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In jüngster Zeit tauchen auf Bewertungs- portalen im Internet nicht nur schmei- chelhafte Kritiken auf. Man kann sich als Arzt oder Hersteller von (apparativen) Kosmetika gegen unwahre Tatsachenbe- hauptungen allerdings zur Wehr setzen. Sind die in solchen Kommentaren aufge- stellten Behauptungen falsch, besteht ein Unterlassungsanspruch gegen den Dienstanbieter des Portals. Dieser muss dann die falsche Tatsachenbehauptung zeitnah löschen. Eine generelle Pflicht, Nutzerbeiträge schon vor Veröffentlichung auf Rechtsverletzungen zu prüfen, gibt es aber nicht. Man läuft solchen Veröffentli- chungen also ständig hinterher. Hinnehmen müssen Sie als Betroffener eine Rufschädigung im Netz jedoch nicht. Wird auf einer Plattform Falsches oder Rufschädigendes behauptet, kann man die entsprechenden Beiträge direkt beim Betreiber des Portals melden. Der muss die Vorwürfe prüfen und dann gegebe- nenfalls die Kommentare löschen. Achtung bei Ärzten: Der BGH hat in sei- nem Urteil vom 23.09.2014 (VI ZR 358/13) die Klage eines niedergelasse- nen Frauenarztes aus München zurückge- wiesen, der die Löschung seines komplet- ten Profils im Online-Bewertungsportal Jameda verlangt hatte. Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Persönlich- keitsschutz des Arztes und dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung hin- ter das Recht auf Kommunikationsfreiheit zurücktreten müssten. Begründet wurde dies damit, dass der Bereich der „Sozial- sphäre“ betroffen sei, der allein das beruf- liche Wirken des Arztes betreffe. Darin ste- he er im freien Wettbewerb. Zudem gebe es ein öffentliches Interesse an Bewer- tungsforen im Internet. Die Herausgabe des Namens anonym kommentierender Personen durch den Betreiber eines Portals ist vom Gesetzge- ber explizit nicht gewollt, siehe Bundes- tagsdrucksache 13/7385, 23. In Deutsch- land zählt § 13 Abs. 6 Telemediengesetz (TMG) zu den Pflichten des Diensteanbie- ters: „Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung ano- nym oder unter Pseudonym zu ermögli- chen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.“ Der Nutzer soll ein Pseudonym verwenden dürfen, um zu verhindern, dass man auf seine wahre Identität schließen kann. Auskunft verweigert Jetzt könnte man meinen, dass dieser Schutz dort aufhört, wo mögliche Persön- lichkeitsrechte anderer betroffen sind. Das tut er aber nicht, im Gegenteil, wie wieder- um der VI. Zivilsenat des BGH mit Grund- satzurteil vom 01.07.2014 (VI ZR 345/13) eindrucksvoll bestätigt hat: Geklagt hatte hier durch alle Instanzen ein Arzt aus Schwäbisch-Gmünd, über den auf dem Online-Bewertungsportal Sanego nach- weislich falsche (!) Tatsachen verbreitet wurden. Er bekam die von ihm begehrte Auskunft über die Anmeldedaten des Nut- zers von dem Betreiber des Internetpor- tals nicht, da die Anonymität der Nutzer nach den Bestimmungen des TMG nur in wenigen Ausnahmen aufgehoben wer- den dürfen. Diese Ausnahmen sind: Straf- verfolgung, Gefahrenabwehr und die Durchsetzung von Urheberrechten. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist aus- drücklich nicht genannt. Neben dem Unterlassungsanspruch gibt es freilich noch elegante Mittel, an die An- meldedaten zu kommen, etwa eine Straf- anzeige bei der Polizei. Ermittelt dann ein Staatsanwalt und erwirkt eine richterliche Anordnung, müssen Internet-Dienste den Behörden die Daten eines anonymen Nut- zers vorlegen, da es dann um die aner- kannte Ausnahme „Strafverfolgung“ geht. Es gibt Fälle, in denen es durchaus sinn- voll ist, den Klageweg zu beschreiten, um ein für alle Mal klare Kante zu zeigen, et- wa bei Rufschädigung und dreisten Lü- gen. Bewährt hat sich eine sachlich aus- gewogene Antwort auf die Online-Kritik. So zeigen betroffene Ärzte und Hersteller für alle Besucher des Internetportals sicht- bar, dass sie nicht nur kritikfähig sind, son- dern auch die Wünsche und Anregungen ihrer Patienten und Kunden ernst neh- men. Erfahrungsgemäß springen bei nicht gerechtfertigter Kritik dem Betroffenen auch einige Helfer virtuell zur Seite – eine besonders glaubwürdige Richtigstellung. Rufschädigung im Internet „Klare Kante zeigen“ Was Sie über anonyme Bewertungen in Bewertungsportalen wissen müssen, erläutert Rechtsanwalt Stefan Engels 57 WWW.MEDICAL-BEAUTYFORUM.COM Bewertungsportale · Recht Foto: ra2studio/Shutterstock.com Stefan Engels ist Rechtsan- walt in Mönchberg. Sein Tä- tigkeitsschwerpunkt ist die Geschäftsfeldentwicklung und Internationalisierung von Unternehmen

Anonyme Bewertungen im Internet_RA Stefan Engels (mBF1406_57)

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Was Sie über anonyme Bewertungen in Bewertungsportalen wissen müssen, erfahren Sie hier von Rechtsanwalt Stefan Engels.

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In jüngster Zeit tauchen auf Bewertungs-portalen im Internet nicht nur schmei-chelhafte Kritiken auf. Man kann sich alsArzt oder Hersteller von (apparativen)Kosmetika gegen unwahre Tatsachenbe-hauptungen allerdings zur Wehr setzen.Sind die in solchen Kommentaren aufge-stellten Behauptungen falsch, besteht einUnterlassungsanspruch gegen denDienstanbieter des Portals. Dieser mussdann die falsche Tatsachenbehauptungzeitnah löschen. Eine generelle Pflicht,Nutzerbeiträge schon vor Veröffentlichungauf Rechtsverletzungen zu prüfen, gibt esaber nicht. Man läuft solchen Veröffentli-chungen also ständig hinterher.Hinnehmen müssen Sie als Betroffenereine Rufschädigung im Netz jedoch nicht.Wird auf einer Plattform Falsches oderRufschädigendes behauptet, kann mandie entsprechenden Beiträge direkt beimBetreiber des Portals melden. Der mussdie Vorwürfe prüfen und dann gegebe-nenfalls die Kommentare löschen. Achtung bei Ärzten: Der BGH hat in sei-nem Urteil vom 23.09.2014 (VI ZR358/13) die Klage eines niedergelasse-nen Frauenarztes aus München zurückge-wiesen, der die Löschung seines komplet-ten Profils im Online-BewertungsportalJameda verlangt hatte. Die KarlsruherRichter entschieden, dass der Persönlich-keitsschutz des Arztes und dessen Rechtauf informationelle Selbstbestimmung hin-ter das Recht auf Kommunikationsfreiheitzurücktreten müssten. Begründet wurdedies damit, dass der Bereich der „Sozial-sphäre“ betroffen sei, der allein das beruf-

liche Wirken des Arztes betreffe. Darin ste-he er im freien Wettbewerb. Zudem gebees ein öffentliches Interesse an Bewer-tungsforen im Internet. Die Herausgabe des Namens anonymkommentierender Personen durch denBetreiber eines Portals ist vom Gesetzge-ber explizit nicht gewollt, siehe Bundes-tagsdrucksache 13/7385, 23. In Deutsch-land zählt § 13 Abs. 6 Telemediengesetz(TMG) zu den Pflichten des Diensteanbie-ters: „Der Diensteanbieter hat die Nutzungvon Telemedien und ihre Bezahlung ano-nym oder unter Pseudonym zu ermögli-chen, soweit dies technisch möglich undzumutbar ist. Der Nutzer ist über dieseMöglichkeit zu informieren.“ Der Nutzersoll ein Pseudonym verwenden dürfen,um zu verhindern, dass man auf seinewahre Identität schließen kann.

Auskunft verweigertJetzt könnte man meinen, dass dieserSchutz dort aufhört, wo mögliche Persön-lichkeitsrechte anderer betroffen sind. Dastut er aber nicht, im Gegenteil, wie wieder-um der VI. Zivilsenat des BGH mit Grund-satzurteil vom 01.07.2014 (VI ZR 345/13)eindrucksvoll bestätigt hat: Geklagt hattehier durch alle Instanzen ein Arzt ausSchwäbisch-Gmünd, über den auf demOnline-Bewertungsportal Sanego nach-weislich falsche (!) Tatsachen verbreitetwurden. Er bekam die von ihm begehrteAuskunft über die Anmeldedaten des Nut-zers von dem Betreiber des Internetpor-tals nicht, da die Anonymität der Nutzernach den Bestimmungen des TMG nur in

wenigen Ausnahmen aufgehoben wer-den dürfen. Diese Ausnahmen sind: Straf-verfolgung, Gefahrenabwehr und dieDurchsetzung von Urheberrechten. DerSchutz der Persönlichkeitsrechte ist aus-drücklich nicht genannt.Neben dem Unterlassungsanspruch gibtes freilich noch elegante Mittel, an die An-meldedaten zu kommen, etwa eine Straf-anzeige bei der Polizei. Ermittelt dann einStaatsanwalt und erwirkt eine richterlicheAnordnung, müssen Internet-Dienste denBehörden die Daten eines anonymen Nut-zers vorlegen, da es dann um die aner-kannte Ausnahme „Strafverfolgung“ geht. Es gibt Fälle, in denen es durchaus sinn-voll ist, den Klageweg zu beschreiten, umein für alle Mal klare Kante zu zeigen, et-wa bei Rufschädigung und dreisten Lü-gen. Bewährt hat sich eine sachlich aus-gewogene Antwort auf die Online-Kritik.So zeigen betroffene Ärzte und Herstellerfür alle Besucher des Internetportals sicht-bar, dass sie nicht nur kritikfähig sind, son-dern auch die Wünsche und Anregungenihrer Patienten und Kunden ernst neh-men. Erfahrungsgemäß springen bei nichtgerechtfertigter Kritik dem Betroffenenauch einige Helfer virtuell zur Seite – einebesonders glaubwürdige Richtigstellung.

Rufschädigung im Internet

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Stefan Engels ist Rechtsan-walt in Mönchberg. Sein Tä-tigkeitsschwerpunkt ist dieGeschäftsfeldentwicklungund Internationalisierungvon Unternehmen