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Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 © 2003 Kleist-Archiv Sembdner, Heilbronn Zuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 · Seite 1 von 66 Kleist-Archiv Sembdner, Internet-Editionen Heinrich von Kleist Michael Kohlhaas Vorliegende Ausgabe erhalten Sie ausschließlich auf dem Webserver des Kleist-Archivs Sembdner, Heilbronn. Sollten Sie die Datei von einem anderen Server als www.kleist.org heruntergeladen oder aus einer anderen Quelle erhalten haben, so gehen Sie bitte davon aus, daß dies illegal ist. Wir bitten in diesem Fall um Ihre Mitteilung, damit wir rechtliche Schritte dagegen einleiten können. Aus gegebenem Anlaß weisen wir außerdem ausdrücklich darauf hin, daß die Textwie- dergabe nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt, daß es sich bei vorliegender Datei aber ausdrücklich nicht um ein zitierfähiges Dokument handelt. Sie dient ausschließlich dazu, Textstellen (Zitate) bequemer finden zu können, die anschließend unbedingt in einer zuverlässigen Werkausgabe zu verifizieren sind! Die Nutzung dieser Datei ist mög- licherweise beschränkt auf reines Lesen/Suchen ohne die Möglichkeit einer Druckausga- be. – Dateien in weiterverarbeitbarer Form können ggf. angefordert werden. Alle Rechte vorbehalten. © 2002, 2003 Kleist-Archiv Sembdner, Heilbronn Diese Datei stammt exklusiv vom Server des Kleist-Archivs Sembdner www.kleist.org Unsere Adresse: Kleist-Archiv Sembdner, Berliner Platz 12, D-74072 Heilbronn. E-Mail: [email protected] Gern stellen wir Ihre Arbeit zu Kleist kostenlos ins Internet. Bei Interesse nehmen Sie bitte Kontakt auf. Informationen über unsere Arbeit schicken wir Ihnen gern auf dem Postweg kostenlos zu.

Kleist, Heinrich Von - Michael Kohlhaas

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Kohlhaas

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Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 1 von 66Kleist-Archiv Sembdner, Internet-EditionenHeinrich von KleistMichael KohlhaasVorliegendeAusgabeerhaltenSieausschlielichaufdemWebserverdesKleist-ArchivsSembdner, Heilbronn. Sollten Sie die Datei von einem anderen Server als www.kleist.orgheruntergeladenoderauseineranderenQuelleerhaltenhaben,sogehenSiebittedavonaus, da dies illegal ist. Wir bitten in diesem Fall um Ihre Mitteilung, damit wir rechtlicheSchritte dagegen einleiten knnen.AusgegebenemAnlaweisenwirauerdemausdrcklichdaraufhin,dadieTextwie-dergabenachbestemWissenundGewissenerfolgt,daessichbeivorliegenderDateiaberausdrcklichnichtumeinzitierfhigesDokumenthandelt.Siedientausschlielichdazu,Textstellen(Zitate)bequemerfindenzuknnen,dieanschlieendunbedingtineiner zuverlssigen Werkausgabe zu verifizieren sind! Die Nutzung dieser Datei istmg-licherweise beschrnkt auf reines Lesen/SuchenohnedieMglichkeiteinerDruckausga-be. Dateien in weiterverarbeitbarer Form knnen ggf. angefordert werden.Alle Rechte vorbehalten. 2002, 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnDiese Datei stammt exklusiv vom Server des Kleist-Archivs Sembdner www.kleist.orgUnsere Adresse: Kleist-Archiv Sembdner, Berliner Platz 12, D-74072 Heilbronn. E-Mail: [email protected] stellen wir Ihre Arbeit zu Kleist kostenlos ins Internet. Bei Interesse nehmen Sie bitte Kontakt auf.Informationen ber unsere Arbeit schicken wir Ihnen gern auf dem Postweg kostenlos zu.Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 2 von 66Heinrich von KleistMichael KohlhaasAndenUfernderHavellebte,umdieMittedessechzehntenJahrhunderts,einRohndler,namensMichaelKohlhaas,SohneinesSchulmeisters,einerderrechtschaffenstenzugleichundentsetzlichstenMenschenseinerZeit.-DieserauerordentlicheMannwrde,bisinseindreiigstesJahrfrdasMustereinesguten Staatsbrgers haben gelten knnen. Er besa in einem Dorfe, das nochvonihmdenNamenfhrt,einenMeierhof,aufwelchemersichdurchseinGewerberuhigernhrte;dieKinder,dieihmseinWeibschenkte,erzoger,inderFurchtGottes,zurArbeitsamkeitundTreue;nichteinerwarunterseinenNachbarn,dersichnichtseinerWohlttigkeit,oderseinerGerechtigkeiterfreuthtte;kurz,dieWelt wrde seinAndenken haben segnenmssen, wenn er in einer Tugend nichtausgeschweift htte. Das Rechtgefhl aber machte ihn zum Ruber und Mrder.Er ritteinst,miteinerKoppeljungerPferde,wohlgenhrtalleundglnzend,insAusland, und berschlug eben, wie er den Gewinst, den er auf den Mrkten damitzumachenhoffte, anlegen wolle: teils,nachArt guterWirte,aufneuenGewinst,teils aber auch auf den Genu der Gegenwart: als er an die Elbe kam, und bei ei-ner stattlichen Ritterburg, auf schsischem Gebiete, einen Schlagbaum traf, den ersonstaufdiesemWegenichtgefundenhatte.Erhielt,ineinemAugenblick,daebenderRegenheftigstrmte,mitdenPferdenstill,undriefdenSchlagwrter,derauchbalddarauf,miteinemgrmlichenGesicht,ausdemFenstersah.DerRohndler sagte, da er ihm ffnen solle. Was gibts hier Neues? fragte er, da derZllner, nach einer geraumen Zeit,ausdemHausetrat.LandesherrlichesPrivile-gium, antwortete dieser, indem er aufschlo: dem Junker Wenzel von Tronka ver-liehen.-So,sagteKohlhaas.WenzelheitderJunker?undsahsichdasSchloan,dasmitglnzendenZinnenberdasFeldblickte.IstderalteHerrtot?-AmSchlagflu gestorben, erwiderte der Zllner, indem er den Baum in die Hhe lie.- Hm!Schade!versetzteKohlhaas.EinwrdigeralterHerr,derseineFreudeamVerkehr der Menschenhatte, Handel und Wandel, wo er nur vermochte,forthalf,und einen Steindamm einst bauen lie, weil mir eine Stute, drauen, wo der WeginsDorfgeht,dasBeingebrochen.Nun!Wasbinichschuldig?-fragteer;undholtedieGroschen,diederZollwrterverlangte,mhseligunterdemimWindeflatternden Mantel hervor. Ja, Alter, setzte er noch hinzu, da dieser: hurtig! hur-tig! murmelte, und ber die Witterung fluchte: wenn der Baum imWalde stehengeblieben wre, wrs besser gewesen, frmich und Euch; und damit gab erihmdasGeldundwolltereiten.ErwarabernochkaumunterdenSchlagbaumge-kommen,alseineneueStimmeschon:haltdort,derRokamm!hinterihmvomTurm erscholl, underdenBurgvogteinFensterzuwerfenundzuihmherabeilensah.Nun,wasgibtsNeues?fragteKohlhaasbeisichselbst,undhieltmitdenPferdenan.DerBurgvogt,indemersichnocheineWesteberseinenweitlufi-Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 3 von 66genLeibzuknpfte,kam,undfragte,schiefgegendieWitterunggestellt,nachdemPaschein.-Kohlhaasfragte:derPaschein?Ersagteeinwenigbetreten,daer,sovielerwisse,keinenhabe;damanihmabernurbeschreibenmchte,was diesfreinDingdesHerrnsei:sowerdeervielleichtzuflligerweisedamitversehensein.DerSchlovogt,indemerihnvonderSeiteansah,versetzte,daohne einen landesherrlichen Erlaubnisschein, kein Rokamm mit Pferden ber dieGrenze gelassen wrde. Der Rokamm versicherte, da er siebzehn Mal in seinemLeben,ohneeinensolchenSchein,berdieGrenzegezogensei;daerallelan-desherrlichenVerfgungen,dieseinGewerbeangingen,genaukennte;dadieswohl nur ein Irrtum sein wrde, wegen dessen er sich zu bedenken bitte, und damanihn,daseineTagereiselangsei,nichtlngerunntzerWeisehieraufhaltenmge. Doch der Vogt erwiderte,daerdasachtzehnteMalnichtdurchschlpfenwrde,dadieVerordnungdeshalberstneuerlicherschienenwre,unddaerentweder den Pascheinnoch hierlsen, oderzurckkehrenmsse,woerherge-kommen sei. Der Rohndler, den diese ungesetzlichen Erpressungen zu erbitternanfingen, stieg, nach einer kurzen Besinnung,vomPferde,gabeseinemKnecht,und sagte, da er denJunkervonTronkaselbstdarbersprechenwrde.ErgingauchaufdieBurg;derVogtfolgteihm,indemervonfilzigenGeldraffernundntzlichenAderlssenderselbenmurmelte;undbeidetraten,mitihrenBlickeneinandermessend,indenSaal.Estrafsich,daderJunkereben,miteinigenmuntern Freunden, beimBecher sa, und, um eines Schwanks willen, ein unend-lichesGelchterunterihnenerscholl,alsKohlhaas,umseineBeschwerdeanzu-bringen, sichihmnherte. Der Junker fragte, was er wolle; dieRitter,alssiedenfremdenMannerblickten,wurdenstill;dochkaumhattedieserseinGesuch,diePferdebetreffend,angefangen,alsderganzeTroschon:Pferde?Wosindsie?ausrief, und an die Fenster eilte, um sie zu betrachten. Sie flogen, da sie die gln-zende Koppel sahen, auf den Vorschlag des Junkers, in den Hof hinab; der Regenhatteaufgehrt;SchlovogtundVerwalterundKnechteversammeltensichumsie, und alle musterten die Tiere. Der eine lobte den Schweifuchs mit der Blesse,demanderngefielderKastanienbraune,derdrittestreicheltedenScheckenmitschwarzgelben Flecken; und alle meinten, da die Pferde wie Hirsche wren, undimLandekeinebesserngezogenwrden.Kohlhaaserwidertemunter,dadiePferde nicht besser wren, als die Ritter, die sie reiten sollten; und forderte sie auf,zukaufen.DerJunker,dendermchtigeSchweihengstsehrreizte,befragteihnauch um den Preis; der Verwalter lagihm an, ein Paar Rappen zukaufen,dieer,wegen Pferdemangels,in derWirtschaftgebrauchenzuknnenglaubte;dochalsderRokammsicherklrthatte,fandendieRitterihnzuteuer,undderJunkersagte,daernachderTafelrundereitenundsichdenKnigArthuraufsuchenmsse,wennerdiePferdesoanschlage.Kohlhaas,derdenSchlovogtunddenVerwalter, indem sie sprechende Blicke auf die Rappen warfen, mit einanderfl-sternsah,liees,auseinerdunkelnVorahndung,annichtsfehlen,diePferdeansieloszuwerden.ErsagtezumJunker:Herr,dieRappenhabeichvorsechsMonatenfr25Goldgldengekauft;gebtmir30,sosolltIhrsiehaben.ZweiRitter,dienebendemJunkerstanden,uertennichtundeutlich,dadiePferdewohlsovielwertwren;dochderJunkermeinte,daerfrdenSchweifuchsHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 4 von 66wohl,abernichtebenfrdieRappen,Geldausgebenmchte,undmachteAn-stalten,aufzubrechen;woraufKohlhaassagte,erwrdevielleichtdasnchsteMal, wenn er wieder mit seinen Gaulen durchzge, einen Handel mit ihm machen;sich dem Junker empfahl, und die Zgelseines Pferdes ergriff, um abzureisen. IndiesemAugenblicktratderSchlovogtausdemHaufenvor,undsagte,erhre,da er ohne einen Pascheinnicht reisen drfe.Kohlhaaswandtesichundfragteden Junker, ob es denn mit diesem Umstand, der sein ganzes Gewerbe zerstre, inderTatseineRichtigkeithabe?DerJunkerantwortete,miteinemverlegnenGe-sicht,indemerabging:ja,Kohlhaas,denPamutdulsen.SprichmitdemSchlovogt, und zieh deiner Wege. Kohlhaas versicherte ihn, da es gar nicht sei-neAbsichtsei,dieVerordnungen,diewegenAusfhrungderPferdebestehenmchten, zu umgehen; versprach, bei seinem Durchzug durch Dresden, den Pa inder Geheimschreiberei zu lsen, und bat, ihn nur diesmal, da er von dieser Forde-rungdurchausnichtsgewut,ziehenzulassen.Nun!sprachderJunker,daebendasWetterwiederzustrmenanfing,undseinedrrenGliederdurchsauste:latden Schlucker laufen. Kommt! sagte er zu den Rittern, kehrte sich um, und wolltenachdemSchlossegehen.DerSchlovogtsagte,zumJunkergewandt,daerwenigstens ein Pfand, zur Sicherheit, da er den Schein lsen wrde, zurcklassenmsse.DerJunkerbliebwiederunterdemSchlotorstehen.Kohlhaasfragte,welchen Wert er denn, an Geld oder an Sachen, zum Pfande,wegenderRappen,zurcklassen solle? Der Verwalter meinte, in den Bart murmelnd, er knneja dieRappen selbst zurcklassen. Allerdings, sagte der Schlovogt, das ist das Zweck-migste;istderPagelst,sokannersiezujederZeitwiederabholen.Kohl-haas,bereinesounverschmteForderungbetreten,sagtedemJunker,dersichdie Wamssche frierend vor den Leib hielt, da er die Rappen ja verkaufen wol-le;dochdieser,daindemselbenAugenblickeinWindstoeineganzeLastvonRegen und Hagel durchs Tor jagte, rief, um der Sache ein Ende zu machen: wennerdiePferdenichtloslassenwill,soschmeitihnwiederberdenSchlagbaumzurck; und ging ab. Der Rokamm, der wohl sah, da er hier der Gewaltttigkeitweichenmute,entschlosich,dieForderung,weildochnichtsandersbrigblieb, zu erfllen;spanntedieRappenaus,undfhrtesieineinenStall,denihmderSchlovogtanwies.ErlieeinenKnechtbeiihnenzurck,versahihnmitGeld,ermahnteihn,diePferde,biszuseinerZurckkunft,wohlinachtzuneh-men, und setzte seine Reise, mit dem Rest der Koppel, halb und halb ungewi, obnicht doch wohl, wegen aufkeimender Pferdezucht, ein solches Gebot, im Schsi-schen, erschienen sein knne nach Leipzig, wo er auf die Messe wollte, fort.In Dresden, wo er,ineinerderVorstdtederStadt, einHausmiteinigenStllenbesa, weiler von hier ausseinenHandelaufdenkleinerenMrktendesLandeszu bestreiten pflegte,begabersich,gleichnachseinerAnkunft,aufdieGeheim-schreiberei,woervondenRten,derenereinigekannte,erfuhr,wasihmaller-dingsseinersterGlaubeschongesagthatte,dadieGeschichtevondemPa-scheineinMrchensei.Kohlhaas,demdiemivergngtenRte,aufseinAnsu-chen, einen schriftlichen Schein ber den Ungrund derselben gaben, lchelte berdenWitzdesdrrenJunkers,obschonernochnichtrechteinsah,waserdamitbezwecken mochte; und die Koppel der Pferde, die er beisichfhrte, einige Wo-Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 5 von 66chendarauf,zuseinerZufriedenheit,verkauft,kehrteer,ohneirgendweitereinbitteresGefhl,alsdasderallgemeinenNotderWelt,zurTronkenburgzurck.Der Schlovogt, dem er den Schein zeigte, lie sich nicht weiter darber aus, undsagte, auf die Frage des Rokamms, ob er die Pferde jetzt wieder bekommen kn-ne: er mchte nur hinunter gehen und sie holen. Kohlhaashatte aber schon, da erber den Hof ging, den unangenehmen Auftritt, zu erfahren, da sein Knecht, un-gebhrlichen Betragenshalber, wie eshie, wenige Tage nach dessen Zurcklas-sung in der Tronkenburg, zerprgelt und weggejagt worden sei. Er fragte den Jun-gen,derihmdieseNachrichtgab,wasdennderselbegetan?undwerwhrenddessendiePferdebesorgthtte?woraufdieserabererwiderte,erwisseesnicht,unddaraufdemRokamm,demdasHerzschonvonAhnungenschwoll,denStall,inwelchemsiestanden,ffnete.WiegrowaraberseinErstaunen,alser,stattseinerzweiglattenundwohlgenhrtenRappen,einPaardrre,abgehrmteMhrenerblickte;Knochen,denenman,wieRiegeln,htteSachenaufhngenknnen;MhnenundHaare,ohneWartungundPflege,zusammengeknetet:daswahre Bild des Elends im Tierreiche!Kohlhaas, den die Pferde,mit einer schwa-chen Bewegung, anwieherten, war auf das uerste entrstet, und fragte, was sei-nenGaulenwiderfahrenwre?DerJunge,derbeiihmstand,antwortete,daih-nenweiterkeinUnglckzugestoenwre,dasieauchdasgehrigeFutterbe-kommenhtten,dasieaber,dageradeErntegewesensei,wegenMangelsanZugvieh,einwenigaufdenFelderngebrauchtwordenwren.Kohlhaasfluchteber diese schndliche und abgekartete Gewaltttigkeit, verbijedoch,im Gefhlseiner Ohnmacht, seinen Ingrimm, und machte schon, da doch nichts anders brigblieb,Anstalten,dasRaubnestmitdenPferdennurwiederzuverlassen,alsderSchlovogt,vondemWortwechselherbeigerufen,erschien,undfragte,waseshiergbe?Wasesgibt?antworteteKohlhaas.WerhatdemJunkervonTronkaunddessenLeutendieErlaubnisgegeben,sichmeinerbeiihmzurckgelassenenRappen zur Feldarbeit zu bedienen? Er setzte hinzu, ob das wohlmenschlich w-re?versuchte,dieerschpftenGauledurcheinenGertenstreichzuerregen,undzeigte ihm, da sie sich nicht rhrten. Der Schlovogt, nachdem er ihn eine Weiletrotzigangesehenhatte,versetzte:sehtdenGrobian!ObderFlegelnichtGottdankensollte,dadieMhrenberhauptnochleben?Erfragte,wersie,daderKnechtweggelaufen,httepflegensollen?Obesnichtbilliggewesenwre,dadiePferdedasFutter,dasmanihnengereichthabe,aufdenFeldernabverdienthtten? Er schlo, da er hier keine Flausen machen mchte, oder da er die Hun-derufen,undsichdurchsieRuheimHofezuverschaffenwissenwrde.-DemRohndlerschlugdasHerzgegendenWams.Esdrngteihn,dennichtswrdi-genDickwanstindenKotzuwerfen,unddenFuaufseinkupfernesAntlitzzusetzen.DochseinRechtgefhl,daseinerGoldwaageglich,wanktenoch;erwar,vorderSchrankeseinereigenenBrust,nochnichtgewi,obeineSchuldseinenGegner drcke; und whrend er, die Schimpfreden niederschluckend, zu den Pfer-den trat, undihnen,in stiller Erwgung der Umstnde, die Mhnen zurecht legte,fragteermitgesenkterStimme:umwelchenVersehenshalberderKnechtdennausderBurgentferntwordensei?DerSchlovogterwiderte:weilderSchlingeltrotzigimHofegewesenist!WeilersichgegeneinennotwendigenStallwechselHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 6 von 66gestrubt,undverlangthat,dadiePferdezweierJungherren,dieaufdieTron-kenburg kamen, um seiner Mhren willen, auf der freien Strae bernachten soll-ten!-KohlhaashttedenWertderPferdedarumgegeben,wennerdenKnechtzurHandgehabt,unddessenAussagemitderAussagediesesdickmuligenBurgvogtshttevergleichenknnen.Erstandnoch,undstreiftedenRappendieZoddeln aus, und sann, was in seiner Lage zu tun sei, als sich die Szene pltzlichnderte,undderJunkerWenzelvonTronka,miteinemSchwarmvonRittern,KnechtenundHunden,vonderHasenhetzekommend,indenSchloplatzsprengte.DerSchlovogt,alserfragte,wasvorgefallensei,nahmsogleichdasWort,undwhrenddieHunde,beimAnblickdesFremden,vondereinenSeite,einMordgeheulgegenihnanstimmten,unddieRitterihnen,vonderandern,zuschweigengeboten,zeigteerihm,unterdergehssigstenEntstellungderSache,an, was dieser Rokamm, weilseine Rappen ein wenig gebraucht worden wren,fr eine Rebellion verfhre. Er sagte, mit Hohngelchter, da er sich weigere, diePferde als die seinigen anzuerkennen. Kohlhaas rief: das sind nicht meine Pferde,gestrengerHerr!DassinddiePferdenicht,diedreiigGoldgldenwertwaren!Ich will meine wohlgenhrten und gesunden Pferde wieder haben! - Der Junker,indemihmeineflchtigeBlsseinsGesichttrat,stiegvomPferde,undsagte:wenn der H... A... diePferdenichtwiedernehmenwill,somageresbleibenlas-sen.Komm,Gnther!riefer-Hans!Kommt!indemersichdenStaubmitderHandvondenBeinkleidernschttelte;und:schafftWein!riefernoch,daermitden Rittern unter der Tr war; und ging ins Haus. Kohlhaas sagte, da er eher denAbdecker rufen, und die Pferde auf den Schindanger schmeien lassen, als sie so,wie sie wren, in seinen Stall zu Kohlhaasenbrck fhren wolle. Er lie die Gaule,ohnesichumsiezubekmmern,aufdemPlatzstehen,schwangsich,indemerversicherte,daersichRechtzuverschaffenwissenwrde,aufseinenBraunen,und ritt davon.Spornstreichs auf demWegenachDresdenwarerschon,alser,beidemGedan-kenandenKnecht,undandieKlage,diemanaufderBurggegenihnfhrte,schrittweis zu reiten anfing, sein Pferd, ehe er noch tausend Schritt gemacht hatte,wiederwandte,undzurvorgngigenVernehmungdesKnechts,wieesihmklugundgerechtschien,nachKohlhaasenbrckeinbog.Denneinrichtiges,mitdergebrechlichen Einrichtung der Welt schon bekanntes Gefhl machte ihn, trotz dererlittenen Beleidigungen, geneigt, falls nur wirklich dem Knecht, wie der Schlo-vogt behauptete, eine Art von Schuld beizumessen sei, den Verlust der Pferde, alseine gerechte Folge davon, zu verschmerzen. Dagegen sagteihm ein ebensovor-treffliches Gefhl, und dies Gefhlfate tiefere und tiefere Wurzeln,in dem Ma-e,alserweiterritt,undberall,woereinkehrte,vondenUngerechtigkeitenhrte,dietglichaufderTronkenburggegendieReisendenverbtwurden:dawenn der ganze Vorfall, wie es allen Anschein habe, blo abgekartet sein sollte, ermitseinenKrftenderWeltinderPflichtverfallensei,sichGenugtuungfrdieerlittene Krnkung, und Sicherheit fr zuknftige seinenMitbrgern zu verschaf-fen.Sobald er, bei seiner Ankunft in Kohlhaasenbrck, Lisbeth, sein treues Weib, um-armt,undseineKinder,dieumseineKnieefrohlockten,gekthatte,fragteerHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 7 von 66gleichnachHerse,demGroknecht:undobmannichtsvonihmgehrthabe?Lisbethsagte:jaliebsterMichael,dieserHerse!Denkedir,dadieserunseligeMensch,voretwavierzehnTagen,aufdasjmmerlichstezerschlagen,hierein-trifft; nein, so zerschlagen, da er auch nicht frei atmen kann. Wir bringenihn zuBett, wo er heftig Blut speit, und vernehmen, auf unsre wiederholten Fragen, eineGeschichte,diekeinerversteht.WieervondirmitPferden,denenmandenDurchgangnichtverstattet,aufderTronkenburgzurckgelassenwordensei,wieman ihn, durch die schndlichsten Mihandlungen, gezwungenhabe, die Burg zuverlassen, und wie es ihm unmglich gewesen wre, die Pferde mitzunehmen. So?sagteKohlhaas,indemerdenMantelablegte.Isterdennschonwiederherge-stellt? - Bis auf das Blutspeien, antwortete sie, halb undhalb. Ich wollte sogleicheinenKnechtnachderTronkenburgschicken,umdiePflegederRosse,biszudeiner Ankunft daselbst, besorgen zu lassen. Denn da sich der Herse immer wahr-haftig gezeigt hat,undsogetreuuns,inderTatwiekeinanderer,sokamesmirnichtzu,inseineAussage,vonsovielMerkmalenuntersttzt,einenZweifelzusetzen,undetwazuglauben,daerder PferdeaufeineandereArtverlustigge-gangenwre.Docherbeschwrtmich,niemandemzuzumuten,sichindiesemRaubneste zu zeigen, und die Tiere aufzugeben, wenn ich keinen Menschen dafraufopfernwolle.-LiegterdennnochimBette?fragteKohlhaas,indemersichvon der Halsbinde befreite. - Er geht, erwiderte sie, seit einigen Tagen schon wie-der im Hofe umher. Kurz, du wirst sehen, fuhr sie fort, da alles seine Richtigkeithat,unddadieseBegebenheiteinervondenFrevelnist,diemansichseitkur-zemaufderTronkenburggegendieFremdenerlaubt.-Dasmuichdocherstuntersuchen, erwiderte Kohlhaas. Ruf ihn mir, Lisbeth, wenn er aufist, doch her!Mit diesen Worten setzte er sich in den Lehnstuhl; und die Hausfrau, die sich berseine Gelassenheit sehr freute, ging, und holte den Knecht.Was hast du in der Tronkenburg gemacht? fragte Kohlhaas, da Lisbeth mit ihm indas Zimmer trat. Ich bin nicht eben wohl mit dir zufrieden. - Der Knecht, auf des-senblassemGesichtsich,beidiesenWorten,eineRtefleckigzeigte,schwiegeine Weile; und: da habt Ihr recht, Herr! antwortete er; denn einen Schwefelfaden,denich durch Gottes Fgung beimir trug, um das Raubnest, aus demichverjagtworden war, in Brand zu stecken, warf ich, als ich ein Kind darinjammern hrte,indasElbwasser,unddachte:magesGottesBlitzeinschern;ichwillsnicht!-Kohlhaassagtebetroffen:wodurchaberhastdudirdieVerjagungausderTron-kenburgzugezogen?DraufHerse:durcheinenschlechtenStreich,Herr;undtrocknetesichdenSchweivonderStirn:Geschehenesistabernichtzundern.Ich wollte die Pferde nicht auf der Feldarbeit zu Grunde richten lassen, und sagte,da sie noch jung wren und nicht gezogen htten. - Kohlhaas erwiderte, indem erseine Verwirrungzuverbergensuchte,daerhierinnichtganzdieWahrheitge-sagt, indem die Pferde schon zu Anfange des verflossenen Frhjahrs ein wenig imGeschirrgewesenwren.DuhttestdichaufderBurg,fuhrerfort,wodudocheine Art von Gast warest, schon ein oder etliche Mal, wenn gerade, wegen schleu-nigst Einfhrung der Ernte Not war, gefllig zeigenknnen.-Dashabeichauchgetan, Herr, sprach Herse. Ich dachte, da sie mir grmliche Gesichter machten, eswird doch die Rappen just nicht kosten. Am dritten Vormittag spanntich sie vor,Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 8 von 66unddreiFuhrenGetreidefhrtichein.Kohlhaas,demdasHerzemporquoll,schlug die Augen zu Boden, und versetzte: davon hat man mir nichts gesagt, Her-se! - Herse versicherte ihn, da es so sei. Meine Ungeflligkeit, sprach er, bestanddarin, da ich die Pferde, als sie zu Mittag kaum ausgefressen hatten, nicht wiederins Joch spannen wollte; und da ich dem Schlovogt und dem Verwalter, als siemir vorschlugen frei Futter dafr anzunehmen, und das Geld, das Ihrmirfr Fut-terkostenzurckgelassenhattet,indenSackzustecken,antwortete-ichwrdeihnensonstwastun;michumkehrteundwegging.-UmdieserUngeflligkeitaber, sagte Kohlhaas, bist du von der Tronkenburg nicht weggejagt worden. - Be-hte Gott, rief der Knecht, um eine gottvergessene Missetat! Denn auf den Abendwurden die Pferde zweier Ritter, welche auf die Tronkenburg kamen,in den Stallgefhrt,undmeineandieStalltrangebunden.UnddaichdemSchlovogt,dersie daselbst einquartierte, die Rappen aus der Hand nahm, und fragte, wo die Tierejetzo bleiben sollten, so zeigte er mir einen Schweinekoben an, der von Latten undBretternanderSchlomauerauferbautwar.-Dumeinst,unterbrachihnKohl-haas, es war ein so schlechtes Behltnisfr Pferde, da es einem Schweinekobenhnlicher war, als einem Stall. - Es war ein Schweinekoben, Herr, antwortete Her-se;wirklichundwahrhaftigeinSchweinekoben,inwelchemdieSchweineaus-undeinliefen,undichnichtaufrechtstehenkonnte.-VielleichtwarsonstkeinUnterkommenfrdieRappenaufzufinden,versetzteKohlhaas;diePferdederRitter gingen, auf eine gewisse Art, vor. - Der Platz, erwiderte der Knecht, indemer die Stimme fallen lie, war eng. Es hauseten jetzt in allem sieben Ritter auf derBurg. Wenn Ihr es gewesen wret, Ihr httet die Pferde ein wenig zusammenrk-kenlassen.Ichsagte,ichwollemirimDorfeinenStallzumietensuchen;dochderSchlovogtversetzte,daerdiePferdeunterseinenAugenbehaltenmsse,und da ich mich nicht unterstehen solle, sie vom Hofe wegzufhren. - Hm! sagteKohlhaas. Was gabst du darauf an? - Weil der Verwalter sprach, die beiden Gstewrden blo bernachten, und am andern Morgen weiterreiten,sofhrteichdiePferde in den Schweinekoben hinein. Aber der folgende Tag verflo, ohne da esgeschah; und als der dritte anbrach, hiees,dieHerrenwrdennocheinigeWo-chenaufderBurgverweilen.-AmEndewarsnichtsoschlimm,Herse,imSchweinekoben, sagte Kohlhaas, als es dir, da du zuerst die Nase hineinstecktest,vorkam. - 's ist wahr, erwiderte jener. Da ich den Ort ein bissel ausfegte, gings an.Ich gab der Magd einen Groschen, da sie die Schweine woanders einstecke. UnddenTagberbewerkstelligteichauch,dadiePferdeaufrechtstehenkonnten,indem ich die Bretter oben, wenn der Morgen dmmerte, von den Latten abnahm,und abends wieder auflegte. Sie guckten nun, wie Gnse, aus dem Dachvor, undsahensichnachKohlhaasenbrck,odersonst,woesbesserist,um.-Nundenn,fragteKohlhaas,warumalso,inallerWelt,jagtemandichfort?-Herr,ichsagsEuch, versetzte der Knecht, weil man meinerlos sein wollte. Weilsie die Pferde,so lange ich dabei war, nicht zu Grunde richten konnten. berall schnitten sie mir,imHofeundinderGesindestube,widerwrtigeGesichter;undweilichdachte,zieht ihr die Muler, da sie verrenken, so brachen sie die Gelegenheit vom Zau-ne, und warfen mich vom Hofe herunter. - Aber die Veranlassung! riefKohlhaas.Sie werden dochirgend eine Veranlassung gehabt haben! -Oallerdings,antwor-Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 9 von 66tete Herse, und die allergerechteste. Ich nahm, am Abend des zweiten Tages, denichimSchweinekobenzugebracht,diePferde,diesichdarindochzugesudelthatten, und wollte sie zur Schwemme reiten. Und da ich eben unter dem Schloto-re bin, und mich wenden will, hr ich den Vogt und den Verwalter, mit Knechten,HundenundPrgeln,ausderGesindestubehintermirherstrzen,und:halt,denSpitzbuben!rufen:halt,denGalgenstrick!alsobsiebesessenwren.DerTor-wchtertrittmirindenWeg;unddaichihnunddenrasendenHaufen,deraufmich anluft, frage: was auch gibts? was es gibt? antwortete der Schlovogt; undgreift meinen beiden Rappen in den Zgel. Wo will Er hin mit den Pferden? fragter,undpacktmichandieBrust.Ichsage,woichhinwill?Himmeldonner!ZurSchwemme will ich reiten. Denkt Er, da ich -? Zur Schwemme? ruft der Schlo-vogt.Ichwilldich,Gauner,aufderHeerstrae,nachKohlhaasenbrckschwim-menlehren! und schmeit mich,mit einemhmischenMordzug, erundderVer-walter,dermirdasBeingefathat,vomPferdherunter,daichmich,langwieich bin, in den Kot messe. Mord! Hagel! ruf ich, Sielzeug und Decken liegen, undein Bndel Wsche von mir, im Stall; doch er und die Knechte, indessen der Ver-walter die Pferde wegfhrt, mit Fen und Peitschen undPrgelnbermichher,da ich halbtot hinter dem Schlotor niedersinke. Und daich sage: die Raubhun-de!Wo fhren siemir die Pferde hin? undmicherhebe:herausausdemSchlo-hof! schreit der Vogt, und: hetz, Kaiser! hetz, Jger! erschallt es, und: hetz, Spitz!undeineKoppelvonmehrdennzwlfHundenflltbermichher.Draufbrechich, war es eine Latte, ich wei nicht was, vom Zaune, und drei Hunde tot streckichnebenmirnieder;dochdaich,vonjmmerlichenZerfleischungengeqult,weichen mu: Flt! gellt eine Pfeife; die Hunde in den Hof, die Torflgel zusam-men,derRiegelvor:undaufderStraeohnmchtigsinkichnieder.-Kohlhaassagte, bleich im Gesicht, mit erzwungener Schelmerei: hast du auch nicht entwei-chenwollen,Herse?Unddadieser,mitdunklerRte,vorsichniedersah:gestehmirs,sagteer;esgefieldirimSchweinekobennicht;dudachtest,imStallzuKohlhaasenbrckistsdochbesser.-Himmelschlag!riefHerse:SielzeugundDeckenlieichja,undeinenBndelWsche,imSchweinekobenzurck.WrdichdreiReichsgldennichtzumirgesteckthaben,dieich,imrotseidnenHals-tuch,hinterderKrippeversteckthatte?Blitz,HllundTeufel!WennIhrsosprecht, so mcht ich nur gleich den Schwefelfaden, den ich wegwarf, wieder an-znden! Nun, nun! sagte der Rohndler; es war eben nicht bse gemeint! Was dugesagt hast, schau, Wort fr Wort, ich glaub es dir; und das Abendmahl, wenn eszur Sprache kommt, will ich selbst nun darauf nehmen. Es tut mir leid, da es dirin meinen Diensten nicht besser ergangen ist; geh, Herse, geh zu Bett, la dir eineFlasche Wein geben, und trste dich: dir soll Gerechtigkeit widerfahren! Und da-mitstanderauf,fertigteeinVerzeichnisderSachenan,diederGroknechtimSchweinekoben zurckgelassen; spezifizierte den Wert derselben, fragte ihn auch,wiehoch er die Kurkosten anschlage;undlieihn,nachdemerihmnocheinmaldie Hand gereicht, abtreten.Hierauf erzhlte er Lisbeth, seiner Frau, den ganzenVerlaufundinnerenZusam-menhang der Geschichte, erklrte ihr, wie er entschlossen sei, die ffentliche Ge-rechtigkeitfrsichaufzufordern,undhattedieFreude,zusehen,dasieihn,inHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 10 von 66diesemVorsatz,ausvollerSeelebestrkte.Dennsiesagte,danochmancherandreReisende,vielleichtminderduldsam,alser,berjeneBurgziehenwrde;daeseinWerkGotteswre,Unordnungen,gleichdiesen,Einhaltzutun;undda sie die Kosten, dieihm die Fhrung des Prozesses verursachen wrde, schonbeitreiben wolle. Kohlhaas nannte sie ein wackeres Weib, erfreute sich diesen unddenfolgendenTaginihrerundseinerKinderMitte,undbrachsobaldesseineGeschfte irgend zulieen, nach Dresden auf, um seine Klage vor Gericht zu brin-gen.Hier verfate er, mit Hlfe einesRechtsgelehrten,denerkannte,eineBeschwer-de, in welcher er, nach einer umstndlichen Schilderung des Frevels, den der Jun-ker Wenzel von Tronka, an ihm sowohl, als an seinem Knecht Herse, verbt hatte,aufgesetzmigeBestrafungdesselben,WiederherstellungderPferdeindenvo-rigen Stand, und auf Ersatz des Schadens antrug, den er sowohl, alsseinKnecht,dadurcherlittenhatten.DieRechtssachewarinderTatklar.DerUmstand,dadiePferdegesetzwidrigerWeisefestgehaltenwordenwaren,warfeinentschei-dendesLichtaufallesbrige;undselbstwennmanhtteannehmenwollen,dadie Pferde durch einen bloen Zufall erkrankt wren, so wrde die Forderung desRokamms,sieihmgesundwiederzuzustellen,nochgerechtgewesensein.EsfehlteKohlhaasauch,whrendersichinderResidenzumsah,keineswegsanFreunden,dieseineSachelebhaftzuuntersttzenversprachen;derausgebreiteteHandel,denermitPferdentrieb,hatteihmdieBekanntschaft,unddieRedlich-keit, mit welcher er dabei zu Werke ging, ihm das Wohlwollen der bedeutendstenMnnerdesLandesverschafft.ErspeisetebeiseinemAdvokaten,derselbsteinansehnlicherMannwar,mehrereMalheiterzuTisch;legteeineSummeGeldes,zurBestreitungderProzekosten,beiihmnieder;undkehrte,nachVerlaufeini-gerWochen,vlligvondemselbenberdenAusgangseinerRechtssacheberu-higt,zuLisbeth,seinemWeibe,nachKohlhaasenbrckzurck.Gleichwohlver-gingenMonate,unddasJahrwardaran,abzuschlieen,bevorer,vonSachsenaus,auchnureineErklrungberdieKlage,dieerdaselbstanhngiggemachthatte, geschweige denn die Resolution selbst, erhielt. Er fragte, nachdem ermeh-rereMalevonneuembeidemTribunaleingekommenwar,seinenRechtsgehl-fen,ineinemvertrautenBriefe,waseinesobergroeVerzgerungverursache;underfuhr,dadieKlage,aufeinehhereInsinuation,beidemDresdnerGe-richtshofe,gnzlichniedergeschlagenwordensei.-AufdiebefremdeteRck-schrift des Rokamms, worin dies seinen Grund habe, meldete ihm jener: da derJunkerWenzelvonTronkamitzweiJungherren,HinzundKunzvonTronka,verwandtsei,dereneiner,beiderPersondesHerrn,Mundschenk,derandregarKmmerersei.-Er rietihmnoch,ermchte,ohneweitereBemhungenbeiderRechtsinstanz, seiner, auf der Tronkenburg befindlichen, Pferde wieder habhaft zuwerden suchen; gab ihm zu verstehen, da der Junker, der sich jetzt in der Haupt-stadt aufhalte, seine Leute angewiesen zu haben scheine, sie ihm auszuliefern; undschlomitdemGesuch,ihnwenigstens,fallsersichhiermitnichtberuhigenwolle, mit ferneren Auftrgen in dieser Sache zu verschonen.KohlhaasbefandsichumdieseZeitgeradeinBrandenburg,woderStadthaupt-mann,HeinrichvonGeusau,unterdessenRegierungsbezirkKohlhaasenbrckHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 11 von 66gehrte, eben beschftigt war, aus einem betrchtlichen Fonds, der der Stadt zuge-fallenwar,mehrerewohlttigeAnstalten,frKrankeundArme,einzurichten.Besonderswarerbemht,einenmineralischenQuell,deraufeinemDorfinderGegend sprang, und von dessen Heilkrften man sich mehr, als die Zukunft nach-herbewhrte,versprach,frdenGebrauchderPrehafteneinzurichten;unddaKohlhaasihm,wegenmanchenVerkehrs,indemer,zurZeitseinesAufenthaltsam Hofe, mit demselben gestanden hatte, bekannt war, so erlaubte er Hersen, demGroknecht,demeinSchmerzbeimAtemholenberderBrust,seitjenemschlimmenTageaufderTronkenburg,zurckgebliebenwar,dieWirkungderkleinen,mitDachundEinfassungversehenen,Heilquellezuversuchen.Estrafsich, da der Stadthauptmanneben,amRandedesKessels,inwelchenKohlhaasdenHersegelegthatte,gegenwrtigwar,umeinigeAnordnungenzutreffen,alsjener, durch einen Boten, den ihm seine Frau nachschickte, den niederschlagendenBrief seines Rechtsgehlfen aus Dresden empfing. Der Stadthauptmann, der, wh-rend ermit dem Arzte sprach,bemerkte,daKohlhaaseineTrneaufdenBrief,denerbekommenunderffnethatte,fallenlie,nhertesichihm,aufeinefreundliche und herzliche Weise, und fragte ihn, was fr ein Unfallihnbetroffen;unddaderRohndlerihm,ohneihmzuantworten,denBriefberreichte:soklopfte ihm dieser wrdige Mann, dem die abscheuliche Ungerechtigkeit, die manaufderTronkenburganihmverbthatte,undanderenFolgenHerseeben,viel-leichtaufdieLebenszeit,krankdaniederlag,bekanntwar,aufdieSchulter,undsagte ihm: er sollenicht mutlos sein; er werde ihm zu seiner Genugtuungverhel-fen! Am Abend, da sich der Rokamm, seinem Befehl gem, zu ihm aufs Schlobegeben hatte, sagte er ihm, da er nur eine Supplik, mit einer kurzen Darstellungdes Vorfalls, an den Kurfrsten von Brandenburg aufsetzen, den Brief des Advo-katenbeilegen,undwegenderGewaltttigkeit,diemansich,aufschsischemGebiet,gegenihnerlaubt,denlandesherrlichenSchutzaufrufenmchte.Erver-sprachihm,dieBittschrift,untereinemanderenPaket,dasschonbereitliege,indie Hnde desKurfrsten zu bringen, derseinethalbunfehlbar,wennesdieVer-hltnisse zulieen, bei dem Kurfrsten von Sachsen einkommen wrde; und mehrals eines solchen Schrittes bedrfe es nicht, um ihm bei dem Tribunal in Dresden,denKnstendesJunkersundseinesAnhangeszumTrotz,Gerechtigkeitzuver-schaffen. Kohlhaas lebhaft erfreut, dankte dem Stadthauptmann,fr diesen neuenBeweisseinerGewogenheit,aufsherzlichste;sagte,estueihmnurleid,daernicht, ohne irgend Schritte in Dresden zu tun, seine Sache gleich in Berlin anhn-giggemachthabe;undnachdemer,inderSchreibereidesStadtgerichts,dieBe-schwerde, ganz den Forderungen gem, verfat, und dem Stadthauptmann ber-geben hatte, kehrte er, beruhigter ber den Ausgang seiner Geschichte, als je, nachKohlhaasenbrckzurck.Erhatteaberschon,inwenigWochen,denKummer,durch einen Gerichtsherrn, der in Geschften des Stadthauptmannsnach Potsdamging, zu erfahren, da der Kurfrst die Supplik seinem Kanzler, dem Grafen Kall-heim,bergebenhabe,unddadiesernichtunmittelbar,wieeszweckmigschien, bei dem Hofe zu Dresden, um UntersuchungundBestrafungderGewalt-tat, sondern um vorlufige, nhere Information bei dem Junker von Tronka einge-kommensei.DerGerichtsherr,der,vorKohlhaasensWohnung,imWagenhal-Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 12 von 66tend, den Auftrag zu habenschien,demRohndlerdieseErffnungzumachen,konnteihmaufdiebetroffeneFrage:warummanalsoverfahren?keinebefriedi-gendeAuskunftgeben.Erfgtenurnochhinzu:derStadthauptmannlieeihmsagen, er mchte sich in Geduld fassen; schien bedrngt, seine Reise fortzusetzen;understamSchluderkurzenUnterredungerrietKohlhaas,auseinigenhinge-worfenenWorten,daderGrafKallheimmitdemHausederervonTronkaver-schwgertsei.-Kohlhaas,derkeineFreudemehr,wederanseinerPferdezucht,noch an Haus und Hof, kaum an Weib und Kind hatte, durchharrte, in trber Ahn-dungderZukunft,dennchstenMond;undganzseinerErwartunggemkam,nachVerlaufdieserZeit,Herse,demdasBadeinigeLinderungverschaffthatte,vonBrandenburgzurck,miteinem,eingreresReskriptbegleitenden,Schrei-ben des Stadthauptmanns, des Inhalts: es tue ihmleid, da er nichtsin seiner Sa-che tun knne; er schicke ihm eine, anihn ergangene, Resolution der Staatskanz-lei,undrateihm,diePferde,dieerinderTronkenburgzurckgelassen,wiederabfhren,unddieSachebrigensruhenzulassen.-DieResolutionlautete:ersei, nach dem Bericht des Tribunalsin Dresden, ein unntzer Querulant; der Jun-ker, bei demerdiePferdezurckgelassen,halteihmdieselben,aufkeineWeise,zurck; er mchte nach der Burg schicken, und sie holen, oder dem Junker wenig-stenswissenlassen,wohinersieihmsendensolle;dieStaatskanzleiaber,aufjedenFall,mit solchen Plackereien und Stnkereienverschonen.Kohlhaas,demes nicht um diePferdezutunwar-erhttegleichenSchmerzempfunden,wenneseinPaarHundegegoltenhtte-KohlhaasschumtevorWut,alserdiesenBriefempfing.Ersah,sooftsicheinGeruschimHofehrenlie,mitderwi-derwrtigsten Erwartung, die seine Brust jemals bewegt hatte, nach dem Torwege,obdieLeutedesJungherrenerscheinen,undihm,vielleichtgarmiteinerEnt-schuldigung,diePferde,abgehungertundabgehrmt,wiederzustellenwrden;dereinzigeFall,inwelchemseinevonderWeltwohlerzogeneSeele,aufnichtsdas ihrem Gefhl vllig entsprach gefat war. Er hrte aber in kurzer Zeit schon,durcheinenBekannten,derdieStraegereisetwar,dadieGauleaufderTron-kenburg, nach wie vor, den brigen Pferden des Landjunkers gleich, auf dem Fel-de gebrauchtwrden;undmittendurchdenSchmerz,dieWeltineinersounge-heuren Unordnung zu erblicken, zuckte dieinnerliche Zufriedenheit empor, seineeigne Brust nunmehrin Ordnung zu sehen. Er lud einenAmtmann,seinenNach-bar,zusich,derlngstmitdemPlanumgegangenwar,seineBesitzungendurchden Ankauf der, ihre Grenze berhrenden, Grundstcke zu vergrern, und fragteihn, nachdem sich derselbe beiihmniedergelassen, was er fr seine Besitzungen,im Brandenburgischen und im Schsischen, Haus und Hof, in Pausch und Bogen,esseinagelfestodernicht,gebenwolle?Lisbeth,seinWeib,erblatebeidiesenWorten. Sie wandte sich, und hobihr Jngstes auf, dashinterihraufdemBodenspielte, Blicke, in welchen sich der Tod malte, bei den roten Wangen desKnabenvorbei, der mit ihren Halsbndern spielte, auf den Rokamm, und ein Papier wer-fend,daserinderHandhielt.DerAmtmannfragte,indemerihnbefremdetan-sah,wasihnpltzlichaufsosonderbareGedankenbringe;woraufjener,mitsoviel Heiterkeit, als er erzwingen konnte, erwiderte: der Gedanke, seinen Meierhof,andenUfernderHavel,zuverkaufen,seinichtallzuneu;siehttenbeideschonHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 13 von 66oft ber diesen Gegenstand verhandelt; seinHausin der VorstadtinDresdensei,in Vergleich damit, ein bloer Anhang, der nichtin Erwgung komme; und kurz,wenn er ihm seinen Willen tun, und beide Grundstcke bernehmen wolle, so seier bereit, den Kontrakt darber mit ihm abzuschlieen. Er setzte, mit einem etwaserzwungenenScherzhinzu,KohlhaasenbrckseijanichtdieWelt;esknneZwecke geben, in Vergleich mit welchen, seinem Hauswesen, als ein ordentlicherVater,vorzustehen,untergeordnetundnichtswrdigsei;undkurz,seineSeele,msseerihmsagen,seiaufgroeDingegestellt,vonwelchenervielleichtbaldhrenwerde.DerAmtmann,durchdieseWorteberuhigt,sagte,aufeinelustigeArt,zurFrau,diedasKindeinmalberdasanderekte:erwerdedochnichtgleichBezahlungverlangen?legteHutundStock,dieerzwischendenKnieengehalten hatte, auf den Tisch, und nahm das Blatt, das der Rokamm in der Handhielt,umeszudurchlesen.Kohlhaas,indemerdemselbennherrckte,erklrteihm,daeseinvonihmaufgesetztereventuellerinvierWochenverfallenerKaufkontraktsei;zeigteihm,dadarinnichtsfehle,alsdieUnterschriften,unddie Einrckung der Summen, sowohl was den Kaufpreis selbst, als auch den Reu-kauf,d.h.dieLeistungbetreffe,zuderersich,fallserbinnenvierWochenzu-rcktrte, verstehen wolle; und forderte ihn noch einmal munter auf, ein Gebot zutun, indem er ihm versicherte, da er billig sein, und keine groen Umstndema-chen wrde. Die Frau ging in der Stube auf und ab; ihre Brust flog, da das Tuch,anwelchemderKnabegezupfthatte,ihrvlligvonderSchulterherabzufallendrohte. Der Amtmann sagte, da er ja den Wert der Besitzung in Dresden keines-wegsbeurteilenknne;woraufihmKohlhaas,Briefe,diebeiihremAnkaufge-wechseltwordenwaren,hinschiebend,antwortete:daersiezu100Goldgldenanschlage; obschon daraus hervorging, da sie ihm fast um die Hlfte mehr geko-stethatte.DerAmtmann,derdenKaufkontraktnocheinmalberlas,unddarinauch von seiner Seite, auf eine sonderbare Art, die Freiheit stipuliert fand, zurck-zutreten, sagte, schon halbentschlossen: da er ja dieGesttpferde,dieinseinenStllenwren,nichtbrauchenknne;dochdaKohlhaaserwiderte,daerdiePferdeauchgarnichtloszuschlagenwillenssei,unddaeraucheinigeWaffen,dieinderRstkammerhingen,frsichbehaltenwolle,so-zgertejenernochundzgerte,undwiederholteendlicheinGebot,daserihmvorkurzemschoneinmal,halbimScherz,halbimErnst,nichtswrdiggegendenWertderBesit-zung, auf einem Spaziergangegemachthatte.KohlhaasschobihmTinteundFe-der hin, um zu schreiben; und da der Amtmann, der seinen Sinnen nicht traute, ihnnoch einmal gefragt hatte, ob es sein Ernst sei? und der Rokammihm ein wenigempfindlichgeantwortethatte:oberglaube,daerbloseinenScherzmitihmtreibe?sonahmjenerzwar,miteinembedenklichenGesicht,dieFeder,undschrieb;dagegendurchstricherdenPunkt,inwelchemvonderLeistung,fallsdem Verkufer der Handel gereuen sollte,dieRedewar;verpflichtetesichzuei-nemDarlehnvon100Goldglden,aufdieHypothekdesDresdenschenGrund-stcks, das er auf keine Weise kuflich an sichbringen wollte; undlie ihm, bin-nenzweiMonatenvlligeFreiheit,vondemHandelwiederzurckzutreten.DerRokamm,vondiesemVerfahrengerhrt,schttelteihmmitvielerHerzlichkeitdieHand;undnachdemsienoch,welcheseineHauptbedingungwar,bereinge-Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 14 von 66kommenwaren,dadesKaufpreisesvierterTeilunfehlbargleichbar,undderRest,indreiMonaten,inderHamburgerBank,gezahltwerdensollte,riefjenernachWein,umsicheinessoglcklichabgemachtenGeschftszuerfreuen.ErsagteeinerMagd,diemitdenFlaschenhereintrat,Sternbald,derKnecht,solleihm den Fuchs satteln; er msse, gab er an, nach der Hauptstadt reiten, wo er Ver-richtungenhabe;undgabzuverstehen,daerinkurzem,wennerzurckkehre,sichoffenherzigerberdas,waserjetztnochfrsichbehaltenmsse,auslassenwrde.Hierauf,indemerdieGlsereinschenkte,fragteernachdemPolenundTrken,diegeradedamalsmiteinanderimStreitlagen;verwickeltedenAmt-manninmancherlei politische Konjekturendarber;trankihmschllichhieraufnoch einmal das Gedeihen ihres Geschfts zu, und entlie ihn. - Als der AmtmanndasZimmerverlassenhatte,fielLisbethaufKnieenvorihmnieder.Wenndumichirgend,riefsie,michunddieKinder,dieichdirgeborenhabe,indeinemHerzen trgst; wennwirnichtimvorausschon,umwelcherUrsachwillen,weiichnicht,verstoensind:sosagemir,wasdieseentsetzlichenAnstaltenzube-deutenhaben!Kohlhaassagte:liebstesWeib,nichts,dasdichnoch,sowiedieSachenstehn,beunruhigendrfte.IchhabeeineResolutionerhalten,inwelcherman mir sagt, da meine Klage gegen den Junker Wenzel von Tronka eine nichts-nutzigeStnkereisei.UndweilhiereinMiverstndnisobwaltenmu:sohabeich mich entschlossen, meine Klage noch einmal, persnlich bei dem Landesherrnselbst,einzureichen.-WarumwillstdudeinHausverkaufen?riefsie,indemsiemit einer verstrten Gebrde, aufstand. Der Rokamm, indem er sie sanft an seineBrustdrckte,erwiderte:weilichineinemLande,liebsteLisbeth,inwelchemmanmich,inmeinen Rechten, nicht schtzen will,nichtbleibenmag.LiebereinHund sein, wenn ich von Fen getreten werden soll, als ein Mensch! Ich bin ge-wi, da meine Frau hierin so denkt, alsich. -Woherweitdu,fragtejenewild,damandichindeinenRechtennichtschtzenwird?WenndudemHerrnbe-scheiden,wieesdirzukommt,mitdeinerBittschriftnahst:woherweitdu,dasie beiseite geworfen, oder mit Verweigerung, dich zu hren, beantwortet werdenwird? - Wohlan, antwortete Kohlhaas, wennmeine Furcht hierin ungegrndet ist,so ist auchmein Haus nochnicht verkauft. Der Herr selbst, wei ich,ist gerecht;und wenn esmir nur gelingt, durch die, dieihn umringen, bis an seine Personzukommen, so zweifle ich nicht, ich verschaffemir Recht, und kehre frhlich, nochehe die Woche verstreicht, zu dir und meinen alten Geschften zurck. Mcht ichalsdann noch, setzt' er hinzu,indemersiekte,bisandasEndemeinesLebensbeidirverharren!-Dochratsamistes,fuhrerfort,daichmichaufjedenFallgefat mache; und daher wnschte ich, da du dich, auf einige Zeit, wenn es seinkann,entferntest,undmitdenKindernzudeinerMuhmenachSchweringingst,dieduberdieslngsthastbesuchenwollen.-Wie?riefdieHausfrau.Ichsollnach Schwerin gehen? ber die Grenzemit denKindern, zu meiner MuhmenachSchwerin?UnddasEntsetzenerstickteihrdieSprache.-Allerdings,antworteteKohlhaas, und das, wenn es sein kann, gleich, damitichindenSchritten,dieichfrmeineSachetunwill,durchkeineRcksichtengestrtwerde.-O!ichver-stehe dich! riefsie. Dubrauchstjetzt nichtsmehr, alsWaffen und Pferde; allesanderekannnehmen,werwill!Unddamitwandtesiesich,warfsichaufeinenHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 15 von 66Sesselnieder,undweinte.Kohlhaassagtebetroffen:liebsteLisbeth,wasmachstdu? Gott hat mich mit Weib und Kindern und Gtern gesegnet; soll ich heute zumerstenmalwnschen,daesanderswre?-- - Ersetztesichzuihr,dieihm,beidiesenWorten,errtendumdenHalsgefallenwar,freundlichnieder.-Sagmiran, sprach er, indem er ihr die Locken von der Stirne strich: was soll ich tun? Sollichmeine Sache aufgeben? Sollichnach derTronkenburggehen,unddenRitterbitten, da er mir die Pferde wieder gebe,mich aufschwingen, und siedirherrei-ten?-Lisbethwagtenicht:ja!ja!ja!zusagen-sieschttelteweinendmitdemKopf,siedrckteihnheftigansich,undberdecktemitheienKssenseineBrust.Nunalso!riefKohlhaas.Wenndufhlst,damir,fallsichmeinGe-werbe forttreiben soll, Recht werden mu: so gnne mir auch die Freiheit, die mirntigist, esmir zu verschaffen! Und damit stand er auf, und sagtedemKnecht,derihmmeldete,da derFuchsgesatteltstnde:morgenmtenauchdieBrau-neneingeschirrtwerden,umseineFraunachSchwerinzufhren.Lisbethsagte:sie habe einen Einfall! Sie erhob sich, wischte sich die Trnen aus den Augen, undfragteihn, der sich an einem Pult niedergesetzt hatte: ob er ihr dieBittschriftge-ben, und sie, statt seiner, nach Berlin gehen lassen wolle, um sie dem Landesherrnzu berreichen. Kohlhaas, von dieser Wendung, um mehr als einer Ursach willen,gerhrt,zogsieaufseinenSchonieder,undsprach:liebsteFrau,dasistnichtwohlmglich!DerLandesherristvielfachumringt,mancherleiVerdrielichkei-tenistderausgesetzt,derihmnaht.Lisbethversetzte,daesintausendFlleneinerFrauleichtersei,alseinemMann,ihmzunahen.GibmirdieBittschrift,wiederholte sie; und wenn du weiter nichts willst, als sie in seinen Hnden wissen,so verbrgeichmich dafr: er sollsie bekommen! Kohlhaas, dervonihremMutsowohl, als ihrer Klugheit, mancherlei Proben hatte, fragte, wie sie es denn anzu-stellen denke; worauf sie,indem sieverschmt vor sichniedersah, erwiderte: dader Kastellan des kurfrstlichen Schlosses,infrherenZeiten,daerzu Schwerinin Diensten gestanden, um sie geworben habe; da derselbe zwarjetzt verheiratetsei, und mehrere Kinder habe; da sie aber immer noch nicht ganzvergessen w-re; - und kurz, da er es ihr nur berlassen mchte, aus diesem undmanchem an-dern Umstand, der zu beschreiben zu weitlufig wre, Vorteil zu ziehen. KohlhaasktesiemitvielerFreude,sagte,daerihrenVorschlagannhme,belehrtesie,daesweiternichtsbedrfe,alseinerWohnungbeiderFraudesselben,umdenLandesherrn, im Schlosse selbst, anzutreten, gab ihr die Bittschrift, lie die Brau-nen anspannen, und schickte sie mit Sternbald, seinem treuen Knecht, wohleinge-packt ab.Diese Reise war aber von allen erfolglosen Schritten, die erin seiner Sache getanhatte,derallerunglcklichste.DennschonnachwenigenTagenzogSternbaldinden Hof wieder ein, Schritt vor Schritt den Wagen fhrend,in welchem die Frau,mit einer gefhrlichen Quetschung an der Brust, ausgestreckt darnieder lag. Kohl-haas,derbleichandasFuhrwerktrat,konntenichtsZusammenhngendesberdas,wasdiesesUnglckverursachthatte,erfahren.DerKastellanwar,wiederKnechtsagte,nichtzuHausegewesen;manwaralsogentigtworden,ineinemWirtshause, dasin der Nhe des Schlosseslag,abzusteigen;diesWirtshaushatteLisbeth am andern Morgen verlassen, und demKnecht befohlen, bei den PferdenHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 16 von 66zurckzubleiben;undehernicht,alsamAbend,seisie,indiesemZustand,zu-rckgekommen. Es schien, sie hatte sich zu dreist an die PersondesLandesherrnvorgedrngt, und, ohne Verschulden desselben, von dem bloen rohen Eifer einerWache,dieihnumringte,einenSto,mitdemSchafteinerLanze,vordieBrusterhalten.WenigstensberichtetendieLeuteso,diesie,inbewutlosemZustand,gegen Abend in den Gasthof brachten; denn sie selbst konnte, von aus dem MundvorquellendemBlutegehindert,wenigsprechen.DieBittschriftwarihrnachherdurch einen Ritter abgenommen worden. Sternbald sagte, da es sein Wille gewe-sensei,sichgleichaufeinPferdzusetzen,undihmvondiesemunglcklichenVorfall Nachricht zu geben; dochsiehabe,trotzderVorstellungendesherbeige-rufenen Wundarztes, darauf bestanden, ohne alle vorgngige Benachrichtigungen,zuihremMannenachKohlhaasenbrckabgefhrtzuwerden.Kohlhaasbrachtesie, die von der Reise vllig zu Grunde gerichtet worden war, in einBett, wo sie,unterschmerzhaftenBemhungen,Atemzuholen,nocheinigeTagelebte.Manversuchte vergebens, ihr das Bewutsein wieder zu geben, um ber das, was vor-gefallenwar,einigeAufschlssezuerhalten;sielag,mitstarrem,schongebro-chenen Auge, da, und antwortete nicht. Nur kurz vor ihrem Tode kehrteihrnocheinmaldieBesinnungwieder.DenndaeinGeistlicherlutherischerReligion(zuwelchemebendamalsaufkeimendenGlaubensiesich,nachdemBeispielihresMannes, bekannt hatte) neben ihrem Bette stand, und ihrmitlauter und empfind-lich-feierlicher Stimme, einKapitel aus der Bibel vorlas: so sah sieihnpltzlich,miteinemfinsternAusdruck,an,nahmihm,alsobihrdarausnichtsvorzulesenwre,dieBibelausderHand,bltterteundbltterte,undschienetwasdarinzusuchen;undzeigtedemKohlhaas,deranihremBettesa,mitdemZeigefinger,denVers:VergibdeinenFeinden;tuewohlauchdenen,diedichhassen.-SiedrckteihmdabeimiteinemberausseelenvollenBlickdieHand,undstarb.-Kohlhaas dachte: so mge mir Gott nie vergeben, wieich dem Junkervergebe!ktesie,indemihmhufigdieTrnenflossen,drckteihrdieAugenzu,undverliedasGemach.ErnahmdiehundertGoldglden,dieihmderAmtmannschon,frdieStlleinDresden,zugefertigthatte,undbestellteeinLeichenbe-grbnis, das weniger frsie,alsfreineFrstin,angeordnetschien:eineichenerSarg,starkmitMetallbeschlagen,KissenvonSeide,mitgoldnenundsilbernenTroddeln, und ein Grabvon acht Ellen Tiefe,mit FeldsteinengefttertundKalk.Er stand selbst, seinjngstes auf demArm, bei der Gruft, undsahderArbeitzu.Als der Begrbnistag kam, ward dieLeiche,weiwieSchnee,ineinenSaalauf-gestellt, den er mit schwarzem Tuch hatte beschlagen lassen. Der Geistliche hatteebeneinerhrendeRedeanihrerBahrevollendet,alsihmdielandesherrlicheResolution auf die Bittschrift zugestellt ward,welchedieAbgeschiedeneberge-benhatte,desInhalts:ersollediePferdevonderTronkenburgabholen,undbeiStrafe,indasGefngnisgeworfenzuwerden,nichtweiterindieserSacheein-kommen. Kohlhaas steckte den Briefein, undlie den Sarg auf den Wagen brin-gen.SobaldderHgelgeworfen,dasKreuzdaraufgepflanzt,unddieGste,diedieLeichebestattethatten,entlassenwaren,warfersichnocheinmalvorihrem,nunverdetenBettenieder,undbernahmsodanndasGeschftderRache.ErsetztesichniederundverfateeinenRechtsschlu,inwelchemerdenJunkerHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 17 von 66WenzelvonTronka,kraftderihmangebotenenMacht,verdammte,dieRappen,dieerihmabgenommen,undaufdenFeldernzuGrundegerichtet,binnendreiTagen nach Sicht, nach Kohlhaasenbrck zu fhren, und in Person in seinen Stl-lendickzufttern.DiesenSchlusandteerdurcheinenreitendenBotenanihnab, und instruierte denselben, flugs nach bergabe des Papiers, wieder beiihminKohlhaasenbrckzusein.DadiedreiTage,ohneberlieferungderPferde,ver-flossen, so rief er Hersen; erffnete ihm, was er dem Jungherrn, die Dickftterungderselbenanbetreffend,aufgegeben;fragteihnzweierlei,obermitihmnachderTronkenburgreitenunddenJungherrnholen;auch,oberberdenHergeholten,wennerbeiErfllungdesRechtsschlussesindenStllenvonKohlhaasenbrck,faulsei,diePeitschefhrenwolle?unddaHerse,sowieerihnnurverstandenhatte: Herr, heute noch! aufjauchzte, und, indem er die Mtze in die Hhe warf,versicherte: einen Riemen, mit zehn Knoten, um ihm das Striegeln zu lehren, lasseersichflechten!soverkaufteKohlhaasdasHaus,schicktedieKinder,ineinenWagengepackt,berdieGrenze;rief,beiAnbruchderNacht,auchdiebrigenKnechte zusammen, sieben an der Zahl, treu ihm jedweder, wie Gold; bewaffneteund beritt sie, und brach nach der Tronkenburg auf.Er fiel auch, mit diesem kleinen Haufen, schon, beim Einbruch der dritten Nacht,den ZollwrterundTorwchter,dieimGesprchunterdemTorstanden,nieder-reitend, in die Burg, und whrend, unter pltzlicher Aufprasselung aller Barackenim Schloraum, die sie mit Feuer bewarfen, Herse, ber dieWindeltreppe, in denTurmderVogteieilte,unddenSchlovogtundVerwalter,die,halbentkleidet,beim Spiel saen,mitHiebenundStichenberfiel,strzteKohlhaaszumJunkerWenzel ins Schlo. Der Engel des Gerichts fhrt also vom Himmel herab; und derJunker,dereben,untervielemGelchter,demTrojungerFreunde,derbeiihmwar, den Rechtsschlu, den ihm der Rokamm bermacht hatte, vorlas, hatte nichtsobald dessen Stimmeim Schlohof vernommen: als er den Herren schon,pltz-lichleichenbleich:Brder,retteteuch!zurief,undverschwand.Kohlhaas,der,beim Eintritt in den Saal, einen Junker Hans vonTronka,derihmentgegenkam,bei der Brust fate, und in den Winkel des Saals schleuderte, da er sein Hirn andenSteinenversprtzte,fragte,whrenddieKnechtedieanderenRitter,diezuden Waffen gegriffen hatten, berwltigten, und zerstreuten: wo der Junker Wen-zelvonTronkasei?Unddaer,beiderUnwissenheitderbetubtenMnner,dieTren zweier Gemcher, diein die Seitenflgel desSchlossesfhrten,miteinemFutrittsprengte,undinallenRichtungen,indenenerdasweitlufigeGebudedurchkreuzte,niemandenfand,sostiegerfluchendindenSchlohofhinab,umdie Ausgnge besetzen zu lassen. Inzwischen war, vom Feuer der Baracken ergrif-fen, nun schon das Schlo, mit allen Seitengebuden, starken Rauch gen Himmelqualmend,angegangen,undwhrendSternbald,mitdreigeschftigenKnechten,alles, wasnichtniet-undnagelfestwar,zusammenschleppten,undzwischendenPferden,alsguteBeute,umstrzten,flogen,unterdemJubelHersens,ausdenoffenenFensternderVogtei,dieLeichendesSchlovogtsundVerwalters,mitWeib und Kindern, herab. Kohlhaas, dem sich, als er die Treppe vom Schlo nie-derstieg,diealte,vonderGichtgeplagteHaushlterin,diedemJunkerdieWirt-schaftfhrte,zuFenwarf,fragtesie,indemeraufderStufestehenblieb:woHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 18 von 66derJunkerWenzelvonTronkasei?unddasieihm,mitschwacher,zitternderStimme,zurAntwortgab:sieglaube,erhabesichindieKapellegeflchtet;sorief er zwei Knechte mit Fackeln, lie in Ermangelung der Schlssel, den EingangmitBrechstangenundBeilenerffnen,kehrteAltreundBnkeum,undfandgleichwohl, zu seinem grimmigen Schmerz, den Junker nicht. Es traf sich, da einjunger,zumGesindederTronkenburggehrigerKnecht,indemAugenblick,daKohlhaasausderKapellezurckkam,herbeieilte,umauseinemweitlufigen,steinernenStall,dendieFlammebedrohte,dieStreithengstedesJunkersheraus-zuziehen. Kohlhaas, der, in eben diesemAugenblick,in einem kleinen,mit Strohbedeckten Schuppen, seine beiden Rappen erblickte, fragte den Knecht: warum erdieRappennichtrette?unddadieser,indemerdenSchlsselindieStalltrsteckte,antwortete:derSchuppenstehejaschoninFlammen;sowarfKohlhaasden Schlssel,nachdemerihmmit Heftigkeit aus der Stalltre gerissen,berdieMauer,triebdenKnecht,mithageldichten,flachenHiebenderKlinge,indenbrennendenSchuppenhinein,undzwangihn,unterentsetzlichemGelchterderUmstehenden,dieRappenzuretten.Gleichwohl,alsderKnechtschreckenbla,wenigeMomentenachdemderSchuppenhinterihmzusammenstrzte,mitdenPferden,dieeranderHandhielt,daraushervortrat,fanderdenKohlhaasnichtmehr;unddaersichzudenKnechtenaufdenSchloplatzbegab,unddenRo-hndler, der ihmmehreremal den Rcken zukehrte, fragte: was er mit den Tierennun anfangen solle?-hobdieserpltzlich,miteinerfrchterlichenGebrde,denFu, da der Tritt, wenn er ihn getan htte, sein Tod gewesen wre: bestieg, ohneihm zu antworten, seinen Braunen, setzte sich unter das Tor der Burg, und erharr-te, inzwischen die Knechte ihr Wesen forttrieben, schweigend den Tag.AlsderMorgenanbrach,wardasganzeSchlo,bisaufdieMauern,niederge-brannt,undniemandbefandsichmehrdarin,alsKohlhaasundseinesiebenKnechte.ErstiegvomPferde,unduntersuchtenocheinmal,beimhellenScheinderSonne,denganzen,inallenseinenWinkelnjetztvonihrerleuchtetenPlatz,unddaersich,soschweresihmauchward,berzeugenmute,dadieUnter-nehmung auf die Burg fehlgeschlagen war, so schickte er, die Brust voll SchmerzundJammer,HersenmiteinigenKnechtenaus,umberdieRichtung,diederJunkeraufseinerFluchtgenommen,Nachrichteinzuziehen.Besondersbeunru-higte ihn ein reiches Fruleinstift, namens Erlabrunn, das an den Ufern der Muldelag,unddessenbtissin,AntoniavonTronka,alseinefromme,wohlttigeundheiligeFrau,inderGegendbekanntwar;dennesschiendemunglcklichenKohlhaas nur zu wahrscheinlich, da der Junker sich, entblt von aller Notdurft,wieerwar,indiesesStiftgeflchtethatte,indemdiebtissinseineleiblicheTanteunddieErzieherinseinererstenKindheitwar.Kohlhaas,nachdemersichvondiesemUmstandunterrichtethatte,bestiegdenTurmderVogtei,indessenInneremsichnocheinZimmer,zurBewohnungbrauchbar,darbot,undverfateeinsogenanntesKohlhaasischesMandat,worinerdasLandaufforderte,demJunkerWenzelvonTronka,mitdemerineinemgerechtenKriegliege,keinenVorschub zu tun, vielmehr jeden Bewohner, seine Verwandten und Freunde nichtausgenommen,verpflichtete,denselbenbeiStrafeLeibesunddesLebens,undunvermeidlicher Einscherung alles dessen, was ein Besitztum heien mag, an ihnHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 19 von 66auszuliefern.DieseErklrungstreuteer,durchReisendeundFremde,inderGe-gendaus;ja,ergabWaldmann,demKnecht,eineAbschriftdavon,mitdembe-stimmtenAuftrage,sieindieHndederDameAntonianachErlabrunnzubrin-gen.HieraufbesprachereinigeTronkenburgischeKnechte,diemitdemJunkerunzufriedenwaren,undvonderAussichtaufBeutegereizt,inseineDienstezutretenwnschten;bewaffnetesie,nachArtdesFuvolks,mitArmbrstenundDolchen, und lehrte sie, hinter den berittenen Knechten aufsitzen; und nachdem eralles,wasderTrozusammengeschleppthatte,zuGeldgemachtunddasGeldunterdenselbenverteilthatte,ruheteereinigeStunden,unterdemBurgtor,vonseinen jmmerlichen Geschften aus.GegenMittagkamHerseundbesttigteihm,wasihmseinHerz,immeraufdietrbstenAhnungengestellt,schongesagthatte:nmlich,daderJunkerindemStift zu Erlabrunn, bei der alten DameAntonia von Tronka, seiner Tante, befind-lichsei.Esschien,erhattesich,durcheineTr,die,anderhinterenWanddesSchlosses,indieLufthinausging,bereineschmale,steinerneTreppegerettet,die,untereinemkleinenDach,zueinigenKhnenindieElbehinablief.Wenig-stensberichteteHerse,daer,ineinemElbdorf,zumBefremdenderLeute,diewegen des BrandesinderTronkenburgversammeltgewesen,umMitternacht,ineinemNachen,ohneSteuerundRuder,angekommen,undmiteinemDorffuhr-werknachErlabrunnweitergereisetsei.---KohlhaasseufztebeidieserNach-richt tief auf; er fragte, ob die Pferde gefressen htten? und da man ihm antworte-te: ja: so lie er den Haufen aufsitzen, und stand schon in drei Stunden vor Erlab-runn.Eben,unterdemGemurmeleinesentferntenGewittersamHorizont,mitFackeln, die er sichvordemOrtangesteckt,zogermitseinerScharindenKlo-sterhof ein, undWaldmann, der Knecht, der ihmentgegentrat,meldeteihm,dadas Mandat richtig abgegeben sei, als er die btissin und den Stiftsvogt, in einemverstrtenWortwechsel,unterdasPortaldesKlosterstretensah;undwhrendjener,derStiftsvogt,einkleiner,alter,schneeweierMann,grimmigeBlickeaufKohlhaasschieend,sichdenHarnischanlegenlie,unddenKnechten,dieihnumringten,mitdreisterStimmezurief,dieSturmglockezuziehn:tratjene,dieStiftsfrau, das silberne Bildnis des Gekreuzigten in der Hand, bleich, wie Linnen-zeug, von derRampeherab,undwarfsichmitallenihrenJungfrauen,vorKohl-haasens Pferd nieder. Kohlhaas, whrend Herse und Sternbald den Stiftsvogt, derkein Schwert in der Handhatte,berwltigten,undalsGefangenenzwischendiePferdefhrten,fragtesie:woderJunkerWenzelvonTronkasei?unddasie,ei-nengroenRingmitSchlsselnvonihremGurtloslsend:inWittenberg,Kohl-haas, wrdiger Mann! antwortete, und, mit bebender Stimme, hinzusetzte: frchteGott und tue kein Unrecht! - so wandte Kohlhaas, in die Hlle unbefriedigter Ra-che zurckgeschleudert, das Pferd, und war im Begriff: steckt an! zu rufen, als einungeheurerWetterschlag,dichtnebenihm,zurErdeniederfiel.Kohlhaas,indemer sein Pferd zu ihr zurckwandte, fragte sie: ob sie sein Mandat erhalten? und dadieDamemitschwacher,kaumhrbarerStimme,antwortete:ebenjetzt!-Wann? - Zwei Stunden, so wahr mir Gott helfe, nach des Junkers,meines Vet-ters, bereits vollzogenerAbreise! - - - und Waldmann, der Knecht, zu dem Kohl-haas sich, unter finsteren Blicken, umkehrte, stotternd diesen Umstand besttigte,Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 20 von 66indemer sagte, da die Gewsser der Mulde, vom Regengeschwellt,ihnverhin-derthtten,frher,alsebenjetzt,einzutreffen:sosammeltesichKohlhaas;einpltzlich furchtbarer Regengu, der die Fackelnverlschend, auf das Pflaster desPlatzesniederrauschte,lstedenSchmerzinseinerunglcklichenBrust;erwandte, indem er kurz den Hut vor der Dame rckte, sein Pferd, drckte ihm, mitden Worten: folgt mir meine Brder; der Junker ist in Wittenberg! die Sporen ein,und verlie das Stift.Er kehrte, da die Nacht einbrach, in einem Wirtshause auf der Landstrae ein, woer,wegengroerErmdungderPferde,einenTagausruhenmute,unddaerwohl einsah, da er mit einem Haufen von zehn Mann (denn so stark war er jetzt),einemPlatzwieWittenbergwar,nicht trotzenkonnte,soverfateereinzweitesMandat, worin er, nach einer kurzen Erzhlung dessen, was ihm im Lande begeg-net,jedengutenChristen,wieersichausdrckte,unterAngelobungeinesHandgeldsundandererkriegerischenVorteile,aufforderteseineSachegegendenJunkervonTronka,alsdemallgemeinenFeindallerChristen,zuergreifen.In einem anderen Mandat, das bald darauf erschien, nannte er sich: einen Reichs-undWeltfreien,GottalleinunterworfenenHerrn;eineSchwrmereikrankhafterundmigeschaffenerArt,dieihmgleichwohl,beidemKlangseinesGeldesundder Aussicht auf Beute, unter dem Gesindel, das der Friedemit PolenauerBrotgesetzthatte,ZulaufinMengeverschaffte:dergestalt,daerinderTatdreiigundetlicheKpfezhlte,alsersich,zurEinscherungvonWittenberg,aufdierechteSeitederElbezurckbegab.Erlagertesich,mitPferdenundKnechten,unterdemDacheeineraltenverfallenenZiegelscheune,inderEinsamkeiteinesfinsteren Waldes, der damals diesen Platz umschlo, und hatte nicht sobald durchSternbald, den er, mit dem Mandat, verkleidet in die Stadt schickte, erfahren, dadas Mandat daselbst schon bekanntsei,alserauchmitseinenHaufenschon,amheiligen Abend vor Pfingsten, aufbrach, und den Platz, whrend die Bewohner imtiefsten Schlaf lagen, an mehreren Ecken zugleich, in Brand steckte. Dabei klebteer,whrenddieKnechteinderVorstadtplnderten,einBlattandenTrpfeilereiner Kirche an, des Inhalts: er, Kohlhaas, habe die Stadt in Brand gesteckt, undwerdesie,wennmanihmdenJunkernichtausliefere,dergestalteinschern,daer, wie er sich ausdrckte, hinter keiner Wand werde zu sehen brauchen, um ihnzufinden.-DasEntsetzenderEinwohner,berdiesenunerhrtenFrevel,warunbeschreiblich;unddieFlamme,diebeieinerzumGlckziemlichruhigenSommernacht,zwarnichtmehralsneunzehnHuser,woruntergleichwohleineKirche war, in den Grundgelegthatte,warnichtsobald,gegenAnbruchdesTa-ges, einigermaen gedmpft worden, als der alte Landvogt, Otto von Gorgas, be-reitseinFhnleinvonfunfzigMannaussandte,umdenentsetzlichenWterichaufzuheben.DerHauptmannaber,deresfhrte,namensGerstenberg,benahmsich so schlecht dabei, da die ganze Expedition Kohlhaasen, statt ihn zu strzen,vielmehr zu einemhchst gefhrlichen kriegerischen Ruhmverhalf; denn dadie-ser Kriegsmann sich in mehrere Abteilungen auflsete, umihn, wie ermeinte, zuumzingelnundzuerdrcken,wardervonKohlhaas,derseinenHaufenzusam-menhielt,aufvereinzeltenPunkten,angegriffenundgeschlagen,dergestalt,daschon,amAbenddesnchstfolgendenTages,keinMannmehrvondemganzenHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 21 von 66Haufen,aufdendieHoffnungdesLandesgerichtetwar,gegenihmimFeldestand.Kohlhaas,derdurchdieseGefechteeinigeLeuteeingebthatte,stecktedie Stadt, am Morgen des nchsten Tages, von neuem in Brand, und seine mrde-rischenAnstaltenwarensogut,dawiederumeineMengeHuser,undfastalleScheunen der Vorstadt, in die Asche gelegt wurden. Dabei plackte er das bewuteMandatwieder,undzwarandieEckendesRathausesselbst,an,undfgteeineNachricht ber das Schicksal des, von dem Landvogt abgeschickten und vonihmzu Grunde gerichteten, Hauptmanns von Gerstenberg bei. Der Landvogt, von die-sem Trotz aufs uersteentrstet,setztesichselbst,mitmehrerenRittern,andieSpitze eines Haufensvon hundert undfunfzigMann.ErgabdemJunkerWenzelvon Tronka, auf seine schriftliche Bitte, eineWache, dieihn vor der Gewaltttig-keit des Volks, das ihn platterdings aus der Stadt entfernt wissen wollte, schtzte;undnachdemer,aufallenDrferninderGegend,Wachenausgestellt,auchdieRingmauerderStadt,umsievoreinemberfallzudecken,mitPostenbesetzthatte, zog er, am Tage des heiligen Gervasius, selbst aus, um den Drachen, der dasLandverwstete,zufangen.DiesenHaufenwarderRokammkluggenug,zuvermeiden;undnachdemerdenLandvogt,durchgeschickteMrsche,fnfMei-lenvon der Stadt hinweggelockt, und vermitteltet mehrerer Anstalten, dieertraf,zu dem Wahn verleitet hatte, da er sich, von der bermacht gedrngt,insBran-denburgischewerfenwrde:wandteersichpltzlich,beimEinbruchderdrittenNacht, kehrte, in einem Gewaltritt, nach Wittenberg zurck, und steckte die StadtzumdrittenmalinBrand.Herse,dersichverkleidetindieStadtschlich,fhrtedieses entsetzliche Kunststck aus; und die Feuersbrunst war, wegen eines scharfwehendenNordwindes,soverderblichundumsichfressend,da,inwenigeralsdrei Stunden, zwei und vierzig Huser, zwei Kirchen,mehrereKlster und Schu-len,unddasGebudederkurfrstlichenLandvogteiselbst,inSchuttundAschelagen.DerLandvogt,derseinenGegner,beimAnbruchdesTages,imBranden-burgischenglaubte,fand,alservondem,wasvorgefallen,benachrichtigt,inbe-strztenMrschenzurckkehrte,dieStadtinallgemeinemAufruhr;dasVolkhattesichzuTausendenvordem,mitBalkenundPfhlenversammelten,HausedesJunkersgelagert,undforderte,mitrasendemGeschrei,seineAbfhrungausder Stadt. Zwei Brgermeister, namens Jenkens und Otto, dieinAmtskleidern anderSpitzedesganzenMagistratsgegenwrtigwaren,bewiesenvergebens,damanplatterdingsdieRckkehreinesEilbotenabwartenmsse,denmanwegenErlaubnisdenJunkernachDresdenbringenzudrfen,wohinerselbstausman-cherleiGrndenabzugehenwnsche,andenPrsidentenderStaatskanzleige-schickt habe; der unvernnftige, mit Spieen und Stangen bewaffnete Haufen gabaufdieseWortenichts,undebenwarman,unterMihandlungeinigerzukrfti-gen Maregeln auffordernden Rte, im Begriff das Haus worin der Junker war zustrmen,undderErdegleichzumachen,alsderLandvogt,OttovonGorgas,anderSpitzeseinesReuterhaufens,inderStadterschien.DiesemwrdigenHerrn,der schon durch seine bloe Gegenwart dem Volk Ehrfurcht und Gehorsam einzu-flen gewohnt war, war es, gleichsam zum Ersatz fr die fehlgeschlagene Unter-nehmung,vonwelchererzurckkam,gelungen,dichtvordenTorenderStadtdreizersprengteKnechtevonderBandedesMordbrennersaufzufangen;unddaHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 22 von 66er,inzwischendieKerlevordemAngesichtdesVolksmitKettenbelastetwur-den, den Magistrat in einer klugen Anrede versicherte, den Kohlhaas selbst denkeer in kurzem, indem er ihm auf die Spur sei, gefesselt einzubringen: so glckte esihm, durch die Kraft aller dieser beschwichtigenden Umstnde, die Angst des ver-sammeltenVolkszuentwaffnen,undberdieAnwesenheitdesJunkers,biszurZurckkunftdesEilbotenausDresden,einigermaenzuberuhigen.Erstieg,inBegleitungeinigerRitter,vomPferde,undverfgtesich,nachWegrumungderPalisadenundPfhle,indasHaus,woerdenJunker,derauseinerOhnmachtindieanderefiel,unterdenHndenzweierrztefand,dieihnmitEssenzenundIrritanzenwiederinsLebenzurckzubringensuchten;unddaHerrOttovonGorgaswohlfhlte,dadiesderAugenblicknichtwar,wegenderAuffhrung,dieersichzuSchuldenkommenlasse,Wortemitihmzuwechseln:sosagteerihmblo, mit einem Blick stiller Verachtung, daersichankleiden,undihm,zuseiner eigenen Sicherheit, in die Gemcher der Ritterhaft folgen mchte. AlsmandemJunkereinWamsangelegt,undeinenHelmaufgesetzthatte,under,dieBrust, wegen Mangels an Luft, noch halb offen, amArmdesLandvogtsundsei-nes Schwagers, des Grafen von Gerschau, auf der Strae erschien, stiegen gottes-lsterlicheundentsetzlicheVerwnschungengegenihnzumHimmelauf.DasVolk, von den Landsknechten nur mhsam zurckgehalten, nannte ihn einen Blut-igel, einen elenden Landplager und Menschenquler, den Fluch der Stadt Witten-berg, und das Verderben von Sachsen; und nach einemjmmerlichen Zuge durchdieinTrmmernliegendeStadt,whrendwelchemermehreremal,ohneihnzuvermissen,denHelmverlor,denihmeinRittervonhintenwiederaufsetzte,er-reichte man endlich das Gefngnis, wo er in einem Turm, unter dem Schutz einerstarkenWache,verschwand.MittlerweilesetztedieRckkehrdesEilboten,mitder kurfrstlichen Resolution, die Stadt in neue Besorgnis. Denn die Landesregie-rung,beiwelcherdieBrgerschaftvonDresden,ineinerdringendenSupplik,unmittelbar eingekommen war, wollte, vor berwltigung des Mordbrenners, vondem Aufenthalt des Junkers in der Residenz nichts wissen; vielmehr verpflichtetesiedenLandvogt,denselbenda,woersei,weilerirgendwoseinmsse,mitderMacht,dieihmzuGebotestehe,zubeschirmen:wogegensiedergutenStadtWittenberg,zuihrerBeruhigung,meldete,dabereitseinHeerhaufenvonfnf-hundert Mann, unter Anfhrung des Prinzen Friedrich von Meien im Anzuge sei,umsievordenfernerenBelstigungendesselbenzubeschtzen.DerLandvogt,der wohl einsah, da eine Resolution dieser Art, das Volk keinesweges beruhigenkonnte: denn nicht nur, da mehrerekleineVorteile,diederRohndler,anver-schiedenenPunkten,vorderStadterfochten,berdieStrke,zudererherange-wachsen,uerstunangenehmeGerchteverbreiteten;derKrieg,dener,inderFinsternisderNacht,durchverkleidetesGesindel,mitPech,StrohundSchwefelfhrte,htte,unerhrtundbeispiellos,wieerwar,selbsteinengrerenSchutz,alsmitwelchemderPrinzvonMeienheranrckte,unwirksammachenknnen:derLandvogt,nacheinerkurzenberlegung,entschlosich,dieResolution,dieer empfangen, ganz und gar zu unterdrcken. Er plackte blo einen Brief,in wel-chemihmderPrinzvonMeienseineAnkunftmeldete,andieEckenderStadtan; einverdeckter Wagen, der, beimAnbruch des Tages, aus demHofedesHer-Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 23 von 66renzwingerskam,fuhr,vonvierschwerbewaffnetenReuternbegleitet,aufdieStrae nach Leipzig hinaus, wobei die Reuter, auf eine unbestimmte Art verlautenlieen,daesnachderPleienburggehe;unddadasVolkberdenheillosenJunker,andessenDaseinFeuerundSchwertgebunden,dergestaltbeschwichtigtwar,bracherselbst,miteinemHaufenvondreihundertMann,auf,umsichmitdem Prinzen Friedrich von Meien zu vereinigen. Inzwischen war Kohlhaas in derTat,durchdiesonderbareStellung,dieerinderWelteinnahm,aufhundertundneunKpfeherangewachsen;unddaerauchinJasseneinenVorratanWaffenaufgetrieben,undseineSchar,aufdasvollstndigste,damitausgerstethatte:sofate er, von dem doppelten Ungewitter, das auf ihn heranzog, benachrichtigt, denEntschlu, demselben,mit der Schnelligkeit des Sturmwinds, ehe es berihnzu-sammenschlge, zu begegnen. Demnach griff erschon,Tagsdarauf,denPrinzenvonMeien,ineinemnchtlichenberfall,beiMhlbergan;beiwelchemGe-fechte er zwar, zu seinem groen Leidwesen, den Herse einbte, der gleich durchdie ersten Schsse an seiner Seite zusammenstrzte: durch diesen Verlust erbittertaber,ineinemdreiStundenlangenKampfe,denPrinzen,unfhigsichindemFleckenzusammeln,sozurichtete,daerbeimAnbruchdesTages,mehrererschwerenWunden,undeinergnzlichenUnordnungseinesHaufenswegen,ge-ntigt war, den Rckweg nach Dresden einzuschlagen. Durch diesen Vorteil toll-khn gemacht, wandteersich,ehederselbenochdavonunterrichtetseinkonnte,zu dem Landvogt zurck, fiel ihn bei dem Dorfe Damerow, am hellen Mittag, auffreiem Felde an, und schlug sich, unter mrderischem Verlust zwar, aber mit glei-chen Vorteilen, bis in die sinkende Nacht mit ihm herum. Ja, er wrde den Land-vogt,dersichindenKirchhofzuDamerowgeworfenhatte,amandernMorgenunfehlbarmit dem Rest seines Haufens wiederangegriffenhaben,wennderselbenicht durch Kundschafter von der Niederlage, die der Prinz bei Mhlberg erlitten,benachrichtigt worden wre, und somit fr ratsamer gehalten htte, gleichfalls, bisaufeinenbesserenZeitpunkt,nachWittenbergzurckzukehren.FnfTage,nachZersprengung dieser beiden Haufen, stand er vor Leipzig, und steckte die Stadt andrei Seiten in Brand. - Er nannte sichin dem Mandat, das er, bei dieser Gelegen-heit, ausstreute, einen Statthalter Michaels, des Erzengels, der gekommen sei, anallen, die in dieser Streitsache des Junkers Partei ergreifen wrden, mit Feuer undSchwert, die Arglist, in welcher die ganze Weltversunken sei, zu bestrafen. Da-beiriefer,vondemLtznerSchloaus,daserberrumpelt,undworinersichfestgesetzthatte,dasVolkauf,sichzurErrichtungeinerbesserenOrdnungderDinge, an ihn anzuschlieen; und das Mandat war, mit einer Art von Verrckung,unterzeichnet: Gegeben auf dem Sitz unserer provisorischen Weltregierung, demErzschlossezuLtzen.DasGlckderEinwohnervonLeipzigwollte,dadasFeuer, wegen eines anhaltenden Regens der vom Himmel fiel, nicht um sich griff,dergestalt,dabeiderSchnelligkeitderbestehendenLschanstalten,nureinigeKramlden,dieumdiePleienburglagen,inFlammenaufloderten.Gleichwohlwar die Bestrzung in der Stadt, ber das Dasein des rasenden Mordbrenners, unddenWahn,inwelchemderselbestand,daderJunkerinLeipzigsei,unaus-sprechlich; und da ein Haufen vonhundertundachtzigReisigen,denmangegenihnausschickte,zersprengtindieStadtzurckkam:sobliebdemMagistrat,derHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 24 von 66den Reichtum der Stadt nicht aussetzen wollte, nichts anderes brig,alsdieToregnzlich zu sperren, und die Brgerschaft Tag und Nacht, auerhalb der Mauern,wachen zu lassen. Vergebens lie der Magistrat, auf den Drfern der umliegendenGegend,Deklarationenanheften,mitderbestimmtenVersicherung,daderJun-kernichtinderPleienburgsei;derRokamm,inhnlichenBlttern,bestanddarauf, da er in der Pleienburg sei, und erklrte, da, wenn derselbe nicht darinbefindlich wre, er mindestens verfahren wrde, als ob er darin wre, bis man ihmden Ort, mit Namen genannt, werde angezeigt haben, worin er befindlich sei. DerKurfrst,durcheinenEilboten,vonderNot,inwelchersichdieStadtLeipzigbefand, benachrichtigt, erklrte, da er bereits einen Heerhaufenvon zweitausendMannzusammenzge,undsichselbstandessenSpitzesetzenwrde,umdenKohlhaas zu fangen. Er erteilte dem Herrn Otto von Gorgas einen schweren Ver-weis,wegenderzweideutigenundunberlegtenList,dieerangewendet,umdesMordbrennersausderGegendvonWittenbergloszuwerden;undniemandbe-schreibt die Verwirrung, die ganz Sachsen undinsbesondere die Residenz ergriff,alsmandaselbsterfuhr,da,aufdenDrfernbeiLeipzig,manwutenichtvonwem,eineDeklarationandenKohlhaasangeschlagenwordensei,desInhalts:Wenzel, der Junker, befinde sich bei seinen Vettern Hinz und Kunz, in Dresden.UnterdiesenUmstndenbernahmderDoktorMartinLutherdasGeschft,denKohlhaas,durchdieKraftbeschwichtigenderWorte,vondemAnsehn,dasihmseine Stellungin derWeltgab,untersttzt,indenDammdermenschlichenOrd-nung zurckzudrcken, und auf ein tchtiges Element in der Brust des Mordbren-ners bauend, erlie er ein Plakat folgenden Inhalts an ihn, das in allen Stdten undFlecken des Kurfrstentums angeschlagen ward:Kohlhaas, der du dich gesandt zu sein vorgibst, das Schwert der Gerechtigkeit zuhandhaben,wasunterfngstdudich,Vermessener,imWahnsinnstockblinderLeidenschaft,du,denUngerechtigkeitselbst,vomWirbelbiszurSohleerfllt?WeilderLandesherrdir,demduuntertanbist,deinRechtverweigerthat,deinRechtindemStreitumeinnichtigesGut,erhebstdudich,Heilloser,mitFeuerundSchwert,undbrichst,wiederWolfderWste,indiefriedlicheGemeinheit,die er beschirmt. Du, der die Menschen mit dieser Angabe, voll UnwahrhaftigkeitundArglist,verfhrt:meinstdu,Snder,vorGottdereinst,andemTage,derindie Falten aller Herzen scheinen wird, damit auszukommen? Wie kannst du sagen,da dir dein Recht verweigert worden ist, du, dessen grimmige Brust, vomKitzelschnderSelbstrachegereizt,nachdenersten,leichtfertigenVersuchen,diedirgescheitert,dieBemhunggnzlichaufgegebenhat,esdirzuverschaffen?Isteine Bankvoll Gerichtsdienern und Schergen, die einen Brief, der gebracht wird,unterschlagen,odereinErkenntnis,dassieabliefernsollen,zurckhalten,deineObrigkeit? Und mu ich dir sagen, Gottvergessener, da deine Obrigkeit von dei-ner Sache nichts wei - was sag ich? da der Landesherr, gegen den du dich auf-lehnst, auch deinen Namen nicht kennt, dergestalt, da wenn dereinst du vor Got-tes Thron trittst, in der Meinung, ihn anzuklagen, er, heiteren Antlitzes, wird spre-chen knnen: diesem Mann, Herr, tat ich kein Unrecht, denn sein Daseinistmei-nerSeelefremd?DasSchwert,wisse,dasdufhrst,istdasSchwertdesRaubesund der Mordlust, einRebellbistduundkeinKriegerdesgerechtenGottes,undHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 25 von 66dein Ziel auf Erden ist Rad und Galgen, und jenseits die Verdammnis, die ber dieMissetat und die Gottlosigkeit verhngt ist.Wittenberg, usw.Martin Luther.Kohlhaaswlzteeben,aufdemSchlossezuLtzen,einenneuenPlan,Leipzigeinzuschern,inseinerzerrissenenBrustherum:-dennaufdie,indenDrfernangeschlageneNachricht,daderJunkerWenzelinDresdensei,gabernichts,weil sie von niemand, geschweige denn vom Magistrat, wie er verlangt hatte, un-terschrieben war: - als Sternbald und Waldmann das Plakat, das, zur Nachtzeit, andenTorwegdesSchlosses,angeschlagenwordenwar,zuihrergroenBestr-zung, bemerkten. Vergebens hofften sie, durchmehrereTage,daKohlhaas,densienichtgerndeshalbantretenwollten,eserblickenwrde;finsterundinsichgekehrt, in der Abendstunde erschien er zwar, aber blo, um seine kurzen Befehlezugeben,undsahnichts:dergestalt,dasieaneinemMorgen,daereinpaarKnechte,dieinderGegend,widerseinenWillen,geplnderthatten,aufknpfenlassen wollte, den Entschlu faten, ihn darauf aufmerksam zu machen. Eben kamer, whrend das Volk von beiden Seiten schchtern auswich, in dem Aufzuge, derihm, seit seinem letzten Mandat, gewhnlich war, von dem Richtplatz zurck, eingroes Cherubsschwert, auf einem rotledernen Kissen, mit Quasten von Gold ver-ziert, ward ihm vorangetragen, und zwlfKnechte, mit brennenden Fackelnfolg-tenihm,datratendiebeidenMnner,ihreSchwerterunterdemArm,so,daesihn befremden mute, um den Pfeiler, an welchen das Plakat angeheftet war, her-um. Kohlhaas, als er, mit auf dem Rcken zusammengelegten Hnden,in Gedan-kenvertieft,unterdasPortalkam,schlugdieAugenaufundstutzte;unddadieKnechte, beiseinemAnblick,ehrerbietigauswichen:sotrater,indemersiezer-streutansah,miteinigenraschenSchritten,andenPfeilerheran.Aberwerbe-schreibt, was in seiner Seele vorging, als er das Blatt, dessen Inhalt ihn der Unge-rechtigkeitzieh,daranerblickte:unterzeichnetvondemteuerstenundvereh-rungswrdigstenNamen,denerkannte,vondemNamenMartinLuthers!EinedunkleRtestieginseinAntlitzempor;erdurchlases,indemerdenHelmab-nahm,zweimalvonAnfangbiszuEnde;wandtesich,mitungewissenBlicken,mittenunterdieKnechtezurck,alsoberetwassagenwollte,undsagtenichts;lstedasBlattvonderWandlos,durchlasesnocheinmal;undrief:Waldmann!lamirmeinPferdsatteln!sodann:Sternbald!folgemirinsSchlo!undver-schwand. Mehr als dieser wenigen Worte bedurfte es nicht, um ihn, in der ganzenVerderblichkeit,indererdastand,pltzlichzuentwaffnen.ErwarfsichindieVerkleidung eines thringischen Landpchters; sagte Sternbald, da ein Geschft,von bedeutender Wichtigkeit, ihn nach Wittenberg zu reisen ntige; bergabihm,inGegenwarteinigerdervorzglichstenKnechte,dieAnfhrungdesinLtzenzurckbleibenden Haufens; und zog, unter der Versicherung, da er in drei Tagen,binnen welcher Zeit kein Angriff zu frchten sei, wieder zurck sein werde, nachWittenberg ab.Erkehrte,untereinemfremdenNamen,ineinWirtshausein,woer,sobalddieNacht angebrochen war, in seinem Mantel, und mit einem Paar Pistolen versehen,die erin der Tronkenburg erbeutet hatte, zu Luthernins Zimmertrat.Luther,derHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 26 von 66unterSchriftenundBchernanseinemPultesa,unddenfremden,besonderenManndieTrffnenundhintersichverriegelnsah,fragteihn:werersei?undwaserwolle?undderMann,derseinenHutehrerbietiginderHandhielt,hattenicht sobald, mit dem schchternen Vorgefhl des Schreckens, den er verursachenwrde, erwidert: da er MichaelKohlhaas, der Rohndlersei;alsLutherschon:weichefern hinweg! ausrief,undindemer,vomPulterstehend,nacheinerKlin-geleilte,hinzusetzte:deinOdemistPestunddeineNheVerderben!Kohlhaas,indemer,ohnesichvomPlatzzuregen,seinPistolzog,sagte:HochwrdigerHerr, dies Pistol, wennIhrdieKlingelrhrt,strecktmichlebloszuEurenFennieder!SetztEuchundhrtmichan;unterdenEngeln,derenPsalmenIhrauf-schreibt,seidIhrnichtsicherer,alsbeimir.Luther,indemersichniedersetzte,fragte:waswillstdu?Kohlhaaserwiderte:EureMeinungvonmir,daicheinungerechter Mann sei, widerlegen! Ihr habt mirin Eurem Plakat gesagt, da mei-ne Obrigkeit vonmeiner Sache nichtswei:wohlan,verschafftmirfreiesGeleit,sogeheichnachDresden,undlegesieihrvor.-HeilloserundentsetzlicherMann!riefLuther,durchdieseWorteverwirrtzugleichundberuhigt:wergabdir das Recht, den Junker von Tronka, in Verfolg eigenmchtiger Rechtsschlsse,zu berfallen,unddaduihnaufseinerBurgnichtfandstmitFeuerundSchwertdieganzeGemeinschaftheimzusuchen,dieihnbeschirmt?Kohlhaaserwiderte:hochwrdiger Herr, niemand,fortan! Eine Nachricht, dieich aus Dresden erhielt,hatmichgetuscht,michverfhrt!DerKrieg,denichmitderGemeinheitderMenschen fhre, ist eine Missetat, sobald ich aus ihr nicht, wie Ihrmir die Versi-cherung gegeben habt, verstoen war! Verstoen! rief Luther, indem er ihn ansah.WelcheineRasereiderGedankenergriffdich?WerhttedichausderGemein-schaftdesStaats,inwelchemdulebtest,verstoen?Ja,woist,solangeStaatenbestehen, ein Fall, da jemand, wer es auch sei, daraus verstoen worden wre? -Verstoen, antwortete Kohlhaas, indem er die Hand zusammendrckte, nenneichden, dem der Schutz der Gesetze versagt ist! Denn dieses Schutzes, zum GedeihenmeinesfriedlichenGewerbes,bedarfich;ja,eristes,dessenhalbichmich,mitdem Kreis dessen, wasich erworben,in diese Gemeinschaftflchte; und wermirihnversagt,dersttmichzudenWildenderEindehinaus;ergibtmir,wiewolltIhrdasleugnen,dieKeule,diemichselbstschtzt,indieHand.-WerhatdirdenSchutzderGesetzeversagt?riefLuther.Schriebichdirnicht,dadieKlage,diedueingereicht,demLandesherrn,demdusieeingereicht,fremdist?WennStaatsdienerhinterseinemRckenProzesseunterschlagen,odersonstsei-nes geheiligten Namens, in seiner Unwissenheit, spotten; wer anders als Gott darfihn wegen der Wahl solcher Diener zur Rechenschaft ziehen, und bist du, gottver-dammterundentsetzlicherMensch,befugt,ihndeshalbzurichten?-Wohlan,versetzteKohlhaas,wennmichderLandesherrnichtverstt,sokehreichauchwieder in die Gemeinschaft, die er beschirmt, zurck. Verschafft mir,ich wieder-hol es, freies Geleit nach Dresden: so lasse ich den Haufen, den ich im Schlo zuLtzenversammelt,auseinandergehen,undbringedieKlage,mitderichabge-wiesenwordenbin,nocheinmalbeidemTribunaldesLandesvor.-Luther,miteinem verdrielichen Gesicht, warf die Papiere, die auf seinem Tisch lagen, ber-einander, und schwieg. Die trotzige Stellung, die dieser seltsame Mensch im StaatHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 27 von 66einnahm,verdroihn;unddenRechtsschlu,dener,vonKohlhaasenbrckaus,andenJunkererlassen,erwgend,fragteer:waserdennvondemTribunalzuDresdenverlange?Kohlhaasantwortete:BestrafungdesJunkers,denGesetzengem;Wiederherstellung der Pferdein denvorigen Stand; und Ersatz des Scha-dens,denichsowohl,alsmeinbeiMhlberggefallenerKnechtHerse,durchdieGewalttat,diemananunsverbte,erlitten.-Lutherrief:ErsatzdesSchadens!Summen zu Tausenden, bei Juden und Christen, auf Wechseln und Pfndern, hastdu, zur Bestreitung deiner wilden Selbstrache,aufgenommen.WirstdudenWertauch, auf der Rechnung, wenn es zur Nachfrage kommt, ansetzen? - Gott behte!erwiderte Kohlhaas. Haus und Hof, und den Wohlstand, den ich besessen, fordereich nicht zurck; so wenig als dieKosten des Begrbnissesmeiner Frau! HersensalteMutterwirdeineBerechnungderHeilkosten,undeineSpezifikationdessen,was ihr Sohn in der Tronkenburg eingebt, beibringen; und den Schaden, den ichwegenNichtverkaufsderRappenerlitten,magdieRegierungdurcheinenSach-verstndigen abschtzen lassen. - Luther sagte: rasender, unbegreiflicher und ent-setzlicherMensch!undsahihnan.NachdemdeinSchwertsich,andemJunker,Rache, die grimmigste, genommen, die sich erdenken lt: was treibt dich, auf einErkenntnisgegenihnzubestehen,dessenSchrfe,wenneszuletztfllt,ihnmiteinemGewichtvonsogeringerErheblichkeitnurtrifft?-Kohlhaaserwiderte,indemihmeineTrneberdieWangenrollte:hochwrdigerHerr!eshatmichmeine Frau gekostet; Kohlhaas will der Welt zeigen, da sie in keinem ungerech-tenHandelumgekommenist.FgtEuchindiesenStckenmeinemWillen,undlat den Gerichtshof sprechen; in allem anderen, was sonst noch streitig sein mag,fgeichmichEuch.-Luthersagte:schauher,wasduforderst,wennandersdieUmstnde so sind, wie die ffentliche Stimmehrenlt, istgerecht;undhttestdu den Streit, bevor du eigenmchtigzurSelbstrachegeschritten,zudesLandes-herrnEntscheidungzubringengewut,sowredirdeineForderung,zweifleichnicht, Punkt vor Punkt bewilligt worden. Doch httest dunicht,alleswohlerwo-gen, besser getan, du httest, um deines Erlsers willen, dem Junker vergeben, dieRappen, drre und abgehrmt, wie sie waren, bei der Hand genommen,dichauf-gesetzt,undzurDickftterungindeinenStallnachKohlhaasenbrckheimgerit-ten? - Kohlhaas antwortete: kann sein!indemer ansFenster trat: kannsein,auchnicht! Htte ich gewut, da ich siemit Blut aus dem Herzenmeinerlieben FrauwrdeaufdieBeinebringenmssen:kannsein,ichhttegetan,wieIhrgesagt,hochwrdigerHerr,undeinenScheffelHafernichtgescheut!Doch,weilsiemireinmalsoteuerzustehengekommensind,sohabeesdenn,meineich,seinenLauf: lat das Erkenntnis, wie es mir zukmmt, sprechen, und den Junker mir dieRappen auffttern. - - Luther sagte, indem er, unter mancherlei Gedanken, wiederzu seinen Papieren griff: er wolle mit demKurfrsten seinethalbenin Unterhand-lungtreten.Inzwischenmchteersich,aufdemSchlossezuLtzen,stillhalten;wennderHerrihmfreiesGeleitbewillige,sowerdemanesihmaufdemWegeffentlicherAnplackungbekanntmachen.-Zwar,fuhrerfort,daKohlhaassichherabbog,umseineHandzukssen:obderKurfrstGnadefrRechtergehenlassenwird,weiichnicht;denneinenHeerhaufen,vernehmich,zogerzusam-men,undstehtimBegriff,dichimSchlossezuLtzenaufzuheben:inzwischen,Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 28 von 66wie ich dir schon gesagt habe, anmeinemBemhensoll es nichtliegen. Und da-mit stand er auf, und machte Anstalt, ihn zu entlassen. Kohlhaas meinte, da seineFrsprache ihn ber diesen Punkt vllig beruhige; worauf Luther ihn mit der Handgrte, jener aber pltzlich ein Knie vor ihm senkte und sprach: er habe noch eineBitte auf seinem Herzen. Zu Pfingstennmlich, wo er an den Tisch des Herrn zugehenpflege,habeerdieKirche,dieserseinerkriegerischenUnternehmungenwegen, versumt; ob er die Gewogenheit haben wolle, ohne weitere Vorbereitung,seineBeichtezuempfangen,undihm,zurAuswechselungdagegen,dieWohltatdes heiligen Sakraments zu erteilen? Luther, nach einer kurzen Besinnung, indemerihnscharfansah,sagte:ja,Kohlhaas,daswillichtun!DerHerraber,dessenLeib du begehrst, vergab seinem Feind. - Willst du, setzte er, da jener ihn betretenansah,hinzu,demJunker,derdichbeleidigthat,gleichfallsvergeben:nachderTronkenburg gehen, dich auf deine Rappen setzen, und sie zur Dickftterung nachKohlhaasenbrckheimreisen?-HochwrdigerHerr,sagteKohlhaaserrtend,indem er seine Hand ergriff, - nun? - der Herr auch vergab allenseinen Feindennicht.LatmichdenKurfrsten,meinenbeidenHerren,demSchlovogtundVerwalter,denHerrenHinzundKunz,undwermichsonstindieserSachege-krnkt haben mag, vergeben: den Junker aber, wenn es sein kann, ntigen, da ermir die Rappen wieder dickfttere. - Bei diesen Worten kehrteihmLuther,miteinemmivergnglichenBlick,denRckenzu,undzogdieKlingel.Kohlhaas,whrend, dadurch herbeigerufen, ein Famulus sich mit Licht in dem Vorsaalmel-dete,standbetreten,indemersichdieAugentrocknete,vomBodenauf;unddaderFamulusvergebens,weilderRiegelvorgeschobenwar,anderTrewirkte,LutherabersichwiederzuseinenPapierenniedergesetzthatte:somachteKohl-haasdemManndieTreauf.Luther,miteinemkurzen,aufdenfremdenManngerichteten Seitenblick, sagte dem Famulus:leuchte! worauf dieser, ber den Be-such,denererblickte,einwenigbefremdet,denHausschlsselvonderWandnahm,undsich,aufdieEntfernungdesselbenwartend,unterdiehalboffeneTrdesZimmerszurckbegab.-Kohlhaassprach,indemerseinenHutbewegtzwi-schen beide Hnde nahm: und so kann ich, hochwrdigster Herr, der Wohltat ver-shnt zu werden, die ich mir von Euch erbat, nicht teilhaftig werden? Luther ant-wortetekurz:deinemHeiland,nein;demLandesherrn,-dasbleibteinemVer-such, wieich dirversprach, vorbehalten! Und damit winkte erdemFamulus,dasGeschft,daserihmaufgetragen,ohneweiterenAufschub,abzumachen.Kohl-haas legte, mit dem Ausdruck schmerzlicher Empfindung, seine beiden Hnde aufdieBrust;folgtedemMann,derihmdieTreppehinunterleuchtete,undver-schwand.AmanderenMorgenerlieLuthereinSendschreibenandenKurfrstenvonSachsen, worin er, nach einem bitteren Seitenblick auf die seine Person umgeben-den Herren Hinz und Kunz, Kmmerer und Mundschenkvon Tronka, welche dieKlage,wieallgemeinbekanntwar,untergeschlagenhatten,demHerrn,mitderFreimtigkeit,dieihmeigenwar,erffnete,dabeisorgerlichenUmstnden,nichts anderes zutunbrigsei,alsdenVorschlagdesRohndlersanzunehmen,und ihm des Vorgefallenen wegen, zur Erneuerung seines Prozesses, Amnestie zuerteilen.DieffentlicheMeinung,bemerkteer,seiaufeinehchstgefhrlicheHeinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Internetausgabe. Version 02.03 2003 Kleist-Archiv Sembdner, HeilbronnZuletzt gedruckt 24.02.03 12:24 Seite 29 von 66Weise,aufdiesesMannesSeite,dergestalt,daselbstindemdreimalvonihmeingescherten Wittenberg, ein