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Prof. Dr. Margitta Kunert-Zier Dipl.-Päd. Michaela Feigl, M.A. Abschlussbericht Evaluation der ersten Projektphase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt am Main Zeitraum: 15.11.2010-15.11.2011

AnKE FH FFM - weiterbildungsinitiative.de · Kira-Lee Kraje, Alicia Christina Prinz und Nadine Schuler danken sowie Marie-Louise Buchczik und Jens M. Schneider für die Unterstützung

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Prof. Dr. Margitta Kunert-Zier Dipl.-Päd. Michaela Feigl, M.A.

Abschlussbericht

Evaluation der ersten Projektphase des Projektes

AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt am Main Zeitraum: 15.11.2010-15.11.2011

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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INHALT

1. Einleitung .................................................................................................................................... 3 2. Entstehung und Entwickelung des Projektes AnKE .................................................................. 6 2.1 Der Kooperationsprozess zwischen Fachschulen und Fachhochschule............................ 8 2.2 Das Äquivalenzprüfverfahren .......................................................................................... 12 2.3 Das AnKE-FH FMM Verfahren ......................................................................................... 13 2.4 Formale Absicherung des Anrechnungsverfahrens an der Fachhochschule –

Auf dem Weg zur Akkreditierung ................................................................................... 18 3. Die Evaluation des AnKE-Projektes – Eine qualitative Erhebung bildungsbiographischer

Daten im ersten Studienjahr des BA Soziale Arbeit ................................................................ 22 3.1 Forschungsziele, Forschungsgegenstände und -fragen .................................................. 22 3.2 Forschungssetting............................................................................................................ 25 3.3 Die Forschungsgruppe: Akquise ...................................................................................... 29 4. Ergebnisse ................................................................................................................................. 31 4.1 Soziodemographische Daten der Untersuchungsgruppen ............................................. 31 4.1.1 Alter, Hochschulzugangsberechtigung und Berufserfahrung ......................................... 31 4.1.2 Migrationshintergrund .................................................................................................... 34 4.2 Bildungsmotivation ............................................................................................................. 34 4.3 Selbsteinschätzung von Kompetenzen und Vorwissen ...................................................... 41 4.3.1 Kompetenzen ................................................................................................................... 42 4.3.2 Vorwissen ......................................................................................................................... 47 4.4 Der Bildungsprozess im ersten Studienjahr ........................................................................ 54 4.4.1 Bewältigung des Einstiegs in das erste Studienjahr ........................................................ 54 4.4.2 Erfolge und Hürden im ersten Studienjahr ...................................................................... 57

4.4.3 Erste Überlegungen zur Relevanz bildungsbiographischer Vorerfahrun-gen und des familialen Bildungshintergrunds für den Studienverlauf ........................... 71

4.5 Zusammenfassung zentraler Erkenntnisse ..................................................................... 73 4.6 Überlegungen für die Curricula an Fachschule und Fachhochschule ............................. 77 5. Ausblick ..................................................................................................................................... 80 Quellenverzeichnis ................................................................................................................... 81 Anhang ...................................................................................................................................... 85

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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1. Einleitung

Im AnKE FH FFM-Projekt stehen die in der Ausbildung und im Beruf erworbenen Kompe-

tenzen von Erzieherinnen1 sowie deren Studienbiografien in einem verkürzten Studium

des BA Soziale Arbeit im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die Annahme, dass Erzie-

herinnen in das Studium der Sozialen Arbeit ein profundes sozialpädagogischen Profil und

spezifische Kompetenzen einbringen, die ihnen im Studium nützlich sind und das Studium

erleichtern, wurde mehrperspektivisch untersucht und konnte - zumindest für den Unter-

suchungszeitraum der ersten beiden Studiensemester - bestätigt werden.

Untersucht wurde, wie Erzieherinnen den Einstieg in ein um ein Semester oder 30 CP

verkürztes Studium erleben, ob und welche Vorteile sie gegenüber regulär Studierenden

haben und welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind.

Der folgende Bericht fasst die Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Anrechnungs-

verfahrens AnKE FH FFM von den ersten Kooperationen mit Fachschulen für

Sozialpädagogik bis zum Beginn des Verfahrens im Wintersemester 2010/2011 zusammen.

Es folgt die Erläuterung der Evaluation des Anrechnungsverfahren mit ihren

Forschungsfragen und dem Forschungssetting. Schwerpunkt des Berichtes ist die

Auswertung der Ergebnisse von qualitativen bildungsbiografischen Interviews, die die

Subjektperspektive der 30 an der Studie Beteiligten einfängt sowie von Daten zur

Selbsteinschätzung von Wissen und Kompetenzen mittels teilstandardisierter Fragebögen.

Der Einstieg in das Studium der Sozialen Arbeit wird durch die am Studium hoch

motivierten Erzieherinnen mit großer Begeisterung beschrieben. Die Aufnahme eines

Studiums vor dem Hintergrund einer fünfjährigen einschlägigen Ausbildung mit einer

spezifischen beruflichen Profilbildung, unterscheidet sich maßgeblich vom Studium der

regulär Studierenden. Beide Studierendengruppen zeigen beim Studienbeginn ähnlich

hohe Ressentiments und Ängste gegenüber den Anforderungen an wissenschaftliches

Arbeiten und bei der Bewältigung der Aufgaben in den Modulen. Die Studienleistungen

1 Es nahmen ausschließlich Erzieherinnen an der Studie teil, weshalb die weibliche Form in dieser Arbeit durchgängig gewählt wird, wenn die Untersuchungsgruppe gemeint ist.

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fallen im ersten Studienjahr ähnlich aus. Dennoch sind einige Hürden bei den

Erzieherinnen sichtbar geworden, die genauer betrachtet werden. Hinsichtlich der

Verarbeitung der Erfahrungen im Studium unterscheiden sich die Gruppemstark

voneinander. Die befragten Erzieherinnen erweisen sich in besonderer Weise als reflexiv

gegenüber ihrem eigenen Bildungsprozess. Dies verhilft ihnen dazu, Hürden mit einem

hohen Selbstverständnis zu überwinden und sich durch Fehlschläge nicht entmutigen zu

lassen.

In einem Untersuchungszeitraum von zwei Semestern können nur erste Eindrücke über

die Bewältigung der Anforderungen des Studiums gewonnen werden. Dennoch ist es

gelungen, die den Erzieherinnen eigene Art des Umgangs mit ihren Bildungserfahrungen

darzustellen und ihre Besonderheiten im Vergleich zur Untersuchungsgruppe der regulär

Studierenden herauszuarbeiten. Abschließend werden die zentralen Erkenntnisse

zusammengefasst und erste daraus resultierenden Überlegungen für die

Weiterentwicklung der Curricula an Fachschulen und Fachhochschule angestellt.

Die Evaluation der ersten Projektphase des AnKe-Projekts wurde durch die finanzielle

Unterstützung der Weiterbildungsinitiative frühpädagogischer Fachkräfte und des

Deutschen Jugendinstituts ermöglicht, wofür wir uns im Namen der Fachhochschule

Frankfurt an dieser Stelle bedanken. Die Fortsetzung der Evaluation ist viel versprechend

und aus wissenschaftlicher Sicht notwendig, da erst nach dem Abschluss eines gesamten

Studienverlaufs veritable Schlüsse und Erkenntnisse über Bildungsprozesse von

Erzieherin-nen in einem ermäßigten Studium der Sozialen Arbeit gewonnen werden

können.

Viele Fachhochschulen schauen mit Neugier und Skepsis auf dieses Pilotprojekt. Die

Öffnung der Hochschulen und die Anrechnung von außerhochschulisch erworbenen

Kompetenzen auf ein Studium sind ein Zukunftsprojekt und werden in der

Fachöffentlichkeit nicht nur mit Zustimmung zur Kenntnis genommen. Unter den

Bedingungen der Lehre an einer Fach-hochschule ein derart innovatives

Forschungsprojekt zu begleiten ist eine Herausforderung, die viel Durchhaltevermögen

und Fingerspitzengefühl erfordern. Nach einem Jahr und der Sichtung der Ergebnisse lässt

sich resümieren, dass es sich gelohnt hat. Die Durchlässigkeit von Ausbildungsgängen und

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die Öffnung der Hochschulen ist ein Projekt, das den auch international gefordertem

Anspruch an lebenslanges Lernen gerecht wird. Das Erlebnis der Begeisterung der

Erzieherinnen darüber, dass Ausbildungsanteile auf das Studium angerechnet werden und

ihr Enthusiasmus bei Studienbeginn, belohnt für die Mühen eines solchen Projektes.

Ein besonderer Dank gilt Frau Diller und Frau Nürnberg von der WiFF, die mit viel Geduld

das Projekt begleitet haben. Ebenso möchten wir den am Projekt beteiligten Tutorinnen

Kira-Lee Kraje, Alicia Christina Prinz und Nadine Schuler danken sowie Marie-Louise

Buchczik und Jens M. Schneider für die Unterstützung bei der Endredaktion.

Margitta Kunert-Zier und Michaela Feigl

Frankfurt am Main im Januar 2012

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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2. Entstehung und Entwicklung des Anrechnungsverfahrens AnKE an der Fachhochschule Frankfurt am Main

Im Zuge der Umstellung des Diplomstudiums auf den Bachelor Soziale Arbeit (BASA) ent-

schied der Fachbereich Soziale Arbeit an der Fachhochschule FFM, keinen eigenen früh-

pädagogischen Studiengang einzurichten. Ehemalige Erzieherinnen und Erzieher hatten

zuvor im Fachbereich Sozialpädagogik2 einen Großteil der Studierenden gebildet. Eine

Einengung dieser Zielgruppe auf die Arbeit mit Kindern wurde kritisch gesehen. Dennoch

sollte der BA Soziale Arbeit die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Frühkindlichen

Bildung berücksichtigen und entsprechende Angebote vorhalten. So wurden im BASA vier

Studienschwerpunkte geschaffen: Bildung und Erziehung3, Ausgrenzung und Integration,

Planung und Steuerung sowie Kultur und Medien (s. Modulplan Anhang I).

Der Studienschwerpunkt umfasst einen einsemestrigen Einstieg in das Berufsfeldfeld

(Modul 17), 50 Tage bzw. 400 Stunden Praxisanteile und eine zweisemestrige Praxisrefle-

xion (Modul 18). Es folgen vier schwerpunktbezogene Vertiefungsmodule4, so dass insge-

samt sechs Module mit insgesamt 50 CP im Schwerpunkt studiert werden. Hinzu kommen

zwei Module, die sich mit der BA-Thesis befassen. Die Thesis wird in der Regel zu einem

Thema des Studienschwerpunktes geschrieben.

Die Entscheidung für einen Studienschwerpunkt wird im dritten Studiensemester getrof-

fen. Studierende des BA Soziale Arbeit haben so die Möglichkeit, sich nach den Grundla-

genmodulen zu spezialisieren, erhalten aber dennoch einen Studienabschluss, der ihnen

Berufsmöglichkeiten in allen Feldern der Sozialen Arbeit eröffnet. Das Anerkennungsjahr

wurde an der Fachhochschule Frankfurt a. M. optional erhalten, so dass die BA-

Absolventen und -Absolventinnen nach sechs Semestern Regelstudienzeit noch ein weite-

2 Heute, zusammengefasst mit dem Fachbereich Sozialarbeit im Fachbereich 4 - Soziale Arbeit und Gesund-

heit. 3 Für den Schwerpunkt „Bildung und Erziehung“ wurden zwischen 2007 und 2008 zwei Professuren besetzt, davon eine mit dem Schwerpunkt „Frühkindliche Bildung und Kindesschutz“ und eine weitere mit dem Schwerpunkt „Bildung in der Sozialen Arbeit“.

4 Diese sind bezogen auf Soziale Arbeit, Gesellschaft und Persönlichkeit, Gesellschaft, Ökonomie und Sozial-staat sowie Recht.

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res Jahr in ein Arbeitsfeld des Studienschwerpunktes oder in einem anderen Bereich der

Sozialen Arbeit einsteigen und die Staatliche Anerkennung erlangen können5 .

Parallel zur Konzipierung des neuen BA-Studienganges Soziale Arbeit wurden seit 2007

mit der Berta Jourdan Fachschule für Sozialpädagogik in FFM erste Überlegungen zur An-

rechnung von in der Ausbildung zur Erzieherinnen und zum Erzieher erworbenen Kompe-

tenzen auf den Studiengang BASA entwickelt. Zeitgleich wurde dort bereits damit begon-

nen, Ausbildungsanteile zu modularisieren.

Im Februar 2009 schlossen sich zehn südhessische Fachschulen für Sozialpädagogik zu ei-

nem Verbund zusammen mit dem Ziel, mit der Fachhochschule FFM Kooperationsver-

handlungen zur Anrechnung aufzunehmen. An der Fachhochschule wurde eine Professo-

rin6durch das Dekanat beauftragt, federführend die Kooperationen mit den Fachschulen

fortzusetzen und den Entscheidungsprozess über ein Anrechnungsverfahren unter dem

Kollegium des Fachbereichs zu koordinieren. Eine wesentliche Aufgabe war es für die Ko-

ordinatorin, sich nicht nur selbst in das komplexe Themengebiet von Anrechnungsverfah-

ren einzuarbeiten, sondern im nächsten Schritt sowohl auf der Ebene des Fachbereiches

also auch auf der Ebene der Fachschulen, Informationen weiterzugeben, Diskussionspro-

zesse anzuregen und zu moderieren, unzählige Fragen zu klären und vielfältige Befürch-

tungen auszuräumen. Von Anbeginn stellte sich das Vermitteln zwischen skeptischen und

zustimmenden Hochschulangehörenden hinsichtlich der Anrechnung von außerhochschu-

lisch erworbenen Kompetenzen auf ein Studium als besondere Herausforderung dar.

Bundesweit existierten zum damaligen Zeitpunkt erste Anrechnungsverfahren ausschließ-

lich zwischen Fachschulen der Sozialpädagogik und den neu entstandenen Studiengängen

zur Frühen Bildung (z. B. seit 2008 an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin). Ausnahme

bildete das im Forschungsprojekt KomPädenZ7 entwickelte Verfahren für Erzieherinnen

und Erzieher auf einen BA-Studiengang Sozialarbeit/Sozialpädagogik an der ehemaligen

5 Für Erzieherinnen und Erzieher mit Staatlicher Anerkennung ermäßigt sich das Anerkennungsjahr um drei Monate. Sofern Sie vor dem Studium zwei Jahre vollzeitbeschäftigt waren, um weitere drei Monate (Hes-sischer Minister für Wissenschaft und Kunst 2005).

6 Es handelt sich um die Mitautorin des Berichts und die Projektleiterin des AnKE Projektes Prof. Dr. Margit-ta Kunert-Zier.

7 KomPädenZ – Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern auf einen BA-Studiengang Sozialarbeit/Sozialpädagogik unter Berücksichtigung des Gender Mainstreaming Prinzips.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Fachhochschule Nordostniedersachsen in Lüneburg (vgl. Stange/Eylert/Krüger/Schmitt

2009, S. 73 f). Dieses Verfahren konnte allerdings nur ein Jahr lang erprobt werden. Die

aus der Fusion der Fachhochschule Nordostniedersachen und der Universität Lüneburg

neu entstandene Leuphana Universität löste nach ihrem ersten Jahr mit einem gänzlich

neuen Studienmodell die traditionellen Studiengänge auf.

Die im Projekt KomPädenZ8 gewonnenen Erkenntnisse und das erprobte Instrumentarium

zur Äquivalenzermittlung und zu den Verfahrensschritten erwiesen sich als wertvolle

Quelle für das Frankfurter AnKE-Projekt. Es stellte sich die Aufgabe, die im KompädenZ-

Projekt gewonnenen Erkenntnisse mit den spezifischen Bedingungen in Frankfurt abzu-

gleichen und zu prüfen, inwiefern diese übertragbar seien9.

2.1 Der Kooperationsprozess zwischen Fachschulen und Fachhochschule –

Verständigungsprozesse und Hürden

Die intensive Auseinandersetzung mit den existierenden Anrechnungsverfahren, insbe-

sondere dem im KomPädenZ-Projekt entwickelten, hatte die Entscheidung zur Folge, ein

pauschales Anrechnungsverfahren zu präferieren und eine Anrechnung von 30 CP anzu-

streben. Die Kooperationspartner hatten teilweise schon modularisierte Lehrpläne auf

der Grundlage des Lehrplans für die Fachschule für Sozialpädagogik in Hessen entwi-

ckelt10. Der im Bologna-Prozess und dem Europäischen Qualifikationsrahmen EQR gefor-

derte Perspektivenwechsel vom Wissenserwerb auf die learning outcomes (Lernergebnis-

se) ist bereits 2004 in den Lehrplan für die Fachschule für Sozialpädagogik in Hessen mit

der Beschreibung von vier Lernfeldern, der Darstellung der Stundenzahl und der Be-

schreibung von zu erwerbenden Kompetenzen vollzogen worden (s. Abbildung 2.1). Es

war zu erwarten, dass die Äquivalenzprüfung, also der Vergleich der Modulbeschreibun-

gen des BASA mit den Lehrplänen der Fachschulen, auf dieser Basis möglich sein müsste.

8 Das KompädenZ-Projekt war zu dem Ergebnis gekommen, dass auf einen BA-Studiengang Sozialarbeit/ So-zialpädagogik 33,3 CP pauschal anrechenbar und nur durch zusätzliche Einzelfallprüfungen maximal 60 CP erreichbar seien.

9 Auf eine ausführliche Beschreibung dieses Prozesses und die theoretische Auseinandersetzung mit den im KompädenZ-Verfahren zugrundeliegenden Definitionen wird an dieser Stelle verzichtet.

10 Z. B. die Beruflichen Schulen Berta Jourdan, Frankfurt am Main.

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Dennoch zeigten sich die VertreterInnen der Fachschulen in ihren Erwartungen, mehr An-

teile der Ausbildung zur Erzieherinnen und zum Erzieher in Anrechnung zu bringen, ent-

täuscht. Für diejenigen Hochschulangehörigen, die mit der Gleichbewertung von Teilen

der Studieninhalte mit denjenigen an einer Fachschule eine tendenzielle Abwertung des

Studiums befürchteten, wirkte die anvisierte relativ geringe Anzahl von Credits eher be-

ruhigend. Der Start in das Projekt war also durchaus von gegensätzlichen Positionen auf

beiden Seiten geprägt, was immer wieder Gegenstand äußerst sensibel zu führender Dis-

kussionen wurde.

Im Juli 2009 verständigten sich Vertreterinnen und Vertreter der Fachhochschule Frank-

furt a. M. und des Verbundes von zehn südhessischen Fachschulen darauf, für die Äquiva-

lenzprüfung in ihren Lehrplänen diejenigen Angebote zu identifizieren, die hinsichtlich der

Inhalte, der Qualität und des Arbeitsaufwandes (Workload) mit den Modulbeschreibun-

gen der Grundmodule des BASA Modul 1 Soziale Arbeit, Modul 2 Recht und Modul 3 Ge-

sellschaft und Persönlichkeit gleichwertig schienen. Diese Module umfassten insgesamt

30 CP. Es wurde vereinbart, dass jede Schule in einer durch die Fachhochschule vorgeleg-

te Äquivalenztabelle ihre Angaben einträgt (s. Beispiel im Anhang II). Darin sollte den Mo-

dulbeschreibungen der Grundmodule 1-3 des BASA mit Angaben zu Inhalten, Lernergeb-

nissen, dem Kompetenzerwerb, der Prüfungsform und dem Workload mit den entspre-

chenden Informationen aus den Lehrplänen der Fachschulen verglichen werden. Für die

Fachschulen bedeutete diese Aufgabe, unterschiedliche Fächer bzw. Lernbereiche der ei-

genen Lehrpläne zu identifizieren, die mit den Modulbeschreibungen hinsichtlich der o. b.

Items höchstmögliche Übereinstimmung erzielen können. Dabei musste der gesamte

Ausbildungsgang an den Fachschulen berücksichtigt werden.

Wie komplex dieses Unterfangen war, zeigt ein Blick in den Lehrplan der Fachschulen. In

Abbildung 2.2 wird deutlich, welche Lernbereiche für das erste und das zweite Ausbil-

dungsjahr vorgesehen sind.

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Stundentafel für die Fachschule für Sozialpädagogik in Hessen- Rahmenstundentafel (§9 u. 129. Abs. 2 Hessisches Schulgesetz)

Lernbereiche Gesamtstunden StundenzahlAusbildungsabschnitt

1. 2. 3.

Lernbereich I: Gesellschaft und KulturDeutschFremdspracheSoziologie / PolitikBerufsReligion, Religionspädagogik / Ethik

16016016080

80808080

808080

Berufs-

praktikum

mit 160 Std.

Begleit-

unterricht

und Praxis-

betreuung

Lernbereich II: Sozialpädagogische Theorien und sozialpädagogische Praxis Sozialpädagogische Grundlagen Sozialpädagogische Konzepte und Strategien Ökologie / Umwelt- und GesundheitspädagogikReligionspädagogik, Religion / EthikRecht / Organisation / Verwaltung

400240 8080160

240 160 40

80

16080 40 8080

Lernbereich III: Medien sozialpädagogischen HandelnsAV-Medien BewegungGestaltung Kinder- und Jugendliteratur Musik Spiel

Insgesamt 800 480 320

Lernbereich IV: Sozialpädagogisches Handeln Sozialpädagogische PraxisWahlpflichtbereichZusatzunterricht zum Erwerb der Fachhochschulreife MathematikWahlfächer

460240

240160

12080

240

12080

Anmerkungen:

1. Eine abweichende Verteilung der Unterrichtsstunden auf den ersten und zweiten Ausbildungsabschnitt ist zulässig.

2. Ersatzfach im Sinne des § 8 Abs. 4 Hessisches Schulgesetz 3. Grundbildung in jedem Bereich (AV-Medien, Bewegung, Gestaltung, Kinder- und

Jugendliteratur, Musik, Spiel mit mindestens 60 Stunden) 4. Projektarbeit (mindestens 2 Projekte)5. Im ersten und im zweiten Ausbildungsabschnitt: 460 Stunden als Begleit- oder

Blockpraktika 6. Vertiefung in zwei der folgenden Schwerpunkte:

Sozialpädagogische Arbeit mit KindernSozialpädagogische Arbeit im außerschulischen Bereich Sozialpädagogische Arbeit in der ErziehungshilfeSozialpädagogische Arbeit mit Menschen mit BehinderungenSozialpädagogische Arbeit im interkulturellen Bereich

7. Wahlunterricht zur Ergänzung und Vertiefung der Pflichtfächer8. Berufspraktikum mit 160 Stunden Begleitunterricht und individuelle Beratung der

Praktikanten in der Praxiseinrichtung. Die Verteilung regelt die Schule in eigener Verantwortung.

9. Zum Erwerb der Fachhochschulreife muss die Fremdsprache Englisch sein.

(Quelle: Berufliche Schulen des Landes Hessen. Lehrplan für die Fachschule für Sozialpädagogik in Hessen:0/3)

(Abbildung 2.1: Stundentafel Fachschule für Sozialpädagogik Hessen)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Eine Expertengruppe, bestehend aus je vier Vertreterinnen und Vertretern der Fachhoch-

schule und der Fachschulen sowie je eine Vertreterin eines freien und eines öffentlichen

Trägers der Kinder- und Jugendhilfe, sollte die Tabellen prüfen und über die „Gleichwer-

tigkeit“ mit den Modulbeschreibungen des BASA befinden.

Nach Vorlage der ersten Tabellen wurde zunächst durch eine Gruppe von Professorinnen

an der Fachhochschule eruiert, ob die Einträge in den Tabellen aussagekräftig waren und

bereits Äquivalenzen sichtbar wurden. Eine erste Durchsicht ergab, dass die vorgelegten

Lehrplaninhalte hinsichtlich des sozialpädagogischen Grundlagen- und Methodenwissens

sowie der Reflexion der beruflichen Rolle in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, in-

haltlich und vom zeitlichen Umfang her weit über die Grundmodule des BASA (insbeson-

dere Modul 3 Gesellschaft und Persönlichkeit – Theoretische Grundlagen der Sozialisation

und kindlichen Entwicklung) hinausreichten.

(Abbildung 2.2: Lernbereiche für das erste und zweite Ausbildungsjahr an den Fachschulen im Vergleich zum BA Sozial Abeit)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Grundlagen der Sozialen Arbeit, die sich auf die Geschichte und Theorien des gesamten

Feldes (Modul 1) und die Grundlagen des Rechts der Sozialen Arbeit bezogen auf die Brei-

te des Feldes (Modul 2) fanden sich nur fragmentarisch. Stattdessen nimmt die Vermitt-

lung grundlegender Kenntnisse und Kompetenzen zur Umsetzung von Methoden wie Ein-

zelfallhilfe, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit und Kenntnisse des Kinder- und Jugendhil-

ferechts breiten Raum ein. Dieses Ergebnis traf in der Gesamtschau der

Äquivalenztabellen auf alle eingereichten Nachweise der zehn Fachschulen zu

Es zeigte sich, dass nicht alle beteiligten Fachschulen im gleichen Tempo und Umfang im-

stande waren, die Tabellen vorzulegen. Dies war weniger den Unterschieden der jeweili-

gen Lehrpläne und Qualifikationen zuzuschreiben, sondern eher den ungünstigen Perso-

nalressourcen und damit verbundenen Belastungssituationen einzelner Akteurinnen und

Akteure. Die Fachschulen, die bereits mit Modularisierungen begonnen hatten und per-

sonell gut ausgestattet waren, legten sehr ausführliche mit umfangreichen Quellenanga-

ben versehene Tabellen vor. Aufgrund dieser Heterogenität im Verbund der Fachschulen

waren erst im Oktober 2009 die Tabellen vollständig.

2.2 Das Äquivalenzprüfverfahren

Im November 2009 konstituierte sich die Expertengruppe. Die Tabellen wurden allen Mit-

gliedern zur Prüfung zugängig gemacht. Beim ersten Auswertungstreffen im Januar 2010

erwies sich, dass die schon bei der ersten Sichtung ausgewählter Äquivalenztabellen

durch die Fachhochschul-Professorinnen gewonnenen Eindrücke sich bestätigt hatten.

Die Grundmodule 1 und 2 des BASA zeigten sich nicht für die Anrechnung geeignet. Die

Beschreibungen aus den Lehrplänen der Fachschulen verwiesen deutlich auf umfangrei-

che Kenntnisse der Pädagogik und der Entwicklungspsychologie, des Kinder- und Jugend-

hilferechts, der Methoden, Theorien und Konzepte für sozialpädagogische Handlungsfel-

der und umfassende unter fachlicher Anleitung reflektierte sozialpädagogische Praxis. Die

Vertiefung dieser spezifischen Kenntnisse durch Praktika während der Ausbildung zur Er-

zieherinnen und zum Erzieher und durch das einjährige Berufsfeldpraktikum ließ ein ho-

hes Maß an reflektierter Handlungskompetenz erwarten. Es wurde deutlich, dass die

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Gleichwertigkeit dieser Ausbildungsanteile sich weniger in den Grundmodulen, sondern

eher in den stärker auf Methoden und Konzepte ausgerichteten Modulen (11 und 16) so-

wie pädagogischen und juristischen Aufbaumodulen finden ließen.

Im Zuge der Prüfung der Tabellen wurden grundlegende Überlegungen zum Verlauf des

Studiums für Studierende mit einem Berufsabschluss als Erzieherinnen bzw. Erzieher an-

gestellt. Dies lenkte den Fokus stärker auf die Strukturen und die in der Planung des BASA

implizierten Überlegungen zum Einstieg ins Studium. So werden die Grundmodule im BA-

SA im ersten und teilweise auch im zweiten Semester in festen Gruppen studiert. Die Stu-

dierenden werden diesen Gruppen zugewiesen und besuchen alle Grundmodule in diesen

Gruppen gemeinsam. Dies hat den Vorteil, dass der Einstieg ins Studium kollektiv statt in-

dividuell geschieht. Die Gruppen werden überdies durch Tutorinnen und Tutoren aus hö-

heren Semestern betreut. Hinsichtlich der Klärung von Fragen zu den Strukturen des BASA

und hinsichtlich der Orientierung an der Fachhochschule insgesamt können die Studien-

anfänger schneller Sicherheit und Orientierung erlangen. Erst nach Bestehen der Grund-

module treffen die Studierenden ihre individuelle Entscheidung für die Aufbaumodule

und den Schwerpunkt.

In diesem Licht schien es für die Erzieherinnen und Erzieher mit einem verkürzten Studi-

um als äußerst ungünstig, nach der Anrechnung von Grundmodulen gleich individualisiert

in das Studium einzusteigen. Überdies legten insbesondere die Professorinnen und Pro-

fessoren in der Expertengruppe Wert darauf, dass die Studierenden einen gemeinsamen

Start in den Grundmodulen erleben, um zu gewährleisten, dass sie alle über die gleichen

Basics verfügen. Es sei daher vertretbar, Module die üblicherweise im zweiten und dritten

Semester studiert werden, anzurechnen. In einer zweiten Prüfrunde wurden die Module

8.1 Aufbaumodul Recht: Kinder- und Jugendhilferecht, Familienrecht, 5 CP

9.1 Aufbaumodul Gesellschaft und Persönlichkeit: Pädagogische Bezüge, 5 CP

11 Methoden und Konzepte in der Sozialen Arbeit, 10 CP

16.1 Konzeptionelles Vertiefungsmodul – Entwicklung und Umsetzung ei-

nes künstlerisch-medialen Projektes oder 16.3 – Entwicklung und Umset-

zung eines pädagogisch-didaktischen Projektes, 10 CP

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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mit insgesamt 30 CP als anrechnungsfähig befunden. Zur Bestärkung der Entscheidung für

die genannten Module wurde als Vergleichsgrundlage der Lehrplan für die Fachschule für

Sozialpädagogik in Hessen hinzugezogen, der für alle Fachschulen verbindlich ist. Die

Rahmenstundentafel (S. Abb. 2.1) weist die entsprechenden Gesamtstunden aus, wo-

durch der Vergleich mit dem Workload, der in den Modulbeschreibungen des BASA zu-

grunde gelegt wird, möglich wurde.

Nicht nur die Lehrpläne der zehn teilnehmenden Fachschulen waren folglich Basis für die

Äquivalenzprüfung. Die anfängliche Intention, mit allen Schulen Kooperationsverträge ab-

zuschließen, wurde deshalb nicht mehr für notwendig erachtet. Die Äquivalenzprüfung

hatte bestätigt, dass die vorgelegten Lernbeschreibungen der Fachschulen dem Hessi-

schen Lehrplan weitgehend entsprechen. Dies bildet sich gleichermaßen in den für alle

hessischen Fachschulen für Sozialpädagogik gleichen Abschlusszeugnisformularen ab.

Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, dass das pauschale Anrechnungsverfahren für

Absolventinnen und Absolventen sämtlicher Fachschulen für Sozialpädagogik in Hessen

gelten solle. Diese Entscheidung wird durch den Beschluss der Kultusministerkonferenz

gedeckt, der für homogene Bewerbergruppen ausdrücklich pauschale Anrechnungsver-

fahren vorsieht (vgl. KMK Beschluss v. 18.09.2008, S. 2).

Im Gegensatz zum individuellen Anrechnungsverfahren, dass formale, non-formale und

informell erworbene Lernergebnisse einbezieht, beziehen sich pauschale Anrechnungs-

verfahren „normalerweise auf formal erworbene- in Abschlüssen und Zertifikaten doku-

mentierte- Lernergebnisse“ (ANKOM 2010, S. 17). Im Abschlusszeugnis der hessischen

Fachschulen wurden Fächer identifiziert, deren Noten für die Anrechnung zugrunde ge-

legt werden. Im April 2010 wurde in der Expertengruppe die Entscheidung für die o. g.

Module getroffen und beschlossen, dem Fachbereichsrat zu empfehlen, folgendes Ver-

fahren umzusetzen:

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„Ab dem Wintersemester 2010/2011 sollen (…) zunächst in einer Erprobungsphasevon 3 Jahren, AbsolventInnen der Fachschulen für Sozialpädagogik in Hessen, Ausbildungsleistungen, die an der Fachschule erworben wurden, auf folgende Module des BASA angerechnet bekommen:

Modul 8.1 (5 cp), 9.1 (5 cp), 11 (10cp) und 16 (10 cp).

Dadurch reduziert sich das BASA Studium um 30cp. Die Noten des theoretischen Abschlusszeugnisses, das nach dem Anerkennungsjahr als ErzieherIn ausgestellt wird, werden entsprechend einer Äquivalenztabelle 1/1 angerechnet.

Voraussetzung für die Anerkennung ist,

• Die Studierenden haben durch das an der FH übliche Bewerbungsverfahren einen Studienpatz erhalten

• Der Abschluss der Ausbildung als ErzieherIn (staatliche Anerkennung) liegt nicht länger als 5 Jahre zurück.“

(Auszug aus dem Antrag an den Fachbereichsrat)

(Abbildung 2.3: Auszug aus dem FBR-Beschluss von 9.6.2010)

Der Beschluss wurde am 9. Juni 2010 einstimmig getroffen.

Aufgrund des einleitend schon erwähnten Interesses des DJI, die Evaluation des AnKE-

Projektes aus Mitteln der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogischer Fachkräfte Wiff zu

ermöglichen, wurde ein Angebot für einen Forschungs- und Entwicklungsvertrag unter-

breitet, der im November 2011 durch den Direktor des Deutschen Jugendinstituts und

den Präsidenten der Fachhochschule Frankfurt unterzeichnet wurde. Am 15.11 konnte die

wissenschaftliche Mitarbeiterin Michaela Feigl eingestellt werden.

2.3 Das AnKE FH-FFM-Verfahren

Mit Beginn des Wintersemesters 2010/2011 wurden die Erstsemester-Studierenden be-

reits bei der Einführungsveranstaltung über die Möglichkeit eines Anrechnungsverfahrens

und die Teilnahme an der Evaluation informiert. Es meldeten sich mehr als 40 Interessier-

te. 23 Studentinnen wurden im Wintersemester 30 CP aus ihrer Ausbildung zur Erzieherin

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

16

auf den BASA angerechnet. Alle 23 Studentinnen erklärten sich bereit, an der Evaluation

des Verfahrens teilzunehmen. Eine Vergleichsgruppe von 12 regulär Studierenden konnte

ebenfalls für die Evaluation gebildet werden.

Die Anrechnung der Module hat erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Studienver-

lauf. Die Studierenden im Anrechnungsverfahren können insgesamt pro Semester weni-

ger Module studieren und damit die Belastung verringern, was insbesondere den Studie-

renden mit Kindern oder einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit neben dem Studium zu

Gute kommt. Theoretisch können sie das Studium bereits nach fünf Semestern abschlie-

ßen. Theoretisch deshalb, weil im BASA dazu noch die Prüfungsordnung geändert werden

muss. Durch den Wegfall eines Moduls, das regulär im 2. Semester beginnt (Modul 16)

könnte die Wahl für einen Studienschwerpunkt bereits dann erfolgen. Die Prüfungsord-

nung sieht allerdings vor, dass die Studienschwerpunktwahl erst im dritten Semester er-

folgt. Im Zuge des AnKE-Projektes wird eine entsprechende Änderung der Prüfungsord-

nung vorbereitet. Es zeigte sich aber, dass eine „Entschlackung“ des Studiums den meis-

ten Studierenden mehr entspricht als ein schnellerer Abschluss. Dies ist damit zu erklären,

dass alle Studierenden im AnKE-Projekt neben dem Studium, überwiegend als Erzieherin-

nen, arbeiten. Der Umfang der Arbeit variiert zwischen einem Job auf 400-Euro-Basis so-

wie acht bis maximal 20 Stunden pro Woche.

Ein weiteres Problem stellt sich bei den Studierenden, die inzwischen im 3. Semester stu-

dieren und aus Gründen der terminlichen Überschneidung ein Modul vorziehen, auf das

ein weiteres aufbaut (Modul 20 vor 19). Dies hat sich als nicht sinnvoll erwiesen. Deshalb

wird derzeit geprüft, für die Gruppe der reduziert Studierenden, die inzwischen eine Grö-

ßenordnung von ca. 30 angenommen hat, das Modul 19 als Blockveranstaltung an Wo-

chenenden anzubieten. Diese Beispiele zeigen, dass die Reduzierung des Studiums in ei-

nem sehr durchorganisierten Studiengang gut durchdacht sein muss und flexible - auf die

Zielgruppe abgestimmte - neue Angebote möglich sein müssen, um nicht ungewollt neue

Nachteile zu produzieren.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

17

(Abbildung 2.3 Anrechnungsverfahren AnKE FH FFM)

Die Evaluation des AnKE-Verfahrens bringt diese neuen Herausforderungen zutage. Es ist

ein Vorteil, dass der BASA-Studiengang zum Sommersemester2012 reakkreditiert wird

und die Akkreditierung des AnKE-Verfahrens gleichzeitig erfolgen soll. Im Zuge der Akkre-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

18

ditierung des Verfahrens, die erst die Voraussetzung für die formale Absicherung des An-

rechnungsverfahrens gewährleisten wird, steht auch der BASA auf dem Prüfstand. Die In-

tegration der Akkreditierung des AnKE-Verfahrens in den BASA erfordert, alle in den Pro-

zess der Reakkreditierung eingebundenen Akteurinnen und Akteure dafür zu gewinnen.

Dies ist nur möglich, wenn größtmöglicher Konsens über die Implementierung der An-

rechnung außerhochschulischer Kompetenzen in das Fachhochschulstudium erreicht

werden kann. Eine uneingeschränkte Unterstützung des Dekanats und der Hochschullei-

tung sind dafür unverzichtbar.

2.4 Formale Absicherung des Anrechnungsverfahrens an der Fachhochschu-

le - auf dem Weg zur Akkreditierung

Ein Anrechnungsverfahren außerhochschulischer Kompetenzen gilt bei der Akkreditierung

und Reakkreditierung von Studiengängen als Qualitätsmerkmal (KMK-Beschlüsse I und II

vom 28.06. 2002 und vom 18.09. 2008). Die Anrechnung kann erst dann rechtsgültig er-

folgen, wenn das Verfahren akkreditiert wurde. Das AnKE-Projekt ist ein Modellversuch

und bewegt sich mit der derzeitigen Praktizierung von Anrechnungsvorgängen noch in ei-

nem Experimentierraum. Dies ist möglich, weil die Anrechnung außerhochschulischer

Kompetenzen am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit ausdrücklich erwünscht ist

und die Hochschulleitung mit der Unterzeichnung des Forschungs- und Entwicklungsver-

trages im November 2010 mit dem DJI/der Wiff ausdrücklich dem Modellversuch zur

Entwicklung und Erprobung eines Anrechnungsverfahrens zugestimmt hat. Der Senat der

Fachhochschule beschloss bereits im Sommer 2011 eine Änderung der Allgemeinen Be-

stimmungen dahingehend, dass im Berufsleben erworbene Kompetenzen nach einer Ein-

zelfallprüfung anrechenbar sein sollen. Da darin nicht die Kompetenzen enthalten sind,

die in Kontexten der beruflichen Weiterbildung erworben wurden, ist derzeit eine weitere

Änderung in Vorbereitung, die dieses ausdrücklich vorsieht.

Parallel zu den umfassenden Diskussions- und Abstimmungsprozessen, die mit einer Än-

derung der Prüfungsordnung in den Allgemeinen Bestimmungen einer Hochschule ein-

hergehen, wird der Akkreditierungsantrag für das AnKE-Verfahren vorbereitet.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

19

Dabei wird die Anrechnungsleitlinie für die Qualitätssicherung von Verfahren zur Anrech-

nung beruflicher und außerhochschulisch erworbener Kompetenzen auf Hochschulstudi-

engänge der Initiative ANKOM zugrunde gelegt.

Sie sieht als Qualitätsstandards fünf Gegenstandsbereiche vor:

1. Lernergebnisbeschreibung

2. Äquivalenzprüfung

3. Formale Verankerung der Anrechnungsregelung

4. Information und Beratung

5. Evaluation (vgl. BMBF-Initiative ANKOM 2010:6-9)

Im Folgenden wird beschrieben, wie die Gegenstandsbereiche im AnKE-Projekt

umgesetzt wurden.

Lernergebnisbeschreibung

Die Lernergebnisbeschreibung besteht seitens der Fachhochschule FFM aus den Modul-

beschreibungen des BASA (Fachhochschule Frankfurt am Main 2007). Der BASA wurde

unter Bezug auf den Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen und den

Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (Bartosch, Maile, Speth München 2006) entwickelt

und 2007 akkreditiert. Darin werden die im BASA zu erzielenden Lernergebnisse be-

schrieben (s. Abb. 2.4). Bei der Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompeten-

zen muss also geprüft werden, ob die vorgelegten Nachweise diesen Lernergebnissen

gleichwertig sind.

Äquivalenzprüfung

Die Äquivalenzprüfung muss zweckmäßig, verlässlich, gültig und transparent sein. Das

oben beschriebene Äquivalenzverfahren erwies sich als zweckmäßig, da anhand der Lehr-

pläne der zehn untersuchten Fachschulen und des Abgleichs der schulischen Lehrpläne

mit dem Lehrplan für die Fachschule für Sozialpädagogik in Hessen (2004) sowohl hin-

sichtlich der Inhalte, der fachbezogenen Referenzen, der Kompetenzbeschreibungen und

1. Lernergebnisbeschreibung

2. Äquivalenzprüfung

3. Formale Verankerung der Anrechnungsregelung

4. Information und Beratung

5. Evaluation (vgl. BMBF-Initiative ANKOM 2010:6-9)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

20

des Workload hohe Übereinstimmung mit den Modulbeschreibungen des BASA erzielt

wurden. Aufgrund des z. T. wesentlich höheren Workload in den entsprechenden Lernbe-

reichen kann sogar davon ausgegangen werden, dass die Absolventinnen der Fachschulen

ihr Wissen und ihre Fähigkeiten stärker vertiefen konnten als es in einem Modul des BA-

SA, das nur in einem Semester stattfindet, möglich ist. Insgesamt verfügen die Erzieherin-

nen über ein ausgeprägtes sozialpädagogisches Profil, das ihnen einen deutlichen Wis-

sens- und Kompetenzvorsprung gegenüber regulär Studierenden sichert. Dies hat die Eva-

luation des 1. AnKE-Projektjahres sicher nachgewiesen.

(Abbilddung 2.4 Lernergebnisbeschreibung Bachelor Soziale Arbeit)

In der ersten Projektphase wurde die Transparenz des Verfahrens durch die Information

der Erstsemester bei der Einführungsveranstaltung und durch dort verteilte und am Fach-

bereich ausgelegte Flyer gesichert. Auf Hochschulebene und mit Blick auf die Öffentlich-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

21

keit muss die Transparenz des Verfahrens noch geschaffen werden, z. B. durch die Veröf-

fentlichung des Verfahrens auf der Website der Fachhochschule. Dies wird erst nach Än-

derung der Prüfungsordnung in den Allgemeinen Bestimmungen der Fachhochschule ge-

schehen können.

Formale Verankerung

Ein erster Schritt zu einer formalen Verankerung wurde bereits auf Fachbereichsebene

durch einschlägige Beschlüsse der Fachbereichs- und der Studiengangskonferenz began-

gen. Die formale Verankerung der Anrechnungsregelung auf der Ebene der Hochschule

wird in einer Anrechnungsordnung erfolgen, die - sobald der Senat die Anrechnung au-

ßerhochschulisch erworbener Kompetenzen ausdrücklich in den Allgemeinen Bestim-

mungen zulässt- vorbereitet und durch die entsprechenden Gremien verabschiedet wer-

den muss. Im Rahmen der Reakkreditierung des BASA wird es Änderungen in der Prü-

fungsordnung geben. Das Diploma-Supplement wird Hinweise zu angerechneten Modu-

len enthalten.

Information und Beratung

Durch die AnKE-Projektleitung und die wissenschaftliche Mitarbeiterin im AnKE-Projekt

werden regelmäßige Sprechstunden und Terminvereinbarungen mit Studierenden gesi-

chert. Die am AnKE-Verfahren teilnehmenden Studierenden sind im studentischen E-

Learning-System Moodle mit einander vernetzt. Dort sind alle wichtigen Informationen

zum Projekt eingestellt. Überdies wurden Instrumente der Beratung entwickelt wie drei

alternative Empfehlungen zum Studienverlauf. Ein Flyer und Plakate sind in Planung.

Evaluation

Die Evaluation aus den Mitteln der Wiff/des DJI wurden im ersten Projektjahr gesichert.

Es wird angestrebt, das bisherige Evaluationsverfahren bis zum Ende eines ersten Studi-

endurchlaufs der ersten Studierendenkohorte im AnKE-Projekt bis 2013 fortzusetzen. Im

Rahmen der Qualitätsentwicklung sind Evaluationen des Studiums und der Lehre an der

Fachhochschule Frankfurt obligatorisch. Bei einer Verstetigung des Verfahrens müssen

dafür eigene Instrumente entwickelt werden.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

22

3. Die Evaluation des AnKE-Projektes - eine qualitative Erhebung bildungsbiographischer Daten im ersten Studienjahr des Ba-chelor of Arts Soziale Arbeit

3.1 Forschungsziele, Forschungsgegenstände und Forschungsfragen

Ziel der Evaluation der Pilotphase des AnKE-Projektes ist es, Grundlagen und fundierte

Argumente für die Etablierung von Anrechnungsverfahren außerhochschulischer Kompe-

tenzen ehemaliger Erzieherinnen und Erzieher an den Bachelor Soziale Arbeit (BASA) zu

generieren. Gleichzeitig sollen Befürchtungen, dass mit der Anrechnung außerhochschuli-

scher Kompetenzen aus dem Erzieherberuf das Studium an der Fachhochschule tendenzi-

ell dequalifiziert werden könne, ausgeräumt werden.

Es geht zum einen darum, Argumente für die Durchlässigkeit der Ausbildungsgänge im

Bereich von Bildung und Erziehung zu stärken. Zum anderen sollen die spezifischen

Kenntnisse und Fähigkeiten von Erzieherinnen und Erziehern auf ihre Gleichwertigkeit ge-

genüber den im BASA zu erwerbenden Kompetenzen kritisch untersucht werden. Deutlich

erkennbare Vorteile aber auch mögliche Barrieren sollen identifiziert werden.

Diesem Projekt liegen folgende Hypothesen zugrunde:

1. Erzieherinnen und Erzieher, die ein Studium der Sozialen Arbeit an einer Fachhoch-schule aufnehmen, verfügen aufgrund der schon vorhandenen Fach- und Feldkennt-nisse über eine spezifische Bildungs- und Aufstiegsorientierung.

2. Mit dem Studium verbinden sie folgende mögliche Ziele:

a. Sie beabsichtigen, im Berufsfeld der Erziehung und Bildung von Kindern einen akademischen Ab-schluss zu erlangen, um in diesem Arbeitsfeld später bessere berufliche Positionen zu erlangen – (Wei-terbildung und Berufsaufstieg im Feld).

b. Sie möchten ihr bisheriges Berufsfeld bewusst verlassen und mit anderen Zielgruppen arbeiten (Er-weiterung des Berufsspektrums und Berufsaufstieg mit vielen Möglichkeiten – raus aus der Sackgasse).

c. Sie erwägen nach dem BA-Studium noch einen Masterstudiengang anzuschließen, um weitere berufli-che Aufstiegspositionen zu erreichen oder zu promovieren (Erlangen eines möglichst hohen Bildungs-grades mit weiter reichenden Aufstiegsmöglichkeiten – Führungspositionen, Forschung und Lehre)

3. Erzieherinnen und Erzieher bringen ein profundes sozialpädagogisches Profil und spe-zifische Kompetenzen in das Studium der Sozialen Arbeit ein, die ihnen im Studium nützlich sind und das Studium erleichtern.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

23

4. Der Rückgriff auf die in der Ausbildung erworbenen Fachkenntnisse und Kompetenzen kann ihnen im Studium Vorteile verschaffen, kann aber auch dazu führen, dass sie be-reits über Bewertungsroutinen für berufliche Phänomene verfügen, die sich wissen-schaftlich-analytischen Perspektiven eher widersetzen.

5. Die besondere Herausforderung für diese Zielgruppe besteht darin, eine eher hand-lungsorientierte Perspektive um eine wissenschaftlich-analytische Perspektive zu er-weitern.

6. Die Bewältigung des Studiums wird auch von bildungsbiografischen Vorerfahrungen in Schule und Berufsleben, dem familialen Bildungshintergrund und einem möglichen Migrationshintergrund geprägt, die sowohl förderlich als auch hinderlich wirksam werden können11.

Um diese Hypothesen zu verifizieren, wurde ein an der biografischen Bildungsforschung

orientiertes Forschungssetting entwickelt. Nur ein qualitatives Forschungsverfahren ist

imstande, die subjektiven Verarbeitungsformen von Bildungsprozessen und Herausforde-

rungen im Lebenslauf „einzufangen“. Mittels bildungsbiografischer Interviews und in

Gruppengesprächen geben die Erzieherinnen und eine Vergleichsgruppe regulär Studie-

render Auskunft über ihre spezifische Bewältigung der Anforderungen des Studiums. In-

dem die Bildungsverläufe ehemaliger Erzieherinnen und regulär Studierender verglichen

werden, sollen Erkenntnisse über diejenigen Studierenden gewonnen werden, die außer-

hochschulisch erworbene fachspezifische Kenntnisse und Kompetenzen in ein Studium

einbringen und damit Belege für die Anschlussfähigkeit von Bildungswegen erbringen

können.

Stärken und mögliche Defizite der Absolventinnen und Absolventen von Fachschulen in

einem Studiengang des BA Soziale Arbeit werden herausgearbeitet. Die Ergebnisse sollen

in die Entwicklung von Vorschlägen zur Abstimmung von Lehrplänen/schulinterner Curri-

cula der Fachhochschulen mit den Modulbeschreibungen/dem Curriculum des BASA ein-

fließen.

11

Die Kategorie „Geschlecht“ wird hier vernachlässigt, da an der Studie nur ein männlicher Studierender in der Vergleichsgruppe der regulär Studierenden teilnimmt. Welchen Stellenwert Anrechnungsverfahren für ErzieherInnen unter Gender Mainstreaming-Aspekten haben kann, wurde im KomPädenZ-Projekt untersucht (vgl. Henschel 2009, S. 200-218).

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

24

Die größten Bedenken gegenüber einer Anrechnung von Ausbildungsanteilen, die an

Fachschulen erworben werden, auf ein Fachhochschulstudium, bestehen hinsichtlich der

Frage der Vergleichbarkeit von eher handlungsorientierten mit wissenschaftlichen Ausbil-

dungsinhalten. Maßstab der Vergleichbarkeit ist deshalb nicht allein das erfassbare Fach-

wissen sondern der Kompetenzerwerb. Da sich die Modulbeschreibungen im BASA auf

die angestrebten Lernergebnisse und Kompetenzen beziehen, müssen die AbsolventInnen

von Fachschulen nachweisen, dass sie im Rahmen ihrer schulischen und praktischen Aus-

bildung tatsächlich vergleichbare Lernergebnisse erzielt und entsprechende Kompetenzen

erworben haben.

Bei der Identifizierung von anrechnungsfähigen BASA-Modulen wurden insbesondere die-

jenigen mit deutlich sozialpädagogischer Ausprägung bestimmt. Hier liegen eindeutig die

Stärken der Fachschulabsolventinnen und -absolventen. Überdies bringen sie durch das

Anerkennungsjahr fundierte reflektierte sozialpädagogische Berufserfahrungen mit.

Ein weiterer Vorbehalt gegenüber FachschülerInnen besteht hinsichtlich der Frage der

Fähigkeit zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten gegenüber dem eher verschul-

ten Arbeiten an Fachschulen. Es sollte erhoben werden, ob sich diesbezüglich bei einer

Reduzierung des Studiums Schwierigkeiten ergeben würden.

Folgende Untersuchungsgegenstände und Fragen stehen im Zentrum der Evaluation:

Die Bildungsmotivation: Ist diese bei den Erzieherinnen höher als bei regulär Stu-dierenden?

Der Kompetenzzuwachs: Wie verläuft dieser vor dem Hintergrund der spezifischen „mitgebrachten“ Kompetenzen?

Der Bildungsprozess: Wie stellt dieser sich bei den Erzieherinnen im Vergleich zu den regulär Studierenden dar - In welcher Hinsicht tauchen Schwierigkeiten auf? In welcher Hinsicht ergeben sich deutliche Vorteile?

Der Perspektivenwechsel von einem handlungsorientierten zu einem wissen-schaftlich fundierten Berufsverständnis – gelingt dieser ohne Schwierigkeiten?

Eigenverantwortliches wissenschaftliches Arbeiten - Fällt dieses den Erzieherin-nen leicht oder müssen sie Barrieren überwinden?

Darüber hinaus soll untersucht werden, ob Zusammenhänge zwischen den bildungsbio-

grafischen Vorerfahrungen sowie dem familialen und kulturellen Hintergrund der Unter-

suchungsgruppen und der Bewältigung der oben genannten Aspekte erkennbar sind.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

25

3.2 Forschungssetting

Das AnKE-Projekt ist ein Modellversuch und hat im Wintersemester 2010/11 die Pilotpha-

se mit einer relativ kleinen Gruppe von 23 ehemaligen Erzieherinnen und einer Ver-

gleichsgruppe von 12 regulär Studierenden begonnen. Für die Evaluation kam deshalb nur

eine qualitative Forschungsmethode infrage. Das Forschungssetting wurde so angelegt,

dass die Subjektperspektive der beteiligten Akteurinnen und Akteure in ihrem ersten Stu-

dienjahr eingefangen werden konnte. Dieser Bericht wirft also Schlaglichter auf den Bil-

dungsprozess von Erzieherinnen, die den Übergang ins Studium, neue Lernsituationen,

einen Statuswechsel und die Verknüpfung ihres mitgebrachten Wissens und ihrer Fertig-

keiten mit neuem Wissen bewältigen müssen.

Das Forschungssetting ist an der qualitativen Bildungsforschung orientiert, für die „die die

Ausrichtung am Subjekt leitend (ist), d. h. das Handeln der an Bildung Beteiligten und die

Verarbeitung von Lebens- und Lernerfahrungen als Bildungsprozess stehen im Fokus der

Analysen“ (Garz/Blömer2005, S. 445).

Zentrales Forschungsinstrument im AnKE-Verfahren ist ein leitfadengestütztes Interview

(Interviewleitfaden; Beispiel s. Anhang III) zur Erhebung der Bildungsmotivation, der

Selbstdeutungen der Relevanz der „mitgebrachten“ Kompetenzen und zur Reflexion des

Bildungsprozesses im Studienverlauf, das jeweils in der ersten und der zweiten Erhe-

bungsphase geführt wurde. Vor den Interviews beantworteten die Teilnehmenden einen

teilstandardisierten Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Kompetenzen und des Vor-

wissens (s. Anhang IV). In der zweiten Erhebungsphase fanden zudem thematische Grup-

pengespräche zum Thema „Bildungspaket“ statt, die der Erhebung des Diskussionsstils

dienen sollten.

In der Auswertung – in Anlehnung an Marotzki (1995) – standen „die Rekonstruktion der

unterschiedlichen Erfahrungsaufschichtungen des Subjekts sowie dessen individuelle Ver-

arbeitungsmuster“ im Zentrum. Die Auswertung des qualitativ erhobenen Datenmaterials

in jeder Erhebungsphase und die beabsichtigte Fortsetzung bis zum Ende des Studiums

kann im Sinne Marotzkis als „Dokumentation von Bildungsprozessen“ gesehen werden,

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

26

„da in ihnen die Welt- und Selbstsicht des Individuums in lebensgeschichtlichen Zusam-

menhängen zur Darstellung kommt“ (1995, S. 119).

(Abbildung 3.1 Forschungssetting im AnKE-Projekt für die erste Projektphase)

Das Sampling unterschiedlicher Forschungsinstrumente sichert eine mehrperspektivische

Herangehensweise an die Untersuchungsgegenstände. Während die Selbsteinschätzung

der Kompetenzen mittels eines Fragebogens nur Vermutungen über den Grad der Selbst-

gewissheit zulässt, kann die Inhaltsanalyse eines transkribierten Interviews wesentlich dif-

ferenzierte Hinweise auf die Befindlichkeiten der Akteurinnen und Akteuren im Studium

und den Grad der Verarbeitung und Reflexion, also die „Erfahrungsaufschichtung“ er-

schließen. In der Art und Weise, wie über diese Themen gesprochen wird, können Ambi-

valenzen identifiziert werden. Schließlich eröffnet die Videoanalyse von Diskussionsver-

läufen den Blick auf die einzelnen Akteurinnen und Akteure im sozialen Kontext. Aktivi-

tätsgrad, Körpersprache und Intonation geben vielfältige Hinweise auf die Authentizität

und die Selbstsicherheit der Teilnehmenden. Der Vergleich der gewonnen Erkenntnisse

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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mit den Ergebnissen der Fragebogenerhebung und der Analyse der Interviews lässt An-

nahmen über mögliche Divergenzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu.

In Anlehnung an das Kompetenzmodell von Heyse/Erpenbeck (2004), das Fach- und Me-

thodenkompetenz, Handlungskompetenz und Personalkompetenzen umfasst und vor

dem Hintergrund der zuvor gebildeten Hypothesen und Forschungsfragen, wurde ein Leit-

faden für das erste Interview sowie ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung des „mitge-

brachten“ Vorwissens und von Kompetenzen entwickelt. Die Gespräche hatten eine

durchschnittliche Dauer von 25 Minuten und wurden mittels eines digitalen Aufnahmege-

rätes im mp3-Format aufgenommen.

Die Auswertung der leitfadengestützten Interviews erfolgte in Anlehnung an das von Phi-

lipp Mayring 1983 entwickelte Verfahren der Qualitativen Inhaltsanalyse. Die Interviews

wurden vollständig transkribiert und mithilfe der Software MAXQDA analog der sieben,

von Mayring vorgeschlagenen Schritte ausgewertet. Im ersten Schritt wurde die Bestim-

mung der Analyseeinheit vorgenommen. Dies bedeutete eine erste Zuordnung der Inter-

viewfragen zu den Hypothesen und Fragestellungen der Studie.

Abb. 3.3 Inhaltsanalyse nach P. Mayring [2010])

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

28

Dies bedeutete eine erste Zuordnung der Interviewfragen zu den Hypothesen und Frage-

stellungen der Studie. Hier zeigte sich, dass es Überschneidungen in den Aussagen gab

und nicht immer eindeutige Zuordnungen zu den Forschungsfragen vorgenommen wer-

den konnten. Dieser Konflikt wurde dadurch gelöst, dass Aussagen mehreren Fragestel-

lungen zugeordnet werden mussten, was in der späteren Auswertung wiederum berück-

sichtigt werden müsste (Schritt 7). In den Transkripten wurden die entsprechenden Ant-

worten der Teilnehmenden markiert und in die jeweiligen Dokumente für jede Analyse-

einheit eingefügt. Dieses diente als Grundlage für die weitere Auswertung.

Die Schritte 2-4, die Paraphrasierung der inhaltstragenden Textstellen, die Bestimmung

des angestrebten Abstraktionsniveaus, die Generalisierung der Paraphrasen unter diesem

Abstraktionsniveau und die erste Reduktion des Materials durch Selektion und das Strei-

chen bedeutungsgleicher Paraphrasen wurden zunächst durch jede Mitarbeiterin des

Auswertungsteams mit Hilfe entsprechender Tabellen, die dafür eigens entwickelt wur-

den, einzeln vorgenommen. Die kritische Sichtung und die Modifikation der Ergebnisse

fanden in mehreren Forschungswerkstätten statt. Die Zusammenfassung der Schritte 2-4

in Tabellen erwies sich als hilfreich, insbesondere um das Material zu reduzieren. Die

Schritte 5-6: die zweite Reduktion durch Bündelung, die Konstruktion und Integration von

Paraphrasen auf dem angestrebten Abstraktionsniveau wurden gemeinsam in For-

schungswerkstätten bearbeitet.

Die Zusammenfassung der Aussagen als Kategoriensystem (Schritt 6) nahmen die Mitar-

beiterinnen des Forschungsteams zunächst einzeln vor. Nach der Einigung über die Kate-

gorienbildung wurden zu jeder Kategorie zusammenfassende Texte verfasst. Schließlich

fand die Rücküberprüfung des zusammenfassenden Kategoriensystems am Ausgangsma-

terial (Schritt 7) statt. Dabei wurden besonders treffende Zitate der Interviewten heraus-

gesucht und in die Texte zu den Kategorien eingearbeitet. Diese Dokumente bildeten die

Basis für den Auswertungsbericht.

Die Auswertung der Fragebögen zum Vorwissen und zu den Kompetenzen erfolgte in

mithilfe von Excel-Tabellen zunächst für jede Untersuchungsgruppe. In einem zweiten

Schritt wurden die Ergebnisse für jede Kategorie in Vergleichstabellen eingearbeitet und

zusätzlich mithilfe von Säulendiagrammen graphisch dargestellt. Zur Erhebung des Dis-

kussions- und Kommunikationsstils wurden vier Gruppengespräche mit 5-8 Teilnehmen-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

29

den aus beiden Gruppen zum Thema „Bildungspaket – Gutscheine oder Bargeld für ‚arme‘

Kinder“ (s. Anlage V) geführt. Von Mitte bis Ende Juli fand die Auswertung der Videoauf-

nahmen statt. In mehreren Durchläufen wurden die Gesprächsverläufe unter den oben

beschriebenen Kriterien mithilfe von Tabellen mit wechselnden Beobachterinnen (jeweils

3-5 pro Gespräch) analysiert (vgl. Fischer 2010). Die Ergebnisse wurden in Tabellen fest-

gehalten.

Schließlich wurden Porträts aller Teilnehmenden erstellt mit kurzen Zusammenfassungen

der Interview-Aussagen zu den zentralen Fragen, den Angaben zum Vorwissen, den Kom-

petenzen, zum Studienverlauf und zum Diskussionsstil in den Gruppengesprächen. Er-

gänzt werden die Porträts durch die Angaben zu den soziodemografischen Daten und den

Modulergebnissen (Noten) des ersten und des zweiten Semesters. Die vorgesehene Typi-

sierung der Teilnehmenden in den Untersuchungsgruppen kann zum derzeitigen Zeit-

punkt nur grob entlang der soziografischen Daten, den intersektionalen Kategorien und

der erzielten Noten erfolgen12.

Für die Auswertung der ersten Projektphase des AnKE-Projektes liegt umfangreiches sys-

tematisch aufbereitetes qualitatives Datenmaterial vor. Die entwickelten Instrumente ha-

ben sich zur Generierung von qualitativen bildungsbiografischen Befunden als effizient

erwiesen. Aufgrund der unterschiedlichen Forschungsinstrumente besteht die Möglich-

keit einer differenzierten Auswertung der erste Projektphase. Dennoch sind Aussagen zu

den Ergebnissen nur als ein Zwischenstand zu lesen. Valide Aussagen zur individuellen

Wirkung der Anrechnung der außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen bei Erziehe-

rinnen auf den Bildungsverlauf können erst nach der Evaluation des gesamten Studiums

dieser Kohorte gewonnen werden.

3.3 Die Untersuchungsgruppen: Akquise

Da die Studienverläufe von Studierenden mit einer Ausbildung zur Erzieherin13 mit denen

regulär Studierender verglichen werden sollten, mussten zwei Untersuchungsgruppen

gebildet werden. Von den ehemaligen Erzieherinnen, die einen Antrag auf die Anrech-

12

Um aussagefähige Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen den soziodemografischen Da-ten, den intersektionalen Kategorien und dem Bildungserfolg zu erzielen, ist die Evaluation des gesamten Studienverlaufs abzuwarten (s. a. Abschnitt 4.4.3).

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

30

nung ihrer außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen gestellt hatten, erklärten sich

23 Studentinnen bereit, an der Studie für die Dauer ihres Studiums teilzunehmen. Der

Kontakt zu der Gruppe kam im Kontext der Antragstellung auf Anrechnung zustande. Die

Motivation der Erzieherinnen, an einer Studie teilzunehmen, war zunächst hoch. Eine

gleich große Gruppe regulär Studierender ohne einschlägige berufliche Vorkenntnisse zu

finden, erwies sich als schwierig. In einem ersten Versuch wurden die an der Evaluation

teilnehmenden Erzieherinnen gebeten, sich jeweils eine Person für die Vergleichsgruppe

zu suchen. Im Flyer zum AnKE-Verfahren wurden die Studierenden folgendermaßen ange-

sprochen:

„Die Teilnahme an der Evaluation ermöglicht Ihnen…

• eine intensive Studienbegleitung, • zweimal pro Semester Teilnahme an Interviews • Reflexion und Austausch über ihre Studienerfahrungen in einer Gruppe • das Kennenlernen berufsbiografischer qualitativer Forschungsmethoden, • Teilhabe/Diskussion und Reflexion der Ergebnisse • Sie erhalten eine qualifizierte Bescheinigung!“ (Erstsemesterinfo Sept. 2010)

Schließlich meldeten sich zwölf Studierende, darunter elf Frauen und ein Mann. An der

ersten Erhebungsphase nahmen insgesamt 35 Studierende teil. Während der zweiten Er-

hebungsphase reduzierte sich die Zahl der StudienteilnehmerInnen auf 30, davon 20 Er-

zieherinnen und 10 regulär Studierende (9 weiblich, 1 männlich).

Am Ende des zweiten Semesters wurden ergänzend soziodemografische Daten erhoben.

Damit sollten Zusammenhänge zwischen Bildungshintergrund der Herkunftsfamilien der

Untersuchungsgruppen und den Aussagen zur Bildungsmotivation und zum Studienver-

lauf hergestellt werden können. Überdies wurden die erzielten Noten bei den Modulprü-

fungen erfragt, um die Angaben zur Selbsteinschätzung des Fachwissens und der Kompe-

tenzen abzugleichen und erste Schwierigkeiten im Studienverlauf zu identifizieren14.

14

Die Ergebnisse werden unter Kapitel 4.4.3 zusammengefasst.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

31

4. Ergebnisse

4.1 Die Untersuchungsgruppen – Soziodemographische Daten

Nach der Auswertung der Befunde der ersten Erhebungsphase insbesondere nach der Vi-

deoanalyse von Fach-Diskussionen war deutlich geworden, dass quer durch beide Unter-

suchungsgruppen deutliche Hinweise auf weitere Unterscheidungskategorien für die

Auswertung relevant werden würden. Der Bildungsverlauf im Studium könne nicht allein

nach der Zugehörigkeit zur Gruppe der Erzieherinnen und zur Vergleichsgruppe regulär

Studierender ausgewertet werden. Ebenso müssten Befunde zum familialen Bildungshin-

tergrund, zum Alter, über die Dauer der Berufstätigkeit vor dem Studium und über einen

möglichen Migrationshintergrund herangezogen werden. Die Abfrage soziographischer

Daten sollte ermöglichen, diese intersektionalen Kategorien (vgl. dazu Winkler/Degele

2009) in die Auswertung einzubeziehen. Folgende eingangs formulierte Hypothese war

dafür erkenntnisleitend:

„Die Bewältigung des Studiums wird auch von bildungsbiografischen Vorerfahrungen in Schule und Berufsleben, dem familialen Bildungshintergrund und einem möglichen Migrationshintergrund geprägt, die sowohl förderlich als auch hinderlich wirksam wer-den können“ (Hypothese 6).

Im Folgenden werden die Ergebnisse hinsichtlich der genannten Kategorien in den Unter-

suchungsgruppen dargestellt. Inwieweit diese als förderlich bzw. hinderlich für den Studi-

enverlauf und die Studienergebnisse der Teilnehmenden erweisen, wird in der Zusam-

menfassung zentraler Ergebnisse (s. Kap. 4.4.3) reflektiert.

4.1.1 Alter, Hochschulzugangsberechtigung und Berufserfahrungen

Das Alter, die schulische Laufbahn, die Abschlüsse und die Tatsache, vor dem Studium

schon im Beruf gestanden zu haben, sind Faktoren, die den Einstieg in das Studium er-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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schweren oder erleichtern können. Letztlich besteht auch die Frage nach sehr „geradlini-

gen“ und den eher „ungeraden“ Biografien. Es kann davon ausgegangen werden, dass die

Bildungsmotivation, die mitgebrachten Kompetenzen und die Art und Weise, in der die

Anforderungen des Studiums bewältigt werden, von der Art der Vorerfahrungen abhängt.

Eine Schülerin, die direkt nach dem Abitur ein Studium beginnt, hat möglicherweise ge-

ringere Vorstellungen, was sie in der Sozialen Arbeit erwartet als eine Studentin, die

schon im Ausland ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert hat oder eine, die über lange

Jahre der Berufstätigkeit verfügt.

Erzieherinnen

Über einen akademischen Abschluss verfügt knapp ein Drittel der Eltern der Erzieherin-

nen. Die allgemeine Hochschulreife haben jeweils ein Vater und eine Mutter erworben,

die übrigen Akademiker erwarben ein Fachabitur. Für sechs der Väter wird ein Universi-

tätsabschluss angegeben, bei den Müttern sind es vier. Diese Eltern haben offenbar den

Weg an die Universität über die Fachhochschule erlangt. Den Fachhochschulabschluss hat

eine Mutter erreicht. Damit kann der überwiegende Anteil der Eltern mit akademischem

Abschluss als sehr erfolgreiche so genannte „Bildungsaufsteiger“ bezeichnet werden. Das

Berufsspektrum der Väter umfasst die Arbeit in Banken, als Informatiker, als Polizeibeam-

ter, Schulleiter oder als Selbstständiger, die Mütter arbeiten unter anderem als Kitaleite-

rin, als Lehrerin oder Referentin.

Einen Realschulabschluss haben drei Väter und sieben Mütter erlangt. Sie sind in Hand-

werksberufen, als Angestellte und im Außendienst tätig, die Mütter z. B. als Altenpflege-

rin, Bauzeichnerin, Bankkauffrau, Erzieherin oder im Kurierdienst. Über einen Haupt-

schulabschluss verfügen sechs Väter und vier Mütter. Die Väter arbeiten als Chemiearbei-

ter, Lastkraftfahrer, Produktionsleiter, Schweißer und Techniker, die Mütter als Bürokauf-

frau, Friseurin, Raumpflegerin, Sekretärin und Verkäuferin. Jeweils zwei Elternpaare sind

ohne Schulabschluss. Knapp die Hälfte der Erzieherinnen gibt an, die erste in ihrer Familie

zu sein, die ein Studium aufnimmt.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Vergleichsgruppe

In der Vergleichsgruppe haben fünf Mütter und vier Väter einen Universitätsabschluss

sowie zwei Mütter und ein Vater einen Fachhochschulabschluss. Über die allgemeine

Hochschulreife verfügen sechs Mütter und fünf Väter, dies sind zwei Drittel der Eltern der

Vergleichsgruppe. Auffällig ist, dass diese Elternpaare überwiegend pädagogische oder

helfende Berufe ausüben. Vier Elternpaare haben einen mittleren Schulabschluss und ein

Elternpaar keinen Schulabschluss erreicht. In dieser Gruppe werden Berufe wie Busfahrer,

Erzieherin, Kassiererin und Konstrukteur genannt. Die Kinder dieser Eltern haben vor dem

Studium eine Berufsausbildung absolviert und zählen damit zu den „Bildungsaufsteigern“.

Vergleich beider Gruppen

Während in der Gruppe der Erzieherinnen etwa ein Drittel deutlich zu den erfolgreichen

Bildungsaufsteigern zählt, stammt die Mehrzahl der Vergleichsgruppe aus klassischen

Akademiker-Familien. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Eltern überwiegend in

helfenden und pädagogischen Berufen tätig sind. Die Mehrzahl dieser Kinder verfügt über

das Abitur. Wie schon erwähnt, hat ein Teil dieser Studierenden das FSJ absolviert und

den Versuch, an der Universität zu studieren zugunsten der Fachhochschule aufgegeben.

Das höhere Image der Universität scheint in diesen Familien keine wesentliche Rolle zu

spielen. Es ist zu vermuten, dass in diesen Familien den Kindern Freiräume für eigene Bil-

dungswege jenseits von Statusfragen zugestanden werden. Das Studium dient für diese

Gruppe auf keinen Fall als Bildungsaufstieg, es könnte sogar mit Blick auf den Status der

Eltern tendenziell mit einem „Bildungsabstieg“ assoziiert werden. Zentral scheint für diese

Gruppe, ein Studium zu durchlaufen, das spezifischen eigenen Bedürfnissen oder Moti-

ven dient. Diese Vermutungen sollen im Verlauf der Studie noch verifiziert werden.

Knapp die Hälfte der Erzieherinnen nimmt als Erste in ihrer Familie ein Studium auf. Damit

können spezifische Erwartungen der Herkunftsfamilie verbunden sein und ein besonderer

Erfolgsdruck. In der Vergleichsgruppe betrifft dies nur eine Person.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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4.1.2 Migrationshintergrund

Zwei Studierende mit Migrationshintergrund finden sich in der Gruppe der Erzieherinnen,

zwei in der Vergleichsgruppe der regulär Studierenden. Die Eltern von drei Studierenden

verfügen über keinen Schulabschluss und arbeiten in den genannten vermutlich gering

bezahlten Dienstleistungsberufen. Diese Studierenden können als bildungsbenachteiligt

gelten. Für sie bedeutet das Studium einen deutlichen Bildungsaufstieg. Dennoch ist nur

eine der drei Studierenden die erste, die in ihrer Familie studiert. Dies lässt vermuten,

dass die Eltern ihre Kinder in ihrem Bildungsweg unterstützt haben oder dass sie mögli-

cherweise außerhalb der Familie eine besondere Förderung erlebt haben. Die Mutter der

vierten Studierenden mit Migrationshintergrund verfügt über einen akademischen Ab-

schluss, der im Ausland erworben wurde und arbeitet in einem nicht-akademischen Be-

ruf. Die Migration war für die Mutter offenbar mit einem Statusverlust verbunden. Ob

und wie sich diese familiären Hintergründe auf den Studienverlauf auswirken, soll im Wei-

teren betrachtet werden.

4.2 Bildungsmotivation

Die Gruppe der Erzieherinnen und Erzieher gehört, so die Gewerkschaft Erziehung und

Wissenschaft in ihrer Kita- Studie, zu den Berufsgruppen, die sich

„wahrscheinlich am intensivsten weiterbilden“ (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissen-

schaft 2007. S. 8). Dies wird auf die spezifischen Anforderungen im Erzieherinnenberuf

und den Wunsch, sich in finanzieller Hinsicht zu verbessern und mehr gesellschaftliche

Anerkennung zur erlangen, bezogen. Es ist also von besonderem Interesse, ob sich diese

„Weil, …nur Erzieherin wollte ich nicht mein Leben lang bleiben“ Marie (EG). „Wenn ich schon mal das Fachabitur habe und wenn ich die Möglichkeit habe, mich wei-

terzubilden, dann mach ich das ja wohl, dann ist das ja ganz klar“ Maja (EG).

„Für mich war es sehr wichtig, etwas zu studieren, was mit Menschen zu tun hat“ Zoey

(VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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starke Bildungsmotivation auch bei den Erzieherinnen, die sich im Studium befinden, fort-

setzt.

Im Folgenden werden die Aussagen zur Bildungsmotivation der Erzieherinnen systemati-

siert und mit der der Gruppe regulär Studierender verglichen. Folgende Hypothesen sind

dafür erkenntnisleitend:

1) Erzieherinnen und Erzieher, die ein Studium der Sozialen Arbeit an einer Fachhoch-schule aufnehmen, verfügen aufgrund der schon vorhandenen Fach- und Feld-kenntnisse über eine spezifische Bildungs- und Aufstiegsorientierung.

2) Mit dem Studium verbinden sie folgende mögliche Ziele:

a) Sie beabsichtigen, im Berufsfeld der Erziehung und Bildung von Kindern einen akademischen Abschluss zu erlangen, um in diesem Arbeitsfeld später bessere be-rufliche Positionen zu erlangen – Weiterbildung und Berufsaufstieg im Feld.

b) Sie möchten ihr bisheriges Berufsfeld bewusst verlassen und mit anderen Ziel-gruppen arbeiten - Erweiterung des Berufsspektrums und Berufsaufstieg mit vielen Möglichkeiten – raus aus der Sackgasse).

c) Sie erwägen nach dem BA-Studium noch einen Masterstudiengang anzuschließen um weitere berufliche Aufstiegspositionen zu erreichen oder zu promovieren -Erlangen eines möglichst hohen Bildungsgrades mit weiter reichenden Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten –Führungs-positionen, Forschung und Lehre.

Über die Bildungsmotivation der Vergleichsgruppe lassen sich nur vage Vermutungen an-

stellen. So kann angenommen werden, dass diejenigen Studierenden mit einer Berufs-

ausbildung insofern aufstiegsorientiert sind, als ein akademischer Grad eine höhere ge-

sellschaftliche Anerkennung genießt als eine Berufsausbildung. Die Studierenden mit der

allgemeinen Hochschulreife studieren möglicherweise an der Fachhochschule, weil sie

den hohen Anwendungs- und Praxisbezug suchen, den sie an der Universität z. B. in einen

BA Erziehungswissenschaften weniger vorfinden. Die Entscheidung für ein Studium der

Sozialen Arbeit bedeutet allerdings insgesamt, dass aufgrund der vergleichsweise gerin-

gen Bezahlung die Berufsinhalte mehr im Vordergrund stehen als die Karrierewünsche.

Weitere Gründe könnten in der Erwartung an ein FH-Studium liegen, dass dort ein BA-

Abschluss leichter (angenommene geringere Leistungsansprüche) und angenehmer zu er-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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langen ist (kleinere Gruppen, weniger Studierende, bessere Betreuung durch Lehrende)

als an der Universität.

Im Folgenden werden die Aussagen zur Frage:

„Warum haben Sie diesen Studiengang (Bachelor Soziale Arbeit) gewählt?“

(erstes Einzelinterview, Frage 2) unter dem Aspekt der Bildungsmotivation ausgewertet.

Außerdem werden Aussagen der Studierenden auf die Frage:

„Welche Berufsfelder innerhalb der Sozialen Arbeit interessieren Sie besonders?“

(zweites Einzelinterview, Frage 12) hinzugezogen15.

Interesse am Berufsfeld

Das „Interesse am vielfältigen Berufsfeld“ wird in beiden Untersuchungsgruppen am häu-

figsten als Motiv für das Studium genannt. Dabei wird die unterschiedliche Ausgangsbasis

beider Gruppen deutlich.

Elena (EG) verweist direkt auf die vorangegangene Ausbildung:

Simone aus der Vergleichsgruppe (VG) argumentiert aus einer inneren Haltung heraus:

Die Mehrzahl der Erzieherinnen möchte durch das Studium die berufliche Einschränkung

auf die Frühe Bildung überwinden und sieht darin eine Weiterqualifizierung (Hypothese

2b). Das Interesse an zahlreichen Berufsfeldern wird benannt. Dazu folgendes Zitat:

15

Die Untersuchung folgt der Häufigkeit der Nennungen einzelner Aspekte in den Interviews und damit der Relevanz der Kategorien für die Teilnehmenden.

„ja dieses Berufsfeldfeld hat mich eigentlich schon immer interessiert, ja also gerade, weil es halt so vielfältig ist, ja in diesen ganzen Bereichen und, (...) ich bin ja so hilfsbereit auch, helfe Men-schen gerne bei Problemen (...) mal zu lösen, ja und eigentlich auch so (…) meine ganze soziale Art.” Simone (VG)

„Weil ich ja schon die Erzieherausbildung gemacht habe und (...) ich gemerkt habe, es ist zwar

mein Ding, aber ich möchte das also, ich möchte ein größeres Spektrum haben, was ich später

machen kann” Elena (EG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Die Möglichkeit, nach dem Studium weiter als Erzieherin zu arbeiten, wird nur von zwei

Erzieherinnen explizit erwähnt. Eine von ihnen möchte mit Kindern unter drei Jahren ar-

beiten, eine weitere Erzieherin Theresa (EG) äußert dazu folgende Überlegungen:

Für Theresa ist die Rückkehr in das alte Berufsfeld eine Option, die ihr offenbar Sicher-

heit gibt, auch wenn sie sich diese noch offenhält. Insgesamt ist die Motivation der Er-

zieherinnen, eine akademische Qualifizierung mit dem Ziel zu erlangen, danach in das al-

te Arbeitsfeld zurückzukehren (Hypothese 2a), nur gering vorhanden.

Ein Teil der Erzieherinnen (6) definiert bereits genau das angestrebte künftige Berufsfeld.

Sie möchten später im Allgemeinen Sozialen Dienst, der Adoptionsvermittlung, in der Fa-

milienhilfe und der Jugendgerichtshilfe tätig sein. Es kann resümiert werden, dass die Er-

zieherinnen insgesamt schon relativ klare Vorstellungen über das Professionsfeld der So-

zialen Arbeit mitbringen und teilweise schon sehr genau wissen, mit welchem Ziel sie das

Studium aufgenommen haben. Ein weiterer Grund für die Tendenz zur Abkehr aus dem

Bereich der Frühen Bildung sind enttäuschende Berufserfahrungen:

„…weil ich so in der Ausbildung festgestellt hatte, also ich bin anfangs davon ausgegangen,

dass ich mal fest im Kindergarten landen werde, und das so die Arbeit ist, die ich mal machen

möchte (...), aber habe dann so festgestellt, dass es mir irgendwo nicht wirklich reicht”. Leonie

(EG)

„Ja das ist so die Sache, also ich liebe eigentlich meinen Beruf (...), und ich finde vieles interes-

sant ja, also deswegen ich bin auch noch nicht sicher, welchen Schwerpunkt ich wähle. Also

entweder gehe ich halt so auf Nummer sicher so und bleibe halt (…)einfach bei ‚Kinder und

Jugend‘, weil also so die Arbeit mit Kindern macht mir schon (...) großen Spaß und gibt mir

wahnsinnig viel (…). Ich glaube, ja, da kann noch auch viel gehen.“ Theresa (EG)

„…weil ich auf der einen Seite mich weiter qualifizieren wollte, weil ich mich eigentlich nicht im

(…) Bereich Kindergarten, Krippe sehe, sondern eigentlich Hort, Jugendalter aber auch Er-

wachsenen-Arbeit interessiert mich”. Susann (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Intrinsische Motivation

Einen sehr hohen Stellenwert für die Aufnahme des Studiums der Sozialen Arbeit haben

in beiden Untersuchungsgruppen intrinsische Motive. Hilfsbereitschaft, soziale Werte so-

wie das Einstehen für Gerechtigkeit und eine bessere Welt werden erwähnt. Die Aussa-

gen unterscheiden sich dennoch. Bei den Studierenden in der Vergleichsgruppe stehen in-

trinsische Motive sozusagen „für sich“:

Bei den Erzieherinnen werden intrinsische Motive genannt, die aber mit klaren Weiterbil-

dungszielen verknüpft werden.

Wissenserweiterung

Der Wunsch nach der Erweiterung des Wissens wird von nahezu allen Erzieherinnen als

eines der Hauptmotive für das Studium genannt. Irina (EG) wünscht sich einen „Lernzu-

wachs“ und Julie (EG) betont die Attraktivität des Studiums läge darin,

Hier wird deutlich, dass die Festlegung des Erzieherinnenberufs auf die Arbeit mit Kindern

offenbar als einengend empfunden wurde und deutlich mehr Optionen im Berufsleben

angestrebt werden. In der Vergleichsgruppe erwähnt nur eine Person den Wunsch nach

Wissenserweiterung und betont, dass es vor allem darum geht, Professionalität im alltäg-

lichen Handeln der Sozialen Arbeit zu erlangen:

„Für mich war es sehr wichtig, etwas zu studieren, was mit Menschen zu tun hat. Ich wollte es

ausprobieren, Soziale Arbeit (...). Ich wusste nicht genau, was mich da erwartet und war einfach

gespannt und habe mich drauf eingelassen und bin eigentlich sehr zufrieden und positiv über-

rascht.“ Zoey (VG)

„…weil ich eigentlich gern mit Menschen zusammen arbeite und schon die Ausbildung zur Erzie-

herin gemacht hatte und danach nach einer Möglichkeit gesucht hab, das eben noch ein biss-

chen weiter zu entwickeln, weil nur Erzieherin wollte ich nicht mein Leben lang bleiben”. Marie

(EG)

„dass es da ganz verschiedene Bereiche gibt, und dann dachte ich mir, kann ich mir gleich den

Studiengang, die verschiedenen Bereiche anschauen, und dann hat man auch später im Leben

(…), also kann man auch mal wechseln“. Julie (EG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Lernbereitschaft

Auch wenn die Studierenden aus der Vergleichsgruppe den Wissenserwerb im Studium

im Interview für kaum erwähnenswert hielten, gaben 83,3 % bei der ersten Erhebung zur

Selbsteinschätzung der Kompetenzen eine hohe bis sehr hohe Lernbereitschaft an, die im

zweiten Semester deutlich geringer ausfiel. Hier war nur noch die Hälfte besonders lern-

bereit, und 10 % gaben an, kaum Lernbereitschaft zu zeigen. In dieser Gruppe muss deut-

lich eine Ernüchterung hinsichtlich ihres Engagements im Studienverlauf eingetreten sein.

Die Erzieherinnen hingegen steigerten ihre Angaben zur Lernbereitschaft von 69,5% in der

ersten Erhebungsphase auf 75 %. Dies mag damit zusammenhängen, dass sie sehr zielori-

entiert an das Studium herangehen und die Studieninhalte eher als bereichernd erleben,

während die Studierenden in der Vergleichsgruppe möglicherweise nicht immer nachvoll-

ziehen können, wofür sie bestimmte Studieninhalte benötigen. Nicht zu unterschätzen ist

außerdem, dass für die Erzieherinnen das Studium nach einer sehr langen verschulten

Ausbildungsphase und der Arbeit mit Kindern vermutlich wesentlich attraktiver und das

Lernen als lustvoll wahrgenommen wird, vor allem weil es einen Zugewinn an Freiheit, an

Wissenserweiterung und gesellschaftlichem Ansehen mit sich bringt.

Aufstiegsorientierung

„…das war eigentlich auch schon für mich immer ein Traum, also ich wollte schon immer Sozial-

pädagogin werden. Also ich habe die Erzieherausbildung unter anderem deshalb gemacht, da-

mit ich (…) also diese Fachhochschulreife bekomme (...) das war eigentlich der Hauptgrund,

warum ich die Erzieherausbildung gemacht habe.” Jette (EG)

„Ich denke mal durch persönliche Einstellungen, irgendwie Menschen auch helfen zu wollen,

zu wissen, wie gehe ich mit einem Menschen um, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen. Also wie

helfe ich einem Menschen, weil manchmal kann auch Hilfe in die andere Richtung gehen.

Wenn man denkt, man hilft jemandem, kann es auch vorkommen, dass man eigentlich je-

mandem schadet. Und ich möchte Methoden und Konzepte lernen (...), in dem ich (...) Men-

schen helfe, ohne irgendwie etwas Negatives dabei auszulösen. Ja konstruktiv und nicht

irgendwie (…) destruktiv.“ Zoey (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Während Jette die Erzieherinnenausbildung ganz bewusst als Bildungsbrücke ins Studium

sieht, erlebte zum Beispiel Anne die Begrenzung ihrer beruflichen Möglichkeiten schon

während der Ausbildung und leitet darüber die Motivation für das Studium ab:

Die Studierenden der Vergleichsgruppe benennen, dass sie sich für das Studium an der

Fachhochschule aus eher pragmatischen Gründen entschieden haben, z. B. da die Fach-

hochschule mehr Praxisnähe hat oder um später einen bestimmten Studienschwerpunkt

zu wählen. Sie erwähnen auch die Tatsache, dass der Zugang zur Universität durch das

Fachabitur eingeschränkt ist. Lotta wählte das Studium wegen des Schwerpunktes „Kul-

tur und Medien“ und der Option, Musiktherapie studieren zu können. Diese Möglichkei-

ten werden als attraktive Alternative zum Universitätsstudium gesehen:

Drei Teilnehmende der Vergleichsgruppe streben ein Masterstudium an, für das sie den

Bachelorabschluss benötigen. Für diese Gruppe ist der BA Soziale Arbeit nicht unbedingt

mit einem Berufsziel verbunden sondern er wird als notwendiger Schritt zu einem

nächsthöheren Bildungsabschluss gewählt.

Sechs Erzieherinnen benennen bereits ein konkretes Berufsziel. Sie möchten in der Erzie-

hungshilfe, in der Jugend- und Erwachsenenarbeit, als Leitung einer Kita, in der Familien-

hilfe, in der Heimerziehung und in der Jugendgerichtshilfe arbeiten. Insgesamt verfügen

die Erzieherinnen über eine hohe Bildungsmotivation, die sie vor dem Hintergrund ihrer

Berufserfahrungen mit der Erschließung neuer Arbeitsfelder verbinden. Ein Masterstudi-

um als Ziel wird von keiner der Erzieherinnen genannt.

„Ja und die einzige Alternative wäre ja eigentlich Erziehungswissenschaften gewesen was…, wo

ich aber gehofft hab, dass es hier ein bisschen praxisnaher ist als an der Uni“.

„Weil ich mein zweiwöchiges Praktikum in der Erzieherausbildung in einem Kinder- und Ju-

gendheim (…) gemacht habe, und das hat mir ja sehr gut gefallen, und ich würde gerne in dem

Bereich arbeiten…, und da darf man nur als Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin arbeiten. Die

haben einen als Erzieherin nicht genommen, und das war so mein..., ja mein Grund”. Anne (EG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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4.3 Selbsteinschätzung von Kompetenzen und Vorwissen

Kompetenzen verstehen wir als eine Gesamtheit aus fachlichem, formal und überfachli-

chem informell erworbenen Wissen und Können16. Bei der Bestimmung von Kompeten-

zen besteht also die besondere Herausforderung, nicht nur die formal erworbenen, in No-

ten fixierten Lernergebnisse zugrunde zu legen, sondern das Individuum in seinen Lebens-

und Erfahrungszusammenhängen in den Blick zu nehmen. Kompetenz wird also nicht nur

in institutionalisierten Lernprozessen vermittelt, „sie entwickelt und erweitert sich viel-

mehr im Lebensvollzug, d. h. im Rahmen des lebenslangen Erfahrungslernens“ (vgl. Ar-

nold 2001: 176). Dabei wird ein „subjektives Potential zum selbstständigen Handeln in un-

terschiedlichen Gesellschaftsbereichen“ entwickelt (vgl. ebd.).

In dieser Studie fließen seitens der Erzieherinnen Erfahrungen aus dem Kompetenzerwerb

an Fachschulen für Sozialpädagogik, in unterschiedlichen Praktika sowie im Anerken-

nungsjahr, im Berufsleben und erste Studienerfahrungen ein. Seitens der Vergleichsgrup-

pe ist der Kompetenzerwerb in der vorangegangenen schulischen und möglicherweise be-

ruflichen Ausbildung, bei Auslandsaufenthalten, im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen

Jahres, in beruflichen Zusammenhängen und in den beiden ersten Studiensemestern re-

levant. In beiden Gruppen spielt der Kompetenzerwerb in formalen und in informellen

Kontexten eine Rolle. Für ein Studium in einer Bachelor-Struktur ist das eigenverantwort-

liche, selbstständige Lernen zentral. Im Hinblick auf das Berufsfeld der Sozialen Arbeit

sind die schon erwähnten Kompetenzfelder: Fach- und Methodenkompetenzen, Hand-

lungskompetenzen und Personalkompetenzen von Bedeutung (vgl. Heyse/Erpenbeck

2004). Es ist also von besonderem Interesse, welche eigenen Kompetenzen die Erziehe-

rinnen und die Studierenden aus der Vergleichsgruppe erwähnen und inwieweit sie

wahrnehmen, ob diese sich im Studium der Sozialen Arbeit als nützlich erweisen. Die Eva-

luation des AnKE-Verfahrens dient auch dazu, die im Äquivalenzverfahren identifizierten

anrechnungsfähigen außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen aus der Subjektper-

16

Zur Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kompetenzbegriffen s. a. Stange, Eylert et.al. 2009, S. 74 ff.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

42

spektive der Akteurinnen und Akteure zu untersuchen. Folgende Hypothese ist dafür er-

kenntnisleitend:

„Erzieherinnen und Erzieher bringen ein profundes sozialpädagogischen Profil und spe-zifische Kompetenzen in das Studium der Sozialen Arbeit ein, die ihnen im Studium nützlich sind und das Studium erleichtern.“

Daraus leiten sich folgende Forschungsfragen ab:

Wie präsent ist den Erzieherinnen, welche „Kompetenzen“ sie mitbringen, und wie bringen sie diese im Studium ein?

Welche Kompetenzen erweisen sich als hilfreich für die Bewältigung des Studi-ums?17

Dazu wurde zu Beginn des Projektes mittels eines Fragebogens (siehe Anhang IV) eine

Selbsteinschätzung von Kompetenzen vorgenommen. Im Interview sollten die Studieren-

den dann drei Kompetenzen besonders hervorheben, die sie für den Beruf der Sozialen

Arbeit qualifizieren. Überdies wurde nach der Anwendung und der fachlichen Einschät-

zung des Vorwissens und der Kompetenzen im Studium gefragt:

„Woran haben sie erkannt, dass Sie diese Kompetenzen besitzen und warum sind sie für das Berufsfeld der Sozialen Arbeit wichtig?“

4.3.1 Kompetenzen

Ergebnisse der Fragebogenerhebung- Erzieherinnen:

Im ersten Studiensemester schätzen die Erzieherinnen die Kompetenzen „Offenheit für

Veränderungen, Rollenverständnis, Reflexionsfähigkeit, Empathie, Kommunikationsfähig-

keit, Kooperationsfähigkeit und Teamfähigkeit deutlich höher ein als die Studierenden der

Vergleichsgruppe. Während im zweiten Studiensemester in diesen Kompetenzbereichen

noch ein Anstieg in der Selbsteinschätzung zu verzeichnen ist und sie hinsichtlich ihrer

Lernbereitschaft und der Beziehungsfähigkeit die Werte der Vergleichsgruppe überholen,

sinkt die Einschätzung der Kommunikationsfähigkeit bei den Erzieherinnen von 96 auf 75

17

Die Frage nach den Schwierigkeiten im Studienverlauf wird im Abschnitt 4.4 untersucht.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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% (hoch bis sehr hoch). Auch die Werte bezüglich der Konflikt- und Problemlösefähigkei-

ten sinken im 2. Studiensemester. Auffällig ist außerdem, dass die Erzieherinnen von Stu-

dienbeginn an ihre Fähigkeit zur Gesprächsführung deutlich niedriger bewerten als die

Vergleichsgruppe, was sich im 2. Semester noch dramatisch verschlechtert – 85 % der Be-

fragten halten diese Kompetenz nur für durchschnittlich entwickelt.

Auch die analytischen Fähigkeiten werden von den Erzieherinnen überwiegend (80 %) als

durchschnittlich bewertet, ihre Beurteilungsfähigkeit halten 45 % der Erzieherinnen im 2.

Studiensemester hingegen für „hoch“. Hier deutet sich bereits eine Diskrepanz zwischen

den Gruppen hinsichtlich der Einschätzung ihrer wissenschaftlichen Qualifikation an. Ob

die Erzieherinnen diesbezüglich selbstkritischer sind oder tatsächlich den Studierenden

der Vergleichsgruppe unterlegen, kann erst die Auswertung des gesamten Studienver-

laufs erweisen.

Ergebnisse der Vergleichsgruppe:

Die Vergleichsgruppe fällt in der ersten Befragung – wie schon erwähnt- durch ihre deut-

lich höheren Angaben zur Lernbereitschaft auf, die allerdings im zweiten Semester stark

absinkt. (von 83 auf 60%), während sie bei den Erzieherinnen leicht ansteigt (von 70 auf

75 %). Eine deutlich positivere Einschätzung zeigen die Studierenden der Vergleichsgrup-

pe hinsichtlich der Konfliktlösefähigkeit, der Gesprächsführung und der Problemlösefä-

higkeit, auch wenn diese Werte im 2. Semester leicht sinken.

Die analytischen Fähigkeiten schätzt zum Studienbeginn die Hälfte der Studierenden der

Vergleichsgruppe mit hoch bis sehr hoch ein, im zweiten Semester sind es noch 40 % (bei

den Erzieherinnen nur 20 %). Die Werte bezogen auf die Kooperationsfähigkeit, Teamfä-

higkeit, die Beurteilungsfähigkeit und die Organisationsfähigkeit verbessern sich im 2.

Studiensemester deutlich. Es ist anzunehmen, sich positive Erfahrungen insbesondere

durch Gruppenarbeiten während des Studiums auf die Angaben auswirken. Die Grafik 4.2

bildet die Werte ab, in denen es die größten Unterschiede zwischen den beiden Untersu-

chungsgruppen gab.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

44

Ergebnisse der Interviews – Erzieherinnen

In den Interviews werden die Prioritäten, die die Erzieherinnen ihren beruflichen Kompe-

tenzen beimessen, deutlich. So erläutert Vera (EG)

Die Erzieherinnen benennen am häufigsten ihre kommunikativen Fähigkeiten, gefolgt von

Empathie-fähigkeit, sozialen und intrinsisch motivierten Kompetenzen sowie einer breiten

Palette beruflicher Handlungskompetenzen wie „Teamfähigkeit, Problemlösefähigkeit,

Rollenverständnis, Reflexionsfähigkeit, Flexibilität und Offenheit für Veränderungen“, die

sie ins Studium mitbringen. Sie beschreiben sich als wissbegierig hinsichtlich der Sozialen

Arbeit, der Arbeit mit Menschen, und charakterisieren sich mit Begriffen, wie „aufge-

schlossen, wertschätzend, zielstrebig, verständnisvoll, nicht verurteilend und kreativ“.

Überdies erläutern die Erzieherinnen umfassend die Kenntnisse und Fertigkeiten als

Kompetenzen, die sie während der Ausbildung zur Erzieherin erworben haben. Breiten

Raum nimmt der Stellenwert berufspraktischer Erfahrungen ein. Reflektierte Erlebnisse

und Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Institutionen, Feedback durch die Praxisbe-

gleitung, die Auseinandersetzung mit der eigenen Person, Effekte von Fortbildungen und

Qualifizierungsprojekten werden als bereichernde, Kompetenz bildende Aspekte hervor-

gehoben. Eine Erzieherin erwähnt „die Sicherheit, diesen Beruf wirklich machen zu wol-

len“ als für sie wertvolles Ergebnis ihrer vorangegangenen Ausbildung. Außerdem erwäh-

nen ausschließlich Erzieherinnen den Begriff der Belastbarkeit als Kompetenz, was deut-

lich auf ihre beruflichen Erfahrungen hinweist.

Betont wird auch, dass ein berufliches Selbstverständnis entwickelt wurde. So spricht eine

Erzieherin vom Erwerb einer „professionellen Haltung“, verweist auf die Auseinanderset-

zung mit „Nähe und Distanz“ und die Haltung einer „gesunden Distanziertheit“. Betont

wird der „souveräne Umgang mit Menschen“, „Unvoreingenommenheit“ und die „Fähig-

keit, mit unterschiedlichen Menschen/Gruppen arbeiten zu können“. Überzeugend legen

„… dass ich mit einem gewissen Fingerspitzengefühl an Menschen ran geh, und zudem gehe

ich, glaube ich, ziemlich kritisch mit mir selbst um… (..) egal, wie was ausgeht, versuche ich

ruhig und bedacht an gewisse Sachen ran zu gehen ohne irgendwie… also ich überlege eigent-

lich bevor ich handel… und alles auch bedacht zu machen…“

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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die Erzieherinnen in den Interviews dar, dass sie bereits über ein klares berufliches Profil

und Selbstverständnis verfügen.

* Mittelwert innerhalb einer Scala von „sehr hoch“ (5) u. „hoch“ (4)

SelbsteinschätzungKompetenzen

Erste Erhebungsphasein %*

Zweite Erhebungsphase in %*

Erzieherinnen Vergleichsgruppe Erzieherinnen Vergleichsgruppe

Teamfähigkeit 91 42 90 70

Reflexionsfähigkeit 90 74 100 80

Lernbereitschaft 70 83 75 60

Rollenverständnis 74 64 80 60

Analytische Fähigkeit 35 42 20 30

Organisationsfähigkeit 36 56 40 70

(Abb. 4.2. Selbsteinschätzung Kompetenzen)

Ergebnisse der Interviews - Vergleichsgruppe:

Die Aussagen der Mitglieder der Vergleichsgruppe hinsichtlich ihrer „mitgebrachten“

Kompetenzen fallen weniger umfassend aus. Es überwiegen soziale und intrinsisch moti-

vierte Kompetenzen wie z. B. „Freude am Umgang mit Menschen“ und das „Gefühl für

Ungerechtigkeiten“, gefolgt von Empathiefähigkeit, z. B. „Zuhörerqualitäten“ und kom-

munikativen Kompetenzen, z. B. „auf die Menschen eingehen können“. „Neugier“ und

„Interesse am Lösen und Helfen von Problemen anderer Menschen“ werden ebenso als

Kompetenzen benannt wie „Interesse an der Mitwirkung bei sozialen Projekten, um Be-

nachteiligten Vorteile zu verschaffen“. Auch die Fähigkeit zur Reflexion und Offenheit

werden erwähnt. In dieser Gruppe taucht außerdem der Begriff „Toleranz“ als Kompetenz

auf. Die Studierenden der Vergleichsgruppe beschreiben sich als „realistisch, vernünftig,

geduldig, selbstbewusst, in der Persönlichkeit gefestigt und wertschätzend“. Es wird deut-

lich, dass in der Vergleichsgruppe für die Beschreibung von Kompetenzen vorwiegend all-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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tagssprachliche Redewendungen und Termini verwendet werden. Sie zeigen, dass sie für

die Arbeit mit Menschen motiviert sind.

Die Einordnung der Kompetenzen in den professionellen Kontext ist allerdings erst ver-

einzelt vorhanden.

Vergleich beider Gruppen:

In den Interviews wird der Unterschied zwischen den beiden Untersuchungsgruppen sehr

viel deutlicher als bei der Auswertung der Fragebogenerhebung. Hier zeigt sich auch die

Überlegenheit einer qualitativen Methode. Während der Fragebogen Teilnehmende aus

der Vergleichsgruppe teilweise offenbar dazu verleitet, hohe Werte hinsichtlich der Ein-

schätzung eigener Kompetenzen anzugeben, z. b. in der Gesprächsführung oder im Hin-

blick auf organisatorischer Fähigkeiten, sind die Erzieherinnen tendenziell eher selbstkri-

tisch und vorsichtiger mit ihren Einschätzungen. In den Interviews entsteht ein ganz um-

gekehrtes Bild. Wie von selbst, sprudeln die Aussagen der Erzieherinnen zu ihren profes-

sionellen Kompetenzen, die sie im Verlauf der langjährigen Ausbildung zur Erzieherin er-

worben und offenbar stark verinnerlicht haben, wie z. B. die Reflexionsfähigkeit.

Hier muss kritisch angemerkt werden, dass ein umgekehrtes Vorgehen, zuerst die Inter-

views zu führen und erst dann die Fragebogen ausfüllen zu lassen, möglicherweise zu an-

deren Ergebnissen geführt hätte. Die qualitative Befragung zeigt aber, dass die offene Ge-

sprächssituation eben eher authentische Äußerungen hervorbringt und damit einen hö-

heren Wahrheitsgehalt aufweist als eine Fragebogenerhebung mit vorgefertigten Begrif-

fen. Während die Mitglieder der Vergleichsgruppe sprachlich in den Interviews auf der

Alltagsebene verbleiben, benutzen die Erzieherinnen selbstbewusst Fachtermini und wei-

sen sich bereits als professionell vorgebildete Studierende aus.

„Empathiefähigkeit – nehm‘ ich eigentlich aus dem Turnverein sehr viel mit. Da muss man halt

drauf achten, ist das jetzt eine Überforderung für das Kind oder ist es jetzt zu einfach (...), sozu-

sagen erkennen oder gucken, was gut und was eher zu überfordernd ist“. Kristin (VG)

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4.3.2 Vorwissen

Das mitgebrachte Vorwissen wurde sowohl mit Hilfe von Fragebögen als auch in den

Interviews erhoben. In beiden Erhebungsphasen enthielt der Fragebogen eine Tabelle zur

Einschätzung des Wissens hinsichtlich

• Kinder- und Jugendhilferecht • Familienrecht • Berufliche Rolle • Arbeitsfelder von Absolventen des BASA • Hilfeplanung • Sozialpädagogische Handlungskonzepte • Methoden der Sozialen Arbeit • Konzepte der Sozialen Arbeit

In den Interviews wurde jeweils gefragt:

„Wie konnten Sie Ihr Vorwissen (aus der Erzieherinnen-Ausbildung bzw. das sie vor Studienbeginn erworben haben) in den Modulen einbringen?“

Außerdem:

„Welches Vorwissen aus der Erzieherinnen-Ausbildung/Erzieherinnen-Tätigkeit hat sich im Studium als hilfreich erwiesen?“ und „Um welche Art von Vorwissen handelt es sich dabei?“

Die Darstellung des in das Studium eingebrachten Vorwissens der Studierenden wird im

Folgenden nach Fachkenntnissen, Feldkenntnissen und Methodenwissen unterteilt. Dabei

werden die Ergebnisse aus beiden Erhebungsmethoden jeweils thematisch

zusammengefasst.

Fachkenntnisse

Unter die Fachkenntnisse fällt das Wissen über für das Feld der Sozialen Arbeit relevante

Theorien, über Konzepte und Methoden sowie Wissen, das ganz konkreten „Fächern“ wie

z. B. Pädagogik, Psychologie, Psychoanalyse, Soziologie, Geschichte, Recht und Philosophie

zugeordnet werden kann.

Psychologisches Wissen wird am häufigsten genannt, bei den Erzieherinnen in einem

größeren Umfang als bei der Vergleichsgruppe. Beide Gruppen benennen Theorien wie

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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die Lern- und die Bindungstheorie sowie die Namen der Theoretiker (Watzlawik, Piaget,

Erickson, Kohlberg, Fromm und Spitzer). Ein Großteil der Aussagen fällt in den Bereich der

Entwicklungspsychologie – hier überwiegen die Angaben der Erzieherinnen. Diana (EG)

berichtet, wie sie ihre Kenntnisse bei einem Thema in einem Grundmodul einbringt:

Weitere Aspekte, die ausschließlich von den Erzieherinnen thematisiert werden, sind

Kenntnisse der Sprachentwicklung, des Sozialverhaltens und der Motorik. Über psycho-

analytische Kenntnisse (Freud) verfügen acht Erzieherinnen sowie eine Teilnehmerin der

Vergleichsgruppe.

Die Studierenden in der Vergleichsgruppe erwähnen bei der Frage nach Fachkenntnissen

der Psychologie einige Theoretiker aber auch ausschließlich Themen aus der Psychologie,

wie z. B. die Bedürfnispyramide und die systemische Analyse. Psychologische Kenntnisse

haben sie zum Teil in der Schule, aber auch im Privatleben erworben. Quellen sind das In-

ternet, Erfahrungen bei der Erziehung eigener Kinder und eigene Psychotherapie-

Erfahrungen.

j

„Gesellschaft und Persönlichkeit genau, da reden wir manchmal über Freud und über halt Tie-

fenpsychologie, und das habe ich halt während der Ausbildung auch gehabt und da konnt-

kann ich mich mit einbringen.“ Gülcan (EG)

„Ja zum Beispiel Entwicklungspsychologie: ich hatte ja vorher, hatten wir auch in der Fach-

schule zum Beispiel die Entwicklung des Kindes, wie Menschen sich entwickeln und so (...) ja

*…+. Im Grundlagenmodul ‚Gesellschaft und Persönlichkeit‘ hatten wir schon die Frage Kinder-

gartenpflicht: ja oder nein? Und da , ich wusste halt die Entwicklung des Kindes und was wich-

tig ist (...), und da konnte ich halt einen Bezug zu nehmen, also ich weiß zum Beispiel die Ent-

wicklung des Kindes (...) bezüglich Sozialverhalten, bezüglich Motorik, Grobmotorik (…), Per-

sönlichkeitsentwicklung und dieses Ganze. Das konnte ich dann halt da mit einfließen lassen,

in die Frage Kindergartenpflicht: ja oder nein.“ Diana (EG)

„Also das war in Modul drei gewesen,. mit dieser kindlichen Entwicklung oder dieser Entwick-

lung eines Menschen, das hatte ich ja privat schon gewusst, ja. *…+Also ich selbst habe privat

auch viel so im Internet gelesen über Psychologie, und hab selbst auch mal eine Therapie ge-

macht, und deswegen (...) also kam mir schon sehr viel bekannt vor und.. Ja, das konnte ich

schon gut anwenden“. Simone (VG)

: „Nein vielleicht dadurch, dass ich meinen Sohn habe, vielleicht dieses, die Schritte halt von der

Entwicklung (...) eines Kindes, (…) dass sie zum Beispiel nicht nur aus reiner Lust was in den

Mund stecken, sondern was sie so mit halt (...) Welt erforschen, ja, und neugierig sind auf was

Neues...“. Sylwia (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Im Bereich Pädagogik umfassten die Aussagen der Erzieherinnen folgende Themen bzw.

Felder: Elementarpädagogik, Reformpädagogik, Erlebnispädagogik, Erziehungskonzepte

und Sozialisation sowie Kindergartenpflicht. Bei der Frage nach pädagogischen Kenntnis-

sen nannten die Studierenden der Vergleichsgruppe ausschließlich Kenntnisse der Soziali-

sationstheorien.

Im Bereich der Rechtswissenschaft gab beinahe die Hälfte der Erzieherinnen Kenntnisse

zum Kinder- und Jugendhilferecht in der Fragebogenerhebung mit hoch bis sehr hoch an,

im Familienrecht verfügten nur gut 20 % der Erzieherinnen über hohe Kenntnisse. Erwar-

tungsgemäß verfügten die Studierenden der Vergleichsgruppe in der ersten Erhebungs-

phase in beiden Rechtsbereichen nur über geringe Kenntnisse, was sich in der zweiten

Phase nur geringfügig änderte18.

Im Interview bestätigen sich die Befunde. Die juristischen Kenntnisse der Erzieherinnen

beziehen sich auf den Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts und des Familienrechts.

Die für die Kinder- und Jugendhilfe einschlägigen Rechtsgrundlagen sind ihnen vertraut:

Hilfen zur Erziehung, Hilfeplan, Einzelfallhilfe, Jugendhilfe, Erziehungshilfe. Außerdem

nennen sie konkrete Gesetze und Artikel (SGB VIII) und Paragraphen (§8a), die für ihr Be-

rufsfeldfeld wichtig sind sowie der Umgang mit ihnen.

In den Aussagen zu den Rechtskenntnissen ist deutlich der Stolz auf das vorhandene Wis-

sen zu erkennen. Die Erzieherinnen kennen Details und wissen, welchen Stellenwert die

18

Dies ist nicht verwunderlich, da das Modul 8.1, in dem Kinder- und Jugendhilferecht und Fami-lienrecht gelehrt werden, erst im 3. Semester stattfindet.

„In Recht gab es zum Beispiel, da hatten wir als Schlagwort ‚SGB VIII, Artikel 8a, und wir Erzie-

herinnen wussten, wir saßen dann da und haben genickt und haben gesagt ‚ok gut, ist ein gutes

Beispiel, und die anderen saßen fragend im Raum, ja was ist denn 8a, um was geht es da?‘

(Schutz bei Kindeswohlgefährdung. Anm. d. Verf.), und da hatten wir ihnen das kurz erläutert

oder auch zum Beispiel ein Hilfeplan, was ist ein Hilfeplan, für was gibt es den überhaupt?“ Lui-

sa (EG)

„Ja in Recht erst mal der Umgang eben mit den Gesetzen, mit dem Gesetzesbuch auch, weil wir

das schon besprochen haben, was für Gesetze es gibt, und wo was zu finden ist, wie man das

am besten sucht und aufschreibt (...), das war in Recht ganz hilfreich und dass man überhaupt

schon mal (...), auch mit Fällen und so schon mal zu tun hatte, in der Erzieherausbildung“. Julie

(EG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Kenntnisse in der Praxis haben. Darin unterscheiden sie sich deutlich von den Studieren-

den der Vergleichsgruppe, die überwiegend bei den Berichten über ihre Kompetenzen auf

schulische Grundkenntnisse der Staatsbürgerkunde oder im Privatleben ausgebildete All-

tagstheorien zurückgreifen.

Studierende aus der Vergleichsgruppe nennen vor allem schulisch erworbenes Allge-

meinwissen (Grundgesetz, BGB, Entstehung und Auswirkung von Gesetzen, Staatsgewal-

ten).

Feldkenntnisse und Rollenverständnis - Ergebnisse aus der Fragebogenerhebung im

Vergleich beider Gruppen

Arbeitsfelder

Interessanterweise schätzen die Erzieherinnen ihre Kenntnisse hinsichtlich der

Arbeitsfelder im Fragebogen nur mittelmäßig ein, wobei die Verunsicherung darüber

offenbar im zweiten Studiensemester noch ansteigt. Die Vergleichsgruppe gibt

diesbezüglich wesentlich höhere Kenntnisse an, die sich im zweiten Studiensemester nur

leicht revidieren. Dieser Befund steht im Kontrast zu den Angaben der Erzieherinnen

hinsichtlich ihrer Bildungsmotivation. Dort zeigen sie, dass sie sehr wohl die Breite ihrer

beruflichen Möglichkeiten kennen.

Rollenverständnis

Die Selbsteinschätzung der Kenntnisse der Beruflichen Rolle verläuft ebenfalls in der

Gruppe der Erzieherinnen überraschend. Während noch zu Beginn des Studiums mehr als

60% der Erzieherinnen ihre Kenntnisse hoch bis sehr hoch einschätzt, sind es im 2.

Studiensemester nur noch 25 %. In der Vergleichsgruppe findet eine fast umgekehrte

Entwicklung statt. Von anfänglichen 25 %, die ihre Kenntnisse der Beruflichen Rolle hoch

einschätzen, sind es im 2. Studiensemester doppelt so viele. Die Frage bleibt offen, ob die

Erzieherinnen in ihrer Selbsteinschätzung trotz oder wegen ihrer hohen Vorkenntnisse

„Ja Grundlagenmodul Recht jetzt, da haben wir ja diese ganzen (...) Grundlagensachen irgend-

wie besprochen, wie entsteht ein Gesetz und solche Sachen, das hatte man auch in der Schule

mal irgendwie angeschnitten, das kam mir…, ist zwar auch länger her, aber das kam mir be-

kannt vor eigentlich“. Nike (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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vorsichtiger sind als die Studierenden in der Vergleichsgruppe, was erst nach der

Evaluation des gesamten Studienverlaufs verifiziert werden kann.

Methodenkenntnisse

Die klassischen Methoden der Sozialen Arbeit sind Einzelfallhilfen, Sozialpädagogische

Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit. Das Wissen hinsichtlich dieser Methoden

umfasst die dafür notwendigen Theorien, Rechtsgrundlagen und Handlungskonzepte.

Darüber hinaus können auch pädagogisch-didaktische Grundlagen, Kenntnisse über

Beratung, Therapie und Supervision und zum Projektmanagement zu den

Methodenkenntnissen gerechnet werden.

Erstaunlicherweise schätzen die Erzieherinnen ihre Methodenkenntnisse zu Beginn des

Studiums äußerst gering ein und auch im zweiten Semester halten nur 25 % der Befragten

ihr Wissen für hoch. In der Vergleichsgruppe scheint im zweiten Semester eine

Ernüchterung hinsichtlich der Selbsteinschätzung stattgefunden zu haben. Während die

Studierenden im ersten Semester noch zu einem Drittel ihre Methodenkenntniss für hoch

hielt, sind im zweiten Semester 90 % von einem durchschnittlichen und 10 % von einem

geringen Wissen überzeugt.

(Abb 4.3 Methoden der Sozialen Arbeit)

5=sehr hoch, 4= hoch, 3= durchschnittlich, 2= gering, 1= sehr gering

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Konzepte der Sozialen Arbeit

Zu den Konzepten der Sozialen Arbeit zählen z. B. Sozialräumliche, Systemische und

lebensweltorientierte oder gender- und diversitybezogene Konzepte. Obwohl diese

teilweise in der Erzieherinnenausbildung vorkommen, insbesondere der sozialräumliche

Ansatz, gerät die Selbsteinschätzung der Erzieherinnen diesbezüglich sehr kritisch. Der

größte Teil von ihnen schätzt sich in beiden Erhebungsphasen tendenziell gering

kompetent ein.

(Abb. 4.4 Konzepte der Sozialen Arbeit)

Dies gilt in noch höherem Maß für die Vergleichsgruppe. Dies ist nicht verwunderlich, da

das Thema „Konzepte der Sozialen Arbeit“ erst z. B. im Modul 16 im dritten Semester

gelehrt wird. Den Erzieherinnen ist offenbar zu Beginn des Studiums noch nicht klar, dass

die Konzepte der sozialpädagogischen Arbeit mit Kindern hier durchaus auch zugeordnet

werden können.

Während die allgemeinen Methoden der Sozialen Arbeit für die Erzieherinnen offenbar

anfänglich eher unbekanntes Terrain zu sein scheint, fühlen sie sich in den

Sozialpädagogischen Handlungskonzepten zunächsts deutlich sicherer. Mehr als die Hälfte

nennen zu Beginn des Studiums hohe bis sehr hohe Kenntnisse sozialpädagogischer

Handlungskonzepte. Dieses Ergebnis wird im zweiten Studiensemester allerdings revidiert.

5=sehr hoch, 4= hoch, 3= durchschnittlich, 2= gering, 1= sehr gering

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Hier sind nur noch ein gutes Drittel der Erzieherinnen von ihren hohen Kenntnissen

überzeugt. Für die Vergleichsgruppe ist dies Neuland. Nur 10 % schätzen im zweiten

Studiensemester ihre Kenntnisse in diesem Feld als hoch ein.

Hinsichtlich der Hilfeplanung fällt eine positivere Selbsteinschätzung der Vergleichsgruppe

auf. Während die Erzieherinnen ihre Kenntnisse überwiegend mittelmäßig einschätzen,

geben die Studierenden der Vergleichsgruppe im 2. Studiensemester zu 30 % an, über

hohe Kenntnisse zu verfügen. Auch hier stellt sich die Frage, ob ein Teil der Studierenden

in der Vergleichsgruppe dazu neigt, das Wissen positiver zu bewerten als die

Erzieherinnen.

Weitere Kenntnisse über Supervision, kollegiale Beratung, Gesprächsführung sowie

Reflexion sprechen ausschließlich Erzieherinnen an. In der Vergleichsgruppe werden au-

ßerdem die Themen: Projektarbeit, Konzepterstellung, Fragebogenerhebung und Projekt-

finanzierung als Wissensbereiche genannt die sie aus der Ausbildung an Fachschulen in

das Studium mitbringen.

5=sehr hoch, 4= hoch, 3= durchschnittlich, 2= gering, 1= sehr gering

(Abb.4.5 Sozialpädagogische Handlungskonzepte)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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4.4 Der Bildungsprozess im 1. Studienjahr

Im Folgenden werden die Bewältigung des Einstiegs in das Studium sowie der Verlauf der

Bildungsprozesse im ersten und zweiten Studiensemester untersucht. Dabei ist von Inte-

resse, inwieweit das spezifische sozialpädagogische Profil den Erzieherinnen nützlich oder

möglicherweise auch hinderlich ist. Der Studie liegt die Annahme zugrunde, dass

„der Rückgriff auf die in der Ausbildung erworbenen Fachkenntnisse und Kompetenzen (…) ihnen im Studium Vorteile verschaffen (kann), (…) aber auch dazu führen (kann), dass sie bereits über Bewertungsroutinen für berufliche Phänomene verfügen, die sich wissenschaftlich-analytischen Perspektiven eher widersetzen“ (Hypothese 4).

Des Weiteren gehen wir davon aus, dass

„die besondere Herausforderung für diese Zielgruppe (…) darin (besteht), eine eher handlungsorientierte Perspektive um eine wissenschaftlich-analytische Perspektive zu erweitern“ (Hypothese 5).

Im Fokus stehen:

Der Kompetenzzuwachs: Wie verläuft dieser vor dem Hintergrund der spezifischen „mitgebrachten“ Kompetenzen?

Der Bildungsprozess: Wie verläuft dieser bei den Erzieherinnen im Vergleich zu den regulär Studierenden - In welcher Hinsicht tauchen Schwierigkeiten auf? In welcher Hinsicht ergeben sich deutliche Vorteile?

Der Perspektivenwechsel von einem handlungsorientierten zu einem wissenschaft-lich fundierten Berufsverständnis: Wie bewältigen die Absolventinnen und Absol-venten der Fachschulen den Anspruch des BASA auf eigenverantwortliches wissen-schaftliches Arbeiten? In welcher Hinsicht müssen sie Barrieren überwinden?

Abschließend werden erste Überlegungen zur Relevanz intersektionaler Kategorien auf

den Studienverlauf angestellt.

4.4.1 Bewältigung des Einstiegs in das Studium

Das Studium der Sozialen Arbeit beginnt mit einer Einführungswoche, in der nach allge-

meinen Informationen schon am ersten Tag die Einteilung in Erstsemestergruppen vorge-

nommen wird, in denen die disziplinären Grundmodule 1-6 (vgl. Modulplan Anhang VI)

gemeinsam studiert werden. Tutorinnen und Tutoren, Studierende höherer Semester,

sind jeder Erstsemestergruppe zugeordnet und stehen während der ersten beiden Semes-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

55

ter für Fragen zur Verfügung. Dies soll den Einstieg in das Studium erleichtern, der besse-

ren Orientierung dienen und kommunikative Prozesse fördern. An den letzten drei Tagen

der Einführungswoche findet der Einstieg über gemeinsames Ästhetisches Arbeiten in

Gruppen statt.

Die Studierenden wurden gefragt: „Wie haben Sie den Studienbeginn atmosphärisch an

der Fachhochschule Frankfurt erlebt?“ (Frage 3 Fragebogen, erste Erhebung)

Sowohl die Erzieherinnen als auch die Vergleichsgruppe äußern sich positiv bezüglich der

geringen Hürde, Kontakt zu Kommilitoninnen und Kommilitonen aufzunehmen. Die Erzie-

herinnen scheinen positiver auf den Studienbeginn eingestimmt zu sein. Sie formulieren

drei Mal so häufig, dass sie die Art der Einführung als sehr gut und sinnvoll erachten und

ihnen durch die freundliche Begrüßung ihre Ängste genommen wurden.

Die Befragten empfanden die Einführungswoche als durchaus hilfreich, gut für die Orien-

tierung und um Kontakte zu knüpfen. Die Erzieherinnen betonen besonders, dass der Ein-

stieg über das Ästhetische Arbeiten ihnen gut gefiel:

„ja ganz gut eigentlich, als ich am Anfang, hat es mich erschlagen, so im, ich glaube wenn man

im Audimax mit den ganzen Leuten (...), war erstaunt, dass es so lief, auch mit dem ersten Mo-

dul und den Workshops, und dann habe ich mir gedacht ‚oh ja super, das geht ja genauso weiter

wie es wie es angefangen hat damals mit (…) oder wie es geendet (…) mit, mit der Erzieherschu-

le‘ und, habe gedacht ‚‘och das kommt dir irgendwie alles bekannt vor‘“. Vera (EG)

„also es ist halt ein ganz netter einfacher Einstieg trotzdem so, und ich habe nicht damit ge-

rechnet, ich dachte so es fängt halt so ein bisschen (…) anders an, es geht gleich so zur Sache.

Aber ich fand es auch angenehm, so erst mal um rein zu kommen ((lacht)).“ Theresa (EG)

„Gut. Also ich fand das schon mal sehr gut, dass wir nicht gleich quasi in diese Unterrichtssa-

che reingegangen sind, sondern (…) diese Einführungswoche war, mit dem Kennenlernen.

(…), weil dann ist man so als Gruppe zusammen, erst mal gewachsen und konnte sich viel

besser orientieren. Und das Ästhetische Arbeiten (…) das hat noch mal einen ganz anderen

Motivationsschub irgendwie gegeben. Ich kann es gar nicht erklären, aber das hat schon was

mit einem gemacht, man war dann danach richtig (...), ja, (...) gläubig ((lachend)), also richtig

begeistert. Also ich fand es gut.“ Cornelia (EG)

„Genau das Ästhetische Arbeit, das hat mir sehr gut gefallen, weil man so ein bisschen mit

seinen Kommilitoninnen in Kontakt kam, ja, ohne irgendeinen Lernstress eigentlich, sondern

ziemlich frei sich ausdrücken konnte, und seine ja …, sich frei darstellen konnte, das hat mir

gut gefallen.“ Anne (EG)

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In der Vergleichsgruppe ist die Begeisterung bezüglich des Ästhetischen Arbeitens verhal-

tener. Außerdem werden nur von Studierender aus dieser Gruppe einige Startschwierig-

keiten genannt.

Die Organisation der Online-Anmeldung zu den Modulen und die Einarbeitung in das E-

Learning werden von den Erzieherinnen insgesamt eher positiv kommentiert:

Die Aufteilung in Erstsemestergruppen wird von allen als erleichternder Einstieg gesehen,

welcher Unterstützung gibt, das Kennenlernen der Kommilitonen fördert und in erster Li-

nie Hilfe bei der Orientierung bietet.

Bei Studierenden der Vergleichsgruppe wird der Vergleich mit einem verschulten System

gezogen. Die Erstsemestergruppen gäben anfangs Sicherheit und Kontinuität, so wie es im

System der Schule der Fall ist. Eine Erzieherin nimmt Dozenten teils als Lehrer wahr, was

bei ihr durchaus ambivalente Gefühle hervorruft:

„Die finde ich ganz gut, also ich glaube das ist, gibt nochmal so einen sicheren Rahmen, in

dem man sich entfalten kann, wo man die Strukturen dann halt richtig lernt, erste Freund-

schaften, Beziehungen aufbaut, die dann halt wiederum Sicherheit geben, und das sollte so

bleiben, weil das ist gut ((lacht)).“ Uta (EG)

„Aber am Anfang hab ich persönlich mich doch ein bisschen schwer getan. Aber im Gespräch

so mit anderen Studierenden wusste dann immer einer mehr als der andere, und dann ging

das auch.“ Judith (VG)

„Schwierig also erst mal da durchzusteigen, was jetzt Moodle ist, was hieß es, wo wir uns

anmelden müssen, zum Glück hatten wir einen sehr netten Tutor, der uns bei jeder Frage

also zur Seite stand.“ Judith (EG)

„„…hab mich eigentlich voll gefreut, weil ich dachte, da kann man so ein bisschen selbstständi-

ger sein und so ein bisschen so sein und so sein Ding machen, und das fand ich manchmal ein

bisschen nervig. Ich finde, manchmal sind die Dozenten sich selber nicht so sicher, welche Rolle

sie wollen.

Also ich hab manchmal das Gefühl, sie wollen doch noch Lehrer sein, man wird dann eher er-

mahnt oder wenn man geht, wenn man halt arbeiten muss, weil ich geh nebenher arbeiten,

dann kriegt man das dann halt schon gesagt, dass das nicht geht.

Und das find ich halt so ein bisschen paradox, weil auf der einen Seite heißt es immer, ja ihr seid

Studenten und erwachsen und auf der nächsten Seite krieg ich das Gefühl, da steht halt doch

wieder ein Lehrer. Also das find ich halt manchmal nicht ärgerlich aber ich finde es halt paradox

manchmal, also seltener, es ist nicht immer so, aber es gibt halt so Situationen, da denkt man

sich, ok. ja aber sonst ist es schon schön.“ Cornelia (EG)

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In den Aussagen der Studierenden beider Gruppen klingen anfängliche Ängste vor Über-

forderung durch:

Obwohl beide Gruppen das Gefühl der Orientierungslosigkeit am Anfang des Studiums

beschreiben, ziehen sie am Ende eine durchweg positive Bilanz.

Es fällt auf, dass in den Aussagen der Erzieherinnen bezüglich des Studienbeginns über-

wiegend Gefühle wie Aufgeregtheit oder Wohlbefinden durchklingen. Erinnerungen an

die Zeit in der Fachschule werden sowohl positiv als auch negativ beschrieben. Gefühle

von Vertrautheit der Inhalte und der Arbeitsformen kontrastieren mit dem Bedürfnis,

nicht mehr wie Schülerinnen behandelt zu werden. Beide Gruppen äußern bezüglich ihrer

Erwartungen vor Studienbeginn eine große Vorfreude auf das Studium. Doch es gibt auch

Ängste vor den neuen Anforderungen.

4.4.2 Erfolge und Hürden im ersten Studiensemester

Zur Erhebung der Eindrücke, die die Studierenden hinsichtlich der Anwendung des Vor-

wissens im Studium sammeln konnten wurde die Frage gestellt:

„Können Sie sich an Situationen erinnern, in Seminaren oder in Veranstaltungen wo Sie von Ihrem Vorwissen direkt profitiert haben?“

„Aufregend ((lacht)), also es war.., ganz viele neue Gesichter, ich kannte zum Glück schon zwei

Leute, und ich war ein bisschen beunruhigt, weil ich ein bisschen Angst hatte vor diesem Wieder-

einstieg ins Lernen, weil man dann doch schon gearbeitet hat, und dann wieder ins Lernen rein-

zukommen, wieder kein Geld zu haben..“. Britt (EG)

„Angenehm und man hat sich willkommen gefühlt, also ich war zwar am Anfang noch ein biss-

chen orientierungslos, wo jetzt welcher Raum ist oder so, aber ansonsten wurde man eigentlich

(...) gut empfangen fand ich, also ich fand’s nicht als überfordernd.“ Kristin (VG)

„Die ersten Wochen waren so ein bisschen (…) Orientierungslosigkeit, bis man das erst mal

überhaupt durchgeblickt hat, was ist welches Modul, wo muss ich überhaupt hin, wer ist An-

sprechpartner . Aber natürlich am Anfang die absolute Neugierde, was kommt jetzt auf mich zu

und wie ist studieren so überhaupt, man hat ja so ein Bild, und ja, also war schon spannend.“

Susann (EG)

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Außerdem wurde gefragt, welche Module für die Studierenden leicht und welche schwer

zu bewältigen waren, und welche Gründe sie für ihre jeweiligen Erfolge bzw. Schwierig-

keiten sehen würden. Überdies wurden nach allgemeinen Schwierigkeiten der Studien-

bewältigung jenseits der Module gefragt.

Anwendung von Vorwissen

Die Erzieherinnen beschreiben, dass sie die Inhalte des ersten Semesters als „Auffri-

schung“ erleben. Ihr Vorwissen gibt ihnen Sicherheit, verschafft Vorteile und führt dazu,

dass sie sich in den Lehrveranstaltungen einbringen können.

Außerdem erweisen sich die umfangreichen Praxiserfahrungen und Feldkenntnisse in

den Modulen als hilfreich.

Dennoch wird auch vorsichtig gefragt, ob diese Wahrnehmung nur für den Studienbeginn

gilt. In folgender Aussage klingt eine Ahnung durch, dass langfristig die Illustration von

Lehrinhalten mit Praxisbeispielen nicht ausreicht, um die Studienanforderungen zu bewäl-

tigen:

„… also das beste Beispiel ist, glaube ich, die Entwicklungspsychologie, also die ganzen Bin-

dungstheorien und sowas, dass da (…), da habe ich halt wirklich da gesessen und (…) habe erst

mal kurz Däumchen gedreht und (…) habe dann auch wirklich den anderen , konnte auch wirk-

lich was erklären und, und meinen Teil dazu beitragen, also das war wirklich (…) fast eins zu eins,

was ich schon mal (…) in der Ausbildung gemacht habe.“ Vera (EG)

„Ja ganz häufig also so Wortmeldungen, die ich dann gemacht habe, weil ich mich mit bestimm-

ten Themen bereits auskannte , das kommt schon häufig vor, aber das kann sein, dass es jetzt zu

Beginn des Studiums so ist, und wenn das Studium (...) ja etwas anspruchsvoller wird oder bezie-

hungsweise ein bisschen tiefer geht in Richtung ‚Soziale Arbeit‘, kann es sein, dass ich dann (...),

ja davon nicht mehr profitieren kann“. Aylin (EG)

„Ich merke, dass ich immer (…) sofort also oder ziemlich oft ein Praxisbeispiel habe, um entwe-

der es für mich zu erklären und mir besser ein Bild zu machen oder halt auch irgendwie in Grup-

penarbeiten oder so (…). Wie es dann in der Praxis aussieht mit Familien, welche Maßnahmen

passieren, um die Arbeit mit dem Jugendamt zusammen oder auch mit dem Sozialdienst (…)

oder so was… das sind so Sachen, die ich eigentlich(…) jetzt vorher weiß, wo viele dann nach-

fragen und ich auch den Ablauf schon kenne“. Vera (EG)

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In der Vergleichsgruppe fällt die Antwort auf ins Studium eingebrachtes Vorwissen eher

schwer:

Eine Teilnehmerin der Vergleichsgruppe verweist weniger auf die Frage angewandten

Vorwissens als auf eine Kompetenz, die sie ins Studium mitbringt:

Eine weitere Teilnehmerin aus der Vergleichsgruppe bewertet ihr mitgebrachtes Vorwis-

sen für das Studium als unbrauchbar:

4.4.2 Studienverlauf – Erfolge und Hürden

Bewältigung der Module im ersten Studiensemester – Erzieherinnen

Als leicht zu bewältigende Module werden die Grundmodule Soziale Arbeit (Modul 1) und

Gesellschaft und Persönlichkeit (Modul 3) bei den Erzieherinnen bezeichnet, wo hingegen

das Grundmodul Recht (Modul 2) und das wissenschaftliches Arbeiten (Modul 5) am

meisten Schwierigkeiten bereitet 19:

Während die Erzieherinnen ihre Fähigkeit, Berichte zu schreiben und Dokumen-

tationen zu erstellen betonen, formulieren die Teilnehmenden der Vergleichs-

gruppe ihr Wissen im Bereich wissenschaftlichen Arbeitens (Facharbeit, Hausar-

19

Die Befunde wurden vor der Kenntnis der Noten in den Modulen erhoben, vgl. dazu Abschnitt 4.4.3

„Also direktes Vorwissen hat ich ja eigentlich nicht (…), es war eigentlich alles relativ neu, aber

man kann ja auch vieles auf alltägliche Situationen oder (…) bestimmte Situationen einfach

übertragen , und von daher, in einigen Fällen würde ich sagen, schon, aber speziell noch nicht

viel, also ich konnte noch nicht viel einbringen“. Kristin (VG)

„…dass wir uns gegenseitig geholfen haben, also ich kann jetzt nicht mich da herstellen und sa-

gen, oder ich möchte mich nicht überstellen und sagen ‚ja ah ich habe da geholfen‘ oder so,

sondern, ich denke es beruht auf Gegenseitigkeit (...). Hilfe ist immer irgendwie so eine Gegen-

seitigkeit, weil indem ich jemand anderem helfe, helfe ich ja auch mir selbst. Weil der Mensch ist

der Spiegel, mein Spiegelbild sozusagen, so sehe ich das zumindest“. Zoey (VG)

„… nein eigentlich nicht wirklich, also ich habe mich schon mal so in meiner Freizeit ein Stück

weit mit Psychologie beschäftigt, und da vielleicht mal was gelesen, aber dass ich das jetzt direkt

hier einbringen konnte, nein“. Nike (VG)

„Also die mir jetzt so leicht fielen, also das sind halt Modul drei,(…) Modul eins, war auch teilwei-

se identisch, was diesen geschichtlichen Hintergrund (...) aber dann waren auch sehr viele neue

Sachen. Aber das ging auch, also da hab ich mich wohl gefühlt. Was mir schwer fällt (…) und

immer noch (…) wissenschaftliches ((lachend)) Schreiben, also dieses genau (…), also dieses

prägnante und nicht ausufernd Erklärende. Also dass man das halt immer so konkret schreibt,

das fällt mir immer noch schwer. Also da musste ich mir auch, bin ich immer noch (…) also bei der

Hausarbeit, die wir auch abgeben jetzt mussten, musste ich lang dran sitzen, das irgendwie in

Form zu kriegen. Das fällt mir schwer, weil das hat man in der Erzieher- (…) auch nicht gelernt,

dieses Wissenschaftliche.“ Cornelia (EG

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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beit, Exzerpt), sowie in Techniken, die wissenschaftliches Arbeiten erleichtern

(Mindmap, Clustering, Zitiertechnik).

Theresa charakterisiert die zentralen Schwierigkeiten mit dem Rechtsmodul:

Vergleichsgruppe – Modulbewältigung

In der Vergleichsgruppe werden ebenfalls die Grundmodule Soziale Arbeit (Modul 1) und

Gesellschaft und Persönlichkeit (Modul 3) überwiegend als einfach eingestuft. Dennoch

erschließt sich für einige Studierende offenbar die Notwendigkeit der Inhalte für das Stu-

dium nicht so schnell:

Es werden auch Gefühle der Überforderung geäußert:

Das wissenschaftliche Arbeiten (Modul 5) fällt etwa zwei Drittel der Studierenden der

Vergleichsgruppe eher schwer:

„Modul drei fiel mir eigentlich leicht, und fand ich auch am interessantesten. Modul eins, ja das

war jetzt so, klar das Grundlagenmodul für die Soziale Arbeit, aber ich hab mich echt oft gefragt

nach den Vorlesungen, für was ich das brauche. Also jetzt erst am Ende des Semesters hab ich

begriffen eigentlich, was das eigentlich bedeutet alles. Und hab auch dadurch, dass ich da jetzt

eine Hausarbeit schreiben musste, konnte ich im Fachlexikon auch diverse Begriffe wiederfinden,

ja und wusste das dann auch“. Simone (VG)

)

„Schwer fiel mir eigentlich die empirische Sozialforschung (Teil von Modul 5), also mit diesem

Modul konnte ich mich in keinster Weise identifizieren.“ Simone (VG)

„Also eigentlich sind mir alle Module recht (.) leicht gefallen. Bis auf Modul 5, Einführung in

wissenschaftliches Arbeiten, da hatte ich ein bisschen Schwierigkeiten, weil ich darüber noch

nicht so viel Vorkenntnisse hatte.“ Zoey (VG)

„ Ja also, wie schon gesagt, bei Recht hapert es halt immer, das finde ich eigentlich (...), ich weiß

halt, dass es irgendwie ziemlich gut wäre, wäre so ein Verständnis (...) zu entwickeln. Aber ich

bin da immer so (...), mir geht halt diese Sprache (...) überhaupt nicht rein oder ich muss das

erstmal so, ja dieses Grundverständnis, da muss man sich, glaube ich, auch für sich halt einfach

mal noch mehr Zeit nehmen oder einfach mal (...), ja so für sich da was zu (…), seinen Weg fin-

den. Und wie man da vorgeht ja (...), obwohl man das hier natürlich lernt, ja, ist es trotzdem so,

dass man das halt einfach üben muss. Ja ja ((lacht)), wie man bestimmte Dinge aus rechtlicher

Sicht gesehen (…). Das fällt mir halt allgemein schwer“. Theresa (EG)

„Ok bei Modul drei fand ich es schon schwierig, also die Anforderungen waren ziemlich hoch,

find ich. Für jemanden der überhaupt noch damit überhaupt noch nichts zu tun hat, so mit Bin-

dungstheorien oder irgendetwas (...), der sitzt halt schon da und denkt sich so ‚Puh ja‘. Also ich

fand, die Anforderungen waren ein bisschen hoch für das Modul drei“. Tanja (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Dennoch gibt es vier von zwölf Studierenden dieser Gruppe, für die das wissen-

schaftliche Arbeiten kein Neuland ist:

Über das Grundmodul Recht (Modul 2) beklagen sich auch in dieser Gruppe die

meisten Studierenden, so zum Beispiel:

Auch über die Anforderungen im Rechtsmodul wird in der Vergleichsgruppe ge-

klagt:

Die Einschätzungen zum Schwierigkeitsgrad der Module werden subjektiv gefällt. Deutlich

wird, dass in den Fachschulen offenbar sowohl gute Kenntnisse hinsichtlich wissenschaft-

lichen Arbeiten bereits vermittelt werden oder das dieses gar nicht vorkommt.

Studienorganisation und Zeitmanagement im ersten Studiensemester

Als eine Schwierigkeit wird in beiden Untersuchungsgruppen das Zeitmanagement – vor

allem die Vereinbarkeit von Studium und Beruf – sowie die Orientierung im System Fach-

hochschule genannt. Dabei ist zu beachten, dass zwei Drittel der Erzieherinnen neben

dem Studium arbeiten, wo hingegen dies in der Vergleichsgruppe nur für ein Drittel der

Studierenden zutrifft.

„Leicht fällt mir das wissenschaftliche Arbeiten (...), weil das (...), weil ich das alles beim Fachabi

ähnlich schon gelernt habe, auch mit so Befragungstechniken und alles, hatten wir schon“. Viola

(VG) „Zum Beispiel mir ging es bei einem Modul, wissenschaftliches Arbeiten nennt sich das, da

ging es viel einfach umso Handwerkszeug wie, also wie zitier ich, wie schreibe ich eine wissen-

schaftliche Hausarbeit, wie mach ich da eine Gliederung, wie fange ich am besten an mit

Mindmap oder Clustering oder sowas, und da hatte ich so das Gefühl, ok , ich habe schon mal

eine Hausarbeit geschrieben ((Lachend)), also ich habe zumindest auch mal, schon die Erfahrung

gemacht, an einer Hochschule zu sein. Und konnte irgendwie schon ganz gut zitieren, obwohl

ich dann auch gemerkt habe, ok mein Gott, man muss ja so viel beachten ((Lachend))“. Nina

(VG)

„Also Recht ((lacht)) fällt mir etwas schwer, weil es jetzt sehr theoretisch ist, Aauswendig ler-

nen, das war eigentlich das, warum ich Soziale Arbeit studieren wollte, dass es eben nicht so viel

der Fall ist“. Viola (VG)

„Das war am Anfang halt echt schwierig, weil man hatte den Stundenplan, sage ich mal, hat

gedacht. Ok, (…) läuft jetzt ab wie in der Schule, ich setz mich die Stunden bis um ein Uhr in die

Fachhochschule und kann dann arbeiten gehen den ganzen Nachmittag. Ja das war am Anfang

halt so die Einstellung. Und dann habe ich schnell gemerkt, das geht nicht, (…) also das dann

alles (...) zeitlich irgendwie einzuplanen, wann bin ich in der Fachhochschule, wann lerne ich,

wann arbeite ich. Das war eigentlich die ersten Wochen das größte Problem“. Leila (EG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Auch die eigenständige Organisation verschiedener „Studienaufgaben“ und die Arbeit am

PC, insbesondere das Einhalten formaler Regeln bei den schriftlichen Prüfungsleistungen,

werden als schwierig benannt. Ebenso wird die Organisation des selbstständigen Lernens,

das Vor- und Nachbereiten von Modulveranstaltungen von Studierenden beider Gruppen

als schwierig erlebt:

Für die Bewältigung organisatorischer Herausforderungen erscheint es hilfreich, wenn das

Interesse an den Inhalten trägt:

Insgesamt vermitteln die Erzieherinnen den Eindruck, dass das Studium zwar viel Inhalt

bereitstellt, aber keine Überforderung bedeutet. Bei der Vergleichsgruppe ist diese Bild

differenzierter: Hier reicht die Bandbreite der Angaben von „nicht übertrieben“ und

„Schwierigkeiten sind von Dozenten abhängig“ bis zur Wahrnehmung „konsequent unter-

fordert“ zu sein.

Bewältigung der Module im zweiten Semester

Im zweiten Semester schließen die Studierenden das Grundmodul Recht mit einer Klausur

ab, belegen das Grundlagenmodul Gesellschaft, Ökonomie und Sozialstaat (Modul 4), das

„Ich habe immer Schwierigkeiten wenn ich lernen soll ((Lachend)). Da spielen verschiedene Sa-

chen eine Rolle. Also einmal ist es bei mir organisatorisch so, ich plane komischerweise alles

immer ganz genau, um es dann doch nicht so zu machen, wie ich es geplant habe. Und das ver-

setzt mich dann in einen unheimlichen Zeitdruck. Also ich glaube, da geht es mir nicht anders als

vielen anderen. Zumindest haben wir uns da immer gegenseitig zugejammert, dass wir mit ir-

gendwas nicht fertig werden oder das jetzt noch nicht geschafft haben (…), und ich hab sogar

einen Tag frei, ja da muss ich ja jetzt genug Zeit haben, um das alles zu machen. Ja, da hatte ich

noch nicht bedacht, dass ich auch noch ein Leben habe und auch noch nebenher arbeiten gehe

((Lachend)).“ Nina (VG)

„Ich fand es super interessant. Also es hat mich (...), ich hab da wirklich mit Begeisterung mit-

gemacht, und es hat mich auch alles wirklich sehr interessiert. Dadurch dass es mich interessiert

hat, fiel es mir eigentlich recht leicht, mitzuwirken. Bei den Hausarbeiten (...), das einzige Prob-

lem was ich habe ist, ich gehe nebenbei arbeiten, ich wohne alleine, muss alles selber finanzie-

ren. Ich bekomme keine staatliche und auch keine private Unterstützung (…), für mich ist das

einzige Problem Zeitmangel“ Zoey (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Modul 6, das aus jeweils einer dreitätigen Blockveranstaltung zum Thema Reflexion und

Fallarbeit (Kindeswohlgefährdung) besteht sowie das Aufbaumodul Soziale Arbeit (Modul

7), sofern das Grundmodul 1 bestanden wurde. Für die Vergleichsgruppe beginnt außer-

dem das zweisemestrige Modul 16 – Konzeptionelle Vertiefung. Den Erzieherinnen wurde

das Modul 16 im Rahmen des Anrechnungsverfahrens erlassen.

Die Erzieherinnen sprechen überwiegend mit einer gewissen Begeisterung über das Stu-

dium. Mit Neugier gehen sie auf neue Inhalte zu. Sehr deutlich wird, dass neues Wissen

nach seiner Anwendbarkeit für das Weltverstehen, aber auch für die Praxis der Sozialen

Arbeit eingeordnet wird. So wird das Modul 4 von den Erzieherinnen überwiegend als in-

teressant bezeichnet. Die Auseinandersetzung mit politischen und ökonomischen Zu-

sammenhängen ist offenbar für sie neu und bereichernd:

Die Fallarbeit in Modul 6 wird im Vergleich zu den vorangegangenen Modulen als ange-

nehm bezeichnet, da hier ein hoher Praxisbezug besteht. Auch die intensive Fallbearbei-

tung über mehrere Tage wird als besonders positive Form des Studiums wahrgenommen:

Die Erzieherinnen verknüpfen neues Wissen mit ihren Vorkenntnissen. So werden „neue

Wege“ für die Fallbearbeitung als Erweiterung des professionellen Spektrums eingeord-

„...also ich finde das Modul 4 ziemlich spannend, das finde ich auch was Neues so, das war bis

jetzt immer nur so aus privatem Interesse (…) habe ich da so ein bisschen Vorwissen, jetzt so in

Globalisierung oder so (…). Aber das finde ich ziemlich spannend eigentlich, wie wird Armut defi-

niert, und (...) wie ist es auch alles so aufgebaut und so.“ Theresa (EG)

„Ich finde Modul 6 auch total interessant, dass das auch so Blockwochen waren, das ist total

angenehm finde ich, sich mal so drei Tage lang nur auf (…) bestimmte Fälle sozusagen beziehen,

ja. Das hat mir nämlich vorher gefehlt und jetzt, durch das Modul 6, das könnte ruhig öfter mal

(...) auf jeden Fall irgendwie in Erwägung gezogen werden, ja“. Diana (EG)

„Nein also, für mich machen die schon alle Sinn, die Module, das auf jeden Fall, und natürlich,

also Recht zum Beispiel, liegt mir jetzt gar nicht so…Liegt mir natürlich mehr Modul 6, weil es

mich natürlich auch so wegen dem Case-Management eher interessiert beziehungsweise mir

auch einen neuen Weg aufgezeigt hat. Also ich denk, ich kann aus jedem Modul mir was mit-

nehmen für die Zukunft. Und ja, dass einem das eine mehr Spaß macht als ein anderes, ist ja,

glaube ich, immer so ((lacht leise)).“ Elena (EG):

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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net. Ganz entscheidend für die Bewertung des Studiums ist für die Erzieherinnen offenbar

die Sinnhaftigkeit des neu zu erwerbenden Wissens.

Schwierigkeiten im Bildungsprozess werden kritisch beleuchtet und reflektiert. Die Ein-

sicht in die Notwendigkeit bestimmter Diskurse wird als eigener Bildungsprozess identifi-

ziert. Die Erzieherinnen setzen sich auch mit eigenen Widerständen gegenüber bestimm-

ten Inhalten und Themen auseinander. Darin zeigt sich, dass die kritische Reflexion von

Bildungsprozessen bereits zu ihrem professionellen Repertoire gehört und dass sie diese

für den eigenen Bildungsprozess anwenden können.

Die Aussagen der Vergleichsgruppe zu den Modulinhalten sind stärker als bei den Erziehe-

rinnen von bedürfnisbezogenen Termini geprägt. Während die Erzieherinnen das neue

Wissen in den fachlichen Zusammenhang einordnen, entscheiden die Studierenden der

Vergleichsgruppe zunächst ganz subjektiv darüber, ob sie Interesse an einem Thema ha-

ben

„Also in Modul 7 (...) fiel es mir ein bisschen schwer, weil es da erst mal um diesen Professionali-

sierung- und Disziplinierungsdiskurs wieder ging (...), und da bin ich noch nicht so ganz durchge-

stiegen ((räuspert sich)). Aber der Dozent ist super, der erklärt das total gut und deswegen ei-

gentlich jetzt nicht mehr. Am Anfang habe ich halt den Text gelesen und stand erst mal so ein

bisschen auf dem Schlauch (...), aber den haben wir dann im Seminar so bearbeitet, dass ich jetzt

da durch- schon durchblicke (...) ja (...) ja, nein, fällt mir jetzt nicht so schwer, muss ich sa-

gen.“Anne (EG)

„Also bisher muss ich sagen ist das alles, läuft es wirklich alles gut. Ich habe nicht das Gefühl,

ich bin überfordert oder man würde irgendwo nicht mitkommen (...). Es ist schon alles irgendwo

einleuchtend und nicht total fern der Realität. Also es gab schon ab und zu mal so Momente,

wo ich, ja wo ich mir gedacht habe ‚ja was hat das jetzt, also für was brauchen wir das später in

der Praxis? ‘ So ja gerade so diese ganzen geschichtlichen Sachen. Und dass man jetzt selbst im

2.Semester immer wieder zurück in andere Zeiten springt. Aber prinzipiell erschließt sich das

einem danach immer wieder, für was man das jetzt wirklich, das Wissen irgendwie braucht.

(..)Deswegen (...) läuft das alles gut wirklich“. Susann (EG)

„Modul 16 fällt mir leicht, aber daher, dass mich das am meisten interessiert und Modul 7 kann

ich jetzt auch nicht sagen, dass mir das besonders schwer fällt oder (...), aber das ist einfach

das, was mir am wenigsten Spaß macht“. Judith (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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oder z. B. ob es ihnen „Spaß macht oder nicht“. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit des zu

erwerbenden Wissens wird nicht unbedingt gestellt. Neues Wissen wird in das Alltagswis-

sen, das unter anderem aus Medien und Tagesereignissen gespeist wird, eingeordnet.

Die Lust am Lernen scheint auch für Tim ein wichtiger Faktor zu sein. Außerdem

wird in seinen Aussagen deutlich, dass für ihn vor allem die Praxis der Sozialen

Arbeit Neuland ist – sie scheint zunächst eine höhere Attraktivität zu haben als

theoretisches Wissen.

Ergebnisse der Gruppendiskussionen

Die Gruppendiskussion sollte Aufschluss geben über den Habitus der Studierenden. Aus-

gehend von der Annahme, dass Erzieherinnen und Erzieher aufgrund ihrer praxisorien-

tierten Ausbildung an Fachschulen für Sozialpädagogik und der Anforderungen in der Pra-

xis einen eher handlungsorientierten beruflichen Habitus entwickelt haben, soll unter-

sucht werden, inwieweit dieser im Studium der Sozialen Arbeit weiter relevant bleibt oder

allmählich einem eher wissenschaftlichen Habitus weicht. In den Gruppen waren die Er-

„Ja zum Beispiel Modul 6, Modul 4 da kann ich schon näher was damit anfangen, weil das ist

eher quasi im alltäglichen Leben; ja zum Beispiel um Kinderarmut oder diese soziale Ungleich-

heit; das kann man ja, na, greifen ja; das sieht man überall und hört man (…) Medien, wenn man

Zeitung aufmacht, das schon, aber zum Beispiel Modul 7, wo es allein um trockenes Wissen oder

Texte* geht, ja das, das fällt mir natürlich schwer“. Sylwia (VG)

*Inhalte von Modul 7 sind „Grundlagen der fallbezogenen Wahrnehmung und Beobachtung, theoretische Erklärungsansätze sowie

handlungsethische und methodische Zugänge (…)“ (Modulhandbuch des BASA)

„Ja es stimmt schon, dass sie mich alle interessieren, aber es gibt schon Unterschiede also (...). Recht

würde ich sagen fällt mir einfach leicht, weil ich es schon hatte, am meisten dazu lernen denk ich,

kann ich bei 7 und 16, also diesem Aufbaumodul Soziale Arbeit und wenn es um Konzepte und Me-

thoden geht. Ich hab jetzt, außer dass ich zwei Praktika gemacht hab, in der Sozialen Arbeit noch

nicht praktische Erfahrungen gesammelt, und da finde ich das immer ganz wichtig, was tolles (…),

wir haben eine Dozentin, die sehr viele Gastredner einlädt, dass man auch viel aus der Praxis er-

fährt. Und Modul 16, Schulsozialarbeit ist komplett neu, also da gibt es richtig viel zu entdecken,

und das macht auch Spaß.“ Tim (VG)

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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zieherinnen aufgrund der kleineren Anzahl regulär Studierenden im Projekt leicht überre-

präsentiert.

Alle am Gespräch teilnehmenden wurden gebeten, sich nicht mit ihrem Hintergrund vor-

zustellen, so dass nicht bekannt war, wer zu welcher Gruppe gehörte. Die Teilnehmenden

diskutierten einen an alle verteilten Text zum „Bildungspaket“ (s. Anhang V) und wurden

gebeten, am Ende die Ergebnisse schriftlich festzuhalten. Die Gespräche wurden mit Vi-

deo im Dabeisein von 2 Forscherinnen aufgezeichnet. Für die Auswertung wurde eine Ta-

belle entwickelt, in die auf einer Skala von 2plus bis 2minus jeweils der Grad der Valenz

eingetragen wurde. Die Gespräche wurden in Beobachtungsgruppen mit jeweils 3-5 For-

schenden mehrfach mit wechselnden Rollen analysiert, um einen möglichst hohen Grad

an Reliabilität zu erreichen.

Eine erste grobe Sichtung ergab, dass 79 % der Erzieherinnen und 64 % der Studierenden

aus der Vergleichsgruppe einen eher sachlichen, überwiegend präzisen, reflektierten,

analytisch offenen Gesprächsstil zeigten, gegenüber 21% auf Seiten der Erzieherinnen

und 36 % der Vergleichsgruppe, die einen eher handlungsorientierten, emotional und

normativ wertenden Gesprächsstil anwandten. Quer zu beiden Gruppen konnte eine klei-

ne Anzahl von Teilnehmenden identifiziert werden, die bei allen Werten fast exakt zwi-

schen beiden Polen lagen. Bei ihnen kontrastierten sachliche, präzise und analytische Bei-

träge mit einer eher unsicher wirkenden Körpersprache. Hier stellte sich die Frage, ob

diese Anzeichen Ausdruck des ambivalenten Befindens in der Statuspassage zwischen be-

ruflichem bzw. schulischem Habitus einerseits und dem studentisch-wissenschaftlichen

Habitus andererseits sind. Zwei Studierende (Erzieherinnen) stellten sich in der Diskussion

als äußerst schweigsam aber teils durchaus aktiv zuhörend dar.

Die Feinauswertung der Gesprächsprotokolle wird vor allem für die Profilerstellung der

Teilnehmenden weitere interessante Erkenntnisse ergeben.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Studienleistungen – Subjektive Bewertung und objektive Ergebnisse

Um Erfolge und Hürden im Studium nicht nur aus der Subjektperspektive zu erheben,

wurden die Studierenden nach ihren Abschlussnoten der Module befragt. In der Auswer-

tung muss berücksichtigt werden, dass in der ersten Erhebungsphase (Jan. 2011) die No-

ten für das erste Semester noch nicht vorlagen und dass sich die Studierenden zum Zeit-

punkt der zweiten Ergebung (Mai 2011) bereits mitten im Semester befanden. In dieser

Phase waren die Noten über die Module 1,3 und 5 bekannt, die Noten über die Module 2,

4 und 7 lagen erst gegen Ende des Sommersemesters vor und konnten deshalb in den In-

terviews nicht thematisiert werden. Aufgrund der unterschiedlichen Größen der Untersu-

chungsgruppen kann hier kein empirischer Vergleich der Noten vorgenommen werden.

Im Fokus der Auswertung steht deshalb die Relation zwischen individuellen Selbstein-

schätzungen und den erzielten Ergebnissen. Außerdem ist von Interesse, ob die Aussagen

über die Zufriedenheit mit dem Studium, sich ebenfalls in den Noten niederschlagen. Die

Durchschnittsnoten der beiden Untersuchungsgruppen liegen mit 2,0 bei den Erzieherin-

nen und 1,7 in der Vergleichsgruppe sehr nah beieinander.

Ergebnisse bei den Erzieherinnen

Die besten Noten haben die Erzieherinnen entgegen ihrer subjektiven Darstellung im Mo-

dul 5 – Wissenschaftliches Arbeiten (ø1,7) erzielt. Offensichtlich konnten die Erzieherin-

nen zu Beginn des Studiums ihre Fähigkeiten zum wissenschaftlichen Arbeiten nicht rea-

listisch einschätzen. Es ist anzunehmen, dass ihre Befürchtungen, in diesem Modul keine

guten Leistungen zu erbringen, sehr hoch waren.

Die Module 1 und 6 wurden mit der durchschnittlichen Note 2,0 bestanden. In den Modu-

len 3 und 7 konnte eine Durchschnittsnote von 2,3 erreicht werden. Das Model 4 absol-

vierten die Erzieherinnen im Durchschnitt mit einer 2,7 und das Grundmodul Recht fiel

mit der Durchschnittsnote 3,0 am schlechtesten aus.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Im Grundmodul Recht fielen fünf Erzieherinnen, also 25 % der Untersuchungsgruppe

durch die Klausur20. Der Notenschnitt der Erzieherinnen, die dieses Modul bestanden ha-

ben, liegt allerdings bei ø 2,0! Vier Erzieherinnen liegen im Rechtsmodul mit den Noten 1-

1,3 ganz vorn.

Die Selbsteinschätzung der Erzieherinnen hinsichtlich des Grundlagenmoduls Gesellschaft

und Persönlichkeit (Modul 3) deckt sich bei gut der Hälfte der Studierenden mit ihren No-

ten, die zwischen 1, 0 und 1,7 liegen. Es gibt allerdings auch vier Studierende, die in die-

sem Modul nur zwischen 3,3 und 3,7 abschließen. Im Modul 7 hat ebenfalls eine Erziehe-

rin das Modul nicht bestanden.

Ergebnisse der Vergleichsgruppe

Die Studierenden in der Vergleichsgruppe haben die Module 1, 3, 5, 6 und 7mit einer

Durchschnittsnote von 1,7 am besten abgeschlossen, gefolgt von den Modulen 2 und 4, in

denen durchschnittlich die Note 2,0 erreicht wurde. In dieser Gruppe hat nur eine Studie-

rende im Modul 7 die Prüfung nicht bestanden. Die Befürchtungen einiger Studierender

dieser Gruppe, die Anforderungen hinsichtlich des wissenschaftlichen Arbeitens und im

Rechtsmodul nicht erfüllen zu können, konnten nicht bestätigt werden.

Vergleich beider Gruppen

Die Studierenden beider Gruppen haben einen guten Notenschnitt erreicht. Die in beiden

Gruppen beklagten Schwierigkeiten hinsichtlich des wissenschaftlichen Arbeitens haben

sich nicht bestätigt, im Gegenteil, hier erreichten die Studierenden die besten Noten.

Möglicherweise besteht zwischen den im Modul kommunizierten Ansprüchen und der

Notengebung eine Diskrepanz. Es ist aber auch möglich, dass bezüglich der Fähigkeit zum

wissenschaftlichen Arbeitens bei Studierenden zum Studienbeginn insgesamt die meisten

Befürchtungen bestehen, da dies vor allem den Unterschied zu den vorangegangenen Bil-

dungsinstitutionen ausmacht und über das wissenschaftliche Arbeiten der Nachweis erb-

racht wird, dass sie sich für ein Studium eignen. In dieser Hinsicht haben alle Studieren-

20

Die Durchfallquote im Modul 2 lag im SoSe 2010 bei 3,9 % (interne Statistik des FB 4)

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den nach einem Studienjahr eine wichtige Hürde genommen. Die Klagen über das

Rechtsmodul erwiesen sich insbesondere für einen Teil der Studierenden in der Gruppe

der Erzieherinnen als stimmig, die das Modul nicht bestanden21.

Zufriedenheit mit dem Studium

Die Gegenüberstellung der subjektiven Wahrnehmung von Studie und -misserfolgen mit

den tatsächlich erzielten Ergebnissen und die Frage nach der Zufriedenheit mit dem Stu-

dium gibt Auskünfte über den Umgang mit dem eigenen Bildungsprozess sowie über den

Grad der Bildungsmotivation.

Die Zufriedenheit über das Studium ist bei der Gruppe der Erzieherinnen nach dem ersten

und dem zweiten Semester deutlich größer als in der Vergleichsgruppe. Probleme mit

Studieninhalten scheinen angesichts der überwiegend erfolgreichen Bewältigung der An-

forderungen als überwindbar.

Einige Studierenden der Vergleichsgruppe beschreiben das Studium als unstrukturiert,

anspruchsvoller und stressiger als erwartet oder auch als langweilig. Überdies beklagen

sie mehrfach die Vielzahl von Gruppenarbeiten. Drei der Befragten aus der Vergleichs-

gruppe äußern sogar Zweifel an der Studienfachwahl, so z. B. auf die Frage, ob sie schon

im Studium angekommen sei:

21

Ob die vergleichsweise hohe Durchfallquote der Erzieherinnen im Rechtsmodul auf möglichen Handlungsbedarf hinsichtlich der Lehre in diesem Modul verweist, müsste Gegenstand weiterer Untersuchungen sein (s. auch Überlegungen zum Curriculum Kap. 4.6)

„Ja ich bin eigentlich sehr zufrieden. Also ich finde mich jetzt viel besser zu Recht als vorher. Ich

weiß, wo alles ist, was ich tun muss, wann ich mich wo anmelden muss und ja, natürlich auch die

Hausarbeit, die wir schreiben mussten und die Prüfungen die wir hatten, (...) natürlich auch einiges

an Aufschluss gegeben, (...) so als Grundlage nehme ich mal an fürs Studium jetzt.“ Elena (EG)

„Ja also bei der Klausur hätte ich ein bisschen besser abschneiden können, aber ich weiß auch, dass

es eher daran lag, dass ich sehr viel Stress hatte, weil ich nebenbei noch arbeite, und (...) ja, aber

ansonsten bin ich schon zufrieden, doch.“ Zoey (VG)

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Eine mögliche Schlussfolgerung dieser Aussage ist, dass sich die regulär Studierenden bei

Studienbeginn inhaltlich völlig neu orientieren müssen und sie deshalb möglicherweise

länger brauchen, um sich mit dem Studium und dessen Inhalten identifizieren zu können.

Es gibt allerdings auch Erzieherinnen, deren Motivation im zweiten Semester sinkt. Sie

beklagen die geringen Präsenzzeiten, es fehlt ihnen das Interesse an den Studieninhalten,

und sie wünschen sich mehr Praxisnähe:

Die Studienzufriedenheit hängt nicht vom Studienerfolg allein ab. Leonie äußert die sin-

kende Motivation am Studium, obwohl sie einen Notenschnitt von 1,3 erreicht hat. Die

stärker theoretisch ausgerichteten Module scheinen für einen Teil der Erzieherinnen eine

echte Herausforderung zu sein. Wie sie diese perspektivisch bewältigen, lässt sich nach

einem Studienjahr noch nicht vorhersagen.

Insgesamt äußern die Erzieherinnen eher das Gefühl als Studierende der Vergleichsgrup-

pe, im Studium angekommen zu sein. Eine Erzieherin erwähnt, dass sie durch ihr Studium

mehr Wertschätzung erfährt als durch die Ausbildung. Während in der Vergleichsgruppe

Gruppenarbeiten mehrfach als schwierig beschrieben werden, hat eine Erzieherin zusätz-

lich eine Lerngruppe gegründet hat. Eine Erzieherin gibt an, ein Modul freiwillig und aus

bloßem Interesse zu besuchen, für das sie im Anrechnungsverfahren bereits die Prüfungs-

leistung anerkannt bekommen hat. Die Erzieherinnen sind ganz offensichtlich überwie-

„Ja ja, mal so mal so, an sich eigentlich schon, aber es gibt trotzdem immer noch mal so gewisse

Zweifel. So also, ich muss sagen, so am Ende des ersten Semesters habe ich mich eher angekommen

gefühlt als jetzt. (…) Ja, ist es wirklich das Richtige, ist es das, was ich wirklich machen will? (...) Ich

bin mir schon sicher, dass ich es durchziehen will auf jeden Fall, aber ist es wirklich so das (…), was

zu mir passt?“ Nike (VG)

„Ich muss sagen, ich merke, dass ich weniger motiviert bin als im ersten Semester, einfach (…) weil

die Module mich auch nicht so ziehen. Also es ist halt sehr viel diese ganze Professions-Diskussions-

Zeug und (...), also im ersten Semester hatte ich richtig das Gefühl, ich geh’ teilweise aus den Vorle-

sungen raus und hab wirklich für mich so was mitgenommen (…), und jetzt ist es halt echt so alles

Praxisfern und nur diese ganzen Professionsdebatten. und (…) ja es nervt mich halt irgendwann“. Leonie (EG)

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gend aufgrund ihrer Affinität zu den Inhalten stärker am Studium motiviert als die Studie-

renden der Vergleichsgruppe und entfalten deshalb sogar zusätzliche Aktivitäten.

4.4.2 Relevanz bildungsbiographischer Vorerfahrungen und des familialen Bildungshintergrundes für den Studienverlauf – erste Überlegungen

Auswertung zu den soziographischen Daten und den Noten

Die Erhebung soziodemographischer Daten der Untersuchungsgruppen sollte ermögli-

chen, Zusammenhänge zwischen dem Bildungsstand der Eltern sowie der sozialen und

ethnischen Herkunft und dem Bildungserfolg der Studierenden identifizieren zu können.

Ein derartiges Verfahren erfordert, um aussagekräftig zu sein, einen wesentlich größeren

Untersuchungszeitraum und umfassende Forschungsinstrumente. Dennoch ist es möglich,

die Studienleistungen mit dem Bildungshintergrund zu vergleichen und mögliche Annah-

men und Überlegungen über Zusammenhänge zwischen intersektionalen Kategorien und

dem Bildungserfolg der Studierenden anzustellen.

Eltern mit akademischer Ausbildung

Die gängige Annahme, dass Studierende aus akademischen Familien bessere Noten ha-

ben und besser durch das Studium kommen, bestätigt sich für die Gruppe der Erzieherin-

nen nicht. Bei sechs Erzieherinnen verfügen die Eltern über einen akademischen Ab-

schluss (Universität). Von ihnen hat lediglich eine Studierende nach dem ersten Studien-

jahr einen Notendurchschnitt von 1,7 erlangt, eine weitere Erzieherin, deren Mutter über

einen FH-Abschluss verfügt, hat ebenfalls einen Notendurchschnitt von 1,7 erreicht. Bei

den übrigen Erzieherinnen mit Eltern aus Nicht-Akademikerfamilien liegt der Notendurch-

schnitt zwischen 2,3 und 2,9 - also niedriger als der Durchschnitt von 2,0. Zwei von ihnen

haben das Rechtsmodul (Modul 2), eine das Grundmodul Gesellschaft und Persönlichkeit

(Modul 3) sowie das Aufbaumodul Soziale Arbeit (Modul 7) nicht bestanden.

In der Vergleichsgruppe stammen ebenfalls sechs Studierende aus Akademikerfamilien.

Die Hälfte von ihnen hat einen Notendurchschnitt von 1,3 bis 1,7 erreicht. Eine weitere

Studierende, bei der die Mutter über einen FH-Abschluss verfügt, erreicht ebenfalls einen

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Notenschnitt von 1,7. Die übrigen Studierenden haben einen Notenschnitt zwischen 2,3

und 2,7 erlangt.

Migrationshintergrund

In der Gruppe der Erzieherinnen befinden sich zwei Studierende mit Migrationshinter-

grund, eine von ihnen hat die Durchschnittsnote 1,7, die andere eine 2,3 erreicht. Beide

liegen damit sowohl über als auch unter dem durchschnittlichen Wert von 2,0 in ihrer

Gruppe. Beide geben an, dass ihre Eltern ohne schulischen Abschluss sind. Diese Studie-

renden widerlegen, dass der Bildungserfolg maßgeblich von der familialen Herkunft ab-

hängig ist. Sie geben auch an, dass sie nicht die ersten in ihren Familien sind, die ein Stu-

dium aufnehmen. Es stellt sich die Frage, ob die Erzieherinnenausbildung oder andere bi-

ografische Faktoren für diese Studierenden besonders förderlich für ihre Bildungsorien-

tierung waren. Dies soll im weiteren Verlauf der Studie näher nachgefragt werden.

In der Vergleichsgruppe sind ebenfalls zwei Studierende mit Migrationshintergrund. Beide

haben in dieser Gruppe mit einer 2,3 und einer 2,7 einen schlechteren Notenschnitt er-

reicht als die Gesamtgruppe (1,7).

Studierende mit „ungeraden“ Bildungswegen

In der Vergleichsgruppe haben fünf Studierende in ihrer beruflichen Sozialisation Umwe-

ge eingeschlagen, dazu zählen auch die beiden Studierenden mit Migrationshintergrund.

Mit ihrem Notendurchschnitt von 2,0 liegen sie etwas unter dem Notendurchschnitt der

Vergleichsgruppe. Ob die Umwege ihnen Vorteile hinsichtlich der Noten verschafft, ha-

ben, lässt sich so allgemein nicht beantworten. Bei den Erzieherinnen weißt nur eine Stu-

dierende eine ungeraden Bildungsweg auf. Sie erreicht einen Notenschnitt von 1,7 und

liegt damit über dem Notendurchschnitt in ihrer Untersuchungsgruppe.

Berufsjahre

Die Studierenden mit beruflichen Vorerfahrungen repräsentieren genau den Notendurch-

schnitt ihrer jeweiligen Untersuchungsgruppe. Die sechs Erzieherinnen mit beruflichen Er-

fahrungen, die nicht länger als drei Jahre zurückliegen, erreichen einen Notendurchschnitt

von 2,0. In der Vergleichsgruppe erreichen die fünf Studierenden mit bis zu 3 Jahren Be-

rufserfahrung vor dem Studium einen Notendurchschnitt von 1,7.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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4.5 Zusammenfassung zentraler Erkenntnisse, offene Fragen, Überlegungen zu weiteren Forschungsschritten

Einschlägige Kompetenzen, hohe Bildungsmotivation

Die Untersuchung hat bereits einen Teil der eingangs formulierten Hypothesen bestätigt.

So bringen die Erzieherinnen in ihren Aussagen deutlich zum Ausdruck, einschlägiges

Fachwissen, Feld- und Handlungskompetenzen mitzubringen. Das Anknüpfen an Vorwis-

sen und die Fähigkeit, berufspraktische Erfahrungen reflektieren zu können, helfen ihnen

beim Fallverständnis und für das Illustrieren theoretischer Diskurse. Fachliche Termini

sind ihnen geläufig, und sie verfügen über eine hohe und ausgeprägte Bildungsmotivati-

on. Die Erwartungen an das Studium der Sozialen Arbeit sind klar mit beruflichen Perspek-

tiven verknüpft, die allerdings überwiegend jenseits der Arbeit in Kindertageseinrichtun-

gen liegen. Dieser Arbeitsbereich wird als zu eng beschrieben und verspricht offenbar zu

geringe Aufstiegschancen. Die meisten haben klare berufliche Ziele. Einige Erzieherinnen

zeigen eine deutliche berufliche Aufstiegsmotivation.

Leichter Einstieg ins Studium

Das sozialpädagogische Profil vereinfacht den Studierenden den Einstieg in das Studium.

Mit einer viel höheren Leichtigkeit als die Vergleichsgruppe beschreiben die Erzieherinnen

die Eingangspassage in das Studium der Sozialen Arbeit. Arbeitsformen wie Gruppenar-

beit, kreative und kommunikationsfördernde Methoden sind ihnen aufgrund ihrer Vorbil-

dung vertraut. Widerstände, weil gerade diese Methoden hohe kommunikative Kompe-

tenzen erfordern, stellen sich ihnen nicht in den Weg, wie es von Studierenden aus der

Vergleichsgruppe beschrieben wird. Der leichtere Einstieg in das Studium erscheint so wie

eine Hypothek, von der die Studierenden im Studienverlauf zehren.

Reflexive Kompetenz ist hilfreich

In der Reflexion ihrer Bildungsprozesse erweisen sich die Erzieherinnen als weitaus geüb-

ter als die Studierenden der Vergleichsgruppe. Frustrierende Erfahrungen in Lehrveran-

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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staltungen scheinen sie besser zu bewältigen als die regulär Studierenden. Eine „pädago-

gische Haltung“ die sie sich selbst gegenüber anwenden, hilft ihnen sich zu ermutigen,

auch schwierige Situationen zu bewältigen. Missmut über enttäuschte Erwartungen an

das Studium, die gleichzeitig auch mit der Frage nach der Richtigkeit der Studienfachwahl

verbunden wird, oder ausschließlich in der Vergleichsgruppe zu finden. Die Erzieherinnen

sind auch im zweiten Studiensemester von ihrer Studienwahl absolut überzeugt und

überwiegend weiterhin hoch motiviert. Das Studium wird insgesamt als hoher biografi-

scher Gewinn verbucht.

Ängste vor dem wissenschaftlichen Arbeiten - unbegründet?

Die Mehrzahl der befragten Erzieherinnen teilen Ängste vor dem Anspruch an wissen-

schaftliches Arbeiten mit den Studierenden der Vergleichsgruppen. Darauf sind sie offen-

bar in ihrer Fachschulausbildung am geringsten vorbereitet worden. Diese anfänglich

scheinbar hohe Hürde bewältigen sie dennoch und erlangen gerade im Modul zum Wis-

senschaftlichen Arbeiten ihre besten Noten. Die Annahme, dass das einschlägige sozial-

pädagogische Profil aufgrund seiner in der Fachschulausbildung stark ausgeprägten Hand-

lungsorientierung sich dem Erwerb einer wissenschaftlichen Haltung widersetzt, konnte

nicht bestätigt werden

Schwierigkeiten mit abstraktem Wissen

Erkennbare Hürden konnten zunächst nur für eine kleine Gruppe von Erzieherinnen hin-

sichtlich der Bewältigung des Grundmoduls Recht und im Aufbaumodul Soziale Arbeit

festgestellt werden. In beiden Modulen konnten die Prüfungsleistungen nicht erbracht

werden. Die Module müssen wiederholt werden. In beiden Modulen werden hohe theo-

retische Ansprüche gestellt. Die juristische Fachsprache ist anscheinend für diesen Teil

der Studierenden eher fremd und führt möglicherweise zu Lernblockaden. Der Umgang

mit abstraktem Wissen, das für die Klausur auswendig gelernt werden muss und ohne

Praxisbeispiele auskommt, erschließt sich offenbar mit größeren Hindernissen als dasjeni-

ge, in das die Erzieherinnen ihre Vorkenntnisse einbringen können. Es wird im weiteren

Verlauf der Studie interessant, ob und wie die Studierenden diese Hürde überwinden

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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können. Für die Weiterentwicklung der Didaktik in diesen Modulen stellen sich dazu neue

Aufgaben.

Gefahr der Überschätzung des mitgebrachten Wissens

Erkennbar wurde, dass für einen Teil der Erzieherinnen das einschlägige Vorwissen nicht

dazu führte, dass diese sich in ihren Noten im entsprechenden Modul (Gesellschaft und

Persönlichkeit) niederschlugen. Die Selbstgewissheit, schon alles über Erziehung und Bil-

dung zu wissen ohne den Perspektivenwechsel auf die wissenschaftliche Fundierung die-

ses Wissens zu vollziehen, kann dazu führen, dass gerade in den einschlägigen Fächern die

Anforderungen unterschätzt werden. Gerade in den einschlägigen Fächern besteht die

besondere Herausforderung für Erzieherinnen darin, das zuvor erworbene Wissen für ei-

ne wissenschaftliche Profilbildung zu nutzen.

Offene Fragen – Überlegungen zu weiteren Forschungsschritten

Mit der Begleitung der Untersuchungsgruppen durch ihr erstes Studienjahr liegen vor al-

lem Erkenntnisse zur Bewältigung des Einstiegs in das Studium vor. Die Forschungsin-

strumente haben sich für die Erhebung der Bildungsmotivation und der Bildungsprozesse

als sehr gut geeignet erwiesen und sind für weitere Befragungen modifizierbar. Neben

den kategorisierten Erkenntnissen aus den Interviews und den Zusammenfassungen der

Ergebnisse der standardisierten Fragebögen wurden Einzelprofile der Studierenden ange-

legt, die weitere Möglichkeiten der Erforschung der spezifischen Bildungsprozesse eröff-

nen. So sollen Typisierungen vorgenommen werden, die Erkenntnisse über individuelle

Bildungsverläufe –immer bezogen auf die vorangegangene Ausbildung zur Erzieherin ge-

nerieren werden. Zentral wird es sein, den weiteren Studienverlauf bis zu seinem Ab-

schluss zu untersuchen.

Dafür sind folgende Forschungsfragen von Interesse:

Welche Relevanz haben die in der Erzieherinnenausbildung erworbenen Kompeten-zen für den weiteren Studienverlauf?

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Welche Hürden ergeben sich für die Studierenden im weiteren Studium und wie be-wältigen sie diese?

Wie bewältigen die Erzieherinnen weiter den Perspektivenwechsel auf das wissen-schaftliche Arbeiten und den Umgang mit den eher abstrakten Studieninhalten?

Welche Schwerpunktwahl wird getroffen, und wie entwickeln sich die Studierenden in den Schwerpunkten weiter?

Wie bewältigen die Studierenden den Studienabschluss? (Themen und Bearbeiten der BA-Thesis)

Welche Perspektiven ergeben sich für die Studierenden im Anschluss an den BA?

Werden die anfänglich formulierten Berufsziele tatsächlich weiter verfolgt?

Quer zu den oben genannten Fragestellungen soll der Zusammenhang zwischen dem in-

dividuellen familiären Bildungshintergrund, den intersektionalen Kategorien sozialer und

ethnischer Herkunft und dem Bildungsverlauf untersucht werden. So wird es äußerst inte-

ressant sein, weiter mögliche Zusammenhänge zwischen dem Bildungshintergrund der

Studierenden und ihrem Bildungsverlauf zu untersuchen. Dazu sind gezielte Auswertun-

gen der Einzelprofile erforderlich sowie Interviews, die vertieft die Biografien der Studie-

renden in den Fokus nehmen. Darüber hinaus gilt es, aus den gewonnenen Erkenntnissen

diejenigen herauszufiltern, die für die Weiterentwicklung der Curricula an Fachschulen

und der Fachhochschule und für die Förderung der Durchlässigkeit der Ausbildungsgänge

von Nutzen sein können.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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4.6 Erste Überlegungen für die Curricula an Fachschule und Fachhochschule

Die Untersuchung des ersten Studienjahres einer Gruppe von Erzieherinnen, die ein er-

mäßigtes Studium des BA Soziale Arbeit absolvieren und einer Vergleichsgruppe regulär

studierender hat bereits einige Hinweise erbracht, die für die Weiterentwicklung von

Curricula der Fachschulen für Sozialpädagogik und das Studium der Sozialen Arbeit an der

Fachhochschule relevant sind.

Stärkung des selbständigen Denkens, Forschens und Lernens

Die deutlich zu Tage getretene Scheu vor dem wissenschaftlichen Arbeiten in beiden

Untersuchungsgruppen zeigt, dass diesbezüglich diffuse Ängste und Unbehagen vorhan-

den sind, die zu verringern wären, wenn das selbständige Denken, Forschen und Lernen

als Bildungsprinzip schon in den Schulen vor Beginn eines Studiums eine Bedeutung hät-

ten. Es besteht offenbar eine „Ehrfurcht“ vor der Wissenschaft, die unnötige Barrieren er-

richtet. Je früher Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende an Fachschu-

len mit dem Gedanken konfrontiert werden, selbst einen forschenden fragenden Blick auf

die Welt zu werfen, umso eher werden sie Ängste vor der Wissenschaft abbauen können.

Diese Haltung, die in der Frühen Bildung längst Thema ist und sich in Publikationen wie

„Forschergeist in Windeln“ (Gopnik u.a. 2007) und „Bildung beginnt mit der Geburt“

(Schäfer 2004) sollte nicht nur in den Bildungsplänen für Kleinkinder vorkommen, sondern

insbesondere auch in den Curricula der Fachschulen für Sozialpädagogik Einzug halten.

Das Bildungsverständnis, das dem Bologna-Prozess zugrunde liegt und maßgeblich in die

Schaffung der neuen Bachelor-Studiengänge eingeflossen ist, setzt selbständig denkende

und studierende Menschen voraus. Ausbildungsgänge, die eine bessere Durchlässigkeit in

die Hochschulen wünschen sind angehalten, ihre Absolventinnen auf diese Leistungsan-

forderungen vorzubereiten.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Förderung eines neuen Bildungsverständnisses

Diese Überlegungen setzen ein Bildungsverständnis voraus, dass neue Lern- und Lehrfor-

men erfordert. Entwickeln eigener Forschungsfragen, eigenständiges Erarbeiten von

Themen, den korrekten Umgang mit Quellen, Einüben einer analytischen Sprache u.v.m.

sind die elementaren Vorbereitungen auf ein Studium. Arbeitsformen in denen das analy-

tische Denken, das forschende Lernen im Vordergrund stehen, in denen die Studierenden

aufgefordert werden, Fragen zu stellen anstatt gleich an Lösungen zu denken und den

Dingen auf den zu Grund gehen, in denen abstrahieren und philosophieren eingeübt wer-

den, sind dafür die Voraussetzungen. Von Vorteil wäre es außerdem, wenn schon Techni-

ken des wissenschaftlichen Arbeitens in den Fachschulen vermittelt und erprobt würden,

z. B. in den schriftlichen Arbeiten. Studierende mit einem derartigen Vorverständnis hät-

ten es wesentlich leichter, den Einstieg ein Studium zu vollziehen und überdies deutliche

Vorteile bei der Bewältigung der Anforderungen.

Praxiswissens in das Studium integrieren

Zur Verbesserung der Anschlussfähigkeit der Erzieherinnen-Ausbildung an ein FH-Studium

wäre es überdies sinnvoll, dass die spezifischen Feld- und Praxiskenntnisse und Kompe-

tenzen der Erzieherinnen und Erzieher offensiv in Lehrveranstaltungen einbezogen wür-

den. Das Anreichern vorwiegend theoriebasierter Module mit Fragen nach der Nutzbar-

keit des Wissens und Anwendungsbeispielen für die Praxis könnte sich überdies als Ge-

winn für FH-Module erweisen. Dazu wäre auch ein Perspektivenwechsel bei eher praxis-

fern Lehrenden wünschenswert.

Stärkung der Kooperationen zwischen Fachschule und Fachhochschule

Denkbar sind überdies eine bessere Vernetzung zwischen den Institutionen sowie die Pla-

nung und Umsetzung gemeinsamer Projekte, die die jeweiligen Stärken verdeutlichen

könnten. Entscheidend für Kooperationen zwischen den unterschiedlichen Bildungsinsti-

tutionen ist, dass sie die jeweiligen Profile mit ihren spezifischen Stärken gegenseitig

wertschätzen und ihre jeweiligen „Identitäten“ im Kooperationsprozess wahren können.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Dies sollte einher gehen mit einem Abbau von Vorurteilen und dem Verzicht auf Hierar-

chien.

Strukturen und Freiräume schaffen

Die Bildungsberatung von Studierenden wurde und wird im AnKE-Projekt bereits erfolg-

reich erprobt. Die Studierenden nehmen die Begleitung im Studium als eine besondere

Qualität gern und häufig an. Bildungsbegleitungs-Erfahrungen aus dem AnKE-Projekt

könnten für alle Studierenden nutzbar gemacht und mit dem obligatorischen Mentoring

im BASA verknüpft werden. Dabei steht das Anknüpfen an Kompetenzen und den Res-

sourcen der Studierenden im Mittelpunkt. Eine bessere Gestaltung der Übergänge und

der Beratung von Studierenden könnte insgesamt zur höheren Zufriedenheit von Studie-

renden beitragen und das Studienklima insgesamt erheblich verbessern.

Die Erfahrungen bei der Einführung der BA-Studiengänge zeigen, dass die sehr engen und

teils verschulten Strukturen einem selbständigen Bildungsverständnis eher entgegenste-

hen. Veränderungen der Curricula setzen umfassende Diskussionsprozesse voraus. Die

Fortsetzung der Evaluation des AnKE-Projektes kann dazu einen wertvollen Beitrag leis-

ten.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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5. Ausblick

Die pauschale Anrechnung von Ausbildungsanteilen aus der Ausbildung zur Erzieherin und

zum Erzieher auf einen Studiengang Bachelor Soziale Arbeit im AnKE-Projekt der Fach-

hochschule Frankfurt am Main ist nach wie vor in Deutschland einzigartig. Die weitere

Evaluation und die Veröffentlichung der darin gewonnenen Erkenntnisse können andere

Fachschulen und Fachhochschulen ermutigen, ähnliches zu erproben. Langfristig würde

ein Fundament für die Implementierung von Anrechnungsverfahren auf außerhochschu-

lisch erworbene Kompetenzen gebildet werden, dass angesichts des demografischen

Wandels auch für die Zukunft der Fachhochschulen einen hohen Stellenwert bekommen

wird.

Die entstehenden Bildungsbrücken für die Erweiterung von Bildungschancen und

sind überdies für das lebenslange Lernen von unschätzbarem Wert.

Margitta Kunert-Zier/Michaela Feigl: Abschlussbericht der ersten Phase des Projektes AnKE FH FFM Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern an der Fachhochschule Frankfurt/M.

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Anhang

I Modulplan

II Beispiel Äquivalenztabelle

III Gesprächsleitfaden für die Einzelinterviews 2. Erhebungsphase

IV Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Kompetenzen und des Vorwissens

V Anleitung für das Gruppengespräch

VI Auswertungsformular Gruppendiskussion