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:antifaschistische Nr. 13 nachrichten www.antifaschistische-nachrichten.de g 3336 1.7.2004 20. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤ Gedenkstättenkonzept der CDU/CSU: Zeugnis unbewältigter NS-Vergangenheit Aus dem Inhalt: 60. Jahrestag des SS- Massakers in Distomo . . . . . . . . 8 Adalbert-Preisverleihung an Kohl – ein Skandal . . . . . . . 10 Symposium zu hilfsbe- dürftigen NS-Verfolgten . . . . . 14 Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat einen ursprünglich im November 2003 eingereich- ten, im Ergebnis des sächsischen Ge- denkstättenstreits zu Beginn desJahres zurückgezogenen Antrag zur Gedenk- stättenförderung Anfang Mai in nur ge- ringfügig geänderter Fassung wieder eingebracht. Unter geschichtsrevisionis- tischen Formeln wie „Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland“ und „würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen“ soll die seit Jahren angestrebte und bereits vielfach anzutreffende Parallelisierung von DDR und NS-Diktatur in der Ge- denkpolitik der Bundesrepublik festge- schrieben werden. Das vorgelegte Konzept beweist und veranschaulicht: Einflussreiche Gruppen im konservativen Lager sind noch im 60. Jahr nach der Befreiung vom Faschismus nicht gewillt und nicht fähig, den über- fälligen konsequenten Bruch mit der Na- zibarbarei auch durch die bedingungslo- se Anerkennung der weltgeschichtlichen Einzigartigkeit – und in diesem Sinn auch Unvergleichbarkeit – der Art und der Dimension ihrer Verbrechen gegen die Menschheit zu vollziehen. Es ist be- zeichnend, dass Verbrechen wie die eu- ropaweite Eroberungs-, Ausplünde- rungs- und Vernichtungspolitik zwischen 1938 und 1945 nicht einmal einer Er- wähnung wert befunden werden. Die angestrebte Parallelisierung führt zwangsläufig dazu, dass zuvor unvor- stellbare Untaten bagatellisiert werden. Der Antrag listet mehr auf die DDR als auf die NS-Diktatur bezogene Gedenkor- te auf. Die angebliche „Pluralität der Konzeptionen“ äußert sich in Angriffen auf antifaschistische Traditionen der DDR und fehlender Kritik an Kontinu- itäten und Verdrängungen in der Bundes- republik. Es ist nur folgerichtig, dass sich unter den Unterzeichnern Namen finden, die Symbolwert dafür haben, die Naziverg- angenheit zu bagatellisieren. Einige von ihnen ließen dies auch in der ungeklärten Hohmann-Affäre oder der jüngsten Ver- treibungsdebatte erkennen, darunter Pe- ter Gauweiler, Vera Lengsfeld, Günter Nooke und Erika Steinbach. Der Antrag stellt am Beginn einer neu- en Wahlperiode des Parlaments der soe- ben erheblich vergrößerten EU eine Pro- vokation der europäischen Opfer des Fa- schismus, ihrer Angehörigen und Hinter- bliebenen, der entschieden antinazistisch gesinnten Mehrheit der europäischen Be- völkerung dar. Alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages, aber auch darü- ber hinaus Politiker, Publizisten, Wissen- schaftler, Lehrer, Bürgerinnen und Bür- ger, sollten sich dieser Tragweite der an- stehenden Kontroversen und ihrer per- sönlichen Stellungnahme bewusst sein. Prof. Dr. Ludwig Elm, Bundessprecher der VVN-BdA Neofaschisten erhalten 53 Kommunalmandate Nach der Kommunalwahl in Sachsen sind Rechtsextreme in fünf Kreistagen und zwölf Räten vertreten. Landespolitiker zeigen sich betroffen, örtliche Initiativen sind von den Wahlerfolgen aber alles andere als überrascht. An einen solchen Zuspruch hat die NPD in Reinhardsdorf-Schöna wohl selbst nicht geglaubt. 25,4 Prozent der Bürger votierten für die rechtsextreme Partei. Das hätte für drei Mandate gereicht; es gab aber nur zwei Kandidaten. Nun bleibt ein Sitz ungenutzt. Zur Erleichterung bietet dieser Faux- pas keinen Anlass, schließlich haben Rechtsextreme bei der sächsischen Kom- munalwahl am Sonntag einen beispiello- sen Erfolg verbuchen können. NPD und Republikaner erhalten zusammen 13 Mandate in Kreistagen sowie 40 Sitze in Stadt- und Gemeinderäten. Im Kreistag der Sächsischen Schweiz stellt die NPD künftig die drittstärkste Fraktion; in eini- gen Gemeinden ist sie gar zweite Kraft. Mit Zustimmung für die NPD war be- sonders in der Sächsischen Schweiz ge- rechnet worden. Dort gelangen der Partei auch früher teils zweistellige Ergebnisse. NPD-Hochburg ist die Region noch im- mer. Künftig aber sind Rechtsextreme flächendeckend in Kommunalparlamen- ten vertreten. Im Muldentalkreis reicht es für die NPD zur Fraktionsstärke, in Chemnitz für die Republikaner. Zwei oder mehr Mandate gab es zudem unter anderem in den Räten von Dresden, An- naberg, Freiberg, Riesa, Wurzen, Meißen und Sebnitz. Das Erschrecken über den Wahlerfolg, den beide Parteien durch mehr als drei Prozent Zustimmung bei der Europawahl untermauerten, ist groß. weiter Seite 3 Rund 200 Neofaschisten konnten am Samstag, 26. Juni in Bochum gegen den geplanten Synagogenbau demonstrieren. Das BVG hatte zuvor Verbotsverfü- gungen von NRW-Gerichten aufgehoben.

:antifaschistische Nr.13 nachrichten · sche Buch- und Musikverlag Werner Symanek (VAWS) will nun sein 4. Musik-Festival vom 9. bis 11.Juli im österreichi-schen Kärnten durchführen

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:antifaschistische Nr.13nachrichten www.antifaschistische-nachrichten.de

g 3336 1.7.2004 20. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤

Gedenkstättenkonzept der CDU/CSU:

Zeugnis unbewältigterNS-Vergangenheit

Aus dem Inhalt:

60. Jahrestag des SS-Massakers in Distomo . . . . . . . . 8 Adalbert-Preisverleihungan Kohl – ein Skandal . . . . . . . 10Symposium zu hilfsbe-dürftigen NS-Verfolgten . . . . . 14

Die Bundestagsfraktion derCDU/CSU hat einen ursprünglichim November 2003 eingereich-

ten, im Ergebnis des sächsischen Ge-denkstättenstreits zu Beginn desJahreszurückgezogenen Antrag zur Gedenk-stättenförderung Anfang Mai in nur ge-ringfügig geänderter Fassung wiedereingebracht. Unter geschichtsrevisionis-tischen Formeln wie „Gedenkstättenzur Diktaturgeschichte in Deutschland“und „würdiges Gedenken aller Opferder beiden deutschen Diktaturen“ solldie seit Jahren angestrebte und bereitsvielfach anzutreffende Parallelisierungvon DDR und NS-Diktatur in der Ge-denkpolitik der Bundesrepublik festge-schrieben werden.

Das vorgelegte Konzept beweist undveranschaulicht: Einflussreiche Gruppenim konservativen Lager sind noch im 60.Jahr nach der Befreiung vom Faschismusnicht gewillt und nicht fähig, den über-fälligen konsequenten Bruch mit der Na-zibarbarei auch durch die bedingungslo-se Anerkennung der weltgeschichtlichenEinzigartigkeit – und in diesem Sinnauch Unvergleichbarkeit – der Art undder Dimension ihrer Verbrechen gegendie Menschheit zu vollziehen. Es ist be-zeichnend, dass Verbrechen wie die eu-ropaweite Eroberungs-, Ausplünde-rungs- und Vernichtungspolitik zwischen1938 und 1945 nicht einmal einer Er-wähnung wert befunden werden.

Die angestrebte Parallelisierung führtzwangsläufig dazu, dass zuvor unvor-stellbare Untaten bagatellisiert werden.Der Antrag listet mehr auf die DDR alsauf die NS-Diktatur bezogene Gedenkor-te auf. Die angebliche „Pluralität derKonzeptionen“ äußert sich in Angriffenauf antifaschistische Traditionen derDDR und fehlender Kritik an Kontinu-itäten und Verdrängungen in der Bundes-republik.

Es ist nur folgerichtig, dass sich unterden Unterzeichnern Namen finden, dieSymbolwert dafür haben, die Naziverg-angenheit zu bagatellisieren. Einige vonihnen ließen dies auch in der ungeklärtenHohmann-Affäre oder der jüngsten Ver-treibungsdebatte erkennen, darunter Pe-ter Gauweiler, Vera Lengsfeld, GünterNooke und Erika Steinbach.

Der Antrag stellt am Beginn einer neu-en Wahlperiode des Parlaments der soe-ben erheblich vergrößerten EU eine Pro-vokation der europäischen Opfer des Fa-schismus, ihrer Angehörigen und Hinter-bliebenen, der entschieden antinazistischgesinnten Mehrheit der europäischen Be-völkerung dar. Alle Abgeordneten desDeutschen Bundestages, aber auch darü-ber hinaus Politiker, Publizisten, Wissen-schaftler, Lehrer, Bürgerinnen und Bür-ger, sollten sich dieser Tragweite der an-stehenden Kontroversen und ihrer per-sönlichen Stellungnahme bewusst sein.

Prof. Dr. Ludwig Elm, Bundessprecher der VVN-BdA ■

Neofaschistenerhalten 53 Kommunalmandate

Nach der Kommunalwahl inSachsen sind Rechtsextreme infünf Kreistagen und zwölf Rätenvertreten. Landespolitiker zeigen

sich betroffen, örtliche Initiativen sindvon den Wahlerfolgen aber alles andereals überrascht.

An einen solchen Zuspruch hat die NPDin Reinhardsdorf-Schöna wohl selbstnicht geglaubt. 25,4 Prozent der Bürgervotierten für die rechtsextreme Partei.Das hätte für drei Mandate gereicht; esgab aber nur zwei Kandidaten. Nunbleibt ein Sitz ungenutzt.

Zur Erleichterung bietet dieser Faux-pas keinen Anlass, schließlich habenRechtsextreme bei der sächsischen Kom-munalwahl am Sonntag einen beispiello-sen Erfolg verbuchen können. NPD undRepublikaner erhalten zusammen 13Mandate in Kreistagen sowie 40 Sitze inStadt- und Gemeinderäten. Im Kreistagder Sächsischen Schweiz stellt die NPDkünftig die drittstärkste Fraktion; in eini-gen Gemeinden ist sie gar zweite Kraft. Mit Zustimmung für die NPD war be-sonders in der Sächsischen Schweiz ge-rechnet worden. Dort gelangen der Parteiauch früher teils zweistellige Ergebnisse.NPD-Hochburg ist die Region noch im-mer. Künftig aber sind Rechtsextremeflächendeckend in Kommunalparlamen-ten vertreten. Im Muldentalkreis reicht esfür die NPD zur Fraktionsstärke, inChemnitz für die Republikaner. Zweioder mehr Mandate gab es zudem unteranderem in den Räten von Dresden, An-naberg, Freiberg, Riesa, Wurzen, Meißenund Sebnitz.

Das Erschrecken über den Wahlerfolg,den beide Parteien durch mehr als dreiProzent Zustimmung bei der Europawahluntermauerten, ist groß.

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Rund 200 Neofaschisten konnten am Samstag, 26. Juni in Bochum gegen dengeplanten Synagogenbau demonstrieren. Das BVG hatte zuvor Verbotsverfü-gungen von NRW-Gerichten aufgehoben.

:antifaschistische nachrichten 13-20042

:meldungen, aktionen

BVG genehmigt Demonstra-tion gegen Synagogenbauin Bochum

Bochum. Ca 200 Nazi konnten am 26.6.in Bochum-Ehrenfeld gegen den Bau ei-ner Synagoge in Bochum demonstrieren,nachdem das Bundesverfassungsgerichtdas Verbot am Freitag aufgehoben hatte..Sie wurden von einem gewaltigen Poli-zeiaufgebot geschützt. Es gab mehr alsein Dutzend strafrelevante Vorfälle beider Nazi-Demo, die es der Polizei er-möglicht hätte, die Demonstration aufzu-lösen. Der zuständige Staatsanwalt waranwesend und hat die Vorfälle nicht zumAnlass genommen zu intervenieren. DasGanze gipfelte darin, dass die Nazisskandierten „Juden raus“. Einige Hun-dert DemonstrantInnen haben versuchtihre Abscheu darüber zum Ausdruck zubringen.

Lutz Berger von der VVN-BdA Bo-chum schreibt: „Bei der Nazidemo istunendlich viel gegen Auflagen und Ge-setze verstoßen worden. So habe ich ei-nem Polizisten, der auf der Bessemerstr.bei der leider erfolglosen Blockade dieNazis vor mir und anderen friedlichenBürgerInnen schützen musste, daraufhingewiesen, dass einer der Nazis sehrdeutlich die Buchstabenkombination SAtrug. Der Polizist war nicht einmal be-reit, sich umzudrehen und dies zurKenntnis zu nehmen. Er sprach lediglichausgesprochen freundlich und korrektdavon, dass er ja nur seinen Job machtund dass die Einsatzleitung alles im Griffhat. Eine Meldung an die Einsatzleitungwollte er nicht machen.

Die vielen antisemitischen Sprüche,Rufe, dass man Synagogen nur in Israelhaben will, Hetze gegen „Zigeuner“ undAusländer, das alles konnte die Polizeinicht bewegen, den grässlichen Auf-marsch für beendet zu erklären. Die Auf-forderung bei der Abschlusskundgebung,den Bau der Synagoge während der Bau-zeit massiv zu behindern, war doch wohlAufforderung zur Gewalt.

Ich bitte darum, aufzufordern, dassalle ihre Erlebnisse bei der Demo bei bo-alternativ veröffentlichen und dass damiteine Klage gegen die Einsatzleitungdurchgeführt werden kann.“

www.bo-alternativ.de ■

Holocaust-Leugner verurteilt Bad Oeynhausen/Vlotho. Das Amts-gericht von Bad Oeynhausen hat UrsulaHaverbeck-Wetzel (75) und Ernst-OttoCohrs (82) wegen „Volksverhetzung“verurteilt. Die in der Zeitschrift „Stimmedes Gewissens“ des Vlothoer „Colle-

gium Humanum“ abgedruckten Artikelleugneten den Holocaust insgesamt undsollten das deutsche Volk von jeglicherSchuld reinwaschen, urteilte die Richte-rin. Dabei gehe es den Angeklagten nichtum die Zahl der ermordeten Juden, son-dern um die Entkriminalisierung der NS-Verbrechen. So sei die „Reichskristall-nacht“ als „Beginn der großen Lüge“ be-zeichnet worden die „endgültig zu Fall zubringen“ sei: die „Auschwitz-Lüge“. ZuBeginn der Verhandlung sorgte der nunmit Berufsverbot belegte Berliner AnwaltHorst Mahler, ehemals NPD, für Irritatio-nen. Er hatte sich als „Assistent der Ver-teidigung“ neben die Angeklagten ge-setzt. Dagegen intervenierte die Richterinund Mahler mußte einen Stuhl weiter rü-cken. Haverbeck-Wetzel muß nun 180Tagessätze zu je 30 Euro und Cohrs 180Sätze zu 20 Euro Strafe zahlen. hma ■

Sachverständiger erschossen Rußland/St. Petersburg. Der Ethno-loge Nikolai Girenko (60) ist in seinerWohnung in St. Petersburg erschossenworden. Girenko hatte zahlreiche Exper-tisen für Gerichtsverfahren gegen russi-sche Neofaschisten verfasst. Außerdemhatte der Vorsitzende der Kommissionfür die Rechte von Minderheiten in St.Petersburg eine Studie zur Skinhead-Gruppe „Schulz 88“ erstellt, die durchihre Gewalttaten gegen dunkelhäutigeMenschen aus dem Kaukasus bekanntwurde. Russische Bürgerrechtler vermu-ten hinter der Tat Neofaschisten. St. Pe-tersburg gilt neben Woronesch und Kras-nodar als eine der Neonazi-Hochburgenin Russland.

Inzwischen hat eine bislang unbe-kannte neofaschistische Gruppierung mitdem Namen „Russische Republik“ aufihren Internetseiten ein „Todesurteil“ ih-rer sog. „Regierung“ gegen Girenko ver-öffentlicht. hma ■

Rechte Demos gegen„Agenda 2010“Brandenburg. Neonazis setzen ver-stärkt auf „soziale“ Demagogie. Das ne-ofaschistische „Nationale und SozialeAktionsbündniss Mitteldeutschland“(NSAM) und der sogenannte „Märki-sche Heimatschutz“ (MHS) haben eineKampagne gegen die „Agenda 2010“ inBrandenburg begonnen. Unter dem Mot-to „Gegen die AGENDA 2010 – Ein neu-es System bietet neue Möglichkeiten“wurden in Städten wie z.B. Prenzlau, Jo-achimsthal und Strausberg bereits An-fang Juni für eine Woche Plakate aufge-hängt. Angekündigt werden auch eine

Reihe von neofaschistischen Aufmär-schen gegen die „Agenda 2010“ bis zumOktober. So u.a. in Gotha (3. Juli), Mag-deburg (10. Juli), Dresden (24. Juli), Jena(4. September) und Berlin (9. Oktober).

hma ■

DVU-Fest

Büdelsdorf. Der LandesverbandSchleswig-Holstein der „DeutschenVolksunion“ (DVU) führt am 17. Juli ab15 Uhr im Raum Büdelsdorf ein Grillfestdurch. Kontaktadresse ist der DVU-Ak-tivist Heinrich Henftling, ein ehemaligerJustizbeamter aus Reinbek. hma ■

VAWS-Festival in Kärnten

Oberhausen/Wels. Der neofaschisti-sche Buch- und Musikverlag WernerSymanek (VAWS) will nun sein 4. Musik-Festival vom 9. bis 11.Juli im österreichi-schen Kärnten durchführen. Angebotenwird Musik aus den Sparten Gothic, In-dustrial und Neofolk sowie Disco undKunst. Neben den einschlägig bekanntenBands „Forthcoming Fire“ und „VonThronstahl“ sollen auch „Cawatana“,„Near Death Experience“, „PTT“, „RoseRovine E Amanti“, „1979“, „Anonkrata“,„Belborn“ und „Tyr-Kreis“ dort auftre-ten. Symanek war bis in die 90er für dasneofaschistische Monatsblatt „Unabhän-gige Nachrichten“ tätig. Die neuesteAusgabe des „VAWS-Report“ wirbt u.a.für das Buch „SPD – eine kriminelle Or-ganisation?“, das vom „VAWS-Presse-büro West“ erstellt wurde. hma ■

Verfahren gegen NPD-Plakat eingestellt Berlin. Die Staatsanwaltschaft Berlinhat das Verfahren wegen des Plakates„Gute Heimreise“ eingestellt. Nachdemdie Bremer Staatsanwaltschaft gegen un-bekannte Plakatkleber ein Verfahren ein-geleitet hat und die Polizei veranlasste,bereits gehängte Plakate abzunehmen,wurde das Verfahren gegen den Partei-vorstand der NPD an die dafür zuständi-ge Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben.Die entschied auf Einstellung. Grund zurFreude auf Seiten der NPD. Deren Pres-sesprecher Klaus Beier erklärte: DieNPD werde sich auch von einem Staats-anwalt nicht davon abhalten lassen, bren-nende politische Probleme öffentlich an-zusprechen. Man wolle jetzt nachdru-cken. ■

Keine Konkurrenz-Kandida-tur geplantNPD und DVU wollen sich bei Land-tagswahlen am 19. September in Sachsenund Brandenburg gegenseitig keine Kon-kurrenz machen. „Die Vorstände emp-

:antifaschistische nachrichten 13-2004 3

Länderübersicht: REP NPD ödp PBC CM BüSo Deutschland DP

Bundesland 2004 % 2004 % 2004 % 2004 % 2004 % 2004 % 2004 % 2004 %

1 Schleswig-Holstein

3.962 0,5 4.206 0,5 1.131 0,1 2.152 0,3 923 0,1 525 0,1 2.380 0,3 1.499 0,2

2 Hamburg 1.597 0,4 1.836 0,4 669 0,2 1.025 0,2 252 0,1 314 0,1 1.214 0,3 673 0,2 3 Niedersachsen 21.974 0,9 17.201 0,7 3.400 0,1 7.819 0,3 3.039 0,1 1.349 0,1 9.370 0,4 6.123 0,3 4 Bremen 1.582 0,9 1.484 0,8 222 0,1 766 0,4 169 0,1 121 0,1 941 0,5 850 0,5 5 Nordrhein-

Westfalen 62.811 1,2 31.600 0,6 10.056 0,2 13.724 0,3 7.726 0,1 3.099 0,1 22.098 0,4 10.548 0,2

6 Hessen 36.901 2,3 13.061 0,8 3.478 0,2 6.412 0,4 3.402 0,2 1.190 0,1 8.236 0,5 6.230 0,4 7 Rheinland-

Pfalz 45.928 2,7 12.674 0,7 5.951 0,4 6.269 0,4 2.991 0,2 890 0,1 9.870 0,6 3.731 0,2

8 Baden-Württemberg

108.602 2,8 21.764 0,6 21.882 0,6 28.434 0,7 7.925 0,2 1.802 0,1 23.867 0,6 7.117 0,2

9 Bayern 81.647 2,3 20.173 0,6 87.806 2,4 11.081 0,3 7.249 0,2 2.312 0,1 15.525 0,4 6.562 0,2 10 Saarland 5.498 1,3 7.311 1,7 676 0,2 469 0,1 972 0,2 246 0,1 1.915 0,4 1.117 0,3 11 Berlin 12.638 1,4 8.504 0,9 1.936 0,2 2.201 0,2 1.051 0,1 1.117 0,1 4.220 0,5 2.528 0,3 12 Brandenburg 7.229 1,3 9.932 1,8 1.296 0,2 1.584 0,3 1.296 0,2 963 0,2 3.854 0,7 1.816 0,3 13 Mecklenburg-

Vorpommern 6.250 1,0 10.463 1,7 671 0,1 1.488 0,3 644 0,1 698 0,1 4.962 0,8 1.265 0,2

14 Sachsen 52.843 3,4 50.955 3,3 2.624 0,2 11.053 0,7 5.082 0,3 3.374 0,2 12.299 0,8 5.166 0,3 15 Sachsen-

Anhalt 13.532 1,7 13.116 1,6 1.789 0,2 2.256 0,3 2.168 0,3 1.903 0,2 5.743 0,7 3.846 0,5

16 Thüringen 22.697 2,2 17.398 1,7 1.892 0,2 1.910 0,2 1.199 0,1 2.106 0,2 8.422 0,8 2.883 0,3 99 Bundesgebiet 485.691 1,9 241.678 0,9 145.479 0,6 98.643 0,4 46.088 0,2 22.009 0,1 134.916 0,5 61.954 0,2

Fortsetzung von Seite 1PDS-Landesvorsitzende Cornelia

Ernst spricht von einer „Katastrophe“.CDU-Generalsekretär Hermann Wink-ler sagte, Populisten hätten die schwie-rige wirtschaftliche und soziale Lagenutzen können. SPD-LandeschefinConstanze Krehl fordert ein „Bündnisaller demokratischen Parteien“.

Regionale Initiativen, die mit derSzene vertraut sind, zeigen sich weitweniger überrascht. Die Zahlen seien„bestürzend in ihrer Höhe“, aber kämen„nicht aus der hohlen Hand“, sagt IngoStange vom „Netzwerk für Demokra-tie“ in Wurzen. Nach vorübergehendemAbflauen rechtsextremer Aktivitätenwährend des „Aufstands der Anständi-gen“ steige die Zahl der Gewalttatenwieder an. Örtliche Skinhead-Bands la-den zu Konzerten; eine Mahnwache ge-gen „Repression nationaler Jugend-licher“ fand regen Zuspruch. ÖrtlichePolitiker wollen derlei Indizien jedochnicht wahrhaben, klagt Stange: „Eswurde nichts dagegen gesetzt.“

Während Demokratiebündnisse ver-gebens auf Hilfe aus Rathäusern undMinisterien warten, bauen Rechtsextre-me geschickt Bastionen aus. Die An-siedlung des NPD-Verlages „DeutscheStimme“ in Riesa zeigt ebenso Wir-kung wie teils emsige Jugendarbeit. Sobaute der bislang einzige ChemnitzerRepublikaner-Stadtrat eine völkischeBurschenschaft an einer Schule auf.Fast unbemerkt holte er auch einenNPD-Mann ins Boot. In Dresden bün-delten die Rechtsextremen ihre Kräfte.Zudem wird auf charismatisches Perso-nal wie den Fahrlehrer Uwe Leichsen-

ring gesetzt, unter dessen Führung dieNPD in Königstein von elf auf 21 Pro-zent zulegte.

Auftrieb habe die NPD auch durchdilettantische Versuche erhalten, ihr ju-ristisch Einhalt zu gebieten, meint An-dré Hahn, PDS-Politiker aus der Säch-sischen Schweiz. Nach dem Scheiterndes bundesweiten Verbotsverfahrensund »lächerlich geringen Strafen« imProzess gegen die regionale Nazi-Ka-meradschaft SSS hätten führende Köp-fe öffentlich zum »Sturm auf die Ra-thäuser« geblasen. Das Wahlgesetz wardabei hilfreich: Weil die NPD bereitsüber einen Sitz im Pirnaer Kreistag ver-fügte, konnte sie diesmal flächende-ckend antreten, ohne erneut Unter-schriften sammeln zu müssen.

Für Ernüchterung sorgt die Einsicht,dass bisherige Aktivitäten gegen Rechts»offenbar in dieser Form nicht ausrei-chen«, wie Hahn sagt. Zwar mühensich Gruppen wie die Pirnaer »AktionZivilcourage« oder verschiedene Netz-werke um eine Stärkung der Zivilge-sellschaft sowie alternative Kultur- undPolitikangebote. Doch die mühseligeArbeit etwa von »Mobilen Beratungs-teams« wird durch Rat- und Hilflosig-keit in vielen Rathäusern konterkariert.Eine offene Auseinandersetzung mitbekannten Rechtsextremen findet oftnicht statt, sagt ein Kenner der Szene.Diese fühlen sich nun offensichtlich er-mutigt. In Reinhardsdorf hatte derKlempnermeister zuletzt für die»Freien Wähler« kandidiert. Diesmalbekannte er sich offen zur NPD.

Hendrik Lasch, DresdenND 16.6.04 ■

Die Wahler-gebnisse derneofaschisti-schen bzw.zum rechtenSpektrum zu zählenden Parteien beider Europa-wahl am 13. Juni2004

ZusammenstellungVVN-BdA Kaisers-lautern

Wahlkampfkostenerstattung bei Europawahlen schon ab 0,5 % Leider war die Annahme in den letzten AN, nur die REP würden wohl Wahlkampfkostenerstattung erhalten, falsch. Ab 05,% gibt es Geld –viel Geld, das erneut in rassistische Hetze investiert werden kann.

Kommunalwahl in Sachsen:Bei der Gemeinderatswahl im sächsischen Reinhardsdorf-Schöna bekam die NPD 25,4, bei den Stadtratswahlen inKönigstein 21,1 Prozent. Hohe Werte erreichte die NPDauch bei der Kreistagswahl in der Sächsischen Schweiz(13,4), in Wurzen (11,8), bei der Stadtratswahl Meißen(9,6), in Annaberg und in Riesa (jeweils 9,0). In Chemnitzbekamen die Republikaner 10,3 Prozent. Das „NationaleBündnis Dresden“ aus Republikanern, NPD, DVU und„Deutsche Partei“ konnte 4,1 Prozent verbuchen. Landtagswahl in ThüringenDie REP konnten mit 2,0 Prozent (19 831 Stimmen) und dieNPD mit 1,5 Prozent (15 697 Stimmen) aufwarten. ImWahlkreis Rudolstadt II erreichten sie zusammen 5,6 Pro-zent (REP 3,2%, NPD 2,4%). Ihr bestes Resultat erzielte dieNPD mit 4 Prozent im Kyffhäuserkreis I mit 4 Prozent (dort 1Prozent für die REP). Überdurchschnittlich schnitt die NPDab in folgenden Wahlkreisen: Saalfeld-Rudolstadt I, II undIII (2,8%, 2,4% und 2,4%) sowie Eichsfeld I und Saale-Orla-Kreis II (je 2,1%). Der sich „in desolater Lage“ (Thürin-ger Verfassungsschutz) befindliche Landesverband der REPholte ebenso verschiedentlich respektable Wahlkreisergeb-nisse: Gotha II (3,1%), Weimarer Land (3,0%), Weimar(2,9%), Erfurt I (2,7%), Altenburger Land I und II (2,7,2,4%), Sömmerda I/Gotha III sowie Greiz III (je 2,5%).Kommunalwahl in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, im Saarland und in Rheinland-Pfalz:Die NPD errang in Mecklenburg-Vorpommern zehn Man-date (je zwei Sitze im Kreistag Ludwigslust, Kreistag Ost-vorpommern und in Stralsund; jeweils ein Sitz im KreistagMüritz sowie in Ludwigslust, Anklam und Teldau). Ihr bestesEinzelergebnis erzielte sie in Anklam (Ostvorpommern) mit9,8 Prozent. Sieben Kommunalmandate holte die NPD inSachsen-Anhalt (Burgenlandkreis, Halle, Quedlinburg,Halberstadt, Sangerhausen, Aschersleben-Staßfurt). Erfolghatte die NPD auch im Saarland. Mit 9,6 Prozent und fünfMandaten zieht sie in den Stadtrat von Völklingen ein; zweiSitze stellt sie im Ortsrat Völklingen Mitte, ferner zwei Be-zirksratssitze in Saarbrücken. Für die Republikaner gab esein Comeback in Rheinland-Pfalz. Sie werden künftig indrei Kreistagen und in fünf Parlamenten der kreisfreienStädte vertreten sein, u.a. in Speyer, Mainz, Frankenthalund Bad Dürkheim. Im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen be-kam die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) 6,1Prozent.

:antifaschistische nachrichten 13-20044

fehlen den nationalen Wählern, in Bran-denburg der DVU und in Sachsen derNPD ihre Stimme zu geben“, heißt es ineiner gemeinsamen Erklärung der Partei-chefs Gerhard Frey und Udo Voigt. InBrandenburg hatte die DVU bei derLandtagswahl 1999 5,3 Prozent derStimmen geholt und war mit fünf Man-daten ins Parlament eingezogen. In Sach-sen rechnet sich die NPD Chancen aufden Einzug in den Landtag aus, nachdemsie bei der Europawahl am 13. Juni auf3,3 Prozent gekommen war. Dies könneaber nicht gelingen, „wenn wieder dreioder vier nationale Konkurrenten antre-ten“, erklärte Voigt. Seine Partei will diebereits erfolgte Meldung zur Branden-burg-Wahl nun zurückziehen.

Quelle: bnr 13 – ts ■

NPD-Konzert geplant

Gera. Für den 10. Juli 2004 hat dieNPD(?) – Anmeldestatus ist noch unklar,erneut ein Nazi-Skin-Konzert mit politi-scher Umrahmung im Park der Jugendangemeldet.Aus diesem Grund hat sichder „Runde Tisch der Stadt Gera am14.6.04 zu einer außerordentlichen Bera-tung getroffen.Hier wurde zum Umgangmit dieser Anmeldung Folgendes verab-redet: es werden zwei dezentrale Veran-staltungen organisiert und durchgeführt,gemeinsam mit den Bewohnern desAsylbewerberheimes eine „Bürgerbe-gegnung“, ein Familiennachmittag, so-wie ein Kultur- u. Musikbasar auf demMuseumsplatz (Eventfläche vor demKuK). Hierzu sind alle aufgerufen, sichin diese Veranstaltungen mit einzubrin-gen, d.h. Vorschläge und eigene Aktivitä-ten sind gefragt, um diesem Anliegen ge-recht zu werden. Unter dem Motto. „Dasist unsere Stadt – bunt und tolerant!“wollen wir ein buntes Treiben auf demMuseumsplatz organisieren, das alle Ge-rarerInnen dazu einlädt.

Nachfragen unter Tel.0365/4364354oder 0174/9425602, Peter Lückmann

i.A. des Runden Tisch....Gera e- mail: [email protected]

„Gotha bleibt bunt!“

Gotha. „Wir werden sie nicht los, diebraunen Geister. Nicht durch totschwei-gen und wegschauen. Sie sind im Land-kreis aktiv und machen sich immer wie-der lautstark bemerkbar. Auch in diesemJahr wollen die Ewiggestrigen wiederdurch Gotha marschieren. Sie wollenGotha zur „national befreiten Zone“ ma-chen und fühlen sich mit ihrer Fremden-feindlichkeit und ihrem Rassismus alsMeinungsführer in unserer Stadt.

Wir – ein breites Bündnis der demo-kratischen Kräfte in Stadt und LandkreisGotha – wollen diesem Spuk endlich einEnde bereiten.“ So der Aufruf des Bünd-nisses „Gotha bleibt bunt“. Mit einer Ak-

tionsmeile in der Gothaer Innenstadt willdas Bündnis mit Musik und kulturellenAngeboten zeigen, dass die Gothaer Bür-gerinnen und Bürger sich gegen Ras-sismus und Rechtsextremismus zur Wehrsetzt.Samstag, den 3.7.04„Aktionsmeile“ zwischen der Augusti-

nerkirche und der Margaretenkirche inGotha ab 14 Uhr Musik, Diskussion, In-fostände.17.00 Uhr Demonstration gegen Ras-sismus und Rechtsextremismus „Gothableibt bunt!“ symbolisches „Straße keh-ren“ Treffpunkt 16.45 Uhr Myconius-platz

Andreas Mölzer für FPÖ imEuropaparlament Andreas Mölzer (Jg. 1952), einstigerChefideologe der FPÖ, vertritt künftigals einziger Abgeordneter die FPÖ inBrüssel. Geführt wurde Mölzers Vor-zugsstimmen-Kampagne, die sich aufdie „Kernschichten“ der FPÖ, darunterdeutschnationale Burschenschaften, kon-zentrierte, unter dem Slogan „Für dieRechte der deutschen Altösterreicher inder EU!“. Unterstützung fand der Bur-schenschafter (Akademisches CorpsVandalia zu Graz) vom Komitee „Andre-as Mölzer – ein österreichischer Patriotfür Europa“, das unter anderem vonEwald Stadler (Unterstützer der rechts-klerikalen Priesterbruderschaft St. PiusX.), John Gudenus (Mitherausgeber von„Zur Zeit“, Interviewpartner der „Natio-nal-Zeitung“) und Robert Prantner (Re-ferent bei der zwischenzeitlich aufgelös-ten Polit-Psycho-Sekte VPM und demrechtsextremen Kulturwerk Österreich)angeführt wurde. Publizistische Unter-stützung boten extrem rechte Blätter wie„Der Eckart“ (Untertitel: „So weit diedeutsche Sprache reicht“), die Zeitschriftder Österreichischen Landsmannschaft.Dort konnte Mölzer seine europapoliti-schen Vorstellungen in Form von Inter-views zum Besten geben. Mölzer: „DerWeg zu einem europäischen Bundesstaatmit einem ethnisch-kulturellen Schmelz-tiegel der Völker, in dem die nationalenIdentitäten, die Völker und Volksgrup-pen aufgehen, ist im Grunde eine Horror-vision.“ Die Zuwanderung nach Europa,das bei Mölzer dort endet, „wo das alteHeilige Römische Reich Deutscher Na-tion mit seiner Strahlkraft hingereichthat“, habe seiner Auffassung nach„längst alle erträglichen Grenzen über-schritten“: „Hier hat sich eine nicht inte-grationswillige und nicht integrationsfä-hige Zuwandererbevölkerung ergeben,die eindeutig ein kultureller und ethni-scher Fremdkörper ist.“

In rechtsextremen Kreisen ist Mölzerseit Jahrzehnten hinlänglich bekannt undgeschätzt. Sei es als Referent beim Kul-turwerk Österreich, bei der Gesellschaft

für freie Publizistik, der Sommeruniver-sität der „Jungen Freiheit“, dem VereinDie Deutschen Konservativen, den Re-publikanern oder beim „SüddeutschenForum“. Ebenso wirkte Mölzer als Autorin rechtsextremen Blättern wie unter an-derem der „Jungen Freiheit“, den „Deut-schen Monatsheften“ oder im „Report“des Nationaldemokratischen Hochschul-bunds und griff für den Hohenrain-Ver-lag sowie den Druffel-Verlag zur Feder.

Anton Maegerle, www.bnr.de ■

Naziaufmarsch in Gladen-bachGladenbach. Die Neonazis vom Ak-tionsbündnis Mittelhessen wollen am 17.Juli wieder einmal durch Gladenbachmarschieren. Abmarsch ist um 12 Uhr,sie wollen sich jedoch aus „Sicherheits-gründen“ um 10 Uhr an verschiedenenVorabtreffs sammeln und in Kolonne indie Gladenbacher Innenstadt fahren.Zeitgleich findet auch in Eisenach –ebenfalls in Rahmen der KampagneAgenda 2010 am 17. Juli – Auftakt 12Uhr Marktplatz – ein Aufmarsch statt. ■

NPD-Pressefest

Das diesjährige Pressefest der NPD sollam 7. August stattfinden. Als Rednersind Nikolaj Skorodumov, HerbertSchweiger, Hajo Herrmann, ProfessorKlaus Sojka, Gerhoch Reisegger undUdo Voigt vorgesehen, spielen sollenFrank Rennicke, Jörg Hähnel, Marko(Sleipnir), Michael Müller sowie dieGruppen Kraftschlag, Youngland (USA)und Radikahl. gammanews ■

Ehrung für den Kantor KurtThomas verworfenFrankfurt. Der Aufruf einer Initiativezur Verhinderung jeder öffentlichen Eh-rung für Kurt Thomas hat nach fastsechswöchiger Debatte einen bemer-kenswerten Erfolg erzielt: eine linkeMehrheit der Stadtverordneten (SPD,Grüne, PDS, Ökolinx, Europaliste undFAG) beschloss, Kurt Thomas in Frank-furt nicht öffentlich zu ehren. Für die Eh-rung von Kurt Thomas setzen sich CDU,FDP, BFF und Republikaner ein. DerAufruf, unterschrieben von den führen-den RepräsentantInnen der evangeli-schen Kirche in Frankfurt, dem DGB-Regionsvorsitzenden, den SprecherInnender Anti-Nazi-Koordination, der Autono-men Antifa [f] und einer größeren Zahlvon Einzelpersönlichkeiten hatte eineDebatte in Gang gesetzt, die in letzterStunde die für den 16. Mai vorgesehenEhrung des ehemaligen Leiters des Mu-sischen Gymnasiums Frankfurt verhin-dert hatte.

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:antifaschistische nachrichten 13-2004 5

Am Freitag, den 11. Juni 2004,wollten sich die Nazis auf Ein-ladung von NPD und DVU in

der Gaststätte „Rheingold“ im Textil-viertel zu einer Europa-Wahlkampf-Veranstaltung treffen. Nachdem Anti-faschistInnen im Vorfeld mit Anwoh-nern und der Wirtin gesprochen hat-ten, blieb die Gaststätte an diesemTag geschlossen.

Außerdem trafen sich rund 100 Antifa-schistInnen gegen 18 Uhr vor dem„Rheingold“, um eventuell trotzdem an-reisende FaschistInnen gebührend zu be-

grüßen. Diese hatten ebenfalls ein Emp-fangskomitee geschickt: unter anderemWolfgang Teufel (NPD-VorsitzenderAugsburg ) und Roland Wuttke (Nationa-le Opposition, Demokratie Direkt Mün-chen mit Kontakten zur sog. „Kamerad-schaft Süd“ um den RechtsterroristenMartin Wiese), die sich mit den anwesen-den Polizeikräften freundlich unterhieltenund „quasi nebenbei“ ankommende Fa-schistInnen weiter schickten zur einschlä-gig bekannten Gaststätte „Waldhorn“ inGöggingen.

Die GegendemonstrantInnen sammel-ten sich daraufhin an einem zuvor beimOrdnungsamt angemeldeten Info-Tischvor der City-Galerie und informierten dieEinkaufenden zum Thema Rechtsradika-lismus. Danach fuhren noch rund 80 Anti-faschistInnen nach Göggingen, um dieVersammlung der Rechtsradikalen zu stö-ren. Als ein Transparent mit der Aufschrift„Stoppt den rechten Terror – gegen denRassismus der Parlamente, der Amtsstu-ben, der Gerichtssäle und der Straßen“entrollt wurde, nahm die Polizei insge-samt acht DemonstrantInnen brutal fest.Die AntifaschistInnen wurden zu Bodengeworfen und dort zum Teil Minuten langmit dem Gesicht auf dem Asphalt festge-halten. Anschließend wurden sie – ob-wohl sie keinen Widerstand leisteten – mitHandschellen eng gefesselt und ins Poli-zeipräsidium verbracht. Nach Einschal-tung eines Rechtsbeistandes wurden dievorwiegend jungen Menschen nach 23Uhr wieder in die Freiheit entlassen.

Aktion gegen NPD-Treffenam 11. Juni in Augsburg

Wir werten unsere Aktion trotz dersinnlosen und völlig überzogenen Fest-nahmen als Erfolg. Es gibt in Augsburgimmer noch viele Menschen, die es nichtzulassen, dass die geistigen Erben desDritten Reiches sich in öffentlichen Räu-men treffen und ihre braune Propagandaunters Volk bringen.

Wie werden weiterhin jedes Treffender Nazis öffentlich machen und zu ver-

hindern suchen. Auch wenn die Staatsge-walt offenbar weniger Probleme mitRechtsradikalen als mit AntifaschistIn-nen hat: Wir lassen uns nicht entmutigenund werden unseren Teil dazu beitragen,dass die braune Saat nicht aufgeht.

Für die Einstellung aller Verfahren ge-gen AntifaschistInnen im Zusammen-hang mit der Aktion am 11. Juni 2004!

a.l.d.e.n.t.e – autonome gruppe mitbiss Augsburg ■

Polizeischutz für Nazis?

Mit einem Offenen Brief hat Anni Pröllvon der VVN-BdA Augsburg gegen dasVorgehen der Polizei protestiert. DemBrief lag der obige Bericht von Antifa-schistInnen, die AZ-Berichte vom 12.und 14.6.2004 und ein Augenzeugenbe-richt bei. Dieser Augenzeugenbericht be-schreibt die Polizeiübergriffe und fasstzum Schluss zusammen: „Wir finden esauf jeden Fall sehr interessant, dass mansich in unserem ,demokratischen‘ Sys-tem wie ein verfolgter Schwerverbrechervorkommen muss, wenn man offen ge-gen Faschisten seine Meinung vertritt,während diese unter Polizeischutz ihreNazipropaganda offen kundtun können.Interessant wäre auch, warum die Augs-burger Allgemeine sich so auf die Seiteder Polizei und der Nazis stellt, in ihrenArtikeln sind immer nur die Antifaschis-tInnen die ,Gefährlichen‘, vor denen manandere schützen muss. Sollte dies abernicht vor allem in Deutschland genau an-ders herum sein?!?“

Weitere Bilder, Dokumentation und Kommentare in www.forumaugsburg.de ■

Stolpersteine – ein Münchner TrauerspielDie Aktion „Stolpersteine“ hat in München erhebliche Unruhe ausgelöst. Grund dafür ist in ersterLinie wohl nicht die problematische Frage, ob diese Art des Gedenkens angemessen ist. Wäre dieFrage so grundsätzlich, hätte sich die Diskussion nicht erst in München so verschärft, nachdem in

anderen Städten viele Hundert solcher Steine unter großer und positiver Anteilnahme verlegt worden sind.Warum hat es in München zum Eklat kommen müssen? Stadträtin Wolf von der PDS deutete in ihrem De-battenbeitrag in der Stadtratsvollversammlung einen möglichen Grund an: Der Ältestenrat des Stadtrateshatte versucht, die Frage unter Umgehung einer breiten öffentlichen Diskussion wegzuschieben. Noch inder Vollversammlung sperrte sich OB Ude gegen den Antrag der Grünen, der darauf hinauslief, eine Dis-kussions- und Denkpause einzulegen, mit der Bemerkung, es würden keine neuen Argumente kommen. Wo-her will der Oberbürgermeister wissen, was das Resultat einer Diskussion zwischen Schülern des Luisen-gymnasiums und Repräsentanten der Israelitischen Kultusgemeinde sein würde? So macht man Fehler. DerMehrheitsbeschluss des Stadtrats hat aus einer diskutablen Meinung einen Verwaltungsakt gemacht unddamit erschwerte Bedingungen für die nötige und immer noch mögliche Diskussion gesetzt. maf ■

Anzeige in der Süddeutschen Zeitung:Stolpersteine vom Stadtrat verboten und herausgerissen !!!

In der Süddeutschen Zeitung Anfang kommender Woche wird eine halbseitige Anzeige (siehe unten!) er-scheinen. Zusätzlich könnten persönlich gehaltene Briefe an den Oberbürgermeister (mit Abdruck an dieSüddeutsche Zeitung und an: Stolpersteine München, Postfach 260203, 80059 München) hilfreich sein.Text der Anzeige: „Wir sind bestürzt über den Beschluss des Münchner Stadtrates vom 16. Juni 2004 ge-gen die Verlegung von Stolpersteinen in München zum Gedenken an die Ermordeten des Naziregimes unddie unmittelbar darauf erfolgte Eliminierung der Gedenksteine für Paula und Siegfried Jordan in der Mau-erkircherstraße. Wir empfinden das Vorgehen der Stadtverwaltung als Schändung der persönlichen Ge-denkstätte und versichern Peter Jordan und Ursula Gebhardt, dem Sohn und der Nichte der Ermordeten, un-ser Mitgefühl. Den Schülerinnen und Schülern des Luisengymnasiums, die die Verlegung der Gedenksteineinitiiert hatten, danken wir für ihre couragierte Patenschaft. Wir sind empört, dass der Stadtrat eine Ent-scheidung getroffen hat, ohne Peter Jordan, Ursula Gebhardt, den Kreis der Paten, andere Interessierte, be-troffene Bürger und den Künstler Gunter Demnig angehört zu haben.Mit seinem Beschluss hat der Münchner Stadtrat für uns an moralisch-politischer Glaubwürdigkeit verloren.

Judith Bernstein, Dr. Reiner Bernstein, Ioana Cisek, Sammy Golde,Ernst Grube, Werner Grube, Peter Hess, Hanne Hiob,Wolfram Kastner, Walburga Rempe-Baldin,

Heinrich Rosenfeld, Günter Wangerin, Peter Weismann“

:antifaschistische nachrichten 13-20046

Die Auseinandersetzung über die Be-nennung des künftigen Frankfurter„Haus der Chöre“ nach einem in der Zeitdes Faschismus aus Frankfurt vertriebe-nen jüdischen Musiker wird weiterge-hen. Die Unterzeichner des genanntenAufrufs hatten gefordert, dieses Hausnach dem ehemaligen Frankfurter Chor-leiter Dr. Nathan Ehrenreich zu benen-nen.

Anti-Nazi-Koordination Frankfurt,18.6.04 ■

Ex-SS-Mann bleibt frei

Leipzig. Der Bundesgerichtshof in Leip-zig hat das Verfahren gegen den ehemali-gen SS-Offizier Friedrich Engel einge-stellt. Der 95-Jährige war im Juli 2002vom Hamburger Landgericht wegenMordes zu sieben Jahren Gefängnis ver-urteilt worden. Dagegen hatte Engelselbst als auch die StaatsanwaltschaftRevision eingelegt. Der BGH entschied,dass Engel zwar für das Massaker an 59italienischen Gefangenen strafrechtlichverantwortlich war, das MordmerkmalGrausamkeit sei jedoch nicht ausrei-chend nachgewiesen worden. Aufgrunddes hohen Alters wurde das Verfahrennicht rückverwiesen sondern eingestellt. Engel war 1999 in Abwesenheit von ei-nem italienischen Gericht wegen 264-fa-chen Mordes zu lebenslanger Haft verur-teilt worden und lebt seit Kriegsendeweitgehend unbehelligt in Hamburg.

Quelle: FR 26.6.04 - u.b. ■

Steine gegen das VergessenDüsseldorf. Am Wochenende 26./27.Juni wird der Kölner Künstler GunterDemnig in Düsseldorf weitere „Stolper-steine“ setzen, die an von den Nazis er-mordete DüsseldorferInnen erinnern sol-len. Unter ihnen sind diesmal auch zahl-reiche antifaschistische Widerstands-kämpferInnen, darunter Rudolf Hennig.Rudolf Hennig, geb. am 11.3.1895 inDanzig, war Zimmerer und Vorsitzenderdes Verbandes der Zimmerer. Er warStadtverordneter der KPD und währendzweier Legislaturperioden Reichstagsab-geordneter der KPD. Im Juni 1933 wurdeer verhaftet und in die Untersuchungs-haftanstalt Essen verbracht, im August1934 nach Berlin überstellt. Am 26. No-vember 1934 wurde er wegen Vorberei-tung zum Hochverrat vom „Volksge-richtshof“ in Berlin zu zwei Jahren Ge-fängnis verurteilt. Nach Absitzen derStrafe im Strafgefängnis Berlin-Plötzen-see wurde „Schutzhaft“ angeordnet.Hennig kam ins KZ Esterwegen, 1937dann ins KZ Sachsenhausen.

Auf Anfrage seiner Ehefrau Mariateilte die Lagerkommandatur am 24. No-vember 1944 mit, „dass ihr Mann am11.10.1944 im hiesigen Lager wegen

versuchter Meuterei und Aufwiegelungerschossen wurde...“.Damit endete das11 1/2jährige Martyrium des RudolfHennig.

Die VVN-BdA Düsseldorf will sichauch dafür einsetzen, dass eine Straßeoder ein Platz nach Rudolf Hennig be-nannt wird. Nach PM Jürgen Schuh

VVN-BdA Düsseldorf ■

Mahnmal zerstört

Wildeshausen. Nachdem in der Nachtzum 19. Juni das Mahnmal zur Erinne-rung an die 1938 zerstörte Synagoge inWildeshausen aus der Verankerung ge-rissen und zerbrochen wurde, vermutetedie hiesige Monopolpresse Nordwest-Zeitung die Täter im Familienkreis. Alsoim jugendlich besoffenen Vandalentum.Mithin sei die Tat zwar zu verurteilen,aber auch bitteschön von wegen Neona-zis und so nicht unnötig überzubewerten.

Auch die Wildeshausener Polizei hatteeinen politischen Hintergrund der Tat zu-nächst für unwahrscheinlich gehalten.Nachdem nun aber 5 Tage später NPD-Aufkleber, die in der Tatnacht und kurzdavor an der zerbrochenen Granit-Steleangebracht worden waren und bisher of-fensichtlich nicht offen sichtbar warenund wie durch ein Wunder der ermitteln-den Polizei plötzlich ins Auge sprangen,hat jetzt das zuständige vierte Fachkom-missariat (Staatschutz) in Delmenhorstdie Ermittlungen an sich gezogen.

Auch der Verwaltungsausschuss derStadt Wildeshausen hat jetzt eine Beloh-nung von 2000 Euro für die Ergreifungdes oder der Täter ausgesetzt. Zudemsoll die Granit-Stele repariert bzw. durcheine neue ersetzt werden.

Im Inneren der nun zerstörten Stelehatte der Künstler Carsten Bruhns denSatz eingemeißelt: „Und wir alle standenda und schauten zu...“. d.h. ■

Staatsanwaltschaft Aachenwill keine Computer

Aachen. Nachdem in der Vergangenheitdie Aachener Staatsanwaltschaft dadurchauffiel, einerseits ihre Überlastung zu be-

klagen und andererseits mit skurrilstenBegründungen (z.B. „Beihilfe zur Belei-digung“) Hausdurchsuchungen, erken-nungsdienstliche Behandlungen, mas-senhafte ZeugInnenvorladungen und PC-Beschlagnahmungen durchführen zu las-sen – nach Anzeigen durch Neonazis ausNPD und Kameradschaft Aachener Land(KAL), welche sich durch eine antifa-schistische Kaffeefahrt beleidigt fühlten– erklärte der leitende Oberstaatsanwalt-schaft bei der heutigen Aktion, er wollezumindest die zu trojanischen Pferdenumgebauten PCs gar nicht haben.

Am Mittwoch, 23. Juni um 17 Uhr tra-fen sich mehrere AktivistInnen vor derStaatsanwaltschaft in Aachen, um gegendie Repression und diese Art des Zu-sammenspiels von Staatsanwaltschaftund Neonazis zu protestieren. Aus altenComputerteilen wurden drei „trojanischePferde“ zusammengebastelt, um die Gierder Behörde nach Computern und ande-ren Informationen über „linke“ Aktivis-tInnen zu symbolisieren.

Das „Kunstwerk“ wurde der Staatsan-waltschaft Aachen geschenkt, was derOberstaatsanwalt höchstpersönlich ab-lehnte.

In einem Redebeitrag wurde verdeut-licht, wie Neonazis über Strafanzeigengegen ihre Gegner – wegen häufig lä-cherlichen Vorwürfe (wie z.B. Beleidi-gung) - an Informationen wie Adressen,Bilder und Strukturen kommen. Bei die-sem Spiel hat die Staatsanwaltschaft im-mer fleißig mitgespielt, trotz angeblicherÜberlastung. So ließ sie im letzten Jahrmehrere Hausdurchsuchungen durchfüh-ren, PCs beschlagnahmen und auch ei-ne erkennungsdienstliche Behandlungdurchführen, weil Kunkel (NPD, ausStolberg) und die Büttgenbrüder (KAL,aus Düren) Anzeigen gegen die angeb-lich Beteiligten einer antifaschistischenKaffeefahrt, bei denen die Nazis in ihrerNachbarschaft als solche bekannt ge-macht worden waren, gestellt hatten. Beieinem Zivilprozess gegen den Sprechereiner antifaschistischen Bürgerinitiative

in Eschweiler wurde übri-gens aufgrund offensicht-licher Falschaussagen undteilweisen Rücknahmenvon vorherigen Aussageninzwischen gegen die Nazisentschieden.

Wir fordern:● Einstellung jeglicher Zu-sammenarbeit der Strafver-folgungsbehörden mit Neo-nazis ● Einstellung aller politi-schen Verfahren gegenAntifaschistInnen undKriegsgegnerInnen!

● Kriminalisierung linker politischer Be-tätigung beenden! s.p.u.n.k.

http://www.projekt.antifa.net ■

:antifaschistische nachrichten 13-2004 7

Erneut mehr rechtsextremeStraf- und Gewalttaten

Berlin. Im April 2004 wurden vomInnenministerium bundesweit 687 poli-tisch rechts motivierte Straftaten regis-triert - darunter 44 Gewalttaten mit 45Verletzten. Das geht aus der Antwort desBundesministeriums des Innern auf dieschriftliche Standard-Frage der Abgeord-neten Petra Pau (PDS) hervor. Die Zah-len gelten als vorläufig.Die erfasstenStraftaten im 3-Monats-vergleich: Fe-bruar 587; März 679; April 687.Dem-nach gab es im statistischen Schnitt täg-lich 1 1/2 Gewalt- und stündlich einerechtsextreme Straftat. Die vollständigeAntwort ist über das Abgeordnetenbürovon Petra Pau erhältlich.

Email: [email protected]

1. August – Demonstrationgegen FaschismusLuzern/Schweiz. Im Kalender derrechtsextremen Szene hat der 1. Augustseinen festen Platz. Die Neonazis und Na-tionalistInnen – von der Partei NationalOrientierter Schweizer (PNOS) über dieHammerskins bis zu Patriot.ch – benutzenden Nationalfeiertag, um medienwirksamauf dem Rütli aufzumarschieren und inReden ihre menschenverachtende und ras-sistische Ideologie kundzutun. Hatte derAuftritt der Neonazis im Jahr 2000 nochhohe Wellen geworfen, so schien sich2003 kaum noch jemanddaran zu stören. ImGegenteil: Im vergange-nen Jahr wurden sie teilssogar als „wahre Patrio-ten“ gefeiert. Die Medien-berichte blieben seltsamzahm bis unkritisch. DieBehörden ihrerseits ge-währten den Rechtsextre-mistInnen Polizeischutz,als diese im Anschluss anihr Gastspiel auf dem Rüt-li durch Brunnen defilier-ten. Bedeutend härter an-gefasst wurden couragierte Gegendemon-strantInnen: Sie mussten mit Kontrollenoder Festnahmen rechnen.

Rütli-Aufmärsche sind keine Einzel-fälle. Immer häufiger und selbstbewus-ster nehmen sich die Fascho-Organisa-tionen - insbesondere die PNOS – dieStraße. Zuletzt am 1. Mai, als die PNOSden ArbeiterInnenkampftag kurzerhandin einen „Tag der Eidgenössischen Ar-beit“ zu verwandeln suchte. Um die 150„KameradInnen“ – allesamt über ge-schlossene Strukturen mobilisiert – ga-ben sich in Langenthal ein Stelldichein.

Das Erstarken der rechtsextremen Be-wegung erstaunt nicht. Das angeheiztepolitische Klima in der Schweiz ist eintrefflicher Nährboden für die Neonazis:

Die Schweizerische Volkspartei (SVP)etwa betreibt mit Initiativen, Kampagnenoder Vorstößen im Parlament seit JahrenHetze gegen AusländerInnen und Flücht-linge – jüngst startete die Partei eine In-itiative für Einbürgerungen an der Urne.An der „Festung Schweiz“ wird kontinu-ierlich gebaut, laufend das Asylverfahrenverschärft: Nach wirtschaftlicher undrassistischer Logik wird entschieden,wer sich hierzulande niederlassen darfund wer nicht. Auch genießen die Fa-

schos bis weit ins bürgerliche Lager hin-ein Sympathien – sogar mehr als das:Die SVP und auch die Schweizer Demo-kraten wissen einige Exponenten der Ho-locaustleugner- oder Naziszene in ihrenReihen. Dieser Entwicklung wollen wirenergisch entgegentreten – zum Beispielmit einer kraftvollen und friedlichen De-monstration an diesem 1. August in Lu-zern.

Überregionales antifaschistisches Netzwerk ■

Feindliche Übernahmebeim DJVBerlin. Der Deutsche Journalisten Ver-band (DJV) werde in kurzer Zeit zweineue Landesverbände gründen, teilteDeutschlands größte Journalisten-Orga-nisation Anfang Juni in Berlin mit. DerBeschluss erfolgte im DJV-Gesamtvor-stand einstimmig. Jetzt sind alle „regulä-ren Mitglieder“ in Berlin und Branden-burg aufgerufen, aus den beiden bisheri-gen Landesverbänden auszutreten undauf einer Versammlung – die voraus-sichtlich am 3. Juli stattfindet – den bei-den neuen Gliederungen beizutreten.

Das Verfahren, die Verbände auszu-schließen und zwei neue zu gründen, warnotwendig geworden, weil der Bundes-verband keine Handhabe zur Auflösungvon Landesverbänden hat. Mit dem Aus-schluss versucht der Gesamtverband ei-nen Schlussstrich unter die wochenlangeAuseinandersetzung um die Vorstands-wahlen in den beiden Landesverbändenzu ziehen, nachdem Torsten Witt AnfangMai als Vize-Chef des LandesverbandsBrandenburg gewählt wurde.

Überraschend traten kurz vor der Wahl40 neue Mitglieder dem BrandenburgerLandesverband bei. Sie stammten ausdem dubiosen Berliner Verband jungerJournalisten (VJJ), dessen MitgründerWitt ist. Mit ihren Stimmen hievten sie

Witt in die Führungsposition. Witt, inden Anfangsjahren im Impressum ge-führter Mitarbeiter der extrem rechten„Jungen Freiheit“ bezog Anfang der 90erJahre 100 Exemplare. Später gehörte er

dem nationalkonservativen Flügel derFDP an, war Spitzenkandidat des rechts-konservativen „Bundes freier Bürger“und ist Mitinitiator der Aktion „Holo-caust-Mahnmal? Nicht mit mir!“

Lange hielt es die überraschendenNeumitglieder nicht in Brandenburg:Pünktlich zur Berliner Vorstandswahlwechselten die gleichen 40 zurück in dieHauptstadt. Dort verhalfen ihre Voten,den skandalumwitterten Berliner Ver-bandschef Alexander Kulpok mit 200Stimmen knapp gegen Gerhard Kothy(173 Stimmen) durchzusetzen. Kulpok,der aufgrund finanzieller und organisato-rischer Mängel stark unter Druck geratenwar, soll die Übertritte aus Brandenburgveranlasst haben. Jetzt sitzen in Berlinvier der Neuzugänge im Vorstand.

Die Unterlegenen haben die Wahl vorGericht angefochten. Sie und der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konkenseimeinen, dass die Abstimmung durchkurz vor der Wahl in Brandenburg ab-und in Berlin angemeldete Neumitglie-der „auf mindestens fragwürdige Weise“zu Stande gekommen sei. Zudem habeWitt vor fünf Jahren gegen das Holo-caust-Mahnmal demonstriert und wurdean der Seite Horst Mahlers abgelichtet.Dennoch meint DJV-Sprecher HendrikZörner keine Anzeichen für eine rechts-radikale Unterwanderung seines Verban-des zu erkennen, allerdings gäbe es „In-dizien“ für Witts „Kontakte in die rechteSzene“. Zudem hätten viele der von ihmorganisierten Neumitglieder das von derSatzung vorgeschriebene Kriterium einerhauptberuflichen journalistischen Tätig-keit nicht erfüllt.

Gegen den Beschluss zur Auflösungseines Landesverbandes kündigte Ale-xander Kulpok an, per einstweiliger An-ordnung vorzugehen. Kulpok wirft demGesamtvorstand Spaltungsabsichten vorund meint: „Wir sind so lange Mitgliedim DJV, bis wir nicht rechtskräftig aus-geschlossen werden“. kun ■

Quelle: SPIEGEL ONLINEhttp://www.spiegel.de/politik/deutsch-

land/0,1518,302728,00.htm

:antifaschistische nachrichten 13-20048

gierte empört: „Vom ersten offiziellenVertreter der deutschen Behhörden, derhier spricht, hätten wir erwartet, dass ersich vor den Opfern verneigt und Bedau-ern und Mitgefühl bekundet. Statt dessenverkündet er in goebbelscher Manier,dass wir zusammen mit 55 anderen Län-dern Europas Feinde Deutschlands gewe-sen seien, was eine Verdrehung der ge-schichtlichen Tatsachen ist – wie es heutedurch die deutschen Regierung üblich ist.Denn Deutschland war der Angreifer undhat sich hier als Besatzungsmacht unbe-schreiblicher Kriegsverbrechen schuldiggemacht, die nach dem Völkerrecht zuentschädigen sind. Statt dessen verkündetuns der Vertreter der deutschen Regie-rung, dass eine mögliche Entschädigungall dieser Gräueltaten in ganz Europa eineGefahr für Europas Zukunft sei.

Mit der gleichen Geisteshaltung wiedie Täter damals als sogenannte Sühne-maßnahmen Zivilisten ermordeten, Dör-fer niederbrannten, um sich für den

Widerstand gegen die deutsche Besat-zung zu rächen, droht die deutsche Re-gierung den Opfern, die eine gerechteEntschädigung fordern.

Deutschland hat im 20. Jahrhundertzwei Mal Europa zerstört und diese Hal-tung des offiziellen Deutschland ist dieHauptgefahr für Europa. Denn ein öko-nomisch bankrottes Deutschland ist diekleinere Gefahr für Europa als dieses mo-ralisch bankrotte Deutschland.

Wir bedauern, dass durch dieseSchamlosigkeit gegenüber unseren Totenund uns Opfern es unmöglich ist, dendeutschen Botschafter hier willkommenzu heißen und ihm die Hand zu reichen.“

Pressemitteilung des AK Distomo,Hamburg aus Distomo vom 8.6.2004

Lars Reissmann Der Arbeitskreis Distomo aus

Hamburg unterstützt die Entschädi-gungsforderungen griechischer - und

aller anderen - NS-Opfer! [email protected]

Distomo:

60. Jahrestag des SS-Massakers in Distomo Deutsche Botschaft: Keine Zukunft Europas ohne Verzicht auf Entschädigung

Im Rahmen einer Veranstal-tung am 7. Juni 2004 in Disto-mo zum Gedenken an den 60.

Jahrestag des Massakers, bei dem die4. SS-Polizeidivision 218 Kinder, Frau-en und Männer mordete, hatte der Ar-beitskreis Distomo Hamburg sofortigeEntschädigung der Opfer des Massa-kers gefordert. Dem widersprach imAnschluss der Pressereferent der deut-schen Botschaft in Athen, Thomas Müt-zelburg, mit den Worten „In ganz Eu-ropa gab es 56 Feindstaaten vonDeutschland. Wenn Sie die alle ent-schädigen wollen, dann können Siedurch die finanziellen Auswirkungendie Zukunft Europas abschreiben.“

Der Arbeitskreis Distomo erklärt dazu:Das Ausmaß des VernichtungskriegesNazi-Deutschlands gegen die europäi-schen Länder ist einzigartig. Das Wendendieser Tatsache gegen die Millionen Op-fer ist zynisch. Deutschland hat in denvergangenen 60 Jahren alle Möglichkei-ten zur Entschädigung gehabt.

Was fehlte, war der politische Wille.Jetzt das Wohlergehen Europas an dieFreistellung Deutschlands von Entschä-digung zu knüpfen, ist eine kaum verhoh-lene Drohung.

Der Überlebende des Massakers undKläger in Karlsruhe vor dem Bundesver-fassungsgericht, Argyris Sfountouris, rea-

Distomo, Griechenland, 1944, 200410. Juni: 1942 Lidice. 1944 Oradour.1944 Distomo. Diese, und die anderenOrte der deutschen Massaker im 2. Welt-krieg haben Namen, auch wenn sie imkollektiven deutschen Gedächtnis ver-drängt sind. An den Stätten der Verbre-chen ist nichts vergessen.

Distomo, Griechenland, 140 km west-lich von Athen.

218 Menschen – Frauen, Kinder,Männer – wahllos und willkürlich ermor-det von deutschen Soldaten, als „Vergel-tung“ für einen Partisanenangriff.

Juni 2004: Zum 60. Mal jährt sich derTag des Verbrechens in Distomo. Doch indiesem Jahr ist etwas anders:

Zu der Veranstaltung des Gedenkensund Mahnens am Vorabend des Jahresta-ges sind zum ersten Mal Deutsche einge-laden: Nach der Ansprache des Bürger-meisters von Distomo, Loukas Papachris-tou, spricht der Botschafter der BRD inGriechenland, Dr. Albert Spiegel.

Dann spielt die Chemnitzer GruppeQUIJOTE. Lieder des großen griechi-schen Komponisten Mikis Theodorakis -in deutscher Sprache.

Es ist das erste Mal, dass in diesemAmphitheater – am Mahnmal für die Op-fer von Distomo – deutsche Künstler auf-

treten. Es ist das erste Mal nach 60 Jah-ren, daß an dieser Stätte deutsche Wortezu hören sind.

Die Rede des Botschafters, das Kon-zert von QUIJOTE, beides ist im Pro-gramm angekündigt. Aber trotzdembleibt die Frage: Wie werden es die Grie-chen aufnehmen?

Es wird ein wunderbarer und bewegen-der Abend. Botschafter Dr. Spiegel hältseine Rede in griechischer Sprache. Under bittet für die begangenen Verbrechenum Verzeihung. Nach seinen Worten star-ker Beifall, er ist, im doppelten Sinne,sehr gut verstanden worden.

Wir, also QUIJOTE, werden mit herz-lichem Applaus empfangen, das ist mehrals nur Höflichkeit. Schon beim zweitenLied beginnt man im Publikum mitzu-klatschen und zu singen. Dass zwischen-zeitlich der Strom ausfällt, tut der Stim-mung keinen Abbruch. Wir singen einLied a capella, die Zuschauer stimmen inGriechisch ein, die gute Akustik tut einÜbriges. Eine Stunde Konzert, ergänztdurch kurze Texte von und über MikisTheodorakis, und selbstverständlich äu-ßern wir uns zum Anlass des Abends. Na-talia Sakkatou, unsere wunderbare Be-treuerin, übersetzt mit viel Gefühl. Am

Schluss stürmischer Beifall. Es ist eineAtmosphäre, wie wir sie ganz selten er-lebt haben.

Nach dem Konzert: Wie viele Händesich uns entgegenstrecken, wie vieleMenschen sich bei uns bedanken, wirkönnen es nicht zählen. Dabei wäre esdoch an uns gewesen, sich zu bedanken.Für diese Einladung, ja, für die Ehre, dieuns zuteil wurde, als Deutsche an diesemOrt der Mahnung und des Gedenkensspielen zu dürfen.

Der nächste Vormittag, der Jahrestagdes Massakers: Der Gottesdienst in derKirche von Distomo, dann die Prozessionzur Gedenkstätte oberhalb des Ortes.Tausend, zweitausend Menschen, QUI-JOTE mittendrin, auch der Botschafternicht in der ersten Reihe. Wieder kom-men Leute auf uns zu, drücken uns dieHand. Keiner spricht die Sprache des an-deren, aber man versteht sich ohne Worte.Ein Junge, vielleicht acht oder neun Jah-re, singt einige Takte „Ena to Chelidoni“–„Nur diese eine Schwalbe“, und strahltuns mit großen Augen an.

Oben, am Mahnmal, wird die Stim-mung ernst, Schweigen breitet sich aus.Der Bürgermeister spricht Worte des Ge-denkens. Dann: Die Namen der Ermorde-

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ten, und nach jedem Namen: Anwesend!Vielen Griechen stehen die Tränen in denAugen, uns geht es nicht besser. An-schließend die Kranzniederlegung. Viel-leicht zwanzig, fünfundzwanzig Kränze,dazwischen ein deutscher. Mit dem Into-nieren der griechischen Hymne endet dieGedenkveranstaltung. Nur langsam löstsich Spannung.

Was bleibt: Für uns unvergesslicheEindrücke, die Herzlichkeit der Griechen,die Wärme, mit der wir aufgenommenwurden, der Wunsch, dass wir wieder-kommen im nächsten Jahr. Aber es blei-ben viele offene Fragen: Wiedergutma-chung, wenn dies überhaupt möglich ist;juristisch, politisch, moralisch…? Wirhaben versucht, es in unserem Konzert zuformulieren:

„Wirkliche Versöhnung kann es nurgeben, wenn die Massaker von Distomound all den anderen Orten als historischeWahrheit in allen ihren Einzelheiten aner-kannt werden und eine Lösung gefundenwird, die den Opfern gerecht wird.“

Ein Anfang ist gemacht, mehr – noch –nicht.

Ludwig Streng, QUIJOTEKontakt: Sabine Kühnrich & Ludwig

Streng, E-Mail:[email protected]

[email protected]

Christoph Schminck-Gustavus, Professorfür Rechtsgeschichte an der UniversitätBremen, hat Anfang der 90er Jahre als er-ster die Recherche des Kriegsverbre-chens in Kefalonia aufgenommen – aus-gelöst durch seine Bekanntschaft mitAmos Pampaloni, der das Massaker derdeutschen Wehrmacht an italienischenSoldaten auf der Insel Kefalonia wiedurch ein Wunder überlebte. Auf die Bit-te italienischer Freunde, Historiker, denFall vor Ort zu recherchieren, hat er sichauf die Suche gemacht. Die Tragödie inKefalonia war von enormem Ausmaß,und die Opfer sind nur als Zahlen in dieGeschichte eingegangen. Nach neuestenAngaben hat es sich um über 9.600 er-mordete Soldaten gehandelt.

„Von ihrem Schicksal haben sich keineErinnerungen erhalten, keine Tornister,keine Erkennungsmarke, kein Ausweis,kein buntes Heiligenbildchen. Niemandwird ihre Geschichte anhören oder auf-schreiben. ihre Namen sind nirgends ver-zeichnet ( ... ). So ist auch Pampalonis Er-innerung nur ein winziger Mosaikstein,zufällig an Land gespült und aufbewahrtin der Erinnerung.“ Und so gehtSchminck-Gustavus auf historische Spu-rensuche nach diesem einen Schicksal.„Ich werde nur dieser einzigen Fragenachgehen: der Rettung von Amos Pam-paloni, damals Hauptmann und Befehls-haber einer an der Küste von Kephalloniaeingesetzten Geschützbatterie. Er hat mirseine Geschichte erzählt, und nur sie wer-de ich verfolgen, weil sonst keine Chancebesteht, jemals fertig zu werden.“

Er liefert einen Bericht, der in seinerArt einzig ist. Er nähert sich den Dingenganz allmählich an. Das kann zu Irritatio-nen führen, weil dem Leser das Buch an-fänglich vielleicht nicht „historisch“ ge-nug erscheint. Doch dann entdeckt man,dass diese minutiöse Vorgehensweise,welche die Erzählung einer individuellenGeschichte in den Vordergrund rückt, dasmenschliche Element betont, und dassman dadurch viel eher versteht, wasKrieg eigentlich letztendlich bedeutet.

Während seiner Recherche, in derChristoph Schminck-Gustavus einheimi-sche Zeitzeugen über die furchtbaren Er-eignisse vom September 1943 befragt,trifft er in der Menge der Opfer immerwieder auf Einzelschicksale, von denenein weiteres ihn überzeugt, dass diesesBuch geschrieben werden muss. Es istdas von Angelos Kostandakis, der im Al-ter von 27 Jahren öffentlich erhängt wur-de. Seine Familie und alle Bewohner desDorfes Faraklata – auch die Kinder –wurden gezwungen, der Exekution beizu-wohnen. Die Opfer dieser mutigen Men-schen, für die Amos und Angelos exem-

plarisch stehen, können nicht einfach ver-gessen werden, sonst wären ja ihre Taten,ihre Opfer, ihr Tod sinnlos gewesen. Nie-mand hat ihnen bisher die nötige Ehrungzukommen lassen.

Was die kriegsbeteiligten Individuenbetrifft, so ist da noch der SS-Mann Kurt,an dessen Nachnamen sich niemandmehr erinnern kann. Doch er half einerkefalonischen Familie regelmäßig heim-lich mit Lebensmitteln, denn die Hun-gersnot war groß auf Kefalonia. Das alteEhepaar bittet den deutschen Historiker,auch ihn zu erwähnen, denn wie sie rüh-rend betonen, ist er ein Beispiel, dassauch unter den deutschen Besetzern nichtalle gleich waren.

Christoph Schminck-Gustavus schließtder historischen Erzählung über dasKriegsverbrechen der Wehrmachtsdivi-sion Edelweiß, die auch die Morde in Ka-lavryta zu verantworten hat, die Rechercheder juristischen Auseinandersetzung inNachkriegsdeutschland an. Die nicht er-folgte Aufarbeitung vor allem der Wehr-machtsverbrechen im Deutschland der50er und 60er Jahre in einer von ehemali-gen Nazis durchwachsenen deutschen Jus-tiz. Die permanente Einstellung von Ver-fahren trotz vorliegender konkreter Zeu-genaussagen, mit Ortsangaben, Namenund Daten. Er stellt sich die Frage, die beiallen evident ist: „Also nach Greisen su-chen, die vor einem halben Jahrhundert anVerbrechen beteiligt waren? ( ... ) Mit wel-chem Ziel, nachdem selbst die Hinterblie-benen der Opfer verstorben sind?“ Und ererinnert sich an die 50er Jahre, in denendie Naziterminologie noch überall verbrei-tet war. „Das abstoßende Gerede vom,lwan‘, den sie im Krieg ,versohlt‘ habenund von den ,Pollacken‘, deren ,Saustallsie ausgemistet hätten‘, drang bis in diebürgerlichen Wohnstuben.“

Die Mechanismen des Leugnens undVerdrängens sind in der Kriegsgenerationtief verwurzelt. Anfang der 90er Jahre än-dert sich der Umgang mit der deutschenGeschichte. Erst mit Beginn des letztenJahrzehnts des 20. Jahrhunderts „erschie-nen Einzeluntersuchungen zu Wehr-machtsverbrechen, in denen Italien undGriechenland endlich Berücksichtigungfanden“. Besonders wichtig war für diehistorische Auseinandersetzung mit die-sen Tatsachen die 1995 vom HamburgerInstitut für Sozialforschung erarbeitete„Wehrmachtsausstellung“, die monate-lang die deutsche Öffentlichkeit erregteund eine Diskussion wieder in Gang setz-te, die noch lange nicht abgeschlossen ist.

Natalia Sakkatou ■Christoph U. Schminck-Gustavus: Kephallonia1943 - 2003. Auf den Spuren eines Kriegsver-brechens. Donat Verlag Bremen 2004, ISBN 3-93483-6666, 18,80 Euro

„Von ihrem Schicksal haben sichkeine Erinnerungen erhalten“

Pergamonmuseum besetztAnlässlich des Jahrestages des Massakers von Dis-tomo, Griechenland, besetzten am 9. Juni 2002DemonstrantInnen den berühmten Pergamon-Altarin Berlin. Auf griechischen und deutschen Transpa-renten forderten sie die sofortige Entschädigungder Opfer deutscher Kriegsverbrechen.Vor dem Pergamonmuseum fand eine Kundge-bung mit musikalischer Untermalung statt, die vonzahlreichen internationalen MuseumsbesucherIn-nen interessiert und mit Sympathie verfolgt wurde.Nur einzelne Angestellte des Museumssicherheits-dienstes versuchten die Transparente herunterzu-reißen. Während die Berliner Museumsinsel fürmehr als eine Milliarde Euro restauriert wird, gibtes für die Entschädigung griechischer Überleben-der keinen Cent. Die DemonstrantInnen hinterlie-ßen ein Transparent an einem Fahnenmast: „Kunstgenießen, Massaker vergessen – Distomo, 10.Juni 1944". Die erst nach einiger Zeit anrückendePolizei versuchte ihre Verspätung durch die überei-frige Personalienkontrolle von Museumsbesuche-rInnen zu kompensieren.

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Musterbetrieb“. Nach Beginn des Krie-ges erhielt sie sogenannte „Fremdarbei-ter“ als Arbeitssklaven. Wenn von denenmal wer nicht spurte, schaltete man ebendie Gestapo ein. Überhaupt hatte Klei-newefers zur Krefelder Gestapo ein aus-gezeichnetes Verhältnis: „Zu Weihnach-ten hatten sie gelegentlich ein FäßchenBier bekommen, so taten sie mir man-chen Gefallen, und ich konnte helfen.“

1988 erschien Kleinewefers zweitesBuch „Erneuerung aus der Mitte“ ge-meinsam geschrieben mit dem rechtradi-kalen Prof. Bern-hard Willms, dem,der auch am Wirt-schaftsprogrammder „Republika-ner“ mitarbeitete.Darin versuchensie ein „Konzeptfür die Neugestal-tung Mitteleuro-pas“. „Abschiedgilt es nach Mei-nung der Verfasservor allem vomPrinzip einer ein-seitigen Westbin-dung zu nehmen“,heißt es im Klap-pentext. Ziel ist einneues Gebilde mitDeutschland undÖsterreich alsKern, und ihrerHegemonie überOsteuropa, ein Konzept, das Ähnlichkeitmit der Lebensraumkonzeption Hitlershat. Auch die Folgen sind bedacht: „Esist also unausweichlich, daß die Gesell-schaftsverfassung der Zentraleuropäi-schen Föderation jedenfalls weniger li-beral sein wird und muß als die derBundesrepublik Deutschland und Öster-reich.“ Hatte Kleinewefers sich im „3.Reich“ bereits einen Betrieb in der be-setzten Tschechei angeeignet, den ernach 1945 wieder verlor, so blieb dereuropäische Osten und die deutsche Rol-le darin sein eigentliches Thema undauch das der Kleinewefers-/Adalbert-Stiftung.

Nach 1945 war die Familie Kleinewe-fers, nach ihrer Rolle in der Nazidikatur,erstmal gesellschaftlich isoliert. So um-gab man sich zunächst mit ehemaligenNazi-„Kulturschaffenden“, wie z.B. Hit-lers Lieblingsbildhauer Arnold Breker.Doch bald gelangten sie in die „Gesell-schaft“ zurück. Kleinewefers-Sohn Janwurde sogar von 1993 bis 1995 Bundes-vorsitzender des einflussreichen Unter-

nehmerverbandes der Maschinenbauin-dustrie (VDMA).

Auch heute sitzt er noch in zahlrei-chen Gremien, wie etwa dem Stiftungs-rat des Internationalen Karlspreis. Dochwie weit Paul Kleinewefers Integrationund Einfluss schließlich wieder ging,zeigt die Entwicklung seiner eigenenStiftung. Mit führend darin war und istProf. Dr. Hans Süssmuth (Ehemann vonRita Süssmuth). Die Stiftung arbeitetemehrfach eng zusammen mit der Kon-rad-Adenauer-Stiftung der CDU und

dem DüsseldorferIndustrieclub(Nachfolger vongenau dem!). DassPaul Kleineweferssich auch an ande-rer Stelle profi-lierte, tat keinenAbbruch. Etwa1999 – im Altervon 94 Jahren – inder Zwangsarbei-terdebatte durcheinen Artikel inder rechten Zeit-schrift „Soldat imVolk“. Zitat: „WirBetriebsführer inder damaligenRüstungsindustriestanden unter demDruck, bestimmteLeistungen in derProduktion von

Waffen, Maschinen, Geräten usw. zu er-bringen, abgesehen von der vaterländi-schen Pflicht, unsere Aufgabe ebensoselbstverständlich zu erfüllen, wie mandas von den Soldaten an der Front er-wartete.“

Die Adalbert-Stiftung benötigte schonfrüh einen Vorstandsassistenten für dieAlltagsarbeit und fand ihn in Dr. FrankEbeling. Ebeling schrieb seine Disserta-tion zur Geopolitik und befasste sich dar-in mit der Konzeption Haushofers, demgeistigen Vater der Lebensraumkonzep-tion während des „3. Reiches“. „EineWürdigung der nationalsozialistischenVorstellungen Haushofers in dieser Formkann heute getrost neofaschistisch ge-nannt werden“, schrieb dazu die Zeit-schrift „Der rechte Rand“. So war er wohlfür die Arbeit in der Stiftung voll tauglich.

Die Tagungen der Adalbert-Stiftung,etwa die „Leutherheider Foren“, warenstets ein Mix aus „seriösen“ konservati-ven Referenten und Leuten wie z.B. Dr.Manfred Lauermann. Lauermann ist einEx-68er, der in die rechte Szene abge-

So wird Polen erniedrigt

Adalbert-Preisverleihungan Kohl – ein Skandal

Große Prominenz und rechteSzene, das schließt sich in derdeutschen Durchschnittsmei-

nung aus. Erst recht wenn ein europäi-sches Staatsoberhaupt einen ehemali-gen Regierungschef auszeichnet. Doches ist nicht so. „Kohl fällt Schröder inden Rücken“, lautete am 14.2.2004die Titelschlagzeile der „Westdeut-schen Zeitung“. Es ging um die RedeHelmut Kohls bei der Übergabe desPreises der Adalbert-Stiftung in War-schau. In der Tat, viel Prominenz undMedienöffentlichkeit hatte diese Aus-zeichnung, übergeben an Kohl durchden polnischen Präsidenten Kwas-niewzki in Anwesenheit von KardinalGlemp, live übertragen durch das pol-nische Fernsehen und Phoenix. Aberinteressanter als diese Rede sind dieFragen: Was ist die Krefelder Adal-bert-Stiftung, von der der Preisstammt? Wessen Geld wurde da ver-liehen? Wer hat da soviel Einfluss, denPreis in diesem Umfeld verleihen zukönnen?

Die Adalbert-Stiftung wurde gegründetund finanziert durch den KrefelderUnternehmer Paul Kleinewefers. Siehieß auch jahrelang Kleinewefers-Stif-tung und wurde erst 1989 in Adalbert-Stiftung umbenannt. Paul Kleineweferswar Nazi-Urgestein unter Unterneh-mern, „alter Kämpfer“ wie das früherhieß. Er unterschied sich von anderenKapitalisten dadurch, dass er das nieverleugnete. In seinem autobiographi-schen Buch „Jahrgang 1905“ schrieb er1976: „Die Beseitigung der Demokratieund die Einführung des ‚Führerprinzips‘wurde keineswegs überall als Zwangund Diktatur empfunden, denn es waroffensichtlich, wie sehr sich die extremeDemokratie selbst ad absurdum geführthatte.“ Bei der Ansicht blieb er auch:„Diese Organisation der Wirtschaft(Selbstverwaltung) und der einzelnenBetriebe sowie die Arbeitsfront mit demTreuhänder der Arbeit empfinde ichauch in der Rückschau noch als eine fastideale Wirtschafts- und Sozialverfassungim Interesse aller.“ Und: „Der sozialeFrieden in der Bundesrepublik Deutsch-land hat auch die Wurzel in jenen Jahrenund in der segensreichen Aktivität derDeutschen Arbeitsfront.“

Paul Kleinewefers hatte im Winter1928/29 den ersten Kontakt zur NSDAPund wurde 1932 Mitglied. Er war alsJüngster mit dabei, als Hitler vor demDüsseldorfer Industrieclub seine be-rühmte Rede hielt („Das Rednerpult ...befand sich etwa fünf Meter von mirentfernt“, schreibt er später). So war ervorne an mit dabei, als die Nazis dieMacht ergriffen, die Gewerkschaftenverboten wurden ... Der Firma Kleine-wefers hat das „3. Reich“ sichtbar gutgetan, sie wurde „Nationalsozialistischer

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driftet ist und z.B. zusammen mit Rein-hold Oberlercher vom rechtsextremen„Deutschen Kolleg“ Referent bei der be-rüchtigten Burschenschaft Danubia war.Lauermann vertrat auch den erwähntenProf. Willms vorübergehend auf seinemLehrstuhl und nach Willms Tod imFrühjahr 1991 schrieb er den Nachrufim rechten „Criticon“. Das „Leutherhei-der Forum“ der Adalbert-Stiftung leiteteLauermann gleich dreimal: 1993, 1994und 1997. 1997 sprach er dort über dasvon ihm entdeckte „Soziale im National-sozialismus“.

Ende der 90er kam es zu heftigenStreitigkeiten und einem verbissen ge-führten Prozess zwischen dem Vorstandder Adalbert-Stiftung und Kleinewefers.Nach Aussagen des Stiftungs-Vorstandesging es um einen Brief (von wem auchimmer) an die polnische Botschaft – mitder sie damals bereits zusammenarbeite-ten – in dem die NS-VergangenheitKleinewefers dargestellt wurde. Daraufhabe man vereinbart, dass Kleinewefersausscheidet und sein Name im Stiftungs-titel nicht mehr auftaucht. Der war abernicht einverstanden und warf im Gegen-zug den Vorstandsmitgliedern Dickelund Süssmuth Missbrauch von Stif-tungsgeldern vor.

Wie immer das auch weiterlief, PaulKleinewefers ist inzwischen verstorben,und der Stiftungsvorstand umgebildet.Die Kleinewefers-Tochter Antje mussteihn verlassen und auch z.B. Klaus Wie-ners, Bankdirektor und Geschäftsführerder WestLB Research GmbH. Neu hin-zugekommen ist u.a. der Direktor derkatholischen bischöflichen AkademieHenrix. Wichtiger als die Personen istdie Frage: Hat sich die Politik der Adal-bert-Stiftung seither verändert? Davonist nichts zu bemerken. Selbst die Verga-be des Preises an Kohl war bereits Endeder 90er geplant, wurde damals aber imZusammenhang mit der Spendenaffäreausgesetzt. Die Art der Preisverleihungwar so weniger eine Ehrung für Kohl,als eine hintergründige Erniedrigung despolnischen Präsidenten Kwasniewzkiund des die Laudatiohaltenden Auschwitz-Überlebenden Bartos-zewski.

Die Adalbert-Stif-tung ist ein Beispieldafür, wie konservati-ve und rechte Struktu-ren sich verzahnen,Trennlinien ver-schwimmen und nichtmehr erkennbar sind.Der Faschismus istkein Problem einerrechten Subkultur,er kommt aus der Mitte der Gesell-schaft.

Herbert Steeg ■

Verein „Erinnern für die Zukunft“:

Bürgermeister Scherf würdigtehrenamtliches Engagement

von Thomas Klaus

Senatsempfang für die Mitglie-der des Vereins „Erinnern fürdie Zukunft“: Mit diesem be-

sonderen Festakt dankte ihnen Bre-mens Bürgermeister und Senatspräsi-dent Dr. Henning Scherf für ihr ehren-amtliches Engagement. Der Regie-rungschef des kleinsten Bundeslan-des an die Adresse der rund 300 Mit-glieder: „Sie haben dazu beigetra-gen, dass sich diese hansestädtischeGesellschaft nicht nur geöffnet, son-dern auch verändert hat.“

Der Verein „Erinnern für die Zukunft“wurde im Januar 1991 gegründet undging auf einen Runden Tisch aus Anlassdes 50. Jahrestages der so genanntenReichskristallnacht zurück. 1988 hatteneine Reihe Initiativen und Einrichtungenaus der Weser-Metropole ein umfangrei-ches Veranstaltungsprogramm zum Ge-denken an die antisemitischen Aus-schreitungen im November 1938 entwi-ckelt. So entstand der Wunsch nach einerlängerfristigeren Zusammenarbeit.

Das Ziel mit den Worten der Vereins-sprecherin Dr. Sabine Offe (UniversitätBremen): „Wir wollen die Erinnerung andie Zeit des Nationalsozialismus wachhalten und die Erfahrungen aus dieserGeschichte in die Gegenwart umsetzen.So sollen die Leitbilder Menschenwürde,Toleranz und Zivilcourage gefüllt undinsbesondere auch für Jugendliche er-fahrbar gemacht werden.“

Seitdem der Verein „Erinnern für dieZukunft“ ins Leben gerufen wurde, hater zahlreiche weitere Ausstellungen undGedenkveranstaltungen organisiert oderbetreut, so zum Beispiel 1990 zum Le-ben und Sterben des jüdischen MädchensAnne Frank, 1994 über das Jugend-Kon-

zentrationslager Moringen und Ucker-mark, 1995 zur Erinnerung an den 50.Jahrestag des Weltkriegsendes in Bre-men und 2003 über die Auflösung desKZ Neuengamme und seiner Außenlagerdurch die SS im Frühjahr 1945. Ein be-sonderer Höhepunkt der Vereinsarbeitwar eine Studienfahrt nach Minsk imJahre 2002, bei der ein Gedenkstein fürdie aus Bremen deportierten Juden ent-hüllt wurde.

Seit 1997 ist der Verein, der eine eigeneSchriftenreihe mit zurzeit zwei Büchernpubliziert, für das bremische Programmzum 27. Januar zuständig, dem Tag desGedenkens an die Opfer des Nationalsozi-alismus. Dabei kooperiert er neben weite-ren Partnern mit der Landeszentrale fürpolitische Bildung. Außerdem betreut derVerein die Dokumentationsstätte Gefan-genenhaus Ostertorwache.

Unter den Mitgliedern finden sich ein-zelne Bürgerinnen und Bürger ebensowie Initiativen und Verbände, kommuna-le Einrichtungen, Bildungsinstitutionenund Kirchen. Dieses breite Spektrumspiegelt sich auch im Vorstand wider.Ihm gehört als Sprecherin neben Frau Dr.Offe Maria Meyer vom Landesinstitutfür Schule an. Als Kassierer fungiert Dr.Günther Rohdenburg vom StaatsarchivBremen und als Schriftführer MichaelScherer von der Landeszentrale für poli-tische Bildung. Beisitzer sind Olaf Dros-te, Öffentlichkeitspastor der BremischenEvangelischen Kirche, Dr. Thomas Kö-cher von der Universität Bremen undBernd Möllers, Leiter des Bildungs-werks der Katholiken im Lande Bremen.

Weitere Informationen über den Ver-ein „Erinnern für die Zukunft“ sind imInternet zu haben:

www.erinnernfuerdiezukunft.de ■

Keine „Böhsen Onkelz“ mehrFrankfurt. Die „Böhsen Onkelz“, erste Kult-band der Rechtsrock-Szene in Deutschland undspäter eine ähnlich vergötterte Band des Hard-rocks, lösen sich auf. Wie die Frankfurter Musik-gruppe auf ihrer offiziellen Hompage ankündigt,wollen sie noch ein Studioalbum („Adios“) ver-öffentlichen, eine Tournee spielen und kommen-des Jahr zum 25-jährigen Bandjubiläum ein Ab-schiedskonzert geben,. Die Band, die sich undihre große Anhängerschaft gerne als verschwore-ne Gemeinschaft von Underdogs ansah, nennt dieAuflösung in ihrem bekannt-pathetischen Jargonden „letzten und endgültigen Arschtritt für alle,die uns in den vergangenen 24 Jahren das Lebenschwer machen wollten“.

Gründe für die Auflösung der Band seien dieimensen Erfolge in den letzten Jahren – unter an-derem war die Band auf Platz eins der Album-charts vertreten –, die nicht mehr zu überbietenseien. Man trete zudem lieber würdevoll ab, alssich ewig im Rockzirkus aufzuhalten. Die „Böh-sen Onkelz“ hatten sich Anfang der 8oer Jahregegründet. 1984 veröffentlichten sie auf dem La-bel „Rock-O-Rama“ das unter Rechtsextremenzur Kultplatte avancierte Album „Der netteMann“. Anfang der 90er Jahre begannen sich dievier Musiker dann langsam von der rechten Sze-ne zu distanzieren. Teile der Rechten nannten siedaraufhin „Verräter“, obschon andere Teile derNeonazi-Szene weiterhin die frühen Songs derBand abfeierten. www.bnr.de

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Erwartungsgemäß haben sichBundesinnenminister Otto Schi-ly (SPD) und die Unionspolitiker

Günther Beckstein und Peter Müllerauf den endgültigen Text eines Zuwan-derungsgesetzes geeinigt. Die Grünenwaren von den Schlussverhandlungenausgeschlossen, werden aber demfaulen Kompromiss zustimmen.

Der Fraktionschef der Grünen im BerlinerAbgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, be-hauptete zwar am Mittwoch, das Gesetzbestehe nur den „grünen TÜV“, wenn esfür keinen einzigen Migranten eine Ver-schlechterung gebe, tatsächlich enthält dasZuwanderungsgesetz aber zahlreiche Ver-schärfungen: Ausweitung des Asylbewer-berleistungsgesetzes mit abgesenkten So-zialleistungen, erhöhte Abschiebegefahrfür bisher geduldete Menschen oder diekünftig zwingende Überprüfung, ob dasAsylrecht nachträglich entzogen werdensoll. Mit welchem Zynismus SPD undBündnis 90/Die Grünen handeln, zeigtesich in dieser Woche im Landtag vonSchleswig-Holstein. Dort erhoben beideParteien in einem gemeinsamen Antragdie Forderung, das Zuwanderungsgesetzmüsse auch ein Bleiberecht für langjährigin Deutschland lebende Migranten vorse-hen, also eine „Altfallregelung“. Geradediese lehnte Schily gemeinsam mit derUnion stets ab.

Vom einst wichtigsten SPD/Grünen-„Reformprojekt“ blieb damit faktischnichts übrig. Bayerns Innenminister Beck-stein (CSU) rühmte sich zu recht, einen„Paradigmenwechsel“ hin zum multikul-turellen Einwanderungsland verhindert zuhaben. Nur der Name „Zuwanderungsge-setz“ blieb, inhaltlich ist es ein Gesetz zurAbwehr und schnelleren Ausweisung vonMigranten geworden.

Der Anwerbestopp bleibt grundsätzlichbestehen. Eine Zuwanderung nach demPunktesystem – Kernstück grüner „Re-formbestrebungen“ – hat die CDU/CSUkategorisch abgelehnt. Die Anerkennungnichtstaatlicher und geschlechtsspezifi-scher Verfolgung wurde zwar festge-schrieben; dazu bestand aber ohnehin eineVerpflichtung aufgrund einer EU-Richtli-nie. Eine Härtefallregelung, die ein Blei-berecht in Einzelfällen aus humanitärenGründen vorsieht, wird zwar eingeführt,tritt aber automatisch nach fünf Jahrenwieder außer Kraft. Nur beim Kindernach-zug hat die CDU/CSU zu hoch gepokert.Sie wollte das Nachzugsalter auf zwölfJahre herabsetzen und praktisch keine

Ausnahmen zulassen. Da es hierüber zukeiner Einigung kam, bleibt es einfachbeim jetzt geltenden Nachzugsalter von 16Jahren.

Im letzten Teil der quälend langen Ver-handlungen im Vermittlungsausschuss hatdie CDU/CSU so viele „Sicherheitsfra-gen“ hineinverhandelt, dass die Grünen imMai ausstiegen. Grünen-Parteichef Rein-hard Bütikofer verkündete damals: „DasSpiel ist aus.“ Den Ausstieg aus den Ver-handlungen bedeutete das nicht. Nach Ei-nigung der Innenminister erklärte Bütiko-fer am Donnerstag: Die Formulierungendes Gesetzestextes seien „in der Tat mituns so abgesprochen“, das Verhandlungs-ergebnis sei „alles andere als ein Grund,Trauer zu tragen“.

Der Bundeskanzler einigte sich am 25.Mai mit den Parteivorsitzenden von CDUund CSU auf einen politischen Kompro-miß und blamierte seinen Koalitionspart-ner, indem er die Grünen ohne Absprachevon den weiteren Verhandlungen aus-schloss. Den letzten Schliff des Gesetzes-textes nahmen nun Schily, Müller undBeckstein vor. Nach ihrer Verabredunggibt es künftig eine uferlose Ausweisungs-möglichkeit gegen sogenannte Hasspredi-ger, sofortige Abschiebung von Personenmit „Terrorismusbezug“ mit verkürztemRechtsschutz, Residenzpflichten für Mi-granten, Überwachung und Kontaktsperrefür Personen, denen keine konkreten Straf-taten nachweisbar sind sowie eine Regel-anfrage beim Verfassungsschutz vor Ertei-lung einer Niederlassungserlaubnis. Sogardie von SPD/Grünen bisher stets abge-lehnte „Warndatei“ wird in das Gesetz auf-genommen. Wer zukünftig einen Auslän-der nach Deutschland einlädt, damit dieserein Einreisevisum erhält, wird registriert.

Zuletzt wurden auch noch die Integra-tionsregelungen verschärft. „Neuan-kömmlinge“ haben zwar einen Anspruchauf Sprachkurse; zugleich wird ihnen ge-droht, dass der Aufenthalt nicht verlängertwird, wenn sie nicht gut genug Deutschlernen. Auch Migranten, die schon längerhier leben, können zur Teilnahme anSprachkursen verpflichtet werden; andern-falls droht ihnen eine Kürzung von Sozial-leistungen um zehn Prozent. Statt Förde-rung gibt es also Sanktionen.

Es gilt als sicher, dass der Vermitt-lungsausschuß nach sieben Monaten Ver-handlungen am 30. Juni diesen Kompro-miss billigen wird. Bundesrat undBundestag werden abschließend am 9.Juli über das Zuwanderungsgesetz ent-scheiden. Ulla Jelpke, junge Welt ■

: ausländer- und asylpolitik

Die Abwehr stehtOtto Schily, Peter Müller und Günther Beckstein einigen sich ohne Grüne auf „Zuwanderungsgesetz“

„Nicht die Menschen vertei-len, sondern die Kosten!“Zur beabsichtigten bundesweitenVerteilung der sog. unerlaubt einge-reisten Flüchtlinge

Auf besondere Kritik des FördervereinsKölner Flüchtlingsrat stößt die nach § 15a Aufenthaltsgesetz beabsichtigtebundesweite Verteilung „unerlaubt ein-gereister Ausländer“. Nach dieser Rege-lung werden neu ankommende Flüchtlin-ge, die ohne gültige Aufenthaltsgeneh-migung bzw. ohne gültigen Pass oderPassersatz in das Bundesgebiet einreisenund sich unmittelbar bei einer Kommunemelden, um Abschiebeschutz zu begeh-ren, vor der Entscheidung über die Aus-setzung der Abschiebung oder die Ertei-lung eines Aufenthaltstitels auf die Län-der verteilt. Claus-Ulrich Prölß, Ge-schäftsführer des Fördervereins KölnerFlüchtlingsrat e.V.: „Die Erfahrung mitder Umsetzung der bundesweiten Vertei-lungsregelung für Asylsuchende zeigt,dass hierdurch immer wieder Härtefälleproduziert werden. Nicht die Menschensollten bundesweit verteilt werden, son-dern die Kosten! Auch dadurch würdendie Kommunen entlastet werden.“

Nach der neuen Regelung soll bei derVerteilung auch nur die Haushaltsge-meinschaft zwischen Ehegatten oder El-tern und ihren minderjährigen Kindernoder „sonstige zwingende Gründe“ be-rücksichtigt werden, und auch nur dann,wenn diese Voraussetzungen vor der Ver-teilung nachgewiesen werden. Claus-Ul-rich Prölß: „Was ist mit eheähnlichenoder anderen Lebensgemeinschaften,was mit Großfamilien, was, wenn einesder Kinder gerade volljährig ist, was,wenn der ‚zwingende Grund‘ erst nacheiner Verteilung nachgewiesen werdenkann? Die Neuregelung blendet solchebeispielhaft genannten Lebensumständevöllig aus und dient damit in keinerWeise humanitären Gesichtspunkten.“

Nach dem Gesetzestext ist Wider-spruch gegen die Verteilungsentschei-dung nicht möglich. Als einziges Rechts-mittel ist hier die Klage vorgesehen, dieaber keine aufschiebende Wirkung hat.Claus-Ulrich Prölß: „Mal ganz abgese-hen davon, wie ein gerade in Deutsch-land angekommener und verteilterFlüchtling Klage beim Verwaltungsge-richt gegen die Verteilungsentscheidungeinlegen soll: er müsste dazu noch einenAntrag auf Herstellung der aufschieben-den Wirkung stellen. Das weiß und kannfast niemand. Ein Rechtsmittel ist alsozwar möglich, würde aber von denFlüchtlingen – ohne entsprechende Bera-tung – praktisch nicht eingelegt werdenkönnen!“ Die neue Verteilungsregelungbedeutet eine Schlechterstellung gegenü-ber Asylsuchenden hinsichtlich des vor-gesehenen Aufenthaltes in sog. Aufnah-

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Nach der ersten gemeinsamengrenzüberschreitenden Dreilän-der-Demonstration im Dreilän-

dereck im Jahr 2002 (Basel, St.Louisund Weil am Rhein) und der mittler-weile beachteten Dreiländer-Wande-rausstellung „Jeder Mensch hat dasRecht, Rechte zu haben“, die im Jahr2003 auf Tour im Dreieckland ging,wird die weitere Zusammenarbeit unddie mittlerweile breitere Vernetzungdurch eine Aktionswoche in der letz-ten Oktoberwoche 2004 in Strasbourgöffentlich demonstriert.

Vom 23. bis zum 31. Oktober 2004 soll inStrasbourg die Dreiländer-Wanderausstel-lung gezeigt werden. Parallel dazu wer-den verschiedene Veranstaltungen statt-finden. Da in der letzten Oktoberwochedie parlamentarische Woche des EU-Par-lamentes stattfindet und somit sämtlicheEU-Abgeordnete und die europäischePresse sich in Strasbourg befinden, sollenöffentlichkeitswirksame Veranstaltungenund Aktionen stattfinden. Neben einerPressekonferenz wird die Ausstellungdurch politische Gruppen aus der Nord-westschweiz, dem Alsace und aus Südba-

Dreiländeraktionen imOktober in StrasbourgUnterstützt die Dreiländer-Aktionswoche / Zweite Dreiländer-Demonstration

den eröffnet. Eine Zweite Dreiländerde-monstration soll in Strasbourg am Sams-tag den 30. Oktober stattfinden, eineGrenzaktion ist angedacht, eine Kundge-bung beim Zentralcomputer des Schen-geninformationssystem (CSIS), ein politi-sches Musikfestival, Filmveranstaltungen

und vieles mehr sind im Gespräch.Bündnis in Strasbourg / Alsace

In Strasbourg hat sich für die Drei-länderaktionen ein Bündnis beste-hend aus Solidarité Unité Demo-cratique (SUD /Gewerkschaft),CASAS, CLAPEST, der weitere40 Gruppen angeschlossen sind,Festival permanent contre le loisracisté, Ras l’front, Groupe Juillet1939 – Fédération Anarchiste, Li-

gue Communiste, Conféderation Nationaldu Travail (CNT) gebildet. Weitere Grup-pen werden zur Unterstützung im Alsaceangesprochen werden. Die Gruppen inMulhouse, die sich im Le collectif Mul-housien de Défense des Personnes Etran-gères (CMDPE) zusammengeschlossenund bereits die Dreiländer-Wanderausstel-lung mitorganisiert und in Mulhouse ge-zeigt haben, werden ebenfalls nach Stras-bourg aufrufen. Mit der nationalen Koor-dination der Sans Papiers in Paris soll ge-sprochen werden, ebenfalls die ca. 80Menschenrechts-, Flüchtlings- und Exi-lorganisationen aus der Schweiz, Frank-reich und Deutschland, die bereits 2002den Aufruf zur Dreiländerdemonstrationmitgetragen haben. Weitere Gruppen inSélestat und Colmar sollen für die Aktiongewonnen werden. In der Nordwest-schweiz wie in Südbaden finden Treffenvon UnterstützerInnen statt. Aufruf

Neben dem zentralen Aufruf werden dreikonkretisierende Ergänzungen die spe-zielle politische Entwicklung in Bezug aufdie Migrations- und Asylpolitik in dendrei Ländern aufzeigen. Der Aufruf unddie Ergänzungen werden mit dem Pro-gramm der Woche (vom 23. bis 31. Okt-ober 2004) in einem Aktionsheft in deut-scher und französischer Sprache veröf-fentlicht. Der zentrale Aufruf soll in ver-schiedenen Sprachen bekannt gemachtwerden.

Der zentrale Aufruf ruft für einen wei-teren Zusammenschluss im Dreiecklandauf und knüpft damit an das Dreiländer-Manifest aus dem Jahr 2002 an. Er sprichtsich für die Bewegungs- und Niederlas-sungsfreiheit aus, Grundrechte, die füralle gleich gelten müssen. Das „neue Eu-ropa“, das sämtliche Grenzen niedergeris-

sen hat, um der Zirkulation des Kapitalsden ungehinderten freien Lauf zu lassen,baut seine Außengrenzen zu einer „Fes-tung Europa“ für die Menschen auf. Seitder ersten Stunde des Schengener-Akom-mens ist das Programm der europäischenRegierungen klar. Flucht und Wanderungwerden immer mehr in die Ecke einer kri-minellen Tat gestellt, verfolgt und bestraft.Die Entwicklungen der Polizeien an denAußen- wie auch an den InnengrenzenEuropas geben der Exekutive immer mehrdie Legitimation der willkürlichen Kon-trolle, Überwachung und Festnahme.Selbst das lange Jahre hochgehalteneAsylrecht, das eigentlich Menschen, die inGefahr sind, Schutz gewähren soll, wirdimmer mehr zur Farce. Bei der Migra-tionspolitik wird besonders eines sehrdeutlich sichtbar, Menschenwürde zähltnicht mehr, es zählt nur noch die Rentabi-lität und die Höchstprofite. Dort, wo gera-de die menschliche Frage zentral ist, argu-mentieren die Regierungen der EU imwirtschaftlichen Sinne und ziehen ihreInteressen dem Leben von Kindern, Frau-en und Männern vor.

Der Aufruf aus Strasbourg endet mitfolgenden Worten:

„Damit es einen echten Wandel in derImmigrationspolitik Europas gibt, fordernwir:● die Legalisierung aller „Sans Papiers“● das Ende der Abschiebungen● die Freilassung aller inhaftierten „Sans

Papiers“● die Schließung aller Abschiebelager● Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit● Ein offenes Europa, das die Rechte und

Freiheiten der MigrantInnen respektiert. ● Gegen die Festung Europa.“Strasbourg

Für die politischen Gruppen aus den dreiLändern wird es wichtig sein, dass die Ak-tionswoche in Strasbourg ein weitererZwischenschritt und Erfolg wird. Stras-bourg ist nicht nur Sitz des europäischenParlamentes sondern auch Sitz des Euro-parates, ein zwischenstaatlicher Zu-sammenschluss von 40 Staaten, älter alsdie EG/EU. Über den Europarat wurdenpolitische wie soziale Rechte in der Euro-päischen Konvention formuliert, die si-cherlich auch Thema bei der Aktionswo-che werden.

Wer bei der Vorbereitung für die Ak-tionswochen einsteigen möchte, kann diestun. Ab dem 1. Juli finden zweiwöchent-lich Treffen in Strasbourg bis zum Okt-ober statt. Über die email-Adresse: [email protected] kannder Treffpunkt erfragt werden. was ■

meeinrichtungen. Während für Asylbe-werber der Aufenthalt dort auf maximaldrei Monate begrenzt ist, hat der „uner-laubt eingereiste“ Flüchtling in einerAufnahmeeinrichtung längstens „bis zurAussetzung der Abschiebung oder biszur Erteilung eines Aufenthaltstitels“ zuwohnen. Claus-Ulrich Prölß: „DieWohnsitznahme in einer Aufnahmeein-richtung ohne zeitliche Befristung öffnetdie Tür für eine Sonderbehandlung die-ses Personenkreises. Die Befürchtungliegt auf der Hand, dass die Unterbrin-gungspflicht zur Disziplinierungs- undAbwehrmaßnahme verkommt. DiesePraxis kennen wir in Köln ja bereits!“

Der Förderverein Kölner Flüchtlings-rat e.V. fordert die Abschaffung beste-hender und künftiger bundesweiter Ver-teilungsregelungen für Flüchtlinge.Gleichzeitig fordert der Verein die Ein-setzung und Finanzierung unabhängigerVerfahrensberatungsstellen für „uner-laubt eingereiste“ Flüchtlinge.

gez. Claus-Ulrich PrölßMobiltelefon: 0171 7992647

www.koelner-fluechtlingsrat.de ■

:antifaschistische nachrichten 13-200414

Witten-Herdecke und Petra Vollmer vonihren Erfahrungen beim Aufbau eines be-sonderen ambulanten Pflegedienstes fürNS-Verfolgte in Hamburg.

„Alter darf kein Hallraum für die ver-gangenen Schrecken dieser NS-Überle-benden sein“ fasste Moderator AlbrechtKieser die Ergebnisse der drei Arbeits-gruppen des Nachmittags zusammen. DieTeilnehmerinnen aus verschiedenenSparten der Altenhilfe und- Pflege, NS-Verfolgtenverbänden, Gedenkstätten undEntschädigungsbehörden waren sich ei-nig, dass es einen dringenden Handlungs-bedarf gibt. Durch Fortbildung der Pfle-gekräfte, besonderen Begegnungsmög-lichkeiten von NS-Opfern, spezialisiertenPflegediensten und ähnlichen Initiativenmuss der Retraumatisierung bei wach-sender Hilfsbedürftigkeit entgegenge-wirkt werden.

„Dieses Symposium stellt den Auftakteiner größeren Kampagne dar“ erläutertdie langjährige Mitarbeiterin des Bundes-verbandes, Sonja Schlegel. Sie hofft auf

Unterstützung eines breiten Bündnissesder politischen und sozialen KräfteKölns, um trotz Sparmaßnahmen dieKölner NS-Verfolgten in ihrem letztenLebensabschnitt nicht allein zu lassen.Bereits im Herbst möchte der Bundesver-band Information und Beratung für NS-Verfolgte mit einem wöchentlich stattfin-denden Café für NS-Opfer aus Köln undUmgebung den nächsten Schritt machen.

Ermöglicht wurde dieser bisher einma-lige Austausch durch eine finanzielleUnterstützung von Bündnis 90/Die Grü-nen im Landschaftsverband Rheinlandund des UNHCR (Hoher Flüchtlings-kommissar). Zum Jahresende werden dieBeiträge und die Ergebnisse in einer Ta-gungsdokumentation erscheinen. Auchüber das Grußwort von Bundestagspräsi-dent Wolfgang Thierse freuten sich dieVeranstalter.

Bundesverband Information & Bera-tung für NS-Verfolgte, Köln

[email protected]

Der Bundesverband Informationund Beratung für NS-Verfolgtee.V. in Zusammenarbeit mit dem

Psychotherapeutischen Arbeitskreis fürBetroffene des Holocaust veranstaltetenam Dienstag, den 22. Juni ein vielbeach-tetes eintägiges Symposium mit dem Ti-tel „Kein Ort deer Zuflucht für hilfsbe-dürftige NS-Verfolgte“. Über siebzigTeilnehmer von circa 50 Organisationenund Institutionen trafen sich in den Räu-men des Landschaftsverbands Rheinlandin Köln, um über eine Integration vonhochbetagten und hilfsbedürftigen Op-fern des NS-Regimes in die Einrichtun-gen der Altenhilfe und Altenpflege zudiskutieren.

Nach der Begrüßung gingen vier ein-führende Beiträge auf die besonderenProbleme von NS-Opfern in höherem Al-ter ein. Der Traumaexperte Peter Lieber-mann erläuterte sehr plastisch möglicheAuslöser in stationären und ambulantenPflegesituationen für eine Wiederkehrdes erlittenen Traumas, während die Ge-schäftsführerin des Bundes für Zwangs-sterilisierte und „Euthanasie“Opfer, Mar-gret Hamm anrührend drei unterschiedli-che Lebensläufe von NS-Zwangssterili-sierten skizzierte. Der Pflegewissen-schaftsdozent Dr. Wilfried Schnepp be-richtete aus einem laufenden Forschungs-projekt zum Thema an der Universität

Bundesverband richteteSymposium zu hilfsbedürf-tigen NS-Verfolgten aus

Demokratie verträgt keine Quarantäne Der Bundesvorstand der Roten Hilfee.V. protestiert gegen die vomInnenministerium geplanten Ver-

schärfungen des Versammlungsrechts.Von Verwaltungsgebühren für Auflagen-bescheide bis zum Wasserwerfereinsatzbei Minusgraden, ob totale Videoüberwa-chung durch Dokumentationstrupps derPolizei, Gefährderanschreiben, Meldeauf-lagen, Schlagstockeinsatz oder stunden-lange Einkesselungen: Dieses für Castor-GegnerInnen, GlobalisierungskritikerIn-nen oder AntifaschistInnen schon bekann-te Arsenal an „kleinen“ und großen, juris-tischen und faktischen Einschränkungs-möglichkeiten der Demonstrationsfreiheitbeweist, dass sich Polizei und Versamm-lungsbehörden in der Realität oft genug ei-nen Dreck um die hehren Worte desBundesverfassungsgerichts zur „grundle-genden Bedeutung“ des Versammlungs-grundrechts für Demokratie und Freiheitscheren. Doch das ist für das Bundesin-nenministerium offenbar noch nicht ge-nug. Wie aus den Medien zu erfahren ist,plant es eine Änderung des Versamm-lungsgesetzes, wonach an bestimmten Er-innerungsorten von „nationaler Bedeu-tung“ Demonstrationen grundsätzlich ver-boten oder beschränkt werden dürfen.Darüber hinaus sollen die Möglichkeitenfür ein konkretes Demonstrationsverboterweitert werden.

Hintergrund für die geplanten Bannmei-len um Gedenkstätten sind Befürchtungen

vor Nazi-Aufmärschen an dem in etwa ei-nem Jahr fertiggebauten Mahnmal für dieermordeten Juden Europas in Berlin. Des-halb sollen generelle Versammlungsbe-schränkungen und -verbote für Orte ver-hängt werden dürfen, die „in eindeutigerWeise an die Opfer einer organisiertenmenschenunwürdigen Behandlung“ erin-nern und die „als nationales Symbol fürdiese Behandlung anzusehen“ sind. Andiesen Orten könnte dann eine Versamm-lung, die geeignet sei „diese menschenun-würdige Behandlung der Opfer zu billi-gen, zu leugnen oder zu verharmlosen“leichter verboten oder mit Beschränkun-gen belegt werden.

Der Bundesvorstand der Roten Hilfee.V. befürchtet, dass diese Maßnahmen,die sich nur vordergründig gegen die men-schenverachtende Hetze von Neonazisrichten, auch zur Repression gegen Linkeeingesetzt werden können. Diese Erfah-rung konnte bereits mit der Einführungvon Dateien, in denen vermeintliche poli-tisch motivierte GewalttäterInnen erfasstwerden, gemacht werden. Öffentlichkeits-wirksam im kurzen Sommer des „Auf-stands der Anständigen“ als Instrumentgegen neofaschistische Gewalt verkauft,wurden gleichzeitig stillschweigend ent-sprechende Dateien für den Bereich„Links“ und „Ausländerextremismus“ ge-

schaffen. Ähnlich verhielt es sich mit Aus-reiseverboten, die zuerst gegen Hooligansim Vorfeld von Europa- oder Weltmeister-schaften angewandt wurden, danach aberauch gegen GlobalisierungsgegnerInnen,um sie an der Teilnahme von internationa-len Anti-Gipfel-Protesten zu hindern. EvaErle vom Bundesvorstand der Roten Hil-fe: „Einmal angenommen, das „Zentrumgegen Vertreibungen“ wird gebaut. Pro-blemlos lässt es sich bei einem entspre-chenden politischen Willen unter dieseVorschrift subsumieren. Jede antifaschisti-sche Demonstration, die sich gegen diemit diesem Zentrum geplante Verharmlo-sung der Nazi-Verbrechen durch dieGleichsetzung mit dem „deutschen Ver-treibungsschicksal“ richten würde, liefeGefahr, verboten werden zu können.“

Der Bundesvorstand der Roten Hilfee.V. protestiert aufs Schärfste gegen denVersuch, bestimmte Orte und Themen deröffentlichen Debatte zu entziehen, indemsie quasi unter Quarantäne gestellt wer-den. Er fordert deshalb alle Abgeordnetendes Bundestages auf, diesem Gesetzent-wurf ihre Zustimmung zu verweigern. Erruft alle demokratisch gesinnten Kräfteauf, diesem Angriff auf die Versamm-lungsfreiheit aktiv entgegenzutreten undihn abzuwehren.

Rote Hilfe e.V., www.rote-hilfe.de ■

:antifaschistische nachrichten 13-2004 15

Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. email: [email protected], Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. BachRedaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25,20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach,GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln.Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro.Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sindmöglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt.

Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinungder Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann.Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); AnnelieBuntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V.,Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke; Jochen Koeniger (Arbeitsgrup-pe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes derArbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereini-gung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.diThüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk.

16. Antifa-Camp Weimar/Buchenwald 24.7. bis 31.7. 2004Das diesjährige Antifa-Camp hat wieder jede Menge zu bieten. Neben denpraktischen Arbeitsprojekten auf und an der Gedenkstätte Buchenwald, u.a.im ehemaligen Steinbruch, den Gustloff-Werken (ehemaliger Rüstungsbe-trieb in Buchenwald) und dem so genannten „Pferdestall“ – der Genick-

schussanlage, in der Tausende Häftlinge ermordet wurden – gibt es zahlreiche Veran-staltungen und Diskussionsrunden. Ein Zeitzeugengespräch mit einem ehemaligenHäftling des Konzentrationslagers gehört genau so zum Programm, wie ein Vortragzu neonazistischen Strukturen in Thüringen.Es wird ein Eröffnungs- und Abschlusskonzert und ein tägliches Campkino mitWunschfilmbox geben. Das Camp beginnt am 24. Juli und endet am 31. Juli 2004.Natürlich können Leute, die nicht über den gesamten Zeitraum bleiben können, auchtageweise vorbeischauen. Der Unkostenbeitrag beträgt Euro 7,00 pro Tag/Teilnehmer(Geländemiete, Miete für sanitäre Einrichtungen, Verpflegung etc.). Zelte und dieentsprechenden Camping-Utensilien bitte nicht vergessen.Die Anreise ist ab 24. Juli, täglich ab 10.00 Uhr, in der Gerberstraße 01 in Weimar(besetztes Haus im Stadtzentrum) möglich. Von dort wird es einen Shuttle-Dienstzum eigentlichen Campgelände geben.

Kontakt und Anmeldung: c/o InfoladenSchlachthofstrasse 25 , 06844 Dessau, phone: 0340 - 266 02 -10 / fax: -12,

mail to: [email protected], site: www.antifacamp.de.vu

Dreieinhalb Jahre ist es her, dassdie Landsmannschaft Ostpreu-ßen ihren ersten Kommunalpo-

litischen Kongress abhielt. Nicht umKommunalpolitik in der Bundesrepu-blik ging es dabei, sondern um Kom-munalpolitik in Polen. Die „Heimat-kreise“ der Landsmannschaft, Zu-sammenschlüsse der ehemaligen Be-wohnerinnen und Bewohner eines heu-te polnischen Ortes, sprachen überMöglichkeiten, in ihrer „Heimat“ –also auf polnischem Territorium –mittels einer Kooperation mit den pol-nischen Gebietskörperschaften Mitbe-stimmungsmöglichkeiten zu erhalten.Sie bündelten mit dieser Tagung ver-schiedene Versuche, die einzelne Hei-matkreise seit Beginn der 1990er Jahreunternommen hatten.

Inzwischen hat die Landsmann-schaft Ostpreußen ihren dritten Kom-munalpolitischen Kongress hinter sichund wertvolle Erfahrungen in Kommu-nalpolitik auf fremdstaatlichem Terri-torium gewonnen. Als der Pommer-sche Kreis- und Städtetag – in ihmsind die „Heimatkreise“ der Pommer-schen Landsmannschaft versammelt –kürzlich bei einer Tagung in Polen„Vertriebene“ und Abgeordnete polni-scher Kommunen zusammenbrachte,konnte man sich über geeignete Me-thoden zum Auf- und Ausbau kommu-naler „Partnerschaften“ von erfahrenenPionieren berichten lassen. BerndHinz, stellvertretender Sprecher derLandsmannschaft Ostpreußen, über-nahm diese Aufgabe.

Hinz, so der Deutsche Ostdienst,„berichtete über die Entstehung, dieZielsetzung und die Wirkung der 16Partnerschaften, die seit dem Beginnder grenzüberschreitenden Arbeit derHeimatkreisgemeinschaften zu Beginnder neunziger Jahre begründet werdenkonnten. Die Zwischenbilanz dieserkommunalen Außenpolitik der ost-preußischen Heimatvertriebenen kannsich sehen lassen: Eine enge Zu-sammenarbeit auf kulturellem und hu-manitärem Gebiet, die Akzeptanz derostpreußischen Heimatkreisgemein-schaften seitens der Polen als ideelleGebietskörperschaften sowie die Auf-wertung der Deutschen Vereine in denHeimatkreisen sind unter anderem alsErgebnisse der partnerschaftlichenVerbindungen zu nennen.“

Das ostpreußische Vorbild hat offen-bar beeindruckt. „Der PommerscheKreis- und Städtetag“, resümiert derDeutsche Ostdienst, hat sich „demkommunalpolitischen Weg der Lands-mannschaft Ostpreußen angeschlos-sen“.

jk - nach DOD 6/2004

Sommer Sonne Antifa......lautet auch zum vierten Mal das Motto desAntifaschistischen Jugend-Camps in Oberhau-sen. Vom 22.7- 25.7.04 wird es Workshops,Seminare und Diskussionen, sowie AbendsPartys, Filme und ein Konzert geben. NebenGrundlagenveranstaltungen für Neueinsteige-rInnen, in denen es zum Beispiel um „Neona-zis auf dem Vormarsch“ und eine „Einführungin die Kritik des Antisemitismus“ gehen wird,werden in diesem Jahr zum Beispiel auch Ver-anstaltungen zur Kritischen Theorie, zur Kritikder Arbeit oder zum Begriff des Kommunismusangeboten. Insgesamt wird es während derdrei Tage zwölf Veranstaltungen und dreiWorkshops geben. Das Ganze findet wie je-des Jahr im Jugend- und Kulturzentrum Druck-luft (Am Förderturm 27 in 46049 Oberhau-sen) statt. Die Teilnahmegebühr beträgt 25Euro, dafür gibt es wahlweise vegane oder ve-getarische Vollverpflegung und Zeltplätze.Solltet ihr nur an einem der Tage teilnehmenkönnen, bieten wir auch Tageskarten an. Er-kundigt euch deswegen bei uns. In Kürze

könnt ihr das Programm auf der Homepage www.antifacamp.de abrufen.

A2K2 [westl. Ruhrgebiet] für die Campvorbereitung [ antifajugend.dorsten, Antifajugend Marl, Anti-fajugend Moers, Jugendantifa Essen, Jugendantifa Voerde ] www.antifacamp.de, mailto:[email protected]

: ostritt

:antifaschistische nachrichten 13-200416

BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)

O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro

O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro

O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro

O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro

O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro

O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziellund politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro).

Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten

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Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507

Erscheinungsweise:14-täglich

: aus der faschistischen presse

EU-Osterweiterung:Deutschland endlichwiedervereinigt

Nation und Europa 6/2004„,Freiheit‘, die sie meinen“ heißt dasSchwerpunktthema des Juniheftes von„Nation & Europa“. Illustriert wird derTitel von zwei Bildern: Rechts einMensch auf einer Kiste stehend, beklei-det mit einem sackähnlichen Umhangund einer Kapuze über dem Gesicht, anden Händen der ausgestreckten ArmeStromkabel. Ein Folteropfer der US-Ar-mee im Irak. Links daneben bekommtein Mann, dessen Kopf ebenfalls verhülltist, eine Schlinge um den Hals gelegt umgehenkt zu werden. Um ihn herum ste-hen ein Geistlicher und vier US-Solda-ten. Es handelt sich um die Hinrichtungeines Nazi-Kriegsverbrechers 1951 inLandsberg. Deutschland und der Irak –für N&E handelt es sich in beiden Fällenum von den USA unterdrückte Nationen.Um das gleiche auszudrücken benötigtHarald Neubauer fünf Seiten. „Wer sichin der Zeitgeschichte auskennt, kann sichüber die aktuellen Ereignisse im Irakkaum wundern. Deutsche Gefangenewurden im Zweiten Weltkrieg und auchnoch danach von US-Soldaten mißhan-delt, gefoltert und in nicht wenigen Fäl-len ermordet. Die politischen und militä-rischen Führer der Besiegten kamen aufdie Anklagebank, ins Zuchthaus und aufsSchafott“. Die Deutschen – Opfer derUSA.

Die andere Seite der Medaille ist dasBestreben, zumindest in Europa wiederdie erste Geige zu spielen. Franz Schön-huber gibt ihm eine Stimme: „Der Denk-ansatz, Europa zu einen, ist prinzipiellrichtig. Sich als überzeugter Europäer zubekennen, bedeutet keinen Verrat am ei-genen Volk. Im Gegenteil. Der Befür-worter Europas will die Isolierung

Deutschlands verhindern. Aber dies er-fordert ein selbstbewußtes, aus der ewi-gen Büßerhaltung heraustretendes Land.Es muß den Deutschen erlaubt sein, sicheinen leistungsangemessenen Platz imeuropäischen Haus zu sichern – undzwar im Zentrum, nicht an der Periphe-rie. Deshalb auch meine Bejahung einerführenden Rolle Kerneuropas, das vor al-lem auf der engen Zusammenarbeit zwi-schen Frankreich und Deutschland be-ruht“.

Wolfgang Schäuble hatte vor Jahrendie gleiche Idee. Schönhuber ist an ei-nem starken, oder nur gleichberechtigtenFrankreich aber gar nicht interessiert undzieht darum flugs die Trumpfkarte derRechte für nationale Minderheiten ausdem Ärmel: „Mehr Rechte für diedeutschstämmigen Oberschlesier, für dieSüdtiroler, Basken, Korsen und Fla-men...“. Damit wäre Deutschlandmit einer fünften Kolonne in Po-len und Italien gestärkt, Frank-reich aber geschwächt. Ein we-nig verwundert es nur, dass erdie Bretonen nicht nennt. Die dür-fen in ähnlichen Aufzählungenunterdrückter nationaler Minderheitenansonsten nicht fehlen.

Chancen für eine Änderung der Ergeb-nisse des Zweiten Weltkrieges durch dieOsterweiterung der EU sehen offensicht-lich auf der äußersten Rechten Einige.Sabine Pohling berichtet über einen Fallan der TU Braunschweig. Dort hatte dieBurschenschaft Thuringia ein Plakat inihren Schaukasten gehängt, auf dem eshieß: „Wir begrüßen Schlesien, West-preußen, Pommern, Süd-Ostpreußen unddas Sudetenland in der EU. Ein großerSchritt für Europa – ein größerer Schrittfür Deutschland“. Ähnlich sieht das Lia-ne Hesselbarth, Fraktionsvorsitzende derDVU im brandenburgischen Landtag:„Fast das gesamte angestammte Sied-

lungsgebiet des deutschen Volkes, wie esHoffmann von Fallersleben in seinem,Lied der Deutschen‘ geographisch um-schrieben hat, ist jetzt in der Europäi-schen Union vereinigt. Von der Maas bisan die Memel, von der Etsch bis an denBelt – jetzt ist Deutschland wiederver-einigt... und für Nord-Ostpreußen findetsich auch noch eine Lösung“.

Und ihr Fraktionskollege Sigmar-Pe-ter Schuldt legt noch einen drauf: „Die,mörderische Vertreibung‘ von MillionenDeutschen aus ihrer Heimat werde mitder EU-Aufnahme der Vertreiberstaaten,quasi nachträglich zum europäischenRecht‘. Das könne auf Dauer nicht sobleiben“. Wer diese Aussagen als Dro-hung versteht, irrt bestimmt nicht.

In Zeiten der Massenarbeitslosigkeitverderben berufstätige Frauen nur dieStatistik und sollen deshalb möglichstschnell wieder Hausfrauen werden. Bei

dem seriösen deutschen Professorder Bevölkerungswissenschaft

Herwig Birg liest sich das so:„Um zu mehr Kindern zukommen, sieht Birg die Lö-sung nicht bereits darin,daß allen Frauen ermög-

licht werde, Familienarbeitund Erwerbstätigkeit zu ver-

binden.... Besser sei es, Frauen zuermöglichen, vollzeitlich für ihre Kinderda zu sein. Die Gehirnforschung habe er-geben, daß Kinder für eine positive Ent-wicklung ein Urvertrauen benötigten.Dies bekämen sie nur, wenn sie 24 Stun-den eine Bezugsperson hätten, nicht aberden Wechsel zwischen Tagesmutter undleiblicher Mutter“.

Bringfriede Jung, Leserbriefschreibe-rin aus Fahrenbach, ist der gleichen Mei-nung, drückt sie aber deutlicher aus:„Schuld daran ist die völlig fehlverstan-dene Formel von der ,Emanzipation derFrau‘. Früher hieß ,Gleichberechtigung‘,daß die für unser Volk höchst wichtigeAufgabe der Frau, die kommende Gene-ration in einer Familie zu erziehen, derArbeit des Mannes gleichgestellt wurde.Die Frau sollte ihre Stimme – gerade fürdie Familie – erheben, und allen Frauenohne Familie sollten die von ihnen ge-wünschten Berufe offenstehen. Statt des-sen fingen die Frauen an, ,sich selbst zuverwirklichen‘. In Wirklichkeit lief dasdarauf hinaus, dem Mann hinterherzuhe-cheln, in dem Bestreben, zu zeigen, daßdie Frau alles ,genauso konnte wie derMann‘. Also: Gleichmacherei stattGleichberechtigung. ... Es mag unzeitge-mäß klingen: Wir brauchen nicht mehrKindergarten-Plätze, sondern richtigeMütter. Allerdings dürfte deren Rolleauch nicht mehr öffentlich disqualifiziertwerden. Vielmehr müßten diese Frauenin ihrem Wert für unser sterbendes Volkendlich die ihnen gebührende Anerken-nung erfahren“.

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