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Seminar: Deutsche Literatur: Gattungen und Methoden/Akademisches Schreiben Duitse Taal en Cultuur WS 2013/2014 Leitung: Dr. Elke Huwiler Die Darstellung Schwarzer und Weißer Menschen in Heinrich von Kleists „Die Verlobung in St. Domingo“ Oriël Richaards

Analyse Die Verlobung in Santo Doming by Heinrich von Kleist

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Analysis of Die Verlobung in Santo Domingo. Analysing of postcolonial remarks found in this classic work of German literature.

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Page 1: Analyse Die Verlobung in Santo Doming by Heinrich von Kleist

Seminar:Deutsche Literatur: Gattungen und Methoden/Akademisches SchreibenDuitse Taal en CultuurWS 2013/2014Leitung: Dr. Elke Huwiler

Die Darstellung Schwarzer und Weißer Menschen in Heinrich von Kleists„Die Verlobung in St. Domingo“

Oriël Richaards

Duitse Taal en CultuurMatrikelnummer: 10592911

Benedenlangs 991025KD Amsterdam

Tel. 0653228719E-Mail: [email protected]

Page 2: Analyse Die Verlobung in Santo Doming by Heinrich von Kleist

In dieser Zeit von Toleranz und Akzeptanz ist es fast undenkbar, dass es je ernsthafte

Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen Menschen gab. Vor ungefähr 200 Jahren war

es jedoch noch so, dass die weißen und schwarzen Menschen, nach der Normen der

damaligen Gemeinschaft, nicht gleich waren. Diese Unebenheit wurde auch in der Literatur

betont. In diesem Essay handelt es sich deswegen um die folgende Frage: Wie werden

schwarze Menschen dargestellt in Heinrich von Kleists „Die Verlobung in St. Domingo“ im

Gegensatz zu weißen Menschen?

Eine Frage, die eigentlich dazu gehört, aber in diesem Fall keine Hauptfrage sein könnte, ist:

Welche Art Vorurteilen gibt es in dieser Geschichte? Ist die Darstellung der sogenannten

Neger von Vorurteilen geprägt?

In diesem Essay werden keine Fragen behandelt, die nichts mit dem postkolonialistischen

Diskurs zu tun haben. Diese Geschichte wird also nach der Regeln kolonialer Diskursanalyse

analysiert.

Was in dieser Geschichte sofort auffällt, ist die Trennung zwischen schwarzen und weißen

Menschen. Es wird einen Unterschied gemacht zwischen Schwarz und Weiß. „Als die

Schwarzen die Weißen ermordeten“1 ist das erste, was man eigentlich liest.

Es wird auch sofort deutlich, dass schwarze Menschen mit negativen Eigenschaften

verbunden werden: „ein fürchterlicher alter Neger“2, ist das erste, was über einen schwarzen

Menschen gesagt wird. Der Autor dieser Geschichte sorgt dafür, dass schon in einigen Zeilen

ein negatives Bild der schwarzen Menschen skizziert wird. Überraschend ist das aber nicht.

Diese Geschichte ist ursprünglich 1811 erschienen. In dieser Zeit war Deutschland noch kein

koloniales Supermacht. Es war aber nicht unbekannt, dass schwarze Menschen als Sklaven

verkauft wurden in tropischen Ländern, damit die Kolonisatoren großen, wirtschaftlichen

Gewinn bekamen. In dieser Geschichte wird am Anfang auch schon das typische

Kräfteverhältnis aus dieser Zeit skizziert: „Nicht nur, dass Herr Guillaume ihm auf der Stelle

seine Freiheit schenkte, und ihm, bei seiner Rückkehr nach St. Domingo, Haus und Hof

anwies“3.

Diese Geschichte erweckt vom Anfang ab den Eindruck, dass sie nicht von der

gebräuchlichen Denkweise in dieser Zeit abweicht und auf der ersten Seite dieses Buches

1 von Kleist, Heinrich: Die Verlobung in St. Domingo: Paderborn 2009: Schöningh Verlag: Hg. v. Johannes Diekmans: Erarbeitet von Olaf Hildebrand: S.52 Ebd.3 Ebd.

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wird also schon klar, auf welche Weise der koloniale Diskurs in dieser Geschichte geäußert

wird.

Die Verhältnisse zwischen schwarz und weiß sind in dieser Zeit im Durchschnitt schlecht.

Auch das wird von diesem Autor sehr deutlich in der Geschichte beschrieben. Die schwarzen

Menschen werden aus der Perspektive eines weißen Menschen in der damaligen Zeit

beschrieben. Die schwarzen Menschen verlieren eigentlich ihre Menschlichkeit. Sie werden

beschrieben als wären sie das Anschauen nicht wert: „Babekan sagte dazu zum Beispiel: nun,

Ihr seid gewiss ein Weißer, dass Ihr dieser stockfinsteren Nacht lieber ins Antlitz schaut als

einer Negerin!“4

Was in dieser Geschichte aber doch so ist, ist dass die Darstellung von schwarzen Menschen,

nicht für jeden schwarzen Menschen gilt. Obwohl die Schwarzen im Durchschnitt als fast

unmenschlich und tierisch („so übernahm sie, (…), ein menschliches Gefühl“ 5über die

Negerin Toni, wessen Gefühl beschrieben wurde), gibt es doch eine Ausnahme. Obwohl der

koloniale Blick des Autors sehr stark nach vorne kommt, will der Autor den Lesern

offensichtlich dafür warnen, nicht immer voreingenommen zu sein. Als relativierender und

verbindlicher Faktor in der Darstellung schwarzer und weißer Menschen gibt es nämlich Toni.

Toni ist ein schwarzes Mädchen, das aber fast keine als typisch für die schwarzen dargestellte

Eigenschaften hat. Als in der Geschichte ein weißer Herr, der den Namen Gustav führt, bei

Toni zu Hause Obdach sucht, wird das von ihrer Mutter Babekan erlaubt. Mit Babekan wird

noch immer der tierische Aspekt der schwarzen Menschen dargestellt, weil sie vor hat die

komplette Reisegruppe von diesem weißen Herrn zu ermorden. Was aber passiert, ist das

wegen der Einfluss des weißen Herrn, kombiniert mit dem schrecklichen Plan der Mutter

Toni sich zu einem richtigen Menschen entwickelt. Hier wird auch die damals geltende

Denkweise über weiße Menschen benutzt. Die weiße Menschen sorgen in dieser Geschichte

für eine Entwicklung der schwarzen Menschen zu mehr entwickelten, besser nachdenken und

funktionierenden Menschen, schon wieder mit Toni als großes Beispiel. Diese vorher typische

Benutzung des kolonialen Blicks bezüglich schwarzer Menschen wird auf so eine Weise auch

schon unterbrochen. Während bis in (ungefähr) der Mitte dieser Geschichte schwarze

Menschen als tierisch und fast unmenschlich beschrieben wurden, gibt es mit Toni ein

Mädchen, das ‚den Trott durchbricht‘. Was in dieser Zeit praktisch unmöglich war, passiert 4 von Kleist, Heinrich: Die Verlobung in St. Domingo: Paderborn 2009: Schöningh Verlag: Hg. v. Johannes Diekmans: Erarbeitet von Olaf Hildebrand: S.85 Ebd: S.23

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hier. Ein weißer Mann und ein schwarzes Mädchen verlieben sich ineinander. Weil gerade das

passiert, wird auch die menschliche Seite der schwarzen Menschen gezeigt. Es wird gezeigt,

dass schwarze Menschen nicht nur Gewalt kennen; das schwarze Menschen und Weißen die

gleichen Gefühle haben können.

Obwohl der Autor mit Toni einen relativierenden Faktor in seiner Geschichte hat, werden

Vorurteile und stereotypische Darstellungen dieser beiden Rassen nicht vermeidet oder

weniger betont. Als roter Faden wird deutlich, dass schwarze Menschen in dieser Zeit nicht

als zuverlässig betrachtet wurden. Am Ende dieser Geschichte wird auf peinliche Weise

deutlich wie misstrauisch die Weißen den Schwarzen gegenüber sind. Gustav schießt Toni

über den Haufen, weil sie laut ihm versucht hat dafür zu sorgen, dass er ermordet werden

würde. Natürlich war das nicht der Fall. Toni hatte gerade dafür gesorgt, dass das nicht

passieren würde. Gustav ging aber sofort davon aus, dass die Toni eigentlich doch schlecht

war und sie, gleich wie andere schwarzen Menschen aus Rache handelte („Der Wahnsinn der

Freiheit, der alle diese Pflanzungen ergriffen hat, trieb die Negern und Kreolen, die Ketten,

die sie drückten, zu brechen, und an den Weißen wegen vielfacher und tadelnswürdiger

Misshandlungen, die sie von einigen schlechten Mitgliedern derselben erlitten, Rache zu

nehmen.“6).

Das bringt uns sofort bei der Darstellung der beiden Rassen im Allgemeinen. Als Gustav von

einem Schwarzen hörte, hatte er sofort Angst und hatte er nur negative Gedanken. Die

Weißen werden in dem hier oben geschriebenen Zitat aber als immer gut dargestellt. Sie

werden dargestellt als hätten sie nur einige schlechten Mitglieder, während der schwarzen

Menschen nur dazu getrieben wurden „an der Weißen (…) Rache zu nehmen“7. Zivilisation

gegen Primitivität. Entwickelte Menschen gegen Menschen, die noch immer von einem

Urinstinkt getrieben wurden, statt von Rationalität.

Es ist Kleist gelungen ein koloniales Werk zu schreiben, das aber nicht nur von typischen

kolonialistischen Ideen geprägt wurde. Obwohl die schwarzen Menschen am Anfang dieser

Geschichte als ziemlich unentwickelt und tierisch dargestellt werden, mit Razzias und einer

großen Abscheu gegen den weißen Menschen, vor allem mit dem Neger Hoango, der am

liebsten jeden weißen Menschen toten würde, enthält diese Geschichte auch eine Art

Warnung: Sei nicht voreingenommen. Nicht jeder schwarze Mensch ist schlecht.

Voreingenommenheit führt letztendlich immer zu Elend. Es lohnt sich also nicht schwarze 6 von Kleist, Heinrich: Die Verlobung in St. Domingo: Paderborn 2009: Schöningh Verlag: Hg. v. Johannes Diekmans: Erarbeitet von Olaf Hildebrand: S.177 Ebd.

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Menschen als tierisch und unmenschlich zu betrachten. Sie handeln nicht immer aus Rache.

Und umgekehrt natürlich auch. Nicht jeder weiße Mensch ist schlecht. Obwohl Gustav am

Ende leider doch voreingenommen scheint und deswegen aus Misstrau das Mädchen

erschießt, begeht er letztendlich Selbstmord. Das so, weil er auch von einem tierischen

Instinkt getrieben wurde, und er sich realisierte, dass er wegen dieser impulsiven Handlung

nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das von seiner Verlobten zerstört hatte. Obwohl

von den Schwarzen mehr schlechte Eigenschaften als von den Weißen dargestellt werden, und

umgekehrt von den Weißen mehr gute Eigenschaften als von den Schwarzen, werden von den

beiden Rassen auch jeweilig gute beziehungsweise schlechte Eigenschaften dargestellt und

vor allem: betont, damit wir als Leser sehen, dass wir im Endeffekt alle Menschen sind, und

nicht wegen unserer Rassen gut oder schlecht sind. Gerade das wird mit dieser Darstellung

von Kleist auf sehr gute Weise betont.