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916 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 11 Abgesehen von einfachen Stäben mit Lagerung nur an den End- punkten werden zur Berechnung von Eigenfrequenzen meist Näherungsverfahren (z. B. Rayleigh-Quotient mit Ansatzfunk- tionen für Biegelinie) angewendet. Dabei ist die Genauigkeit i. d. R. unbekannt und bei höheren Eigenwerten oft nicht mehr ausreichend. Im vorliegenden Beitrag wird eine genaue Berech- nung beliebiger Eigenfrequenzen mit Hilfe der Übertragungsbe- ziehung gezeigt. Dabei handelt es sich um Querschwingungen von Stäben, die auch im Feld gelagert sein können oder dort Ge- lenke aufweisen. Für den Balken auf zwei Stützen mit Kragarmen (auch unterschiedlich lang) werden zur Ermittlung der ersten bei- den Eigenfrequenzen Diagramme zur Verfügung gestellt. Analytical calculation of natural frequencies for uniform beams. In the case of beams which are not only supported at the ends natural frequencies are commonly calculated by approximation methods (e. g. Rayleigh quotient). Accuracy is then unknown and especially for higher modes often insufficient. In this paper an exact method of analysis with transfer matrix is shown and appli- cated to beams with internal supports or hinges. For a girder with two cantilevers (of equal or unequal length) diagrams are given for determination of first and second natural frequency. 1 Einleitung In [1] wird die Berechnung der 1. Eigenfrequenz eines symmetrischen Balkens auf zwei Stützen mit Kragarmen anhand verschiedener Näherungsverfahren durchgeführt und darauf hingewiesen, daß für höhere Eigenfrequenzen diese Verfahren keine ausreichende Genauigkeit mehr lie- fern. Im folgenden Beitrag wird gezeigt, wie – ausgehend von der Übertragungsbeziehung – eine genaue analytische Berechnung aller gewünschter Eigenfrequenzen von Stä- ben mit beliebiger Lagerung durchgeführt werden kann. Dieses Vorgehen ist vergleichsweise einfach und über- sichtlich, so daß hier keinerlei Notwendigkeit für die An- wendung von Näherungsverfahren mit in der Regel unbe- kannter Genauigkeit (insbesondere bei höheren Eigen- werten) besteht. 2 Annahmen Wie üblich, wird von den einfachst möglichen Annahmen ausgegangen: Stabquerschnitt und Massenbelegung konstant – Beschränkung auf Querschwingungen und auf Biege- momentenverformungen Theorie I. Ordnung 3 Bezeichnungen x Stabachse EI Biegesteifigkeit µ Massenbelegung (Masse pro Längeneinheit) ω Kreisfrequenz, ω= 2 π f, f Frequenz w Biegeordinate ϕ Querschnittsdrehwinkel = Tangentendrehwinkel M Biegemoment Q Querkraft Die Größen w, ϕ, M und Q (Bild 1) beziehen sich auf den Zustand der Maximalauslenkung der (harmonischen) Schwingung. Damit kann die Zeitfunktion, z. B. cos(ωt), als Faktor stets weggelassen werden. 4 Abkürzungen für Funktionen Zur Schreiberleichterung werden für die auftretenden hy- perbolischen und trigonometrischen Funktionen die in Ta- belle 1 festgelegten Abkürzungen verwendet; die Bezeich- nungen sind so gewählt, daß sie weitgehend selbsterklä- rend sind. 5 Beziehungen für das Stabelement, Differentialgleichung für w und Lösung Mit den Festlegungen des Bildes 1 lauten die Beziehungen für das Stabelement: Q′= –q (1) Analytische Berechnung der Eigenfrequenzen von Stäben mit konstantem Querschnitt und konstanter Massenbelegung Helmut Rubin Fachthemen Bild 1. Zustandsgrößen am Anfangspunkt 0 und an der Stelle x Fig. 1. State variables at the initial point 0 and point x

Analytische Berechnung der Eigenfrequenzen von Stäben mit konstantem Querschnitt und konstanter Massenbelegung

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916 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 11

Abgesehen von einfachen Stäben mit Lagerung nur an den End-punkten werden zur Berechnung von Eigenfrequenzen meistNäherungsverfahren (z. B. Rayleigh-Quotient mit Ansatzfunk-tionen für Biegelinie) angewendet. Dabei ist die Genauigkeiti. d. R. unbekannt und bei höheren Eigenwerten oft nicht mehrausreichend. Im vorliegenden Beitrag wird eine genaue Berech-nung beliebiger Eigenfrequenzen mit Hilfe der Übertragungsbe-ziehung gezeigt. Dabei handelt es sich um Querschwingungenvon Stäben, die auch im Feld gelagert sein können oder dort Ge-lenke aufweisen. Für den Balken auf zwei Stützen mit Kragarmen(auch unterschiedlich lang) werden zur Ermittlung der ersten bei-den Eigenfrequenzen Diagramme zur Verfügung gestellt.

Analytical calculation of natural frequencies for uniform beams.In the case of beams which are not only supported at the endsnatural frequencies are commonly calculated by approximationmethods (e. g. Rayleigh quotient). Accuracy is then unknown andespecially for higher modes often insufficient. In this paper anexact method of analysis with transfer matrix is shown and appli-cated to beams with internal supports or hinges. For a girder withtwo cantilevers (of equal or unequal length) diagrams are givenfor determination of first and second natural frequency.

1 Einleitung

In [1] wird die Berechnung der 1. Eigenfrequenz einessymmetrischen Balkens auf zwei Stützen mit Kragarmenanhand verschiedener Näherungsverfahren durchgeführtund darauf hingewiesen, daß für höhere Eigenfrequenzendiese Verfahren keine ausreichende Genauigkeit mehr lie-fern.

Im folgenden Beitrag wird gezeigt, wie – ausgehendvon der Übertragungsbeziehung – eine genaue analytischeBerechnung aller gewünschter Eigenfrequenzen von Stä-ben mit beliebiger Lagerung durchgeführt werden kann.Dieses Vorgehen ist vergleichsweise einfach und über-sichtlich, so daß hier keinerlei Notwendigkeit für die An-wendung von Näherungsverfahren mit in der Regel unbe-kannter Genauigkeit (insbesondere bei höheren Eigen-werten) besteht.

2 Annahmen

Wie üblich, wird von den einfachst möglichen Annahmenausgegangen:

– Stabquerschnitt und Massenbelegung konstant– Beschränkung auf Querschwingungen und auf Biege-momentenverformungen– Theorie I. Ordnung

3 Bezeichnungen

x StabachseEI Biegesteifigkeitµ Massenbelegung (Masse pro Längeneinheit)ω Kreisfrequenz, ω = 2 π f, f Frequenzw Biegeordinateϕ Querschnittsdrehwinkel = TangentendrehwinkelM BiegemomentQ Querkraft

Die Größen w, ϕ, M und Q (Bild 1) beziehen sich auf denZustand der Maximalauslenkung der (harmonischen)Schwingung. Damit kann die Zeitfunktion, z. B. cos(ωt),als Faktor stets weggelassen werden.

4 Abkürzungen für Funktionen

Zur Schreiberleichterung werden für die auftretenden hy-perbolischen und trigonometrischen Funktionen die in Ta-belle 1 festgelegten Abkürzungen verwendet; die Bezeich-nungen sind so gewählt, daß sie weitgehend selbsterklä-rend sind.

5 Beziehungen für das Stabelement, Differentialgleichung fürw und Lösung

Mit den Festlegungen des Bildes 1 lauten die Beziehungenfür das Stabelement:

Q′ = –q (1)

Analytische Berechnung der Eigenfrequenzen von Stäben mit konstantem Querschnitt und konstanter Massenbelegung

Helmut Rubin

Fachthemen

Bild 1. Zustandsgrößen am Anfangspunkt 0 und an derStelle xFig. 1. State variables at the initial point 0 and point x

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M′ = Q (2)

(3)

w′ = ϕ (4)

Die Streckenlast q aus den Trägheitskräften im Zustand derMaximalauslenkung mit der Beschleunigung (–ω2w) beträgt:

q = µω2w (5)

Aus diesen Beziehungen ergibt sich die Differentialglei-chung:

w′′′′ – Kw = 0 (6)

mit der Konstanten

(7)

Die allgemeine Lösung dieser homogenen Differentialglei-chung wird in folgender Form geschrieben:

(8)

mit den Funktionen nach Tabelle 1 und mit

(9)

sowie mit

w0 = w(x = 0), w′0 = w′(x = 0), w′′0 = w′′(x = 0),

w′′′0 = w′′′(x = 0) (10)

6 Herleitung der Übertragungsbeziehung unter Verwendungder bezogenen Zustandsgrößen w–– , ϕϕ–, M–– und Q–

Mit der Einführung der bezogenen Zustandsgrößen wirderreicht, daß alle Glieder der Matrix dimensionslos sind

g K= 4

w c w swg

cwg

swg

= ⋅ + ⋅ ′ + ⋅ ′′ + ⋅ ′′′

12 0

0 02

03

Σ Σ ∆ ∆ξ ξ ξ ξ

KEI

= µω2

′ =ϕ – 1EI

M

und daß diese als einzige Unbekannte nur den Eigenwert g(Dimension: 1/Längeneinheit) enthalten.

Definition der bezogenen Zustandsgrößen:

w—— = w (11)

(12)

(13)

(14)

Alle bezogenen Größen haben die Dimension einer Län-geneinheit.

Die Lösung nach Gl. (8) lautet damit in bezogenerDarstellung:

(15)

Die ersten drei Ableitungen ergeben:

(16)

(17)

(18)

Damit ergibt sich folgende Übertragungsbeziehung:

(19)

Diese Beziehung gilt, wenn im betrachteten Bereich vomAnfangspunkt 0 bis zur Stelle x kein Lager und kein Ge-lenk vorhanden ist, wenn also alle Zustandsgrößen hierstetig sind. DerAnfangspunkt selbst kann beliebig gelagertsein.

Die Matrix der Übertragungsbeziehung hat die ein-getragene Symmetrieachse, die Determinante ist gleich 1(unter Berücksichtigung des Faktors 1/2).

7 Beispiele für die Anwendung der Übertragungsbeziehung(19)

Diese Beziehung (19) ist ausreichend, wenn ein Stab keineLagerung oder eine Lagerung nur an den Stabenden hat.Zur Ermittlung der Eigenkreisfrequenzen wird Gl. (19) fürx = � (Stablänge) angewendet.

Für alle folgenden Aufgabenstellungen ist

ε = g� (20)

w

M

Q

c s c s

s c s c

c s c s

s c s c

w

M

Q

ϕ ϕξ ξ ξ ξ

ξ ξ ξ ξ

ξ ξ ξ ξ

ξ ξ ξ ξ

=

12

0

0

0

0

Σ Σ ∆ ∆∆ Σ Σ ∆∆ ∆ Σ ΣΣ ∆ ∆ Σ

′′′= ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅( ) =wg

s w c s M c Q g Q3

0 0 0 03

2Σ ∆ ∆ Σξ ξ ξ ξϕ

′′ = ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅( ) =wg

c w s c M s Q g M2

0 0 0 02

2∆ ∆ Σ Σξ ξ ξ ξϕ

′ = ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅( ) =wg

s w c s M c Q g2 0 0 0 0∆ Σ Σ ∆ξ ξ ξ ξϕ ϕ

w c w s c M s Q w= ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅( ) =12 0 0 0 0Σ Σ ∆ ∆ξ ξ ξ ξϕ

Q wg

Qg EI

Q g EIQ= ′′′ = =3 3

3– , –

M wg

Mg EI

M g EIM= ′′ = =2 2

2– , –

ϕ ϕ ϕ ϕ= ′ = =wg g

g,

Tabelle 1. Abkürzungen für FunktionenTable 1. Abbreviations for functions

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der gesuchte (dimensionslose) Eigenwert. Gemäß Gl. (7)und (9) wird daraus die Eigenkreisfrequenz ω erhaltenaus:

(21)

Funktionen Σc, ∆c, Σs und ∆s nach Tabelle 1

7.1 Lagerungsfall 0 ––––––– 1

Der Stab hat keine Lagerung, führt also eine freie Schwin-gung aus.

Die Randbedingungen lauten:

M——

0 = 0, Q——

0 = 0, M——

1 = 0, Q——

1 = 0

Die 3. und 4. Zeile der Übertragungsbeziehung liefern:

(22)

Nullsetzen der Determinante ergibt:

(∆c)2 – ∆s · Σs = 0

vereinfacht:

cosh ε · cos ε – 1 = 0 (23)

Die ersten drei Eigenwerte sind in Tabelle 2 angegeben.

7.2 Lagerungsfall 0 �––––––– 1

Randbedingungen:

w——0 = 0, M——

0 = 0, M——

1 = 0, Q——

1 = 0

3. und 4. Zeile der Übertragungsbeziehung:

(24)

Nullsetzen der Determinante:

∆s · Σc – Σs · ∆c = 0

vereinfacht:

tanh ε – tan ε = 0 (25)

Die ersten drei Eigenwerte sind in Tabelle 2 angegeben.

7.3 Lagerungsfall 0 I––––––– 1

Randbedingungen:

w——0 = 0, ϕ—0 = 0, M——

1 = 0, Q——

1 = 0

3. und 4. Zeile der Übertragungsbeziehung:

(26)Σ Σ∆ Σ

c s

s c

M

Q

=0

00

∆ Σ∆ Σ

s s

c c Q

=

ϕ0

00

∆ ∆Σ ∆

c s

s c

w

=0

0ϕ0

ω εµ

=2

2l

EI

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Nullsetzen der Determinante:

(Σc)2 – Σs · ∆s = 0

vereinfacht:

cosh ε · cos ε + 1 = 0 (27)

Die ersten drei Eigenwerte sind in Tabelle 2 angegeben.

7.4 Lagerungsfall 0 �–––––––� 1

Randbedingungen:

w——0 = 0, M——

0 = 0, w——1 = 0, M——

1 = 0

1. und 3. Zeile der Übertragungsbeziehung:

(28)

Nullsetzen der Determinante:

(Σs)2 – (∆s)2 = 0

vereinfacht:

sin ε = 0 (29)

Die Schwingungsformen bestehen hier aus einer, zwei,drei usw. sin-Halbwellen. Die ersten drei Eigenwerte sindin Tabelle 2 angegeben.

7.5 Lagerungsfall 0 I–––––––� 1

Randbedingungen:

w——0 = 0, ϕ—0 = 0, w——1 = 0, M——

1 = 0

1. und 3. Zeile der Übertragungsbeziehung:

(30)

Nullsetzen der Determinante:

∆c · Σs – ∆s · Σc = 0

vereinfacht:

tanh ε – tan ε = 0 (31)

Die Eigenwertbedingung ist mit jener von Abschn. 7.2identisch, so daß dieselben Eigenwerte erhalten werden.Wegen unterschiedlicher Lagerung sind die Schwingungs-formen verschieden, allerdings entspricht der Biegeliniedes einen Lagerungsfalls die Momentenlinie des anderenLagerungsfalls und umgekehrt.

7.6 Lagerungsfall 0 I–––––––I 1

Randbedingungen:

w——0 = 0, ϕ—0 = 0, w——1 = 0, ϕ—1 = 0

∆ ∆Σ Σ

c s

c s

M

Q

=0

00

Σ ∆∆ Σ

s s

s s Q

=

ϕ0

00

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1. und 2. Zeile der Übertragungsbeziehung:

(32)

Nullsetzen der Determinante:

(∆c)2 – ∆s · Σs = 0

vereinfacht:

cosh ε · cos ε – 1 = 0 (33)

Diese Bedingung und die Eigenwerte sind mit jenen desAbschn. 7.1 identisch. Wegen unterschiedlicher Lagerungsind die Schwingungsformen verschieden, allerdings ent-spricht der Biegelinie des einen Lagerungsfalls die Mo-mentenlinie des anderen Lagerungsfalls und umgekehrt.

7.7 Zusammenstellung der Ergebnisse

Eigenwertbedingungen und Eigenwerte für die betrachtetenLagerungsfälle sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Dabeihandelt es sich natürlich nicht um neue Ergebnisse; viel-mehr soll die einfache Herleitung anhand der Übertra-gungsbeziehung gezeigt werden.

7.8 Berechnung der Biegelinie für eine Eigenschwingung

Mit der ersten Zeile der Übertragungsbeziehung und mit be-kanntem Eigenwert läßt sich für jeden Lagerungsfall w—— =w——(x) (bis auf einen Faktor) angeben. Exemplarisch wirddies für den Fall des Abschn. 7.2 gezeigt.

Lagerungsfall 0 �––––––– 1

Mit w——0 = 0 und M——

0 = 0 erhält man aus Gl. (19):

(34)

Aus der ersten Zeile von Gl. (24) ergibt sich:

(35)Q k mit k ss0 0= =ϕ – ∆

Σ

w s s Q= ⋅ + ⋅( )12 0 0Σ ∆ξ ξϕ

∆ ∆Σ ∆

c s

s c

M

Q

=0

00

Für einen beliebig wählbaren Wert ϕ—0 lautet dann die Biege-linie

(36)

Die Zahlenwerte betragen für den1. Eigenwert: ε1 = 3,927 → k = –1,057352. Eigenwert: ε2 = 7,069 → k = –0,9975953. Eigenwert: ε3 = 10,210 → k = –1,0001041

Praktisch ist zur Vermeidung von Ungenauigkeitenstets mit der vollen Stellenzahl des Rechners zu arbeiten;dies gilt insbesondere für höhere Eigenwerte.

8 Erweiterung der Übertragungsbeziehung für den Stab mitzwei Lagern im Feld

Der betrachtete Stab ist in Bild 2 dargestellt. Für die zu-sätzlichen Lagerkräfte V1 und V2 stehen die zusätzlichenBedingungen w1 = 0 und w2 = 0 zur Verfügung.

Analog zu den Querkräften wird für die Lagerkräftedefiniert:

(37)

Im Bereich 0 ≤ x ≤ �1 gilt die Übertragungsbeziehung (19)unverändert.

Für x ≥ �1, also für y ≥ 0, ist beim Zustandsvektor inGl. (19) der Einfluß von V1 zusätzlich zu überlagern; dieseÄnderung beträgt:

(38)

Σcη, ∆cη, Σsη, ∆sη nach Tabelle 1

Dabei wird V1 wie eine Querkraft am Anfangspunkt 1behandelt, so daß sich die Formeln in Gl. (38) aus dervierten Spalte der Matrix in Gl. (19) ergeben.

∆∆∆∆

Σ

Σ

w

M

Q

s

c

s

c

η

η

η

η

=

⋅12 1

V Vg EI

V g EIV= =– , –3

3

w s s k= + ⋅( )12 0Σ ∆ξ ξ ϕ

Tabelle 2. Eigenwertbedingung sowie die ersten drei Eigen-werte für verschiedene LagerungsfälleTable 2. Equation for eigen values and amount of the firstthree eigen values for different boundary conditions

Bild 2. Stab mit zwei Lagern und Kragarmen, FestlegungenFig. 2. Girder with two supports and cantilevers, definitions

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Für x ≥ �4, also für z ≥ 0, ist zusätzlich der Einfluß vonV2 dem Zustandsvektor zu überlagern; diese Änderunglautet hier analog:

(39)

Σcζ, ∆cζ, Σsζ, ∆sζ nach Tabelle 1

Durch diese Zusatzterme ist sichergestellt, daß sichan den beiden Lagern die Größen Q

——um den Betrag V

——1

bzw. V——

2 ändern und daß die Größen w——, ϕ— und M——

dort un-verändert bleiben.

Weitere Lager können gegebenenfalls durch Zusatz-terme analog zu denen der Gln. (38) und (39) problemlosberücksichtigt werden.

9 Bestimmungsgleichungen zur Ermittlung der Eigenwerte

Wegen M——

0 = 0 und Q——

0 = 0 entfallen in der Übertragungs-matrix von Gl. (19) die dritte und vierte Spalte. Aus der er-weiterten Übertragungsbeziehung des vorigen Abschnittserhält man mit w——1 = 0, w——2 = 0, M

——3 = 0 und Q

——3 = 0 folgen-

des homogene Gleichungssystem:

(40)

Funktionsvereinbarungen nach Tabelle 1

Als unbekannter Eigenwert wird gewählt:

ε = g�

mit

� = �1 + �2 + �3 (Bild 2) (41)

Gegeben seien �1/� und �3/�; die einzelnen εi bestimmensich dann aus:

ε1 = ε�1/�, ε3 = ε�3/�, ε2 = ε – ε1 – ε3,ε4 = ε1 + ε2, ε5 = ε2 + ε3 (42)

Somit liegen mit ε alle Glieder der Matrix in Gl. (40) fest,und ε kann durch Nullsetzen der Determinante bestimmtwerden.

Nachfolgend soll noch ein anderer Weg aufgezeigtwerden, bei dem bestimmte Konstante (k1, k2, k3) be-stimmt werden, welche danach eine einfache Bestimmungder Biegelinie w——(x), also der Eigenschwingungsform, er-möglichen.

Die erste Gleichung von (40) liefert:

w——0 = k1 ϕ—0 (43)

Σ ΣΣ Σ ∆∆ ∆ Σ ΣΣ ∆ Σ Σ

c s

c s s

c s s s

s c c c

w

V

V

1 1

4 4 2

5 3

5 3

0

0

1

2

0

∆∆∆∆

Σ

Σ

w

M

Q

s

c

s

c

ζ

ζ

ζ

ζ

=

⋅12 2

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mit

(44)

Nach Einsetzen in die zweite Gleichung und Auflösennach V

——1 ergibt sich:

V——

1 = k2 ϕ—0 (45)

mit

(46)

Einsetzen von w——0 und V——

1 in die vierte Gleichung und Auf-lösen nach V

——2 liefert:

V——

2 = k3 ϕ—0 (47)

mit

(48)

Einsetzen von w——0, V——

1 und V——

2 in die dritte Gleichung ergibtschließlich folgende Eigenwertbedingung:

∆c · k1 + ∆s + Σs5 · k2 + Σs3 · k3 = 0 (49)

Bei der Nullstellensuche sind in jedem Schritt zunächstk1, k2 und k3 zu bestimmen, und es ist damit dann Gl. (49)auszuwerten.

Die Sonderfälle �1 = 0 und/oder �3 = 0 sind in vorste-henden Formeln enthalten.

Der Sonderfall �2 = 0 mit nur einem Lager dagegennicht; hier sind eine Unbekannte und eine Bestimmungs-gleichung weniger vorhanden. Wird formal das Lager 1weggelassen, so ist im Gleichungssystem (40) wegen V

——1 = 0

die 3. Spalte zu streichen. Mit �2 = 0 und �4 = �1 werdendie ersten beiden Gleichungen identisch, so daß eine zustreichen ist. Damit erhält man:

(50)

Entweder wird wieder die Determinante Null gesetzt, odernach der zweiten Möglichkeit vorgegangen. Dabei bleibendie Gln. (43) bis (49) gültig, jedoch mit Ausnahme vonGl. (46), die durch k2 = 0 zu ersetzen ist (wegen V

——1 = 0).

Die beiden Diagramme der Bilder 3 und 4 erlaubenfür den allgemeinen Fall beliebiger Abschnittslängen dieBestimmung des ersten bzw. zweiten Eigenwertes ε.

Im symmetrischen Fall �1 = �3 (�2 beliebig) ist dieSchwingungsform des ersten Eigenwerts stets symme-trisch, die des zweiten Eigenwerts stets antimetrisch.

Die in den Diagrammen eingetragenen Maximalwerteε = 4,730 bzw. ε = 7,853 entsprechen jenen des Stabes ohneLager gemäß Abschn. 7.1. Demzufolge sind in diesen Fällenauch die Auflagerkräfte Null.

Zu beachten ist, daß in den Diagrammen der Grenzfall�2 → 0 zwei unmittelbarbenachbarte Lager (mit Kräften → ∞)und der Fall �2 = 0 schließlich eine starre Einspannungbedeutet, was zu einer Entkoppelung der beiden Abschnitte

Σ Σ∆ ∆ ΣΣ ∆ Σ

c s

c s s

s c c

w

V

1 1

3

3

0

0

2

=ϕ 0

ks k c c k

c31 5 2

3= ⋅ + + ⋅

–Σ ∆ Σ

Σ

kc k s

s24 1 4

2= ⋅ +

–Σ Σ

ksc1

1

1= –

ΣΣ

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führt und bewirkt, daß für einen bestimmten Eigenwerti. allg. nur ein Abschnitt schwingt.

Der Sonderfall �2 = 0 mit nur einem Lager ist gemäßGl. (50) getrennt zu behandeln; die Ergebnisse sind inBild 5 wiedergegeben.

10 Berechnung der Schwingungsform

Mit bekanntem Eigenwert ε läßt sich die zugehörigeSchwingungsform berechnen. Mit den Vorwerten εi nachGl. (42) und k1 bis k3 nach den Gln. (44), (46) und (48) er-gibt sich aus der ersten Zeile der erweiterten Übertra-gungsbeziehung (vgl. Bild 2):

w———— = Σcξ · k1 + Σsξ für alle x+ ∆sη · k2 nur für x ≥ �1, y ≥ 0 } (51)+ ∆sζ · k3 nur für x ≥ �4, z ≥ 0

Darin ist w———— = 2 w——/ϕ—0, was aber ohne Bedeutung ist, da dieBiegelinie ohnehin nur bis auf einen Faktor bestimmt wer-den kann. Entfällt das Lager 1, ist wie zuvor mit k2 = 0 zurechnen.

11 Zahlenbeispiel: �1/� = 0,2, �3/� = 0,3

Für die erste Eigenschwingung erhält man:

ε = 4,4250, k1 = –0,86735, k2 = –0,62934, k3 = 1,59756

und für die zweite Eigenschwingung:

ε = 6,3542, k1 = –1,17102, k2 = 0,66472, k3 = –1,16402

Die beiden Eigenwerte ε sind (weniger genau) auch ausBild 3 bzw. Bild 4 ablesbar. Die mit Gl. (51) berechnetenzugehörigen Biegelinien w———— sind maßstäblich in Bild 6 dar-gestellt.

12 Berücksichtigung eines Gelenks an beliebiger Stelle

Unabhängig davon, ob und an welcher Stelle Lager vor-handen sind, kann ein Gelenk an der allgemeinen Stelle j

Bild 6. Biegelinien w———— der 1. und 2. Eigenschwingung fürBeispiel mit �1 = 0,2 � und �3 = 0,3 �Fig. 6. Deflection w———— of first and second mode for the exam-ple with �1 = 0,2 � and �3 = 0,3 �

Bild 3. Eigenwert ε für 1. EigenschwingungsformFig. 3. Eigen value ε for first mode of oscillation

Bild 4. Eigenwert ε für 2. EigenschwingungsformFig. 4. Eigen value ε for second mode of oscillation

Bild 5. Erster und zweiter Eigenwert ε für den Stab mit nureinem Lager (�2 = 0)Fig. 5. First and second eigen value ε for a girder with onlyone support (�2 = 0)

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gemäß Bild 7 dadurch berücksichtigt werden, daß demZustandsvektor gemäß Gl. (19) für x ≥ xj, d. h. y ≥ 0 fol-gende Änderung überlagert wird:

(52)

Funktionsvereinbarungen nach Tabelle 1

Für den bezogenen Knickwinkel gilt:

(53)

Bei der Aufstellung des (homogenen) Gleichungssystemszur Bestimmung des Eigenwerts steht für die zusätzlicheUnbekannte ∆ϕ—j die zusätzliche Gleichung M

——j = M

——(xj) = 0

zur Verfügung (dritte Zeile der Übertragungsbeziehung).Mit der Überlagerung des Zustandsvektors nach

Gl. (52) ist sichergestellt, daß sich die Zustandsgrößen w——,M——

und Q——

an der Stelle j des Gelenks nicht ändern.

13 Gleichungssystem für einen Stab mit Gelenk

Für den in Bild 8 dargestellten Stab mit einem Gelenkwird die Aufstellung des homogenen Gleichungssystemszur Bestimmung des Eigenwerts ε = g� gezeigt.

∆ ∆ϕ ϕj jg= 1

∆∆∆∆

Σ

Σ

w

M

Q

s

c

s

c

ϕ

η

η

η

η

=

⋅12

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Wegen w——0 = 0 und ϕ—0 = 0 entfallen in der Übertra-gungsmatrix von Gl. (19) die erste und zweite Spalte. Ausden Bedingungen M

——1 = 0, w——2 = 0, w——3 = 0 und M

——3 = 0 ergibt

sich folgendes Gleichungssystem:

(54)

Funktionsvereinbarungen nach Tabelle 1

DerAufbau des Gleichungssystems ist der gleiche wiein (40); die dort aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten kön-nen hier in gleicher Weise angewendet werden.

14 Zusammenfassung

Die angegebene Übertragungsbeziehung, die auf einenStab oder beliebigen Stababschnitt angewendet werdenkann, beschreibt das Eigenschwingungsverhalten in ge-nauer analytischer Form; sie ermöglicht damit die strengeBerechnung von Eigenfrequenzen und -formen auch fürhöhere Eigenschwingungen. Die in der Regel angewende-ten Näherungsverfahren (z. B. Näherungsansätze undRayleigh-Quotient) mit unbekannter Genauigkeit der Er-gebnisse – insbesondere bei höheren Eigenfrequenzen –können mit der Übertragungsbeziehung durch eine ver-gleichsweise einfache und zugleich strenge Berechnungersetzt werden. Die Anwendung wird für einen Stab ge-zeigt, der an beliebiger Stelle im Feld Lager oder Gelenkehaben kann, wobei an den Stabenden die Lagerung belie-big ist. Für den Balken auf zwei Stützen mit Kragarmen(auch unterschiedlicher Länge) werden Diagramme zurErmittlung der ersten beiden Eigenfrequenzen zur Verfü-gung gestellt.

Literatur

[1] Homann, S., Keye, S.: Einfluß der Auflagerpositionen aufdie 1. Eigenfrequenz beim Euler-Bernoulli-Balken. Stahlbau 73(2004), H. 2, S. 123–125.

[2] Pilkey, W. D.: Formulas for stress, strain, and structural ma-trices. John Wiley & Sons, Inc. 1994, S. 564 ff.

[3] Hütte, Theoretische Grundlagen. Berlin: Ernst & Sohn 1955,28. Auflage, S. 605.

Autor dieses Beitrages:O. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Helmut Rubin, Institut für Baustatik, Technische Universität Wien, Karlsplatz 13, A – 1040 Wien

Σ Σ∆ ∆ Σ∆ ∆ Σ ∆Σ Σ ∆ Σ

c s

c s s

c s s s

c s s s

M

Q

V

1 1

4 4 2

5 3

5 3

0

0

1

2

0Bild 7. Gelenk an der Stelle j mit Knickwinkel ∆ϕjFig. 7. Hinge at point j with angle of rotation ∆ϕj

Bild 8. Beispiel eines Stabes mit GelenkFig. 8. Example of a girder with an internal hinge