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An der Haupt- straße von Venedig Wie der öffentliche Personenverkehr eine einzigartige Stadt trägt 9 Serviceplus 1/2016 Verkehr & Logistik

An der Haupt- straße von Venedig - Dussmann Group...Federico Bordin, Andrea Zennaro und Simone Ferro (v. .l n. ) .r am Reinigungs-pier. Sie sind Teil des Dussmann-Teams für saubere

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An der Haupt- straße von Venedig

Wie der öffentliche Personenverkehr eine einzigartige Stadt trägt

9Serviceplus 1/2016

Verkehr & Logistik

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TexT

Michaela Mehls

FoTos

Kay Herschelmann

A lles beginnt an einem Herbstmorgen im Jahre 1881. Als die „Regina Margherita“ als erster Wasserbus mit mechanischem Pro-

pellerantrieb den Canal Grande befährt, muss sie Venedigs Hauptstraße mit nur wenigen kleinen Motorbooten und Gondeln teilen. 135 Jahre spä-ter befahren 135 Wasserbusse, die Vaporetti, den Canal Grande und die Lagune. Die venezianischen Verkehrsbetriebe ACTV (Azienda Consorzio Tras-porti Veneziano) halten mit ihnen die Stadt am Laufen. Die Wasserbusse sind das Rückgrat des Verkehrs, nicht nur für die 60.000 Einwohner, son-dern auch für die jährlich 30 Millionen Touristen.

Am 31. März 2016 meldet die Lokalzeitung La Nuova Venezia: „300.000 Besucher in drei Tagen. Touristenrekord zu Ostern.“ Eine Herausforderung für Stadtregierung und Verkehrsbetriebe. Ähnlich

viele Menschen bevölkern sonst nur zum Karneval die kleine Stadt – der allerdings fast drei Wochen dauert.

Am Tag zuvor, im Büro des Bürgermeisters. Die Fenster gehen zum Canal Grande. Draußen weht die Flagge mit dem gef lügelten Löwen. Simone Venturini und Luca Scalabrin, mit denen ich zum Interview über das Thema Verkehr verabredet bin, nehmen die Pracht des Raumes mit seinen bemal-ten Holzdecken wahrscheinlich gar nicht mehr wahr. Venturini ist als Zweiter Bürgermeister für Wohlfahrtspf lege und wirtschaftliche Entwick-lung verantwortlich, Scalabrin ist Präsident der ACTV. „30 Millionen Besucher ist zwar schwie-rig“, sagt Venturini, „aber wir managen das. Mit der öffentlichen Sicherheit gibt es nie Probleme.“ Venedig sei kompliziert, einzigartig, schwierig zu

Luca Scalabrin (links), Präsident der ACTV, und

Simone Venturini, Zweiter Bürgermeister Venedigs

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betreiben und zu regieren. 30 Pro-zent höhere Kosten als andere Städte wären zu stemmen. Scalabrin ergänzt:

„Die Bürokratie führt zu langsamen Entscheidungen. Früher hat der Doge entschieden, heute haben wir es mit vielen Entscheidern zu tun“, sagt er. Nahezu absolut war die Macht der insgesamt 120 Dogen, die in der Ära der eigenständigen Republik Vene-dig ab dem 11. Jahrhundert bis zu ihrem Ende 1797, nach der Erobe-rung Italiens durch Napoleon, regier-ten. „Seit 20 Jahren beschäftigt uns daher schon die Frage, wie wir den begrenzten Platz auf unserer „Haupt-straße“ Canal Grande besser eintei-len können,“ sagt Venturini. Denk-

bar seien zum Beispiel ausgewiesene Zeitfenster für den Transport von Waren einerseits und Perso-nen andererseits, vor allem in den Morgenstunden. Aber vor allem in der stetigen Serviceverbesserung im Verkehrsangebot läge die Lösung.

Scalabrin schlägt diesen Weg für die ACTV ein. In Kundenbefragungen sei vor allem die Zufrie-denheit der Bewohner von Venedig und Mestre fundamental. Dafür essentiell sei zum Beispiel, den Personenfluss auf den Vaporetti zu verbessern.

„Es gibt nur einen Ein- und Ausgang, der oft von den vielen Koffern und Rucksäcken blockiert wird. Hier prüfen wir Gepäckaufbewahrungsmöglich-keiten, zum Beispiel auf dem Dach des Schiffes“, sagt Scalabrin.

Die letzte Kundenzufriedenheitsbefragung ergab, dass 83,6 Prozent zufrieden mit dem Ser-

vice der ACTV sind – sechs Prozent mehr als 2013. 92 Prozent der Befragten äußerten sich zufrieden mit der Sicherheit in den Verkehrsmitteln; und acht von zehn Passagieren bewerteten die Sauber-keit als sehr gut.

„Ich bin auch zufrieden mit Dussmann Service. Die Sauberkeit ist wichtig für unser Image und das der Stadt. Eine Art Visitenkarte“, sagt Luca Scala-brin. Dussmann ist seit 2013 für die Reinigung aller Verkehrsmittel zuständig: Wasserbusse und deren Haltestellen, Fähren und Busse. Nach einer Aus-schreibung, die bessere Qualität für ein geringeres Budget vorgab, übernahm Dussmann das Personal des Vordienstleisters, der 20 Jahre die Aufgabe inne-hatte. „Mir gefällt die Arbeitskultur bei Dussmann. Es ist ein Unternehmen mit hoher Qualität, das uns Sauberkeit rund um die Uhr bietet. Zusammen kön-nen wir eine bessere Zukunft schaffen“, so das präsi-dentielle Lob. Den Unterschied macht für Scalabrin besonders die periodische Reinigung der Wasser-busse und Busse aus, die jetzt mit Hochdruckrei-nigungsmaschinen erfolgt. Hier stellten seine Mit-arbeiter eine deutlich höhere Sauberkeit als zuvor fest, sagt er zum Abschied. Diesen Eindruck bestä-tigt später auch Giovanni Seno, Generaldirektor der AVM Group und der ACTV: „Die Professionalität und Erfahrung von Dussmann Service machen die Zusammenarbeit sehr positiv. Der Service ist effizi-ent und effektiv, mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Das ist für uns als öffentliches Unterneh-men keinesfalls zweitrangig“, so Seno.

Abfahrt Rialto 10:13 Uhr. Pünktlich auf die Sekunde legt Linie 2 mit leichtem Rumpeln an der Vaporetto-Haltestelle an. Luca Scalabrin hat nicht übertrieben: „Die Venezianer stellen ihre Uhr

Wussten Sie, dass Venedig ...... seinen Namen möglicherweise vom lateinischen „Veni etiam“ hat, was so viel bedeutet wie „komm’ wieder“, ein Begriff, den Flüchtlinge prägten? Wahrscheinlicher ist aber die Benennung nach dem Volk der Veneter. 1 ... mit seinen sechs Sestieri (Stadtteilen) an jeder Gondel verewigt ist? Der Ferro genannte Schmuck am Bug trägt vorn sechs Sporne, für Cannaregio, San Polo, Santa Croce, Dorsoduro, San Marco und Castello; der siebte Sporn zeigt nach hinten und symbolisiert die Insel Giudecca. 1 ... 400 Gondoliere hat, darunter aber nur zwei Frauen? Eine davon: die Deutsche Alex Hai. 1 ... 450 Brücken hat, Berlin aber 2100? Allerdings ist Berlin doppelt so groß. 1 ... jedem Bürger per SMS

einen Hochwasser-Alarm aufs Handy senden kann?

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nach unserem Fahrplan!“ Die halbe Stunde Fahrt den Canal Grande entlang zum Tronchetto, wo die ACTV ihren Haupt-sitz hat, nutze ich zum Bestaunen: die Palazzi rechts und links, von denen man munkelt, die Hälfte gehöre mittlerweile Chinesen. Schiffe jeglicher Größe und Funktion befördern alles, was in der Stadt zum Leben gehört: Getränke, darunter Nachschub für die zahllosen Spritz all’Aperol, die hier täg-lich getrunken werden; Wäsche für die Hotels; Möbel eines Umzuges; Patienten des Hospedale Civile; Gäste in elegan-ten Wassertaxis; Gemüse von der Lagunen-Insel Sant’Erasmo, Müll; und viele Touristen in Gondeln.

Sauberkeit rund um die Uhr

Am Tronchetto empfangen mich Giovanni Seno, General-direktor der AVM Group und der ACTV, und Nicola Cattozzo, Geschäftsführer der ACTV sowie Giancarlo Baruffa und Tommaso Dal Maschio von Dussmann Service. Auf dem Linienplan zeigt Dal Maschio, wie groß das Einsatzgebiet und wie umfangreich die Aufgaben der 160 Dussmann-Mit-arbeiter sind. Venedig ist die Hauptstadt der Region Venetien und besteht aus dem historischen Zentrum – die wie ein Fisch geformte Insel – und dem Industriekomplex Mestre-Marghera

Federico Bordin,

Andrea Zennaro

und Simone

Ferro (v. l. n. r.)

am Reinigungs-

pier. Sie sind Teil

des Dussmann-

Teams für

saubere Schiffe,

Busse und

Fähren

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auf dem Festland. Die ACTV betreibt auch den Verkehr in der Lagune mit ihren 118 Inseln und das Busnetz auf dem Festland. In Zahlen: 2.800 Mitarbeiter, 120 Millionen Pas-sagiere jährlich auf den 25 Schifffahrtslinien, den über 100 Buslinien und den beiden Tramlinien. Seit kurzem verkehrt der „People Mover“ zwischen dem Tronchetto mit seinen gro-ßen Parkhäusern, dem Kreuzfahrtterminal und der Piazzale Roma, dem Zugangspunkt zu den Vaporetti.

Jede Nacht unterzieht ein Dussmann-Team am Tronchetto zwei Schiffe der periodischen Tiefenreinigung. Vom Dach bis zur Schiffsführer-Kabine bleibt nichts unberührt: Die Decke wird von Spinnweben befreit, die Fenster streifenfrei von innen gereinigt, die Sitze desinfizierend gereinigt, frische Kaugummireste vom Boden entfernt. Die Fensteraußenreini-gung erfolgt an drei Tagen pro Monat an einem dafür reser-vierten Pier.

Ein weiteres Dussmann-Reinigungsteam fährt per Vapo-retto alle Haltestellen im ACTV-Netz ab und nimmt auch Instandhaltungsmaßnahmen vor.

In den beiden ACTV-Werften von Sant’Elena und Pelles-trina rückt das dritte Dussmann-Team dem Schmutz auf der Außenhaut der großen Autofähren zu Leibe. Zum Einsatz kommen zu 99,9 Prozent abbaubare Reinigungschemie und Hochdruck-Reinigungsmaschinen. Bei der Innenreinigung wird grundsätzlich nur Wasser benutzt.

An vier Stellen in der Stadt halten Schiffe für zehn Minu-ten, um vom fünften Dussmann-Team der täglichen Reini-gung unterzogen zu werden. Das sechste Team kümmert sich ausschließlich um die Reinigung der 620 ACTV-Busse.

Qualität durch stetige Mitarbeiterausbildung

Unter den 160 Mitarbeitern seien derzeit nur wenige Frauen, erzählt Giancarlo Baruffa, der die Dussmann-Niederlassung Venetien leitet. „Der hohe Männeranteil ist sehr ungewöhn-lich für die Reinigung, aber nachvollziehbar. Die Tätigkeit ist handwerklich und findet meist draußen statt.“ Gerade schie-ben sich Wolken über die Märzsonne, und die Temperatur sinkt um gefühlte zehn Grad Celsius. Als größte Herausfor-derung benennt Baruffa das Personalmanagement eines so großen, dezentral arbeitenden Teams. Dafür elementar sei die ständige Aus- und Weiterbildung auf allen beruflichen Ebe-nen, damit „alle anhand der Dussmann-Betriebsanleitung arbeiten“. Die Kollegen stammen aus ganz verschiedenen Kul-turen. Der Job ist begehrt, und der Abbau von Arbeitsplätzen in den Industrieanlagen von Marghera tut sein übriges.

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Am Reinigungspier ist Vaporetto „A. Lucchese“ an der Reihe, gebaut 1974 in Venedig. „Wir sind der einzige öffentliche Verkehrsbetrieb in Italien, der seine Verkehrsmittel selbst entwickelt. Unser Design-Büro in der Werft von Sant’Elena entwirft Schiffe, die den sehr besonderen Bedingungen der Lagune, mit dem Einfluss der Gezeiten, des Windes, der Wellen und des Meeresbodens, standhalten – und dem „Gewicht“ des Besucherstromes. Die Kon-struktion wird an andere Werften ausgeschrieben“, berichtet Nicola Cattozzo. Rund eine Million Euro kostet solch ein solides, sicheres Schiff.

Während ich den drei Dussmann-Kollegen Federico Bordin, Andrea Zennaro and Simone Ferro zuschaue, wie sie „A. Lucchese“ auf Hoch-glanz bringen, komme ich mit Gianfranco Negri ins Gespräch. Er ist für die ACTV als Chefinge-nieur tätig. Bestimmte Zonen würden bei Hoch-wasser, aqua alta, nicht bedient, aber es sei noch nie vorgekommen, dass der Verkehr zum Erliegen gekommen sei. „Der Umgang mit dem Hochwas-ser ist gut organisiert. Wir sind es eben seit alters her gewohnt, mit dem Meer zu leben.“ Auf dem Canal Grande geht ohnehin auch bei aqua alta alles seinen normalen Gang.

Tommaso Dal Maschio

aus Mestre koordiniert

zusammen mit Isabella

Salmaso den ACTV-

Auftrag. Nach dem Stu-

dium der Internationen

Beziehungen und Men-

schenrechte stieg Dal

Maschio vor sechs Jah-

ren als Aushilfe in einer

Senioreneinrichtung

ein, für die Dussmann

die Küche betrieb. Das

Unternehmen gefiel ihm,

und er nahm eine neue

Aufgabe an, für die er in

ganz Italien unterwegs

war. Als für den ACTV-

Auftrag Verstärkung

gesucht wurde, nutzte

er die Gelegenheit, wie-

der in seiner Heimat zu

arbeiten.

In der Stadt der Schritte

Am frühen Abend zu Fuß zum Markusplatz. Zu der Stunde, wenn die letzten Sonnenstrahlen des Tages die goldverzierten Flächen an der Markuskirche zum Leuchten bringen. Dann verwandelt sich der Platz zum wunderbarsten Ort der Welt. Die Calle nach links hinunter. Ein Schaufenster stellt Hunde- näpfe und -futter aus. Weiter in Richtung Cam-piello mit dem Brunnen, viele Menschen sind auf der Strada Nuova unterwegs Richtung San Marco.

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Einreihen in den schnellen Fluss der Schritte, bis zur kleinen Kirche, und dann nicht nach rechts abbiegen zum Rialto und zum Vaporetto, sondern weiter geradeaus, durch das Gassengewirr. Die Menschen werden weniger, meine Schritte lang-samer. Ich folge den gelben Schildern „Per San Marco“ an den Hauswänden. Die erste Brücke; gut, dass ich kein Gepäck dabei habe. Weiter über den Campo, mit einer Bank, auf der eine alte Dame sitzt. Der Zufall führt Regie. Ein verwirrter Blick in eine Gasse: War ich hier nicht gerade schon? Vorbei an weiteren Campi, roten Häusern mit grü-nen Fensterläden, wieder Schaufenster, Kirchen, Bars, vor denen Menschen ihren Ombra (Schat-ten, ein Glas Wein) trinken. Und dann, zwischen den Arkaden des Museo Civico Correr hindurch,

leuchtet es golden. Eine Stunde, die schnell damit vergeht, der Musikkapelle des Café Florian zu lau-schen, Gäste tanzen dazu. Auf dem Heimweg, es ist schon dunkel, hallen meine Schritte von den Gassenwänden wider. Ein Geräusch, das in der Großstadt längst nicht mehr hörbar ist, oder wenn, dann ist es angstbesetzt. In Venedig ist Laufen ein Genuss, die Stadt auch nachts sicher. Das Tempo selbst bestimmen und stehenbleiben, um den Anblick von so viel Schönheit zu genießen. Ohne Armband, das die Schritte zählt.

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