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Vermessungsingenieurtag 2000 Anwendung ingenieurgeodätischer Methoden in der Polarforschung, dargestellt an einem Grönland-Projekt 1-1 Anwendung ingenieurgeodätischer Methoden in der Polarforschung, dargestellt an einem Grönland-Projekt Prof. Dr.-Ing. Manfred Stober HfT Stuttgart, Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart Tel.: 0711-121 2563, Fax: 0711-121 2556 [email protected] 1 Definition und Aufgaben der Ingenieurvermessung Unter Ingenieurvermessung oder -geodäsie versteht man Vermessungsarbeiten, die der techni- schen Planung, der Absteckung und der Überwachung von technischen Objekten, meist aus dem Bereich des Bauingenieurwesens oder, bei kleineren Objekten, aus dem Bereich des Maschinenbaus, dienen. In diesem Fall spricht man auch von industrieller Messtechnik. Aufgabenkomplexe der Ingenieurvermessung sind: Aufnahme und Darstellung des örtlichen Bestandes, Absteckung und geometrische Kontrolle , Überwachung des Bauwerkes, insbesondere auf horizontale und vertikale Veränderungen während und nach Vollendung der Bauphase. Die Bestimmung zeitlicher Veränderungen (Verformungen) kann sich auf Objekte ganz unter- schiedlicher Ausdehnung beziehen. Vom Großen ins Kleine sind einige Beispiele zu nennen: Kontinentaldrift, rezente Erdkrustenbewegungen, Hangrutschungen, Einflüsse bergbaulicher Maßnahmen, Bauwerksdeformationen. Die anzuwendenden Meßmethoden zeichnen sich durch höchste Ansprüche in der Messgenau- igkeit aus, da die Bewegungen oft sehr langsam ablaufen (z. B. regionale tektonische Vor- gänge), die Veränderungen nur klein sind und dennoch mit genügender Signifikanz ermittelt werden müssen. Bei einigen Spezialanwendungen, wie bei der Untersuchung des dynamischen Verhaltens von Bauwerken unter bestimmten Betriebsbedingungen (z. B. Schwingungen), ver- laufen die Bewegungen dagegen sehr schnell ab und erfordern ein zeitlich hochauflösendes Messverfahren. Fast immer wird hierzu das Bauwerk oder das zu überwachende flächenhafte Gebiet mittels vermarkter Punkte konkretisiert, deren Positionen in verschiedenen Epochen bestimmt werden, um aus dem Epochenvergleich die Veränderungen abzuleiten. Für die Datumsfestlegung genügt je nach Aufgabenstellung entweder ein freies Netz mit anschließender Analyse über deformierte und stabile Punkte (z. B. PELZER 1971, ILLNER 1985), oder es bedarf der Hypo- these fester unveränderlicher Stützpunkte, die außerhalb des Deformationsbereiches liegen, an die das Deformationspunktfeld angeschlossen wird (MILEV 1973). Wenn nur relative Verände- rungen (Bewegungen) interessieren, ist der Anschluss an das Landesnetz nicht unbedingt erfor- derlich. In vielen Fällen kommt es nur auf die Bewegung in einer Komponente (Lage oder Höhe) an. Deshalb hat es sich bewährt, die Messverfahren der Präzisionswinkel- und Streckenmessung

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Vermessungsingenieurtag 2000

Anwendung ingenieurgeodätischer Methoden in der Polarforschung, dargestellt an einem Grönland-Projekt

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Anwendung ingenieurgeodätischer Methoden in der Polarforschung, dargestellt an einem Grönland-Projekt Prof. Dr.-Ing. Manfred Stober HfT Stuttgart, Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart Tel.: 0711-121 2563, Fax: 0711-121 2556 [email protected] 1 Definition und Aufgaben der Ingenieurvermessung Unter Ingenieurvermessung oder -geodäsie versteht man Vermessungsarbeiten, die der techni-schen Planung, der Absteckung und der Überwachung von technischen Objekten, meist aus dem Bereich des Bauingenieurwesens oder, bei kleineren Objekten, aus dem Bereich des Maschinenbaus, dienen. In diesem Fall spricht man auch von industrieller Messtechnik. Aufgabenkomplexe der Ingenieurvermessung sind: Aufnahme und Darstellung des örtlichen Bestandes, Absteckung und geometrische Kontrolle, Überwachung des Bauwerkes, insbesondere auf horizontale und vertikale Veränderungen

während und nach Vollendung der Bauphase. Die Bestimmung zeitlicher Veränderungen (Verformungen) kann sich auf Objekte ganz unter-schiedlicher Ausdehnung beziehen. Vom Großen ins Kleine sind einige Beispiele zu nennen: Kontinentaldrift, rezente Erdkrustenbewegungen, Hangrutschungen, Einflüsse bergbaulicher Maßnahmen, Bauwerksdeformationen. Die anzuwendenden Meßmethoden zeichnen sich durch höchste Ansprüche in der Messgenau-igkeit aus, da die Bewegungen oft sehr langsam ablaufen (z. B. regionale tektonische Vor-gänge), die Veränderungen nur klein sind und dennoch mit genügender Signifikanz ermittelt werden müssen. Bei einigen Spezialanwendungen, wie bei der Untersuchung des dynamischen Verhaltens von Bauwerken unter bestimmten Betriebsbedingungen (z. B. Schwingungen), ver-laufen die Bewegungen dagegen sehr schnell ab und erfordern ein zeitlich hochauflösendes Messverfahren. Fast immer wird hierzu das Bauwerk oder das zu überwachende flächenhafte Gebiet mittels vermarkter Punkte konkretisiert, deren Positionen in verschiedenen Epochen bestimmt werden, um aus dem Epochenvergleich die Veränderungen abzuleiten. Für die Datumsfestlegung genügt je nach Aufgabenstellung entweder ein freies Netz mit anschließender Analyse über deformierte und stabile Punkte (z. B. PELZER 1971, ILLNER 1985), oder es bedarf der Hypo-these fester unveränderlicher Stützpunkte, die außerhalb des Deformationsbereiches liegen, an die das Deformationspunktfeld angeschlossen wird (MILEV 1973). Wenn nur relative Verände-rungen (Bewegungen) interessieren, ist der Anschluss an das Landesnetz nicht unbedingt erfor-derlich. In vielen Fällen kommt es nur auf die Bewegung in einer Komponente (Lage oder Höhe) an. Deshalb hat es sich bewährt, die Messverfahren der Präzisionswinkel- und Streckenmessung

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für die Lage, sowie das Präzisionsnivellement (z. B. STOBER 1979) oder die trigonometrische Höhenmessung mit gleichzeitig-gegenseitiger Zenitwinkelmessung für die Höhe zu verwenden. Neuerdings erreicht auch das Satelliten-Messverfahren GPS die geforderte Nachbarschaftsge-nauigkeit im mm-Bereich und wird mit Vorteil zur Einbeziehung entlegener Fix- oder Objekt-punkte (ILLNER/KREBS/KUNTZ 1990) oder zur Erfassung dynamischer Vorgänge eingesetzt (BREUER 1999). Entsprechend der getrennten Messung erfolgt auch die Ausgleichung und Deformationsanalyse unabhängig in der (zweidimensionalen) Lage und der Höhe. Unverzichtbar sind statistische Tests der (meist kleinen) Deformationen (z. B. BAUMANN 1972, HECK/KUNTZ/MEIER-HIRMER 1977), um die Verformungen von den Effekten unvermeidlicher Messabweichungen trennen zu können. Die geodätische Deformationsanalyse ist also eine der wichtigsten Bestandteile der Ingenieur-vermessung. Je nach dem, welche zu schätzenden Parameter bestimmt werden sollen, unter-scheidet man (PELZER 1985) verschiedene Modelle : statisches Modell (nur Veränderungen festzustellen) kinematisches Modell (Geschwindigkeiten zu schätzen) dynamisches Modell (verursachende Kräfte zu schätzen). 2 Definition und Aufgaben der Glaziologie Die Glaziologie ist die Wissenschaft von der Erforschung des Eises. Das Eis der Erde, die sog. Kryosphäre, liegt größtenteils als gebundenes Süßwasser in den Polargebieten (Antarktis ca. 90%, Grönland ca. 9%), die restlichen Gletschergebiete beherber-gen nur weniger als 1% allen Eises. Auch das Meereis, die zeitweise oder dauernd gefrorenen Meeresbereiche, zählen zur Kryosphäre. Einige wichtige Bereiche der glaziologischen Forschung sollen hier genannt werden: Physikalische und chemische Materialeigenschaften von Eis, z.B.:

Rheologisches Verhalten (Fließeigenschaften), elektrische Leitfähigkeit, optische Eigenschaften (Albedo, Strahlungsaufnahme).

Biologische Aspekte: Lebensgemeinschaften im Eis. Geomorphologische Aspekte: Einfluss des Eises auf die Formbildung einer Landschaft. Modellierung der Wechselwirkungen (d. h. die gegenseitige Beeinflussung) zwischen dem

Eis bzw. vereisten Gebieten mit der Atmosphäre, den Ozeanen und letztlich vor allem mit dem Klima.

In dieser Universalität ist die Glaziologie keiner einzelnen Wissenschaft zuzuordnen. Diese komplexen Aufgaben können nur interdisziplinär durch Zusammenwirken vieler Wissenschafts-zweige gelöst werden, insbesondere durch Meteorologie, Bauingenieurwesen, Biologie, Chemie, Physik, Geologie, Geographie, Geophysik und schließlich auch Geodäsie.

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Hierbei kann die Geodäsie wichtige Beiträge leisten: 1) Geometrische Beschreibung der Eisoberfläche und ihrer zeitlichen Veränderung,

insbesondere Bestimmung von

Fließgeschwindigkeit des Eises (an der Oberfläche), Höhenänderung der Eisoberfläche, Deformation der Eisoberfläche (Strainbestimmung), Kartengrundlagen und Punkteinmessungen für andere Wissenschaften zur Dokumen-

tation derer Ergebnisse.

2) Gravimetrische Bestimmung der Struktur des Felsuntergrundes und des Geoides. Diese Ziele sind teils durch terrestrische Messverfahren zu erreichen, teils durch Ferner-kundungsmethoden. Gerade die terrestrischen Methoden ähneln sehr den in der Ingenieur-vermessung angewandten Verfahren, auf die in den Abschnitten 4 und 5 am Beispiel eines Grönland-Projektes näher eingegangen wird. 3 Glaziologische Zielsetzung in Grönland Grönland besteht aus einem Sockel aus festem Fels, dessen Form man sich wie eine Schüssel vorstellen kann. Das Randgebirge umschließt einen Sockel aus festem Fels, der durch den Druck des Inlandeises bis etwa in Meereshöhe herabgedrückt ist. Diese Schüssel ist gefüllt mit Eis, welches, dem Gesetz der Schwerkraft folgend, vom höchsten Punkt (ca. 3300 m) zur Randzone hinabfließt. Am randlichen Küstengebirge gibt es Täler, durch die das Inlandeis durch Gletscher ins offene Meer abfließen kann. Den Querschnitt (West-Ost) durch Grönland zeigt Bild 1, auf dem auch die Komponenten des Massenhaushaltes dargestellt sind. Die Querschnittsform eines Inlandeises mit plastischem Fließen (auch am Untergrund) ergibt bei Gleichgewicht eine gewölbte Form.

Bild 1 : Querschnitt Grönland mit Komponenten des Massenhaushaltes

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Wie schon erwähnt, lagern in Grönland ca. 9% des Welteises. Bei totalem Abschmelzen würde der Meeresspiegel um ca. 6,5 Meter ansteigen. Zwar beherbergt die Antarktis die rund zehnfache Eismenge, doch liegen dort die Jahresdurchschnittstemperaturen um 10 bis 15 Grad tiefer, so dass praktisch kein Schmelzen auftritt, im Gegensatz zu Grönland je nach Jahreszeit und Höhenlage des Gebietes. Insofern kommt der Untersuchung Grönlands bezüglich eines säkularen Meeresspiegelanstieges besondere Bedeutung zu, da weltweit Temperaturzunahme registriert wird. Zur mathematischen Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Eis, Klima und Meeresspie-gel sowie deren zeitlicher Entwicklung in Vergangenheit und Zukunft werden Modelle benötigt. Die fundamentalen Gleichungen sind in HUYBRECHTS et al. 1991 beschrieben. Hier wird nur kurz das Prinzip erläutert. Es gilt, zwei Prozesse zu modellieren, die miteinander zu koppeln sind: a) Das Massenbilanz-Modell, b) das Eisschild-Modell. a) Das Massenbilanz-Modell: Die Massenbilanz, auch Massenhaushalt genannt, hat zum Ziel, die Massenänderung an einer bestimmten Stelle, möglichst jedoch des gesamten Eisschildes zu bestimmen, das heißt, ob die Eismasse zu- oder abnimmt. Bei der glaziologischen Methode muss man alle Komponenten des Zutrages und Verlustes bestimmen (vgl. Bild 1). Zutrag:

Schneefall und Umwandlung in Firn, dann Eis. Verlust:

Schmelzen an der Oberfläche, Ausfluss von Gletschern ins Meer (kalben), Weniger Zufluss von oben (Akkumulationszone)

als Schmelzen in der Ablationszone. Die Massenbilanz (Nettobilanz, Bn) ist die Summe von Winterbilanz (Bw) und Sommerbilanz (Bs):

Bn = Bs + Bw . An der sogenannten Gleichgewichtslinie ist Bn gleich Null. Die Höhenlage der Gleichgewichtslinie ist somit eine wichtige Größe, vor allem, wenn sie sich unter dem Einfluß von Klimaschwankungen verlagert. Für die Modellierung wird die Akkumulation (Zutrag) als Funktion der Temperatur, möglichst über ganz Grönland hinweg, dargestellt. Einflussgrößen sind der Niederschlag, Wind als Funk-tion von Breite und Oberflächenhöhe. Die Ablation (Abfluss durch Schmelzen) hängt von der Energiebilanz an der Oberfläche ab, welche mit dem Positive-Day-Degree-Modell (PDD-Modell: Tage mit positiver Temperatur, die genug Schmelzenergie haben) erfasst werden. Hierzu bedarf es natürlich möglichst vieler punktueller Messdaten.

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b) Das Eisschild-Modell: Das dynamische Eisschild-Modell beruht auf dem dreidimensionalen Eisfluss und der thermo-mechanischen Zusammenhänge des Eises unter der Annahme als eine viscose, wärmefüh-rende und inkompressible Flüssigkeit. Die mathematischen Formeln finden sich bei HUYBRECHTS et al. 1991 oder bei ABE-OUCHI 1993. Sie enthalten unter anderem

Geschwindigkeitsvektor, Cauchy'scher Stress Tensor, Strainrate Tensor, Temperatur.

Neben den Formeln braucht man Grenz-Bedingungen an der Basis und an der Oberfläche. Deshalb werden noch folgende Eingangsgrößen benötigt:

Topographie des Untergrundes, Eisdicke, Oberflächen-Temperatur, Massenbilanz, thermische Parameter, Anfangszustand.

Als Output liefert dann das Modell:

die zeitabhängige, dreidimensionale Eiskörper-Geometrie, gekoppelte Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder.

Hiermit ist es möglich, die zeitliche Entwicklung des grönländischen Eisschildes unter be-stimmten klimatischen Bedingungen zu studieren. Im nächsten Schritt kann der Einfluss der Eismassenänderung auf den Meeresspiegel unter-sucht werden. Ein Überblick über den aktuellen Stand ist in RAPER et al. 1999 dargestellt. 4 Bestimmung glaziologischer Parameter mit Methoden der

Ingenieurvermessung Wie in Abschnitt 2 schon erwähnt, können mit geodätischen Verfahren viele der in Abschnitt 3 relevanten glaziologischen Parameter bestimmt werden:

Fließgeschwindigkeit des Eises an der Oberfläche, Eisdeformation an der Oberfläche, Höhenänderung des Eisschildes, Frontverlauf und Höhe der Abbruchkante von Ausflussgletschern. Flächenbegrenzung der vereisten Gebiete.

Die ersten drei Aufgaben sind mit terrestrischen Methoden der Ingenieurvermessung zu lösen und sollen vorweg beschrieben werden.

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4.1 Bestimmung von Fließvektor und Höhenänderung des Eises durch geodätische Positionsbestimmung

Möchte man mit terrestrischen geodätischen Methoden den Fließvektor und die Höhenände-rung des Eises bestimmen, so muss die Eisoberfläche durch eingebohrte Aluminiumpegel kon-kretisiert werden. Diese Pegel wandern mit dem Fließen des Eises bergab. Die (räumliche!) Änderung der in verschiedenen Epochen bestimmten Pegelpositionen enthält somit neben der horizontalen Eisbewegung auch eine vertikale Komponente, die hauptsächlich durch die Gelän-deneigung verursacht ist, und keineswegs mit der zeitlich Höhenänderung des Eises in ver-schieden Epochen gleichzusetzen ist. Zur Bestimmung der zeitlichen Höhenänderung des Eises sind deshalb die ehemaligen Pegel-positionen aufzusuchen und dort die neuen Höhen zu bestimmen. Alle Höhen an der Schnee-oberfläche sind zusätzlich noch auf den festen Eishorizont zu reduzieren, da sonst (vor allem im Ablationsgebiet) die zufällig vorhandene Schneeauflage den Höhenbezug verfälscht. Für zwei Epochen (Zeitpunkte T1, T2) sind die verschiedenen Komponenten in Bild 2 dar-gestellt.

Bild 2: Komponenten des Verschiebevektors bei wiederholter geodätischer Pegelpositionierung Der Höhenmessung zugänglich ist zunächst nur die aktuelle Schneeoberfläche (gekennzeich-net in Bild 2 durch ). Die dort erhaltenen Meereshöhen lauten allgemein HSi,k = Schneehöhe am Ort (i) zum Zeitpunkt (k), also HS1,1 = Schneehöhe am Ort 1 zum Zeitpunkt 1, HS1,2 = Schneehöhe am Ort 1 zum Zeitpunkt 2, HS2,2 = Schneehöhe am Ort 2 zum Zeitpunkt 2.

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Durch Schneelochprofile (Stratigraphie) werden die Schneeauflagen Si,k über dem Eishorizont ermittelt. Damit folgt für die Meereshöhen der Eishorizonte in beiden Epochen HEi,k = Eishöhe am Ort (i) zum Zeitpunkt (k), HEi,k = HSi,k - Si,k . Insbesondere interessieren die Eishöhen am selben Ort (i) HE1,1 = Eishöhe am Ort 1 zum Zeitpunkt 1, HE1,2 = Eishöhe am Ort 1 zum Zeitpunkt 2, sowie der zwischenzeitlich festgestellte Eishöhenunterschied HEi = HEi,2 - HEi,1 .

Werden auch Pegelablesungen der Schneeoberflächen PS1,1 und PS2,2 einbezogen (Nullpunkt am Pegelfuß), so läßt sich die Vertikalkomponente des Fließvektors Vz ermitteln aus Vz = PS2,2 - PS1,2 , wobei PS1,2 = PS1,1 - (HS1,1 - HS1,2). Die Vertikalkomponente des Fließvektors kann sowohl nach unten als auch nach oben gerichtet sein. Entsprechend den Fließlinien von Bild 1 ist überwiegend ein Absinken zu erwarten, nur am Rand des Ablationsgebietes, wo sehr alte Schichten aus dem Inland an die Oberfläche gelangen können, ist der Vektor nach oben gerichtet. Die lokale Geländeneigung ergibt sich aus der Horizontalkomponente des Fließvektors Vhor und dem Schneehöhenunterschied zu

hor

2,22,1

V

HSHSarctan

oder aus einer Geländeaufnahme. Der komplette Fließvektor (entlang der Strömungslinie, vgl. Bild 1) fließt mit einem Neigungs-winkel ß, der sich aus der Vertikalkomponente wegen der Geländeneigung (V) und dem verti-kalen Fließvektor (Vz) zusammensetzt, und gemäß

hor

z

V

VVarctan

mit tanVV hor berechnen lässt.

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4.2 Stress, Deformation, Strain und Strainrate

4.2.1 Definitionen

Stress () (im Deutschen auch "Spannung" genannt) ist definiert als Kraft pro Fläche (Dimen-sion: Nm-2 oder Pa), also als Druck (HOOKE 1998). Stress ist ein Vektor (Tensor erster Ord-nung) mit Betrag und Richtung. Er besteht aus drei Komponenten (eine je Koordinatenrichtung). Bezogen auf eine Fläche unterscheidet man:

Normal-Stress : gerichtet normal (senkrecht) zur Oberfläche, Scher-Stress : gerichtet parallel zur Oberfläche.

Das Vorzeichen ist positiv bei Zug, negativ bei Kompression.

Bild 3 : Stresskomponenten bei einem dreidimensionalen Körper nach HOOKE 1998. Betrachtet man (Bild 3) einen dreidimensionalen Körper (Massenelement), so benötigt man zur kompletten Stress-Beschreibung 9 Stress-Komponenten, die entsprechend den Koordinaten-richtungen x, y, z als Tensor zweiter Ordnung geschrieben werden: xx xy xz yx yy yz

zx zy zz. Damit der Körper nicht rotiert, muß der Tensor "symmetrisch" sein mit den Symmetriebedingungen xy = yx , xz = zx , yz = zy .

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In einem deformierbaren Medium (wie z. B. Eis) verursacht Stress () eine Deformation , auch Strain (e) genannt. Während die Deformation selbst im absolutem Längenmaß geschrieben werden kann, benutzt man für Strain meist die relative Längenänderung (oft in der Dimension: ppm). Am Beispiel eindimensionalen Strains gilt e = ln (D1/D2) bzw. in linearer Näherung

D

D

2

DD

DDe

21

21

.

Hierbei ist D1 = Abstand zweier Punkte zur Epoche T1 , D2 = Abstand zweier Punkte zur Epoche T2 . Geht man zur Ableitung nach der Zeit (Zeitintervall T) über, so spricht man von Deformations-geschwindigkeiten bzw. Strain-Raten, bezeichnet mit e’ mit der Dimension ppm/Zeit, e’ = e / T . Entsprechend den 9 Stress-Komponenten gibt es auch einen aus 9 Strainraten-Komponenten bestehenden Tensor der Verformungsgeschwindigkeiten mit derselben Indizierung. Sie entste-hen durch Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen zwei (infinitesimalen) Punkten. Mit den Ge-schwindigkeiten u, v, w, entsprechend den Koordinatenrichtungen x, y, z folgt z. B. für einen symmetrischen Strainrate-Tensor e’xy = e’yx und deshalb

dx/dvdy/du2

1'e xy .

Für Normalstress (x=y) folgt die Strainrate (Dimension: ppm/Zeit)

dx/dudx/dudx/du2

1'e xx .

Im Falle der Inkompressibilität des Mediums gelten die Bedingungen: Für Geschwindigkeiten : du/dx + dv/dy + dw/dz = 0, für Strainraten : e’xx + e’yy + e’zz = 0. Betrachtet man den zweidimensionalen Fall auf einer Oberfläche, so verformt sich eine Strecke (D) mit Richtungswinkel um D, wobei D eine Funktion der Verformungen je Koordinaten-achse ist.

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Mit der Definition des Strains als relative Längenänderung e = D/D gilt nach HOOKE 1998 für eine beliebige Richtung 2sine2cosee5,0ee5,0e xyyyxxyyxx .

Die Richtung minimalen oder maximalen Strains folgt aus

yyxx

xy

ee

e22tan

mit den beiden Lösungen

yyxx

xy1 ee

e2arctan5,0

9012 .

Diese nennt man die Hauptachsen der Verformung, die mit den Hauptachsen für extremen Stress und Strainraten übereinstimmen. Die Beträge der extremen Verformung (e1, e2) lassen sich über obige richtungswinkelabhängige Funktion (e = e) bei gegebenen Verzerrungen exx, eyy und exy berechnen: eee5,0e yyxx1 ,

eee5,0e yyxx2

mit

xy22

yyxx2 e4eee .

Die größere der beiden Hauptverzerrungen wird als e1 bezeichnet (e1 > e2). Entsprechend erhält man durch Division durch das Zeitintervall T die Strainraten (Verfor-mungsgeschwindigkeiten) e’1 = e1 / T . e’2 = e2 / T . Durch die Hauptverzerrungen und ihre Richtungen wird die Verzerrungsellipse mit den Halb-achsen (1+e1) und (1+e2) beschrieben. Sie ist das affine Bild eines ursprünglich unverzerrten Einheitskreises auf der Eisoberfläche.

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Während exx, exy, eyy von der Orientierung des Koordinatensystems abhängen (Richtungswinkel ), sind die Hauptverzerrungen e1, e2 invariant gegenüber der Wahl des Koordinatensystemes. Es gilt jedoch exx + eyy = e1 + e2 . Diese Summe hat die geometrische Bedeutung der Flächenverzerrung der Verzerrungsellipse gegenüber dem ursprünglichen Einheitskreis (KÖHLER 1986). 4.2.2 Bestimmung von Deformation und Strainraten

Die Eisoberfläche verformt sich unter dem Einfluss einer Krafteinwirkung (Stress), sichtbares Zeichen ist die Verzerrung (Deformation) einer gegebenen Ausgangsfigur, die dann entsteht, wenn unterschiedliche Bewegungsgeschwindigkeiten in einem Punktfeld herrschen. Eine gleichmäßige Translation oder Rotation verursacht keine Verformungen. Zur Strain- oder Stressbestimmung gibt es verschiedene Mess- und Auswertemethoden. Während Geologen bei Untersuchungen der Erdkruste vor allem Spannungsentlastungsverfah-ren anwenden (GREINER 1978), beziehen Geodäten ihre Informationen direkt aus der Geometrieänderung von speziell hierzu angelegten Deformationsfiguren. Die Kriterien für solche Deformationsfiguren auf Eisoberflächen hinsichtlich Größe und Form sind teilweise widersprüchlich: Die Figur soll groß genug sein, damit die Messfehler gegenüber den zu erwartenden Defor-

mationen (z. B. Längenänderungen) klein bleiben. Die Figur soll klein genug sein, damit innerhalb des Flächenelements Homogenität des

Strains angenommen werden kann. Die Form des Deformationsnetzes soll Längenänderungen in möglichst vielen Richtungen

aufzeigen. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen soll das Netz jedoch nicht zu viele Punkte aufweisen. Die

Messdauer des Netzes soll so kurz sein, dass keine Verformungen während der Messung das Ergebnis überlagern.

Als guter Kompromiss haben sich Netzfiguren mit Ausdehnungen von ca. 1 km bewährt. Als Netzform (Bild 4) verwendet NYE 1959 eine quadratische Figur mit Zentralpunkt, mehr Rich-tungen werden mittels eines Pentagones erfasst (KÖHLER 1981, STOBER 1976), und hinsicht-lich Messaufwand und Richtungsvielfalt ist ein gleichseitiges Dreieck mit Zentralpunkt der wohl beste Mittelweg (HOMANN+MÖLLER 1993).

Bild 4: Verschieden Formen von Deformationsfiguren zur Strainanalyse.

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Die Auswertung der Deformationsfiguren aus ingenieurgeodätischen Messungen mit dem Ziel der Strainberechnung ist auf verschiedene Weise möglich: a) Aus Differenzen von Beobachtungselementen (Strecken, Winkel), b) aus Koordinaten-Differenzen vorweg ausgeglichener freier Netze, c) aus gemeinsamer Ausgleichung von Beobachtungen und Strain-Parametern mit Daten

mehrerer Epochen. Am universellsten ist die Koordinaten-Methode (Verfahren b). Dabei werden zunächst die (zweidimensionalen) Netze der verschiedenen Epochen getrennt frei ausgeglichen. Aus der jeweiligen Netzausgleichung gehen die ebenen, lokalen Koordinaten und deren Genauigkeiten hervor, die sich auf eine willkürliche Datumsfestlegung beziehen. Es lässt sich zeigen, dass bei homogenem und infinitesimalem Strain eine Ausgangsfigur affin verformt wird (WOLFRUM 1978, WELSCH 1982). Die wichtigsten Eigenschaften der linearen Affinität sind: Gerade bleibt Gerade, Parallelität bleibt erhalten, Streckenverhältnisse längs einer Geraden sind invariant, ein Kreis wird als Ellipse abgebildet, deren Hauptachsen Größe und Richtung der extremen

Vergrößerungsverhältnisse angeben. Rechte Winkel werden verformt um die Scherwinkel (, ß) bezüglich der Koordinatenachsen

(Bild 5).

Bild 5 : Affine Verformung (ohne Translation und Rotation) Deshalb bietet sich die Affintransformation der Netze verschiedener Epochen zur Strainberech-nung an. Wird die Transformationsrichtung so gewählt, dass das ursprüngliche Netz (Epoche 1: X, Y) auf das verformte Netz (Epoche 2: X', Y') transformiert wird, so ergeben die Strainpara-meter die zeitliche Entwicklung vorzeichengerecht (Dehnung oder Stauchung). Es gelten die bekannten affinen Abbildungsgleichungen X' = a0 + a1 X + a2 Y , Y' = b0 + b1 X + b2 Y .

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Bei mehr als 3 Punkten sind die 6 Konstanten (ai, bi) der Affintransformation in einer Ausglei-chung zu schätzen. Zwischen den Konstanten und den Strainparametern bestehen folgende Beziehungen (WELSCH 1982): exx = a1 - 1 , Strain wegen Normalstress in x-Achse, eyy = b2 - 1 , Strain wegen Normalstress in y-Achse, exy = (a2 + b1)/2 , Strain wegen Scherstress, mit denen sich nach obengenannten Beziehungen die extremen Verformungen e1, e2 sowie deren Richtungen berechnen lassen. Zur Strainberechnung und graphischen Darstellung des Verzerrungszustandes wurde an der HfT Stuttgart ein Programm auf der Grundlage von MATLAB entwickelt (LUTZ 1999). 5 Bearbeitung eines Grönland-Projektes am ETH/CU-Camp mit ingenieur-

geodätischen Methoden 5.1 Das Untersuchungsgebiet am ETH/CU-Camp

Das Untersuchungsgebiet (geogr. Breite = 69,6° Nord; Länge =49,3° West; Höhe = 1150 m ü. Meer) liegt auf dem grönländischen Inlandeis ca. 80 km östlich des Ortes Ilulissat (früher Jakobshavn) an der Westküste Grönlands (Bild 6).

Bild 6: Geographische Lage des Untersuchungsgebietes

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Dort befindet sich eine kleine Station (Bild 7), ursprünglich von der ETH Zürich errichtet, an welcher der Verfasser 1991 ein Forschungsprogramm zum Studium der Refraktion durchgeführt hatte (STOBER 1994, 1995). Zu diesem Zweck wurden drei Testlinien mit vermarkten Endpunkten angelegt, die um einen Zentralpunkt erweitert die Grundlage für das Nachfolgeprojekt zur Untersuchung von Höhenänderung, Fließgeschwindigkeit und Deformation der Eisoberfläche bildeten. Die Seitenlängen des Dreiecks betragen zwischen 0,7 und 1,2 km, so dass die Netzfigur ein Gebiet von etwa 1 km2 umfasst. Das Camp wird seit 1992 von der Universität Boulder/Colorado betrieben und dient uns als logistische Basis für die geodätischen Messungen.

Bild 7: Das ETH/CU-Camp Für die Auswahl dieses Untersuchungsgebietes gibt es eine Reihe triftiger glaziologischer Gründe:

Einzugsgebiet des Jakobshavn-Gletschers, Lage in Höhe der Gleichgewichtslinie, Fortsetzung des EGIG-Profiles zur Westküste hin, Terrestrische Vergleichsfläche für Fernerkundungsmethoden.

Auf diese Punkte wird im Zusammenhang mit der Diskussion der Ergebnisse in Abschnitt 6 ein-gegangen. 5.2 Das geodätische Messprogramm

Gemäß den Methoden in der Ingenieurvermessung sind zur Deformationsanalyse die Koordi-naten der 4 Objektpunkte (Dreieck mit Zentralpunkt) relativ zu stabilen Festpunkten in verschie-denen Epochen zu bestimmen. Bei unserem Projekt am ETH/CU-Camp fand die Nullmessung 1991 statt, Wiederholungsmessungen folgten in den Jahren 1994, 1995, 1996 und 1999. Als Messverfahren wurde GPS verwendet. Da mit GPS dreidimensionale Raumvektoren (Basisli-nien) mit den Komponenten DX, DY, DZ im System WGS 84 berechnet werden, ist es prinzipiell ausreichend, wenn ein einziger stabiler Festpunkt vorhanden ist. Als solcher Festpunkt dient ein auf festem Fels vermarkter Punkt in Ilulissat , der 1990 im Rahmen der EUREF-Kampagne mit GPS im Weltnetz mit einer Absolutgenauigkeit von ca. 0,5 bis 1 m festgelegt ist. Dieser Punkt

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(EUREF 0112, Bild 8) wurde zur Versicherung mit anderen stabilen Punkten in Ilulissat verbun-den und - obwohl für die Deformationsanalyse nicht erforderlich - zusätzlich an den Meeres-spiegel angeschlossen (STOBER 1991).

Bild 8: Anschlusspunkt EUREF 0112 in Ilulissat/Jakobshavn. Eine Kontrolle und Genauigkeitsbewertung erfolgt durch mehrfache und mehrstündige Messung der Anschlussbasislinie Jakobshavn-Camp, die eine Länge von ca. 80 km hat. Im Gegensatz zu kleinen tektonischen Verformungen bewegt sich das Inlandeis an dieser Stelle mit einer Geschwindigkeit von ca. 0,3 m pro Tag. Die Verformung der Eisoberfläche ist wesent-lich kleiner, deshalb läuft Messung und Auswertung zweistufig ab. Im ersten Schritt wird die tägliche Bewegung eines Referenzpunktes am Camp (Punkt 101) durch Langbasis-GPS relativ zu Jakobshavn bestimmt. Im zweiten Schritt werden die 4 Netzpunkte (A, B, C, D) des Defor-mationsnetzes im Nahbereich (ca. 1 km) an den Camp-Referenzpunkt 101 angeschlossen (Bild 9).

Bild 9: Prinzip der GPS-Basislinien (unmaßstäblich)

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Das prinzipielle Messprogramm wird stellvertretend anhand der Kampagne 1999 dargestellt: Erweiterung der Anschlusspunkte in Ilulissat durch 5 Festpunkte im Stadtnetz in Bezug zum

alten Referenzpunkt EUREF 0112. GPS-Messung der Basislinie Jakobshavn-Camp (80 km) an vier Tagen (27.7., 29.7., 31.7.

und 3.8.99) über jeweils ca. 6 Stunden. Neumessung der aktuellen Positionen der Deformationsfigur (4 Punkte) mit GPS und (zur

Kontrolle) mit Tachymeter. Alle 4 Aluminium-Pegel konnten aufgefunden werden. Rekonstruktion und Absteckung der ehemaligen Pegel-Lagen aus den Jahren 91, 94, 95

und 96 mittels Real-Time-GPS und Wiederholungsmessung ebenfalls mit GPS. Bestimmung des Eishorizontes durch Graben von Schneeschächten. Flächenhafte topographische Geländeaufnahme in der Umgebung des Camps durch GPS-

Messung an Rasterpunkten im Abstand von ca. 200 Meter (in früheren Jahren auch durch kinematisches GPS mittels Motorschlitten).

Langzeitmessung mit GPS am Basispunkt JAV-Jugendherberge zum Studium des Ionosphäreneinflusses bei GPS.

Zum Einsatz kamen die GPS-Empfänger der HfT Stuttgart: 1991: Wild-Magnavox WM 102, 1994: Leica System 200 1995: Leica System 200 1996: Leica System 200 1999: Leica System 200 + 300 (Typ 9500). 5.3 GPS-Basislinie Jakobshavn - Camp

Der Anschluss des Testfeldes auf dem Eis an den festen Fels, der nur an der Küste zu finden ist, erfolgte mit einer GPS-Basislinie, deren Länge ca. 80 Kilometer bei einem Höhenunterschied von ca. 1100 Meter beträgt. Die Basislinie JAV-Camp bestimmt sowohl die Lage als auch die Höhe 1999 und ergibt im Vergleich zu früheren Kampagnen also direkt die gesuchten Lage- und Höhenänderungen. Die Basislinie wurde 1999 an 4 Tagen jeweils ca. 6 Stunden lang beobachtet, bei früheren Kampagnen oft sogar noch länger (bis zu 10 Tage). Ausgewertet wurde mit mehreren GPS-Software-Paketen: a) SKI 2.3 von der Firma LEICA b) Bernese Software , Version 4.0, der Universität Bern (BGS 4.0) c) GPSurvey, Version 2.35, der Firma TRIMBLE.

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Schon bei Verwendung unterschiedlicher Software ergeben sich andere Ergebnisse. Unterstellt man die Berner Software als Soll, so finden sich folgende Abweichungen:

JAV-Camp Kampagne

BGS - SKI BGS - GPSurvey

Länge (m) Höhe (m) Länge (m) Höhe (m)

1995

1996

1999

0,00

0,06

-0,02

0,24

-0,13

-0,11

----

----

0,02

----

----

0,03

Wie zu erkennen, bestehen hauptsächlich bei der Höhe größere Abweichungen, je nach Aus-werte-Software. Trotzdem wurde die Höhenauswertung überwiegend mit SKI durchgeführt (ohne Ambiguity-Lösungen), weil auch die früheren Auswertungen mit SKI erfolgt waren. In der generellen Aussage über die zeitliche Höhenänderung gibt es jedoch keinen wesentlichen Un-terschied, ob mit der einen oder anderen Software ausgewertet wurde. Die Datenqualität von GPS-Beobachtungen in Grönland ist gegenüber Messungen in mittleren Breiten deutlich schlechter. Zum einen ist die Satellitengeometrie ungünstiger, weil zwar viele Satelliten empfangbar sind, diese jedoch meist in niederem Elevationswinkel stehen. Diese Konstellation liefert schlechtere Höhen. Zum zweiten bedingt die Ionosphäre in der Polarregion ein weitaus größeres Störverhalten auf die GPS-Signale. Während der mittlere Ionisationsgrad mit Zweifrequenzgeräten modellierbar ist, verbleiben die kurzperiodischen Scintillationseffekte als unregelmäßiges Messrauschen bestehen und verschlechtern die Datenqualität. Es führt sogar häufig zu Signalabrissen, die als Cycle Slips interpretiert werden. Zum Vergleich wird hier das Messrauschen der Phasenmessungen in Grönland (Bild 10) und in Stuttgart (Bild 11) ge-genübergestellt. In Stuttgart sind die geringeren Scintillationen durch einen deutlich ruhigeren Kurvenverlauf erkennbar.

Bild 10: Unregelmäßige Scintillationseffekte infolge von Ionosphäreneinflüssen bei GPS in Grönland.

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Bild 11: Unregelmäßige Scintillationseffekte infolge von Ionosphäreneinflüssen bei GPS in Stuttgart. Welche Genauigkeit unter diesen Umständen zu erreichen ist, lässt sich aus der Langzeitbeo-bachtung der Basislinie abschätzen. Als Beispiel wird das 10-tägige Beobachtungsmaterial von 1996 analysiert, gemessen mit GPS-Empfängern LEICA System 200. Eine eingehende Genauigkeitsstudie ist in STEFFEN et al. 1997 (Beitrag STOBER) zu finden. Höhenunterschied: Als Beispiel sollen zunächst die Ergebnisse für den Höhenunterschied, der glaziologisch wich-tigsten Größe, dargestellt werden. Die Auswertung wird in 94 Stundenabschnitte unterteilt, deren Streuung Bild 12 und Statistik Tabelle 1 zeigt.

Bild 12: Höhenunterschied JH-Camp, Stundenfenster aller 10 Messtage 1996.

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Höhenunterschied JAV – Camp, 1996

Anzahl der Stunden-Lösungen hMinimalwert Maximalwert Spannweite (Max - Min) Mittel Stand.-Abw. eines h Stand.-Abw. Mittel

94 1108,066 m 1108,836 m

0,770 m 1108,467 m

± 0,100 m ± 0,010 m

Tabelle 1: Statistik des Höhenunterschiedes Jakobshavn-Camp 1996

Erstaunlich gut ist selbst eine einzelne Höhenbestimmung (± 0,10 m), obwohl mit Ausreißern bis zu ca. ± 0,4 m gerechnet werden muss. Sehr verlässlich ist der Mittelwert aus allen Stunden-werten mit einer Standardabweichung von ± 0,01 m. Eine weitere Genauigkeitsstudie der Höhe 1999 zeigt, dass die Höhe (bei gleicher Software) an den vier Messtagen im Mittel mit einer erstaunlich kleinen Standardabweichung von ±0,025 m behaftet ist. Streckenlänge: Die Richtung der Basislinie JAV-Camp liegt fast im Azimut der Fließbewegung, so dass sich aus deren Genauigkeit auch die Genauigkeit der Fließgeschwindigkeit ableiten lässt.

Bild 13: Streckenlänge JH-Camp, Stundenfenster aller 10 Messtage 1996. Der zeitliche Verlauf aller Stunden-Auswertungen über alle 10 Messtage ist in Bild 13 darge-stellt. Die ausgleichende Gerade ergibt Streckenlängen mit wenigen Ausreißern bis zu ca. 0,7 m und eine zeitlineare Streckenänderung von -0,321 m/Tag. Da das Azimut der Basislinie fast mit der Fließrichtung des Eises übereinstimmt, gibt dieser Wert schon eine gute Näherung für die Fließgeschwindigkeit des Eises.

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Die Standardabweichung eines Stundenwertes aus allen 94 Werten beträgt ± 0,126 m, ohne Berücksichtigung der 4 größten Ausreißer aber nur noch ±0,079 m. Die Standardabweichung des auf einen mittleren Zeitpunkt bezogenen Durchschnittswert der Strecke ist mit s= 0,013 m als sehr gut zu bezeichnen. Zusammenfassend zeigen die Genauigkeitsuntersuchungen von 1996, dass sowohl die Lage (Strecke) als auch die Höhe bei der Kampagne 1996 mit cm-Genauigkeit bestimmt wurde. Selbst wenn nur eine Stunde beobachtet würde, kann bei günstigen Messbedingungen noch mit einer Genauigkeit im Dezimeter-Bereich gerechnet werden. Erstaunlicherweise ist die sonst übliche Verschlechterung der Höhen- gegenüber der Lagegenauigkeit hier nicht festzustellen, obwohl wegen der in Polnähe meist tiefstehenden Satelliten gerade dies befürchtet wurde. Jedoch stehen in 69 ° Breite zumindest im Süden immer noch genügend viele hochstehende Satelliten zur Verfügung, um die Position auch in der Höhe zu stabilisieren. Da auch in den Jahren 1994, 1995 und 1999 mit demselben Instrumentarium gemessen wurde, können alle GPS-Resultate als ausreichend genau für die Bestimmung von Lage- und Höhen-änderungen des Inlandeises angesehen werden. 5.4 Fließvektor

Die Ergebnisse der GPS-Anschlusslinie JAV-Camp (Punkt 101) werden für jede Kampagne auf jeweils einen Bezugszeitpunkt reduziert, für den dreidimensionale Koordinaten im Bezugs-system WGS-84 (Länge , Breite , Höhe H, oder kartesisch X, Y, Z) zur Verfügung stehen. Auch die anderen Punkte des Deformationsnetzes werden durch Anhängen an den Referenzpunkt am Camp auf dasselbe Datum bezogen. Die räumlichen Koordinatenänderungen zwischen zwei Epochen (1,2) liefern dann den Fließ-vektor in Betrag (D) und Richtung (Azimut A) für jeden Punkt aus

222 ZYXD oder aus den sphärischen Elementen cos D = sin B1 sin B2 + cos B1 cos B2 cos L, sin (360 - A) = cos B2 sin L/ sin D, sowie die Fließgeschwindigkeit D'= D/T . Die Größenordnung von Fließgeschwindigkeit und Fließrichtung waren aus den vorausge-gangenen Kampagnen 1991 bis 1996 bereits gut bekannt. Im Hinblick auf klimatische Einflüsse ist zu untersuchen, ob sie sich im Lauf der Jahre ändern. Da sich wegen der differentiell unter-schiedlichen Eisverformung jeder der 4 Punkte individuell bewegt, kann aus deren Streuung ein Einblick in die Gleichförmigkeit der Bewegung gewonnen werden. Als Beispiel zeigt Tabelle 2 die verschiedenen Fließvektoren und Azimute der 4 Netzpunkte A, B, C, D und des Referenz-punktes 101 im Zeitraum 1994 - 1999. Insbesondere der nördlichste Punkt (121/B) zeigt ein etwas anderes Bewegungsverhalten als die übrigen Punkte.

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Punkt Fließvektor

1994-1999 [m] Fließgeschwindigkeit

[m/Tag] Azimut [gon]

101 120/A 121/B 106/C 122/D

593,303 599,317 588,800 592,717 595,152

0,318 0,321 0,315 0,318 0,319

260,76 260,31 259,83 260,73 260,39

Mittelwert Stdabw. Einzelw Stdabw. Mittelw

593,858 3,830 1,713

0,318 0,002 0,001

260,40 0,38 0,17

Tabelle 2: Lokale Variation von Fließgeschwindigkeit und Richtung.

Zusammenfassend werden alle Epochenmittelwerte mit ihren Standardabweichungen (wegen individueller Unterschiede) im Vergleich dargestellt (Tabelle 3).

Zeitraum Fließgeschwindigkeit [m/Tag]

mittleres Azimut [gon]

1991-1994 1994-1995 1995-1996 1996-1999

0,313 ± 0,001 0,319 ± 0,001 0,313 ± 0,001 0,320 ± 0,001

259,60 ± 0,27 260,44 ± 0,12 260,25 ± 0,12 260,68 ± 0,12

Gewog. Mittel 0,316 ± 0,002 260,40

Tabelle 3: Zeitliche Variation von Fließgeschwindigkeit und Richtung.

Zwar gibt es geringe Unterschiede, vor allem beim Azimut 1991-1994, doch sind sie kaum sig-nifikant, da die Standardabweichungen nur aus innerer Streuung aller 4 Punkte ermittelt wur-den und äußere Genauigkeiten, wie durch die ungenauere Positionierung 1991 (mit älterem GPS-Empfänger WM 102) bedingt, nicht exakt berücksichtigt werden konnten. Man kann des-halb von einem einheitlichem Fließvektor über all die Jahre ausgehen. Auch die Vertikalkomponente des Fließvektors ließ sich zwischen 1991 und 1994 an zwei Punkten durch Höhenablesungen zum Pegelfuß bestimmen. Mit den Beziehungen von Ab-schnitt 4.1 (und Bildern 1 und 2) ergaben sich folgende vertikalen Änderungen:

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Komponente Punkt A Punkt C

V+Vz = Höhenänderung am Pflock = Pegelfuß [m] -4,22 -5,73

V = Höhenänderung an Schneeoberfläche [m] (Geländeneigung)

-3,00 -4,34

Vz = Vertikalkomponente des Fließvektors [m] -1,22 -1,39

Vhor = Horizontalkomponente des Fließvektors [m] 326,56 324,60

= arctan ((HS1,2 - HS2,2)/Vhor) [gon] 0,585 0,851

ß = arctan ((V + Vz)/Vhor) [gon] 0,82 1,12

Die berechneten Neigungswinkel des Geländes () sowie des Fließvektors (ß) zeigen, dass die Fließrichtung des Eises gegenüber der Geländeneigung steiler verläuft, also nach unten ge-richtet ist. 5.5 Deformation und Strain

Die Deformationsfigur aus den vier Punkten A, B, C, D (Dreieck mit Zentralpunkt) verformt sich unter dem Einfluss von Stress und Strain. Die Berechnung der Strainvektoren (relative Längen-änderung) und Strainraten (Verformungsgeschwindigkeit) erfolgt auf der Grundlage der lokalen, verebneten Koordinaten (X-Achse nach Nord orientiert) der Netzpunkte in verschiedenen Epochen. Nach den in Abschnitt 4.2.2 erläuterten Zusammenhängen zwischen den Konstanten der Affintransformation und den Strainparametern werden die Verformungsgeschwindigkeiten e’1 und e’2 der Hauptachsen berechnet. Unter der Annahme von Inkompressibilität des Eises (HOOKE 1998, vgl. Abschnitt 4.2.1) gilt unter Einbeziehung der Verformungsgeschwindigkeit e’3 in der dritten Dimension (Höhe) die Bedingung e’1 + e’2 + e’3 = 0 , womit sich dann die vertikale Komponente e’3 berechnen lässt: e’3 = -(e’1 + e’2) [ppm/a]. Um zu Höhenänderungen zu kommen, bedarf es der Eismächtigkeit H, die im Campgebiet bei ca. H=800 m liegt. Unterstellt man unabhängig von der Tiefe konstanten Strain , so folgt die jährliche Höhenänderung H aus H = e’3 H . Die Strainratenberechnung wurde für die Zeiträume zwischen den Kampagnen 94, 95, 96 und 99 durchgeführt. Aus den 4 Netzpunkten (A, B, C = Randpunkte, D= Zentralpunkt) lassen sich folgende Varianten berechnen:

alle 4 Punkte gemeinsam überbestimmte Berechnung je 3 Punkte in allen Kombinationen eindeutige Berechnung.

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Dabei zeigt sich, dass die Deformationsfigur nicht optimal ist (kein gleichseitiges Dreieck; sie wurde ursprünglich auch nicht für diesen Zweck angelegt). Dies trifft insbesondere für die mit Zentralpunkt D gebildeten Innendreiecke zu, die sehr schmal werden. Eine Sensitivitätsprüfung zeigt, dass so schmale Dreiecke keine günstige Geometrie zur Strainberechnung aufweisen. Somit verbleiben für eine sinnvolle Strainberechnung die Figuren

Viereck (alle 4 Punkte ABCD gemeinsam) überbestimmte Berechnung Dreieck aus den Randpunkten (ABC) eindeutige Berechnung

mit folgenden Ergebnissen:

Epochen Punkte

Richtungs-winkel 1 von e’1

horiz. Strainraten Vertikal

e’1 e’2 e’3 H/a

2 1 [gon] [ppm/a] [ppm/a] [ppm/a] [m/a]

95 94 ABCD ABC

29,1 26,5

928 948

-924 -691

-4 -257

0,00 -0,21

96 95 ABCD ABC

25,0 24,1

924 937

-845 -798

-79 -139

-0,06 -0,11

99 96 ABCD ABC

20,7 20,6

1216 1215

-893 -876

-323 -339

-0,26 -0,27

99 94 ABCD ABC

22,9 22,2

1091 1100

-891 -829

-200 -271

-0,16 -0,22

Tabelle 4: Strainraten der Figuren ABCD und ABC, 1994 - 1999

Die Ergebnisse aus den verschiedenen Figuren und Zeitintervallen streuen zwar geringfügig, sind aber in der Tendenz eindeutig. Am aussagekräftigsten ist der längste Zeitraum zwischen 1994 und 1999. Der Richtungswinkel der Hauptverzerrung e’1 beträgt im Durchschnitt ca. 22,5 gon, ändert sich aber systematisch mit der Zeit (von ca. 29 über 25 nach 20 gon), was auf eine leicht gekrümmte Strömungslinie deutet. Die Strainrate e’1 = +1100 ppm/a entspricht einer jährlichen Strecken-dehnung von +1,10 m/km. Die hierauf senkrecht stehende Hauptverzerrung e’2 = - 891 ppm/a entspricht einer Stauchung von - 0,89 m/km. Da das Azimut des Fließvektors (ca. 260 gon) mit demjenigen von e’1 nicht übereinstimmt, überlagern lokale Spannungsfelder den großflächigen Trend. Die über den langen Zeitraum 1994-1999 aus e’3 berechnete Höhenabnahme ergibt -0,16 bis -0,22 m pro Jahr und würde damit erstaunlich gut mit den Ergebnissen der GPS-Messungen übereinstimmen (vgl. Abschnitt 5.6.1). Wie bei allen ingenieurgeodätischen Aussagen ist auch bei der Strainberechnung die Signifi-kanz zu prüfen. Ausgangsdaten der Strainanalyse sind die lokalen Koordinaten des Netzes ABCD. Die innere Punktgenauigkeit dieser Netze, gemessen mit GPS und terrestrischen Richtungen und

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Strecken, kann mit 1-2 cm angegeben werden, was im Hinblick auf jährliche Deformationen im Meterbereich bei weitem ausreichend ist. Dass Deformationen vorhanden sind, zeigt eine Helmert-Transformation der Netze zweier Epochen, bei welcher der Maßstab (M=1) festgehalten wird (4 PT). Die dann von Translation und Rotation befreiten linearen Restklaffen ergeben im Beispiel 1996-1999 Werte zwischen 0,37 und 2,07 m, der mittlere Punktfehler liegt bei sp = 1,60 m. Die Affin-Transformation (6 PT) derselben Netze verringert die linearen Restklaffen auf maximal 0,14 m und der mittlere Punktfehler geht auf 0,11 m zurück (bei allerdings nur 2 Freiheits-graden). Die größten Klaffen treten beim Zentralpunkt D auf, was darauf hinweist, dass die Ver-formung des Gebietes nicht völlig homogen ist.

Restklaffen [m]

Helmert-Tr. (M=1) AFFIN-Tr. (6 PT)

Punkt WY WX WL WY WX WL

A B C D

1,314 -1,224 -0,459 0,369

0,754 -1,669 0,857 0,058

1,515 2,070 0,973 0,373

0,014 0,008 -0,007 0,029

-0,065 -0,038 -0,032 0,136

0,066 0,039 0,033 0,139

sp 1,600 m 0,115 m

Tabelle 5: Gegenüberstellung verschiedener Transformationen der Netze 1996 und 1999.

Die Schätzwerte der 6 Unbekannten (U), ihrer Standardabweichung (su) sowie die statistische Testgröße t = U/su sind in Tabelle 6 aufgelistet. Bei einer geforderten Sicherheitswahrschein-lichkeit von 99% beträgt die Fraktile t'=9,92 (2 Freiheitsgrade). Auch bei denjenigen Unbe-kannten, die für die Verformung maßgebend sind (a1-1, a2, b1, b2-1), ist die Bedingung t > t' stets erfüllt. Alle Strainparameter sind somit signifikant.

Affin-Transformation 1996 - 1999

Unbekannte U su t = U/su

a0 a1-1 a2

-208,671860 0,003125

-0,005332

0,155856 0,000226 0,000196

1338 14 27

b0 b1 b2-1

-298,183355 0,009319

-0,002115

0,155856 0,000226 0,000196

1913 41 11

Tabelle 6: Genauigkeit und Signifikanz bei der Affintransformation 1996 - 1999.

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5.6 Höhenänderung des Inlandeises

Wie in Abschnitt 4.1 erläutert (Bild 2), sind zur Bestimmung der zeitlichen Höhenänderung des Eises die ehemaligen Pegelpositionen zu rekonstruieren und dort die neuen Höhen zu bestim-men. Alle Höhen an der Schneeoberfläche sind zusätzlich noch auf den festen Eishorizont zu reduzieren. Da in jedem Messjahr alle ehemaligen Pegelpositionen abgesteckt wurden (teils tachymetrisch, 1999 mittels Real-Time-GPS) und höhenmäßig vermessen wurden, stehen jetzt von jedem Pe-gel viele Vergleichshöhen zur Verfügung. Die Punktbezeichnungen (Punktnummer-Lagenjahr/Messjahr, z.B. 120-94/99) wurden so ge-wählt, dass sowohl Lage als auch Messjahr direkt aus der Punktbezeichnung ersichtlich ist. Das Beispiel besagt, dass Punkt 120 in der Lage (Position) von 1994 im Jahr 1999 erneut vermessen wurde. Positionskoordinaten sind gleich, die Höhe hat sich geändert. Die ellipsoidischen Höhen des Eishorizontes aller 1991 bis 1999 gemessenen Lagen sind in ihrer zeitlichen Entwicklung in den vier Teilbildern (für jeden Pegel) dargestellt.

Bild 14 : Eishöhen der vier Pegel, Lagen 1991 – 1999 Aus den Bildern ist zu erkennen, dass größere Schwankungen auftreten. Um eine repräsen-tative Aussage über die für das Testfeld geltende Höhenänderung machen zu können, sind zweierlei Untersuchungen nötig:

Eishöhen Grönland 1991-1999 (SKI-Auswertung):Punkt 106.1/C

1171,03

1172,68

1174,13

1179,35

Lage 99: 1165,83

Lage 96: 1172,07

1172,99Lage 95: 1174,21

1175,301174,59

Lage 94: 1176,40

1180,23

1180,05

1179,38

Lage 91: 1180,82

1165

1166

1167

1168

1169

1170

1171

1172

1173

1174

1175

1176

1177

1178

1179

1180

1181

1182

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Mess-Jahr

ell

. H

öh

e [

m]

Eishöhen Grönland 1991-1999 (SKI-Auswertung):Punkt 122/D

1183,56

1185,26

1186,72

1190,65

Lage 99: 1178,08

Lage 96: 1183,68

Lage 95: 1185,87 1185,16

Lage 94: 1187,69 1187,221186,93

Lage 91: 1191,36 1191,121191,20

1177

1178

1179

1180

1181

1182

1183

1184

1185

1186

1187

1188

1189

1190

1191

1192

1193

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Mess-Jahr

ell.

he

[m

]

Eishöhen Grönland 1991-1999 (SKI-Auswertung):Punkt 120/A

1187,51

1189,88

1193,20

Lage 99: 1182,13

Lage 96: 1187,50

1187,31

Lage 95: 1189,511188,59

Lage 94: 1190,97 1190,461189,85

Lage 91: 1193,83 1193,931193,48

1181

1182

1183

1184

1185

1186

1187

1188

1189

1190

1191

1192

1193

1194

1195

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Mess-Jahr

ell.

he

[m]

Eishöhen Grönland 1991-1999 (SKI-Auswertung):Punkt 121/B

1187,86

1189,77

1191,26

1196,83

Lage 99: 1182,04

Lage 96: 1188,30

Lage 95: 1190,92 1189,90

Lage 94: 1192,72 1191,761192,55

Lage 91: 1197,89

1196,16

1197,55

1181

1182

1183

1184

1185

1186

1187

1188

1189

1190

1191

1192

1193

1194

1195

1196

1197

1198

1199

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Mess-Jahr

ell.

Höh

e [m

]

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1) Homogenität zwischen den vier Punkten des Gebietes, 2) Homogenität über die verschiedenen Zeiträume. 5.6.1 Homogenität zwischen den vier Punkten des Gebietes

Gesucht ist die Höhenänderung als Funktion des Ortes, im lokalen Koordinatensystem also dH = F(x,y), und derer statistischer Signifikanz. Auch wenn in verschiedenen Jahren unterschiedliche Höhenänderungen auftreten sollten, müssten sich diese an allen Punkten (Lagen x,y) gleich auswirken. Ein solcher Test deckt Probleme bei den individuellen Punktmessungen auf, wie z. B. Reduk-tion auf den Eishorizont, Genauigkeit der Rekonstruktion der alten Punktlage, zufällige oder gar grobe Fehler der GPS-Auswertung (Ambiguity, Mehrwegeffekte, Ionosphäre), nicht aber ge-meinsame Fehler wie Einflüsse der Basislinie JAV-Camp. Eigentlich müssten die Lagen-Polygone aller 4 Punkte über die verschiedenen Messjahre den-selben Verlauf haben. Da die Vergleichszeiträume unterschiedlich lang sind (die Lage 91 kann über 95, 96 und 99 verfolgt werden, die Lage 96 nur bis 99), sind immer gleichlange Zeitreihen zu vergleichen (korrelieren): z. B. Lage 91 von allen 4 Punkte A, B, C, D. Die folgenden Bilder 15 bis 18 zeigen die relative Höhenänderung der Lagen, wiederholt ge-messen in den jeweiligen Nachfolgekampagnen, bezogen auf die erstmalig gemessene Eis-höhe.

Bilder 15-18: Relative Höhen der Lagen 1991 bis 1996 aller Punkte A, B, C, D gemessen 1991, 94, 95, 96, 99.

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1-27

Dabei werden einige grobe Abweichungen sichtbar. So finden sich Abweichungen um ca. 1 Meter, die vermutlich auf nicht richtig gelöste Ambiguities zurückzuführen sind, z. B. bei den Positionen 120/A-95/99 und 121/B-91/96. Der Punkt 106/C liegt fast immer zu hoch, wenn er direkt beim Camp gemessen wurde. Vermutlich ist wegen der Drift und Wirbelbildung am Camp die Oberfläche und Eisbildung gestört, weshalb sich dort mehr Schnee ablagert als bei weiter entfernt gelegenen Punkten mit ungestörten Windverhältnissen. Die Auswirkung der Campnähe bewirkt eine um ca. 0,7 Meter zu hohe Eishöhe. Mittelt man alle Beobachtungen, so führt die Annahme einer zeitlinearen Höhenänderung zu einer ausgleichenden Geraden. Bezogen auf die SKI-Auswertung der Basislinie JAV-Camp ergibt sich eine lineare Höhenabnahme zwischen 1991 und 1999 von -0,21 ± 0,04 m/a Stan-dardabweichung. Die entsprechende Auswertung mit der Berner Software (für Basislinie JAV-Camp) ändert nur geringfügig diesen Befund: Höhenabnahme -0,23 m/a ± 0,03 m/a. Hierbei ist zu berücksichti-gen, dass nur die Jahre 1995 bis 1999 mit der Berner Software ausgewertet vorliegen. Die Höhenabnahme um ca. -0,22 m pro Jahr ist somit signifikant. 5.6.2 Homogenität über die verschiedenen Zeiträume

Höhenänderungen in den einzelnen Jahren variieren recht stark. Die zeitliche Entwicklung der Eishöhe relativ zur Epoche 1991 (erste komplette Messung des gesamtes Testfeldes) zeigt im generalisierten Mittel über alle Punkte wieder eine stetige Höhenabnahme (Bild 19), allerdings in unterschiedlicher Größe je nach Zeitraum. Bezogen auf jeweils ein Jahr ergeben sich folgende Höhenänderungsraten: Zwischen 1991 und 1994 betrug die jährliche Höhenänderung -0,09 m/a, zwischen 1994 und 1995 -0,32 m/a, zwischen 1995 und 1996 -0,74 m/a und zwischen 1996 und 1999 wieder ein geringerer Wert von -0.08 m/a. Eine Ausgleichung über den gesamten Zeitraum 91-99 ergibt durchschnittlich eine Höhenabnahme um -0,215 m pro Jahr. Bild 19: Durchschnittliche

Eishöhenänderung am ETH/CU-Camp seit 1991

Bild 20: Entwicklung der Lufttemperatur am ETH/CU-Camp

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1-28

Interessant ist ein Vergleich mit der Lufttemperatur, die von 1991 bis Mitte 1998 vorliegt (K. STEFFEN, pers. Mitteilung 1999). Die Daten für die Monatsmittel Januar, Juli und für die durchschnittlichen Jahresmittel sind in Bild 20 dargestellt. Während die ausgleichende Gerade über die Juli-Temperaturen fast konstante Werte (mit jährlichen Schwankungen) ergibt, zeigen die Januar-Temperaturen einen klaren Trend mit positivem Temperaturgradienten (+1,5 °C/a). Durch die wärmeren Winter entsteht im Jahresmittel ein deutlicher Temperaturanstieg von +0,92 °C/a. Es ist somit festzustellen, dass die jährliche Höhenabnahme um durchschnittlich - 0,21 m/a direkt mit dem jährlichen Temperaturanstieg von durchschnittlich +0,9 °C/a zu erklären ist. Interessant ist zudem das genauere Studium des jährlichen Schwankungsverhaltens von Tem-peratur und Höhenänderung um die jeweiligen Trends. Welche der Temperaturen (Januar, Juli oder Jahresmittel) man hierzu verwendet, ist fast gleichgültig, da das Vorzeichen der Abwei-chung vom Trend immer gleich ist. Der Vergleich in Bild 21 bezieht sich auf die aussagekräf-tigsten Jahresmittelwerte.

Bild 21: Vergleich von Eishöhenänderung und Lufttemperatur am ETH/CU-Camp Obwohl wegen der unterschiedlichen Zeiträume der Daten keine exakte Kreuzkorrelation bere-chenbar ist, wird doch deutlich ersichtlich, dass der überdurchschnittliche Temperaturanstieg der Jahre 95 und 96 direkt mit besonders großen Eishöhenabnahmen zusammenfällt. In den Jahren zuvor (91-94), wo der Temperaturanstieg geringer als der langjährige Durchschnitt ist, ist auch die Höhenabnahme geringer als im Durchschnitt. Dasselbe gilt für den Zeitraum 96-99. Hieraus kann man schließen, dass der Eisschild am ETH/CU-Camp überraschend schnell auf klimatische Veränderungen reagiert. Sowohl der langfristige Trend zu Klimaerwärmung als auch die kurzperiodischen Temperaturschwankungen beeinflussen die Eismächtigkeit in diesem Ge-biet nachhaltig. Die ursprüngliche Annahme, dass sich das Camp in der Höhe der Gleichgewichtslinie befindet, kann nach diesen Ergebnissen nicht bestätigt werden.

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1-29

5.6.3 Flächenhafter Vergleich der Eistopographie 1999 gegen 1995

Zur flächenhaften Höhenbestimmung der Eistopographie wurden die Höhen an den Deformati-onspunkten ergänzt um eine topographische Aufnahme des Geländes nord-östlich des Camps. Als Messverfahren wurde sowohl die trigonometrische Höhenmessung als auch Real-Time-GPS im Stop-and-go-Verfahren angewandt. Infolge der knappen Zeit konnte 1999 nur ein grobmaschiges Raster mit Punktabständen von ca. 200 m gemessen werden. Die Reduktion von der Schneeoberfläche auf den Eishorizont erfolgte anhand der Schneelochprofile (Schneehöhe noch durchschnittlich ca. 0,20 m). Das 1999 aufgenommene Gebiet ist im Höhenlinienplan (Bild 22) und als 3D-Geländemodell (Bild 23) dargestellt. Zum Vergleich mit früheren Geländeaufnahmen wurde 1995 gewählt, weil damals etwa dieselbe Fläche vermessen wurde. Das Differenzvolumen der Eisoberflächen 1995-1999 ergibt eine Masse von -827374 m3 über eine Fläche von 820880 m2. Daraus ergibt sich im Durchschnitt eine Höhenabnahme von -1,008 m in 51 Monaten (Mai 95 bis August 99), entsprechend -0,237 m/Jahr. Aus den Isolinien des Differenzenmodells (Bild 24) ist ersichtlich, dass die Eisoberfläche nicht ganz homogen ab-nimmt, und dass insbesondere in Campnähe größere Abweichungen zu finden sind. Die durch-schnittliche Höhenabnahme von -0,24 m/a stimmt jedoch sehr gut mit den Resultaten an den Pegelstandorten überein. Es zeigt sich wieder, dass nur über eine größere Anzahl von Ver-gleichspunkten, wie schon mit den ca. 20 ehemaligen Pegelpositionen gegeben, eine reprä-sentative Aussage über die Höhenänderung möglich ist.

Bild 22 : Digitales Geländemodell (Isolinien), Eisoberfläche 1999

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Bild 23 : Digitales Geländemodell (3D), Eisoberfläche 1999

Bild 24 : Digitales Geländemodell (Isolinien), Differenz [m] zwischen Eisoberflächen 1999 und 1995

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5.6.4 Fehlerbudget der Höhenänderungen und Signifikanz

Die Genauigkeit der Höhenbestimmung wird von folgenden Faktoren bestimmt:

Messgenauigkeit mittels GPS, Rekonstruktion der alten Punktlagen, Reduktion von Schnee- auf Eisoberfläche.

Messgenauigkeit mittels GPS: GPS-Messungen in Grönland unterscheiden sich von mitteleuropäischen Bedingungen durch:

hohe Breite bewirkt schlechte Geometrie bezüglich der Höhe, große Ionosphären-Störungen, eventuelle Mehrwegeffekte durch Relexion an Eisflächen, Messungen auf bewegtem Untergrund.

Ausgehend von den Genauigkeitsstudien in Abschnitt 5.3 (Bild 12) ist für die Anschluss-basislinie JAV-Camp (80 km) mit folgenden Standardabweichungen für die Höhe zu rechnen: a) Messdauer 1 Stunde : 0,10 m b) Messdauer 10 Tage : 0,01 m c) Einfluss Software : 0,10 m Insbesondere der relativ große Einfluss der Auswertesoftware könnte auf größere Ionosphären- und Troposphäreneinflüsse hindeuten, die in den Softwarepaketen unterschiedlich behandelt werden. Wie sich die statische Auswertung einer sich eigentlich kinematisch ändernden Basis-linie (0,3 m/Tag) auswirkt, ist noch zu untersuchen. Insgesamt kann für die Anschlusslinie JAV-Camp mit einer Standardabweichung in der Höhe von ca. sHA = 0,10 m gerechnet werden. Rekonstruktion der alten Punktlage: Mittels Real-Time-GPS kann die alte Position (Lage) auf etwa 1 bis 2 m genau rekonstruiert werden. Messtechnisch wäre es weit genauer möglich (ca. 0,05 m), doch stehen wegen der permanenten Eisbewegung die sich täglich ändernden Referenzpunktkoordinaten eigentlich erst nach Auswertung der Kampagne zur Verfügung. Außerdem zwingt die schlechte GPS-Datenqualität zu häufigem Neuinitialisieren, so dass der Zeitbedarf sehr hoch würde. Da das Gelände im Messgebiet nur schwach geneigt ist (maximal ca. 1,8 %), verursacht der Lagefehler einen Höhenfehler von maximal sHL = 0,04 m. Reduktion von Schnee- auf Eisoberfläche: Die Definition der Schneeoberfläche sowie die des Eishorizontes ist nicht immer einfach. Durch Wind verursachte kleine Wellen (Sastrugies) ergeben keine glatte Oberfläche. Eishorizonte können beim Graben von Schneeschächten falsch interpretiert werden, wenn sommerliches Schmelzwasser in tieferen Schichten danach neu gefroren war (superimposed ice). Bei sorgfäl-tiger Arbeit kann die Schnee-Eis Reduktion mit einer Genauigkeit von ca. sHR = 0,03 m erfolgen.

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Zusammenfassung aller Fehlerkomponenten: Die einzelne Höhe kann somit mit einer Genauigkeit von

2HR

2HL

2HAH ssss

11,003,004,010,0s 222H m

bestimmt werden. Die Differenz zwischen zwei Kampagnen ist um 2 ungenauer, also sH = 0,16 m. Um mit 95% statistischer Sicherheit eine zeitliche Höhenänderung feststellen zu können, bedarf es also einer Höhenänderung von ca. 0,3 m, die bei einer Höhenabnahme von ca. 0,2 m/Jahr nach etwa 2 Jahren erreicht wird. Auch hierdurch wird klar, dass Aussagen über eine Höhenänderung des Inlandeises nur langfristig möglich sind. 6 Diskussion der Ergebnisse Das Untersuchungsgebiet soll nach REEH 1991 in der Höhe der Gleichgewichtslinie liegen. Bei einem stabilen Eisschild sollte hier keine Veränderung eintreten. Da wir nun aber eine Eis-mächtigkeitsabnahme von -0,22 m/Jahr vorfinden, befindet sich die Gleichgewichtslinie offen-sichtlich nicht an dieser Stelle, sondern liegt erst beträchtlich höher. Zwei Interpretationen sind möglich. Die einfachste wäre, dass die früheren Modellrechnungen (REEH 1991) von unzutreffenden Daten ausgingen oder das Eis-Klima-Modell noch unzurei-chend genau ist. Die andere, durch Temperaturdaten belegte Möglichkeit besteht in einer Änderung der klimati-schen Verhältnisse (Klimaerwärmung), die zu instabilem Verhalten des Eisschildes und damit zu einer Verlagerung der Gleichgewichtslinie führt. Infolge der Klimaerwärmung werden gerade in den tieferen Regionen die Abschmelzprozesse verstärkt, während die höheren Regionen trotz Erwärmung immer noch genügend kalt sind, um den Schneeniederschlag zu konservieren. Das Ablationsgebiet vergrößert sich und das Akkumulationsgebiet vermindert sich flächenmäßig, was jedoch nicht unbedingt zu weniger Eismasse dort führen muss, weil eine Klimaerwärmung stärkere Wasserverdunstung zur Folge hat, die zu verstärktem Niederschlag und damit im Akkumulationsgebiet zu mehr Schneeauftrag führt. Insofern kommt es eher zu einer Umlagerung der Eismassen. Aus demselben Grund ist auch die wichtige Frage einer Meeresspiegel-Änderung infolge von Abschmelzen noch offen: Höhere Schmelzraten des Eises können durch verstärkte Wasserver-dunstung ausgeglichen werden, die zu mehr Niederschlag (im Inland in Form von liegenblei-bendem Schnee) führt, so dass sich kaum etwas am Meeresniveau ändert. Hinweise für eine Umlagerung der Eismassen finden sich auch aus Satellitendaten der NASA, die in einigen Bereichen im Landesinneren ein Anwachsen der Eishöhe und in den tieferen Re-gionen, besonders im Süd-Osten Grönlands, eine Ausdünnung um bis zu -1 m pro Jahr fest-stellen (KRABILL 1999 , RIGNOT 1997). Allerdings ist die Genauigkeit der Satellitenaltimetrie mittels Mikrowellen sowie des ebenfalls angewandten Verfahrens der Laseraltimetrie von Flug-zeug aus noch umstritten (Probleme bei der Eindringtiefe der Signale in den Schnee, oder durch die Fleckgröße des erfassten Strahlgebietes). Da die in diesem Beitrag vorgestellten

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Ergebnisse terrestrisch und unabhängig bestimmt wurden, können sie als wertvolles Kontroll-gebiet für die amerikanischen Fernerkundungsmethoden dienen, da sie u. a. dasselbe Gebiet erfasst haben. Auch diese finden für das Gebiet um das ETH/CU-Camp etwa dieselbe Höhenabnahme von -0,2 m/a, so dass hier Übereinstimmung besteht. Das Untersuchungsgebiet liegt im Einzugsgebiet des Jakobshavn-Gletschers. Er ist der pro-duktivste Gletscher der Welt, der sich an der Gletscherzunge mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 Meter pro Tag vorwärts bewegt. Die Bedeutung des Jakobshavn-Gletschers für ganz Grönland wird klar, wenn man bedenkt, dass hier ca. 10% der totalen Kalbungsmasse Grönlands austreten (WEIDICK 1990). Die aufschwimmenden Eismassen brechen nach einiger Zeit ab, der Gletscher kalbt alle zwei bis vier Wochen. An der Gletscherfront beträgt die Breite 6 km und die Eismächtigkeit ca. 700 Meter, von denen nur ca. 1/9 , also ca. 80 m über dem Wasser herausschauen. Der Gletscher stößt somit durchschnittlich 84 Millionen Kubikmeter Eis pro Tag aus (entspricht ca. 31*109 m3/Jahr). Fließgeschwindigkeit und Höhenänderung im Untersuchungsgebiet sind deshalb markante Da-ten bezüglich der Nährung des Gletschers. Die festgestellte Höhenabnahme von -0,2 m/a ver-mindert den Massenzufluss zum kalbenden Gletscher. Ob dies kompensiert wird durch schnelleres Fließen des Gletschers an der Zunge, wie von amerikanischen Autoren, z. B. KRABILL 1999, an anderen grönländischen Gletschern behauptet, ist nicht bekannt. Jedenfalls gibt es aus meinem Untersuchungsgebiet an der Gleichgewichtslinie keinen Hinweis auf Ände-rung der Fließgeschwindigkeit des Eises an der Oberfläche, die immer noch ca. 0,31 m/Tag genau in Richtung zum Jakobshavn-Gletscher beträgt. Die Höhenmessung am ETH/CU-Camp kann als westliche Fortsetzung des EGIG-Profiles an-gesehen werden. Die geodätischen Arbeiten der Internationalen Glaziologischen Grönlandex-pedition (EGIG) 1959, 1968 und deren Fortsetzung durch die TU Braunschweig 1990-1992 er-gaben zwischen 1959 und 1968 im Inland eine Eishöhenzunahme von 0,1 bis 0,2 Meter pro Jahr, zwischen 1968 und 1992 dagegen eine Höhenabnahme von etwa -0,2 Meter pro Jahr (MÖLLER et al. 1996). Beide Aussagen beziehen sich nur auf das Landesinnere, Aussagen über das 80 km lange Gebiet von der Westküste über das Ablationsgebiet bis zum Inlandeis in Höhe von ca. 1700 m über dem Meer fehlen. Da das ETH/CU-Camp in der Höhe von ca. 1150 m in diesem fehlenden Bereich liegt, kann es diese Lücke wenigstens mit einem Stützpunkt schließen. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich die in dieser Untersuchung festgestellte Höhenabnahme -0,2 m/a sehr gut in das Ergebnis der EGIG-Linie im Zeitraum 1968-1992 einfügen, da hier ebenfalls eine Höhenabnahme des Profiles in dieser Größenordnung festgestellt wurde. Trotz dieser sehr guten Übereinstimmung ist zu bedenken, dass sich beide Ergebnisse auf unter-schiedliche Zeiträume beziehen. 7 Zusammenfassung Es wurde gezeigt, wie mit Methoden der Ingenieurvermessung Informationen über Fließge-schwindigkeit, Fließrichtung, Deformation und Höhenänderung der Eisoberfläche zu erhalten sind. Die dabei eingesetzten Mess- und Auswerteverfahren ähneln weitgehend den bei sonsti-gen Deformationsanalysen angewandten Methoden. Modifikationen ergeben sich aus den un-gewöhnlichen meteorologischen Bedingungen (Temperaturen bis ca. -15°C und starken Wind), durch die permanente Bewegung des Untersuchungsgebietes auch während der Messung (ca. 0,3 m pro Tag), sowie durch die speziellen Probleme von GPS in diesen Breiten.

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Das wichtigste Untersuchungsergebnis ist die Höhenänderung des Eises. Die Höhenabnahme von ca. -0,2 m/a kann direkt mit dem Temperaturanstieg von ca. +0,9 °C/a korreliert werden. Sogar jährliche Abweichungen von diesem Trend sind direkt mit Temperaturschwankungen erklärbar. Da das Gebiet offensichtlich nicht (wie erwartet) an der Gleichgewichtslinie liegt, son-dern eher dem Ablationsgebiet zuzuordnen ist, wirken sich klimatische Änderungen besonders empfindlich aus. Der Untersuchungszeitraum umfasst zwar bereits 8 Jahre, dennoch sollten für eine längerfristige Prognose die glaziologischen Parameter in regelmäßigen Abständen von ca. 2 Jahren erneut gemessen werden. Hierzu ist es auch hilfreich, wenn terrestrische und Satelliten-verfahren unabhängig angewandt werden, die sich somit gegenseitig kontrollieren. Literatur [1] ABE-OUCHI, A.: Ice Sheet Response to Climate Change.

Zürcher Geographische Schriften,Nr. 54, ETH Geographisches Institut, Zürich 1993

[2] BAUMANN, E.: Die Anwendung statistischer Methoden bei der Untersuchung geodätischer Netze. DGK, Reihe C, Nr. 175, 1972.

[3] BREUER, P.: Schwingung und Auslenkung hoher Türme aufgrund von Windlasten und Temperaturgang, Erfassung von Amplitude und Frequenz durch kinematische GPS- Methoden. Veröff. d. Fachhochschule Stuttgart - Hochschule für Technik, Band 48, S. 68-77, 1999.

[4] GREINER, G.: Spannung in der Erdkruste- Bestimmung und Interpretation von in Situ- Messungen im Süddeutschen Raum. Dissertation Universität Karlsruhe, 1978.

[5] HECK,B./KUNTZ,E./MEIER-HIRMER,B.: Deformationsanalyse mittels relativer Fehler-

ellipsen. AVN, Heft 3, S.78-87, 1977.

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[8] HUYBRECHTS,P./ LETREGUILLY,A./ REEH,N.: The Greenland ice sheet and greenhouse warming. Paleogeography, Paleoclimatology, Paleoecology (Global Planetary Change Section) 89; p. 399-412, Elsevier Science Publishers B. V., Amsterdam, 1991.

[9] ILLNER, I.: Datumsfestlegung in freien Netzen. DGK, Reihe C, Nr. 309, 1985.

[10] ILLNER,M./KREBS,D./KUNTZ,E.: Einsatz des NAVSTAR-GPS-Systems zur Grund-

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[11] KÖHLER, M.: Das Verformungsverhalten des Ekström-Schelfeises in der Nähe der

deutschen Antarktis-Forschungsstation "Georg von Neumayer". Polarforschung 51, Nr. 2, S. 113-127, 1981.

[12] KÖHLER, M.: Ein geodätischer Beitrag zur Erfassung und Darstellung des Verzerrungs-

verhaltens von Eisflächen unter Anwendung der Kollokationsmethode. DGK, Reihe C, Nr. 318, München 1986.

[13] KRABILL, W. et al.: Rapid Thinning of Parts of the Southern Greenland Ice Sheet.

Science,Vol. 283, 5 March, p. 1522-1524,1999. [14] LUTZ, S.: Bestimmung von Fließgeschwindigkeit,

Höhenänderung und Verformung (Strain) des grönländischen Inlandeises am Beispiel der Daten des ETH/CU-Camps. Unveröffentlichte Diplomarbeit, HfT Stuttgart, 1999.

[15] MILEV, G.: Ausgleichung, Analyse und Interpretation von Deformationsmessungen.

DGK, Reihe C, Nr. 192, 1973. [16] MÖLLER, D. et al.: Die Weiterführung der geodätischen Arbeiten der Internationalen

Glaziologischen Grönland-Expedition (EGIG) durch das Institut für Vermessungskunde der TU Braunschweig. Deutsche Geod. Kommission, Reihe B, Nr. 303, München 1996.

[17] NYE, J.F.: A method of determining the strain-rate tensor at the surface of a glacier.

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[18] PELZER, H.: Zur Analyse geodätischer Deformationsmessungen. DGK, Reihe C, Nr. 164, 1971.

[19] PELZER, H.: Statische, kinematische und dynamische Punktfelder.

In: PELZER (Herausgb.), Geodätische Netze in der Landes- und Ingenieurvermessung, II, S. 225-262, Wittwer Verlag, 1985.

[20] RAPER, S. et al.: Climate Change and Sea Level.

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[21] REEH, N.: Parameterization of melt rate and surface temperature on the Greenland ice sheet. Polarforschung, Vol. 59, Nr. 3, p. 113-128, 1989 (erschienen 1991).

[22] RIGNOT, E.J. et al.: North and Northeast Greenland Ice Discharge from Satellite Radar

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[24] STOBER. M.: Zur Bestimmung der Deformation des grönländischen Inlandeises bei

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[25] STOBER, M.: Zur Erfassung rezenter vertikaler Krustenbewegungen durch

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[26] STOBER, M.: Höhenbestimmung im westlichen Randbereich des grönländischen

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[27] STOBER, M.: Neue Ergebnisse zum Refraktionseinfluss bei der trigonometrischen

Höhenmessung auf dem grönländischen Inlandeis. Veröff. der Fachhochschule für Technik Stuttgart, Band 28, S. 48-61, 1994.

[28] STOBER, M.: Untersuchungen zum Refraktionseinfluss bei der trigonometrischen

Höhenmessung auf dem grönländischen Inlandeis. Geod. Institut der Universität Karlsruhe, Festschrift Draheim/Kuntz/Mälzer, S. 259-272, 1995.

[29] STOBER,M./SCHAIBLE,T./LUTZ,S.: Terrestrisch-geodätische Untersuchungen zum

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[30] WELSCH, W. 1982: Description of Homogeneous Horizontal Strains and some Remarks

to their Analysis. Deutsche Geod. Kommission, Reihe B, Nr. 258/V, p. 188-205, München 1982.