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Anthropologie und Technik Prof. Dr. Klaus Wiegerling TU Kaiserslautern WS 2012/2013

Anthropologie und Technik - sowi.uni-kl.de · Einleitung • Mensch als ‚homo faber Z, der sich durch besonderen Werkzeuggebrauch auszeichnet und mit Hilfe von Technik seine Lebenssphäre

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Anthropologie und Technik

Prof. Dr. Klaus Wiegerling

TU Kaiserslautern

WS 2012/2013

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Einleitung

• Mensch als ‚homo faber‘, der sich durch besonderen Werkzeuggebrauch auszeichnet und mit Hilfe von Technik seine Lebenssphäre gestaltet.

• Aber dies ist offenkundig kein Alleinstellungsmerkmal (Scheler, Gehlen, Tomasello). Technikgebrauch erklärt nicht Sonderstellung des Menschen.

• Auch ‚animal rationale‘ genügt angesichts der Entwicklung intelligenter Systeme nicht um Sonderstellung zu begründen.

• Mensch wird in seiner körperlichen Substanz zunehmend in Biofakt bzw. Cyborg transformiert (Biotechnologien, Intelligente Implantate und Prothesen).

• Wird Anthropologie angesichts dieser Entwicklung irgendwann nur noch eine historische Disziplin sein?

• Verhältnis von Anthropologie und Technik: Moralische Bewertung menschlichen Handelns ergibt sich nicht zuletzt aus Menschenbild.

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Programm

• 1) Was ist Anthropologie? Grundfragen und Grundkonzepte

• 2) Was heißt Technik? Grundfragen und Grundkonzepte

• 3) Verhältnis von Anthropologie und Technik

• 4) Zum Verhältnis Natur, Kultur und Technik

• 5) Neueste anthropologische Fragen

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Zum Begriff ‚Anthropologie‘

• Altgr. ‚anthropos‘ = Mensch

• Verb ‚anthropologein‘ = meschlich reden

• Athropologie hat keine Entsprechung im klassischen Griechisch

• Im 16. Jhdt. erster Gebrauch bei Magnus Hund in „Anthropologium de hominis dignitate, natura et proprietatibus“ (1501) und Otto Cassmann in: „Psychologia anthropologica sive animae humanae doctrina“ (1594)

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Zur Geschichte der Anthropologie I

• Thema aus Anfängen der Philosophie (gnothi seauton: erkenne dich selbst) – Sophistik, sokratisch-platonische Dialektik – aber keine Begründung eigener Disziplin.

• Bis in die Neuzeit Sammelsurium aus Psychologie, deskriptiver Moral, Geographie und Physiologie. Es geht um Orientierung.

• Kants Grundfragen der Philosophie: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch ? (1765)

• Kant: „Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion, und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen.“

• Kant: „Anthropologie in pragmatischer Absicht“ (1798) – Frage nach dem Menschen kontingent, da er ein geschichtliches Wesen ist. – „Eine Lehre von der Kenntnis des Menschen, systematisch abgefasst

(Anthropologie), kann es entweder in physiologischer oder pragmatischer Hinsicht sein. - Die physiologische Menschenkenntnis geht auf die Erforschung dessen, was die Natur aus dem Menschen macht, die pragmatische auf das, was er, als frei handelndes Wesen, aus sich selber macht, oder machen kann und soll.“ (399)

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Zur Geschichte der Anthropologie II

• Es geht um Fragen der Natur des Menschen (Biologie), aber auch um die Frage der natürlichen Verschiedenheit der Menschen, um Geschlecht, Rasse, Lebensalter und Temperamente, also um Ethnografie und Ethnologie, wobei nicht die diachronische, sondern die synchronische Betrachtungsweise im Zentrum steht.

• Anthropologie auf empirische Welterkenntnis fokussiert. Weder Metaphysik noch Naturwissenschaft. Keine spezialisierte Disziplin.

• Für Kant Mensch = Umweltgebundenes Wesen: „Die Einwohner der Erde und der Venus können ohne ihr beiderseitiges Verderben ihre Wohnplätze gegeneinander nicht austauschen.“ (1755)

• In nachkantischer Philosophie (Feuerbach) soll A. zur Fundamentalwissenschaft werden. Deutlichere Pointierung des Geschichtlichen (Hegel) und des Physiologischen (Schelling).

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Zur Geschichte der Anthropologie III

• Dilthey: : „Was der Mensch sei, sagt ihm nur die Geschichte.“

• Anthropologie wird zusehends in einen Gegensatz zur Geschichtsphilosophie und im Kontext der positiven Wissenschaften gesehen.

• Disziplinäre Begründung 1928. – Scheler: Die Stellung des Menschen im Kosmos – Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch

• Ein Phänomenologe (Scheler) und ein Kantianter und Biologe (Plessner) orientieren sich an den Erkenntnissen der Biologie ihrer Zeit.

• Moderne Einteilung anthropologischer Positionen: Supranaturalismus, Evolutionismus und Emergenz

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Scheler: Stellung des Menschen im Kosmos (1928)

• Stufen des psychophysischen Seins – Gefühlsdrang (Pflanzenreich) – Assoziatives Gedächtnis (Tier) – Instinkt (Tier, in reduzierter Weise beim Menschen, kann

ausdifferenziert werden, an Lebensphasen gebunden) – Intelligenz (Tier: organisch gebundene praktische I., Mensch: I nicht

organisch gebunden) Grenze des Psychischen = Grenze des Lebendigen Tier hat Umwelt, Mensch Welt (Weltoffenheit) Empfindung, Reflex und Gedächtnis nur bei Tier und Mensch Mensch hat die Fähigkeit Umwelt zu transzendieren Unterschied zwischen Mensch und Tier

Nicht in Phylogenese und nicht in Intelligenzleistungen Geist als entscheidendes Kriterium

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Scheler: Stellung des Menschen im Kosmos II

• Geist – Naturwissenschaftlich nicht fassbar – Geist ist nichts Sekundäres – Fähigkeit Ideen zu bilden u. Wesensgehalte erfassen zu können – Volitive und emotionale Akte (Güte, Liebe) – Durch Geist in existentieller Weise vom Organischen entbunden – Geist gehört nicht der Ordnung des Lebens an – Mensch kann Nein sagen – M. kann Wirklichkeit Versuchsweise aufheben – Geist bringt Sprache, Religion, Wissenschaft und Kunst hervor. – Es gibt keinen Gegensatz von Leib und Seele, aber einen Gegensatz

von Leib und Geist – Technische Hervorbringungen gehören nicht zum Geist, sind vielmehr

Intelligenzleistungen

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Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch I

• Hermeneutik des Organischen, wobei die jeweilige Daseinsform aus den Bedingungen des Lebens verstanden werden soll

• Freilegung der Lebensbedingungen des Lebe- und Geistwesens Mensch

• Korrelationstheorie von Lebensformen und Lebenssphären

• Verhältnis des Körpers zu seiner Grenze im Zentrum (Positionalität) – Umwelt beginnt, wo Körper seine Grenzen hat

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Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch II

• 7. Kapitel: Die Sphäre des Menschen – Plessner konstatiert eine offene Organisationsform der Pflanze, die kein

organisatorisches Zentrum bzw. zentrales Steuerorgan kennt und eine geschlossene Organisationsform des Tieres. Das Tier ist zentrisch positioniert, lebt aus einer Mitte heraus, kann sich aber nicht auf diese Mitte beziehen und ist ganz im Hier und Jetzt. Tier ist sein Leib.

– Der entscheidende Strukturbegriff zur Fassung der Bedingung der menschlichen Daseinsform lautet „exzentrische Positionalität“.

– Der Mensch hat einen Leib und einen Körper, kann sich also selbst zum Gegenstand wie jedes andere Ding in der Welt machen. Das heißt aber auch, dass der Mensch immer neben sich steht, also nicht in der gleichen Weise mit sich in Einklang ist wie das Tier.

– Exzentrische Positionalität meint aber auch, dass wir unvermittelt nicht bei uns selbst sein können. Für den Menschen gibt es kein unmittelbares Sein. Er lebt mit sich nicht in einem natürlichen Einklang, er ist permanent genötigt zu sich selbst Stellung zu beziehen. Er steht nicht im Zentrum seiner Welt wie das Tier, sondern ist in exzentrischer Positionalität, also ohne Mitte.

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Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch III

• Abgrenzung von lebensphilosophischen Positionen, da es für P. keine unmittelbaren Zugänge zur Welt und zum Selbst gibt. Mensch ist zur Unmittelbarkeit verurteilt (Kleists Marionettentheater)

• Mensch erschließt die Welt als Außenwelt (Physik), Innenwelt (Psychologie) und Mitwelt (Soziologie)

• Die exzentrische Positionalität des Menschen ist die Bedingung menschlicher Schizophrenie ebenso wie die Bedingung für dessen projektiven und transzendierenden Fähigkeiten, die von größter Bedeutung für die Hervorbringungen von Techniken sind.

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Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch IV

• Drei anthropologische Grundgesetze • Das Gesetz der natürlichen Künstlichkeit

– Hierher gehört u.a. auch die Technik. Mensch braucht Hilfsmittel um im Gleichgewicht zu bleiben (Kultur & Technik).

– Exzentrische Existenz prinzipiell ergänzungsbedürftig. – Mensch auf Nichtreales gerichtet; er benötigt Mittel/Werkzeuge um in

Balance zu bleiben, diese Mittel sind nicht nur technischer Art (Kunst, Religion etc.)

– Der letzte Zweck aber, der sich aus dem Gebrauch von Werkzeugen ergibt, ist die Kultur. Hier ist ein Hegel’scher Gedanke eingeführt, nämlich der, dass sich die Mittel von ihren Zwecken befreien und so ein eigenes Gewicht erlangen.

– Mensch muss das ‚nur‘ Natürliche Transzendieren um in Ballance zu bleiben. – Biologisch gesehen ist der Mensch ein Opfer der Großhirnentwicklung, Opfer

einer Art Gehirnparasitismus. – Um sich am Leben zu erhalten, bedarf es also künstlicher Krücken, also

Werkzeuge der Kultur im allerweitesten Sinne

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Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch V

• Das Gesetz der vermittelten Unmittelbarkeit – Mensch kann nur Erfinden, was als Möglichkeit in der Wirklichkeit enthalten ist. – Mensch steht zwischen Immanenz und Expressivität, zwischen Apriorität der Vermögen und

der Aposteriorität der konkreten Gegebenheit. – Mensch auf die Materialien der Natur angewiesen. – Die exzentrische Positionsform bedingt die Mitweltlichkeit oder Sozialität des Menschen,

macht ihn erst zum zoon politikon und bedingt ebenso die ursprüngliche Künstlichkeit und seinen permanenten Schaffensdrang.

– Durch seine Exzentrität steht der Mensch in einer indirekt-direkten bzw. unvermittelt-vermittelten Beziehung zu allem

– Mensch weiß um intenio obliqua – jedes Objekt eben mehr als Erscheinung – Exzentrität ermöglicht Reflexion – Erst aus dialektischem Zusammenhang werden Phänomene erklärlich. Wirklichkeit ist mehr

als das, was erscheint: „Kraft (der Exzentrizität) schafft das Wissen unmittelbar etwas Mittelbares: Die Realität in der Erscheinung, das Phänomen der Wirklichkeit“ Realität ist also das, was uns in Konkretion erscheint, die Wirklichkeit aber ist mehr, ist selbst immer schon ein Vermittlungtsprodukt.

– Auch hier kann der Ort der Technik, insbesondere der medialen bzw. informatischen Techniken angesiedelt werden.

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Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch VI

• Das Gesetz vom utopischen Standort – konstitituve Wurzellosigkeit des Menschen. – Mensch steht nie im Jetzt und Hier. – Wirklichkeit, an die sich der Mensch klammert ist eingebettet in

Möglichkeiten des Anders-sein-könnens – Ende des Buches religionsphilosophisher Diskurs – Die Wahrheit des Menschen ist letztlich ein Paradoxon: Nur wer

glaubt, kann letztlich zum Weltgrund gelangen, nur wo der Zweifel schwindet, erlangen wir so etwas wie Heimat.

Der Ort, an dem die Frage nach dem Menschen mit der Frage nach der Technik am engsten miteinander verknüpft sind, artikuliert sich im ersten und zweiten anthropologischen Grundgesetz, den Gesetzen der natürlichen Künstlichkeit und der vermittelten Unmittelbarkeit

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Gehlen: Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940) I

• Gehlen sucht nach einem einheitlichen Strukturgesetz für den Menschen, das er in der Bestimmung des Menschen als handelndes Wesen sieht (Herder, Schiller).

• Mensch von Natur aus ein Kulturwesen. Keine Unterscheidung von Natur- und Kulturvolk.

• Gegenüber dem Tier zeichnet sich der Mensch durch eine biologische Mittellosigkeit aus. Tiere übertreffen ihn an Instinktsicherheit und Sinnesschärfe.

• Gleichzeitig sind diese Mängel eine besondere Auszeichnung, denn der Mensch ist nicht in die Umwelt eingefügt und erweist sich damit als das am höchsten organisierte Tier.

• Der handelnde Mensch lässt den Spielraum des Tieres hinter sich. Lernprozesse erweisen sich als Entlastungstätigkeiten, mit deren Hilfe er biologische Bedürfnisse brechen und Handlungen unabhängig vom Reiz wechselnder Situationen ausführen kann.

• Antriebsüberschuss zwingt zu dessen Bändigung und Formung. Dadurch wird Energie verfügbar und für die Gestaltung der Lebensbedingungen genutzt. So dienen niedrige wie höhere Vermögen (Wahrnehmung, Sprache, Phantasie) der Naturbewältigung. Der Mensch zeichnet sich durch Weltoffenheit aus. Letztlich wird damit auch die Hervorbringung der Kultur in den Kontext der Lebenserhaltung gestellt.

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Gehlen: Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940) II

• Der Mensch ist nicht biologisch determiniert, sondern erschafft sich selbst mit Hilfe von Sprache, Kultur, Erziehung und Werkzeugen.

• Der Mensch ist Mängelwesen in dreifachem Sinn: 1) im Sinne eines objektiven Weltbezug, da er in keine Umwelt eingepasst ist und sein Verhältnis zur Welt selbst aufbauen muss; 2) im Sinne seines intersubjektiven Weltbezug, da er v.a. gegenüber seinen Artgenossen an Instinktreduktion leidet. 3) im subjektiven Weltbezug, da er einen Antriebsüberschuss zu bewältigen hat.

• Biologisch hat Mensch extrem lange Kindheit und Jugend. Er ist sowohl Nestflüchter als auch Nesthocker (sekundärer Nesthocker). Er ist eine physiologische Frühgeburt. Die frühe Hilflosigkeit führt zu einer Verschränkung von somatischer und psychosomatischer Entwicklung. Was der Mensch aber ist, ergibt sich aus der sozialen Gruppe, in der er lebt.

• Als weltoffenes Wesen besitzt er keine angeborenen Reizselektionsmuster, vielmehr muss er diese Muster selbst aufbauen

• Pragmatischer Konmstruktivismus. Menschliche Instinktarmut verlangt nach institutioneller Kompensation

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Gehlen: Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940) III

• Alle Triebe sind miteinander vermischt und durchmischt • Antriebsüberschuss: uns macht der künftige Hunger hungrig • Mensch zu Triebverzicht und Triebaufschub imstande • Durch die fortschreitende Indirektheit des menschlichen

Verhaltens, die auch durch das technische Handeln verstärkt wird, wird die Effektivität des Handelns erhöht, aber es kommt auch verstärkt zu Ablenkungen, Deformationen und Störungen.

• Dem Menschen ist die Vertauschung von Mittel und Zweck gelungen. Nicht das Befriedigungserlebnis wird angestrebt, sondern der Akt, bei dem dieses auftritt. Es findet eine Umkehrung der Antriebsrichtung statt. So kann der Mensch über seine Antriebe herrschen und es zu einer Selbststeigerung bringen. Antriebe wie Hunger und Sexualität werden genutzt um die mit deren Befriedigung verbundenen psychischen Akte zu erlangen.

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Gehlen: Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940) IV

• Wirkwelt wächst, Merkwelt nicht. • Schlüsselbegriff: Entlastung (auch zur Rechtfertigung von Technik) • Kleine Entlastungen: 1. im objektiven Weltbezug: Automatismen, 2.

im sozialen Wb.: Gewohnheiten (auch Fundament moralischen Handelns), 3. subjektiven Wb.: Hintergrunderfüllung

• Große Entlastungen: 1. im objektiven Weltbezug: Technik, 2. im sozialen Wb.: Institutionen, 3. im subj. Wb.: Kunst

• Hintergrunderfüllungen: stabile und dauerhafte Erfüllungen unserer Bedürfnisse, die insofern im Hintergrund bleiben als sie dem Menschen nicht immer bewusst sind

• Ambivalenz der Entlastung: Gewohnheiten ketten uns an Vergangenheit und machen träge. Phantasie als Gegenkraft: Mensch nicht nur homo compensor, sondern auch homo creator.

• Phantasie hat antizipatorisch-konstruktive Bedeutung. Technik und Religion (götterschaffende Kraft) Ausdruck der Phantasie. 19

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Gehlen: Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940) V

• Gehlen unterscheidet Institutionen von gesellschaftlichen Strukturen und sozialen Organisationen.

• A) Strukturen sind das innere Gefüge der Gesellschaft als Funktionszusammenhang, also ihr Skelett. B) Soziale Organisationen sind nicht souverän und zweckrational angelegt. C) Institutionen sind an Leitideen gebunden, unterliegen einem normatives Prinzip und können selbstzweckhafte Züge annehmen.

• Geschichtsphilosophische Idee des post-histoire (Zeit der großen Ideen vorbei, Fortschritte nur noch in den Superstrukturen, Abdankung des Subjekts, es gibt nur noch eine oberflächliche Vielheit, Vorgriff auf die Idee der Postmoderne).

• Auch wenn die Technik zu den großen Entlastungsgrößen des Menschen zählt, so glaubt Gehlen doch, dass in einer technisch hoch erschlossenen Welt ein enormer Antriebsüberschuss entsteht, der sich aggressiv gegen die Mit- und Innenwelt richtet.

• Zivilisationsbedingte Hemmungsmechanismen werden mit Hilfe der Technik überwunden.

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Gehlen: Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940) VI

• Institutionenmoral bringt Tugenden wie Dienst, Pflicht, Gehorsam, Tampferkeit und Ehre hervor.

• Nur starke Institutionen können Angst und Aggression bändigen und Konflikte schlichten.

• Die Summe aller großen Entlastungen ist für Gehlen die menschliche Kultur, worin natürlich auch der Kunst eine wichtige Entlastungsfunktion zukommt.

• In den 1970er Jahren, also der Zeit des politischen Aufbruchs der sogenannten 68er-Generation, sieht er einen Konflikt zwischen Institutionalismus und Humanitarismus. Insbesondere sieht er eine Überdehnung der Moral, einen wirklichkeitsfernen Idealismus, der sich mit aggressiver Intoleranz gegenüber Andersdenkenden verbindet.

• Gehlen ist in seiner Institutionenlehre bzw. in seinem ausgeprägten Ordnungsdenken stark von dem französischen Rechtsphilosophen Maurice Hauriou beeinflusst. Er spricht von Führungssystemen, die uns bei der Bewältigung der Kontingenzen des Alltags unterstützen können. Selbst revolutionäre Ideen müssen in Institutionen abgesichert werden. Subjektiver und absoluter Geist heißt es ganz hegelianisch, können nur im objektiven Geist vermittelt werden. Nur mittels von Institutionen ertragen sich die Menschen selbst und die anderen; durch sie wird die soziale Vorverständigung der Individuen erst gesichert.

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Ernst Cassirer: Versuch über den Menschen (1944) I

• Mensch ist animal symbolicum

• Grundlage „Philosophie der symbolischen Formen (1923 – 1929)

• Symbol – altgr. sym-ballo = zusammenwerfen, zusammenbringen

• Kennzeichen des Symbols: 1) Verweisung 2) Transzendierung 3) metaphorischer Ausdruck 4) Konzentrat 5) Handlungsanweisung 6) Zug zum Konkreten (Beispiel Kreuz; Erläuterung anhand des chemischen Periodensystems

• Die Natur des Menschen lässt sich nicht substantial als Wesenheit fassen, sondern nur funktional unter dem Aspekt seiner Kulturleistungen. Die Einheit des Menschen artikuliert sich also in der Fähigkeit funktionale Beziehungen herstellen zu können.

• Zwischen Wahrnehmung und Reaktion tritt beim Menschen das Symbol als wesentlicher Wirklichkeitsbezug. Bei Menschen hat sich im Gegensatz zum Tier die Sprache als symbolische Form soweit entwickelt, dass propositionale Aussagen möglich werden, die nicht mit einer darauffolgenden Handlung verknüpft sind. Damit macht das Symbol als zwischen Merk- und Wirknetz geschaltetes Element die menschliche Freiheit erst möglich.

• Mensch kann weitgehend losgelöst von Empfindung eigenes Symbolsystem aufbauen: Der Fall Helen Keller.

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Ernst Cassirer: Versuch über den Menschen (1944) II

• Mensch kann weitgehend losgelöst von Empfindung eigenes Symbolsystem aufbauen: Der Fall Helen Keller.

• Jakob von Uexkülls Entdeckung, dass Merknetz und Wirknetz einen geschlossenen Funktionskreis bilden, gilt nicht für den Menschen (Mensch kann verzögern und Funktionskreis unterbrechen)

• Symbol zwischen Wahrnehmung und Reaktion.

• „Die einfachste und prägnanteste Definition, die eine philosophisch-gerichtete ‚Anthropologie‘ für den Menschen zu geben vermöchte, wäre daher vielleicht die Bestimmung, daß er der ‚Form fähig‘ ist. […] Seine charakteristische Stellung zur Welt wie seine Stellung zu den Gegenständen ist hierin beschlossen.“

• Wider Rückfall in absolutistische Identitätslogik (‚Zur Logik des Symbolbegriffs‘ = Antwort auf Kritik von K. Marc-Wogau). Symbol als Relationsbegriff. Fundamentalproblem des „synthetischen Urteils“, das eine Einheit des Verschiedenen sein will, das symlokè und diairesis, Vereinigung und Auseinanderhaltung verlangt, ohne daß beide Akte einander hemmen oder

widersprechen.

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Ernst Cassirer: Form und Technik (1930)

• Cassirer zeigt, dass nicht nur Sprache, Mythos, Religion, Wissensch. und Kunst symb. Formen sind, mit deren Hilfe der Mensch seine Welt begreift und ordnet, sondern auch die Technik.

• Versuch die Form technischen Handelns als eine eigenständige Handlungsart zu erfassen. Keine Technikkritik.

• Für Cassirer ist die Erfindung des Werkzeugs eine „Weltwende in der Erkenntnis“, mit deren Hilfe die magisch-mythische Vorstellungsart durchbrochen wird.

• Jeder Zugriff zur Welt durch Begriff/Wort und vermittelt

• Technik steht in gewisser Weise wie die begriffliche Sprache für die Mittelbarkeit, die den Menschen gegenüber dem Tier auszeichnet. Der Mensch ist imstande zwischen seinem Wünschen und der Realität eine Vermittlungsebene einzuschalten, die das Wünschen sozusagen einem Realisierungsplan unterwirft.

• Werkzeuggebrauch verändert Weltsicht und auch die soziale Organisation.

• Neuartige Rhythmisierungen von Arbeitsabläufen.

• Der nächste Entwicklungssprung ist die Erfindung des Werkzeugs ohne natürliches Vorbild (Wider Kapps Auffassung von der Organprojektion).

• Es werden nicht nur organische Funktionen nachgeahmt, sondern völlig neuartige Funktionen hervorgebracht. Neue Weisen des Nähens beispielsweise. Es findet eine Erweiterung unserer Vorstellungkraft statt und neue Zwecksetzungen.

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Ernst Cassirer: Form und Technik (1930) II

• Während der magisch agierende Mensch sozusagen den Wunsch beeinflussbaren Mächten unterwirft, während er Wunscherfüllung immer quasi instantan zu realisieren trachtet, versucht der homo faber den Wunsch zu realisieren, indem er sich auf einen unter Umständen langen Weg begibt, auf dem er den Wunsch selbst in den Hintergrund rückt, um frei für die zur Realisierung erforderlichen Details zu werden. Der homo faber begibt sich sozusagen auf einen Handlungsdiskurs, auf einen methodischen Weg, der Akribie und einen langen Atem fordert, der aber anders als der magische Werk auch Sicherheit verspricht.

• Auch wenn magische Rituale durchaus erfolgversprechend sein mögen, schließlich sind Rituale, wie Regentänze, sehr wohl an äußere Zeichen bzw. Beobachtungen gebunden, sie werden nicht beliebig angewandt, sondern sind immer situationsbezogen und an Bedingungen gebunden, so kann der Wunsch darin dennoch nicht erzwungen werden. Die magischen Mächte können beschworen, beeinflusst, besänftigt, aber nicht gezwungen werden. Das technische Handeln dagegen, übt sehr wohl einen Zwang auf die Natur aus, nicht zuletzt deshalb, weil er die Natur eben nicht mehr als etwas begreift, das in allen seinen Teilen beseelt ist. Das Fortschreiten des technischen Handelns geht einher mit einer Entseelung der Natur.

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Ernst Kapp: Grundlinien einer Philosophie der Technik (1877)

• Schrift stark von Hegel beeinflusst. • Kapp gilt als Schöpfer des Begriffes der Technik-Philosophie • Technische Emtwicklung als Motor der kulturellen Entwicklung. • Kapp vertritt weder einen naiven Physiologismus, noch einen

Materialismus. Auch geistige Dispositionen führen zu Projektionen und Objektivationen.

• Er präzisiert Herders Gedanken, dass der Mensch seine Mängel mit Hilfe von Technik kompensieren muss, den Gehlen sozusagen zum Programm ausbaut.

• Technik ist quasi organisch und geistig im Menschen angelegt. • Idee der Organprojektion: Alle technischen Artefakte sind als

Organprojektion zu verstehen (Hammer = verbesserte Faust, Teleskop verbessertes Auge, Telegraphie = Projektion des Nervensystems)

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Ernst Kapp: Grundlinien einer Philosophie der Technik (1877) II

• Mensch kompensiert mit technischen Projektionen seine Mängel. • Er „überträgt «unbewusst Form, Functionsbeziehung und

Normalverhältnis seiner leiblichen Gliederung auf die Werke seiner Hand» und wird sich «ihrer analogen Beziehung zu ihm selbst erst hinterher bewusst» . Dies gilt nicht nur für Werkzeuge, sondern ebenso für Apparate, Maschinen und Systeme und sogar für den Staat, der als «die zur res publica und externa werdende res interna der Menschennatur und ihre organische Totalprojection» aufgefaßt wird. Technik ist eine Entäußerung des Menschen, der darin seine Kultur und sich selbst als Krone der Schöpfung erfährt. Durch freie Nacherfindung wird erst der «Mechanismus der Natur» verständlich. Organprojektion ist die Erklärung technischen Handelns und der sozialen Organisationsformen.

• Tatsächlich spielen Projektionen und Analogiebildungen in vielen technischen Feldern eine wichtige Rolle (biomorphe Metaphern in Robotik.)

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Friedrich Dessauer: Philosophie der Technik. Das Problem der Realisierung (1927), Der Streit um die

Technik (1956) I

• Perspektive des Erfinders: Erfindung = Brückenschlag zwischen menschlichen Wünschen und dem Reich der Natur und seinen Gesetzmäßigkeiten.

• Erfinder stillt ein menschliches Bedürfnis, indem er ein naturgesetzlich wirkendes Gerät oder Verfahren erdenkt und unter Inanspruchnahme der materiellen Naturgegebenheiten verwirklicht.

• Bei der Veränderung der vorgefundenen Umwelt erweist sich der Mensch als Beobachter (homo investigator), als Erfinder (homo inventor) und schließlich als Gestalter (homo faber).

• Der technische Hervorbringungsprozess besteht also aus der Vereinigung von drei Fähigkeiten, dem Beobachten, dem Erfinden und dem Bearbeiten. Mit Hand und Werkzeug verwirklicht der Mensch sein Phantasiegebilde.

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Friedrich Dessauer: Philosophie der Technik. Das Problem der Realisierung (1927), Der Streit um die

Technik (1956) II

• Das Ergebnis des Herstellungsprozesses , der technische Gegenstand, ist in dreierlei Hinsicht gekennzeichnet: 1) durch die strenge Bindung an die Naturgesetzlichkeit

2) durch eine Zweckbestimmtheit. 3) durch eine Bearbeitung durch Menschenhand.

• D = Platoniker und glaubt, dass sich bei präzise gestellter Aufgabe die Erfindungen überall angleichen (Objektives Moment in jeder Erfindung). Erfinder hat Anteil am Reich der Ideen.

• Dessauer sieht dieses objektive Moment in der Existenz eines Reiches noch nicht realisierter Lösungsgestalten, die der Erfinder durch seine Tätigkeit in die Realexistenz bringt.

• Unterschied zwischen ökonomischem und technischem (Dienstwert) Wert – technisches Optimum nicht das ökonomische Optimum.

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Friedrich Dessauer: Philosophie der Technik. Das Problem der Realisierung (1927), Der Streit um die

Technik (1956) III • Technik = „Emanzipation des Menschen (…) aus der vegitabilen und

animalischen Gebundenheit und Abhängigkeit (…). Technik bedeutet (…) Freiheit im doppelten Sinne: Freiheit von der Untertänigkeit, Freiheit zum eigenen Entwurf, zur Gestaltung der Zukunft.“

• Zusammenfassung: 1) Trotz vielfältigen Erscheinungsformen ist Technik eine Einheit. Alle technischen Gegenstände stimmen in den drei Kennzeichen: Bindung an Naturgesetzlichkeit, Zweckbestimmtheit und Bearbeitung überein, woraus nicht zuletzt der einheitliche Sinn der Technik erkennbar ist. 2) Der Dienstwert technischer Gegenstände konstituiert eine eigenständige, vom wirtschaftlichen Maßstab verschiedene Wertordnung der Technik. 3) Die Entwicklung der Technik geschieht zwar durch forschende, erfinderische und gestaltende Menschen, wird dabei aber von objektiven Momenten mitbestimmt. 4) Dass Technik ethisch neutral sei hält Dessauer für ein Vorurteil. Zwar lässt sich Technik missbrauchen, aber das gilt für alle Bereiche menschlichen Tuns. Weil die Finalität das entscheidende Moment des technischen Handelns ist, ist Technik immer auch schon ethisch disponiert. Da Technik also zweckgebunden ist, kann sie eben auch nicht neutral sein.

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