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Diagnostik im Dialog • Ausgabe 40 • 5/2013 17 in < 10 4 , 10 4 – 10 5 und > 10 5 Kopien/ml unterteilt (Abb.). Die Gruppe mit HBV-DNA unter 10 4 Kopien/ml zeigt insgesamt, wie oben beschrieben, ein geringes HCC-Risiko. Die zusätzliche Messung von HBsAg erlaubt allerdings eine genauere Differenzie- rung dieser „low-risk“-Patienten: Gegen- über einem niedrigen HBsAg-Wert von < 100 IU/ml (Referenz) beträgt die HCC- Inzidenz bei mittleren HBsAg-Titern (100 – 999 IU/ml) das 3-Fache und bei HBsAg > 1 000 IU/ml das über 5-Fache. Auch bei mittleren und hohen HBV- DNA-Konzentrationen erlaubt die zusätz- liche Bestimmung von HBsAg eine dif- ferenziertere Risikobetrachtung (Abb.). HBV-DNA und HBsAg sind damit zwei relevante und unabhängige Prognosefak- toren für die Entwicklung eines HCC bei Patienten mit chronischer Hepatitis B. Die Autoren empfehlen eine quantitative Erfassung beider Marker – insbesondere dann, wenn die HBV-DNA niedrig ist. Kopien/ml etwa 2-fach und bei > 10 5 Kopien/ml etwa 6-fach höher. O Die erst kürzlich publizierte soge- nannte ERADICATE-B-Studie** hat diese Erkenntnisse verifiziert 3) . HBsAg für das „unsichtbare“ Risiko Bei Patienten mit niedrigen HBV-DNA- Werten zwischen 300 und 10 000 Kopien/ ml ist die Stratifizierung hinsichtlich HCC-Risiko schwierig, aber klinisch rele- vant. Denn in diesem Bereich finden sich neben den „inaktiven Trägern“ mit guter Prognose und ohne Therapieindikation auch behandlungsbedürftige Patienten mit deutlich schlechterer Prognose 1) . Die Autoren der REVEAL-HBV-Studie wählten daher einen weiteren Ansatz. Sie bestimmten aus gefrorenem Probenma- terial zusätzlich die HBsAg-Titer (Elec- sys T HBsAg II quant) 2) . Zur Auswertung kamen aus dem ursprünglichen Kollek- tiv die Daten von 3 411 Patienten, die 17 Jahre lang beobachtet worden waren. Die Studienteilnehmer wurden entsprechend ihrer HBsAg-Werte in die Kategorien < 100, 100 – 999 und > 1 000 IU/ml sowie in Abhängigkeit ihrer HBV-DNA-Titer Literatur: 1) Chen et al.: JAMA (2006); 295: 65-73 2) Chen et al.: 62nd AASLD (2011); Abstract 1095 3) Tseng et al.: Gastroenterology (2012); 141: 517-525 * REVEAL-Studie: Risk Elevation of Viral Load Eleva- tion and Associated Liver disease ** ERADICATE-B-Studie: Elucidation of Risk Factors for Disease Control or Advancement in Taiwanese Hepatitis B Carriers Dr. Bernd Neufeld Produktmanagement Immunologie 0621 759-3640 [email protected] Abb. : Relative HCC-Inzidenz in Abhängigkeit von HBV-DNA und HBsAg (modifiziert aus 2) 5,7 2,9 1,0 Relatives HCC-Risiko 15 12 9 6 3 0 HBV DNA < 10 4 10 4 – 10 5 > 10 5 HBsAg < 100 100 – 999 > 1000 6,1 4,2 1,5 13,3 11,1 5,6 dem Titel „Mit welchen Fallstricken ist beim Einsatz der neuen oralen Antiko- agulanzien zu rechnen?“ unter anderem auf folgende Missverständnisse hin: O NOAC seien wirksamer als bisherige Antikoagulanzien O Unter NOAC blute es weniger als unter herkömmlicher oraler Antiko- agulation O NOAC seien ein preiswerter Ersatz für niedermolekulares Heparin (NMH) in der ambulanten Medizin Die Antikoagulation bleibt auch mit den neuen Wirkstoffen anspruchsvoll. Um hämorrhagischen oder thromboembo- lischen „Unfällen“ vorzubeugen, gilt es, zahlreiche Aspekte zu beachten. Hierzu zählt zunächst der indikationsgerechte Einsatz der Medikamente: Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban sind für die Thrombosephrophylaxe bei Hüft- und Kniegelenksersatz sowie bei nicht val- vulär bedingtem Vorhofflimmern zuge- lassen, Rivaroxaban darüber hinaus zur Therapie bei venöser Thrombose. Von einem „off-label“-Gebrauch ist unbedingt abzuraten und ein „no go“ ist die Verord- nung bei mechanischem Herzklappener- satz und als Überbrückungsmedikation statt der Vitamin K-Antagonisten (VKA) vor geplanten Operationen. Für eine sichere Antikoagulation müs- sen, genau wie bei den VKA, Patient bzw. Betreuungsperson zu Therapiebeginn und danach in regelmäßigen Abständen immer wieder über die Risiken aufge- klärt werden. Und ganz praktisch gilt: Die Patienten benötigen einen Antikoagulan- zien-Pass, der wie beim Marcumaraus- weis aus langlebigem Material gefertigt ist. In der Realität erweist sich der schein- bar einfache Einsatz der NOAC hinsicht- „Brisante Fragen an das Gerinnungsla- bor“ lautet der Titel des jährlichen Roche Symposiums beim Kongress der Gesell- schaft für Thrombose- und Hämostase- forschung (GTH). Es ist ein Thema, das immer wieder brennend interessiert. Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAC) sind wohl doch nicht so simpel in der Anwendung, wie gehofft. Bei den Kom- binationstherapien zur Hemmung der Thrombozytenfunktion und der plasmati- schen Gerinnung bedarf das höhere Blu- tungsrisiko besonderer Beachtung. Die Testung der Thrombozytenfunktion unter aggregationshemmender Therapie kann und sollte besonders nach Koronarinter- ventionen als diagnostischer und prog- nostischer Marker genutzt werden. Fallstricke der NOAC Prof. Dr. Schellong aus dem Kranken- haus Dresden-Friedrichsstadt wies unter Medizin Antikoagulation richtig gemacht

Antikoagulation richtig gemacht - roche.de · HBsAg < 100 100 – 999 > 1000 6,1 4,2 1,5 13,3 11,1 5,6 dem Titel „Mit welchen Fallstricken ist beim Einsatz der neuen oralen

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in < 104, 104 – 105 und > 105 Kopien/ml unterteilt (Abb.).

Die Gruppe mit HBV-DNA unter 104 Kopien/ml zeigt insgesamt, wie oben beschrieben, ein geringes HCC-Risiko. Die zusätzliche Messung von HBsAg erlaubt allerdings eine genauere Differenzie-rung dieser „low-risk“-Patienten: Gegen-über einem niedrigen HBsAg-Wert von < 100 IU/ml (Referenz) beträgt die HCC-Inzidenz bei mittleren HBsAg-Titern (100 – 999 IU/ml) das 3-Fache und bei HBsAg > 1 000 IU/ml das über 5-Fache.

Auch bei mittleren und hohen HBV-DNA-Konzentrationen erlaubt die zusätz-liche Bestimmung von HBsAg eine dif-ferenziertere Risikobetrachtung (Abb.). HBV-DNA und HBsAg sind damit zwei relevante und unabhängige Prognosefak-toren für die Entwicklung eines HCC bei Patienten mit chronischer Hepatitis B.

Die Autoren empfehlen eine quantitative Erfassung beider Marker – insbesondere dann, wenn die HBV-DNA niedrig ist.

Kopien/ml etwa 2-fach und bei > 105 Kopien/ml etwa 6-fach höher.

ODie erst kürzlich publizierte soge-nannte ERADICATE-B-Studie** hat diese Erkenntnisse verifiziert 3).

HBsAg für das „unsichtbare“ RisikoBei Patienten mit niedrigen HBV-DNA-Werten zwischen 300 und 10 000 Kopien/ml ist die Stratifizierung hinsichtlich HCC-Risiko schwierig, aber klinisch rele-vant. Denn in diesem Bereich finden sich neben den „inaktiven Trägern“ mit guter Prognose und ohne Therapieindikation auch behandlungsbedürftige Patienten mit deutlich schlechterer Prognose 1).

Die Autoren der REVEAL-HBV-Studie wählten daher einen weiteren Ansatz. Sie bestimmten aus gefrorenem Probenma-terial zusätzlich die HBsAg-Titer (Elec-sysT HBsAg II quant) 2). Zur Auswertung kamen aus dem ursprünglichen Kollek-tiv die Daten von 3 411 Patienten, die 17 Jahre lang beobachtet worden waren. Die Studienteilnehmer wurden entsprechend ihrer HBsAg-Werte in die Kategorien < 100, 100 – 999 und > 1 000 IU/ml sowie in Abhängigkeit ihrer HBV-DNA-Titer

Literatur: 1) Chen et al.: JAMA (2006); 295: 65-73 2) Chen et al.: 62nd AASLD (2011); Abstract 1095 3) Tseng et al.: Gastroenterology (2012); 141: 517-525

* REVEAL-Studie: Risk Elevation of Viral Load Eleva-tion and Associated Liver disease

** ERADICATE-B-Studie: Elucidation of Risk Factors for Disease Control or Advancement in Taiwanese Hepatitis B Carriers

Dr. Bernd Neufeld Produktmanagement Immunologie 0621 [email protected]

Abb.: Relative HCC-Inzidenz in Abhängigkeit von HBV-DNA und HBsAg (modifiziert aus 2)

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0HBV DNA < 104 104 – 105 > 105

HBsAg < 100 100 – 999 > 1000

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dem Titel „Mit welchen Fallstricken ist beim Einsatz der neuen oralen Antiko-agulanzien zu rechnen?“ unter anderem auf folgende Missverständnisse hin:ONOAC seien wirksamer als bisherige

AntikoagulanzienOUnter NOAC blute es weniger als

unter herkömmlicher oraler Antiko-agulation

ONOAC seien ein preiswerter Ersatz für niedermolekulares Heparin (NMH) in der ambulanten Medizin

Die Antikoagulation bleibt auch mit den neuen Wirkstoffen anspruchsvoll. Um hämorrhagischen oder thromboembo-lischen „Unfällen“ vorzubeugen, gilt es, zahlreiche Aspekte zu beachten. Hierzu zählt zunächst der indikationsgerechte Einsatz der Medikamente: Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban sind für die Thrombosephrophylaxe bei Hüft- und

Kniegelenksersatz sowie bei nicht val-vulär bedingtem Vorhofflimmern zuge-lassen, Rivaroxaban darüber hinaus zur Therapie bei venöser Thrombose. Von einem „off-label“-Gebrauch ist unbedingt abzuraten und ein „no go“ ist die Verord-nung bei mechanischem Herzklappener-satz und als Überbrückungsmedikation statt der Vitamin K-Antagonisten (VKA) vor geplanten Operationen.

Für eine sichere Antikoagulation müs-sen, genau wie bei den VKA, Patient bzw. Betreuungsperson zu Therapiebeginn und danach in regelmäßigen Abständen immer wieder über die Risiken aufge-klärt werden. Und ganz praktisch gilt: Die Patien ten benötigen einen Antikoagulan-zien-Pass, der wie beim Marcumaraus-weis aus langlebigem Material gefertigt ist. In der Realität erweist sich der schein-bar einfache Einsatz der NOAC hinsicht-

„Brisante Fragen an das Gerinnungsla-bor“ lautet der Titel des jährlichen Roche Symposiums beim Kongress der Gesell-schaft für Thrombose- und Hämostase-forschung (GTH). Es ist ein Thema, das immer wieder brennend interessiert. Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAC) sind wohl doch nicht so simpel in der Anwendung, wie gehofft. Bei den Kom-binationstherapien zur Hemmung der Thrombozytenfunktion und der plasmati-schen Gerinnung bedarf das höhere Blu-tungsrisiko besonderer Beachtung. Die Testung der Thrombozytenfunktion unter aggregationshemmender Therapie kann und sollte besonders nach Koronarinter-ventionen als diagnostischer und prog-nostischer Marker genutzt werden.

Fallstricke der NOACProf. Dr. Schellong aus dem Kranken-haus Dresden-Friedrichsstadt wies unter

Medizin

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prophylaktisch eine Blutprobe zu ent-nehmen und zurückzustellen, um gege-benenfalls später feststellen zu können, bei welchem Medikamentenspiegel der Eingriff erfolgte.

Essenziell für den sicheren Umgang mit den NOAC, dies betonte Schellong mehr-fach, ist die Kenntnis ihrer Pharmakody-namik und -kinetik, also auf welche Weise und wie schnell die einzelnen Wirkstoffe verstoffwechselt werden. Bei nierenin-suffizienten Patienten beispielsweise ist die Kumulationsgefahr von Xa-Inhibi-toren geringer (30 % renale Elimination) als vom Thrombininhibitor Dabigatran (über 80 % renale Elimination). Dabiga-tran dagegen ist aufgrund seiner geringen Proteinbindung dialysierbar, Xa-Hemmer nicht.

KombinationstherapienWas gilt es bei Kombinationstherapien zu beachten? Diese Frage behandelte der Vortrag von Prof. Dr. Dempfle aus der Gerinnungspraxis Mannheim. Kombi-nationstherapien – die Verbindung von Antikoagulation und Aggregationshem-mung – ist häufig erforderlich fürOPatienten mit Vorhofflimmern (VHF)

und Koronarer Herzkrankheit (KHK)OPatienten mit VHF und Stentimplan-

tation wegen Akutem Koronarsyn-drom (ACS)

Die Einnahme mehrerer Medikamente mit unterschiedlichen Angriffsorten innerhalb des Gerinnungssystems erhöht das Blutungsrisiko. Dies wird bewusst in

Kauf genommen, um die erforderlichen antithrombotischen Effekte zu erzielen. Bezüglich hämorrhagischem Risiko bei Verwendung der NOAC statt der VKA ist die Datenlage derzeit eher dünn. Bekannt ist ein geringeres Blutungsrisiko bei Dabi-gatran + Aggregationshemmer vergli-chen mit der Kombination aus VKA und Plättcheninhibitoren. Für Rivaroxoban, Apixaban und Edoxaban liegen keine diesbezüglichen Daten vor. Die zentrale Frage „Wie lange müssen Patienten mit einer Kombinationstherapie behandelt werden?“ ist zurzeit ebenfalls nicht defi-niert. Die wenig konkrete Anwendungs-formel lautet daher: So lange wie nötig, so kurz wie möglich.

Das jeweilige Blutungsrisiko addiert sich immer aus den therapiebedingten Fakto-ren Intensität und Dauer der Antikoagu-lation (mehr Blutungsereignisse zu The-rapiebeginn) mit patientenindividuellen Gegebenheiten, wie:OQualität der Einstellung (Compliance,

Kontroll-Disziplin, Aufklärungsstatus)OAlterOSturzgefahrOGenetische FaktorenOAlkoholkonsumOLeberfunktionsstörung („Spontan-

Quick“ vermindert)OVit. K-MangelOHerzinsuffizienzOThrombozytopenieOEinnahme von nicht steroidalen Ent-

zündungshemmern (Ibuprofen, Diclo-fenac, …) oder Ginko-Präparaten

Es gibt Scores zur Abschätzung der indi-viduellen Blutungsgefährdung, in der auch oben genannte Faktoren Anwen-dung finden.

Intrakranielle Blutungen sind besonders gefürchtet. Auslöser dafür können seinOHypertensive KriseOKopfverletzungOAneurysma-RupturOMikroangiopathieOTumor bzw. Metastasen im GehirnOBestimmte Begleitmedikamente

Sollen Patienten mit kombinierter Anti-koagulation bezüglich Therapieintensi-tät abgeklärt werden (z.B. bei Blutungen oder präoperativ) ist – je nach Antikoagu- lanz – ein unterschiedliches Vorgehen erforderlich:

lich Therapiesicherheit schwieriger als die VKA, mit den regelmäßig notwendigen Kontrollen und den damit verbundenen Arztkonsultationen.

Wie ist mit NOAC vor elektiven Proze-duren umzugehen, ohne den Patienten zu gefährden? Die Erfahrung mit den her-kömmlichen VKA zeigt, dass beim anti-koagulatorischen „Bridging“ (zeitweise Überlappung mit Heparin zum Aus- bzw. wieder Einschleichen der VKA) nicht die von allen gefürchtete Thrombose das Pro-blem ist, sondern die Blutung, insbeson-dere am 1. – 3. Tag postoperativ. Patienten mit NOAC benötigen kein präoperatives „Bridging“ und die Medikation sollte – in Abhängigkeit vom Prozedur-bedingten Blutungsrisiko – frühestens am Tag nach der Operation neu beginnen. NOAC

haben eine deutlich kürzere Wirk-dauer als VKA. Die medizinisch sichere Beschreibung des antikoagulationsfreien Intervalls lautet daher: „Letzte Dosis xy Stunden vor dem Eingriff “ (und nicht „xy Tage vorher absetzen“).

Notfalleingriffe unter NOAC geraten mit-unter zum Vabanquespiel. Im Gegensatz zu den VKA existiert kein Antidot! Sind Operationen wirklich dringlich, bleibt letztlich nur das Motto „Augen zu und durch“! Die Anamnese (falls möglich) kann zur Klärung des aktuellen antiko-agulatorischen Status beitragen: Wann wurde was zuletzt eingenommen? Mit dieser Kenntnis lässt sich über die HWZ der Wirkspiegel abschätzen. Wichtig ist,

Roc

he

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die Daten aus vielen Studien folgender-maßen zusammen:ODas Risiko einer Re-Stenose nach

Stenteinlage ist unter Clopidogrel bei low- oder non-respondern eindeutig höher als bei normal reagierenden Patienten.

ODie Kontrolle der Clopidogrel-Wirk-samkeit mittels Thrombozytenfunk-tionsmessung ist sowohl diagnostisch als auch prognostisch hochrelevant. Die Rate an Re-Stenosen und anderen schweren kardialen Komplikatio-nen 30 Tage (Endpunkt der meisten Studien) nach Stentintervention ist statistisch hochsignifikant verschie-den. Low- und non-responder sollten daher eine angepasste Clopidogrel-Dosierung oder alternative Aggrega-tionshemmer erhalten.

Bei der Therapie mit VKA dienen die INR-Bereiche als therapeutisches Fens-ter. Die Definition allgemein gültiger therapeutischer Bereiche wäre auch für die P2Y12-Antagonisten wünschens- wert, ist aber derzeit nicht realisiert. Immerhin gibt es für Patienten nach Stenteinlage unter Clopidogrel-Therapie einen validierten anzustrebenden thera-peutischen Bereich, wenn die Kontroll-messungen mit dem MultiplateT Analyzer erfolgen: AUC (Area under the curve) 19 – 47.

Eine spannende Frage ist, ob sich die Thrombozytenfunktionsmessung zur Steuerung einer individualisierten ag-gregationshemmenden Therapie eignet. Einige (große) Studien (GRAVITAS, ARTIC) dazu geben eine scheinbar ein-deutige Antwort: Nein! Die Diskussion darüber ist dennoch in vollem Gange. Es gibt etliche Kritikpunkte an den Studien-designs, z.B. bezüglich der untersuchten Kollektive und der dort verwendeten Plättchenfunktionstests. Offensichtlich gibt es relevante Unterschiede in der Eig-nung kommerzieller Testsysteme für die individuelle Therapiesteuerung mit Plätt-cheninhibitoren. Denn Pilotstudien unter Verwendung des spezifisch messenden MultiplateT Analyzers sind vielverspre-chend. Es gilt jetzt, die ersten positiven Ergebnisse in größeren, randomisierten Untersuchungen mit genau definier-ten Kollektiven (z.B. ACS-Patienten mit Stentinterventionen) zu verifizieren. Für

Sibbing ist das letzte Wort bei der indivi-dualisierten plättchenhemmenden Thera-pie noch nicht gesprochen!

Last but not least könnte die Thrombo-zytenfunktionsdiagnostik auch für ein Langzeitmonitoring sinnvoll sein. Bei-spielsweise stellt sich die Frage, ob ein ACS-Patient potentere Plättchenhem-mer (Prasugrel, Ticagrelor) als Clopido-grel wirklich über 12 Monate benötigt. Diese neuen Wirkstoffe sind nicht nur teurer, sie induzieren aufgrund ihrer stärkeren Aggregationshemmung vor allem ein deutlich höheres Blutungsri-siko. Ein Alternativkonzept könnte sein, im Anschluss an die akute Phase nach Stenteinlage auf Clopidogrel und ein regelmäßiges Monitoring umzustellen. Auch dieser Hypothese müssen geeignete Studien nachgehen.

GTH 2014Das GTH-Symposium hat einige Antwor-ten gegeben, viele „brisante Fragen“ im Kontext antikoagulatorischer und aggre-gationshemmender Therapien aber sind weiterhin offen oder stellen sich neu. Das Symposium ist daher auch für die GTH 2014 in Wien fest eingeplant.

OUnter VKA dient der INR-Wert zur Beurteilung der aktuellen Gerin-nungshemmung.

ODie NOAC benötigen definitions-gemäß keine Wirkungskontrolle, in dezidierten klinischen Situationen (siehe oben) sollten jedoch die Nie-ren- und Leberparameter gemessen werden. NOAC beeinflussen die Glo-baltests der Gerinnung unspezifisch und wirkstoff individuell. Soll unter Einnahme von NOAC das Hämostase-potenzial des Patienten abgeschätzt werden, muss die Blutabnahme dafür im Talspiegel der NOAC erfolgen. Zusätzlich ist die Messung des Wirk-stoffspiegels erforderlich, sonst sind die Ergebnisse der Gerinnungstests nicht interpretierbar.

Die Einschätzung der primären Hämo-stase gelingt mit der Thrombozytenzahl und geeigneten Thrombozytenfunktions-tests.

Thrombozytenfunktionstests – wann?Dr. Sibbing von der Medizinischen Kli-nik und Poliklinik I der Ludwig Maxi-milians Universität richtete den Fokus seines Vortrags „Thrombozytenfunk-tionsdiagnostik – (wann) ist ein Moni-toring sinnvoll?“ auf ein Thema mit hoher Aktualität und Bedeutung: die Koronarinterventionen.

In der Pathogenese eines ACS spielen die vermehrte Aktivierung und Aggregation der Blutplättchen eine zentrale Rolle. Patienten erhalten daher Plättcheninhi-bitoren gegebenenfalls in Kombination mit einer Stenteinlage zur mechanischen Erweiterung verengter Gefäßbereiche. Das Medikament der Wahl ist häufig Clo-pidogrel, ein ADP Rezeptorantagonist. Er verhindert irreversibel die Bindung von ADP an seinen spezifischen Rezeptor P2Y12 als Voraussetzung für die Plätt-chenaktivierung. Clopidogrel hat – bei etlichen Pluspunkten gegenüber anderen Wirkstoffen – einen „Makel“: Die Ver-stoffwechslung zum aktiven Metaboliten ist komplex, daraus resultieren interindi-viduelle Dosis-Wirkungs-Schwankungen. Etwa bei jedem fünften Patienten reicht die Standarddosierung Clopidogrel nicht aus („low-responder“ und „non-respon-der“) (Zechmeister et al.: Clin Res Cardiol (2010); 99, Suppl : V 1728). Sibbing fasste

Dr. Christine Hettmann-DreuwProduktmanagement Gerinnung0621 759-2392christine.hettmann-dreuw @roche.com