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Anodische Oxidation von Kohlenwasserstoffen, Alkoholen und Carbonshren zu Kohlendioxid an Raney-Platin DR. G. SANDSTEDE’ Battelle-Institut e. V., Frankfurt/Main Der Grad des Umsatzes von Kohlenwasserstoffen zu Kohlendioxid und Wasser bei der anodischen Oxida- tion ist entscheidend fur ihre Verwendbarkeit in Nie- dertemperatur-Brennstoffzellen mit saurem Elektro- lyten. In den letzten Jahren wurden mehrere Unter- suchungen uber die anodische Oxidation von - beson- ders partiell oxidierten - Kohlenwasserstoffen durch- gefuhrtlp4). Wir haben uns mit der anodischen Oxida- tion von kohlenstoff-haltigen Substanzen an Raney- Platin bes~haftigt~-~). Reaktivitat in alkalischem Elektrolyten In Kalilauge werden an Platin nur Methanol, Formal- dehyd und Formiat - also die sauerstoff-haltigen Sub- stanzen mit einem C-Atom je Molekul - quantitativ anodisch oxidiert, d. h. in Carbonat ubergefuhrt. Alle anderen untersuchten Carbonsauren (Essigsaure, Oxal- saure, Propionsaure) werden unterhalb einer Bezugs- spannung von 700 mV nicht oxidiert. Die Oxidation der Alkohole bleibt auf der Stufe der Carbonsaure stehen. Die gesattigten Kohlenwasserstoffe zeigen in alkali- schem Elektrolyten fast keinen Umsatz; ungeszttigte reagieren jedoch gut. So hat Athylen ungefahr die gleiche Reaktivitat wie in saurem Elektrolyten. Abb. 1 his 3. Periodische StromiSpannungs-Kurven mit Raney- Platin (auf Platin-Gerust) Abb. 1. In 6,5 n KOH bei ?ODC; Spannungsgeschwindigkeit: 40 mV/min Mit Hilfe der Dreieckspannungsmethode erhalt man eine periodische StrornlSpannungs-Kurve, aus der die Belegung der Platin-Oberflache mit Sorptionsschichten und deren Abbau hervorgeht, vgl. Abb. 1. Erhoht man von der Bezugsspannung Null an kontinuierlich die Spannung, so erhalt man einen anodischen Strom, der zunachst von der Oxidation des auf der Platin-Ober- flache sorbierten Wasserstoffs herruhrt. Nach zwei aus- *) Kurzfassung des Diskussionsbeitrages auf der Tagung der GDCh-Facbgruppe .Angewandte Elektrochemie”, 21, und 22. Oktober 1965 in FrankfurtiMain. gepragten Maxima geht der Strom bei einer Bezugs- spannung von 450 mV auf einen Minimalwert zuruck (Ladestrom der Doppelschichtkapazitat) ; bei einer Be- zugsspannung von etwa 550 mV steigt er wieder an. Dieser Strom dient zur Ausbildung einer Sauerstoff- (Hydroxo- und 0x0-)-Chemisorptionsschicht auf der Platin-Oberflache, bei der Elektronen von den sorbier- Len Hydroxid-Ionen zur Elektrode ubertreten. Nach dem Umkehrpunkt wird bei Spannungserniedrigung zunachst der chemisorbierte Sauerstoff reduziert, was an der groBen kathodischen Stromspitze zu erkennen ist. Die dann folgenden Stromspitzen gehoren zur Ab- scheidung von Wasserstoff, der atomar sorbiert wird. Reaktivitat in saurem Elektrolyten Die periodische Strom/Spannungs-Kurve mit Platin in saurem Elektrolyten (Oxosauren) ohne Brennstoff ist insgesamt betrachtet der in alkalischem Elektrolyten ahnlich, vgl. Abb. 2. Die Wasserstoff-Oxidation ist je- doch bei einer niedrigeren Bezugsspannung beendet, und die Sauerstoff-Chemiso’rptionsschicht bildet sich erst oberhalb 800 mV. Im Bereich von 400 bis 800 mV sind nur sorbierte Wasser-Molekiile und Anionen auf der Platin-Oberflache vorhanden. Im Elektrolyten ge- lostes Methanol, das auf der Platin-Oberflache sorbiert wird, verdrangt teilweise den sorbierten Wasserstoff; man erkennt dies an der Abnahme des Stromes im Spannungsbereich von 0 bis 300 mV, vgl. Abb. 2. Mit weiter steigender Bezugsspannung wird Methanol oxi- diert. Der Oxidationsstrom durchlauft ein Maximum, weil von hier ab die Wasser-Molekule starker sorbiert werden und das Methanol teilweise von der Oberflache verdrangen. In starkerem MaDe bewirkt dies die sich oberhalb 800 mV ausbildende Sauerstoff-Chemisorp- tionsschicht. Bei den gesattigten Kohlenwasserstoffen macht sich der EinfluB der Sauerstoff-Chemisorptions- schicht besonders stark bemerkbar, vgl. Abb. 3. In schwefelsaurem Elektrolyten werden alle untersuch- ten kohlenstoff-haltigen Substanzen mit 1 bis 4 C-Ato- men je Molekul (Carbonsauren, Ketone, Aldehyde, -25 0 125 mA/cm2 1.50 Stromdichte Abb. 2. In 3 n H,SO, bei 25’C; Spannungsgeschwindigkeit: 40 mV/min 636 Chemie-lng.-Techn. 38. Jahrg. I966 I Heft 6

Anodische Oxidation von Kohlenwasserstoffen, Alkoholen und Carbonsäuren zu Kohlendioxid an Raney-Platin

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Page 1: Anodische Oxidation von Kohlenwasserstoffen, Alkoholen und Carbonsäuren zu Kohlendioxid an Raney-Platin

Anodische Oxidation von Kohlenwasserstoffen, Alkoholen und Carbonshren zu Kohlendioxid an Raney-Platin

DR. G. SANDSTEDE’

Battelle-Institut e. V., Frankfurt/Main

Der Grad des Umsatzes von Kohlenwasserstoffen zu Kohlendioxid und Wasser bei der anodischen Oxida- tion ist entscheidend fur ihre Verwendbarkeit in Nie- dertemperatur-Brennstoffzellen mit saurem Elektro- lyten. In den letzten Jahren wurden mehrere Unter- suchungen uber die anodische Oxidation von - beson- ders partiell oxidierten - Kohlenwasserstoffen durch- gefuhrtlp4). Wir haben uns mit der anodischen Oxida- tion von kohlenstoff-haltigen Substanzen a n Raney- Platin bes~haft igt~-~) .

Reaktivitat in alkalischem Elektrolyten

In Kalilauge werden an Platin nur Methanol, Formal- dehyd und Formiat - also die sauerstoff-haltigen Sub- stanzen mit einem C-Atom j e Molekul - quantitativ anodisch oxidiert, d. h. in Carbonat ubergefuhrt. Alle anderen untersuchten Carbonsauren (Essigsaure, Oxal- saure, Propionsaure) werden unterhalb einer Bezugs- spannung von 700 mV nicht oxidiert. Die Oxidation der Alkohole bleibt auf der Stufe der Carbonsaure stehen. Die gesattigten Kohlenwasserstoffe zeigen in alkali- schem Elektrolyten fast keinen Umsatz; ungeszttigte reagieren jedoch gut. So hat Athylen ungefahr die gleiche Reaktivitat wie in saurem Elektrolyten.

Abb. 1 his 3. Periodische StromiSpannungs-Kurven mit Raney- Platin (auf Platin-Gerust)

Abb. 1. In 6,5 n KOH bei ?ODC; Spannungsgeschwindigkeit: 40 mV/min

Mit Hilfe der Dreieckspannungsmethode erhalt man eine periodische StrornlSpannungs-Kurve, aus der die Belegung der Platin-Oberflache mit Sorptionsschichten und deren Abbau hervorgeht, vgl. Abb. 1. Erhoht man von der Bezugsspannung Null an kontinuierlich die Spannung, so erhalt man einen anodischen Strom, der zunachst von der Oxidation des auf der Platin-Ober- flache sorbierten Wasserstoffs herruhrt. Nach zwei aus-

*) Kurzfassung des Diskussionsbeitrages auf der Tagung der GDCh-Facbgruppe .Angewandte Elektrochemie”, 21, und 22. Oktober 1965 in FrankfurtiMain.

gepragten Maxima geht der Strom bei einer Bezugs- spannung von 450 mV auf einen Minimalwert zuruck (Ladestrom der Doppelschichtkapazitat) ; bei einer Be- zugsspannung von etwa 550 mV steigt er wieder an. Dieser Strom dient zur Ausbildung einer Sauerstoff- (Hydroxo- und 0x0-)-Chemisorptionsschicht auf der Platin-Oberflache, bei der Elektronen von den sorbier- Len Hydroxid-Ionen zur Elektrode ubertreten. Nach dem Umkehrpunkt wird bei Spannungserniedrigung zunachst der chemisorbierte Sauerstoff reduziert, was an der groBen kathodischen Stromspitze zu erkennen ist. Die dann folgenden Stromspitzen gehoren zur Ab- scheidung von Wasserstoff, der atomar sorbiert wird.

Reaktivitat in saurem Elektrolyten

Die periodische Strom/Spannungs-Kurve mit Platin in saurem Elektrolyten (Oxosauren) ohne Brennstoff ist insgesamt betrachtet der in alkalischem Elektrolyten ahnlich, vgl. Abb. 2. Die Wasserstoff-Oxidation ist je- doch bei einer niedrigeren Bezugsspannung beendet, und die Sauerstoff-Chemiso’rptionsschicht bildet sich erst oberhalb 800 mV. Im Bereich von 400 bis 800 mV sind nur sorbierte Wasser-Molekiile und Anionen auf der Platin-Oberflache vorhanden. Im Elektrolyten ge- lostes Methanol, das auf der Platin-Oberflache sorbiert wird, verdrangt teilweise den sorbierten Wasserstoff; man erkennt dies a n der Abnahme des Stromes im Spannungsbereich von 0 bis 300 mV, vgl. Abb. 2. Mit weiter steigender Bezugsspannung wird Methanol oxi- diert. Der Oxidationsstrom durchlauft ein Maximum, weil von hier ab die Wasser-Molekule starker sorbiert werden und das Methanol teilweise von der Oberflache verdrangen. In starkerem MaDe bewirkt dies die sich oberhalb 800 mV ausbildende Sauerstoff-Chemisorp- tionsschicht. Bei den gesattigten Kohlenwasserstoffen macht sich der EinfluB der Sauerstoff-Chemisorptions- schicht besonders stark bemerkbar, vgl. Abb. 3.

In schwefelsaurem Elektrolyten werden alle untersuch- ten kohlenstoff-haltigen Substanzen mit 1 bis 4 C-Ato- men j e Molekul (Carbonsauren, Ketone, Aldehyde,

-25 0 125 mA/cm2 1.50 Stromdichte

Abb. 2. In 3 n H,SO, bei 25’C; Spannungsgeschwindigkeit: 40 mV/min

636 Chemie-lng.-Techn. 38. J a h r g . I966 I Heft 6

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Alkohole, Kohlenwasserstoffe) unter bestimmten Be- dingungen quantitativ anodisch zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert. Bei der Oxidation der Alkohole kon- nen Zwischenprodukte im Elektrolyten nachgewiesen werden; von der Platin-Oberflache werden Aldehyde, Ketone und Carbonsauren zwischenzeitlich desorbiert. Anders verhalten sich die 'Kohlenwasserstoffe: der Pla- tin-Katalysator desorbiert keine Zwischenprodukte.

0' I I 0 10 0 10 mA/cm2 20

rn Stromdchte

Abb. 3. In 3 n %SO4 bei 90°C; Spannungsgeschwindigkeit: 40 mV/min links: aufgenommen bei fallender Spannung; rechts: aufgenommen bei steigender Spannung

Mechanismus der anodischen Oxidation von Kohlen-

wasserstoffen

Der gesattigte Kohlenwasserstoff wird an der sauer- stoff-freien Oberflache des Platin-Katalysators chemi- sorbiert, wobei sich von einem Tell der Molekule Was- serstoff-Atome abspalten, die an der Platin-Oberflache sorbiert bleiben. Der Molekulrest reagiert mit eben- falls sorbierten Wasser-Molekulen unter weiterer Ab- spaltung von Wasserstoff-Atomen (auch von den Was- ser-Molekulen). Die entstehenden radikalischen Zwi- schenprodukte reagieren mit weiteren sorbierten Was- ser-Molekulen, bis die Kohlenstoff-Kette vollig ge- spalten ist und die Spaltprodukte in Kohlendioxid ubergegangen sind, das schlieblich desorbiert wird. Im Ruhezustand der Elektrode assoziieren die von den Kohlenwasserstoff- und Wasser-Molekulen abgespal- tenen Wasserstoff-Atome zu Molekulen, die ihrerseits teilweise desorbiert werden. Bei den hoheren Kohlen- wasserstoffen betragt im Gleichgewicht der Partial- druck von Wasserstoff und Kohlendioxid bei einem Kohlenwasserstoff-Druck von rd. 1 at bei 90 "C groben- ordnungsmaRig at. Es handelt sich also hier urn eine an der Elektrode katalysierte Konvertierung des Kohlenwasserstoffs mit Wasser.

Bei Erhohen dei Elektrodenbezugsspannung - in der Brennstoffzelle geschieht das durch elektrische Verbin- dung der Anode uber einen Verbraucher mit der Ka- thode, der Sauerstoff-Elektrode - werden die sorbier- ten Wasserstoff-Atome anodisch oxidiert; zugleich wird Kohlendioxid desorbiert, und weitete Sorption, Dissoziation und Reaktion von Kohlenwasserstoff-

Molekulen finden statt. Bei weiterem Erhohen der Be- zugsspannung nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit zu- nachst zu, vgl. Abb. 3. Wahrscheinlich konnen oberhalb einer Bezugsspannung von 400 mV die abgespaltenen Wasserstoff-Atome nicht mehr von Platin sorbiert werden; hier miiDten also von dem Reaktionskomplex ,,sorbiertes Kohlenwasserstoff-RadikaUsorbiertes Was- ser-Molekul" Protonen abgespalten werden, die un- mittelbar in den Elektrolyten ubergehen, wahrend gleichzeitig aus dem ReaktionskompIex ein Elektron in die Elektrode eintritt (entsprechend dem Reaktions- paar-Mechanismus nach Gilrnang)). Wird die Bezugs- spannung weiter erhoht, so nimmt die Reaktionsge- schwindigkeit wieder ab. Dies diirfte durch die starkefr werdende Anziehung des Wassers, mogliche'rweise auch durch die Anziehung von Anionen (Sulfat-Ionen) und von langsamer reagierenden Zwischenprodukten (vermutlich polarisierten Carbonsauren) verursacht werden. Mit steigender Bezugsspannung hort schlieb- lich die Reaktion der gesattigten Kohlenwasserstoffe auf, weil das Kohlenwasserstoff-Sorbat durch die Aus- bildung einer Sauerstoff-(Hydroxo- und 0x0-)-Chemi- sorptionsschicht auf defr Platin-Oberflache infolge des Elektronenubertritts von den sorbierten Wasser-Mole- kiilen zum Katalysator verdrangt wird. Bei den unge- sattigten Kohlenwasserstoffen stort die Sauerstoff- Chemisorptionsschicht nur wenig; sie werden stark sor- biert und deshalb nicht leicht von der Platin-Oberflache durch die Sauerstoff-Atome verdrangt. Auf Grund des Einflusses der Sorptionsschichten (Wasserstoff, Wasser, Anionen, Sauerstoff) auf die Reaktionsgeschwindigkeit ist auch das Verhalten der Kohlenwasserstoffe in alka- lischem Elektrolyten verstandlich (s. oben).

Zur Klarung des Mechanismus bedarf es weiterer Unte'r- suchungen. Es ist namlich von groner Bedeutung, Ein- blick in den Reaktionsablauf zu erhalten, denn die Kenntnis des Oxidationsmechanismus liefert eine brei- tere Basis fur die Entwicklung von Katalysatoren fur den Kohlenwasserstoff-Umsatz in Niedertemperatur- B'rennstoffzellen' Eingegangen am 25. Februar 1966 [K 0221

Literatur

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?) E. Gileadi u. B. E. Conway in J . O'M. Bockris: Modern Aspects of Electrochemistry, No. 3, Butterworth, London 1964.

3) W. Vielstich: Brennstoffelemente, Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1966. Les Piles a Combustible, Institut Franqais du Petrole, Ed. Technip, Paris 1965.

5 , H. K r u p p , H. Rabenhorst, G. Sandstede, G. Waiter u. R. McJones, J. electrochem. SOC. 109, 553 119621.

I;) H. Binder, A. Kohling, H. Krupp, K . Richter u. G. Sand- stede in Fuel Cell Systems, Advances in Chemistry Series, 47, 269 [1965].

7) G. Sandstede, diese Ztschr. 37, 632 [1965]. 8) H. Binder, A. Kohling u. G. Sandstede, Journkes Internat.

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O) S . Gilman, J. physic. Chem. 68, 70 [1964].

Chernie.lng.-Techn. 38. Jahrg. 1966 I Heft 6 677