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Silben Wörter können in Silben unterteilt werden. Für jede Silbe schreibt man in einem Lied einen eigenen Ton. Griechische Wörter sind mindestens einsilbig, es gibt kaum welche mit mehr als fünf Silben. einsilbig: αίξ „Ziege“, σύ „du“ zweisilbig: βίβ-λος „Buch“, φί-λος „Freund“, στρα-τός „Heer(lager)“ dreisilbig: άγ-γε-λος „Gesandter“, Die Silbentrennung ergibt sich meistens intuitiv. Übung: Unterteile folgende Wörter durch Striche ( | ) in ihre Silben. Beispiel: άγγελος = άγ|γε|λος άνθρωπος, πόλεμος „Krieg, Kampf, Streit“, απαμū νω „ich wehre ab“, δερκόμεθα „wir erblicken“ ζ, ξ, ψ zählen als zwei Konsonanten (dz, ks, ps), die Silbengrenze ist dazwischen. Dasselbe gilt für alle Doppelkonsonanten (μμ, ττ, δδ usw.), weshalb diese lang gesprochen werden: γυµνάζω „ich übe“ = gum-nád-zo, λέξω „ich werde sagen“ = lék-sō, γūψί „Geiern“ = gūp-sí γέγραμμ αι „ich schrieb mir“=gé-gram-mai, τάττω „ich ordne“ = tát-tō, έδδεισον „ich erschrak“ = éd-dei-son Eine Silbe besteht maximal aus Anlaut, Nukleus (Kern) und Coda: die Silbe νύξ „Nacht“ besteht aus Anlaut ν, Nukleus υ, Coda ξ. Nicht jede Silbe ist vollständig. Es gibt Silben ohne Anlaut oder/und ohne Coda: άψ „wieder“ hat keinen Anlaut, δέ „aber“ keine Coda, ή „oder“ keins von beiden Der Nukleus ist im Griechischen ein Vokal oder ein Diphthong: νύ ξ, αι ξ, ει , ἅλς „Salz“ (das ist ha ls), ει ς, νᾶυ ς, τῷ , ἡ (das ist ) Anlaut und Coda bestehen aus einen oder mehreren Konsonanten: μ ή „nicht“ (Anlaut=μ), εκ (Coda=κ), πτ ύξ „Falte/Schicht/Lage“ (Anlaut=πτ, Coda=ξ) Übung: Unterstreiche bei folgenden Wörtern alle Nukleï: εγώ, καί, ου, εκ, κατά, τοῖς, είσω „hinein“ Es können mehrere Nukleï unmittelbar nebeneinanderstehen. Zwischen zwei Nuklei ist dann eine Silbengrenze: αναιδείᾱ „Unverschämtheit“ (das ist viersilbig a-nai-deí-ā), ιός „Sohn“ (das ist hui-ós) Stehen zwei Vokale nebeneinander, handelt es sich entweder um einen Diphthong oder zwei unterschiedliche Silben. Bei den obigen Beispiel sind ει und υι Diphthonge, die einsilbig gesprochen werden, (also [ej] und [uj]. Das nachfolgende α bzw. ο gehört zu einer neuen Silbe. Alle griechischen Diphthonge haben als zweiten Bestandteil ι oder υ und als ersten Bestandteil einen der übrigen Vokale, also α/ε/η/ο/ω. Auch υι ist ein Diphthong. Die griechischen Diphtonge sind somit: αι, ᾳ, αυ, ᾱυ (ει), ῃ, ευ, ηυ οι, ῳ, ου, ωυ Man schreibt ᾳ/ῃ/ῳ statt ᾱι/ηι/ωι, weil im klassischen Griechisch der [i]-Laut bei diesen Diphthongen nicht mehr gesprochen wurde. Ursprünglich sprach man also [aaj, ääj, ǤǤj], später dann [aa, ää, ǤǤ]. Zusammenkünfte von Vokalen, die keinen Diphthong darstellen, gehören zu unterschiedlichen Silben: εέλδωρ „Wunsch“ = e-él-dōr, λᾱοί „Leute“ = la-oí, ιᾱτήρ „Arzt“ = i-ā-tḗr, δηιόω „feindlich behandeln“=dē-i-ó-ō Im letzten Wort stellt ηι keinen Diphthong dar, weil man für [ääj] ja die Schreibweise benutzt. (Im Griechischen gibt es keinen Stimmabsatz, die Vokale gehen beim Sprechen ohne Trennung ineinander über.) Stehen zwei Vokale nebeneinander, die einen Diphthong bilden könnten , es aber in diesem Falle nicht tun, kann über ι oder υ ein Trema stehen: ï, ϋ. προïάπτω „entsenden“=viersilbig pro-i-áp-tō, άϋπνος „schlaflos“=dreisilbig á-up-nos (Beim letzten Wort wäre das Trema überflüssig. Denn wenn ein Diphthong dastünde, würde man den Akzent auf den zweiten Bestandteil setzen: αύ) Übung: gib für folgende Wörter die Silbenanzahl an: θεός __, θεοῖς __, εῦ „gut“__ mit der Variante εǘ __ νεανίᾱς „Jüngling“ __, αείδε „sing!“ __, άατος „untersättlich“ __

Altgriechisch - Silbenstruktur

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Lehrtext Altgriechisch: Die griechische Silbe.

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Page 1: Altgriechisch - Silbenstruktur

Silben

Wörter können in Silben unterteilt werden. Für jede Silbe schreibt man in einem Lied einen eigenen Ton. Griechische Wörter sind mindestens einsilbig, es gibt kaum welche mit mehr als fünf Silben. einsilbig: αίξ „Ziege“, σύ „du“

zweisilbig: βίβ-λος „Buch“, φί-λος „Freund“, στρα-τός „Heer(lager)“ dreisilbig: άγ-γε-λος „Gesandter“, Die Silbentrennung ergibt sich meistens intuitiv. Übung: Unterteile folgende Wörter durch Striche ( | ) in ihre Silben. Beispiel: άγγελος = άγ|γε|λος

άνθρωπος, πόλεμος „Krieg, Kampf, Streit“, απαμū�νω „ich wehre ab“, δερκόμεθα „wir erblicken“

ζ, ξ, ψ zählen als zwei Konsonanten (dz, ks, ps), die Silbengrenze ist dazwischen. Dasselbe gilt für alle Doppelkonsonanten (μμ, ττ, δδ usw.), weshalb diese lang gesprochen werden: γυµνάζω „ich übe“ = gum-nád-zo, λέξω „ich werde sagen“ = lék-sō, γūψί „Geiern“ = gūp-sí γέγραμμαι „ich schrieb mir“=gé-gram-mai, τάττω „ich ordne“ = tát-tō, έδδεισον „ich erschrak“ = éd-dei-son

Eine Silbe besteht maximal aus Anlaut, Nukleus (Kern) und Coda: die Silbe νύξ „Nacht“ besteht aus Anlaut ν, Nukleus υ, Coda ξ. Nicht jede Silbe ist vollständig. Es gibt Silben ohne Anlaut oder/und ohne Coda: άψ „wieder“ hat keinen Anlaut, δέ „aber“ keine Coda, ή „oder“ keins von beiden Der Nukleus ist im Griechischen ein Vokal oder ein Diphthong: νύξ, αιξ, ει, ἅλς „Salz“ (das ist hals), εις, νᾶυς, τῷ, ἡ (das ist hē) Anlaut und Coda bestehen aus einen oder mehreren Konsonanten: μή „nicht“ (Anlaut=μ), εκ (Coda=κ), πτύξ „Falte/Schicht/Lage“ (Anlaut=πτ, Coda=ξ) Übung: Unterstreiche bei folgenden Wörtern alle Nukleï: εγώ, καί, ου, εκ, κατά, τοῖς, είσω „hinein“

Es können mehrere Nukleï unmittelbar nebeneinanderstehen. Zwischen zwei Nuklei ist dann eine Silbengrenze:

αναιδείᾱ „Unverschämtheit“ (das ist viersilbig a-nai-deí-ā), ὑιός „Sohn“ (das ist hui-ós) Stehen zwei Vokale nebeneinander, handelt es sich entweder um einen Diphthong oder zwei unterschiedliche Silben. Bei den obigen Beispiel sind ει und υι Diphthonge, die einsilbig gesprochen werden, (also [ej] und [uj]. Das nachfolgende α bzw. ο gehört zu einer neuen Silbe. Alle griechischen Diphthonge haben als zweiten Bestandteil ι oder υ und als ersten Bestandteil einen der übrigen Vokale, also α/ε/η/ο/ω. Auch υι ist ein Diphthong. Die griechischen Diphtonge sind somit:

αι, ᾳ, αυ, ᾱυ (ει), ῃ, ευ, ηυ οι, ῳ, ου, ωυ Man schreibt ᾳ/ῃ/ῳ statt ᾱι/ηι/ωι, weil im klassischen Griechisch der [i]-Laut bei diesen Diphthongen nicht mehr gesprochen wurde. Ursprünglich sprach man also [aaj, ääj, ǤǤj], später dann [aa, ää, ǤǤ]. Zusammenkünfte von Vokalen, die keinen Diphthong darstellen, gehören zu unterschiedlichen Silben: εέλδωρ „Wunsch“ = e-él-dōr, λᾱοί „Leute“ = la-oí, ιᾱτήρ „Arzt“ = i-ā-tēr, δηιόω „feindlich behandeln“=dē-i-ó-ō

Im letzten Wort stellt ηι keinen Diphthong dar, weil man für [ääj] ja die Schreibweise ῃ benutzt. (Im Griechischen gibt es keinen Stimmabsatz, die Vokale gehen beim Sprechen ohne Trennung ineinander über.)

Stehen zwei Vokale nebeneinander, die einen Diphthong bilden könnten, es aber in diesem Falle nicht tun, kann über ι oder υ ein Trema stehen: ï, ϋ.

προïάπτω „entsenden“=viersilbig pro-i-áp-tō, άϋπνος „schlaflos“=dreisilbig á-up-nos (Beim letzten Wort wäre das Trema überflüssig. Denn wenn ein Diphthong dastünde, würde man den Akzent auf den zweiten Bestandteil setzen: αύ)

Übung: gib für folgende Wörter die Silbenanzahl an: θεός __, θεοῖς __, εῦ „gut“__ mit der Variante εǘ __

νεανίᾱς „Jüngling“ __, αείδε „sing!“ __, άατος „untersättlich“ __

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Silbenlänge

Bei Silben unterscheidet man lange und kurze Silben. Was eine „lange“ Silbe ist, hängt davon ab, ob man die Silbe aus grammatischer oder das Versmaß betreffender Sicht betrachtet. Grammatisch betrachtet gilt:

Kurze Silben haben einen kurzen Vokal als Nukleus: α ɹɹ ɹɹ, ε, ι ɹɹ ɹɹ, ο, υ ɹɹ ɹɹ Naturlange Silben haben irgendeinen anderen Nukleus, also einen langen Vokal oder einen Diphthong. Übung: unterstreiche grammatisch-lange bzw. „naturlange“ Silben. Beispiel: διδάsκω „ich lerne“ = διδάσκω

πείθω „ich überrede“, παιδεύου „lass dich erziehen!“, εις, ες, ᾴδε „sing!“ (Variante zu αέιδε), ᾴδω „ich singe“ Bei den Vokalen α, ι, υ ist am Schriftbild oft nicht zu erkennen, ob sie lang oder kurz sind, es sei denn, sie sind durch

entsprechende Zeichen extra gekennzeichnet: kurz sind α ɹɹ ɹɹ, ι ɹɹ ɹɹ, υ ɹɹ ɹɹ, lang sind ᾱ, ῑ, ῡ. Durch einen Zirkumflex (~) steht die Länge jedoch eindeutig fest, da Zirkumflex nie auf einem kurzen Nukleus steht; lang sind also stets ᾶ, ῖ, ῦ. Lang sind natürlich auch ᾳ/ῃ/ῳ, weil es sich hierbei eigentlich um Diphthonge handelt. Übung: unterstreiche grammatisch-lange bzw. „naturlange“ Silben. Beispiel: διδάsκω „ich lerne“ = διδάσκω ὥς „so“, απαμū�νω, κρī�νω „ich scheide/urteile/richte“, μῦς „Maus“, άναξ „Herrscher“, ὁρᾶν „sehen“, ĩς „Macht“ Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen. Ganz am Wortende gelten die Diphthonge -αι und -οι manchmal als grammatisch-kurz. Die Ausnahmefälle sind:

1. Beim Substantiv der Nominativ Plural der o/a-Stämme: -οι, -αι, zum Beispiel: άνθρωποι „Menschen“, θεαί „Göttinnen“

2. In den meisten Fällen (nicht allen!) die Infinitivendungen -ναι und -σ(θ)αι, zum Beispiel: παιδευθῆναι „erzogen sein“, παιδεύσασθαι „für sich fertig erziehen“, παιδεῦσαι „fertig erziehen“

3. Beim finiten Verb die Personen-Endungen -μαι, -ται, -νται, -σαι, zum Beispiel: έσομαι „ich werde sein“, έσται „er wird sein“, έσονται „sie werden sein“, παίδευσαι „erzieh für dich!“

Übung: kennzeichne alle naturkurzen Nuklei mit dem Akzent ɹ , alle naturlangen mit Unterstreichung __.

Beispiele: γĭ�γνε ɹɹ ɹɹταĭ „ich werde“ (Verbform mit kurzsilbigem -αι), θε ɹɹ ɹɹαῖς, ε ɹɹ ɹɹπῴχα ɹɹ ɹɹτŏ „er trat herzu“

φαίνομαι „ich erscheine“, άγγελοι, αἱ θάλατται „die Meere“ (<θάλασσα ɹ), οἱ νοῖ „die Tempel“, αγγέλοις,

εĩναι „sein (als Verb)“, βούλεται „er will“, οἱ Ἑρμαῖ „die Hermessäulen“, φίλοι „Freunde“ (<φίλος), βίβλοις,

παιδεύοι „er möge erziehen“, δουλοῖ „er knechtet“, τῑμᾷ „er ehrt“, και, σύμπᾱς „alle zusammen“, ει, πυραί,

άνθρωπος, ανθρώπου, μῦθος „Äußerung“, μū�θῳ, Πηληïάδεω „vom Sohn des Peleus = des Achilles“,

αίγες „Ziegen“, κιχᾱ/

νω „ich finde“, παιδεύω „ich erziehe“, παίδευε „erzieh!“, ει „falls“, εĩ „bist“, βίβλοι,

ὀī�ω (3-silbig) „ich meine“, ĩσος „gleich“, ου, ĩφι „machtvoll“, βιός „Bogen“, βιοῦ, γūψ, βίος „Leben“, οὗ „dessen“

Aus Sicht des Versmaßes gilt eine etwas andere Verteilung. Beim Versmaß treten lange und kurze Silben in bestimmten Mustern auf, zum Beispiel lang-kurz-kurz (_ . .). Aus dieser Sicht ist eine Silbe nur dann kurz, wenn sie auf einen kurzen

Vokal (α ɹɹ ɹɹ, ε, ι ɹɹ ɹɹ, ο, υ ɹɹ ɹɹ) endet, also keine Coda hat: τὸν, εκ, ει, µή, οἱ, αίξ, ῇ, οὗ, ῶ, Λήτω sind alles lange Silben άνεμε „Wind!“, κατά, αθάνατε „unsterblicher!“ sind Wörter, die nur aus positions-kurze Silben bestehen Da im Griechischen kein Stimmabsatz existiert, kann eine Silbe ihre Coda verlieren, wenn die nachfolgende Silbe mit einem Vokal beginnt: πό|δας + ω|κὺς wird daher πό|δα|σω|κὺς gesprochen und dementsprechend unterteilt. _ . . _ . . τὸν δ’ απαµειβόµενος προσέφη πόδας ωκὺς Aχιλλεύς. ihn aber – antwortend – anredete fuß- schneller Achilles Übung: Über dem obigen Beispiel sind einige Silben als kurz (.) oder lang (_) gekennzeichnet. Setze diese Kennzeichnung fort. An zwei Stellen ist zu beachten, dass ein Konsonant zur Folgesilbe hinübergezogen wird. Sprich anschließend den Satz laut aus.

Die grammatische Länge ist von Bedeutung, weil hierdurch ein Einfluss auf die Setzung des Wortakzentes hervorgerufen wird; das wird in der nächsten Lektion weiter ausgeführt. Das Vermaß ist von Bedeutung, wenn man griechische Sätze korrekt aussprechen will was die Kürze und Länge von Vokalen betrifft; denn diese stimmt mit den intuitiven Gegebenheiten des Deutschen nicht überein! Gemeinsamkeiten: Bei beiden Sichtweisen schaut man, ob eine Silbe einen kurzen Nukleus α ɹɹ ɹɹ, ε, ι ɹɹ ɹɹ, ο, υ ɹɹ ɹɹ hat. Unterschiede: in der Grammatik gibt es Ausnahmen auf -αι/-οι. beim Versmaß muss hingegen auch die Coda fehlen.