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Nahrung 27 (1983) 10,965-973 Zentralinstitut fiir Ernahrung in Potsdam-Rehbriicke (Direktor : Prof. Dr. H. SCHMANDKE), Forschungszentrum fur Molekularbiologie und Medizin, Akademie der Wissenschaften der DDR Analytik und Bewertung cancerogener polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe aus lebensmittelhygienisch-toxikologischer Sicht - Eine Ubersicht' W. FRITZ Die Kontamination der Lebensmittel erfolgt technologisch bedingt uber Rauchgase (Rauchern, Grillen, Trocknen), umweltbedingt iiber Luft und Boden, iiber Bodenverbesserungsmittel, Migration aus Plasten u. a. Die Hauptprobleme bei der Analytik der im Konzentrationsbereich von bg/kg im Lebensmittel vorliegenden polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), die sich einerseits bei der Abtrennung von der Matrix, dem Clean-up, und andererseits bei der Auftreiinung des PAK-Gemisches fur die Identifizierung und Bestimmung ergeben, werden vorgestellt und diskutiert. Benzo[a]pyren (BaP) - international unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen als Leitsubstanz der PAK anerkannt - wird von DDR-Biirgern iiber Lebensmittel auf Grund vorgenommener Schatzungen in einer GroDenordnung zwischen 0,2 und 1,0 mg jahrlich aufgenommen; das entspricht einer taglichen Auf- nahmemenge zwischen 0,5 und 2,5 pg BaP. Fur Cancerogene in Lebensmitteln ist eine Aufstellung von wissenschaftlich begriindeten Toleranzwerten, die ein Risiko fiir den Menschen ausschlieDen, auDerordentlich schwierig und z. Z. noch nicht moglich. Die Aufstellung von Grennverten im Sinne eines ,,socially acceptable level of risk", der eine physiologische Un- bedenklichkeit nicht ausdriickt, wird empfohlen. Kontrollierbare Grenzwerte setzen den Gesetzgeber in die Lage, im Rahmen der technischen und okonomischen Moglichkeiten die optimale Reduzierung bzw. Aus- schaltung der cancerogenen Noxe anzustreben. Die Ernahrung als einer der wichtigsten Faktoren der menschlichen Umwelt beeinflufit Krebsentstehung und -wachstum auf vielfaltige Art und Weise und hat nach WYNDER [ 11 einen entscheidenden EinfluD auf die Pathogenese einer groDen Zahl von menschlichen Krebsfallen. Exogene Noxen stehen bei der Suche nach Geschwulstursachen im Vordergrund [2, 31. Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) [4, 51 stellen neben den N-Nitrosover- bindungen [6] und Mycotoxinen [7] die groDte chemisch einheitliche Gruppe von Nahrungs- cancerogenen dar. Eine Unterscheidung zwischen ,,tierischen" und ,,menschlichen" Cancerogenen ist wissenschaftlich unzulassig [8]. Obwohl der Mechanismus der cancerogenen Wirkung beim Menschen nicht gekliirt ist, so ist doch offensichtlich, daD die Unterbrechung der Ursachen- In Anlehnung an einen Vortrag auf dem Internationalen KongreD ,,Medizinische Aspekte des Umwelt- schutzes" der Gesellschaft fur Allgemeine und Kommunale Hygiene, 16.--18. I. 1983 in Erfurt.

Analytik und Bewertung cancerogener polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe aus lebensmittelhygienisch-toxikologischer Sicht — Eine Übersicht

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Page 1: Analytik und Bewertung cancerogener polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe aus lebensmittelhygienisch-toxikologischer Sicht — Eine Übersicht

Nahrung 27 (1983) 10,965-973

Zentralinstitut fiir Ernahrung in Potsdam-Rehbriicke (Direktor : Prof. Dr. H. SCHMANDKE), Forschungszentrum fur Molekularbiologie und Medizin, Akademie der Wissenschaften der DDR

Analytik und Bewertung cancerogener polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe aus lebensmittelhygienisch-toxikologischer Sicht - Eine Ubersicht'

W. FRITZ

Die Kontamination der Lebensmittel erfolgt technologisch bedingt uber Rauchgase (Rauchern, Grillen, Trocknen), umweltbedingt iiber Luft und Boden, iiber Bodenverbesserungsmittel, Migration aus Plasten u. a.

Die Hauptprobleme bei der Analytik der im Konzentrationsbereich von bg/kg im Lebensmittel vorliegenden polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), die sich einerseits bei der Abtrennung von der Matrix, dem Clean-up, und andererseits bei der Auftreiinung des PAK-Gemisches fur die Identifizierung und Bestimmung ergeben, werden vorgestellt und diskutiert.

Benzo[a]pyren (BaP) - international unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen als Leitsubstanz der PAK anerkannt - wird von DDR-Biirgern iiber Lebensmittel auf Grund vorgenommener Schatzungen in einer GroDenordnung zwischen 0,2 und 1,0 mg jahrlich aufgenommen; das entspricht einer taglichen Auf- nahmemenge zwischen 0,5 und 2,5 pg BaP.

Fur Cancerogene in Lebensmitteln ist eine Aufstellung von wissenschaftlich begriindeten Toleranzwerten, die ein Risiko fiir den Menschen ausschlieDen, auDerordentlich schwierig und z. Z. noch nicht moglich. Die Aufstellung von Grennverten im Sinne eines ,,socially acceptable level of risk", der eine physiologische Un- bedenklichkeit nicht ausdriickt, wird empfohlen. Kontrollierbare Grenzwerte setzen den Gesetzgeber in die Lage, im Rahmen der technischen und okonomischen Moglichkeiten die optimale Reduzierung bzw. Aus- schaltung der cancerogenen Noxe anzustreben.

Die Ernahrung als einer der wichtigsten Faktoren der menschlichen Umwelt beeinflufit Krebsentstehung und -wachstum auf vielfaltige Art und Weise und hat nach WYNDER [ 11 einen entscheidenden EinfluD auf die Pathogenese einer groDen Zahl von menschlichen Krebsfallen.

Exogene Noxen stehen bei der Suche nach Geschwulstursachen im Vordergrund [2, 31. Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) [4, 51 stellen neben den N-Nitrosover- bindungen [6] und Mycotoxinen [7] die groDte chemisch einheitliche Gruppe von Nahrungs- cancerogenen dar.

Eine Unterscheidung zwischen ,,tierischen" und ,,menschlichen" Cancerogenen ist wissenschaftlich unzulassig [8]. Obwohl der Mechanismus der cancerogenen Wirkung beim Menschen nicht gekliirt ist, so ist doch offensichtlich, daD die Unterbrechung der Ursachen-

In Anlehnung an einen Vortrag auf dem Internationalen KongreD ,,Medizinische Aspekte des Umwelt- schutzes" der Gesellschaft fur Allgemeine und Kommunale Hygiene, 16.--18. I . 1983 in Erfurt.

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966 FRITZ

kette - Ausschaltung oder mengenmaDige Verringerung der PAK ~ allgemein zum Ruck- gang des betreffenden Berufskrebses gefuhrt hat.

Im vorliegenden Beitrag sollen analytische Probleme zur Identifizierung und Bestim- mung von PAK in Lebensmitteln diskutiert werden. Nach Aufzeigen von Quellen und Umfang der Lebensmittelkontamination mit Benzo[a]pyren (BaP), der Leitsubstanz der PAK, sol1 eine Bewertung aus lebensmittelhygienisch-toxikologischer Sicht vorgenommen werden.

Analytik

Die Hauptprobleme bei der Analyse der im Konzentrationsbereich von pg/kg im Lebens- mittel vorliegenden PAK ergeben sich einerseits bei der Abtrennung von der Matrix, dem Clean-up, und andererseits bei der Auftrennung des PAK-Gemisches fur die Identifizierung und Bestimmung [9]. Eine Ubersicht uber die gebrauchlichen Methoden wird in Schema 1 gegeben.

Schema 1 Methoden zur Analytik von polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen

P Lebcnsmittel I

A hf rennuny Fesr- Fliissi y Flii.ssig-Fliissig

Extraktion (Org. Losungsmittel) Anreicherung mittel fung

A uftrennung Siulenchromatographie Papierchromatographie Dunnschic htchromatographie Hochdruckfliissigchromatograp hie Gaschromatographie (FID-Detektor)

I I Org. Losungs- Versei-

I

Identifkierung UV-Spektrometrie -Zimmerternperatur und Bestimmung Fluoreszenzspektrometrie

Massenspektrometrie OC (SPoLSK1)

Abtrennung Eine Kombination von extrahierenden und chromatographischen Verfahren ist erfor-

derlich, um das PAK-Gemisch aus der komplizierten Matrix der Lebensmittel anzureichern und zu isolieren. Die Fest-Flussig-Extraktion mit organischen Losungsmitteln ist bei eiweiD- reichen Lebensmitteln unzureichend, ein AufschluD durch alkalische Verseifung erforder- lich. Eine sehr effektive Anreicherung der PAK kann durch Verteilung zwischen zwei Phasen erfolgen, wenn durch Flussig-Fliissig-Extraktion die PAK moglichst selektiv in eine Phase ubergehen. Solche geeigneten Phasenpaare sind z. B. Cyclohexan-Nitromethan, Cyclo- hexan-Dimethylformamid und Isooctan-Dimethylsulfoxid [ 10, 1 11.

Auftrenniing

Die Isolierung und Auftrennung der PAK auf Diinnschichtplatten hat sich weitgehend gegenuber Papier- und Sadenchromatographie durchgesetzt. Die Sadenchromatographie wird meist zur Reinigung vor der Gas- bzw. Hochdruckflussigkeitschromatographie ange- wandt. Letztgenannte Verfahren haben ein grol3eres Trennvermogen bei komplizierten

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Analytik cancerogener Kohlenwasserstoffe 967

PAK-Gemischen als die Dunnschichtchromatographie. Die Gaschromatographie wird von GRIMMER u. a. [12] fur die sogen. Profilanalyse ausgenutzt.

Eine hervorragende Auftrennung eines PAK-Gemisches in uber 200 Komponenten wird durch die Kapillargaschromatographie erzielt. Diesem Vorteil stehen aber auch Nach- teile gegenuber. Erforderlich ist bei der Gaschromatographie eine weitgehende Reinigung der Extrakte, die bei der Dunnschichtchromatographie in einem Arbeitsgang erfolgt. Ein weiterer Nachteil ist die begrenzte Einspritzmenge zwischen 1 und 5 pl Extrakt. Bei der Dunnschichtchromatographie konnen hingegen wesentlich groBere Mengen aufgetragen werden. die unter bestimmten Voraussetzungen eine hohere Nachweisempfindlichkeit bewirken [lo].

Identifizierung urid Bestimmung

Zur Identifizierung und Bestimmung von PAK in Lebensmitteln werden neben der UV- Spektroskopie und der Fluoreszenzspektroskopie vor allem die Gaschromatographie mil FID bLw. Kopplung rnit Massenspektroskopie und die Hochdruckflussigkeitschromato- graphie mit UV- bzw. Fluoreszenzdetektor angewandt [9]. Die UV-Spektroskopie hat etwa eine Nachweisgrenze von 0,2 pg PAK/ml, ist also relativ unempfindlich. Man mu13 von groBen Probenmengen ausgehen. Auch die Gaschromatographie rnit FID bzw. gekoppelter Massenspektroskopie ist weniger empfindlich, weil der begrenzende Faktor die Einspritz- menge ist. AuBerdem mussen die Extrakte sehr gut gereinigt werden. Am empfindlichsten ist die Fluoreszenzspektroskopie. Hier liegt die Nachweisgrenze nicht wie bei der UV- Spektroskopie im pg-, sondern im ng-Bereich. Die Empfindlichkeit und Selektivitat des Nachweises kann gesteigert werden, wenn bei 77,15 K (-196 "C) eine Feinauflosung der Spektren durch den sogenannten SroLsKr-Effekt erfolgt [lo]. Die Fluoreszenzspektroskopie in Losung, das betrifft auch die Tieftemperaturfluoreszenz nach SPOLSKI, ist rnit dem Nach- teil behaftet, daB eine Elution vom Schichtmaterial erfolgen muD. Diesen Nachteil ver- meidet die Aufnahme der Fluoreszenzspektren direkt von der Platte. Die In-situ-Bestim- mung erfolgt nach Auftrennung der PAK auf acetylierter Cellulose rnit hoher Selektivitat und Nachweisempfindlichkeit. Folgende vorgenannten Methoden der PAK-Bestimmung wurden miteinander verglichen und ergaben Ubereinstimmung - UV-Spektroskopie rnit der Fluoreszenzspektroskopie [13] - UV-Spektroskopie mit der Gaschromatographie [ 121 - Gaschromatographie mit der Fluoreszenzspektroskopie [ 141 - Gaschromatographie rnit der Hochdruckflussigkeitschromatographie [ 151

~ In-situ-Fluoreszenzspektroskopie rnit der Hochdruckflussigkeitschromatographie [ 1 61 - - In-situ-Fluoreszenzspektroskopie rnit der quasilinearen Fluoreszenzspektralanalyse

(77, 15K) [lo] - Tieftemperatur-Fluoreszenzspektralanalyse rnit der Hochdruckflussigkeitschromato-

graphie [ 171. Abschiitzend kann man deshalb sagen, daB rnit den vorgenannten Methoden die PAK be- stimmt werden konnen, da13 sie aber jeweils nur fur unterschiedliche Aufgabenbereiche geeignet sind. Die UV-Spektroskopie ist bedingt geeignet, wenn ausreichende Trennungen der PAK und Konzentrationen mindestens im pg-Bereich vorliegen. Die Fluoreszenz- spektralanalyse ist um uber 3 GroBenordnungen bei BaP empfindlicher und kann vor allem durch In-situ-Analysen in Routine eingesetzt werden. Das betrifft auch die Hochdruck- flussigkeitschromatographie.

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968 FRITZ

Die Kapillargaschromatographie, gekoppelt rnit einem nach Moglichkeit hoch auflo- senden Massenspektrometer, kann hingegen in sogen. Profilanalysen aus komplizierten PAK-Gemischen eine hohe Trennung erreichen, vor allem eine gesicherte Identifizierung vornehmen. Diese anspruchsvolle Analytik ist aber nur sehr wenigen Speziallaboratorien vorbehalten [9].

Die IARC stellte 1979 die bewahrten Methoden zur Erfassung der PAK zusammen [18]. Von 8 Methoden erfolgte bei 5 eine Auftrennung durch Diinnschichtchromatographie ; die anschlieoende Bestimmung erfolgte in 2 Fallen durch Fluoreszenzspektroskopie, in 2 Fallen durch Tieftemperaturfluoreszenz und in 1 Fall durch In-situ-Fluoreszenz. Bei 3 Methoden erfolgte die Bestimmung durch Gaschromatographie rnit FID.

Im eigenen Labor werden Isolierung und Auftrennung der PAK nacheinander in zwei diinnschichtchromatographischen Systemen - Kieselgel und acetylierte Cellulose - durch- gefiihrt. Identifizierung und Bestimmung erfolgen durch In-situ-Fluoreszenzspektralanalyse. Die Fluoreszenz- Anregungs- und Emissionsspektren direkt von der acetylierten Cellulose- platte gestatten neben einer sicheren Identifizierung auch eine Bestimmung der PAK, die In-situ-Fluoreszenzortskurven unter verschiedenen Aufnahmebedingungen eine simultane Bestimmung. Die Recovery-Werte liegen in Abhangigkeit vom Probenmaterial zwischen 75 und 99,6 % bei einem Variationskoeffizienten zwischen 10,3 und 22,l % [lo]. Ringanalysen rnit Laboratorien der UdSSR und der Ungarischen VR ergaben rnit Variationskoeffizienten zwischen 4,7 und 18,9% eine gute Ubereinstimmung [9].

Quellen der Kontamination yon Lebensmitteln rnit krebserzeugenden Kohlenwaserstoffen

Wesentliche Quellen der Kontamination von Lebensmitteln mit BaP sind in Abb. 1 ZU- sammengestellt. Das BaP entstammt den verschiedensten Quellen : 1. Endogene Bildung bei der Zubereitung 2. Exogene Verunreinigung durch

2.1. Rauchgas bei der technologischen Verarbeitung 2.2. Umwelteinfliisse 2.3. Kontamination iiber Bedarfsgegenstande

3. Endogene Synthese

Quellen & Kmtamhot/on vun Lebensm/He/n m/7 BOP

Boden

txzequng

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Analytik cancerogener Kohlenwasserstoffe 969

Zu 1. Bei der thermischen Behandlung von Lebensmitteln wie Backen und Braten unter kuchenublichen Bedingungen ist eine PAK-Bildung zu vernachlassigen. Beim Frittieren sinkt der Gehalt sogar ab [9, 191. Zu 2. I . Hingegen konnen - technologisch bedingt - uber Rauchgas Lebensmittel in erheblichem Umfang kontaminiert werden. Das betrifft vor allem die Direkttrocknung bzw. das Rosten mit festen und in' geringerem Umfang mit flussigen Energietragern oder das Grillen mit ungeeigneten Brennmaterialien, z. B. rnit Kiefernzapfen, oder das Rauchern, wenn kein Hartholz eingesetzt wird und es in hohem MaBe zur Rauchbeaufschlagung kommt [20]. Z u 2.2. Umwelteinflusse konnen Lebensmittel in hohem MaDe verunreinigen. Dies erfolgt in Abhangigkeit von den Emittenten, vor allem uber die Luft, ist aber unter extremen Be- dingungen auch uber den Boden oder uber Bodenverbesserungsmittel (z. B. Bitumenmulch- verfahren) oder aus dem Wasser moglich [21]. Zu 2.3. Aus Verpackungsmaterial wie paraffinierten Milchbechern, Bhttereinwicklern oder ruBstabilisierten Plastrohren kann BaP ebenfalls in Lebensmittel migrieren [22, 231. Zu 3. Eine mogliche endogene Synthese in Pflanzen - erstmals von GRAF [24] diskutiert - ist umstritten und bedarf noch einer Abklarung.

Umfang der Kontamination

Der geschatzte Umfang der Aufnahme von BaP uber Nahrungsmittel ist in Tab. 1 zu- sammengestellt. Nach den vorliegenden Untersuchungen nimmt auf Grund vorgenommener Schatzungen jeder DDR-Burger z. Z. jahrlich zwischen 0,2 und 1 ,O mg BaP mit den Lebens- mitteln zu sich, das entspricht einer taglichen Aufnahmemenge zwischen 0,5 und 2,5 pg BaP. Nach einer Abschatzung vor 10 Jahren lag die jahrliche Aufnahme von BaP rnit Werten zwischen 0,35 und 1,2 mg etwas hoher [9]. Diese geringeren BaP-Aufnahmen uber Lebens- mittel in den letzten Jahren konnten durch gezielte technologische wie umweltbezogene MaDnahmen erreicht werden. Die hohen Verunreinigungen durch Kohlenrauchgas sowohl bei der direkten Rauchgastrocknung von Getreide als auch beim Rosten von Malz gehoren der Vergangenheit an. Auch die hohen umweltbedingten Kontaminationen wurden durch den Einbau von Rauchgasfiltern weitgehend abgebaut [9,25]. Bei Optimierung von Tech- nologien, z. B. bei der Fettraffination, sind weitere Absenkungen moglich [9].

Die Hauptmenge BaP wird rnit denjenigen Grundnahrungsmitteln aufgenommen, in denen man krebserzeugende Kohlenwasserstoffe urspriinglich kaum vermutet hat: Brot, Gemuse, Obst, Margarine und pflanzliche Ole. Wesentlich kleinere Mengen gelangen in- folge des geringen Verzehrs rnit den als suspekt diskutierten Lebensmitteln, wie Rostpro- dukten, Raucherwaren und den uber Holzkohle gegrillten Fleischwaren, in den menschli- chen Organismus [9].

Bewertung

Wie ist aber nun die standige Aufnahme dieser Menge an BaP neben anderen PAK aus

Es ist international ublich, fur Schadstoffe in Lebensmitteln kontrollierbare Toleranz- lebensmittelhygienisch-toxikologischer Sicht zu beurteilen?

65 Nahrung, 27. Jhg., Heft 10

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970 FRITZ

Tabelle 1 Geschatzte Menge des mit Nahrungs- und GenuBmitteln aufgenommenen Benzo[a]pyren pro Kopf und Jahr der Bevolkerun'g und im Laufe von 70 Jahren (Verzehrsmengen nach Statistischem Jahrbuch der DDR, 1979)

Lebensrnittel Verbrauch pro Kopf und Jahr [kgl

pjlunzlichen Ursprungs Bro tgetreidemehl ~ industriefern ~ am Emittenten ~ direkt getrocknet Speisekartoffeln Speisehiilsenfriichte Reis Gemiise - industriefern ~ am Emittenten Obst ~ industriefern ~~ am Emittenten Siidfriichte pflanzl. Ole und Fette Margarine tierisehen Ursprungs Fleisch und Fleischerzeugnisse - ungerauchert ~- geriiuchert - holzkohlengegrillt Fisch und Fischerzeugnisse ~ ungerauchert ~ gerauchert Trink wasser Genupmittel Bohnenkaffee Tee Bier

88,s

138,7 1 2 1 3

98,l

40,3

19,7

10,5

86,2 S1,7 34,O 0 s 6 9 5,9 1 8

1,9

1000

2,7 0,12

130,O ___

Summe Lebensmittel min (industriefern) Summe Lebensmittel max (am Emittenten)

Durchschnittlicher Aufgenommene Menge Gehalt [~glkg] _ _ _ _ _ ~ _ _ _ ~ _ _

[pg pro Kopf [mg in i. T. Frischgewicht und Jahr] 70 Jahren

3,3 0,45 43,l 6, l

0 , lS 0 , s 6,4

1,9 0,18

0,0044

0,3 3,3 0,08

30,1 168,2 60,2 12.5

1 ,O 1,3

44,1 598,4

8.0 92.7 0.8 6,1

27,3

7.8 18,7 3.2

1.1 1 3 4,4

0 3

10,40 0,4

2,1 11,8 4 2 0,9 0.08 0,09

3,1 41,9

0,56 6 5 0,05 0,43 1 3

0,54 1,30 0,'2

0,07 0,1 0,3

0,06 0,03 0,73

179,9 957,O

12,6 67.0

werte aufzustellen und deren Einhaltung zu uberwachen. Die Aufstellung von wissenschaft- lich begriindeten Toleranzwerten fur Cancerogene, die ein Risiko fur den Menschen aus- schlieBen, ist besonders schwierig und z. Z. noch nicht moglich [26]. Nach den vorliegenden Ergebnissen kommen krebserzeugende Substanzen wie BaP neben anderen PAK in Lebens- mitteln ubiquitar vor. Hinzu kommen andere cancerogene Noxen, wie die N-Nitrosover- bindungen [6] und Mycotoxine [7]. Zwischen diesen und anderen Cancerogenen sind additive, synergistische oder potenzierende Wirkungen moglich [27, 281.

Zu einem realistischen Standpunkt kommen u. a. SHABAD [29] und eine WHO-Experten- gruppe [30], die die lange Latenzzeit fur Cancerogene beriicksichtigen und wegen der limi- tierten Lebensspanne der Organismen doch einen praktischen Schwellenwert annehmen.

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Eine vollstandige Eliminierung aller Cancerogene aus Lebensmitteln ist praktisch unmog- lich.

Die Verringerung der Belastung senkt unter Berucksichtigung der syncancerogenen Wir- kung verschiedener Cancerogene das Krebsrisiko im Sinne der Krebsprimarprophylaxe. Aus lebensmittelhygienisch-toxikologischer Sicht ist es deshalb erforderlich, kontrollier- bare Grenzwerte festzulegen, um den Gesetzgeber in die Lage zu versetzen, im Rahmen der technischen und okonomischen Moglichkeiten eine Einschrankung cancerogener Noxen anzustreben und ihre weitere Reduzierung auf der Basis neuerer Erkenntnisse betreiben zu konnen [9].

Derartige Limitwerte reprasentieren - und das mu13 eindeutig gesagt werden - jedoch nicht die physiologische Unbedenklichkeit des geduldeten Levels, sondern lediglich dessen Unvermeidbarkeit und den Ausschlulj des offensichtlichen und vermeidbaren Risikos. Sie entsprechen dem vie1 diskutierten ,,socially acceptable level of risk".

In der BRD wurde auf Grund von Untersuchungen von HAMM u. a. [31] mit der Fleisch- VO [32] eine Regelung vorgeschlagen, die einen Gehalt von uber 1 pg BaP/kg in Raucher- waren untersagt. In der DDR bestehen fur Trinkwasser solche Richtwerte, und zwar fur BaP 5 ngil [33]. Die Aufstellung eines Grenzwertes im oben angegebenen Sinn von 1 pg BaP/kg Frischgewicht fur Lebensmittel ist auf Grund vorliegender Ergebnisse zu empfehlen.

Summary

W. FRITZ : Analytics and evaluation of cancerogenic polycyclic aromatic hydrocarbons from the view of food hygiene and toxicology - A survey

The contamination of foods is technologically induced by smoke gases (smoking, grilling, drying) and also due to environmental factors such as air and soil, soil conditioners, migration from plastics etc.

The author presents and discusses the major problems concerning the accurate analysis of smallest amounts (pg/kg of food) of polycyclic aromatic hydrocarbons (PAH). Such problems occur in the separation from the matrix and the clean-up of the PAH, as well as in their identification and determination. Benzo[a]pyrene ~ under certain preconditions internationally accepted as the reference standard of PAH -

is ingested by the GDR citizens in an order of magnitude ranging from 0.2 to 1.0 mg per annum; this corres- ponds to a daily intake varying within 0.5 and 2.5 pg.

I t is particularly difficult and as yet not possible to establish scientifically founded maximum tolerances for cancerogenic substances in foods which exclude a risk to man. The establishment of tolerances in the sense of a ,,socially acceptable level of risk" (which does not mean physiological safety) is recommended. Controlled tolerances would enable the legislator to aim at the optimum reduction or exclusion of the cancerogenic noxious agent in the framework of technical and economic possibilities.

P e m ~ e

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polycyclic aromatic hydrocarbons in environmental samples.

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Dr. sc. W. FRITZ, Zentralinstitut fur Ernahrung, DDR- 1505 Bergholz-Rehbrucke, Arthur-Scheunert- Allee 114-116

Eingegangen 11. 2. 1983