etwa 45 000 Personen lag der Wanderungsüberschuss im Jahr 2012 wieder nahe dem Stand vor Einführung der Perso-nenfreizügigkeit. Aus langfristiger Perspektive liegt dieses Niveau hingegen immer noch sehr hoch, etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre. Deshalb gehen Demografen für die Zukunft von lang-fristig deutlich niedrigeren Wanderungssaldi aus.

Wird die Nachhaltigkeitslücke bei geringerer Alterung geschlossen?Wird die Sensitivität der Generationenbilanzierung bezüg-lich der Bevölkerungsentwicklung geprüft, so sind jene Bevölkerungsszenarien von besonderem Interesse, die verglichen mit dem Referenzszenario zu einer deutlich stärkeren Alterung der Gesellschaft, oder zu einer deutlich abgeschwächten Alterung der Gesellschaft führen. Abbil-dung 23 zeigt die Nachhaltigkeitslücke der Schweiz für zwei dieser Bevölkerungsszenarien im Vergleich zum Referenz szenario.7 Zwar geht die Nachhaltigkeitslücke im Szenario der abgeschwächten Alterung gegenüber dem Referenzszenario um 28 Prozentpunkte zurück, mit 138,0 Prozent fällt die Nachhaltigkeitslücke allerdings weiterhin beträchtlich aus. Die grössere Nachhaltigkeitslücke im Sze-nario der verstärkten Alterung von 180,7 Prozent des BIP muss zusätzlich aufgrund der Annahme geringer Zuwan-derung von einer kleineren Bevölkerung getragen werden. Somit fällt die notwendige Mehrwertsteuererhöhung zur langfristigen Finanzierung der Nachhaltigkeitslücke deutlich höher aus (Abb. 23): von heute 8 Prozent auf

7 Auf der Basis der Bevölkerungsvorausberechnungen des Bundesamts für Statistik (2010) mit dem «mittleren Szenario» (Szenario A-00-2010) als Referenzszenario, und den Vergleichsszenarien der «abgeschwäch-ten Alterung» (Szenario E-00-2010) und der «verstärkten Alterung» (Szenario D-00-2010). Siehe Kasten «Szenarien für die demografische Entwicklung in der Schweiz» auf Seite 23 für eine Beschreibung dieser Bevölkerungsszenarien.

Abb. 23: Nachhaltigkeitslücke und nachhaltiger MWST-Satz: Bevölkerungsszenarien und Altersstruktur

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnungen des Bundesamtes für Statistik (2010),eigene Berechnungen. Siehe Kasten «Szenarien für die demografische Entwicklung in der Schweiz» auf Seite 23 für eine Beschreibung der Bevölkerungsszenarien.

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14

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2

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Nachhaltigkeitslücke in Prozent des BIP (linke Skala)Nachhaltiger Mehrwertsteuersatz in Prozent (rechte Skala)

Szenario«abgeschwächte Alterung»

(E-00-2010)

Szenario«verstärkte Alterung»

(D-00-2010)

Referenz-szenario

(A-00-2010)

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 23

13,2 Prozent bei der verstärkten Alterung, im Vergleich zur Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 11,4 Prozent im Referenzszenario und auf 10,1 Prozent bei der abge-schwächten Alterung.

Einwanderung – gut oder schlecht für die AHV?Die Annahme der Initiative «Gegen Masseneinwanderung» am 9. Februar 2014 bedeutet einen Systemwechsel bei der Zuwanderungspolitik der Schweiz. In Zukunft soll die Höhe der Zuwanderung durch behördlich festgelegte Höchstzahlen und Kontingente geregelt werden. Die Abkehr von der Personenfreizügigkeit bedeutet, dass der Wanderungssaldo in Zukunft wahrscheinlich niedriger ausfallen wird, als es bei Beibehaltung der Personenfrei-zügigkeit der Fall gewesen wäre. Im Vergleich zur hohen Zuwanderung der vergangenen Jahre geht das «mittlere Szenario» des Bundesamts für Statistik allerdings schon heute davon aus, dass der Wanderungsüberschuss lang-fristig wieder auf das niedrigere Niveau im Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre zurückgehen wird.

Dennoch stellt sich die Frage, inwiefern unterschiedliche Annahmen bezüglich der Ein- und Auswanderung sich auf die Finanzierung der AHV und der öffentlichen Hand aus-wirken. Wir berücksichtigen neben dem Referenzszenario («mittleres Szenario») mit einem langfristigen Wanderungs-überschuss von 22 500 Personen pro Jahr auch die Varian-

8 Auf der Basis der Bevölkerungsvorausberechnungen des Bundesamts für Statistik (2010).

ten «hoher Wanderungssaldo» mit 45 000 Personen, «sehr hoher Wanderungssaldo» mit 60 000 Personen und «tiefer Wanderungssaldo» mit einem Rückgang des langfristigen Wanderungssaldos auf null.8

AHV: von Nichts kommt NichtsDie vorangegangene Analyse zeigt, dass die aktuelle Gesetzgebung allen heute lebenden Altersjahrgängen mehr AHV-Leistungen verspricht, als sie diesen im Gegen-zug an Zahlungsverpflichtungen auferlegt. Ein solches in sich nicht nachhaltiges System kann durch eine verstärkte Einwanderung nicht nachhaltig werden. Solange die Ein-wanderer im Durchschnitt die gleichen Beiträge entrichten, wie die einheimische Bevölkerung, so werden auch diesen mehr Leistungen aus der AHV versprochen, als sie an Bei-trägen zu zahlen verpflichtet sind. Dies bedeutet, dass jede weitere Person, ob Schweizer oder Einwanderer, die AHV-Finanzierungslücke vergrössert (Abb. 24).

Die Bevölkerungsstruktur der Schweiz wandelt sich. Für die Altersvorsorge von Bedeutung ist, wie sich das Ver-hältnis der Rentner zu Erwerbstätigen entwickelt. In Anlehnung an die Annahmen des «mittleren Szenarios» über die demografische Entwicklung des Bundesamts für Statistik (Szenario A-00-2010), unterstellen wir im Refe-renzszenario unserer Berechnungen, dass die Geburten-häufigkeit auf dem heutigen Niveau von etwa 1,5 Kin-dern pro Frau verharrt. Bei der Lebenserwartung bei Geburt der Frauen gehen wir von einem Anstieg von heute etwa 85 Jahren auf knapp über 90 Jahre im Jahr 2060 aus, bei den Männern von heute knapp 80 Jahren auf knapp über 86 Jahre im Jahr 2060. Hinsichtlich der Aussenwanderung wird langfristig ein deutlicher Rück-gang des Wanderungssaldos von etwa 80 000 Personen im Durchschnitt der vergangenen Jahre auf 22 500 Perso-nen ab dem Jahr 2030 unterstellt. Auf dieser Grundlage

ist bis 2060 mit einem Bevölkerungsanstieg von heute etwa 8,1 Millionen Personen auf etwa 9 Millionen Perso-nen zu rechnen. Im Szenario der «verstärkten Alterung» (Szenario D-00-2010) wird hingegen eine niedrigere Geburtenhäufigkeit von knapp unter 1,3 Kindern pro Frau unterstellt, während zusätzlich von einem stärkeren Anstieg der Lebenserwartung bei Geburt bis 2060 auf knapp über 89 Jahre für Männer und etwa 93 Jahre für Frauen zugrunde gelegt wird. Ausserdem fällt der Wan-derungssaldo langfristig auf null zurück. Bei der «abge-schwächten Alterung» (Szenario E-00-2010) wird von einem Anstieg der Geburtenhäufigkeit auf 1,8 Kinder pro Frau und einem geringeren Anstieg in der Lebenserwar-tung bei Geburt berücksichtigt, bis 2060 auf knapp über 83 Jahre für Männer und etwa 88 Jahre für Frauen. Der Wanderungssaldo stabilisiert sich in diesem Szenario langfristig auf 45 000 Personen pro Jahr.

SZENARIEN FÜR DIE DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ

Bevölkerungsszenarien – der Streit um die Einwanderung | 5

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Für die Sanierung der AHV kann eine höhere Zuwanderung dennoch einen Vorteil bieten. Denn unabhängig davon, welche Sanierungsmassnahmen ergriffen werden, gilt, dass die jüngeren und zukünftigen Generationen neben ihrem eigenen Anteil zumindest teilweise auch für den Anteil der Älteren an der AHV-Finanzierungslücke aufkommen müs-sen. Mit jeder weiteren Person reduziert sich daher für jeden Einzelnen der Anteil an den Lasten zur Sanierung der AHV. Entsprechend fällt beispielsweise die zur nachhaltigen Finanzierung der AHV notwendige Mehrwertsteuererhö-hung bei langfristig hohem Wanderungsüberschuss (Abb. 24) niedriger aus.

Auch für die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen zeigt sich, dass bei Fortführung der aktuellen Gesetzgebung ein höherer Wanderungssaldo zu einer höheren Nachhaltig-keitslücke führt (Abb. 25). Allerdings lassen sich auch hier die Lasten einer Sanierung des öffentlichen Haushalts lang-fristig auf umso mehr Schultern verteilen, je höher der Wanderungssaldo ausfällt. Auch die zur Sanierung des Staatshaushalts insgesamt notwendige Mehrwertsteuer-erhöhung fällt umso niedriger aus, je höher der Wande-rungssaldo.

Abb. 24: AHV-Finanzierungslücke und nachhaltigerMWST-Satz: Szenarien Wanderung

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnungen des Bundesamtes für Statistik (2010),eigene Berechnungen

250

150

100

50

200

0

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12,2

12,0

11,6

11,2

10,8

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10,6

AHV-Finanzierungslücke in Prozent des BIP (linke Skala)Nachhaltiger Mehrwertsteuersatz in Prozent (rechte Skala)

Variante «tieferWanderungssaldo»

(A-07-2010)

Variante «hoherWanderungssaldo»

(A-10-2010)

Variante «sehr hoher

Wanderungssaldo»(A-11-2010)

Referenz-szenario

(A-00-2010)

Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz24

5 | Bevölkerungsszenarien – der Streit um die Einwanderung

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Altersvorsorge und die Schweizer Generationenbilanz 25

Abb. 25: Nachhaltigkeitslücke und nachhaltiger MWST-Satz: Szenarien Wanderung

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnungen des Bundesamtes für Statistik (2010),eigene Berechnungen

185

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165

160

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180

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12,0

11,0

10,0

12,5

11,5

10,5

9,5

Nachhaltigkeitslücke in Prozent des BIP (linke Skala)Nachhaltiger Mehrwertsteuersatz in Prozent (rechte Skala)

Variante «tieferWanderungssaldo»

(A-07-2010)

Variante «hoherWanderungssaldo»

(A-10-2010)

Variante «sehr hoher

Wanderungssaldo»(A-11-2010)

Referenz-szenario

(A-00-2010)

Die umstrittene Frage der Einwanderung in die Schweiz und deren Einfluss auf die Finanzierung der AHV und anderer Sozialversicherungen muss differenziert betrachtet werden. Richtig ist, dass ein in sich nicht nachhaltiges System wie die AHV nicht einfach durch eine verstärkte Einwanderung saniert werden kann. Denn der Ursprung der AHV-Finanzierungslücke ist nicht nur die demografi-sche Alterung, sondern die Tatsache, dass die AHV mit der aktuellen Gesetzgebung allen Personen – unabhängig von ihrem Geburtsland – zu hohe Leistungen verspricht relativ zu den geleisteten Beiträgen. Hingegen lassen sich die Lasten zur Sanierung der öffentlichen Haushalte bei einer höheren Zuwanderung auf mehr Schultern verteilen – sodass die Sanierungslast für jeden Einzelnen sinkt. Ein höherer Wanderungssaldo entschärft auch die Finanzie-rungsengpässe der nahen Zukunft. Doch die langfristig notwendigen Reformen können hierdurch nicht auf Dauer aufgeschoben werden.

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