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Freitag, 6. März 2015 Nummer 54 15 Schönbuch und Gäu Sechserlei Archive durchgekämmt 2012 wurde der Auftrag erteilt – eineinhalb Jahre lang hat sich die Ludwigsburger Kul- turwissenschaftlerin Brigitte Popper dann durch die Archive gewühlt. Herausgekom- men ist eine Chronik zur Ortsgeschichte Hildrizhausens, sie sich wahrlich sehen und lesen lassen kann. Nicht nur das Gemeindearchiv selbst hat die 56-Jährige mit System nach allem Brauch- und Verwertbarem durchforscht. Insgesamt in sechs Orten hat sie sich schlau gemacht: Beim Stadtarchiv Herrenberg, beim Haupt- staatsarchiv Stuttgart, beim Landesarchiv Ludwigsburg, im Diözesan-Archiv Eichstätt und auch noch im Stadtarchiv von Bietig- heim-Bissingen: Hier hat sie viel über den Daniel Düsentrieb Hildrizhausens heraus- gefunden, den Erfinder Adolf Friedrich Heim. Dass es so spannend mit der Hausemer Ortschronik wird, hätte Brigitte Popper zu Beginn gar nicht einmal gedacht: „Aber das ist dann wie eine Entdeckungsreise, im Lauf der Zeit tauchen immer mehr und neue interessante Details auf.“ Die einzel- nen Puzzlestücke fügen sich dann zur Chronik zusammen und ergeben ein stim- miges Gesamtbild. Dabei musste sie vieles weglassen, was durchaus auch noch er- wähnenswert gewesen wäre: Zum Beispiel gab es auch in Hildrizhausen einen Hexen prozess, und es gab auch Hausemer, die mit Mistgabeln bewaffnet in den Bauern- krieg gezogen sind. Besonders gefreut hat Brigitte Popper die „sehr, sehr unkomplizierte Zusammen- arbeit“ mit Bürgermeister Matthias Schöck und Hauptamtsleiter Marcello Lallo. Auch in der Frage, was für eine Art von Chronik es werden soll, waren sich die Verantwort- lichen schnell einig: „Thematische Inseln“ sollten gebildet werden, der Zeitstrahl „kaleidoskopartig an einzelnen Geschich- ten“ aufgefächert werden. Eine Herange- hensweise, der sich nun die besondere Lesbarkeit der Hausemer Chronik ver- dankt. mmü Hintergrund Brigitte Popper beim Recherchieren Foto: Kuhnle Anstoßen mit Sekt und Selters aus Hausemer Quellen Die Ortschronik zum 900-Jahr-Jubiläum Hildrizhausens ist am Samstag beim Festakt erstmals erhältlich Mit 550 angemeldeten Gästen wird die Schönbuchhalle in Hildrizhausen am kommenden Samstagabend bis auf den letzten Platz belegt sein. Die Gemeinde an der jungen Würm feiert groß: Der Festakt zum 900-Jahr-Jubiläum steht auf dem Programm. Erstmals erhältlich ist dann die Ortschronik – ein feines Lokalgeschichtsbuch. Von Martin Müller HILDRIZHAUSEN. Im Zentrum des Jubiläums- abends steht der Festvortrag der Ludwigs- burger Archivarin und Kulturwissenschaft- lerin Brigitte Popper. Sie hat sich viele Monate lang mit der Hildrizhausener Histo- rie auseinandergesetzt und etliche interes- sante Aspekte zur Hausemer Ortsgeschichte vom Staub der Archive befreit. Vieles davon hat Eingang gefunden in die Hausemer Ortschronik, die eigens für den Anlass ge- schaffen wurde. Ein großer Schatz ist die Ortschronik aber nicht zuletzt deshalb, weil viele Hausemer ihre Ahnengalerien nach brauchbarem Fotomaterial durchkämmt ha- ben, sodass der Textteil immer wieder mit historischen Alltagsszenen bebildert werden kann. Auch Ansichtskarten aus alten Zeiten kommen dann wieder zu Ehren. Bei alledem muss das präzise Datum der Gründung Hildrizhausens im Dunklen der Geschichte bleiben. „Dies klar zuzugeben, ist einfach ehrlich“, sagt Kulturwissen- schaftlerin Popper, „es gibt da kein wasser- dichtes Dokument“. Sowieso reicht die Be- siedelungsgeschichte des Landstrichs noch viel, viel weiter zurück – bis in die mittlere Steinzeit. Kelten, Römer, Alemannen und Franken lösten sich über die Jahrhunderte und Jahrtausende ab. Erstmals urkundlich erwähnt wird Hild- rizhausen vor 850 Jahren, also 1165, als die hiesige Burg des Pfalzgrafen Hugo von Tübingen zerstört wurde. Aus dem Kontext von klösterlichen Schenkungsbüchern und dem Hirsauer Codex aber lässt sich immer- hin ein Zeitraum von 1105 bis 1125 erschlie- ßen, in dem die Gründung wahrscheinlich ist. Und so haben sich die Hausemer für die genaue Mitte entschieden und beschlossen, 2015 zum großen Jubiläumsjahr auszurufen. „Reise durch 900 Jahre lebendige Ge- schichte unserer Gemeinde“: So lautet der Untertitel des 80 Seiten starken, reich bebil- derten und gebundenen Buchs im quadrati- schen Format, dem Grußworte von Bürger- meister Matthias Schöck, von Landesvater Winfried Kretschmann und Landrat Roland Bernhard vornean gestellt sind. Und dieser Untertitel der Ortschronik ist Programm. Eingespannt in den Rahmen der großen landes- und weltpolitischen Ereignisse – von den Brandschatzungen des 30-jährigen Kriegs bis zur verheerenden Bombennacht vom 7./8. Oktober 1943 – ist es Brigitte Pop- per gelungen, viel mehr als einen bloßen Zeitraffer der wichtigsten Daten und Zahlen zu schaffen. Immer wieder bringt sie stei- nerne Zeugen zum Sprechen und macht die Geschichte anhand einzelner Persönlichkei- ten aus Hildrizhausen lebendig. So wird viel erzählt zum Dorf der Hafner, der Holzhänd- ler, Leinenweber oder der Silbersandmüller – die dann durch die Industrialisierung aber immer weniger werden. Sogar eine Hafen- straße gab es einst in Hildrizhausen – die heutige Herrenberger Straße –, was sich eben auf die Töpfer und ihre Waren, keines- wegs aber auf den großen Wasserreichtum der Kommune bezieht. Einige Zeugnisse aus uralter Zeit gibt es noch: In der Kirchgasse 7 zum Beispiel das alte Hausemer Schulhaus, das vormals Kap- laneihaus war. Auch der große Architekt und „Landbaumeister“ Heinrich Schick- hardt aus Herrenberg hat seine Visitenkarte hinterlassen: Ihm verdankt sich das alte Pfarrhaus von 1606, ebenso das Chorgestühl in der Nikomedeskirche. Das „Neue Forst- haus“ von Hildrizhausen, heute Bürgerhaus, hat mit dem Baujahr 1726 ebenso etliche Jahre auf dem Buckel. Ältestes Zeugnis ist freilich die Nikomedeskirche selbst, eine romanische Kirche, die bis 1556 Wallfahrer anzog und ihresgleichen in der weiten Um- gebung sucht. Das Thema Wasser läuft als roter Faden durch die Ortsgeschichte Als historisch bedeutsame Persön- lichkeit vergegenwärtigt wird Bartho- lomäus Eyselin – für Brigitte Popper im Grunde genommen ein Urahn im Geiste. Der Hausemer Pfarrer ver- fasste zwischen 1613 und 1622 näm- lich zwei bedeutende Chroniken – eine davon zur Geschichte von Hildrizhausen und Herrenberg. Seine Hinterlassenschaft in Hildrizhausen selbst findet sich im Chor der Nikomedeskirche in Stein gemeißelt – ein schwer verbitterter Abschiedsbrief. Offenbar hat es über Genera- tionen Anfeindungen und tiefgreifende Verwerfungen zwischen seiner Familie und der der Marquardts gegeben. Beide konkur- rierten um die Ämter der Schulmeister und Pfar- rer. „Schmerz war ihm Grund eine andere Stät- te zu suchen. . . Heimat ist da, wo es gut ist“, unterzeichnet Eyselin, „der neun Jahre seiner Heimat diente und jetzt fort- geht.“ Beinahe wie ein ro- ter Faden durch die Ortsge- schichte zieht sich das Thema Wasser damit ist Hildrizhau- sen nämlich reich gesegnet, nicht nur wegen der Lage an der ewig jun- gen Würm, sondern auch wegen der eigenen Quellen. Wer hätte gewusst, dass Hildriz- hausen einstmals den Titel „Bad Hildrizhausen“ ergattern wollte – denn es gibt hier nicht nur seit exakt 80 Jahren das Quellen-Frei- bad. Schon 1580 wurde in der Kirchgassee 8 eine öffentliche Bad- stube eingerichtet – Körperkultur nach orientalischem Vorbild. Al- lerdings wurde dieses Badehaus im 30-jährigen Krieg verwüstet und später nicht wieder aufgebaut. Dafür tritt Ende des 19. Jahr- hunderts der Dorfschullehrer Adolf Friedrich Heim auf den Plan. Den Rückgang seines Kropfes schreibt er der Heil- kraft des hiesigen Trinkwassers aus der Heiligenquelle zu. Und er beginnt das Wasser abzufül- len und nach auswärts zu ver- kaufen. Der Mann, den 1881 – 15 Jahre vor Zeppelin – die Idee zur Entwicklung eines lenkbaren Luftschiffs umtrieb, wird zur Nutzung des Heil- wassers eine Flaschenabfüllma- schine entwerfen, die er sich 1903 auch patentieren lässt. Aus Geld- nöten kommt es aber nie zur Rea- lisierung. Vision vom Kurort Bad Hildrizhausen Den Sprudel aus der Heiligenquelle gibt es dann aber trotzdem – zwei Mi- neralwasserbetriebe lassen sich im Lauf der Jahrzehnte nieder. Die Vision vom „Kurort Bad Hildrizhausen“ mit eigenem Kurhotel und einer Trinkhalle allerdings scheitert. Chemische Analysen ergaben keine nennenswerte Konzentra- tion von Mineralien. „Das Wasser von Hildrizhausen sei schlicht Tafelwasser, wenn auch von reiner und hervorragender Qualität“, paraphrasiert die Ortschronik den abschlägigen Bescheid aus dem Land- ratsamt von 1940. Ein Segen ist das Wasser für die Hause- mer dennoch geblieben. Bis auf den heuti- gen Tag werden nicht nur das Freibad, son- dern auch die Haushalte der knapp 3600 Einwohner zählenden Gemeinde mit Wasser aus den eigenen Quellen versorgt. Da darf zum Jubiläum neben Sekt durchaus auch mal Selters – bestes Hahnenwasser – ge- reicht werden. Auf Hildrizhausen! Prosit! Die Ortschronik trägt die ISBN-Nummer 978-3-00-047637-2, hat 80 Seiten und kostet 12 Euro. Gedruckt wurden 750 Exemplare. Erstmals verkauft wird sie an diesem Sams- tagabend in der Schönbuchhalle, wenn der offizielle Festakt ab 19 Uhr über die Bühne geht. Eine Werbeanzeige für die Zeitung aus den Anfangsjahren des Quellen-Freibads: Die Rede von der radioaktiven, jodhaltigen Quelle würde heute freilich wohl eher abschreckend wirken . . . Foto: red

Anstoßen mit Sekt und Selters aus Hausemer Quellen · 56-Jährige mit System nach allem Brauch-und Verwertbarem durchforscht. Insgesamt in sechs Orten hat sie sich schlau gemacht:

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Freitag, 6. März 2015 Nummer 54 15Schönbuch und Gäu

Sechserlei Archive durchgekämmt! 2012 wurde der Auftrag erteilt – eineinhalbJahre lang hat sich die Ludwigsburger Kul-turwissenschaftlerin Brigitte Popper danndurch die Archive gewühlt. Herausgekom-men ist eine Chronik zur OrtsgeschichteHildrizhausens, sie sich wahrlich sehenund lesen lassen kann.

! Nicht nur das Gemeindearchiv selbst hat die56-Jährige mit System nach allem Brauch-und Verwertbarem durchforscht. Insgesamtin sechs Orten hat sie sich schlau gemacht:Beim Stadtarchiv Herrenberg, beim Haupt-staatsarchiv Stuttgart, beim LandesarchivLudwigsburg, im Diözesan-Archiv Eichstättund auch noch im Stadtarchiv von Bietig-

heim-Bissingen: Hier hat sie viel über denDaniel Düsentrieb Hildrizhausens heraus-gefunden, den Erfinder Adolf FriedrichHeim.

! Dass es so spannend mit der HausemerOrtschronik wird, hätte Brigitte Popper zuBeginn gar nicht einmal gedacht: „Aberdas ist dann wie eine Entdeckungsreise, imLauf der Zeit tauchen immer mehr undneue interessante Details auf.“ Die einzel-nen Puzzlestücke fügen sich dann zurChronik zusammen und ergeben ein stim-miges Gesamtbild. Dabei musste sie vielesweglassen, was durchaus auch noch er-wähnenswert gewesen wäre: Zum Beispielgab es auch in Hildrizhausen einen Hexen

prozess, und es gab auch Hausemer, diemit Mistgabeln bewaffnet in den Bauern-krieg gezogen sind.

! Besonders gefreut hat Brigitte Popper die„sehr, sehr unkomplizierte Zusammen-arbeit“ mit Bürgermeister Matthias Schöckund Hauptamtsleiter Marcello Lallo. Auchin der Frage, was für eine Art von Chronikes werden soll, waren sich die Verantwort-lichen schnell einig: „Thematische Inseln“sollten gebildet werden, der Zeitstrahl„kaleidoskopartig an einzelnen Geschich-ten“ aufgefächert werden. Eine Herange-hensweise, der sich nun die besondereLesbarkeit der Hausemer Chronik ver-dankt. mmü

Hintergrund

Brigitte Popper beim Recherchieren Foto: Kuhnle

Anstoßen mit Sekt und Seltersaus Hausemer QuellenDie Ortschronik zum 900-Jahr-Jubiläum Hildrizhausens ist am Samstag beim Festakt erstmals erhältlich

Mit 550 angemeldeten Gästen wird dieSchönbuchhalle in Hildrizhausen amkommenden Samstagabend bis auf denletzten Platz belegt sein. Die Gemeinde ander jungen Würm feiert groß: Der Festaktzum 900-Jahr-Jubiläum steht auf demProgramm. Erstmals erhältlich ist dann dieOrtschronik – ein feines Lokalgeschichtsbuch.

Von Martin Müller

HILDRIZHAUSEN. Im Zentrum des Jubiläums-abends steht der Festvortrag der Ludwigs-burger Archivarin und Kulturwissenschaft-lerin Brigitte Popper. Sie hat sich vieleMonate lang mit der Hildrizhausener Histo-rie auseinandergesetzt und etliche interes-sante Aspekte zur Hausemer Ortsgeschichtevom Staub der Archive befreit. Vieles davonhat Eingang gefunden in die HausemerOrtschronik, die eigens für den Anlass ge-schaffen wurde. Ein großer Schatz ist dieOrtschronik aber nicht zuletzt deshalb, weilviele Hausemer ihre Ahnengalerien nachbrauchbarem Fotomaterial durchkämmt ha-ben, sodass der Textteil immer wieder mithistorischen Alltagsszenen bebildert werdenkann. Auch Ansichtskarten aus alten Zeitenkommen dann wieder zu Ehren.

Bei alledem muss das präzise Datum derGründung Hildrizhausens im Dunklen derGeschichte bleiben. „Dies klar zuzugeben,ist einfach ehrlich“, sagt Kulturwissen-schaftlerin Popper, „es gibt da kein wasser-dichtes Dokument“. Sowieso reicht die Be-siedelungsgeschichte des Landstrichs nochviel, viel weiter zurück – bis in die mittlereSteinzeit. Kelten, Römer, Alemannen undFranken lösten sich über die Jahrhunderteund Jahrtausende ab.

Erstmals urkundlich erwähnt wird Hild-rizhausen vor 850 Jahren, also 1165, als diehiesige Burg des Pfalzgrafen Hugo vonTübingen zerstört wurde. Aus dem Kontextvon klösterlichen Schenkungsbüchern unddem Hirsauer Codex aber lässt sich immer-hin ein Zeitraum von 1105 bis 1125 erschlie-ßen, in dem die Gründung wahrscheinlichist. Und so haben sich die Hausemer für diegenaue Mitte entschieden und beschlossen,2015 zum großen Jubiläumsjahr auszurufen.

„Reise durch 900 Jahre lebendige Ge-schichte unserer Gemeinde“: So lautet derUntertitel des 80 Seiten starken, reich bebil-derten und gebundenen Buchs im quadrati-schen Format, dem Grußworte von Bürger-meister Matthias Schöck, von LandesvaterWinfried Kretschmann und Landrat RolandBernhard vornean gestellt sind. Und dieserUntertitel der Ortschronik ist Programm.

Eingespannt in den Rahmen der großenlandes- und weltpolitischen Ereignisse – vonden Brandschatzungen des 30-jährigenKriegs bis zur verheerenden Bombennachtvom 7./8. Oktober 1943 – ist es Brigitte Pop-per gelungen, viel mehr als einen bloßenZeitraffer der wichtigsten Daten und Zahlenzu schaffen. Immer wieder bringt sie stei-nerne Zeugen zum Sprechen und macht dieGeschichte anhand einzelner Persönlichkei-ten aus Hildrizhausen lebendig. So wird vielerzählt zum Dorf der Hafner, der Holzhänd-ler, Leinenweber oder der Silbersandmüller– die dann durch die Industrialisierung aberimmer weniger werden. Sogar eine Hafen-straße gab es einst in Hildrizhausen – dieheutige Herrenberger Straße –, was sicheben auf die Töpfer und ihre Waren, keines-wegs aber auf den großen Wasserreichtumder Kommune bezieht.

Einige Zeugnisse aus uralter Zeit gibt esnoch: In der Kirchgasse 7 zum Beispiel dasalte Hausemer Schulhaus, das vormals Kap-laneihaus war. Auch der große Architekt

und „Landbaumeister“ Heinrich Schick-hardt aus Herrenberg hat seine Visitenkartehinterlassen: Ihm verdankt sich das altePfarrhaus von 1606, ebenso das Chorgestühlin der Nikomedeskirche. Das „Neue Forst-haus“ von Hildrizhausen, heute Bürgerhaus,hat mit dem Baujahr 1726 ebenso etlicheJahre auf dem Buckel. Ältestes Zeugnis istfreilich die Nikomedeskirche selbst, eineromanische Kirche, die bis 1556 Wallfahreranzog und ihresgleichen in der weiten Um-gebung sucht.

Das Thema Wasser läuft als roterFaden durch die Ortsgeschichte

Als historisch bedeutsame Persön-lichkeit vergegenwärtigt wird Bartho-lomäus Eyselin – für Brigitte Popperim Grunde genommen ein Urahn imGeiste. Der Hausemer Pfarrer ver-fasste zwischen 1613 und 1622 näm-lich zwei bedeutende Chroniken –eine davon zur Geschichte vonHildrizhausen und Herrenberg.Seine Hinterlassenschaft inHildrizhausen selbst findet sichim Chor der Nikomedeskirchein Stein gemeißelt – ein schwerverbitterter Abschiedsbrief.Offenbar hat es über Genera-tionen Anfeindungen undtiefgreifende Verwerfungenzwischen seiner Familieund der der Marquardtsgegeben. Beide konkur-rierten um die Ämter derSchulmeister und Pfar-rer. „Schmerz war ihmGrund eine andere Stät-te zu suchen. . . Heimatist da, wo es gut ist“,unterzeichnet Eyselin,

„der neunJahre seinerHeimatdiente undjetzt fort-geht.“

Beinahewie ein ro-ter Fadendurch dieOrtsge-schichtezieht sichdas ThemaWasser –damit istHildrizhau-sen nämlichreich gesegnet,nicht nur wegen derLage an der ewig jun-gen Würm, sondern auchwegen der eigenen Quellen.

Wer hätte gewusst, dass Hildriz-hausen einstmals den Titel „Bad

Hildrizhausen“ ergattern wollte –denn es gibt hier nicht nur seit

exakt 80 Jahren das Quellen-Frei-bad. Schon 1580 wurde in derKirchgassee 8 eine öffentliche Bad-stube eingerichtet – Körperkulturnach orientalischem Vorbild. Al-lerdings wurde dieses Badehausim 30-jährigen Krieg verwüstet

und später nicht wieder aufgebaut.Dafür tritt Ende des 19. Jahr-

hunderts der DorfschullehrerAdolf Friedrich Heim auf denPlan. Den Rückgang seinesKropfes schreibt er der Heil-kraft des hiesigen Trinkwassersaus der Heiligenquelle zu. Under beginnt das Wasser abzufül-len und nach auswärts zu ver-kaufen. Der Mann, den 1881 –15 Jahre vor Zeppelin – dieIdee zur Entwicklung eineslenkbaren Luftschiffs umtrieb,wird zur Nutzung des Heil-wassers eine Flaschenabfüllma-schine entwerfen, die er sich 1903auch patentieren lässt. Aus Geld-nöten kommt es aber nie zur Rea-lisierung.

Vision vom KurortBad Hildrizhausen

Den Sprudel aus der Heiligenquellegibt es dann aber trotzdem – zwei Mi-neralwasserbetriebe lassen sich imLauf der Jahrzehnte nieder. Die Visionvom „Kurort Bad Hildrizhausen“ miteigenem Kurhotel und einer Trinkhalleallerdings scheitert. Chemische Analysenergaben keine nennenswerte Konzentra-tion von Mineralien. „Das Wasser vonHildrizhausen sei schlicht Tafelwasser,wenn auch von reiner und hervorragenderQualität“, paraphrasiert die Ortschronikden abschlägigen Bescheid aus dem Land-ratsamt von 1940.

Ein Segen ist das Wasser für die Hause-mer dennoch geblieben. Bis auf den heuti-gen Tag werden nicht nur das Freibad, son-dern auch die Haushalte der knapp 3600Einwohner zählenden Gemeinde mit Wasseraus den eigenen Quellen versorgt. Da darfzum Jubiläum neben Sekt durchaus auchmal Selters – bestes Hahnenwasser – ge-reicht werden. Auf Hildrizhausen! Prosit!

Die Ortschronik trägt die ISBN-Nummer978-3-00-047637-2, hat 80 Seiten und kostet12 Euro. Gedruckt wurden 750 Exemplare.Erstmals verkauft wird sie an diesem Sams-tagabend in der Schönbuchhalle, wenn deroffizielle Festakt ab 19 Uhr über die Bühnegeht.

Eine Werbeanzeige für die Zeitung aus den Anfangsjahren des Quellen-Freibads: Die Rede von der radioaktiven,jodhaltigen Quelle würde heute freilich wohl eher abschreckend wirken . . . Foto: red